VKG-Konferenz: Fünf Punkte für ihren Aufbau

Gruppe Arbeiter:innenmacht, Neue Internationale 268, Oktober 2022

Die Preise klettern wie wild in die Höhe – doch es passiert wenig dagegen. Anstatt flächendeckende Proteste gegen die Preistreiberei der Konzerne und die heftige Inflation zu organisieren, sitzen die Topbürokrat:innen des DGB in der „Konzertierten Aktion“ mit Kapital und Regierung an einem Tisch, betteln um Erleichterung aus Steuermitteln und passen zugleich auf, dass die Lohnforderungen in Tarifrunden nicht zu hoch sind und der Kampf für die Forderungen nicht effektiv geführt wird. Die IG Metall hat nur zugeschaut, als die Schließung von Großbetrieben wie Ford Saarlouis oder der Röhrenwerke von Vallourec (ehem Mannesmann) angekündigt wurde. Ausverkauf statt Widerstand!

Kurzum: Seit Gründung der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) vor bald drei Jahren hat sich die Lage für die Arbeiter:innenklasse verschlechtert. Das Versagen der reformistischen Scheinlösungen und das harte Vorgehen der Bürokrat:innen gegen die Aktivst:innen in der Gewerkschaft führt zu Resignation und kann sogar Kolleg:innen nach rechts treiben. Gleichzeitig schafft die fehlende Initiative der Gewerkschaften hinsichtlich der aktuellen Preissteigerungen sowie Krise und zögerlichen Forderungen bei den Tarifrunden eine Lücke. Es ist Aufgabe der VKG, diese mit konkreten politischen Vorschlägen zu füllen!

Die aktuelle Lage bringt auch mehrere Möglichkeiten mit sich: Zum einen kann sie genutzt werden, bundesweit eine einheitliche Kampagne zu fahren, Kontakte zu knüpfen und zu wachsen. Zum anderen bietet sie Möglichkeiten für Auseinandersetzungen mit dem Gewerkschaftsapparat.

Dabei glauben wir, dass nicht nur die Dringlichkeit der Lage uns zum Handeln zwingt. Vielmehr werden die kommenden Monate entscheidend sein für zukünftige Relevanz und Existenz der VKG an sich.

Was konkret braucht es also, damit die VKG ihre Stagnation überwinden und zu einem sichtbaren klassenkämpferischen Pol in den Gewerkschaften werden kann?

1. Gemeinsame politische Forderungen und Intervention in die Tarifrunden

Für den Aufbau der VKG sollten wir uns zu möglichst vielen Tarifrunden positionieren, aber mit knappen, grundsätzlichen gemeinsamen Forderungen, die die Macht der Bürokratie infrage stellen. Mit diesen Forderungen sollten wir auf Streiks anwesend sein und uns auf die Suche nach den kämpferischen Kolleg:innen begeben, die mit der Bürokratie in Konflikt geraten, und ihnen anbieten, auf einer Streikversammlung die VKG vorzustellen.

2. Material, das Mehrwert erzeugt

Neben den bereits veröffentlichten Artikeln zur Inflation und diversen Stellungnahmen gilt es, Material zu erstellen, das von Kolleg:innen direkt genutzt werden kann. Wir müssen Musteranträge zur Verfügung stellen, die sich beispielsweise mit der Enough-is-Enough-Kampagne solidarisieren oder die die verbindliche Teilnahme sowie Mobilisierung an Demonstrationen und Bündnissen einfordern. Zur Unterstützung in der Diskussion mit der Bürokratie bieten sich Argumentationshilfen an, die aufzeigen, wie man nicht nur einzelne Gliederungen, sondern Gesamtstrukturen für Aktivitäten gewinnen kann.

Um Letzteres zu verstärken, müssen wir als VKG einen offenen Brief verfassen, der Aktivitäten wie Massendemonstrationen gegen die Preissteigerungen einfordert und Tarifabschlüsse über der Inflationsrate.

3. Interventionen in die Gewerkschaftsstrukturen

Eigene Veranstaltungen als VKG machen Sinn nach größeren Demonstrationen oder Streiks, wo interveniert wurde. Zentraler ist jedoch, in die Offensive zu gehen: Wir sollten das Angebot machen, als VKG Veranstaltungen bei Gliederungen zum Thema der Inflation und Kampf dagegen abzuhalten sowie zu Gewerkschaftstreffen zu gehen und dort das unter 2. erwähnte Material zu präsentieren und kommende Aktionen vorzustellen.

4. Präsenz in politischen Bündnissen

Positive Beispiele dafür sind in Berlin der klassenkämpferische Erste Mai gewesen sowie aktuell die Intervention in „Brot, Heizung, Frieden“. Alle beteiligten Organisationen sollten dafür einstehen, dass die VKG bei den Bündnissen, an denen sie sich beteiligt, Redemöglichkeiten bekommt. Dahinter steckt aber noch mehr: Die Beteiligung als VKG bei politischen Protesten greift die aktuelle Schwäche der Gewerkschaftsführung auf und zeigt, dass es praktisch anders gehen kann.

5. Klarheit der Gruppen

Aktuell ist die VKG nicht viel mehr als die Summe der beteiligten Gruppen. Streng genommen ist sie nicht mal das, da nicht alle gleichmäßig Ressourcen reinstecken. Auch wenn es nie der Fall sein wird, dass sich alle paritätisch gemessen an der Größe der eigenen Organisation beteiligen, braucht es klarere Vereinbarungen. Ziel sollte es sein, bei den kommenden Protesten Blöcke als VKG zu organisieren, statt als individuelle Gruppen verteilt herumzuspringen. Klar, eigenes Material und Fahnen sollte jede/r mitbringen. Hat die VKG aber keine reale Präsenz, wird sie es schwer schaffen, nur durch das Posten von Stellungnahmen Menschen anzuziehen.

Im Fokus: Kampf gegen die Bürokratie

Wir glauben, dass diese Schritte helfen, die Bekanntheit der VKG zu steigern. Darüber hinaus denken wir jedoch, dass Kernaufgabe der Kampf gegen die Gewerkschaftsführungen ist. Das passiert unserer Meinung nicht nur dadurch, dass man Linke in Gewerkschaftsfunktionen wählt, da diese Posten Ausdruck eines materiellen Interesses sind – dem zwischen dem „guten“ Standort des deutschen Imperialismus und dem berechtigten Interesse der Kolleg:innen.

Auch einfach nur mehr neue Mitglieder zu gewinnen oder selbst Arbeitskämpfe in den schlecht organisierten Bereichen zu führen, ist keine alleinige Perspektive. Die Schwäche in der Organisierung dieser Bereiche kann wesentlich einfacher aufgehoben werden, wenn man das Problem an der Wurzel anpackt: bei der Bürokratie, die diese Kämpfe oftmals blockiert oder mangelndes Interesse hegt, diese überhaupt zu führen.

Auch das Mittel der Veröffentlichung von Protest ist zwar sinnvoll, aber nicht ausreichend. Denn Empörung alleine zeigt keinen Weg zur Veränderung auf.

Vielmehr müssen wir unsere Ansätze damit verbinden, eine klassenkämpferische Basisopposition zum Apparat aufzubauen. Konkret bedeutet, das Kolleg:innen für die Idee zu gewinnen, nicht nur zu streiken, sondern selbst das Ruder in die Hand zu nehmen: abzustimmen, wofür, wann und wie lange gestreikt werden, an welchen Mobilisierungen teilgenommen werden soll etc.

Statt Gewerkschaftssekretär:innen, die in den Mühlen des Apparat untergehen und sich verselbstständigen, braucht es Gremien, die rechenschaftspflichtig sind, jederzeit wähl- und abwählbar und deren Mitglieder nicht mehr verdienen als das durchschnittliche Arbeiter:innengehalt. Schließlich kritisieren wir nicht nur die Arbeit der Bürokratie, wir wollen sie abschaffen! Längerfristig führt dieses Modell aber dazu, dass man nicht nur in Tarifauseinandersetzungen, sonder auch politischen Kämpfen besser agieren kann – was ein Ziel aller ernsthaften Unterstützer:innen der VKG sein sollte.




Statt Inflation, Krieg und Klimakatastrophe: Krisengewinner:innen zur Kasse! Gewerkschaften in die Offensive!

Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften, Infomail 1199, 29. September 2022

Kommt zur Demonstration „Heizung, Brot und Frieden“ am 3. Oktober ab 13 Uhr, Potsdamer Platz in den Block der VKG!

Der heiße Herbst nimmt langsam Fahrt auf. Bundesweit gehen immer wieder tausende Menschen auf die Straße – unter aktiver Beteiligung von gewerkschaftlich organisierten Kolleg:innen und ihren Strukturen. Auch in Berlin hat sich ein Bündnis „Heizung, Brot und Frieden“ gegründet, das von kämpferischen Gewerkschafter:innen unterstützt wird. Wir rufen alle Kolleg:innen auf, sich am Block der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften – VKG Berlin am 3.10. zu beteiligen.

Mit einer klassenkämpferischen und internationalistischen Ausrichtung wollen wir Druck auf die Unternehmen und die Regierung machen, die angesichts einer historischen, mehrfachen Krise des Kapitalismus nur eins im Sinn hat: die Gewinne einiger weniger Besitzender zu sichern, während sich die Masse der Beschäftigten im Winter entscheiden muss, ob sie sich Essen kauft, die Miete zahlt oder die Wohnung heizt, weil die Löhne nicht mehr zum Leben reichen.

Das Entlastungspaket hält nicht mehr als Brosamen für uns vor, während der Konzern Uniper jetzt auf unsere Kosten vom Staat aufgekauft werden soll – was insgesamt rund 30 Mrd. Euro kosten wird.

