100 Milliarden für Gesundheit, Klima und Soziales statt für Aufrüstung!

Bündnis Soziales statt Aufrüstung, Infomail 1189, 20. Mai 2022

Demonstration anlässlich der Abstimmung über ein 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr | Berlin, Sonntag, 29. Mai 14:30 Uhr | Startpunkt: Hermannplatz (U7/U8), Endpunkt: Willy-Brandt-Haus

Seit über zwei Monaten tobt der Angriffskrieg in der Ukraine nach dem Einmarsch Putins. Unter dem Vorwand, den Krieg und damit das Leid zu verkürzen, greifen die NATO-Staaten und die Bundesregierung mit der Lieferung von schweren Waffen inzwischen aktiv in den Krieg ein. Die Möglichkeit einer direkten militärischen Konfrontation zwischen der NATO und Russland rückt immer näher.

Die Bundesregierung nimmt den Krieg in der Ukraine zum Anlass, das deutsche Militärbudget massiv zu erhöhen. Mit dem geplanten Sonderetat von 100 Milliarden Euro würde sich Deutschland auf den dritten Platz der weltweiten Militärausgaben katapultieren. Doch den Menschen in der Ukraine wird damit nicht geholfen. Ebensowenig wird die Welt sicherer, wenn sich Deutschland für neue Kriege rüstet.

Als Gewerkschafter:innen und Linke sind wir der Meinung, dass wir dem deutschen Militarismus nicht einmal den kleinen Finger geben dürfen. Nein zum 100-Milliarden-Euro-Sonderhaushalt, nein zur Erhöhung der Militärausgaben auf das NATO-2-Prozent-Ziel!

Trotzdem sollen wir am Ende des Tages das Geld dafür zahlen: Die Milliardenausgaben holt sich der Staat früher oder später durch Einsparungen in der öffentlichen und sozialen Infrastruktur zurück. Dabei wäre jeder Euro besser im Gesundheitssystem, in der Bildung, im Klimaschutz oder bei der Armutsbekämpfung angelegt, um den Pflegenotstand zu beenden, kleinere Klassen durchzusetzen oder die Industrie auf erneuerbare Energien umzustellen.

Zugleich steigen die Lebenshaltungskosten unaufhörlich. Die aktuellen Tarifrunden wie im Sozial- und Erziehungsdienst und die kommenden Tarifrunden in der Stahlindustrie, der chemischen Industrie und im öffentlichen Dienst sind wichtige Ansatzpunkte, um die Inflation zu bekämpfen und die steigenden Preise zu stoppen.

Aus diesem Grund demonstrieren wir am 29. Mai um 14:30 Uhr in Berlin und rufen dazu auf, zeitgleich dezentrale Aktionen bundesweit organisieren, bevor der Bundestag dem neuen Budget zustimmt.

Lasst uns eine große Antikriegsbewegung der Arbeiter:innen und der Jugend aufbauen, um die Aufrüstung und das Bundeswehrsondervermögen zu stoppen und den kommenden Sozialkürzungen und den steigenden Preisen den Kampf anzusagen.

  • Keine 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr!
  • Nein zum 2-Prozent-Ziel der NATO!
  • Nein zum Krieg in der Ukraine! Solidarität mit allen Kriegsbetroffenen sowie allen Geflüchteten! Solidarität mit den Antikriegsprotesten in Russland und Belarus!
  • 100 Milliarden für Gesundheit, Bildung, Klima und Soziales statt für Rüstung!!

Für Sofortmaßnahmen gegen die Inflation! Preisstopp für Lebensmittel, Heizung, Strom und Mieten! Automatische Anpassung der Löhne, Renten, Arbeitslosengelder und Sozialhilfe an die Preissteigerungen – finanziert durch Vermögensabgaben.

Demonstration

Sonntag, 29. Mai 14:30 Uhr

Startpunkt: Hermannplatz (U7/U8)

Endpunkt: Willy-Brandt-Haus

Wenn eure Gruppe oder Organisation diese Demonstration ebenfalls unterstützen will, schreibt uns an sozialesstattaufruestung@protonmail.com oder kontaktiert uns auf Instagram oder Facebook.

Unterstützende Personen und Gruppen

Ferat Kocak – MdA, DIE LINKE

Antikapitalistische Linke Berlin

Gruppe Arbeiter:innenmacht

DIE LINKE. Neukölln

marx21

Klasse Gegen Klasse

Revolution

Revolutionär Sozialistische Organisation

ROSA Berlin

Sozialistische Alternative – SAV

Sozialistische Organisation Solidarität – Sol

Solid Berlin

Solid Nordberlin

Stadtpiraten – Leerstand zu Obdach

VKG Berlin – Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften




Krieg dem Krieg! Keinen Cent für die imperialistische Politik!

Gruppe Arbeiter:innenmacht, Neue Internationale 264, Mai 2022

Vorschläge für eine Antikriegsbewegung

  • Nein zu Putins Angriffskrieg! Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung und Antikriegsbewegung in Russland!
  • Sofortiger Abzug der russischen Armee! Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung, Anerkennung ihres Rechts auf Selbstverteidigung gegen die Invasion!
  • Solidarität mit der Antikriegsbewegung und der Arbeiter:innenklasse in Russland; Verbreitung der Aktionen gegen den Krieg; Freilassung aller Festgenommenen!
  • Aufnahme aller Geflüchteten, Bleibe- und Staatsbürger:innenrechte für alle – finanziert durch den Staat; Integration der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt, Aufnahme in die Gewerkschaften!
  • Nein zu jeder NATO-Intervention! Gegen alle Sanktionen, Aufrüstung, NATO-Truppenverlagerungen und Waffenlieferungen! Gegen NATO-Ausweitung, sofortiger Austritt aus der NATO!
  • Keinen Cent für die imperialistische Politik, für die Bundeswehr! Nein zum 100-Milliarden-Programm der Ampel-Koalition!
  • Die Kosten der Preissteigerung müssen die Herrschenden zahlen! Enteignung des Energiesektors und anderer Preistreiber:innen unter Arbeiter:innenkontrolle! Übernahme gestiegener Lebenshaltungskosten der Arbeiter:innenklasse, der Rentner:innen, von Erwerbslosen durch Besteuerung des Kapitals! Verstaatlichung der Rüstungsindustrie und Konversion unter Arbeiter:innenkontrolle!
  • Politischer Massenstreik und Massendemonstrationen gegen jede direkte NATO-Intervention!

Die Ablehnung jeder Klassenzusammenarbeit, jeder Unterstützung der Regierung und ihrer militärischen und wirtschaftlichen Interessen ist nicht nur unerlässlich im Kampf gegen den „eigenen“ Imperialismus, den Hauptfeind im eigenen Land. Sie schafft zugleich auch die besten Voraussetzungen für den Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung – insbesondere auch in Russland und in der Ukraine.




Deutscher Militarismus: Aufrüstung, Krieg und der DGB

Helga Müller, Neue Internationale 264, Mai 2022

Drei Tage nach dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine beschloss die Bundesregierung mit Hilfe der CDU und CSU ein sogenanntes Sondervermögen von 100 Milliarden Euro zur Aufrüstung der Bundeswehr! Zusätzlich sollen zukünftig über 2 % des BIP für Aufrüstungsausgaben jährlich zur Verfügung stehen.

Es gibt dafür weder eine Vermögenssteuer oder -abgabe noch eine Erhöhung der Kapitalsteuern für die Banken und Konzerne. Laut Lindner soll dies aus dem laufenden Bundeshaushalt bewältigt werden, der noch dazu unter dem Damoklesschwert des Wiederinkrafttretens der Schuldenbremse steht. D. h. also nichts anderes, als dass die Finanzierung mit einem gigantischen Sozialabbau, der allein die Kolleg:innen, Rentner:innen, Jugendlichen, Geflüchteten und Frauen trifft, verbunden sein wird. Nichts – außer ein paar Almosen in Form von einmaligen Prämien – für die Pflegekräfte in den Kliniken, die Kolleg:innen in den Schulen, Kindertagesstätten oder Jugendfreizeitstätten, die Bus- und Straßenbahnfahrer:innen, die Kolleg:innen im Einzelhandel, die seit über 2 Jahren trotz Pandemie und schlechter werdenden Bedingungen alles am Laufen gehalten haben.

Aufschrei der Gewerkschaften?

Schon dies alleine hätte beim DGB und seinen Gewerkschaften zu einem sofortigen Aufschrei führen müssen. Stattdessen Unterstützung des Regierungskurses für Sanktionen gegen Russland, bei denen auch der DGB weiß, dass diese nicht in erster Linie die Oligarch:innen treffen werden, die hinter Putins Kriegskurs stehen, sondern die arbeitende Bevölkerung, Arbeitslose und RentnerInnen. Dann zarte Kritik an den 100 Milliarden Sondervermögen, die doch besser im sozialen Bereich hätten investiert werden sollen, und gerade mal eine kritische Haltung, aber nicht Ablehnung des Ziels, den Rüstungsetat auf über 2 % des BIP jährlich zu erhöhen.

