Erneuerung der Gewerkschaften – oder des Apparats?

Mattis Molde, Neue Internationale 274, Juni 2023

Es war die fünfte Konferenz dieser Reihe und von der Teilnehmer:innenzahl, die bei weitem größte. “Gewerkschaftliche Erneuerung“ ist ihr Titel. Die erste dieser Art 2011 in Stuttgart hatte noch „Erneuerung durch Streik“ als Perspektive. Das wäre aber etwas zu dick aufgetragen gewesen, angesichts der Tatsache, dass die IG Metall in der Metall- und Elektroindustrie, ver.di bei der Post und im Öffentlichen Dienst mit aller Macht Streiks verhinderten und Reallohnverluste für die nächsten Jahre vereinbart haben.

Abfeiern der Tarifrunden

1700 Teilnehmer:innen in Bochum belegen, dass ein Interesse am Austausch und an einer Diskussion der Zukunft der Gewerkschaften angesichts von Inflation, Krieg und Klimakatastrophe besteht.

Streiks, die mit Erfolgen enden, hätten die Gewerkschaften in Deutschland aber definitiv mehr in Bewegung gebracht, als diese Konferenz.

Bei den großen Tarifrunden im letzten halben Jahr waren Hunderttausende in Warnstreiks und ähnlichen Aktionen beteiligt. Erkämpfte Erfolge gegen die Inflation und Siege gegen Angriffe auf das Streikrecht wären eine reale „better practice“ der Gewerkschaften gewesen, als die vielen kleinen Beispiele von best practice, die in Bochum verklärt wurden. Eine realistische Bilanz der Tarifrunden kam mit ihren zentralen Fragestellungen in Bochum nicht oder kaum vor.

Beim Eröffnungsplenum kam weder bei Hans-Jürgen Urban vom IGM Vorstand, noch bei Heinz Bierbaum, dem Vorsitzenden der Rosa Luxemburg Stiftung (RLS), das Wort Reallohnverlust oder – entwicklung vor. Eine „völlige Kompensation der Inflation“ sei zwar nicht gelungen, so zitierte Bierbaum in dem Beitrag „Gewerkschaftliche Kämpfe im Aufwind“ vor der Konferenz Kritiker:innen aus der IGM. Der folgenden Lobeshymne tat das aber keinen Abbruch:

„Die Resultate, die bislang in den Tarifrunden erreicht wurden, können sich sehen lassen. Den Anfang machte die IG BCE im Oktober letzten Jahres mit einem Abschluss von 6,5 Prozent und einer Ausgleichszahlung von 3.000 Euro mit einer Laufzeit von zwei Jahren. Etwas höher war der Abschluss der IG Metall im November 2022 mit einer Erhöhung von 8,5 Prozent bei einer zweijährigen Laufzeit und einer Zahlung von 3.000 Euro netto zum Ausgleich der Inflation. Allerdings gab es auch erheblich Kritik an diesem Abschluss. Trotz der massiven Warnstreiks sei die Mobilisierung unzureichend gewesen, so dass auch keine völlige Kompensation der Inflation gelungen sei. Auf der anderen Seite ist der Abschluss auf einen breiten Konsens der Beschäftigten gestoßen. Und man muss auch berücksichtigen, dass die Lage in der Metallindustrie äußerst schwierig ist, verursacht nicht nur durch die schwache Konjunktur, sondern besonders auch durch die tiefgreifenden Transformationsprozesse. Sehr bemerkenswert ist der Abschluss bei der Post, die bei einer Forderung von 15 Prozent neben beträchtlichen Einmalzahlungen mit einer Lohnerhöhung von 340 Euro im Schnitt eine Erhöhung um 11 Prozent erreicht hat, die sogar bei den untersten Lohngruppen noch deutlich höher ausfällt. Offensichtlich haben die erfolgreiche Urabstimmung und die Entschlossenheit, auch zu streiken, ausgereicht, um zu diesem Abschluss zu kommen.“

Dasselbe Abfeiern der Tarifergebnisse gab es auch aus dem Munde von Thorsten Schulten vom WSI, dem Institut der Hans-Böckler-Stiftung in der AG „Tarifrunden in Zeiten von Inflation, sozialem Protest und konzertierter Aktion“. Auch die anderen Redner:innen bemühten sich darum, die Tarifergebnisse schönzureden, einzig Jana Kamischke, Vertrauensfrau und Betriebsrätin am Hamburger Hafen vertrat eine kritischere Position.

In einem solchen politischen Rahmen erhalten die an sich richtigen Aussagen, dass es in Tarifrunden insbesondere bei der Post und im Öffentlichen Dienst eine bemerkenswerte Beteiligung von neuen und jungen Kolleg:innen gegeben hatte, eine andere Bedeutung.

Denn das kritiklose Abfeiern der gestiegenen Aktivitäten bedeutet nichts weiter als eine politische Flankendeckung des Apparates. Und die weitgehende Akzeptanz dieser Politik auf der Bochumer Konferenz verdeutlichen leider, dass es bislang gelungen ist, auch diese gestiegene Kampfbereitschaft in die Bahnen der Kontrolle durch den Apparat zu halten. Die Organisator:innen der Konferenz, die selbst aus dem linken Apparat stammen und politisch den Gewerkschaftsflügel der Linkspartei ausmachen, vergaßen dabei nicht zu erwähnen, dass dies ihren „innovativen“ Methoden geschuldet sei und dass es folglich nötig sei, dass diese linken Apparatschiks eine größere Rolle brauchen für die Umsetzung der gemeinsamen Ziele mit rechten Bürokrat:innen.

Die „gewerkschaftliche Erneuerung“, so ließen viele Vertreter:innen der RLS und der verschiedenen Organizing-Initiativen verlauten, das sind „wir“. Und mit dem „wir“ meinen sie nicht die gewerkschaftliche Basis, sondern die hauptamtlichen Kräfte und die als Organizer:innen Angestellten, die letztlich den linken Flügel des Apparates, aber keine antibürokratische Kraft bilden.

Kritik an der Gewerkschaftsführung?

Nur in wenigen Beiträgen von den Podien schimmerte eine Kritik an der derzeitigen Orientierung der Gewerkschaften und ihrer Führung durch.

So kritisierte Frank Deppe im Themenseminar „Die Waffen nieder! Gewerkschaften in Kriegszeiten gestern und heute“ die sozialpatriotische Politik der Gewerkschaften und ihre faktische Unterstützung von NATO-Erweiterung und Aufrüstung offen und eine Reihe von Redner:innen forderte unter Applaus, dass diese Konferenz eine klare Positionierung gegen die Politik wie überhaupt eine Abschlussresolution verabschieden solle, die sich gegen Sozialpartner:innenschaft und nationalen Schulterschluss mit der Regierung wendet. Doch dabei blieb es auch. Die Organisator:innen der Konferenz hatten nie vorgesehen, dass am Ende der Veranstaltung eine politische Resolution stehen solle, die sie zu einem politischen Handeln verpflichten könnte.

Einigermaßen kritische Töne gegen den Apparat und dessen Legalismus gab es nach Abschluss der Konferenz durch Wolfgang Däubler, der auf die Notwendigkeit des Generalstreiks als politische Waffe gegen die aktuellen Angriffe hinwies.