Das 100-Milliarden-Aufrüstungs-Paket der deutschen Bundesregierung ist Ausdruck einer beispiellosen Zeitenwende. Sie kündigt schärfere Konfrontationen zwischen den Großmächten an, die nicht nur zu mehr Krieg und Zerstörung, sondern auch zu schärferen sozialen Angriffen führen werden.

Von der sozialen Krise wollen rechte und nationalistische Kräfte profitieren. Doch ihre soziale Demagogie bedeutet in Wirklichkeit nichts anderes als die Verteidigung der Profite der deutschen Konzerne, während sie uns entlang nationaler, religiöser, geschlechtlicher usw. Linien spalten.

Es ist deshalb notwendig, einen gemeinsamen Kampf gegen die Auswirkungen von Inflation und Krise und gegen die militaristische Eskalation und die Klimakatastrophe zu führen. Stellen wir uns internationalistisch und solidarisch gegen Krise und Krieg – ohne uns auf die Seite Russlands oder der NATO zu stellen. Mit gewerkschaftlichen Mobilisierungen und Streiks für ein Notfallprogramm.

In Berlin wird die Demonstration am 3.10. bereits durch den Landesbezirksfachbereich A von ver.di Berlin-Brandenburg unterstützt. Das ist ein erster wichtiger Schritt in Richtung einer Verbindung von sozialen Bewegungen wie „Heizung, Brot und Frieden“ und den Gewerkschaften. Doch das reicht nicht aus – was fehlt, sind die anderen Fachbereiche und der DGB insgesamt. Die knapp sechs Millionen Kolleg:innen im DGB haben die Kraft eine Bewegung in Gang zu setzen, die bislang Unorganisierte einschließt und der Kahlschlagspolitik der Regierung Einhalt gebieten kann.

Dass es am 22.10. von ver.di einen bundesweiten Aktionstag in vielen Städten gemeinsam mit Sozialverbänden und Initiativen geben soll und später Aktivenkonferenzen, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Aber Slogans wie „Solidarisch durch die Krise“ bieten keine Antwort auf die drängenden Fragen der Mehrheit der Kolleg:innen, Rentner:innen, Jugendlichen, Geflüchteten usw.

Deshalb fordern wir unter anderem:

1. Preisstopp jetzt: kein Cent extra für Gas, Strom, Tanken, Nahrung, Miete! Nein zur Gasumlage!

Alle Preiserhöhungen müssen sofort gestoppt werden. Zwangsräumungen müssen gestoppt werden. Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum für alle.

2. Löhne, Renten, Sozialleistungen, Bafög an die Inflation anpassen!

Während die Preise weiter steigen, stagnieren unsere Einkommen. Die Gewerkschaften müssen mit Streiks für Reallohnerhöhungen kämpfen und dafür sorgen, dass Löhne und staatliche Leistungen automatisch an die Inflation angepasst werden.

3. Krisengewinner:innen zur Kasse! Klimakatastrophe stoppen! Energiekonzerne enteignen!

Die angekündigte Verstaatlichung von Uniper bedeutet nichts anderes als Vergesellschaftung der Verluste, während die riesigen Gewinne der Energiekonzerne privat bleiben. Wir hingegen kämpfen für die entschädigungslose Enteignung aller Energiekonzerne unter Kontrolle der Beschäftigten und Verbraucher:innen. Das Energiesystem muss dem Profitstreben entzogen werden, um uns sozial und ökologisch zu versorgen. Dies kann nur ein erster Schritt sein für eine andere Wirtschaftsform, die mittels Gemeineigentum unter demokratischer Kontrolle nach den Bedürfnissen der großen Mehrheit der Gesellschaft ausgerichtet ist.

4. Schluss mit dem Krieg. Weder Putin noch NATO. Sanktionen und Waffenlieferungen beenden. Keine 100 Milliarden für Aufrüstung!

Mit Sanktionen und Waffenlieferungen will die Regierung nicht den Krieg beenden, sondern den deutschen Einfluss in der Welt ausbauen. Unsere Solidarität gehört weder den Regierungen in Moskau, Washington noch Berlin, sondern den Arbeiter:innen aller Länder. Die Bevölkerung der Ukraine hat weder unter Putin noch unter Selenskyj, EU oder NATO etwas zu gewinnen, sondern nur durch ihre unabhängige Mobilisierung. Der Krieg wird nicht durch die Waffen der NATO gestoppt, sondern dadurch, dass sich die Arbeiter:innen international zusammenschließen und gleichzeitig die Kriegslogistik der NATO und Russlands blockieren.

5. Aufnahme aller Geflüchteten! Stopp von Abschiebungen!

Rund 100 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht, mehr als 10 Millionen flüchteten vor dem Krieg in der Ukraine. Wir fordern gleiche Rechte für alle Geflüchteten, bedingungslose Aufnahme, die Anerkennung aller Abschlüsse und volle Staatsbürger:innenrechte!

6. Vom Hafen über Metall bis zur Verwaltung: Streiks gegen Krieg und Krise!

Die Regierung und die Unternehmen werden diese Forderungen nicht freiwillig umsetzen. Höhere Löhne und ein Ende der Militarisierung müssen mit Streiks durchgesetzt werden. In den vergangenen Monaten streikten bspw. die Hafenbeschäftigten und Kolleg:innen der Flughäfen für einen Inflationsausgleich. Im Oktober folgt der Metallsektor und im kommenden Jahr der Öffentliche Dienst.

In den Betrieben braucht es jetzt Diskussionen in Betriebsgruppen und -versammlungen über die Auswirkungen der Krise und wie dagegen gekämpft werden kann. Die kommenden Tarifrunden sollten zu einer Mobilisierung aller Kräfte und Verbindung mit politischen Bewegungen genutzt werden. Nicht nur im öffentlichen Dienst muss die Frage beantwortet werden, wo das Geld herkommen soll: von den Besitzenden, bspw. mittels einer Millionärsabgabe, Vermögenssteuern usw.

Über einzelne Kämpfe hinaus braucht es Kampagnen, ausgehend von den gewerkschaftlichen Strukturen in Betrieben und Orten, die Kämpfe über die Branchen hinaus verbinden. Ein bundesweiter Aktionstag von ver.di ist ein Anfang, aber eine bundesweite Demonstration, die Vorbereitung gemeinsamer Streiks und die Verbindung und Koordinierung von Kämpfen sind notwendig Maßnahmen.

Streiks gehören in die Hände der Streikenden – kein Kampf darf abgebrochen, kein Ergebnis angenommen werden ohne vorherige Diskussion und mehrheitliche Entscheidung der Kolleg:innen.

Zugeständnisse werden von der Regierung nicht durch kluge Verhandlungen in der Konzertierten Aktion erreicht, sondern sie müssen erzwungen werden. Deshalb: Gewerkschaften raus aus dem Bündnis mit Unternehmen und Regierung – ran an die Betriebe, raus auf die Straße!

Wir treffen uns zum gemeinsamen Block am Banner der VKG „Gewerkschaften in die Offensive!“

Kommt am 12. Oktober 2022 zu unserem nächsten offenen Treffen, auf dem wir über weitere Aktionen im Heißen Herbst und die Bewegung in unseren Gewerkschaften gegen die Auswirkungen der Krise diskutieren werden.

Um 18.30 Uhr in der ver.di Mediengalerie, Dudenstr. 10, 10965 Berlin

Kontakt: berlin@vernetzung.org




Für einen heißen Herbst – Konferenz im Oktober

Pressemitteilung VKG, Infomail 1199, 18. September 2022

Die „Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften“ (VKG) bewertet das dritte Entlastungspaket der Bundesregierung als Blendwerk. „Diese Regierung ist nicht gewillt und nicht in der Lage, die Masse der Beschäftigten, Erwerbslosen, Rentner*innen und Jugendlichen vor den Auswirkungen der Preisexplosion und der allgemeinen Krise zu schützen, weil sie nicht an die Vermögen der Superreichen und an die Gewinne der Konzerne ran gehen will“, erklärte Angelika Teweleit, eine der Sprecherinnen der Vernetzung bei der Protestkundgebung „Protestieren statt Frieren“ in Berlin. „Mit der Zahl 65 Milliarden Euro will Olaf Scholz beeindrucken. In Wirklichkeit wird es in keiner Weise die immensen Belastungen für die Masse von Lohnabhängigen kompensieren. Es ist allenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein. Dazu kommt, dass die Gasumlage ein heftiger Angriff auf die einfachen Leute ist. Sie sollen die Zeche für die kapitalistische Krise und die falsche Sanktionspolitik zahlen, damit sich die Gas- und Energiekonzerne die Taschen noch voller stopfen können“, sagt Christa Hourani vom VKG-Sprecherrat.

Nach Ansicht der VKG müssten die DGB-Gewerkschaften jetzt ihre fast sechs Millionen Mitglieder für Proteste mobilisieren und einen heißen Herbst organisieren. „Wir fragen uns, wie die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi jetzt davon sprechen kann, dass dieses Entlastungspaket geeignet oder sogar beeindruckend sei. Immerhin erklärt die DGB-Gewerkschaft ver.di, dass dieses Paket die Belastungen nicht ausgleichen wird. Allerdings sollte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke jetzt seiner Ankündigung, zu Demonstrationen aufzurufen, auch Taten folgen lassen. „Mit einer solchen Mobilisierung durch die Gewerkschaften könnte man auch den Rechtspopulisten am besten den Boden entziehen, die sonst versuchen, sich als Interessenvertretung der kleinen Leute aufzuspielen, was sie natürlich nicht sind – im Gegenteil,“ so Teweleit.