Werneke, Chef von ver.di, die ja immer als eine sehr politische und kritische Gewerkschaft galt, äußerte sich wenige Tage nach dem Bundestagsbeschluss in einem Interview dazu. Er nimmt hier eine mehr als zweideutige Haltung gegenüber dem sog. Sondervermögen für Aufrüstung ein:

„Richtig ist, dass der Zustand der Bundeswehr in Teilen wirklich schlecht ist, trotz der vielen Milliarden, die jetzt schon im System sind. Das betrifft die Ausrüstung, den Zustand von Kasernen, aber auch die Attraktivität als Arbeitgeber. …  Ich will eine Bundeswehr, die als Verteidigungsarmee funktioniert und die auch ein guter Arbeitgeber ist. … Eine Rechtfertigung für einen dauerhaft höheren Militärhaushalt ergibt sich daraus für mich nicht. …“ Weiter: „Ich sehe allerdings die dringlichsten Handlungsbedarfe nicht bei den Ausrüstungsdefiziten in der Bundeswehr. Wir stehen in Deutschland vor der größten Flüchtlingswelle seit dem zweiten Weltkrieg.“

Erst nachdem es mehrere Beschlüsse von verschiedenen ver.di-Gremien gab, die sich gegen Waffenlieferungen in Krisengebiete und vor allem gegen das Aufrüstungsprogramm insgesamt richteten, wie z. B. die Resolution der ver.di-Mitgliederversammlung der Beschäftigten bei Vivantes, Charité und Vivantes-Töchtern oder die Entschließung des geschäftsführenden Bezirksvorstandes ver.di-Südhessen vom 13. März, lehnte der Gewerkschaftsrat in einer Resolution  „die Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf einen dauerhaften Anteil von zwei Prozent am Bruttoinlandsprodukt, wie es das NATO-Ziel vorsieht“, ab. Jedoch bleibt diese bzgl. des 100 Milliarden Sondervermögens genauso vage wie Werneke.

Halbherzig – bestenfalls

Alles halbherzige Bekenntnisse, mit denen sich die Gewerkschaftsverantwortlichen noch stärker als jemals zuvor den wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen der deutschen Konzerne und Banken mitsamt ihrer Regierung unterordnen. Dies spiegelt sich auch in der diesjährigen Tarifpolitik: durch die Bank weg haben die Gewerkschaften bei den Tarifrunden in der Druckindustrie, Chemie und bei den öffentlichen Banken mehrjährige Entgelttarifverträge abgeschlossen, die alle einen Reallohnverlust für lange Zeit verankern!

Wir wissen aber, dass die Kolleginnen und Kollegen, um die Zeche für Deutschlands Wettrüsten mit anderen Weltmächten finanzieren zu können, zahlen müssen. Die Heizungs-, Energie- und Lebensmittelpreise werden weiter in die Höhe schnellen je länger der Krieg dauert. Obendrauf kommen dann noch die Kosten für die Aufrüstung!

Angeblich soll damit die Sicherheit der Bundesrepublik garantiert werden. In Wirklichkeit geht es um die Sicherung der wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen der deutschen Banken und Konzerne im Kampf um die Neuaufteilung der Welt.

Was tun?

Angesichts dieser höchst gefährlichen Situation kommt auf unsere Gewerkschaften eine große Verantwortung zu! Sie verlangt von ihnen, sich eindeutig von den Beschlüssen der Bundesregierung zu distanzieren und vor allem den Kampf dagegen aufzunehmen. Erfreulicherweise gibt es mittlerweile sowohl in ver.di als auch in der IG-Metall Beschlüsse, die sich eindeutig gegen das Aufrüstungsprogramm der Bundesregierung richten.

Diese Resolutionen sind wichtig und richtig, aber wir brauchen kämpferische Aktionen – wie Demonstrationen bis hin zu Streiks. Dies wäre ein wichtiger Beitrag der deutschen Gewerkschaften zum notwendigen Aufbau einer starken internationalen Antikriegsbewegung, die in der Lage ist, diesen Krieg zu beenden und weitere zu verhindern!

Ein erster Schritt wären massive Protestdemonstrationen und Arbeitsniederlegungen gegen das 100 Milliarden Programm zur Aufrüstung an dem Tag, wenn die Verfassungsänderung im Parlament diskutiert und beschlossen werden soll.




SDAJ-Konferenz: Kein Schritt zur Antikriegsbewegung

Jonathan Frühling, REVOLUTION, ursprünglich veröffentlicht auf http://onesolutionrevolution.de/,Infomail 1185, 25. April 2022

Am Samstag, den 23. April 2022, lud ein von der SDAJ geführtes Bündnis, bestehend aus u. a. DIDF, [‚solid], ver.di Jugend, GEW Jugend und Naturfreundejugend zu einer Antikriegskonferenz von Jugendlichen ein. Revolution beteiligte sich mit Genoss_Innen aus verschiedenen Städte daran, auch wenn wir – wie eine Reihe anderer linker Gruppen – nicht in die Vorbereitung involviert worden waren.

Da die SDAJ ihre gesamte Mitgliedschaft mobilisierte, waren ca. 250 Leute anwesend, was sehr beachtlich war. Insgesamt begrüßen wir diesen Vorstoß und haben uns deshalb gerne daran beteiligt. Allerdings hat die Konferenz am Ende mehr den desaströsen Opportunismus der SDAJ zur Schau gestellt, als dass sie die Antikriegsbewegung praktisch oder theoretisch vorangebracht hätte.

Expert:innenvorträge und Workshops

Zu Beginn gab es sogenannte „Expert:innenvorträge“ z. B. von der LINKEN und einem ehemaligen IG Metall-Vorstandsmitglied. Das war zwar zum Teil interessant, allerdings konnten uns diese Leute mit ihrem lauwarmen Reformismus keine Antworten auf Krieg, Aufrüstung und imperialistische Unterdrückung liefern. Es schloss sich eine Workshopphase an, in der relativ frei diskutiert werden konnte. Allerdings war auch hier der Fokus vor allem auf Deutschland gerichtet. Dort brachten unsere Genoss_Innen ein, dass wir uns unbedingt zur NATO und zum Krieg in der Ukraine positionieren müssen, was von der SDAJ kategorisch zurückgewiesen wurde. Am Ende kam eine Frau aus dem Vorstand der SDAJ sogar auf uns zu und hat gesagt, es wäre unsolidarisch, wenn wir das vor dem großen Podium ansprechen würden, weil sich ja die Organisator_Innen im Vorfeld schon geeinigt hatten, dazu zu schweigen!

Die Resolution

Zum Schluss wurde eine Resolution verabschiedet. Sie war allerdings politisch extrem schwach. Es gab KEINE (!) Einschätzung der aktuellen (Welt-)Lage, sondern nur ein paar antimilitaristische Forderungen. Diese sind zwar unterstützenswert, aber fokussieren sich nur auf Deutschland. Zudem reichen sie nicht dazu aus, einer Antikriegsbewegung der Jugend Handlungsorientierung zu geben, zumal sie sich um alle internationalen Fragen drücken. Folgende Worte fanden überhaupt keine Erwähnung: Arbeiter_Innenklasse, Gewerkschaft, Streik, NATO, Russland, (Anti-)Kapitalismus, Imperialismus. Das alleine sollte Beweis genug dafür sein, wie unzureichend die Resolution ist.

Aufgrund unserer Intervention in der Workshopphase fühlte sich der Vorstand der SDAJ dazu genötigt, vor der Diskussion zur Resolution anzukündigen, dass man bitte nichts zu dem Ukrainekrieg sagen soll! Es gebe dazu keine Einigung unter den Gruppen und deshalb hätten die Organisator:innen im Vorfeld beschlossen, die Frage auszuklammern! Als von uns und der MLPD-Jugendorganisation Rebell Anträge zu den Themen imperialistische Aggression, NATO und einem Bezug zur Arbeiter:innenklasse eingebracht wurden, wurde einem unserer Genoss:innen sogar kurzzeitig das Mikrophon aus der Hand gerissen! Die Anträge wurden dann von der Protokollantin zum Teil gar nicht notiert oder mit der Begründung „Es hat ja jemand dagegen gesprochen“ einfach nicht in die Resolution aufgenommen. Eine demokratische Abstimmung zu den gestellten Anträgen fand einfach nicht statt! Diese bürokratische Vorgehensweise war wirklich eine Schande. Da das beschämende Verhalten der SDAJ-Führung offen vor dem gesamten Plenum passiert ist, bleibt zu hoffen, dass das nicht nur uns übel aufgestoßen ist.