Bezeichnenderweise hielten diese Beiträge nicht Vertreter:innen der Gewerkschaften, sondern emeritierte Professoren. Sie bildeten letztlich nicht mehr als die kritische Filmmusik zum selbstgefälligen Abfeiern der eigenen „Erneuerung“. So werden Beiträge, die eigentlich konkretisiert und gegen die Bürokratie gerichtet werden müssten, noch zum Beleg für die „Offenheit“ und „Selbstkritik“ der gesamten Veranstaltung.

Kritik an den Apparaten fand insgesamt kaum statt. Wurde in irgendeiner der vielen AGen die Aussage der DGB-Vorsitzenden Fahimi angesprochen, die vor einem halben Jahr gefordert hatte, dass auch Betriebe, die Staatsknete als Energie-Beihilfen erhalten, Boni und Dividenden ausschütten dürfen? Wurde der „Aktionstag“ von IGM, IGBCE und IGBAU skandalisiert, an dem die „bezahlbare Energie“ von der Regierung gefordert wurde – nicht für die Arbeitenden, sondern für die Großunternehmen der Stahl-, Alu und Chemieindustrie? Wo wurde die „Konzertierte Aktion“ angegriffen, als Ausdruck der prinzipiell falschen Sozialpartnerschaft, deren verhängnisvolle Rolle sich gerade in den Tarifkämpfen gezeigt hatte?

Schönreden der Klimapolitik

In der AG 4 „Abseits des Fossilen Pfades“, der tatsächlich noch eine Autobahn, eine Highway to hell ist, bemühte sich Stefan Lehndorf, auch noch jede Alibi-Aktion von Unternehmen, Regierung und IGM schönzureden. So gäbe es „Transformations.Workshops“ in den Betrieben, die durch die Produktumstellung von Arbeitsplatzabbau bedroht seien. Ist Transformation – oder Konversion, wie eine Vertreter der „Initiative Klassenkampf und Klimaschutz“ forderte – der Produktion ein gesellschaftliches Problem oder ein betriebliches? Müssten gerade Gewerkschaften, die sich als „Treiber der Transformation“ sehen (Lehndorf) nicht betriebsübergreifend eine Programmatik und Aktionsplanung haben, anstatt nur betrieblich dem Kapital alternative Produkte vorzuschlagen und es seiner Willkür zu überlassen, ob und wo diese produziert werden?

In dieser AG war immerhin – im Unterschied zu vielen anderen – Diskussion zugelassen, nicht nur Fragen, wie z. B. in der AG 16 (Gegen Betriebsschließungen) oder ergänzende Berichte, wie im Forum zu Tarifrunde Nahverkehr. Wo es mal Kritik gab, wurde diese mit Selbstzensur vortragen oder von den Adressat:innen übergangen.

Beispiel Borbet Solingen: Rund 15 Beschäftigte waren zur Konferenz nach Bochum gekommen und zeigten mit Sprechchören ihre Empörung. Auf dem Podium aber saß neben den neuen Belegschaftsvertretern und Aktivisten Alakus und Cankaya der Geschäftsführer der IGM Solingen-Remscheid, Röhrig, der nichts dazu sagte, warum die IG Metall den früheren Betriebsratsvorsitzenden unterstützt hatte, warum sie ein Jahr lang fruchtlose Verhandlungen mitgemacht hatte, ohne einen betrieblichen Widerstand aufzubauen.

„Lösung“ im Kleinformat

Grundsätzlich lag das politische Problem der Konferenz aber darin, dass der Blick auf die Probleme – und somit auf die möglichen Lösungen – selbst im voraus verengt wurde. Und dies ist kein Betriebsunfalls, sondern gewollt, ja erscheint geradezu als Erfolgsgarant. So heißt es im Artikel „Durch Erneuerung in die Offensive“ von Fanny Zeise und Florian Wilde:

„Zu den Erfolgsrezepten der Konferenzen gehört, dass sie nicht ideologisch-programmatische Fragen zum Ausgangspunkt nehmen, sondern die Herausforderungen der tagtäglichen Gewerkschaftsarbeit und das breit geteilte Bedürfnis nach einer Erneuerung der Gewerkschaften. Dadurch kann sie Anschlussfähigkeit über die klassischen linksgewerkschaftlichen Milieus hinaus erreichen sowie eine gewerkschafts- und generationenübergreifende Ausstrahlung entfalten. Wichtig ist dabei auch, dass kritische Positionen nicht sektiererisch und rückwärtsgewandt, sondern solidarisch, vorwärtsgewandt und im Sinne einer Stärkung der Gewerkschaften formuliert werden.“

Das aktive Verdrängen der „ideologisch-programmatischen“ Fragen ist nichts anderes als ein Codewort dafür, die Kritik an der Gewerkschaftsführung und das Herausarbeiten ihrer Ursachen zu tabuisieren. Die Abgrenzung von angeblichem Sektierer:innentum und Rückwärtsgewandtheit ist nur ein Codewort dafür, keine offene Bilanz der Tarifabschlüsse, von Sozialpartner:innenschaft, Standortpolitik und Klassenkollaboration zu ziehen. Die Gewerkschaftsbürokratie erscheint natürlich längst nicht mehr als Agent der herrschenden Klasse in der Arbeiter:innenbewegung, sondern allenfalls als etwas trägerer Mitstreiter.

Mit der Fokussierung auf „tägliche Gewerkschaftsarbeit“ wird die Praxis nicht nur verengt, die reale Politik, die reale Praxis der Gewerkschaften gerät aus dem Blick. Die gesamtgesellschaftlichten, internationalen politischen und ökonomischen Voraussetzungen des eigenen Handeln, aller betrieblichen wie gewerkschaftlichen Fragen erscheinen allenfalls Nebenfragen. Die Krise der Gewerkschaften erscheint im Grund nur noch als Frage der „kreativen“, dynamischen Umsetzung einer eigentlich richtigen Politik. Die Politik und Strategie der Bürokratie bildet kein zentrale Problem gewerkschaftlicher Erneuerung, sondern vielmehr deren Kritiker:innen, deren angebliches Sektierer:innentum und deren Insistierung politisch-ideologischen Fragen wie Krieg und Wirtschaftskrise, auf Kritik der Bürokratie und der Klassenzusammenarbeit.

Damit stehen die Protagonist:innen und die Organisator:innen der Konferenz real – unabhängig davon, was immer sie von sich glauben – fest auf dem Boden des Reformismus der Linkspartei, irgendwo zwischen Bewegungslinke und Regierungssozialist:innen. Politisch wurden die ganzen Trugbilder neu belebt, dass im Kapitalismus „Gute Arbeit-gutes Leben“ möglich bleibt, dass die „Transformation sozial und ökologisch“ vonstattengehen könne, und dass die Gewerkschaften wieder stärker werden, wenn sie nur besser „organized“ werden. Und das angesichts der „Polykrise des Kapitalismus“ (Urban).

Kämpferische Gewerkschaften wird es letztlich nur im Bruch mit Bürokratie und ihrer Politik zu haben geben. Das bleibt offensichtlich die Aufgabe von Linken Gewerkschafter:innen, die mit der Veranstaltung der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften einen der wenigen politischen Lichtblicke in Bochum veranstaltet haben.




Für einen revolutionären Bruch der Lohnabhängigen mit dem Reformismus!