Christa Hourani betont: „Auch die anstehenden Tarifrunden müssen genutzt werden, um die Menschen jetzt gemeinsam auf die Straße zu bringen. Es braucht eine klare Antwort auf die Provokationen des Präsidenten des größten Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall Stefan Wolf, der mitten in dieser Rekordinflation eine Nullrunde für die Beschäftigten fordert. Gleichzeitig haben große Metallkonzerne ein weiteres Jahr riesige Profite eingefahren. Ein weiterer Reallohnverlust ist nicht zu akzeptieren. Die IG Metall muss jetzt schon Vorbereitungen für einen Vollstreik treffen.“

Die GewerkschafterInnen laden Aktive aus den Betrieben und Gewerkschaften zu einer Konferenz der VKG am 08./09. Oktober in Frankfurt am Main ein. Hier soll diskutiert werden, welche Schritte gegangen werden können, um Gegenwehr zu organisieren. Auf der Konferenz sprechen verschiedene Gewerkschaftsaktive: Jana Kamischke erzählt von den Erfahrungen des Hafenarbeiterstreiks, Alexandra Willer und Anne Pötzsch werten ihre Erfahrungen mit den Krankenhausstreiks aus.




Auf die Straße gegen Gasumlage und Inflation! DGB und Einzelgewerkschaften müssen jetzt handeln

Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften, 20. August 2022, Infomail 1197, 30. August 2022

Die kürzlich beschlossene Gasumlage ist ein weiterer Beweis dafür, dass die SPD-geführte Ampelregierung in dieser Krise neuen Ausmaßes keine Politik für die arbeitende Bevölkerung macht, sondern für die Konzerne und Banken. Denn über diese Umlage werden die arbeitenden Menschen, die ohnehin schon unter den explodierenden Energiepreisen und der galoppierenden Inflation leiden, erneut mit hunderten Euro belastet. Gerettet werden sollen darüber Energiekonzerne wie Uniper, die sich in den letzten Jahren über riesige Profite freuen durften. Auch die eilig hinterher geschobene Mehrwertsteuersenkung ändert nichts daran, dass Lohnabhängige, Studierende, Rentner*innen, Erwerbslose massiv durch Preissteigerungen getroffen werden, die sie nicht zu verantworten haben. Viele werden diese schlicht nicht bezahlen können.

Energieknappheit und Preisexplosionen sind Folgen der kapitalistischen Krisenentwicklung. Verstärkt werden sie durch die Sanktionspolitik gegen Russland, die den Krieg nicht stoppt, dafür aber die arbeitende Bevölkerung hier, in Russland und international massiv trifft. Die einzig sinnvolle Maßnahme der Regierung, nämlich die Einführung des 9€-Tickets, wird nicht fortgesetzt und nun drohen auch hier deutliche Fahrpreiserhöhungen. Die Bundesregierung hat Anfang des Jahres außerdem beschlossen, 100 Milliarden Euro in Rüstung zu investieren, während Krankenhäuser, Schulen, Kitas und viele andere wichtige Bereiche marode sind. Für die dringend nötigen Investitionen, sowie Geld für mehr Personal und bessere Bezahlung ist dann angeblich kein Geld da. Widerstand ist jetzt das Gebot der Stunde. Die VKG ruft alle Kolleg*innen dazu auf, sich mit uns gemeinsam dafür stark zu machen, dass der DGB und die Einzelgewerkschaften jetzt handeln, um Proteste, Kundgebungen und Demonstrationen zu organisieren. Außerdem müssen die Tarifrunden genutzt werden, um Reallohnsteigerungen durchzusetzen. Wir schlagen vor, dass die Gewerkschaften mit folgenden Forderungen gegen die Preissteigerungen mobil machen sollen:

  • Löhne, Renten, Sozialleistungen rauf! Automatische Anpassung an die Inflationsrate!
  • Reallohnsteigerung bei Tarifabschlüssen durchsetzen – Tariflaufzeiten maximal 12 Monate
  • Bezahlbare, staatliche Obergrenzen für Lebensmittel- und Energiepreise sowie Mieten! Überführung der großen Energie- und Immobilienkonzerne in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle!
  • Sofortiger Mietenstopp! Verbot von Strom- und Gassperren! Keine Zwangsräumungen!
  • Statt 100 Milliarden für Rüstung – Milliarden für den Ausbau erneuerbarer Energien, für mehr Personal in den Krankenhäusern, für Sanierung von Schulen und Kindergärten etc.
  • 9-Euro-Ticket beibehalten! Investitionen und mehr Personal in den öffentlichen Verkehr!
  • Wiedererhebung der Vermögenssteuer! Höhere Steuern auf Unternehmensprofite! Einmalige Abgabe von 30 Prozent auf das Geldvermögen von Millionär*innen und Milliardär*innen!

Die VKG organisiert am 8. und 9. Oktober eine Konferenz, auf der sie diskutieren möchte, wie  eine gewerkschaftliche Kampagne gegen Preissteigerungen und Reallohnverluste aussehen könnte und dafür Druck von unten aufgebaut werden kann.

Flyer zum Herunterladen:

https://vernetzung.org/wp-content/uploads/2022/08/Auf-die-Strasse-gegen-Gasumlage-und-Inflation.pdf



DGB am Ersten Mai 2022 – Proteste gegen nationalen Schulterschluss

Susanne Kühn, Infomail 1187, 3. Mai 2022

203.500 Menschen beteiligten sich lt. DGB an den Demonstrationen und Kundgebungen der Gewerkschaften am 1. Mai 2022. Nach zwei Jahren Corona-Pause fällt auf, dass die Mobilisierung weit unter den Zahlen von 2019 liegt, als der DGB von 381.500 sprach.

Allein diese Zahlen sollten in den Gewerkschaftszentralen Anlass zur Sorge – und auch zur politischen Selbstkritik – bieten. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Spitzen der DGB-Einzelgewerkschaften und deren Redner:innen loben sich vor allem selbst.

Die Botschaft des DGB

Während der Pandemie hätten sie für Gesundheitsschutz gesorgt und für fairen Lastenausgleich. Kein Wort davon, dass sie gegen mangelnde Schutzmaßnahmen und den Notstand im Gesundheitswesen nicht gekämpft, vielmehr Streiks, Aktionen und ganze Tarifrunden abbliesen und verschoben haben. Kein Wort davon, dass die Arbeiter:innenklasse in den letzten Jahren massive reale Einkommensverluste hinnehmen musste, während die Preis z. B. am Wohnungsmarkt weiter anzogen. Kein Wort davon, dass sie alles getan haben, um vorübergehenden Schließungen in der Großindustrie zu verhindern, die Interessen der Lohnabhängigen und den Gesundheitsschutz über zwei Jahre den kurzfristigen Profitinteressen des Kapitals untergeordnet haben.

Auf den nationalen Schulterschluss während der Pandemie soll nun offenbar der Burgfrieden während des Kriegs um die Ukraine folgen. So stimmt DGB-Chef Hoffmann in das bürgerliche Narrativ ein. Der reaktionäre Angriff des russischen Imperialismus auf die Ukraine wird nicht als Teil eines größeren, globalen Kampfes um die Neuaufteilung der Welt begriffen, sondern als einer auf „unsere“ Werte: „Dieser menschenverachtende Krieg ist ein Angriff auf die europäische Friedensordnung und auf unsere Demokratie.“

Nachdem der eigenen herrschenden Klasse eine grundsätzliche Unterstützung versichert wurde, dürfen natürlich einige „friedenspolitische“ Phrasen nicht fehlen: „Wir sagen Nein zu Militarisierung und massiver Aufrüstung. Wir brauchen dieses Geld für Zukunftsinvestitionen in die Transformation. Und wir brauchen es für die Leistungsfähigkeit unseres Sozialstaats. Militärische Friedenssicherung darf niemals zulasten des sozialen Friedens erkauft werden.“

Daher soll die Anhebung des Rüstungsetats nicht dauerhaft erfolgen, sondern nach dem Waffengang mit Russland beendet werden. Solange der aber noch nicht zu „unseren“ Gunsten entschieden ist, geht die Aufrüstung in Ordnung, sofern sie nicht „zulasten des sozialen Friedens“ erkauft würde. Der Verweis darf keinesfalls als Kritik an der Regierung missverstanden werden. Vielmehr soll er daran erinnern, dass die Gewerkschaftsführung für die Burgfriedenspolitik auch Entgegenkommen, also einen sozialchauvinistischen Bonus, erwartet.

Pfiffe und Eier für SPD-Prominenz

Um die Nähe zur Regierung und damit zum Staat des Kapitals auch am Ersten Mai zu demonstrieren, durften neben der DGB-Prominenz die Redner:innen aus der „Politik“, vornehmlich aus der SPD, nicht fehlen. So hatte Kanzler Scholz seinen Auftritt in Düsseldorf, in München war Oberbürgermeister Reiter, in Berlin Franziska Giffey geladen.

Dass führende SPD-Politiker:innen, zumal solche mit Regierungsfunktionen, auf den Ersten-Mai-Kundgebungen als zentrale Redner:innen auftreten dürfen, gehört zum üblichen Ritual einer Gewerkschaft, die sozialdemokratisch geprägt und dominiert ist.

Neu – und positiv – war jedoch, dass die Teilnehmer:innen wichtiger Kundgebungen wie in Düsseldorf, Berlin und München das Gedöns der sozialdemokratischen Regierungsleute nicht einfach über sich ergehen ließen, sondern mit Sprechchören, Pfeifkonzerten, Buhrufen ihre Kritik und Ablehnung der Kriegspolitik der Regierung und der klassenfeindlichen Politik in Bund, Ländern und Kommunen zum Ausdruck brachten.

Olaf Scholz wurde zu Recht für seine Milliardenaufrüstung, Sanktionen und Waffenlieferungen angegriffen, die Deutschland als NATO-Staat faktisch zu einer Kriegspartei in der Ukraine machen.