Auch praktisch sah es nicht rosiger aus. Die beachtliche Größe dieser Konferenz wurde nicht dazu genutzt, Aktionen wie z. B. dezentrale Aktionen an dem Tag, an dem im Bundestag über den 100-Mrd.-Sonderetat der Bundeswehr abgestimmt wird, zu planen. Stattdessen blieb es bei einem folgenlosen „Beteiligt euch an Aktionen zum 8. Mai (Tag der Befreiung) und zum 1. September (Antikriegstag)!“

Die Tatsache, dass für dieses zentrale Papier nur 20 Minuten für Diskussion, Anträge und Abstimmung geplant waren, zeigt, dass ein demokratischer Prozess zur Erstellung einer Resolution von Anfang an nicht gewünscht war.

Fazit

Die Konferenz hätte dazu genutzt werden können, um die drängenden Fragen zum Thema Krieg und Frieden unserer Zeit zu diskutieren. Es ist so wichtig, dass wir unsere Analysen und Forderungen austauschen und diskutieren. Nur wenn wir verstehen, was gerade passiert und wieso, können wir programmatische Antworten finden und um dieses Programm eine schlagkräftige Bewegung formieren.

Das Argument, dass man alle strittigen Punkte ausklammert und z. B. nicht die NATO kritisiert, damit ver.di die Resolution unterstützt, ist feiger Opportunismus und blockiert den Aufbau einer kämpferischen Antikriegsbewegung. Wie sollen wir die Millionen Gewerkschaftsmitglieder und Jugendlichen von unseren Positionen überzeugen, wenn wir sie ihnen nicht mitteilen und einladen, darüber zu diskutieren?

Leider bleibt zu sagen, dass die Konferenz keinen Schritt in Richtung einer Jugendbewegung gegen Krieg setzte. Am Ende sind wir alle nach Hause gefahren und konnten uns nicht einmal denken: „Schön, dass wir mal drüber geredet haben.“ Denn selbst das war von den Organisator_Innen nicht gewünscht.




Nein zum Krieg! Gegen die Aufrüstung! Weder Putin noch NATO!

Aufruf zum klassenkämpferischen und antiimperialistischen Block auf der Demo „No War but Class War!“ am 9. April um 14 Uhr in Berlin (U Unter den Linden), Infomail 1184, 2. April 2022

Über einen Monat dauert der reaktionäre Angriff der russischen Streitkräfte auf ukrainische Städte und Dörfer an. Schon jetzt mussten als Folge des Krieges Millionen von Menschen fliehen, Städte wurden in Schutt und Asche gelegt und es gibt zahlreiche Tote. Die NATO-Mächte, darunter Deutschland, rüsten ihrerseits auf und entsenden Waffen in die Ukraine und Truppen, Kriegsschiffe und Flugzeuge in Nachbarländer Russlands.

Wir stellen uns klar gegen Putins reaktionären Krieg und fordern den Abzug aller russischen Truppen aus der Ukraine! Die russische Armee kämpft keineswegs für „Entnazifizierung“ oder im Interesse der Unterdrückten gegen den Einfluss der westlichen Imperialismen. Das Putin-Regime versucht vielmehr mit brutalen Mitteln, verlorenen Einfluss in der Region wieder zurückzuerlangen.

Doch der Kampf um die Ukraine wird nicht nur von Russland geführt. NATO, USA, EU wollen ihrerseits das Land unter ökonomische und politische Kontrolle bringen und in die westliche militärische Ordnung einbinden. Die Länder Osteuropas dienen schon jetzt insbesondere für das deutsche Kapital als Niedriglohngebiete und Absatzmärkte, während der Internationale Währungsfonds die Ukraine zu Sparmaßnahmen und Privatisierungen zwingt. Die ukrainische Selenskyj-Regierung steht für die Politik der völligen Unterordnung unter die Interessen der westlichen Imperialismen. Das ist kein Ausweg für die Arbeiter:innen und Massen in der Ukraine!

Deswegen treten wir hier auch gegen jede Intervention der NATO und Deutschlands ein. Der Krieg ist keiner zwischen Diktatur und Demokratie, sondern ein Ringen um kapitalistische Einflusssphären.

Der Charakter der NATO als imperialistisches Bündnis zur Sicherung der geostrategischen Interessen der an ihm beteiligten Militärmächte zeigt sich auch am medial völlig ignorierten Krieg der Türkei gegen die kurdische Selbstverwaltung. Im Schatten des Ukrainekriegs begeht die Türkei schreckliche Kriegsverbrechen und bombardiert quasi täglich die Zivilbevölkerung. Während Außenministerin Baerbock (Grüne) mit einer angeblich „feministischen Außenpolitik“ Kriegshetze in Richtung Ukraine betreibt und die Regierung immer weiter gegen Russland aufrüstet, exportiert Deutschland in massivem Umfang Waffen in die Türkei und betont die guten zwischenstaatlichen Beziehungen.

Wir lehnen entschieden den neuen Kurs der deutschen Außenpolitik ab, der eine massive Aufrüstung der Bundeswehr und stärkere deutsche Beteiligung an internationalen Konflikten und Kriegen bedeutet. Als Gewerkschafter:innen und Linke sind wir der Meinung, dass wir dem deutschen Militarismus nicht einmal den kleinen Finger geben dürfen. Nichts Gutes kann für die Menschen in der Ukraine und Völker der Welt dabei herauskommen, wenn der deutsche Imperialismus aufrüstet. Nein zum 100-Milliarden-Euro-Sonderhaushalt, nein zur Erhöhung der Militärausgaben auf das NATO-2-Prozent-Ziel!

Der Krieg fordert nicht nur Opfer in der Ukraine. In Russland leiden die Arbeiter:innen unter den massiven Sanktionen, die die imperialistischen Mächte gegen seine Wirtschaft verhängt haben. Massive Preissteigerungen und Entlassungen sind die Folge. Die russischen Soldat:innen werden als Kanonenfutter verheizt. Die Opposition gegen den Krieg wird von der russischen Regierung mit harter Repression überzogen. Deshalb fordern wir auch die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen in Russland!

Auch weltweit sind die Folgen des Krieges zu spüren: Überall steigen Energie- und Weizenpreise massiv, es drohen Nahrungsmittelengpässe insbesondere in den halbkolonialen Ländern. Im Jemen wurden beispielsweise schon jetzt die UN-Rationen um die Hälfte gekürzt.

Gerade kommen viele Menschen in Deutschland an, weil sie die Ukraine verlassen müssen. Wir begrüßen die große Solidarität und die vielen ehrenamtlichen Unterstützungsangebote, die gerade entstehen. Gleichzeitig müssen wir auch die Bedingungen kritisieren, unter denen geflüchtete Menschen in Deutschland leben müssen. Statt leerstehende Immobilien für die Unterbringung zu nutzen, werden Plätze in inhumanen und unsicheren Lagern geschaffen, an denen seit vielen Jahren Kritik geübt wird. Wir sind für deren Abschaffung und für zwar ALLE Geflüchteten. Es darf kein Unterschied gemacht werden zwischen Menschen aus der Ukraine und geflüchteten Menschen aus anderen Ländern. Wir fordern auch das sofortige Bleibe- und Arbeitsrecht, Bewegungsfreiheit, bedarfsgerechte medizinische und psychologische Betreuung und das Recht auf politische Organisierung für alle Geflüchteten.

Die Arbeiter:innen und Massen in der Ukraine, in Russland und den westlichen Ländern wie Deutschland hegen aus all diesen Gründen ein Interesse daran, den Krieg zu stoppen. Wenn wir Frieden wollen, dann müssen wir uns hierzulande gegen die massive Aufrüstung und Kriegstreiberei stellen. Wenn wir Frieden wollen, dann müssen wir die Antikriegsproteste und Streiks gegen die Auswirkungen des Kriegs und der Sanktionen in Russland unterstützen. Wenn wir Frieden wollen, dann muss uns klar sein, dass wir Arbeiter:innen diejenigen sind, die ihn schaffen – wie die Arbeiter:innen in Italien und Belarus gezeigt haben: Statt sich ihren jeweiligen Regierungen unterzuordnen, haben sie einerseits italienische Waffenlieferungen an die Ukraine blockiert und andererseits die Versorgung der russischen Truppen in der Ukraine unterbrochen. So kann internationaler Widerstand der Arbeiter:innen aussehen!

Inspiriert von diesen Beispielen wollen wir hierzulande eine Antikriegsbewegung aufbauen, die diese Aktionen verbreitet, verallgemeinert und eine „dritte Position“ vertritt. Erste Beispiele wie die Positionierung der Berliner Krankenhausbewegung gegen Krieg und Aufrüstung oder die gleichgerichtete Aktion von Eisenbahner:innen in Berlin hat es schon gegeben. Wir wollen uns weder der NATO-Politik unterordnen noch durch den Verweis auf die „Sicherheitsinteressen“ Russlands den Angriffskrieg legitimieren.

Wir begrüßen, dass Gewerkschaften und Linkspartei schon zu Mobilisierungen gegen den Krieg aufgerufen haben. Jedoch nehmen die Führungen der Gewerkschaften und der Partei DIE LINKE zu Fragen der Sanktionen eine falsche Haltung ein. Sie zerstören nicht nur die Lebensbedingungen der russischen Bevölkerung, sondern sind Teil der wirtschaftlichen Kriegsführung und eskalieren die Situation weiter.