Minderheitsposition der Konferenz „15 Jahre Solid und Linkspartei“, Infomail 1211, 19. Januar 2023

Bis 150 Menschen diskutierten auf der Konferenz „15 Jahre Solid und Linkspartei – Welche Organisation für den Klassenkampf?“ über die Notwendigkeit eines revolutionären Bruchs mit der Linkspartei und dem Reformismus. Im Folgenden veröffentlichen wir die Abschlusserklärung der Konferenz, die von einer Mehrheit von zwei Dritteln der Anwesenden angenommen wurde, und die Minderheitsresolution. Die Mehrheitsresolution basiert auf einem Entwurf der Revolutionären Internationalistischen Organisation / Klasse Gegen Klasse. Die Minderheitsposition wurde von vier Genoss:innen einbracht wurde und von der Gruppe Arbeiter:innenmacht und von REVOLUTION unterstützt.

Für einen revolutionären Bruch der Lohnabhängigen mit dem Reformismus!

Antragsteller:innen: Carlos, Pauline, Stephie (REVO, GAM), Willi (GAM)

1. Seit 15 Jahren vertieft die Partei DIE LINKE stetig ihre Perspektive der Mitverwaltung des kapitalistischen Elends. In 13 Regierungsbeteiligungen haben sie Abschiebungen, Zwangsräumungen, Privatisierungen, Polizeigewalt und vieles mehr mitverantwortet. Alle Versuche, die Partei in die Richtung einer Fundamentalopposition zu lenken, sind gescheitert. Die Partei und ihre Jugendorganisationen, die Linksjugend [’solid] sowie Die Linke.SDS sind durch diese Entwicklung in eine Krise geraten. Auf der Konferenz für einen revolutionären Bruch mit der Linkspartei und Solid haben sich Mitglieder von [‘solid!] und DIE LINKE, kürzlich ausgetretene Genoss:innen, sowie Gruppen und Einzelpersonen aus der kommunistischen Bewegung versammelt. Wir nehmen das Zusammenfallen der Krise der Linkspartei und der gesamten gesellschaftlichen Opposition mit einer verschärften ökonomischen, politischen und sozialen Krise auf nationaler und globaler Ebene als Anlass, um die praktische Vorbereitung sowie die Debatte über den Aufbau einer Partei der arbeitenden Klasse mit einem fundamentaloppositionellen, revolutionären Programm in Deutschland wieder ins Rollen zu bringen.

Zur Ausgangslage in Deutschland und der LINKEN

2. Wir stellen uns gegen den deutschen Imperialismus und gegen die Ampelregierung, die die größte militärische Aufrüstung seit Jahrzehnten vorantreibt, und für die internationale Solidarität der Arbeiter:innen aller Länder untereinander. Mit Einmalzahlungen im Gießkannenprinzip versucht diese dem Widerstand gegen Inflation und Krieg den Wind aus den Segeln zu nehmen. Auch in der Krise erkauft sich der imperialistische deutsche Staat die politische Loyalität von wirtschaftlich zentralen Teilen der Arbeiter:innenklasse mithilfe der Gewerkschaftsbürokratie, um einen übergreifenden Kampf aller Lohnabhängigen in Deutschland und auf globalem Maßstab auf Basis gemeinsamer Klasseninteressen vorzubeugen. So können die Kosten der Militarisierung auf die Lohnabhängigen in Deutschland und anderswo abgewälzt werden — wodurch Kriege finanziert werden, unter denen wiederum vor allem die Lohnabhängigen anderer Länder tagtäglich leiden müssen. Die Militarisierung nach außen geht auch einher mit einer Stärkung des Repressionsapparats und der rechtsterroristischen Verankerung innerhalb derselben. Der rechte Terror im Innern ist ein Widerhall des erstarkenden Imperialismus nach außen. Daher kann der Aufstieg der Rechten nicht mit einer Logik des „geringeren Übels“, der prinzipienlosen Unterstützung von „linken“ oder „fortschrittlichen“ Regierungen bekämpft werden.

3. Die Kapitalist:innen und ihre Regierungen haben der Jugend nur eine Perspektive des Verzichts, des Militarismus und der Klimakatastrophe anzubieten. Wir schulden ihnen nichts! Anstelle der Logik des geringeren Übels oder der politischen Resignation wollen wir eine Jugendorganisation aufbauen, die für eine ganz andere Zukunft kämpft: Eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung, die die Ressourcen dieses Planeten nachhaltig nutzt und statt absurder und gesundheitsschädigender Lohnarbeit die freie Entfaltung all unserer schöpferischen und kreativen Potenziale ermöglicht. Wenn deshalb die Regierenden von einer „Zeitenwende“ sprechen und uns auf künftige Kriege im Dienste des Kapitals vorbereiten wollen, sagen wir: Kein Cent, kein Mensch dem Militarismus! Gerade im imperialistischen Deutschland ist es unsere Aufgabe, eine revolutionäre, antiimperialistische Jugendorganisation an der Seite der Arbeiter:innen und aller Unterdrückten aufzubauen, die sich weder dem imperialistischen Kriegsgetrommel der „Heimatfront“ und der NATO anpasst noch reaktionäre Führungen wie Putin unterstützt und entschuldigt.

4. Die einzige Kraft, die nicht nur einen Kampf gegen die imperialistische Politik der Regierung führen, sondern tatsächlich ein Ende von Ausbeutung und Unterdrückung erkämpfen kann, ist die Arbeiter:innenklasse. Aber nicht als gesichtslose Masse ohne Ansehen von Sexismus-, Queer- und Transfeindlichkeit sowie Rassismuserfahrung(en), sondern im Gegenteil als Klasse, die insbesondere in einem Land wie Deutschland auch sehr migrantisch ist und immer weiblicher und immer mehr offen queer wird. Sie kann aufgrund ihrer Stellung im kapitalistischen Produktionsprozess nicht nur die zentralen Hebel der Wirtschaft lahmlegen. Sondern sie kann die Gesamtheit aller unterdrückten Teile der Bevölkerung im Kampf gegen Staat und Kapital anführen. Dafür muss sie sich deren Forderung zu eigen machen und sich selbst an die Spitze der Kämpfe gegen Sexismus, Rassismus und jeglicher Form von Unterdrückung stellen, anstatt nur eine von vielen gleichrangig getrennt voneinander agierenden Bewegungen zu bilden, wie es beispielsweise die Bewegungslinke propagiert. Das wird ihr nur gelingen, wenn sie die Selbstorganisierung der auf unterschiedliche Weise unterdrückten Teile der Arbeiter:innenklasse nicht als Konkurrenz sieht, sondern begrüßt und aktiv zu einem großen Ganzen zusammenfügt.

5. Die Trennung von Fragen der Unterdrückung (Sexismus, Rassismus, LGBTQIA+-Feindlichkeit, Behindertenfeindlichkeit usw.) vom Kampf gegen die kapitalistische Ausbeutung zementiert die Spaltung der Arbeiter:innenklasse. Diese ist für das Kapital funktional und wird vom Staat und den Bürokratien in der Arbeiter:innenbewegung aufrechterhalten. Sie steht auch der Perspektive des Kampfes für eine Gesellschaft, die frei von jeglicher Ausbeutung und Unterdrückung ist, unmittelbar entgegen. Deshalb haben wir nichts gemeinsam mit der populistischen Perspektive von Sahra Wagenknecht, die unter dem Vorwand einer Rückkehr zu mehr „Klassenpolitik“ bestimmte Unterdrückungs- und Ausbeutungsformen herunterspielt. Die Strategie von Wagenknecht ebenso wie die ihres französischen Pendants Jean-Luc Mélenchon und La France Insoumise ist darauf ausgelegt, die Interessen der „weißen Arbeiterklasse“ mit den Interessen der imperialistischen Bourgeoisie zu vereinen. Ihre links klingenden Phrasen sind in Wahrheit nichts anderes als die Verteidigung des Standortnationalismus der Konzerne. Anstatt den Rechten das Wasser abzugraben, überlässt sie ihnen mit dieser Strategie das Feld.