In München wurde Oberbürgermeister Reiter ausgepfiffen, weil sich der SPD-Politiker gegen den Erzieher:innenstreik in seiner Stadt gestellt hatte. Linke Gewerkschafter:innen enthüllten Schilder gegen den Krieg.

Berlin

Einen Höhepunkt der Aktionen erlebten wir in Berlin. Schon DGB-Chef Hoffmann wurde bei seiner Rede immer da von Sprechchören unterbrochen, wo er offen oder implizit die Kriegs- und Rüstungspläne der NATO, der EU oder der Bundesregierung unterstützte.

Eine gebührenden Empfang bereiteten mehrere Hundert Unterstützer:innen des klassenkämpferischen Blocks bei der Abschlusskundgebung in Berlin der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey. Sie kann auf eine lange unrühmliche Geschichte zurückblicken, sei es als Unterstützerin rassistischer Abschiebungen, von Privatisierungen und zahlreichen anderen arbeiter:innenfeindlichen Maßnahmen.

In den letzten Jahren und als Regierungschefin eines angeblich linken rot-grün-roten Senats steht die Verhinderung der Enteignung der Immobilienkonzerne ganz oben auf ihrer Agenda. Statt dem Votum einer klaren Mehrheit von über einer Millionen Berliner:innen, die für die Enteignung von Deutsche Wohnen und Co. gestimmt haben, zu folgen, will Giffey dieses zur Zeit in einer sog. Expert:innenkommission politisch entsorgen.

Dennoch sollte sie als eine Hauptrednerin die Leute mit leeren Phrasen einseifen. Doch dazu kam es nicht. Nicht nur die Genoss:innen der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften und der Klassenkämpferische Block, den auch die Gruppe Arbeiter:innenmacht und REVOLUTION mitorganisierten, sorgten für lautstarken Protest und intonierten Sprechchöre wie „Volksentscheid – umsetzen“ und „Enteignung – jetzt!“ Auch viele andere Gewerkschafter:innen unterstützten die Rufe und das Pfeifkonzert. Als schließlich ein Ei Richtung Giffey flog, brach sie ihre Rede ab.

Nachträglich entrüstet sich Giffey über dieses „undemokratische“ Vorgehen und den „tätlichen Angriff“. Dabei sollte doch eher die Frage gestellt werden, was der Wurf eines Eis im Vergleich zum Rauswurf all der Mieter:innen, die nach Zwangsräumungen ihre Wohnung verloren, darstellt.

Ver.di Berlin entrüstet sich in einer Pressemitteilung vom 2. Mai über den „verabscheuenswürdigen“ Angriff. Schließlich sei der „Dialog mit demokratischen Parteien und der politischen Führung der Stadt sehr wertvoll.“

Dass eine Person, die einen Volksentscheid zur Enteignung der Immobilienkonzerne hintertreibt, Geflüchtete abschieben lässt, die S-Bahn privatisieren will und auch ansonsten dem Kapital den roten Teppich ausrollt, ausgerecht bei der Mai-Demonstration der Gewerkschaften eine zentrale Rede halten sollte, verdeutlicht die Krise der Gewerkschaften in Deutschland.

Klassenkämpferische Basisbewegung

Die Krise hat gleich mehrere Namen: Sozialpartner:innenschaft und nationale Einheit mit der Regierung sind nur zwei davon. Diese Politik der Klassenzusammenarbeit dient nicht den Lohnabhängigen, sondern dem Kapital und seiner Regierung. Die schrumpfenden Demonstrationen sind nur ein numerischer, alarmierender Ausdruck einer Politik, die seit Jahren zum weiteren Niedergang der Gewerkschaften geführt hat und diese an die herrschende Klasse und die Regierung kettet.

Die Proteste gegen Scholz, Reiter, Giffey verdeutlichen jedoch, dass sich Widerstand, Opposition gegen den sozialpartnerschaftlichen Kurs und die Unterstützung der Kriegspolitik der Regierung regt. Die Tatsache, dass sie nirgendwo ernsthaft vom Apparat verhindert werden konnten, sondern bei vielen Gewerkschafter:innen, darunter auch Kolleg:innen aus der Sozialdemokratie, auf ein positives Echo stießen, zeigt, dass die reformistischen Apparate in Zeiten der Krise, der „Zeitenwende“ auch Risse bekommen, Risse, die wir vertiefen müssen.

Wir brauchen keine Politik der falschen Toleranz gegenüber Leuten wie Giffey. Wir brauchen keinen Kuschelkurs mit den politischen Vertreter:innen des Kapitals, selbst wenn sie sich „arbeiter:innenfreundlich“ geben. Stattdessen benötigen wir einen Bruch mit der Politik der Unterordnung unter das „nationale“ Interesse, unter die imperialistische Politik des deutschen Staates und unter die Wettbewerbsfähigkeit des Kapitals. Wir brauchen keine Politik des „sozialen Friedens“, sondern eines des Klassenkampfes.

Das heißt aber auch, dass wir in den Betrieben und Gewerkschaften eine oppositionelle, antibürokratische Kraft aufbauen müssen, die eine politische Alternative zum Apparat und zur reformistischen Führung liefert – eine klassenkämpferische Basisbewegung. Der Aufbau der VKG in den einzelnen Städten, die Gewinnung weiterer Strömungen in den Gewerkschaften und von kämpferischen Aktivist:innen stellen einen nächsten wichtigen Schritt in diese Richtung dar.




Kundgebung: Eisenbahner:innen gegen den Krieg

Aufruf von Bahn-Gewerkschafter*innen zu einer Antikriegskundgebung in Berlin, Infomail 1182, 16. März 2022

Die russische Invasion der Ukraine und der Krieg haben uns überrascht und erschrocken. Er hat das schon seit Jahren drehende Rad der Konkurrenz und Eskalation zwischen den großen Mächten unfassbar beschleunigt. Wie sonst nichts bestimmt dieser Krieg nun unsere Welt. Jeder Meldung über Leid und Zerstörung in der Ukraine folgen neue Erklärungen, Drohungen, Sanktionen. Es wird weiter eskaliert – was bis zu einem Dritten Weltkrieg führen kann.

Denn der Krieg ist einer um die Neuaufteilung der Welt zwischen Russland einerseits und den USA und den europäischen Mächten, vertreten durch die Ukraine, andererseits.

Wir stehen daher auf der Seite unserer Kolleg:innen in der Ukraine, die ihr Zuhause, Familien und sogar ihr Leben verlieren und am meisten unter dem Krieg leiden.

Wir stehen aber auch auf der Seite unserer russischen Kolleg:innen, die die Zeche für den Krieg und Sanktionen aufgedrückt bekommen und deren Angehörige in Putins Feldzug fallen.

Und wir stehen auf der Seite aller unserer Kolleg:innen hierzulande, denn wir werden die Folgen des Krieges in unserer aller Taschen spüren – wir sollen die 100 Milliarden-Aufrüstung der Bundeswehr finanzieren und die explodierenden Preise für Lebensmittel, Gas, Strom und Sprit bezahlen!

Zu all dem sagen wir: NEIN, No, いいえ, Нет, 아니요, Hayır, Ні, Non, Όχι, 不, !

Vergessen wir nicht, dass Osteuropa seit Jahren auf dem Schienenweg bereits militarisiert und aufgerüstet wurde. Die Deutsche Bahn hat an diesen Rüstungstransporten und der Kriegsspirale ganz mies mitverdient! Wir Eisenbahner:innen haben es in der Hand, dem Krieg das Futter zu entziehen: „Halt“ für Panzerzüge, „Fahrt“ für Flüchtlingszüge und Hilfsgüter – in ganz Europa und Russland!

Als Eisenbahner:innen und Gewerkschafter:innen der EVG und GDL fordern wir:

  • Ein Ende der Militäroffensive der russischen Armee: sofortiger Abzug der Truppen und Ende der Bombardierungen!
  • Keine Unterdrückung und Einschränkungen der Presse- und der Meinungsfreiheit in Russland, der Ukraine und EU! Sofortige Freilassung aller Kriegsgegner:innen! Keine Zwangrekrutierung in Russland und der Ukraine! Keine Verfolgung von Menschen, die den Kriegsdienst verweigern oder desertieren! Unterstützung des Aufbaus unabhängiger Gewerkschaften in Russland und in der Ukraine!
  • Aufnahme aller Menschen, die fliehen, in die EU – nicht nur, wenn sie einen ukrainischen Pass haben!
  • Rückzug von NATO-Truppen und Nein zur NATO-Osterweiterung, Auflösung der NATO!
  • Brechen wir das zustimmende Schweigen bzw. die Zustimmung für Sanktionen gegen die Bevölkerung durch unsere Gewerkschaften! Keine Sanktionen, keine Waffenexporte, keine Aufrüstung, keine Preiserhöhung! Stattdessen sollen EVG und GDL zusammen eine starke internationale Antikriegsbewegung mit aufbauen und diese global ausweiten – das heißt notfalls auch: Arbeitsniederlegung und Streik gegen Waffenlieferungen, Truppentransporte Aufrüstung und Krieg!
  • Rücknahme der 100 Milliarden-Aufrüstung der Bundeswehr – stattdessen: Geld für unsere Daseinsversorgung wie z. B. eine echte Verkehrswende hin auf die Schiene!
  • Kontrolle aller Güterzüge Richtung Osteuropa – kein Transport von weiteren Waffen! Keine arbeitsrechtlichen Maßnahmen für Kollegen:innen, die sich weigern, Rüstungstransporte zu beladen, wagentechnisch zu behandeln, oder diese stehenlassen! EVG und GDL müssen ihre Mitglieder dazu ermutigen und aufrufen, die Kriegsmaschine zu stoppen.
  • Gegen den Krieg – für die internationale Solidarität unter Kolleg:innen! Kommt zur Kundgebung Eisenbahner:innen gegen den Krieg – eingeladen sind alle!