Selbst wenn der 100 Mrd. Euro starke Sonderetat zur Aufrüstung der Bundeswehr und das Zwei-Prozent-Ziel für die jährlichen Militärausgaben in den NATO-Mitgliederstaaten abgelehnt werden, muss der Kampf gegen alle Formen der Kriegsführung und Aufrüstung, offen oder verdeckt, ökonomisch, politisch oder militärisch durch die Mobilisierung ihrer Mitgliedschaft geführt werden. Jede unklare Haltung oder gar Unterstützung der Politik der NATO, EU oder Deutschlands dient letztendlich dem deutschen Imperialismus, gegen den sich der DGB und DIE LINKE stellen müssen.

Eine tatsächliche Perspektive für eine unabhängige Ukraine, in der die ukrainisch- und russischsprachigen Teile der Bevölkerung und alle verschiedenen Ethnien ihr Recht auf Selbstbestimmung – einschließlich des Rechts auf Lostrennung – verwirklichen und geschwisterlich miteinander zusammenleben können, ist weder unter der Herrschaft des russischen noch des westlichen Kapitals möglich, sondern nur in der Perspektive einer sozialistischen Arbeiter:innenukraine.

Wir fordern die Gewerkschaften, die Linkspartei und die Teile der SPD auf, die sich als antimilitaristisch verstehen, dazu auf, nicht nur zu Antikriegsdemonstrationen aufzurufen. Es braucht Aktionskomitees und Vollversammlungen in Betrieben, an Universitäten und Schulen, die die Diskussion an die Orte tragen, wo wir uns tagtäglich bewegen.

Lasst uns eine starke Kampagne gegen Krieg und Aufrüstung aufbauen, die in den Betrieben, an Schulen und Unis und auf der Straße eine klassenkämpferische und antiimperialistische Antwort auf die Politik der Regierung und der Bosse liefert. Komm mit uns auf die Demonstration am 9. April um 14 Uhr in Berlin (U Unter den Linden)!

  • Russische Truppen raus aus der Ukraine!
  • Schluss mit NATO-Kriegsvorbereitungen! Nieder mit der NATO!
  • Keine Aufrüstung der Bundeswehr! Milliarden für die Pflege, Bildung und Klima statt für Kriege!
  • Keine Waffenlieferungen oder Sanktionen durch EU und USA!
  • Für die Aufnahme ALLER Geflüchteten! Für volle demokratische, soziale und Arbeitsrechte für alle Geflüchteten!
  • Solidarität mit den Protesten in Russland gegen den Krieg! Freiheit für alle politischen Gefangenen!

Aufrufende Gruppen

Antikapitalistische Linke Berlin

Gruppe Arbeiter:innenmacht (GAM)

Klasse gegen Klasse / Revolutionäre Internationalistische Organisation (RIO)

REVOLUTION – kommunistische Jugendorganisation

Revolutionäre Sozialistische Organisation (RSO)

[’solid] Nord Berlin

Sozialistische Organisation Solidarität (SOL)

Sozialistische Alternative SAV




Sanktionen gegen Russland: Friedlich getarnte Kriegsmittel

Leo Drais, Neue Internationale 263, April 2022

Russlands niederträchtiger Überfall auf die Ukraine hat die Angst vor dem Krieg in unser mitteleuropäisches Leben zurückgebracht. Er ist allgegenwärtig, ohne, dass wir ihn hier selbst erleiden. Aber wir sehen ihn im Internet, im Fernsehen, in den Zeitungen, jeden Tag. In Bahnhöfen begegnen wir Geflüchteten, spenden, helfen. Und wir fühlen – die Sprengköpfe sind auch auf uns gerichtet. Der Dritte Weltkrieg, das nukleare Ende sind Möglichkeiten, die in den Alpträumen, Fantasien und Vorstellungen vieler, nicht nur sensibler Menschen bereits ausbrechen.

Eine große Mehrheit betrachtet daher vor allem die Sanktionen gegen Russland als gerechtfertigt. Einerseits, weil Russland hier als der eindeutige Aggressor dasteht, als die Macht, die zuerst gefeuert hat. Andererseits, weil es die verbreitete und ignorante, da Afghanistan, Irak und Kosovo vergessende, Illusion über den Westen als demokratischen Verteidiger der Menschenrechte gibt, der nun der Ukraine unter die Arme greift – ganz selbstlos anscheinend. Diese Faktoren, gepaart mit friedliebender Hoffnung, angstgetriebener Wut und gefühlter Machtlosigkeit haben innerhalb der deutschen Bevölkerung für eine Stimmung gesorgt, die die Sanktionen bejaht und begrüßt.

Verständlich, aber nur auf den ersten Blick: Russland würde für seinen Krieg gerecht bestraft und das auch noch mit friedlichen Mitteln. Aber so einfach ist die Sache leider nicht, denn:

1) Sanktionen sind für sich genommen ein diplomatisches, wirtschaftliches oder politisches Zwangsmittel. Aber ein Mittel ist nichts ohne seinen Zweck, und den bestimmt, wer sanktioniert.

2) Sanktionen treffen vor allem die einfache Bevölkerung und die Arbeiter:innenklasse.

3) Wer Sanktionen ausspricht, muss sie auch durchsetzen können – notfalls militärisch.

Mittel und Zweck

Zum ersten Aspekt. Sanktionen sind hier nur ein anderes Mittel für denselben Zweck. Viele, sehr viele glauben, ein Sieg der Ukraine wäre ein Sieg der Demokratie, Souveränität und Unabhängigkeit gegen den Despotismus.

Aber ist dem wirklich so? Wenn Kiew den Krieg gewinnen sollte – und nichts anderes sollen die Sanktionen bewirken – würde die Ukraine wesentlich eine Halbkolonie der EU und der USA bleiben, weiterhin abhängig von der NATO, westlichem Kapital und unter Peitsche des Internationalen Währungsfonds IWF – soviel zur realen Souveränität.

Was die Demokratie angeht, ist die Ukraine nach wie vor ein Staat mit einer mächtigen Oligarchie an der Spitze, die sich eine enge Bindung an die EU und die USA wünscht. Auch fragt sich mindestens, was die Krim und den Donbass angeht, ob – selbst bei lupenreinen Wahlen – die ukrainische Regierung ein Selbstbestimmungsrecht einschließlich Loslösungsmöglichkeit dieser Gebiete anerkennen würde. Wohl eher nicht.

Damit sollen weder Putins Regime noch das Selbstbestimmungsrecht einer Nation relativiert werden. Es soll bloß heißen, dass die bürgerliche Demokratie selbst nur sehr begrenzten Einfluss für die Bevölkerung bedeutet und im Großen und Ganzen immer noch eine verschleierte Klassenherrschaft der Kapitalist:innen ist. Das trifft auch auf die BRD zu. Oder haben wir etwa irgendeine demokratische Kontrolle darüber, ob die Regierung 100 Milliarden für Rüstung rausballert oder nach zwei Jahren Corona endlich mal das Gesundheitssystem verbessert? Auch nicht.

Im Namen der Demokratie haben NATO-Staaten viel Leid produziert und glorreiche Demokratien wie in Afghanistan oder den Irak geschaffen. Das Ding mit der Demokratie ist mehr Ideologie zu unserer Einbindung in Staatspolitik der BRD, als dass es wirklich darum ginge, in der Ukraine eine lupenreine Demokratie zu schaffen.

Deutschland, die EU und die USA sind auch in der Ukraine keine selbstlosen Helfer:innen, die Russland nur für den Krieg bestrafen wollen. Es geht darum, dass alle kriegerisch oder nicht unmittelbar kriegerisch beteiligten kapitalistischen Großmächte in Konkurrenz zueinander stehen und keinen uneigennützigen Gefallen kennen. Für die westlichen Unterstützer:innen der Ukraine geht es nicht um deren Selbstbestimmung, sondern um das genaue Gegenteil – die Kontrolle ihrer Ressourcen, ihre Einbindung in den westlichen Block.

Vor allem die USA, aber auch die EU sehen in Moskaus Krieg die Chance, Russland als Konkurrenten zu schwächen, wenn nicht aus dem Weg zu räumen. Es geht um die Neuaufteilung der Welt und um die der Ukraine – zwischen der NATO einerseits und Russland (und in gewisser Weise China) andererseits.

Am Ende dienen die Sanktionen also nicht der Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine, sondern der Ausweitung des wirtschaftlichen und politischen Herrschaftsbereichs der EU-Mächte und der USA. Dass sich die ukrainischen Arbeiter:innen gegen die russische Okkupation zur Wehr setzen, ist zweifellos unterstützenswert. Das darf aber nicht mit einer Unterstützung des Regimes Selenskyj verwechselt werden, das selbst die Lohnabhängigen unterdrückt und erst vor kurzem reihenweise politisch oppositionelle Parteien und Organisationen verbot, weil sie angeblich „prorussisch“ wären. Schon gar nicht darf es mit einer Unterstützung der westlichen imperialistischen Kriegsziele und deren Mittel wie wirtschaftlicher Kriegsführung gleichgesetzt werden.