6. Ihre Perspektive teilt die Linkspartei auch mit reformistischen oder linkspopulistischen Projekten der vergangenen Jahre wie Syriza in Griechenland, Podemos im Spanischen Staat oder La France Insoumise in Frankreich, welche den Klassenkampf in ihren jeweiligen Ländern in staatstragende Bahnen umgelenkt haben. Das linkspopulistische Podemos hat ihre Opposition zur Monarchie abgelegt und setzt als Teil der spanischen Regierung derzeit die Aufrüstung und die Abschottungspolitik gegen Migrant:innen und die Zusammenarbeit mit Marokko zur kolonialen Unterdrückung der Westsahara fort. Die linksreformistische Wahlfront Syriza setzte 2015 an der griechischen Regierung die Spardiktate von IWF, EZB und EU um, obwohl sie sich vorher ausdrücklich dagegen positioniert hatte. In Griechenland zeigt sich auch, dass die EU ein imperialistischer Block ist, der den Interessen vor allem des deutschen Kapitals dient. Sozialist:innen müssen die EU als imperialistisches Projekt ablehnen, aber ohne die Perspektive der Rückkehr zum Nationalstaat — wie es beispielsweise Sahra Wagenknecht oder Jean-Luc Mélenchon vorschlagen —, sondern in der Perspektive der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.

7. Wir lehnen den zögerlichen Umgang der Linkspartei mit ihrem stalinistischen Erbe deutlich ab. Die stalinistische Konterrevolution in der Sowjetunion und ihr Abdruck in der DDR und anderswo, die Unterdrückung von nationalen und religiösen Minderheiten, Frauen und Homosexuellen, die Sabotage der Kämpfe der Arbeiter:innen und strategische Orientierung auf bürgerliche und reaktionäre Kräfte unter dem Vorwand der Verteidigung des sozialistischen Aufbaus, der Verteidigung gegen den Faschismus, der nationalen Befreiung usw. — auf diesem Erbe kann keine revolutionäre Politik fußen. Ein revolutionärer Bruch mit der reformistischen Linkspartei schließt einen Bruch mit der Toleranz gegenüber allen Erscheinungsformen des Stalinismus als linker Spielart des Reformismus mit ein.

8. Die Krise der Linkspartei ist kein Zufall oder Produkt widriger Umstände, sondern eine Konsequenz ihrer gesamten Strategie. Als „demokratisch sozialistische“ bürgerliche Arbeiter:innenpartei ist sie strategisch auf Wahlen und Parlamentssitze ausgerichtet, um auf diesem Weg an die Regierung des bürgerlichen Staates zu gelangen. Daran ändert auch nichts, dass eine kleine Minderheit der Partei Regierungsbeteiligungen „kritisch“ sieht, ebenso wenig einzelne „linkere“ Ortsgruppen ihres Jugendverbandes. „Rebellisch regieren“, wie es die Bewegungslinke immer wieder vorschlägt, ist nur eine linkere Rhetorik für denselben Vorschlag. Die Mobilisierung und Organisierung auf der Straße oder in den Betrieben, Schulen und Universitäten ist in dieser Sichtweise nur ein Druckmittel, um parlamentarische Mehrheiten zu erlangen. Obwohl sie sich also sozial auf die Lohnabhängigen stützt, macht sie ihre Strategie letztlich zu einer Stütze der kapitalistischen Ordnung. Gegen diese Strategie, die letztendlich zur Unterordnung unter die Interessen des Kapitals führt, setzen wir die Notwendigkeit der politischen Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse vom Kapital, von der Regierung und von den Bürokratien der Gewerkschaften, die sie stützen. Für uns bedeutet diese Unabhängigkeit keine Summe an Allgemeinplätzen, sondern muss auf dem Ziel der gemeinsamen Entwicklung eines revolutionären Programms fußen. Ein Prozess in den die verschiedenen Differenzen, die uns trennen diskutiert werden müssen.

Das Aktionsprogramm mit dem wir gegen die unterschiedlichsten aktuellen Krisen kämpfen wollen

9. Angesichts der Verschärfung der Klimakatastrophe, angesichts von Krieg und Aufrüstung, angesichts von fortgesetzter Inflation und Wirtschaftskrise braucht es eine konsequente Opposition in den Betrieben, Schulen und Universitäten und auf der Straße. Sie muss für ein soziales Notfallprogramm kämpfen, das die kapitalistischen Profitinteressen angreift und angesichts von Krise, Krieg und Klimakatastrophe eine sozialistische Perspektive aufwirft. Für sofortige Preisstopps, für die automatische Angleichung von Löhnen, Renten, Sozialleistungen, BAföG, etc. an die Inflation für hohe Gewinn- und Vermögenssteuern, für die Enteignung von Immobilien- und Energiekonzernen in der Perspektive der entschädigungslosen Enteignung aller Großunternehmen unter Kontrolle der Arbeiter:innen, für einen sozialen und ökologischen Umbau des Energiesystems und der gesamten Wirtschaft, gegen den Krieg, Sanktionen und Waffenlieferungen, gegen die 100-Milliarden-Aufrüstung. Weder Putin noch die NATO und gegen den Militarismus des deutschen Imperialismus.

10. Um ein solches Notfallprogramm umzusetzen, müssen wir eine Einheitsfront für den Kampf gegen die Regierung und das Kapital mit allen grundsätzlich bereitwilligen Kräften aufbauen, wobei wir uns ausdrücklich an alle Genoss:innen an der Basis sowie in führenden Positionen der Linkspartei richten, die alle oder einige der Forderungen teilen und zu einer transparenten und diskussionsoffenen Zusammenarbeit bereit sind. Da ein Großteil der Lohnabhängigen in Deutschland reformistische Illusionen hegen, wird ein Aktionsbündnis kleiner linksradikaler Gruppierungen nicht reichen, um die notwendige Massenkraft rund um unsere Forderungen zu mobilisieren. Für den Erfolg einer Einheitsfront wird es aber notwendig sein, die bremsende Rolle der SPD, der Gewerkschaften zu überwinden und ihr eine Perspektive der Selbstorganisation und der Koordinierung der Kämpfe gegenüberzustellen — für klassenkämpferische Gewerkschaften und für die Selbstorganisation der Arbeiter:innen. Nicht nur in vereinzelten Kämpfen, sondern auch als Perspektive einer politischen Alternative jenseits kapitalistischer Regierungen. Denn die Führungen unserer Gewerkschaften zeigen aktuell wieder mit der konzertierten Aktion (regelmäßige Treffen, bei denen sie sich mit Politik, Unternehmensverbänden und der Deutschen Bank abstimmen), dass sie lieber mit der Regierung und den Kapitalist:innen schlechte Kompromisse aushandeln. Den Preis dafür zahlen wir heute als Arbeiter:innen und als Jugendliche. Aber auch die Ausweitung befristeter Verträge wurde von unseren Gewerkschaftsführungen mitunterschrieben. Gegen die sozialpartnerschaftliche Politik versuchen wir in Streiks, Kämpfe und Bewegungen durch (Streik-)Versammlungen, imperative Mandate und die jederzeitige Abwählbarkeit von Vertreter:innen das Bewusstsein der Lohnabhängigen für ihre eigene Macht als Klasse zu erwecken. Um erfolgreich eine revolutionäre Perspektive in die Einheitsfront hineinzutragen, müssen wir zugleich den Aufbau einer vom Kapital unabhängigen Massenpartei der Lohnabhängigen mit einem marxistischen, revolutionären Programm anvisieren, die die fortschrittlichsten Teile der Arbeiter:innenklasse, wie in der Jugend, der Frauen und LGBTQIA+, der Migrant:innen und anderer besonders unterdrückter Teile der arbeitenden Klasse im Kampf für den Sturz des Kapitalismus und für die sozialistische Revolution anführen kann.