21.03.2022 / 16:00 Uhr, Berlin-Hauptbahnhof – Europaplatz

Initiative zur gewerkschaftsübergreifenden Vernetzung von Eisenbahner:innen: bahnvernetzung.de




Musterantrag: Gewerkschafter*innen gegen Krieg und Aufrüstung!

Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften, 7. März 2022, Infomail 1181, 10. März 2022

Als aktiver Teil der Gewerkschaftsbewegung verurteilen wir den Angriff der russischen Armee auf die Ukraine auf das Schärfste. Der Krieg bringt den Tod von vielen unschuldigen Zivilist*innen und massive Zerstörung und Leid für die Arbeiter*innenklasse mit sich. Die Gefahr wächst, dass er in unabsehbarem Maße eskaliert, mit furchtbaren Folgen für die Arbeiter*innen international. Wirtschaftssanktionen werden bereits jetzt von der arbeitenden Bevölkerung in der EU und Russland mit massiv steigenden Lebenshaltungskosten und wachsender Armut bezahlt.

Wir fordern

  • Ein Ende der russischen Militäroffensive: sofortiger Abzug der Truppen und ein Ende der Bombardierungen!
  • Keine Waffenexporte aus Deutschland in den Krieg – keine Exportgenehmigung für Waffen deutscher Herkunft aus Drittländern in den Krieg!
  • Keine Intervention der NATO! Nein zur NATO-Osterweiterung!

Insbesondere fordern wir unsere Gewerkschaft dazu auf, gemäß einer guten alten, aber höchstaktuellen gewerkschaftlichen Tradition, sich gegen alle kriegsfördernden Maßnahmen zu stellen, also:

  1. gegen das 100 Milliarden Aufrüstungsprogramm der Bundesregierung und
  2. gegen die Erhöhung des Wehretats auf 2 % des Bruttoinlandsprodukts.

Die Gewerkschaften müssen sich mit allen gewerkschaftlichen Mitteln, bis hin zum Streik gegen die Umsetzung dieser Maßnahmen wehren, um sie zu verhindern!

Stattdessen ist es notwendig, dass sich die Gewerkschaften für massive Investitionen in die Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge (Bildung, Gesundheit, Umwelt usw.) und für die Unterstützung aller Geflüchteten einsetzen.

Begründung:

Zu 1. Die Einrichtung eines Sonderetats von 100 Milliarden Euro zur Aufrüstung der Bundeswehr wird über Neuverschuldung finanziert. Finanzminister Lindner hat klar gemacht, dass das von uns, den Lohnabhängigen, bezahlt werden soll! Aufrüsten bedeutet Vorbereitung darauf, Krieg führen zu können. Sie ist kein Mittel, Krieg zu verhindern, sondern führt nur zu weiterem Wettrüsten und zur Eskalation bestehender Konflikte.

Zu 2. Die Erhöhung des laufenden Haushalts der Bundeswehr auf zwei Prozent des BIP wird die Finanzierung in anderen Bereichen der Daseinsfürsorge wie dem Gesundheitswesen infrage stellen.

Es gibt eine große Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung in Deutschland, die von der Bundesregierung genutzt wird, um ihren neuen außenpolitischen Kurs durchzusetzen. Damit üben sie Druck auf die Gewerkschaften aus, ihre bisherigen antimilitaristischen Positionen aufzugeben und sind damit teilweise bereits erfolgreich. Inzwischen sprechen die Vorstände von ver.di und IGM ‒ wie auch der DGB ‒ von einer „Neubewertung der Situation“ und haben über Nacht Forderungen wie ein Nein zu Waffenexporten fallengelassen. Es fehlt auch ein klares Nein zu dem gigantischen Aufrüstungsprogramm.

Wir brauchen eine starke internationale Anti-Kriegsbewegung, maßgeblich angeführt von Gewerkschaften – bis hin zu Mobilisierungen und notfalls Arbeitsniederlegungen (wie z.B. gegen Waffen- und Truppentransporte wie Kolleg*innen in anderen Ländern es bereits in der Vergangenheit gemacht haben)!




Nein zum Ausschluss des Palästinakomitees aus dem Festival gegen Rassismus der Stuttgarter DGB-Jugend!

Stellungnahme des Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften, Metallertreff Stuttgart, Infomail 1174, 22. Dezember 2021

Das Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften sowie der Metallertreff Stuttgart hat folgende Erklärung gegen den Ausschluss des Palästinakomitees von dem Festival gegen Rassismus der Stuttgarter DGB-Jugend abgegeben. Der Text wurde ursprünglich auf der Seite der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) veröffentlich. Die Gruppe ArbeiterInnenmacht unterstützt die Stellungnahme und solidarisiert sich mit dem Palästinakomitee (PaKo). Hier der Text im Wortlaut von Zukunftsforum und Metallertreff im Wortlaut:

Nein zum Ausschluss des Palästinakomitees aus dem Festival gegen Rassismus der Stuttgarter DGB-Jugend!

Gewerkschaften müssen antirassistisch sein, denn jede Spaltung der Klasse durch Rassismus ist eine Schwächung ihrer Kampfkraft. Gewerkschaften müssen sich dem Erstarken der Rechten widersetzen, indem sie den Kampf gegen Rassismus aktiv und gemeinsam mit AkteurInnen sozialer und demokratischer Bewegungen führen, und dieses Bewusstsein dadurch in der Klasse verankern. Genauso müssen Gewerkschaften sich dem staatlichen Rassismus, der uns spaltet und schwächt, entgegenstellen. Wir unterstützen daher vollkommen die Initiative der DGB-Jugend Stuttgart, im Sommer 2022 ein „Festival gegen Rassismus“ zu organisieren.

Umso mehr sind wir empört, wie die zuständige DGB-Sekretärin bereits nach dem ersten Treffen von UnterstützerInnen des Festivals elementare Grundsätze des gewerkschaftlichen Antirassismus opfert, um einem regierungskonformen Bild von „Antirassismus“ gerecht zu werden. Im Nachgang des Treffens teilte die DGB-Jugendbildungsreferentin Anja Lange dem Stuttgarter Palästinakomitee den Ausschluss aus dem eben gebildeten Vorbereitungskomitee mit. Die Rechtfertigung für diesen Schritt ist mehr als dürftig und gipfelt in der Behauptung, das Palästinakomitee zeige auf seinen Plakaten „antisemitische Darstellungen von Jüd*innen“. Auf welche Plakate sie sich bezieht, führt sie nicht aus. Wir halten diese Darstellung für haarsträubend, verleumderisch und den Ausschluss für undemokratisch. Das Palästinakomitee (PaKo) ist in Stuttgart seit Jahren regelmäßig auf antifaschistischen/antirassistischen Aktionen vertreten und hat auch mehrfach u.a. in öffentlichen Veranstaltungen das Erstarken des Antisemitismus thematisiert und in einen Zusammenhang gestellt zum zunehmenden gesellschaftlichen Rassismus im Allgemeinen und gegen die PalästinenserInnen im speziellen.

Der Ausschluss wurde offensichtlich nicht unter den UnterstützerInnen diskutiert, geschweige denn demokratisch beschlossen. Auf dem zweiten Treffen des Festivalkomitees führte diese Missachtung demokratischer Grundsätze dazu, dass sich 5 der 10 am Treffen teilnehmenden Organisationen unmittelbar zum Austritt aus der Initiative gezwungen sahen. Auf dieser Grundlage wird es kein Festival geben, das sich „antirassistisch“ nennen kann!

Das Pako ist ein Bündnispartner im Kampf gegen Rassismus, und das muss auch für das „Festival gegen Rassismus“ der DGB-Jugend gelten. Wir sind wütend über den Ausschluss aus dem Festivalkomitee und fordern von der DGB-Jugend Stuttgart, diesen Schritt zu revidieren. Wir rufen auch alle gewerkschaftlich Aktiven und alle TeilnehmerInnen des Festivalkomitees auf, sich klar gegen den Ausschluss zu positionieren und eine demokratische Debatte darüber einzufordern! Eine derart schwerwiegende politische Anschuldigung, wie Anja Lange sie vorbringt, muss offen für alle zur Diskussion gestellt werden. Das Palästinakomitee hat das Recht, sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen, wie auch alle Beteiligten im Festivalkomitee die Möglichkeit haben sollen, Stellung zu beziehen. Wir zitieren daher an dieser Stelle aus einem offenen Brief, den das Palästinakomitee als Reaktion auf den Ausschluss verfasst hat:

Mit dem Palästinakomitee Stuttgart e.V. greift ihr einen Verein an, für den es seit der Gründung im Jahr 1982 selbstverständlich ist, Jüd:innen und Juden als Teil der gemeinsamen Bewegung gegen die Unterdrückung der Palästinenser:innen in alle unsere Initiativen einzubeziehen. Seit unserer Gründung sind wir selbstverständlich auch bei antifaschistischen und antirassistischen Aktionen in Stuttgart und Umgebung aktiv.

(…)

Euer Vorgehen macht deutlich, dass wir es mit einem Missbrauch des Antisemitismusvorwurfes zu tun haben, mit dem Kritiker:innen der israelischen Politik diffamiert werden. Das ist sehr gefährlich, denn es lenkt die Aufmerksamkeit ab von ultrarechten Kräften, die in erster Linie für den Antisemitismus in der BRD verantwortlich sind. Diese Rechtsextremen nutzen selbst sehr gerne den Antisemitismusvorwurf, um in die Mitte der Gesellschaft zu gelangen und die Linke unter Druck zu setzen, von diesem Druck sind in erster Linie die zahlreichen Migrant:innen aus der Region sowie die Palästinasolidarität betroffen. Dafür gibt es in Stuttgart passende Beispiele: Seit dem Jahr 2018 ist es die AFD, die mit an erster Stelle die Ausgrenzung des Palästinakomitees Stuttgart und dessen Ausschluss aus städtischen Institutionen und von Fördermitteln betreibt.