Die falschen Ziele

Zum zweiten Aspekt. Sanktionen sind nicht nur abzulehnen, weil sie diesem reaktionären Ziel dienen, sondern auch, weil sie schlicht die Falschen treffen. Während russische Reiche und die Putinclique weiterhin aus vollen Tellern tafeln und, sofern sie nicht mit persönlichen Sanktionen belegt sind, über Dubai oder Katar auch weiterhin in die Welt fliegen können, stehen russische Arbeiter:innen vor leeren Supermarktregalen und explodierten Preisen. Als Internationalist:innen, die in ihnen mögliche Verbündete im Kampf gegen den Krieg sehen, lehnen wir daher auch aus diesem Grund Sanktionen ab. Egal, ob sich IKEA aus Russland zurückzieht und die Beschäftigten auf die Straße setzt oder die Lohnabhängigen wegen des SWIFT-Ausschlusses Russlands Geldprobleme bekommen – die Sanktionen treffen vor allem die Massen.

Und noch was. Angeblich sollen sie ja auch bewirken, die russische Bevölkerung gegen Putin aufzubringen. Möglich ist aber auch das Gegenteil: Putins Propagandahoheit findet nun reichlich Futter, um antiwestliche Stimmung zu verbreiten und den Krieg umso mehr zu rechtfertigen. Alle, die auf den Aufstand der russischen Zivilbevölkerung gegen Putin warten, sollten sich darüber klar werden, dass ein/e äußere/r Gegner:in ein Land im Inneren auch zusammenschweißen kann.

Krieg und Frieden

Zum dritten Aspekt. Sanktionen eskalieren bis hin zum Krieg. Das Mittel, das erstmal so friedlich erscheint, ist in Wirklichkeit ein Teil der Konfrontation, die die Gefahr eines direkten Krieges zwischen der NATO und Russland erhöht, wobei es vermutlich das atomare Potential beider ist, das diesen großen Knall derzeit verhindert.

Wer „Sanktionen“ sagt, muss in gewisser Weise auch „Krieg“ sagen. Denn nicht alle Sanktionen sind nur wirtschaftlich, diplomatisch oder politisch durchsetzbar. Mindestens die Drohkulisse von Waffengewalt ist nötig, um Russland davon abzuhalten, diverse Sanktionen zu brechen oder militärisch auf sie zu antworten. Die Diskussion um eine Flugverbotszone über der Ukraine, an die sich Putin wahrscheinlich nicht halten würde, verdeutlicht genau das.

Darüber hinaus müssen die Sanktionen nicht nur gegenüber Russland durchgesetzt werden, sondern auch anderen Staaten, die sich nicht daran halten, also z. B. russisches Öl und Gas kaufen würden.

Sanktionen funktionieren auch dort nur in Verbindung mit ökonomischen Drohungen und potentieller militärischer Gewalt. Manche würden hier in Anlehnung an das Gleichgewicht des Schreckens vielleicht sagen: „Na klar, wer Frieden will, der rüste zum Krieg!“ Schade nur, dass weder die Geschichte noch die Dynamik einer kapitalistischen Welt das bestätigen. Im Lostreten eines Krieges regiert und konzentriert sich das ganze Irrationale dieser Gesellschaft. Daher gilt, dass alle, die den Dritten Weltkrieg verhindern wollen und Angst vor ihm haben, in Sanktionen eine gefährliche, eine falsche Hoffnung setzen!




Von Rüstungs- und Entlastungspaketen: 100 Milliarden Gründe gegen Scholz

Wilhelm Schulz, Neue Internationale 263, April 2022

In stürmischen Zeiten des Krieges in der Ukraine und weltumspannender Sanktionsprogramme sitzt das Portemonnaie der Bundesregierung recht locker. Ende Februar brachte der Bundestag ein Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100.000.000.000 Euro auf den Weg. Ende März einigte sich die Ampelkoalition auf ein Entlastungsprogramm, um die Preissteigerungen des Krieges abzufedern. Hier möchten wir einen Einblick in die beiden Milliardenprogramme der Bundesregierung geben und diese bewerten.

Mit 100 Milliarden Euro Sondervermögen und einer geplanten Erhöhung des Jahresbudgets für Verteidigung auf das von der Nato vorgegebene 2 %-Ziel des Bruttoinlandsprodukts, somit auf mehr als 70 Milliarden Euro, nehmen die Rüstungsausgaben einen gigantischen Kostenfaktor im Bundeshaushalt ein. Olaf Scholz liegt richtig, wenn er diesen Schritt als Zeitenwende bezeichnet.

Größtes Rüstungsprogramm

Denn nicht nur vom Geldvolumen her, auch bezogen auf die Anschaffungen haben wir es hier mit einer Wende in der zukünftigen militärischen Stellung zu tun. Der neue deutsche Militarismus soll die „Truppe“ im Ausland interventionsfähiger machen. Auch Verteidigungssysteme wie das israelische Raketenabwehrsystem Iron Dome könnten angeschafft werden.

#DerAppell, eine Petition gegen die Aufrüstungspläne der Bundesregierung, macht klar, welche Dimension das Sondervermögen im Gesamthaushalt einnimmt. „Diese Summe (des Sondervermögens) entspricht den Ausgaben mehrerer Bundesministerien, darunter so wichtige Ressorts wie Gesundheit (16,03 Mrd.), Bildung und Forschung (19,36 Mrd.), Innen, Bau und Heimat (18,52 Mrd.), Familie, Senioren, Frauen und Jugend (12,16 Mrd.), Wirtschaft und Energie (9,81 Mrd.), Umwelt (2,7 Mrd.), Zusammenarbeit und Entwicklung (10,8 Mrd.) sowie Ernährung und Landwirtschaft (6,98 Mrd.).“ Der Jahresetat der Bundesregierung lag ursprünglich bei 443 Milliarden Euro, inklusive Corona-Hilfen. Finanzminister Lindner kündigte an, dass an anderer Stelle Kürzungen für dieses Sondervermögen erfolgen müssten.

Aktuell besteht ein Streit zwischen Finanzministerium und Unionsfraktion über das Gesamtvolumen der Rüstungsausgaben bis zum Ende der Legislaturperiode. Lindner will neben den 100 Milliarden Euro den jährlichen Verteidigungsetat auf der aktuellen Höhe deckeln (50 Milliarden Euro). Mit diesen Maßnahmen würde die Erhöhung selbst über das Zwei-Prozentziel hinaus durch die 100 Milliarden im Sondervermögen ermöglicht werden, jedoch weniger übererfüllt, als es sich die Union wünscht.

Welche Kriegsgeräte?

Die genauen Bestellscheine sind noch nicht fertig geschrieben, denn eines ist klar: Die 100 Milliarden Euro entsprechen weniger einem klaren Rüstungsprogramm, als dass sie ein politisches Statement darstellen. Diese Erhöhung als Abschreckung zu verstehen, wäre ein verkürztes Urteil. Es handelt sich um eine Umrüstung des deutschen Imperialismus hin zu einer kriegsfähigen Kraft auf dem Erdball. Das NATO-Jahresbudget (30 Mitgliedsstaaten) überstieg schon zuvor um ein Zwanzigfaches den russischen Rüstungsetat. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) dementierte, dass es sich um ein militaristisches Aufrüstungsprogramm handle und markiert es als notwendige Ausstattung für eine wehrhafte Demokratie. Wir aber sagen: Ein demokratischer Bomber bleibt ein Bomber.

Es ist eine Zeitenwende, die den deutschen Imperialismus wieder zu einer kriegsfähigen Nation gestalten soll. Dass der hochgerüstete deutsche Imperialismus Blockführer in zwei Weltkriegen war, muss dafür in den Hintergrund geraten.

Konkret steht die Anschaffung von atomwaffenfähigen F-35-Kampfflugzeugen, bewaffnete Kampfdrohnen und Schwertransporthubschraubern im Raum. Die Anschaffung eigener nuklearer Sprengköpfe wird vorerst umschifft. Im Kriegsfall sollen die in Deutschland gelagerten US-amerikanischen Atombomben genutzt werden – nukleare Teilhabe. Der FAZ ist das schon nicht mehr genug. Sie forderte bereits mehr oder weniger offen ein Atomwaffenprogramm Europas, in dem die BRD mit führend ist.