11. Die Konferenz sieht sich also einer doppelten Aufgabe gegenüber: Einerseits die Dominanz bürgerlicher Ideologien in der Arbeiter:innenklasse (v.a. den Reformismus) herauszufordern und andererseits eine revolutionäre Kraft aufzubauen. Zu diesem Zweck schlagen wir vor:

a. Die baldige Vorbereitung einer wirklich breiten Konferenz, auf der gemeinsam mit allen interessierten Kräften — inklusive mit denjenigen, die bisher nicht mit der Linkspartei gebrochen haben — über den aktuellen Zustand des globalen Kapitalismus und über die Ursachen und Erscheinungsformen des Reformismus diskutiert werden soll. Darüber hinaus wollen wir über die historischen und aktuellen Bedingungen, Probleme und Chancen eines radikalen Bruchs mit dem Reformismus auf nationaler und globaler Ebene reden, welche materielle Basis er in der Arbeiter:innenbewegung hat. Sowohl die Bedingungen eines Zusammenschlusses der kommunistischen Bewegung wie auch die Beziehung von Revolutionär:innen zu reformistischen Kräften sollen ausführlich diskutiert werden.

b. Die Anwesenden sind sich einig, dass eine gemeinsame Intervention auf der Grundlage der in dieser Erklärung vorgelegten Eckpunkte nötig ist, um eine revolutionäre Opposition ins Leben zu rufen zu können, die in den Kämpfen außerhalb und innerhalb des Parlaments eine tatsächliche Alternative zum Reformismus darstellen kann. Um heute schon das Fundament zu legen für einen radikalen Bruch der Lohnabhängigen mit dem Reformismus, wollen wir: im Rahmen der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) in die kommende Tarifrunde des öffentlichen Dienstes (TVöD) mit einem Programm intervenieren, das die Forderung nach einem realen Inflationsausgleich erhebt und mit einem weitergehenden Programm gegen Krise, Krieg und Klimakatastrophe verbindet; Angesichts des Verrats der Linkspartei am Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co. enteignen einerseits die politische Selbstorganisierung und Aktion der Mieter:innen als Lohnabhängige auf allen Ebenen vorantreiben, andererseits mit einer Kritik an der Taktik der Regierungsbeteiligung der Berliner Linkspartei bzw. an ihrem Umgang mit dem Volksentscheid in die kommende Abgeordnetenhauswahl treten. Dort, wo es möglich ist: Aufruf zur Wahl von Kandidat:innen der Linkspartei, die sich auf glaubwürdige Weise gegen die Regierungsbeteiligung ihrer Partei in Land und Bund stellen, wie der Genosse Ferat Koçak in Neukölln. Solche Unterstützungen müssen jedoch mit der Forderung des Aufbaus einer Strömung in der Partei verbunden werden, die den Kampf um Mehrheiten im Parlament nur als Mittel zum Zweck der Enteignung großer Immobilienkonzerne nutzt und nicht die Interessen ihrer Wähler:innen für die Regierungsbeteiligung aufopfert. Solidarität und kritische Unterstützung des parteiinternen Flügels in ihrem Kampf gegen die Regierungsbeteiligung, nicht zuletzt mit Marx21 in Berlin — für einen breiten Zusammenschluss innerhalb und außerhalb der Linkspartei für eine Fundamentalopposition!




Abschlusserklärung der Konferenz für einen revolutionären Bruch mit der Linkspartei und Solid

Infomail 1211, 19. Januar 2023

Bis 150 Menschen diskutierten auf der Konferenz „15 Jahre Solid und Linkspartei – Welche Organisation für den Klassenkampf?“ über die Notwendigkeit eines revolutionären Bruchs mit der Linkspartei und dem Reformismus. Im Folgenden veröffentlichen wir die Abschlusserklärung der Konferenz, die von einer Mehrheit von zwei Dritteln der Anwesenden angenommen wurde, und die Minderheitsresolution. Die Mehrheitsresolution basiert auf einem Entwurf der Revolutionären Internationalistischen Organisation / Klasse Gegen Klasse. Die Minderheitsposition wurde von vier Genoss:innen einbracht wurde und von der Gruppe Arbeiter:innenmacht und von REVOLUTION unterstützt.

Abschlusserklärung der Konferenz für einen revolutionären Bruch mit der Linkspartei und Solid

Gegen die Logik des geringeren Übels: Für den Aufbau einer von Staat und Kapital unabhängigen revolutionären sozialistischen Kraft der Arbeiter:innen, der Jugend, der Frauen, LGBTQIA+ und Migrant:innen!

1. Die Partei DIE LINKE und ihre Jugendorganisationen, die Linksjugend [’solid] und Die Linke.SDS, sind gescheitert. Seit 15 Jahren vertiefen sie stetig ihre Perspektive der Mitverwaltung des kapitalistischen Elends. In 13 Regierungsbeteiligungen haben sie Abschiebungen, Zwangsräumungen, Privatisierungen, Polizeigewalt und vieles mehr mitverantwortet. Die Partei, all ihre Hauptströmungen – egal ob der “Reformer”-Flügel um Dietmar Bartsch, die Bewegungslinke oder der Wagenknecht-Flügel – und ihr gesamter Apparat sind fest in den deutschen Staat verankert. Angesichts der Verschärfung der Klimakatastrophe, angesichts von Krieg und Aufrüstung, angesichts von fortgesetzter Inflation und Wirtschaftskrise, angesichts der Stärkung der AfD und der extremen Rechten sagen wir: Nur eine sozialistische Perspektive, die die Interessen des Kapitals wirksam angreift, kann eine Antwort auf die Probleme der Ausgebeuteten und Unterdrückten geben. Deshalb brechen wir mit der Strategie der Linkspartei und ihrer Jugendorganisationen und erklären unseren Austritt.