Das Verhalten von Anja Lange widerspricht auch dem Instagrampost, in dem die DGB-Jugend Baden-Württemberg die Initiative angekündigt hat:

Dabei wollen wir explizit darauf achten, dass das Festival in seiner Vorbereitung und Durchführung auch von Rassismus betroffenen Menschen mitgestaltet wird. Konsequent im Sinne des Festivals ist natürlich, dass bewusst diskriminierendes oder bedrohendes Verhalten von uns Veranstalter*innen nicht geduldet wird.

Dieses Bekenntnis gilt offenbar nicht für einen Verein von und in Solidarität mit den PalästinenserInnen, der nicht zuletzt auch die palästinensische Diaspora und deren Kampf gegen rassistische Politik repräsentiert, und der dabei einen dezidiert linken Standpunkt vertritt. Gewerkschaftlicher Antirassismus muss alle fortschrittlichen und demokratischen Organisationen von MigrantInnen und solche, die soziale und demokratische Fragen in den Herkunftsländern im Blick haben, einbeziehen!

Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften, Metallertreff Stuttgart




Mahle: Beschäftigte kämpfen gegen geplanten Kahlschlag

Robert Teller, Infomail 1167, 23. Oktober 2021

Etwa 1500 Mahle-KollegInnen demonstrierten am 19. Oktober am Werk Stuttgart-Feuerbach und vor der Konzernzentrale in Cannstatt gegen die Angriffe des Managements: Stellenabbau, Produktionsverlagerung, Werksschließungen. Dass KollegInnen von anderen Standorten mit 15 Bussen nach Stuttgart kamen, deutet darauf hin, dass fehlende Kampfbereitschaft unter den Belegschaften nicht das Problem ist. Die Geschäftsführung des Konzerns plant, 7600 Stellen und davon 2000 in Deutschland zu streichen. Kampfbereitschaft ist also auch dringend notwendig.

Neben den Beschäftigten bei Mahle beteiligten sich Delegationen unter anderem von Daimler Untertürkheim, Porsche, Coperion und Koenig & Bauer. Die meisten Mahle-KollegInnen kamen vom Werk Mühlacker, wo von der Belegschaft trotz Vollauslastung und Überstunden der Abbau jeder zweiten Stelle gefordert wird. Es handelt sich, wie die Gruppe um die Betriebszeitung Mahle-Solidarität richtig schreibt, um einen Generalangriff auf die Belegschaft, vor dem kein einziger Standort sicher ist. Das gilt umso mehr, so lange der Widerstand schwach ist und nicht standortübergreifend organisiert wird.

Die Kundgebung in Feuerbach war in ihrer Ausrichtung bemerkenswert. Insgesamt war die Stimmung kämpferisch. Anders als auf durchschnittlichen Streik- oder Aktionstagen der IG Metall war in den Reden durchaus eine Breite unterschiedlicher Standpunkte zu hören.

Aussagen und Stoßrichtung der Kundgebungen

Bernd Riexinger, ehemaliger Vorsitzender der Linkspartei und langjähriger Gewerkschafter, war vor Ort und wies in seiner Rede darauf hin, dass die kämpfenden Belegschaften über das eigene Werk und die eigene Firma hinweg Solidarität organisieren müssen. Er sagte, ohne Management kann die Arbeit weitergehen, aber nicht ohne die Belegschaft. Deshalb müsse sich die Organisation des Arbeitskampfes auch auf die Belegschaft stützen. Das ist richtig und sollte in einer kämpfenden Gewerkschaft zu den Essentials gehören.

Mehmet Sahin, Vertreter von Mahle-Solidarität, ging in seiner Rede weiter und sagte, dass im Kampf gegen Stellenabbau die Einführung einer allgemeinen 30-Stunden-Woche mit vollem Personal- und Lohnausgleich nötig ist und im Zweifelsfall Betriebe, die entlassen wollen, vergesellschaftet werden müssen und das auch ein Ziel der Gewerkschaft werden müsse. Damit hob er den Abwehrkampf gegen Entlassungen auf eine höhere Stufe. Zum einen mit der Arbeitszeitlosung, für die auch branchenübergreifend gekämpft werden kann, zum anderen dadurch, dass der gewerkschaftliche Kampf nicht vor dem Recht auf Privateigentum Halt machen soll, wenn es dieses Privateigentum ist, das unsere Jobs bedroht.

Liljana Culjak (BR-Vorsitzende von Feuerbach) hatte zwar keine Vorschläge, wie und mit welchen Losungen der Kampf weitergeführt werden könnte. Im Vordergrund standen Kritik an „unfairen“ Methoden der Geschäftsführung, die zwecks Profitmaximierung Produktion verlagern will: „Wir haben eine neue Geschäftsführerin, wir haben aber kein Miteinander und keine Transparenz“. Aber dass sie die Kundgebung mit organisierte, ist ein positiver Schritt und bereits ein Bruch im IG-Metall-Apparat. Der Vorstand der IG Metall Stuttgart erschien noch nicht mal auf der Kundgebung in Feuerbach und entschuldigte sich aufgrund einer angeblichen Vorstandstagung, die wohl nie stattgefunden hat.

Kontrast

Die zweite Kundgebung vor der Konzernzentrale diente Nektaria Christidou (BR Mühlacker und stellvertretender Gesamtbetriebsratsvorsitzender) und dem Gesamtbetriebsrat dazu, die Stimmung wieder einzufangen und den Aktionstag ins rechte Licht zu rücken.

Die Geschäftsführung war auf die Bühne geladen und hatte zwar außer wachsweichen Bekenntnissen zum Wir-Gefühl nichts zu verkünden, konnte sich aber dafür das Betteln der BR-Vorsitzenden anhören. Aus Feuerbach war nur ein Teil der KollegInnen mitgekommen und wer noch dabei war, dem war dort nicht nach Kämpfen zumute.

Die Angriffe

Für Feuerbach fordert die Geschäftsführung konkret, zusätzlich zu den seit 2018 unterm Strich abgebauten 500 MitarbeiterInnen weitere 98 loszuwerden, oder – falls es hierüber keine Einigung gibt – 39 Millionen Euro an Einsparungen zu Lasten der Belegschaft (über welchen Zeitraum?).

Der Gesamtbetriebsrat hat im Frühjahr den Stellenstreichungen in Feuerbach zugestimmt und das als Erfolg gefeiert, obwohl für die Belegschaft bestenfalls einige Monate Zeit gewonnen wurde. Der Stellenabbau sollte freiwillig durch Aufhebungsverträge und Abfindungen vonstattengehen. Die Freiwilligkeit ändert nichts am grundsätzlichen Charakter der Maßnahme: Verdrängung von Arbeitskraft aus dem Produktionsprozess, d. h. Vergrößerung der industriellen Reservearmee oder Verlagerung zu anderen Standorten, also Verschärfung der Konkurrenz zwischen den ArbeiterInnen bei unterschiedlichen Lohnniveaus. Nun wurde die vereinbarte Zielvorgabe von 385 Stellen nicht erreicht und es zeigt sich, dass das Ausmaß des Stellenabbaus einfach zu groß ist, um reibungslos über die Bühne zu gehen. Die Zustimmung zum Sozialplan hat nicht wie versprochen der verbleibenden Belegschaft Sicherheit verschafft. Sie hat aber eine Zeit lang der falschen Vorstellung Auftrieb gegeben, dass der Jobverlust eine rein individuelle Angelegenheit ist. Das hat es dem BR erleichtert, selbst keinerlei Widerstand zu organisieren und Ansätze davon, die ohne seine Initiative entstanden, im Sand verlaufen zu lassen. Der Geschäftsführung wurde so signalisiert, dass Gegenwehr nicht zu befürchten ist, und sie wurde ermutigt weiterzugehen.

Für Mühlacker stellte die Geschäftsführung seit dem vergangenen Jahr mal die Zahl von 211, dann 94 und dann wieder 350 KollegInnen in den Raum, die sie aufgrund mangelnder Nachfrage nach den dort produzierten Produkten abbauen wolle. Nun wird mit einer Halbierung der aktuell 1400 Köpfe starken Belegschaft gedroht und das Management plant bereits jetzt, keine weiteren Investitionen in den Produktionsstandort zu leisten. In Wirklichkeit ist das Werk gut ausgelastet, die KollegInnen leisten Überstunden. Der Betriebsrat stimmt letzterem zu, anstatt diese Ungeheuerlichkeit von Mehrarbeit bei geplantem Stellenabbau als Druckmittel gegenüber der Geschäftsführung einzusetzen. Deren Pläne kann man nur so verstehen, dass der Standort mittelfristig auf der Abschussliste steht, um die Produktion zu geringeren Kosten woanders anzusiedeln. Das Werk Öhringen ist bereits geschlossen und Gaildorf ist in Abwicklung, in beiden Fällen ohne großen Widerstand von Betriebsrat und IG Metall.

Der Aktionstag am 19. Oktober kam überhaupt erst auf Druck von unten zustande. Nur so ist auch zu erklären, dass mit Riexinger ein linker ehemaliger Gewerkschaftsführer und mit Mehmet Sahin ein kämpferischer Betriebsrat zu Wort kamen, wobei letzterer seit Jahren in Opposition zur BR-Mehrheit steht.