Das aktuell erfolgreichste Kampfmittel auf Weltebene seitens der USA und europäischer Staaten ist das Sanktionsprogramm, welchem das Ziel wirtschaftlichen Schadens für Russland in bislang ungeahntem Ausmaß innewohnt. Die Sanktionen und die weltweite Inflation sowie die stetige Gefahr, dass der Krieg zu einem weltweiten Flächenbrand auswächst, wirken sich global auf die Preise aus. Weltweit droht eine Hungerkatastrophe vor allem in den Ländern des Südens. Die Ukraine und Russland liefern rund 30 % des weltweiten Weizenexports. Eine erste Krise zeichnet sich bereits in Ägypten ab, dessen Währung einerseits in den letzten Wochen um 15 % im Vergleich zum Dollar abgefallen ist und das zu 80 % seinen Weizen aus Russland importiert. Die Regierung hat vorerst den Brotpreis gedeckelt.

Und das Entlastungspaket?

Um die Folgen dessen in der Bevölkerung der BRD abzufedern, hat die Bundesregierung ein Entlastungsprogramm auf den Weg gebracht. Es umfasst folgende Aspekte: Absenkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe und Reduktion der ÖPNV-Ticketpreise auf 9 Euro für 90 Tage, 300 Euro Energiepauschale für Erwerbstätige, 100 für Sozialleistungsempfänger:innen und 100 pro Kind als Familienzuschuss.

Das Maßnahmenpaket folgt einer Gießkannenlogik. Dieser zufolge sollen alle ein bisschen gefördert werden, unabhängig von eigenen finanziellen Rücklagen oder regelmäßigen Einnahmen. Natürlich halten wir es für einen Erfolg, wenn indirekte Massensteuern wie die auf Kraftstoffe zurückgenommen werden. Wir stellen dem eine direkte progressive Steuer entgegen, die Reiche und Konzerne be- und die ärmeren Lohnabhängigen entlastet, die schärfer von Massensteuern betroffen sind wie beispielsweise der Mehrwertsteuer. Faktisch wird hier ein höherer Verbrauch mehr subventioniert.

Unter dem Deckmantel der auf den Individualverkehr angewiesenen ländlichen Bevölkerung werden SUV-Fahrer:innen in der Stadt mit bezuschusst. Dass Sozialleistungsempfänger:innen mit einer Einmalzahlung von 100 Euro abgefrühstückt werden, zeigt, wie unsozial dieses Programm ist. Das ÖPNV-Ticket sollte kostenlos sein, es wäre ein sinnvolles verkehrspolitisches Werkzeug für eine Mobilitätswende, auch wenn eine solche nur durch den massiven, flächendeckenden Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs erfolgreich sein kann. Darüber hinaus unterstützen wir die Initiative verschiedener Verkehrsminister:innen der Länder und aus einigen Kommunen, die für ein kostenfreies Ticket werben. Selbst für den Staat dürfte das günstiger sein, da Verfahrenskosten und Kosten für Verkehrskontrollen eingespart werden könnten.

Fazit

Das Rüstungsprogramm lehnen wir kategorisch ab. Es dient nicht nur der imperialistischen Blockkonfrontation, es bereitet diese Nation darauf vor, wieder kriegsfähig zu werden. Für imperialistische Nationen bleibt der Krieg das letzte Mittel im Kampf um das begrenzte Territorium, das im Widerspruch zu unbegrenzter Kapitalanhäufung steht.

Gegenüber dem Entlastungspaket ist unsere Haltung etwas komplexer. Schließlich ist es für die Masse der Bevölkerung eine wirkliche wirtschaftliche Hilfe. Wir lehnen die allgemeine Förderung ab. Auch wenn wir die Streichung von Massensteuern prinzipiell befürworten – vermögende Haushalte und Konzerne brauchen keinen Cent an Subventionen! Sie sollten viel eher durch Progressivsteuern und Sonderabgaben belastet werden. Denn an welcher Stelle gekürzt werden wird, um die Milliardenförderung (und die Aufrüstung!) zu ermöglichen, das bleibt unklar. Es zeichnet sich langsam ab, dass die Mittel u. a. bei der Pandemiebekämpfung eingespart werden.

Gleichzeitig offenbart die Fokussierung auf Kraftstoffe, welchen Blickwinkel diese Bundesregierung auf soziale Fragen hat. Drückt sich die Verteuerung doch bereits seit Pandemiebeginn in den Lebensmittelpreisen und weiter steigenden Mieten aus. Aber nein, die BILD schreit vor allem: Der Sprit ist zu teuer! Der arme deutsche Zweieinhalbtonnenstraßenpanzerfahrer! Real sind die Spritpreise auch Machwerk der Raffineriekartelle, die sie massiv, weit über die Verteuerung des Rohölpreises hinaus angehoben haben und nun Milliardengewinne erzielen. Die Preiskontrolle über diese Kartelle würde eine reale Entlastung mit sich bringen. Doch gegen das eigene Kapital wird es keinen Kampf durch die Ampel geben. Diese Aufgabe steht u. a. den Gewerkschaften zu, die angesichts von Pandemie und Krieg aus ihrer sozialpartnerschaftlichen Servilität überhaupt nicht mehr herauskommen.

Für Revolutionär:innen ergeben sich hier also zwei Ansatzpunkte in der sich verschärfenden Krise. Erstens der Kampf gegen die Aufrüstung, zweitens um die Frage der Preiskontrolle durch Organe der Arbeiter:innenbewegung:

  • Kein Cent, kein Mensch für die Bundeswehr!
  • Wir zahlen nicht! Weder für Pandemie, noch Krieg!



Kundgebung: Eisenbahner:innen gegen den Krieg

Aufruf von Bahn-Gewerkschafter*innen zu einer Antikriegskundgebung in Berlin, Infomail 1182, 16. März 2022

Die russische Invasion der Ukraine und der Krieg haben uns überrascht und erschrocken. Er hat das schon seit Jahren drehende Rad der Konkurrenz und Eskalation zwischen den großen Mächten unfassbar beschleunigt. Wie sonst nichts bestimmt dieser Krieg nun unsere Welt. Jeder Meldung über Leid und Zerstörung in der Ukraine folgen neue Erklärungen, Drohungen, Sanktionen. Es wird weiter eskaliert – was bis zu einem Dritten Weltkrieg führen kann.

Denn der Krieg ist einer um die Neuaufteilung der Welt zwischen Russland einerseits und den USA und den europäischen Mächten, vertreten durch die Ukraine, andererseits.

Wir stehen daher auf der Seite unserer Kolleg:innen in der Ukraine, die ihr Zuhause, Familien und sogar ihr Leben verlieren und am meisten unter dem Krieg leiden.

Wir stehen aber auch auf der Seite unserer russischen Kolleg:innen, die die Zeche für den Krieg und Sanktionen aufgedrückt bekommen und deren Angehörige in Putins Feldzug fallen.

Und wir stehen auf der Seite aller unserer Kolleg:innen hierzulande, denn wir werden die Folgen des Krieges in unserer aller Taschen spüren – wir sollen die 100 Milliarden-Aufrüstung der Bundeswehr finanzieren und die explodierenden Preise für Lebensmittel, Gas, Strom und Sprit bezahlen!

Zu all dem sagen wir: NEIN, No, いいえ, Нет, 아니요, Hayır, Ні, Non, Όχι, 不, !

Vergessen wir nicht, dass Osteuropa seit Jahren auf dem Schienenweg bereits militarisiert und aufgerüstet wurde. Die Deutsche Bahn hat an diesen Rüstungstransporten und der Kriegsspirale ganz mies mitverdient! Wir Eisenbahner:innen haben es in der Hand, dem Krieg das Futter zu entziehen: „Halt“ für Panzerzüge, „Fahrt“ für Flüchtlingszüge und Hilfsgüter – in ganz Europa und Russland!

Als Eisenbahner:innen und Gewerkschafter:innen der EVG und GDL fordern wir:

  • Ein Ende der Militäroffensive der russischen Armee: sofortiger Abzug der Truppen und Ende der Bombardierungen!
  • Keine Unterdrückung und Einschränkungen der Presse- und der Meinungsfreiheit in Russland, der Ukraine und EU! Sofortige Freilassung aller Kriegsgegner:innen! Keine Zwangrekrutierung in Russland und der Ukraine! Keine Verfolgung von Menschen, die den Kriegsdienst verweigern oder desertieren! Unterstützung des Aufbaus unabhängiger Gewerkschaften in Russland und in der Ukraine!
  • Aufnahme aller Menschen, die fliehen, in die EU – nicht nur, wenn sie einen ukrainischen Pass haben!
  • Rückzug von NATO-Truppen und Nein zur NATO-Osterweiterung, Auflösung der NATO!
  • Brechen wir das zustimmende Schweigen bzw. die Zustimmung für Sanktionen gegen die Bevölkerung durch unsere Gewerkschaften! Keine Sanktionen, keine Waffenexporte, keine Aufrüstung, keine Preiserhöhung! Stattdessen sollen EVG und GDL zusammen eine starke internationale Antikriegsbewegung mit aufbauen und diese global ausweiten – das heißt notfalls auch: Arbeitsniederlegung und Streik gegen Waffenlieferungen, Truppentransporte Aufrüstung und Krieg!
  • Rücknahme der 100 Milliarden-Aufrüstung der Bundeswehr – stattdessen: Geld für unsere Daseinsversorgung wie z. B. eine echte Verkehrswende hin auf die Schiene!
  • Kontrolle aller Güterzüge Richtung Osteuropa – kein Transport von weiteren Waffen! Keine arbeitsrechtlichen Maßnahmen für Kollegen:innen, die sich weigern, Rüstungstransporte zu beladen, wagentechnisch zu behandeln, oder diese stehenlassen! EVG und GDL müssen ihre Mitglieder dazu ermutigen und aufrufen, die Kriegsmaschine zu stoppen.
  • Gegen den Krieg – für die internationale Solidarität unter Kolleg:innen! Kommt zur Kundgebung Eisenbahner:innen gegen den Krieg – eingeladen sind alle!