2. Das Scheitern der Linkspartei ist kein Zufall oder Produkt widriger Umstände, sondern eine Konsequenz ihrer gesamten Strategie. Sie ist eine strategisch auf Wahlen und Parlamentssitze ausgerichtete Partei, um auf diesem Weg an die Regierung des bürgerlichen Staates zu gelangen. Jegliche Veränderung geht laut dieser Strategie von Regierungs- und Parlamentsposten aus. Daran ändert auch nichts, dass eine kleine Minderheit der Partei Regierungsbeteiligungen “kritisch” sieht, ebenso wenig einzelne “linkere” Ortsgruppen ihres Jugendverbands. “Rebellisch regieren”, wie es die Bewegungslinke immer wieder vorschlägt, ist nur eine linkere Rhetorik für denselben Vorschlag. Die Mobilisierung und Organisierung auf der Straße oder in den Betrieben, Schulen und Universitäten ist in dieser Sichtweise nur ein Druckmittel, um parlamentarische Mehrheiten zu erlangen. Unsere Perspektive ist dem radikal entgegengesetzt: Das strategische Zentrum für die Veränderung der Gesellschaft – d. h. für die Enteignung des Kapitals und die Errichtung einer Arbeiter:innenregierung in der Perspektive einer weltweiten sozialistischen Revolution – ist der Klassenkampf; parlamentarische Positionen können diesen lediglich unterstützen, nicht ersetzen. Gegen die Unterordnung unter die Interessen des Kapitals setzen wir die Notwendigkeit der politischen Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse vom Kapital, von der Regierung und von den Bürokratien der Gewerkschaften und der NGOs, die sie stützen.

3. Wir stellen uns gegen den deutschen Imperialismus und gegen die Ampelregierung, die die größte militärische Aufrüstung seit Jahrzehnten vorantreibt. Sie erkauft im Bündnis mit den Gewerkschaftsbürokratien und den Bossen mit kleinen Zugeständnissen das Stillhalten der Massen angesichts der Krise – in der Perspektive werden aber die Ausgebeuteten und Unterdrückten nicht nur hierzulande, sondern auch international für die militärische “Zeitenwende” zahlen müssen. Die Militarisierung nach außen geht auch einher mit einer Stärkung des Repressionsapparats nach innen, wie nicht zuletzt die Razzien und Präventivhaft gegen die “Letzte Generation” zeigen. In diesem Kontext lässt die Regierung auch den letzten Anschein von Klimaschutz fallen, wie die anstehende Räumung von Lützerath im Interesse des Energiekonzerns RWE zeigt – ein weiterer Beweis dafür, dass der “grüne Kapitalismus” unmöglich ist.

4. Während­dessen stärkt sich die extreme Rechte, insbe­sondere im Innern der staatlichen Institutionen (Militär, Polizei, Justiz usw.). Der rechte Terror im Inneren ist ein Widerhall des erstarkenden Imperialismus nach außen. Die Ampel-Regierung verstärkt den staatlichen Rassismus, baut die Polizei weiter aus, schiebt Menschen in Kriegsgebiete ab und ist für den Massenmord an Außengrenzen der EU verantwortlich – und setzt somit die Politik um, die von der AfD und der extremen Rechten gefordert werden. Daher kann der Auf­stieg der Rechten nicht mit einer Logik des “ge­ringeren Übels” der Unterstützung von “linken” oder “fortschrittlichen” Regierungen bekämpft werden. Die herrschende Klasse und rechte Kräfte machen durch die bürgerlichen Medien die migrantischen Teile unserer Klasse für die Wirtschaftskrise verantwortlich. Nicht zuletzt bei der rassistischen Hetzkampagne um Silvester haben wir gesehen, dass die Medien die Abschiebung von vermeintlich “nicht-integrierbaren” migrantischen Kindern und Jugendlichen forderten.Die Reihen der multiethnischen Arbeiter:innenklasse in Deutschland sollen durch den anti-muslimischen Rassismus gespaltn werden. Es ist eine dringlichere Aufgabe denn je zuvor, sich dagegen zur Wehr zu setzen – unter anderem auch gegen die Politik der Rot-Rot-Grünen Regierung in Berlin, an der die LINKE beteiligt ist, die aus Razzien in Schischa-Bars, Racial Profiling in migrantischen Kiezen sowie Hexenjagden auf Jugendliche besteht. Wir müssen für die Abschaffung der Geflüchtetenlager und das Recht auf eine eigene und bezahlbare Wohnung kämpfen. Abschiebungen müssen gestoppt und Asylanträge anerkannt werden.Schluss mit unterschiedlichen Behandlung von Geflüchteten je nach Herkunftsland. Gegen die Logik der Spaltung von Geflüchteten durch besonders qualifizierten oder unqualifizierten Teile. Arbeitsrechte und volle Staatsbürger:innenrechte für alle Menschen, die hier leben. Auch wenn wir bei den Abgeordnetenwahlen keine unterstützenswerte Partei erkennen, kämpfen wir für das Wahlrecht aller Menschen, die hier leben. Es braucht Kampagnen in Gewerkschaften für antirassistische Forderungen und für den Ausschluss der GdP aus dem DGB, was wir als eine der Aufgaben der antibürokratischen und klassenkämpferischen Strömung sehen, die wir in den Gewerkschaften aufbauen wollen.

5. Die Kapitalist:innen und ihre Regierungen haben der Jugend nur eine Perspektive des Verzichts, des Militarismus und der Klimakatastrophe anzubieten. Wir schulden ihnen nichts! Anstelle der Logik des geringeren Übels oder der politischen Resignation wollen wir eine Jugend aufbauen, die für eine ganz andere Zukunft kämpft: Eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung, die die Ressourcen dieses Planeten nachhaltig nutzt und statt hirnloser und gesundheitsschädigender Lohnarbeit die freie Entfaltung all unserer schöpferischen und kreativen Potenziale ermöglicht. Wenn deshalb die Regierenden von einer „Zeitenwende“ sprechen und uns auf künftige Kriege im Dienste des Kapitals vorbereiten wollen, sagen wir: Kein Cent, kein Mensch dem Militarismus! Gerade im imperialistischen Deutschland ist es unsere Aufgabe, eine revolutionäre, antiimperialistische Jugend an der Seite der Arbeiter:innen und aller Unterdrückten aufzubauen, die sich weder dem imperialistischen Kriegsgetrommel der „Heimatfront“ und der NATO anpasst noch reaktionäre Führungen wie Putin unterstützt oder entschuldigt.

6. Wir sind der Meinung, dass die einzige Kraft, die nicht nur einen Kampf gegen die imperialistische Politik der Regierung führen, sondern tatsächlich ein Ende von Ausbeutung und Unterdrückung erkämpfen kann, die Arbeiter:innenklasse ist. Aber nicht als gesichtslose Masse ohne Ansehen von Sexismus-, Homophobie- und Rassismuserfahrung(en), sondern im Gegenteil als Klasse, die insbesondere in einem Land wie Deutschland auch sehr migrantisch ist und immer weiblicher und offen queerer wird. Sie kann aufgrund ihrer Stellung im kapitalistischen Produktionsprozess nicht nur die zentralen Hebel der Wirtschaft lahmlegen. Sondern sie kann die Gesamtheit aller unterdrückten Teile der Bevölkerung im Kampf gegen Staat und Kapital anführen. Dafür muss sie sich deren Forderungen zu eigen machen und sich selbst an die Spitze der Kämpfe gegen Sexismus, Rassismus und jegliche Form von Unterdrückung stellen, anstatt nur eine von vielen gleichrangig getrennt voneinander agierenden Bewegungen zu bilden, wie es beispielsweise die Bewegungslinke propagiert.