Die Stellenstreichungen sind ein umfassender Angriff auf die Belegschaften, der weit über einzelne Werke und auch über den Mahle-Konzern hinausgeht. Bei VW wird intern der Abbau von 30.000 Stellen diskutiert.

Das deutsche Exportkapital versucht, in stagnierenden Absatzmärkten den eigenen Profit zu steigern, um im internationalen Konkurrenzkampf nicht weiter zurückzufallen. Die Produktion (ob Verbrenner oder Elektro) soll in „Best Cost Countries“ wiederaufgebaut werden, solange die Produkte nachgefragt werden, und die Stellenstreichungen werden dann als Kollateralschaden der „technologischen Transformation“ verbucht. Der Konkurrenzdruck trifft die gesamte Branche und daher ist vor dieser Rationalisierungsrunde auch kein Werk, keine Firma sicher. Sozialpläne ändern nichts an der Tragweite des Angriffs, aber jeder Sozialplan ist ein Exempel an der betroffenen Belegschaft.

Die Betriebsgruppe Mahle-Solidarität hat seit Bekanntwerden der Sparpläne Anfang 2019 die Belegschaft in Flugblättern informiert und für eine Kampfstrategie argumentiert.

In ihrem Flugblatt Mahle-Solidarität Nr. 13 zum 19. Oktober schreibt sie:

  • Der „sozial verträgliche Abbau“ ist keine Lösung, Es hilft nichts, wenn Betriebsräte da mitmachen. Das Mitmachen ermuntert nur zu neuen Angriffen. Bei Schließungen gibts eh nichts abzufedern.
  • Auch wenn die Firma mehr Profit macht, rettet das keine Arbeitsplätze. Auch das hat sich bewiesen. Sie investieren in Firmenkäufe, nicht in die bestehenden Werke.
  • Widerstand auf allen Ebenen ist nötig. Betriebsräte müssen da vorangehen! Nicht um Milde betteln, sondern klare Kante zeigen!
  • Aber vor allem muss die IG Metall ihrer Aufgabe als Gewerkschaft nachkommen und alle Belegschaften, die kämpfen wollen, vereinen! Seit 2 Jahren wird eine Bude nach der anderen dichtgemacht, jede stirbt für sich alleine und die IG Metall tut so, als wären das Einzelfälle. Statt beispielsweise in der Tarifrunde gemeinsam zu streiken, muss jetzt jeder für sich kämpfen.

Der Metallertreff Stuttgart verteilt die Flugblätter der Mahle-Solidarität seit Monaten und damit wurde eine standortübergreifende Basisstruktur aufgebaut, die der sozialpartnerschaftlichen Politik der BR- und IGM-Bürokratie mit Informationen und Losungen für den Kampf begegnet. Die Kundgebung vom 19. Oktober zeigt, dass eine klassenkämpferische Bewegung in Betrieb und Gewerkschaft erfolgreich sein kann, wenn sie die richtigen Prinzipien anwendet: Kritik und Opposition zur Bürokratie, wenn nötig – und gemeinsamer Kampf, wann immer möglich.




Proteste dominieren IAA in München

Mattis Molde / Helga Müller, Infomail 1162, 14. September 2021

Autobahnblockaden gegen die IAA gab es schon zu Beginn, Sitzblockaden und einen Gegenkongress unter der Woche, dann eine Großdemo am Samstag mit rund 25.000 TeilnehmerInnen. Die Mainstream-Medien fokussierten sich zurecht auf diese Ereignisse, denn der vorgebliche Anspruch der „Mobilitäts“-Messe wurde hinten und vorne nicht erfüllt.

Sackgasse IAA

Die IAA war einst der Wallfahrtsort der Motorfreaks, Leute, für die Autoherstellung und/oder Autofahren ein Glaubensbekenntnis waren und ein wesentlicher Bestandteil ihres Gefühlslebens. Das ist vorbei. Schon 2019 stürzten die BesucherInnenzahlen von einstiger Millionenhöhe auf unter 600.000 ab. Jetzt fielen sie auf 400.000. In einigen Messehallen herrschte zeitweise „tote Hose“.

Die MacherInnen hatten der Ausstellung ein neues „Format“ verpasst, es sollte um „Mobilität“ gehen. Das hätte heißen können, dass Studien und Modelle über die Verbindung verschiedener Verkehrsträger ins Zentrum gestellt werden. Beispiel: Was passiert auf dem letzten Kilometer von den Endpunkten des öffentlichen Schienenverkehrs zur Wohnung? Heute gibt es Busse im Halbstundentakt, abgestellte Fahrräder oder gar nichts.

Für die MacherInnen der IAA wie für die (deutsche) Autoindustrie ist das keine Frage: „Das Auto ist eine innovative Kraft und das am meisten genutzte Transportmittel“ heißt es in der IAA-Präsentation (https://www.iaa.de/fileadmin/IAA_Mobility/Fuer_Besucher/IAA_Erleben/Bike/IAA-MOBILITY-2021_Pre-Built-Booth-Packages_2021-07-01.pdf?1625471593). Letztere Behauptung ist zweifellos Unsinn – die eigenen Füße stehen den allermeisten Menschen zur Verfügung, nur einer Minderheit ein Auto. Und dem Produkt Automobil eine eigene Schöpfungskraft anzudichten, verrät viel über den Horizont dieser ZukunftserfinderInnen.

Sie setzen auf Autos, die sich untereinander verraten, wo es in der Innenstadt noch Parkplätze gibt. Auf Autos, die am besten so groß sind, dass sie Fahrräder transportieren können. Solche wurden erstmals auch auf der IAA gezeigt. Fahrräder mit Elektroantrieb und jeder Menge Sensorelektronik, Preisniveau ab 5000,- Euro aufwärts. Also genau nicht die Teile, die man in der Innenstadt oder an der S-Bahnhaltestelle abstellen kann. Und erst recht nicht die, die sich die Masse der Bevölkerung leisten kann.

Krise des Autos

Die IAA und ihre BetreiberInnen haben also nichts Wesentliches zur Lösung der Umwelt-, Klima- und Verkehrsprobleme beizutragen. Sie beschränken sich darauf, die ideologischen Nebelkerzen für ihre Profitproduktion neu zu gestalten. Millionen haben das erkannt und die Klimafrage ist zu einem Hauptthema bei WählerInnen geworden. Was noch lange nicht heißt, dass diejenigen, die das Problem beschäftigt, mit den Antworten zufrieden sind, die ihnen die KlimaretterInnen von CDU/CSU, FDP, SPD, Grünen und der LINKEN versprechen.

Ähnliches gilt für die Autoindustrie und ihre Show. Auch all die früheren IAA-BesucherInnen, die heute wegbleiben, die möglicherweise mittelfristig nach wie vor ein Auto brauchen oder dies zumindest glauben, finden ganz offensichtlich die Perspektive E-Auto nicht so klasse, die die Auto-Industrie heute anbietet: viel Elektronik, aber da ist das Handy billiger. Seine Umweltverträglichkeit ist zweifelhaft; nicht mal brummen tut es. Aber auf jeden Fall ist es schweineteuer.

Trotz dieser gigantischen Verblendungsshow, um die Transformation von Verbrenner- auf Elektromotoren als einen riesigen Schritt für mehr Umweltfreundlichkeit zu feiern, hat mit dieser IAA die Autoindustrie ein Schlaglicht auf ihre eigene Krise geworfen.

Klimabewegung, wohin?

Mit dem Umzug der IAA von Frankfurt/Main nach München wollten die VeranstalterInnen auch mögliche Protestaktionen von Umweltverbänden, Klimabewegung und diversen anderen Organisationen, die die Automobilindustrie in ihrer Jagd nach noch größeren Autos als eine der wichtigen VerursacherInnen der Klimaveränderung brandmarken, abschwächen. Dies hat sich aber als Rohrkrepierer herausgestellt. Auch in München haben sich wie vor zwei Jahren in Frankfurt bis zu 25.000 TeilnehmerInnen auf der zentralen Fußdemo und mittels Radlsternfahrt aus 11 umliegenden Gemeinden  für den Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs und eine drastische Reduzierung des Individualverkehrs – sei es mit Verbrenner- oder mit E-Motoren – ausgesprochen.

Die hohe Beteiligung an den Protestaktionen zeigt, dass die Klimabewegung nicht an Dynamik eingebüßt hat. Aber sie muss aufpassen, dass ihre politische Stagnation nicht auch zu deren Verlust führt. Die Bewegung muss eine Antwort auf die Frage finden, wie sie die Scheinaktivitäten der Regierungen und der Konzerne durchbrechen kann. Viele ahnen, dass einfach wieder mehr Fridays for Future das nicht schaffen wird.

Manche versuchen eine politische Antwort in der Anpassung an die Kapitalinteressen und/oder in der Ausrichtung auf Parlamentarismus und Wahlen, andere setzen auf militantere Aktionsformen, ohne freilich andere Ziele zu vertreten. Auch wenn etliche AktivistInnen mittlerweile die Notwendigkeit einer Verbindung mit Lohnabhängigen anerkennen, so herrscht über das Wie und Warum vor allem Unklarheit. Mitunter handelt es sich um bloße Lippenbekenntnisse, hinter denen sich Ignoranz oder Indifferenz gegenüber der Arbeiterinnenklasse verbergen. Wiederum andere halten „Spitzengespräche“ zwischen bürgerlichen SprecherInnen von Fridays for Future und GewerkschaftsführerInnen schon für ein Zusammengehen von Umwelt- und Gewerkschaftsbewegung.

Die Hoffnung, dass die Wahl der Grünen oder der grün gewendeten Parteien etwas bewirkt, wird genauso wie alle auf „soziale“ und „demokratische“ Regierungspolitik zerplatzen. Regierungen können wechseln, das Kapital und seine Klasse, die Bourgeoisie, herrschen. Es ist ihr Staat, zur Sicherung ihres Besitzes und ihrer Kapitalvermehrung. Und das Kapital interessierte sich noch nie für den Zustand und die Bedürfnisse der Gesellschaft.