21.03.2022 / 16:00 Uhr, Berlin-Hauptbahnhof – Europaplatz

Initiative zur gewerkschaftsübergreifenden Vernetzung von Eisenbahner:innen: bahnvernetzung.de




Musterantrag: Gewerkschafter*innen gegen Krieg und Aufrüstung!

Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften, 7. März 2022, Infomail 1181, 10. März 2022

Als aktiver Teil der Gewerkschaftsbewegung verurteilen wir den Angriff der russischen Armee auf die Ukraine auf das Schärfste. Der Krieg bringt den Tod von vielen unschuldigen Zivilist*innen und massive Zerstörung und Leid für die Arbeiter*innenklasse mit sich. Die Gefahr wächst, dass er in unabsehbarem Maße eskaliert, mit furchtbaren Folgen für die Arbeiter*innen international. Wirtschaftssanktionen werden bereits jetzt von der arbeitenden Bevölkerung in der EU und Russland mit massiv steigenden Lebenshaltungskosten und wachsender Armut bezahlt.

Wir fordern

  • Ein Ende der russischen Militäroffensive: sofortiger Abzug der Truppen und ein Ende der Bombardierungen!
  • Keine Waffenexporte aus Deutschland in den Krieg – keine Exportgenehmigung für Waffen deutscher Herkunft aus Drittländern in den Krieg!
  • Keine Intervention der NATO! Nein zur NATO-Osterweiterung!

Insbesondere fordern wir unsere Gewerkschaft dazu auf, gemäß einer guten alten, aber höchstaktuellen gewerkschaftlichen Tradition, sich gegen alle kriegsfördernden Maßnahmen zu stellen, also:

  1. gegen das 100 Milliarden Aufrüstungsprogramm der Bundesregierung und
  2. gegen die Erhöhung des Wehretats auf 2 % des Bruttoinlandsprodukts.

Die Gewerkschaften müssen sich mit allen gewerkschaftlichen Mitteln, bis hin zum Streik gegen die Umsetzung dieser Maßnahmen wehren, um sie zu verhindern!

Stattdessen ist es notwendig, dass sich die Gewerkschaften für massive Investitionen in die Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge (Bildung, Gesundheit, Umwelt usw.) und für die Unterstützung aller Geflüchteten einsetzen.

Begründung:

Zu 1. Die Einrichtung eines Sonderetats von 100 Milliarden Euro zur Aufrüstung der Bundeswehr wird über Neuverschuldung finanziert. Finanzminister Lindner hat klar gemacht, dass das von uns, den Lohnabhängigen, bezahlt werden soll! Aufrüsten bedeutet Vorbereitung darauf, Krieg führen zu können. Sie ist kein Mittel, Krieg zu verhindern, sondern führt nur zu weiterem Wettrüsten und zur Eskalation bestehender Konflikte.

Zu 2. Die Erhöhung des laufenden Haushalts der Bundeswehr auf zwei Prozent des BIP wird die Finanzierung in anderen Bereichen der Daseinsfürsorge wie dem Gesundheitswesen infrage stellen.

Es gibt eine große Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung in Deutschland, die von der Bundesregierung genutzt wird, um ihren neuen außenpolitischen Kurs durchzusetzen. Damit üben sie Druck auf die Gewerkschaften aus, ihre bisherigen antimilitaristischen Positionen aufzugeben und sind damit teilweise bereits erfolgreich. Inzwischen sprechen die Vorstände von ver.di und IGM ‒ wie auch der DGB ‒ von einer „Neubewertung der Situation“ und haben über Nacht Forderungen wie ein Nein zu Waffenexporten fallengelassen. Es fehlt auch ein klares Nein zu dem gigantischen Aufrüstungsprogramm.

Wir brauchen eine starke internationale Anti-Kriegsbewegung, maßgeblich angeführt von Gewerkschaften – bis hin zu Mobilisierungen und notfalls Arbeitsniederlegungen (wie z.B. gegen Waffen- und Truppentransporte wie Kolleg*innen in anderen Ländern es bereits in der Vergangenheit gemacht haben)!




Linkspartei und Ukraine: Der Sturm der Ereignisse weht durch die Reihen

Wilhelm Schulz, Infomail 1179, 4. März 2022

Es gibt Jahre, in denen passiert nichts und Wochen, in denen alles passiert. Die Bundesregierung kündigt angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine eine Zeitenwende an und bereitet einen neuen Militarismus vor. Die bürgerliche Presse schreit nach Aufrüstung und sogar atomarer Bewaffnung Deutschlands. Während nur wenige hundert Meter vom Ort des Beschlusses, dem Bundestag, entfernt bis zu 500.000 Menschen in Solidarität mit den Ukrainer:innen auf die Straße gehen und ihren spontanen Willen nach Frieden äußern, jedoch ohne eine Alternative zum militaristischen Säbelrasseln zu formulieren, verabschiedet die Bundesregierung in Eintracht mit der Union ein 100-Milliarden-Euro-Paket für die Bundeswehr. Auch das gehört zur Eskalation eines Krieges, der droht, zum weltweiten Flächenbrand zu geraten.

Die Stimmung dieser Tage ist eine widersprüchliche. Menschen haben Angst, sehnen sich nach Frieden – und unterstützen die Aufrüstung zum Krieg. Der neue Militarismus wird als alternativlos bezeichnet. Das in dieser Frage recht einheitlich agierende Bürger:innentum stellt angesichts des Krieges in der Ukraine alle anderen Differenzen zurück.

In der Bevölkerung sind die Zustimmungsraten für diesen Kurswechsel hoch. Laut Infratest-dimap-Umfrage zum ARD-Deutschlandtrend vom 3. März 2022 stimmen 65 % der Befragten der 100 Milliarden-Sofortaufrüstung der Bundeswehr zu. 27 % lehnen dies ab. Linke schwimmen dieser Tage wieder vermehrt gegen den Strom oder lassen sich von der Strömung mitreißen und geraten ins freudige Kriegstaumeln.

Doch während uns solche Pakete der bürgerlichen Regierung weniger verwundern sollten, so stellt doch zumindest die Entwicklung der Linkspartei und der in den letzten Tagen erwachsene Streit um eine Positionsfindung in der Kriegsfrage eine neue Qualität im innerparteilichen Konflikt dar.

Beschluss im Bundestag

Am Sonntag, dem 27. Februar, fand im Bundestag eine außerordentliche Plenardebatte zum Krieg in der Ukraine statt. Zur Debatte wurde ein „Entschließungsantrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP zur Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundeskanzler zur aktuellen Lage“ vorgelegt. Dem Antrag nach begrüßt der Bundestag folgende Punkte:

(1) eine aktivere Rolle der Bundesregierung in diesem Konflikt im Verbund mit EU, NATO und G7;

(2) Sanktionen gegen Russland;

(3) Finanzpolitische Restriktionen;

(4) Entsendung 350 weiterer Bundeswehrsoldat:innen nach Litauen;

(5) Entsendung von Militärexpert:innen;

(6) Suspendierung Russlands aus dem Europarat.

Ergänzt wurde dies durch den Eilantrag für Aufstockung des Rüstungshaushalts um 100 Milliarden Euro. Über diesen haben wir an anderer Stelle bereits geschrieben (https://arbeiterinnenmacht.de/2022/02/27/aufruestungskanzler-olaf-demokratisch-imperialistische-militarisierung-schreitet-voran/). Hier soll es demgegenüber um die Auseinandersetzung der Linkspartei gehen.

Den Antrag lehnte ihre Bundestagsfraktion ab und reichte eine eigene, kurze Erklärung ein. In dieser lehnt sie Waffenlieferungen, Sanktionen gegen die allgemeine Bevölkerung und Aufrüstung ab und benennt Putin als Aggressor, klammert die Frage des Verhaltens der NATO jedoch völlig aus. Sanktionen gegen Oligarch:innen und Kriegsprofiteur:innen fordert die Linkspartei – Sanktionen, die wir ebenfalls als wirtschaftliches Kriegsmittel verstehen, welches notfalls gewaltsam durchgesetzt werden oder eben wirkungslos bleiben muss. Sanktionen sind demnach eben weder deeskalierend noch treffen sie die Herrschenden so krass wie die Arbeitenden und Armen, an die ihre Kosten weitergegeben werden.