7. Die Trennung von Fragen der Unterdrückung (Sexismus, Rassismus, LGBTQIA+-Feindlichkeit usw.) vom Kampf gegen die kapitalistische Ausbeutung zementiert die Spaltung der Arbeiter:innenklasse. Diese ist für das Kapital funktional und wird vom Staat und den Bürokratien in der Arbeiter:innenbewegung aufrecht erhalten, die stets versuchen, ökonomische von sozialen und politischen Kämpfen zu trennen. Sie steht auch der Perspektive des Kampfes für eine Gesellschaft, die frei von jeglicher Ausbeutung und Unterdrückung ist, unmittelbar entgegen. Deshalb haben wir nichts gemeinsam mit der populistischen Perspektive von Sahra Wagenknecht, die unter dem Vorwand einer Rückkehr zu mehr “Klassenpolitik” die Fragen der Unterdrückung herunterspielt. Die Strategie von Wagenknecht, ebenso wie die ihres französischen Pendants Jean-Luc Mélenchon und La France Insoumise ist darauf ausgelegt, die Interessen der “weißen Arbeiterklasse” mit den Interessen der imperialistischen Bourgeoisie zu vereinen. Ihre links klingenden Phrasen sind in Wahrheit nichts anderes als die Verteidigung des Standortnationalismus der Konzerne. Anstatt den Rechten das Wasser abzugraben, überlässt sie ihnen mit dieser Strategie das Feld.

8. Ihre Perspektive teilt die Linkspartei auch mit „neo-reformistischen“ oder linkspopulistischen Projekten der vergangenen Jahre wie Syriza in Griechenland, Podemos im Spanischen Staat oder La France Insoumise in Frankreich. Sie sind keine Ausdrücke des Klassenkampfes. Im Gegenteil: Sie lenken den Klassenkampf in staatstragende Bahnen um. Podemos hat ihre Opposition zur Monarchie abgelegt und setzt als Teil der spanischen Regierung derzeit die Aufrüstung und die Abschottungspolitik gegen Migrant:innen und die Zusammenarbeit mit Marokko zur kolonialen Unterdrückung der Westsahara fort. Die linksreformistische Wahlfront Syriza setzte 2015 an der griechischen Regierung die Spardiktate von IWF, EZB und EU um, obwohl sie sich vorher ausdrücklich dagegen positioniert hatte. In Griechenland zeigte sich auch, dass die EU ein imperialistischer Block ist, der den Interessen vor allem des deutschen Kapitals dient. Sozialist:innen müssen die EU als imperialistisches Projekt ablehnen, aber ohne die Perspektive der Rückkehr zum Nationalstaat – wie es beispielsweise Sahra Wagenknecht oder Jean-Luc Mélenchon vorschlagen –, sondern in der Perspektive der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.

9. Der Stalinismus hat die revolutionäre Tradition weltweit, aber gerade auch in Deutschland zutiefst beschädigt. Denjenigen, die heute aus der Krise der Linkspartei Schlussfolgerungen ziehen wollen, raten wir dringend, auch aus dem Erbe des Stalinismus die nötigen Lehren zu ziehen. Die Bürokratisierung der Arbeiter:innenstaaten – nicht zuletzt der DDR –, die Unterordnung von Fragen der Unterdrückung, die Unterstützung für bürgerliche Parteien im Namen der nationalen Befreiung (sowohl linkerer Varianten wie die des frühen Chavismus als auch die Unterstützung für reaktionäre Anführer wie Assad in Syrien im Namen des „Antiimperialismus“), die offene oder verdeckte Sabotage unzähliger revolutionärer Prozesse, und die absolute Geringschätzung der selbstorganisierten Demokratie der Arbeiter:innen sind nur einige Elemente, die uns dazu veranlassen zu sagen: Das ist nicht unser Sozialismus. Im Gegenteil: Eine revolutionäre Kraft in Deutschland kann nur entstehen, wenn sie dieses Erbe hinter sich lässt.

10. Angesichts der Verschärfung der Klimakatastrophe, angesichts von Krieg und Aufrüstung, angesichts von fortgesetzter Inflation und Wirtschaftskrise braucht es eine konsequente Opposition in den Betrieben, Schulen und Universitäten und auf der Straße. Sie muss für ein soziales Notfallprogramm kämpfen, das die kapitalistischen Profitinteressen angreift und angesichts von Krise, Krieg und Klimakatastrophe eine sozialistische Perspektive aufwirft. Für sofortige Preisstopps, für die automatische Angleichung von Löhnen, Renten, Sozialleistungen, Bafög etc. an die Inflation, für hohe Gewinn- und Vermögenssteuern, für die Enteignung von Immobilien- und Energiekonzernen in der Perspektive der entschädigungslosen Enteignung aller Großunternehmen unter Kontrolle der Arbeiter:innen, für einen sozialen und ökologischen Umbau des Energiesystems und der gesamten Wirtschaft, gegen den Krieg, Sanktionen und Waffenlieferungen, gegen die 100-Milliarden-Aufrüstung. Weder Putin noch die NATO, und gegen den Militarismus des deutschen Imperialismus.

11. Um ein solches Programm umzusetzen, müssen wir in den Betrieben, Schulen und Universitäten und auf der Straße eine Einheitsfront für den Kampf gegen die Regierung und das Kapital aufbauen. Dazu ist es notwendig, die bremsende Rolle der Bürokratien der SPD, der Gewerkschaften und NGOs zu überwinden und ihr eine Perspektive der Selbstorganisation und der Koordinierung der Kämpfe gegenüberzustellen –  für klassenkämpferische Gewerkschaften und für die Selbstorganisation der Arbeiter:innen. Nicht nur in vereinzelten Kämpfen, sondern auch als Perspektive einer politischen Alternative jenseits kapitalistischer Regierungen. Denn die Führungen unserer Gewerkschaften zeigen aktuell wieder mit der Konzertierten Aktion (regelmäßige Treffen, bei denen sie sich mit Politik, Unternehmensverbänden und der Deutschen Bank abstimmen), dass sie lieber mit der Regierung und den Kapitalist:innen schlechte Kompromisse aushandeln. Den Preis dafür zahlen wir heute als Arbeiter:innen und als Jugendliche. Aber auch die Ausweitung befristeter Verträge wurde von unseren Gewerkschaftsführungen mit unterschrieben. Gegen diese sozialpartnerschaftliche Politik versuchen wir in Streiks, Kämpfe und Bewegungen Instanzen der Selbstorganisation und der breitestmöglichen Demokratie der Kämpfenden zu entwickeln, wie beispielsweise Streikversammlungen, imperative Mandate und die jederzeitige Abwählbarkeit von Vertreter:innen. Wir wollen schon heute durch ein Bewusstsein erzeugen, dass Leute zu dem Schluss kommen: “Die Bosse und die Herrschenden brauchen wir nicht, wir nehmen die Wirtschaft selbst in die Hand und wollen den Staat stürzen.”