Abseilaktionen von Autobahnbrücken beweisen Widerstandswillen gegen eine Staatsmacht, die auf Camps, Demonstrationen oder schon an den einfahrenden Personenzügen aufmarschiert. Für sich genommen klärt aber keine noch so entschlossene Aktionsform die Frage der inhaltlichen, politischen Ausrichtung.

Die Propagierung von bestimmtem KonsumentInnenverhalten wird zwar oft auch mit Kapitalismus- und Konsumkritik begründet. Als strategische Orientierung beruht sie auf der Illusion, dass die KäuferInnen bestimmen würden, was produziert wird. Demzufolge würde bei einem Kaufboykott umweltschädlicher Produkte das Kapital seine Profite woanders – umweltgerecht – suchen. Das E-Auto beweist das Gegenteil, genau wie die ganze Produktwerbung bis hin zu Aldi, die suggeriert, durch den Kauf eines bestimmten Waschmittels könne der Urwald gerettet werden. Nur – wir haben keine Zeit darauf zu warten, dass diese Rezepte ihre Wirkungslosigkeit beweisen.

Kongress

Es gilt also, neue Fragen zu formulieren und alte wieder aufzunehmen. Hier sollte und wollte der Kontra-IAA-Kongress in München vom 9. bis 10. September 2021 ansetzen.

29 Workshops, Podien und Foren hatten seine OrganisatorInnen auf die Beine gestellt. Über 100 TeilnehmerInnen hatten sich nach ersten Schätzungen (eine Bilanz des Kongresses wird es von den VeranstalterInnen noch geben) an den diversen Veranstaltungen beteiligt. Es waren vor allem TeilnehmerInnen aus attac, Umweltverbänden, AktivistInnen aus der Klimabewegung, GewerkschafterInnen, politische Organisationen, auch aus der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Das postautonome Spektrum und die eher aktionsorientierten Teile der Umweltbewegung wie Ende Gelände, Extinction Rebellion oder Sand im Getriebe haben sich an dem auf der Theresienwiese aufgebauten Klimacamp – das lange gegen das Münchner Kreisverwaltungsreferat durchgekämpft werden musste – und den ab Freitag stattfindenden Blockaden beteiligt, weniger an dem Kongress. Zusammen kamen diese diversen Spektren auf den Demos am Samstag.

Inhaltlich kreiste der Kongress vor allem um die Frage: Wie kommen Umwelt- und ArbeiterInnenbewegung zusammen? Wie können die verschiedenen umweltaktivistischen Bewegungen und Organisationen die Spaltung, die gezielt – teilweise auch von den DGB-Gewerkschaften – geschürt wird, überwinden? Vor allem in der Energiebranche stellt die IGBCE ständig den Erhalt von Arbeitsplätzen der Abschaffung der umweltzerstörenden Erzeugung entgegen. Aber umgekehrt haben sich KlimaaktivistInnen lange nicht um die Frage gekümmert: Wie können Arbeitsplätze in anderen gesellschaftlich sinnvollen Sektoren aufgebaut und die Industrien entsprechend umgebaut werden?

Es gab aber natürlich auch noch andere Themenbereiche, die bis in den Bereich der Selbstfindung und -verwirklichung gingen – übrigens nicht unähnlich der Autoindustrie, die ja gerne Werbung macht, mit deren Hilfe sich das im Alltag gequälte Individuum in einsame Landschaften oder belebte Städte hineinträumen kann, in denen es nie Autos gibt, außer dem eigenen Traumwagen.

Schlüsselfrage Gewerkschaften

Die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) konnte auch einen Workshop unter dem Titel: „Welche gewerkschaftlichen Strategien braucht es für den sozialökologischen Umbau?“ durchführen. Sie stellte die Frage so: „Bislang trotten die verschiedenen Gewerkschaften hinter den Konzepten ,ihrer’ Konzerne hinterher: sei es bei E-Mobilität, autonomem Fahren, Luft- und Bahnverkehr. Bei Massenentlassungen und Betriebsschließungen werden dann zwar ‚neue Technologien und Konzepte’ gefordert, aber es bleibt bei wirkungslosen Appellen. Wie erreichen wir, dass die Gewerkschaften eine Strategie verfolgen, die nachhaltig, konsistent, branchenübergreifend ist und wie kann die nötige betriebliche und gesellschaftliche Durchsetzungsfähigkeit erreicht werden?“

Die Diskussion in den Workshops drehten sich um die Frage: Wie können die KollegInnen in den Betrieben, sei es in der Automobilindustrie oder in den Kohletagebauen, die, solange die Entscheidungen in den Händen der Bosse bleiben, zu Recht Angst vor Arbeitsplatzabbau haben, wenn es um den ökologischen Umbau ihrer Industrie geht, mit den Klimaaktivitäten vereint werden? Und zwar gegen jegliche Spaltungsversuche – sei es durch die Gewerkschaftsführungen, die oft die Frage des Erhalts der Arbeitsplätze in den jeweiligen Branchen gegen den ökologischen Umbau setzen, sei es durch die Bosse selbst, die wie z. B. in der Automobilindustrie die Transformation zu E-Autos nutzen, um Arbeitsplätze abzubauen, oder Produktlinien in sog. Billiglohnländer verlagern.

Es wurden durchaus viele Beispiele auch aus der Geschichte der ArbeiterInnenbewegung diskutiert wie z. B. der Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze bei Lucas Aerospace in Nordengland, wo die KollegInnen in den 1970er Jahren selbst einen Plan für alternative gesellschaftlich und ökologisch sinnvolle Produkte entwickelten, oder auch das aktuelle Beispiel bei Bosch in München.

Das Werk – ein Autozulieferer – soll ähnlich wie bereits das in Bietigheim bei Stuttgart voraussichtlich geschlossen werden. Hier haben UmweltaktivistInnen aus diversen Umweltnetzwerken mit den KollegInnen über die Herstellung von Alternativprodukten, die sowohl ökologisch als auch gesellschaftlich sinnvoll sind, gesprochen. Im Gegensatz zu der landläufigen Meinung – auch der des 1. Bevollmächtigten der IG Metall in München – hat sich bei dieser Diskussion und den daraus resultierenden Aktivitäten herausgestellt, dass die KollegInnen dafür aufgeschlossen sind, vor allem wenn dies mit der Frage des Erhalts ihrer Arbeitsplätze verbunden wird.

Aussagen wie „Man muss den KollegInnen auch klipp und klar sagen, dass es in den reichen Industrieländern auch um Deindustrialisierung geht in Hinsicht auf eine gerechtere Aufteilung der Produktion und des Aufbaus von Arbeitsplätzen auch im armen globalen Süden“, die vor allem von „grün“ angehauchten DiskutantInnen in die Debatte geworfen wurden, stießen auf große Skepsis. Eine solche Herangehensweise führt keineswegs zu einer Überwindung der Spaltung, solange die Beschäftigten damit Arbeitsplatzabbau verbinden, sondern eher zu einer weiteren Vertiefung. Sie wird auch den KollegInnen in den ärmeren Regionen dieser Welt nicht weiterhelfen, solange eine Gesellschaft existiert, die auf Konkurrenz und Hetze nach mehr Profit ausgerichtet ist.

So eine „Gerechtigkeit“ lässt die Profite der KapitalistInnen unangetastet im Namen einer gerechteren Verteilung der Lasten und der Ausbeutung auf die ArbeiterInnenklasse. Der zunehmend nationalistischen Herangehensweise der reformistischen Gewerkschaftsbürokratie, Arbeitsplätze in Deutschland gegen die Konkurrenz aus dem Ausland zu verteidigen, wird hier zwar widersprochen – aber auf Kosten der Klasse. Die einzige wirkliche Alternative, die Verteilung aller Arbeit auf alle, für Lohnerhöhungen überall, ArbeiterInnenkontrolle über die Produktion und internationale Streiks und Solidarität wird mit dieser grün gewendeten Spaltungspolitik genauso unterminiert wie mit dem sozialpartnerschaftlichen Nationalismus der Gewerkschaftsführungen.

Für eine Opposition in den Gewerkschaften

Im Workshop der VKG wurde noch einmal ein besonderes Licht auf die Herangehensweise der Gewerkschaften – insbesondere der IG Metall – geworfen, die nichts für die Hebung des politischen Bewusstseins ihrer Mitglieder oder der Belegschaften tun, außer immer wieder zu betonen, dass der Erhalt von Arbeitsplätzen immer nur mit Verzicht zu machen sei. Das resultiert aus ihrem sozialpartnerschaftlichen Kurs. Daher führt sie auch keinen ernsthaften Kampf mit Hilfe von Streiks, die nicht nur Proteste darstellen, sondern das Ziel verfolgen, sich gegen die Interessen des Kapitals durchzusetzen.

Aber um sich mit den KollegInnen verbinden zu können und ihnen auch eine Perspektive über den rein gewerkschaftlichen Kampf hinaus zu geben, ist es für GewerkschafterInnen oder politisch linke Kräften in den Gewerkschaften, die Schluss machen wollen mit der Unterordnung unter die Kapitalinteressen, wichtig, an den Interessen der KollegInnen, am Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze und guter Arbeitsbedingungen anzusetzen. Gleichzeitig muss aber auch in diesem Kampf klar werden, dass es notwendig ist, gegen die sozialpartnerschaftlich ausgerichtete Politik der Gewerkschaftsführung eine linke klassenkämpferische Strömung aufzubauen, die in der Lage ist, den Kampf aufzunehmen.