Auseinandersetzung in der LINKEN

Berichten der Zeitung junge Welt zufolge war der Weg zu diesem passiven Eilantrag der LINKEN steinig. Demnach hatte eine Mehrheit der Fraktion vor Beginn der Sondersitzung noch geplant, sich gegenüber dem Antrag des Kanzlers zu enthalten. Erst kurzfristig hatte man sich auf eine Ablehnung einigen können und das aufgrund der spontanen Ankündigung des Bundeskanzlers, 100 Milliarden Euro zusätzlich in die Bundeswehr stecken zu wollen. Zuvor soll der rechte Flügel der Partei (die Regierungssozialist:innen) für eine weitere Eskalation die Kriegstrommeln gerührt haben. Die Co-Vorsitzende Hennig-Wellsow soll in der fraktionsinternen Debatte Putin als Faschisten bezeichnet und Waffenlieferungen an die Ukraine unterstützt haben. Gysi plädierte ursprünglich sogar für eine Unterstützung des Regierungs-/Unionsantrags. Angeblich sei der Versuch aber nur von drei Abgeordneten unterstützt worden. Ähnlich erging es Hennig-Wellsow. Dieser Logik folgend, aber an anderer Stelle forderte der linke thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow am 3. März die Wiedereinsetzung der allgemeinen Wehrpflicht, auch wenn er dann zügig zurückruderte.

Antimilitarist:innen in der Linkspartei stellten sich gegen diese Linie, ohne sie direkt zu adressieren. So wurde am vergangenen Sonntag eine „Erklärung zur Abstimmung über den Ukraine-Antrag von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/DIE GRÜNEN und FDP am 27.02.2022“ von Sahra Wagenknecht, Sevim Dagdelen, Sören Pellmann, Andrej Hunko, Zaklin Nastic, Klaus Ernst und Christian Leye veröffentlicht.

Das Schreiben beginnt mit einer unmissverständlichen Verurteilung des russischen Großangriffs, spricht sich jedoch gegen die Erklärung von Regierungsparteien und Union aus, da diese keine Beendigung des Konfliktes zum Ergebnis habe. Deutlich richtet sie sich gegen Waffenlieferungen, die Entsendung deutscher Truppen und Sanktionen. Die Initiator:innen diagnostizieren eine Zeitenwende hin zu massiver Aufrüstung und atomarer Abschreckung der NATO. Ihre Alternative bleibt jedoch ein pazifistisches Rufen zur Wiederaufnahme diplomatischer Maßnahmen: „Nur die Beachtung des Völkerrechts durch alle und die Wiederaufnahme der Diplomatie können zum Frieden führen.“

Das Schreiben von Wagenknecht und Co. ist dementsprechend eine Reaktion auf diesen Linienkampf, der einen Bruch mit dem Programm der Linkspartei durch die Regierungssozialist:innen darstellt, ähnlich dem Sofortprogramm zur Bundestagswahl letztes Jahr. Schon damals wurde die Forderung des NATO-Austritts Deutschlands fallen gelassen. Nun äußerte sich Gregor Gysi entrüstet über das Statement von Wagenknecht und Co. Er meinte, dass die Argumentation der Kritiker:innen der Ukraine faktisch das Selbstverteidigungsrecht abspreche. Gysi räumt zwar ein, dass die Ablehnung der Aufrüstung prinzipiell richtig sei, stellt sich aber gegen ein generelles Verbot von Waffenlieferungen in die Ukraine. Wagenknecht entgegnete darauf, dass die Linke sich immer gegen Waffenlieferungen in Kriegsgebiete und Aufrüstung ausgesprochen habe und das so bleiben solle.

Natürlich müssen Linke in der Linkspartei trotz des massiven Gegenwinds auch in den eigenen Reihen eine konsequente Antikriegsposition einnehmen, jedoch zeigt sich an dieser Stelle auch die Hilflosigkeit rein pazifistischer Politik, die im Moment des Versagens der Gespräche zum ungewollten Flankenschutz der Aufrüstung gerät. Nur die internationalistischen Aktionen der Arbeiter:innenklasse, die durch Streiks den drohenden imperialistischen Krieg stoppen, können ihn unserer Meinung nach aufhalten, ohne blindlings für den Sieg des eigenen Imperialismus – in diesem Krieg stellvertretend durch die Ukraine – einzutreten, wie es faktisch der rechte Flügel der Partei tut und mehrheitsfähig zu machen versucht.

Welche Position zum Krieg?

Das Kriegsgeschrei lässt somit auch weite Teile der Arbeiter:innenbewegung ins Lager der Vaterlandsverteidigung übergehen. Sie werden zu Freund:innen der westlichen „Aufklärung“ gegen den übrigen primitiven Despotismus in der Welt, mit der schon so viele Kriege in der Vergangenheit ideologisch legitimiert wurden.

Das Ganze hat nicht erst mit der Invasion Putins in die Ukraine begonnen. Als die Berliner Linksjugend [‘solid] vor einigen Wochen Losungen wie „Nein zum Krieg“ und „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“ verabschiedete, da rügte das die Berliner LINKE. Das Argument sei ihrer Meinung nach aktuell nicht vermittelbar. Natürlich muss die Vermittlung politischer Ideen auf das vorherrschende Bewusstsein eingehen. Aber: dem Letzteren einfach nur blind, taub und stumpf hinterherzulaufen, bedeutet faktisch eine Kapitulation vor dem herrschenden Bewusstsein, gerade zu Beginn eines Kriegs stets das der Herrschenden – und somit vor der neuen Aufrüstungsstrategie des deutschen Imperialismus, dem der Krieg Russlands ein gefundenes ideologisches Fressen bietet.

Aber was spricht denn nun gegen die Unterstützung der Linkspartei für die Erklärung der Bundesregierung und der Union? Einerseits treten wir ein für eine unabhängige Klassenposition. Die Lohnabhängigen und Unterdrückten leiden unter den unterschiedlichsten Sanktions- und Kriegsmaßnahmen. Sie treffen die Preissteigerungen, sie werden in die Kriege einbezogen und schlussendlich finanzieren sie über die tagtägliche Ausbeutung ihrer Arbeitskraft dieses so schnell lockergemachte Rüstungsprogramm, während andererseits eine Milliarde Euro Pflegebonus Ergebnis monatelanger Auseinandersetzungen ist.

Die Perspektive des Regierungsprogramms stellt kein Maßnahmenpaket zur Beendigung eines möglichen Krieges dar, sondern eines, um diesen militärisch zu gewinnen. Hierin offenbart sich der imperialistische Charakter der BRD. Die Maßnahmen hätten ja auch die sofortige  Öffnung europäischer Grenzen für alle Flüchtenden und die Schuldenstreichung der Ukraine umfassen können. Dass dem nicht so ist, beweist auch, dass die Ukraine bitteschön in europäischer (deutscher) Abhängigkeit bleiben soll. Und darum geht es eben: Dieser Krieg, in den Deutschland direkter einzutreten droht, ist aktuell maskiert als humanitäre Notsituation. Dahinter aber steht der Kampf um die Neuaufteilung der Welt: Wem gehört die Ukraine?

Deswegen gilt: Eine Linkspartei, die so einem Kriegsprogramm zur angeblichen Verteidigung von Werten zustimmt, betrachtet den Krieg als etwas dem Kapitalismus Wesensfremdes und ordnet sich dem Burgfrieden unter. Was wir als innerimperialistische Konkurrenz in der verschärften Krise verstehen, wird hier zum reinen Konflikt der Ideen verballhornt, als ein Konflikt von Aufklärung und Demokratie gegen Despotismus. Doch was folgte aus den Militärbesatzungen im Namen der ‚Aufklärung‘? Erinnert sich noch jemand an die Besatzung Afghanistans, die die Taliban schlussendlich stabilisierte? Davon, dass diese vorher von den USA mit aufgebaut wurden, ganz zu schweigen.

Die Linken in der Linkspartei dürfen diesen Anpassungen keinen Millimeter nachgeben und in diesem Punkt verteidigen wir die (bei allen Schwächen) verhältnismäßig richtige Reaktion von Wagenknecht und anderen Vertreter:innen der Linkspartei, trotz all ihrer Begrenztheit. Die Linke muss sich der Aufgabe stellen, aus der Bewegung in Solidarität mit der Ukraine eine gegen den Krieg zu formen, die klarmacht, dass wir diesem ihm die Mittel des Klassenkampfes entgegenstellen. Internationale Solidaritätsaktionen sind ein wichtiger Anfang, aber die Blockade von Waffenauslieferungen durch die organisierte Arbeiter:innenbewegung oder die Verhinderung der militärischen Kriegsinfrastruktur durch Streiks, das sind die Maßnahmen, die den Krieg beenden können und für die wir eintreten müssen.