12. Dies kann nur der erste Schritt hin zum Aufbau einer unabhängigen revolutionären Partei der Arbeiter:innenklasse sein. Denn mit dem Bruch mit der Linkspartei fängt unsere Aufgabe erst an: eine Organisation aufzubauen, die die fortschrittlichsten Teile der Arbeiter:innenklasse, der Jugend, der Frauen und LGBTQIA+, der Migrant:innen im Kampf für den Sturz des Kapitalismus und für die sozialistische Revolution anführen kann. Zu diesem Zweck haben wir bei dieser Konferenz begonnen, Debatten über strategische Lehren aus dem Scheitern der Linkspartei und über die Strategie für die Revolution zu führen. Diese Debatten wollen wir fortführen:

a. Als Alternative zur Anpassung an den Reformismus hat sich vor über zehn Jahren in Frankreich die Neue Antikapitalistische Partei gebildet, als Prototyp einer „breiten antikapitalistischen Partei“, die alle Strömungen links vom Reformismus, die sich als antikapitalistisch verstanden, sammeln wollte. Im Dezember 2022 hat sich die NPA infolge der Anpassung der Leitungsmehrheit an den Reformismus/Linkspopulismus gespalten. So hat sich gezeigt, dass die „breite antikapitalistische Partei“ ohne klare strategische Abgrenzung und ohne strategisches Zentrum im Klassenkampf problematisch ist. Für den Aufbau einer revolutionären Organisation ist es wichtig, daraus die korrekten Lehren zu ziehen. Das wollen wir in weiteren Diskussionen vertiefen.

b. Die Anwesenden sind sich einig, dass eine gemeinsame Intervention auf der Grundlage der in dieser Erklärung vorgelegten Eckpunkte in kommende Kämpfe möglich und nötig ist. Wir wollen:

  • in die kommende Tarifrunde des öffentlichen Dienstes (TVöD) mit einem Programm intervenieren, das die Forderung nach einem realen Inflationsausgleich erhebt und mit einem weitergehenden Programm gegen Krise, Krieg und Klimakatastrophe verbindet; die ver.di Kampagne um die TVöD-Runde mitaufbauen, gemeinsam mit der VKG in die Betriebsgruppen intervenieren und auf das Organisieren von politischen Demonstrationen an Streiktagen hinarbeiten, die ein solches Programm erheben:
  • Inflationsausgleich für alle, Anpassung aller Sozialleistungen an die Inflation, Erlass eines Mietenstopps, DWE durchsetzen.
  • Milliarden Investitionen in Gesundheit, Bildung und Klima statt 100 Milliarden in Aufrüstung, Einführung von Vermögenssteuern und Abgaben,
  • Vergesellschaftung der Energieversorgung unter demokratischer Kontrolle der Beschäftigten und der Bevölkerung etc.,
  • Gegen die rassistische Hetze gegen unsere Kolleg:innen mit Flucht und Migrationserfahrungen und für Arbeits-und Studienerlaubnis für alle, Stopp aller Abschiebungen.
  • Solidarität mit Gewerkschaften und Arbeiter:innen anderer Länder, die unter Krise und Krieg leiden. Internationale Solidarität zwischen Arbeiter:innen, die unter gegenseitigen Sanktionen leiden.
  • in allen Kämpfen die Selbstorganisation der Arbeiter:innen unterstützen, wie bspw. aktuell in Kampf der Hebammen in Neuperlach gegen die Schließung ihres Kreißsaals.
  • angefangen mit dem Widerstand in Lützerath, mit einem sozialistischem Programm in die Klimabewegung intervenieren und Initiativen aus der Arbeiter:innenbewegung vorbereiten, um die Arbeiter:innenklasse als politisches Subjekt im Kampf gegen die Klimakatastrophe und eine demokratisch-ökologische Planwirtschaft aufzuzeigen.
  • uns an allen Mobilisierungen gegen den staatlichen Rassismus, Polizeigewalt, Abschiebungen und extremen/faschistischen Rechten beteiligen. An allen Orten besonders gegen die aktuelle rassistische Stigmatisierung von migrantischen Jugendlichen stellen.
  • uns an den Mobilisierungen um den 8.März beteiligen, darauf hinarbeiten, dass bundesweite Streikaktionen unterschiedlicher Bewegungen an diesem Tag mit einem feministischen Programm stattfinden.
  • uns an allen weiteren Mobilisierungen gegen Militarisierung und Krieg beteiligen, mit einer Perspektive der internationalen Solidarität der Arbeiter:innenklasse gegen die Agression der kapitalistischen Regierungen, für die Notwendigkeit des Kampfes der Arbeiter:innenklasse in Deutschland gegen ihre imperialistische Regierung.
  • Uns an Mobilisierungen gegen Kolonialismus zu beteiligen, mit einer bedingungslosen Solidarität mit dem Kampf der kolonisierten Völker wie in Kurdistan und Palästina für ihre Befreiung, die vom deutschen Staat insbesondere bekämpft werden. Wir treten für die Entkriminalisierung ihrer Widerstandsorganisationen und für den Stopp aller deutschen Waffenlieferungen an die Türkei, Israel, sowie anderer Länder ein.
  • angesichts des Verrats der Linkspartei am Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co. enteignen, tausenden Abschiebungen, Ausbau des rassistischen Polizeiapparates, weiterer Kürzungspolitik in Gesundheit und Bildung usw. lehnen wir eine Wahlunterstützung für die Linkspartei bei der Wiederho­lung der Abgeordnetenhauswahl ab. Dagegen betonen wir die Notwendigkeit der revolutionär-sozialistischen Kandidaturen abseits der reformistischen Parteien, organisieren gemeinsam mit allen Interessierten eine Kampagne gegen die erneuten Regierungsbeteiligungen der LINKEN an RRG und setzen uns für erneute Mobilisierungen für die Enteignung der großen Immobilienkonzerne durchführen.

c. Über die konkrete Intervention in Streiks und Kämpfe hinaus wollen wir eine politische Kraft aufbauen, die den Reformismus auf allen Ebenen – auch auf der Ebene der Wahlen – konfrontieren kann. Wir wollen dabei keine prinzipienlose Fusion verschiedener Organisationen mit unterschiedlichen Strategien oder eine breite Sammlung von antikapitalistischen Aktivist:innen ohne strategische Klarheit. Der Weg zu einer größeren programmatischen und strategischen Klarheit besteht darin, in gemeinsamen Kämpfen Positionen auszutesten und Übereinkünften weiterzuentwickeln – aber auch darin, beispielsweise gemeinsame Antritte bei Wahlen mit einem Programm der Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse anzustreben. Deshalb rufen die Unterzeichner:innen alle Organisationen, die dem Inhalt dieser Erklärung zustimmen, dazu auf, Schritte für den Aufbau einer gemeinsamen revolutionären Front zu gehen. Diese Front muss basieren auf gemeinsamen Erfahrungen im Klassenkampf und der politischen Intervention in Streiks, sozialen Kämpfen sowie perspektivisch Wahlen auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene. Mit den Lehren der Erfahrungen von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg sind wir der Meinung, dass ein Bruch der Revolutionär:innen mit den sozialdemokratischen Verwalter:innen des Kapitalismus nicht nur notwendig, sondern unumgänglich ist.




VKG-Konferenz – ein Schritt vorwärts

Stefan Katzer, Infomail 1201, 13. Oktober 2022

Ob Personalmangel, unzählige Überstunden, gescheiterte Transformationsprozesse oder Streichung von Arbeitsplätzen – all das wurde bei der Konferenz der VKG, der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften, am letzten Wochenende, am 8./9. Oktober, diskutiert.

Rund 100 Menschen hatten sich in Frankfurt/Main versammelt, um eine Bilanz der letzten Jahre zu ziehen und diskutieren, wie der Kampf gegen Reallohnabbau und Inflation, gegen Arbeitsplatzvernichtung und Arbeitskräftemangel, gegen Krieg und imperialistische Kriegstreiberei erfolgreich gestaltet werden kann.

Neue Lage

Seit Januar 2020, als die VKG gegründet wurde, hat sich die Welt dramatisch verändert. Die Coronakrise und eine globale Rezession prägten die Zeit nach Gründung der Vernetzung. Auf einer kurzen Zwischenerholung folgten in diesem Jahr der Ukrainekrieg, Preissteigerungen und wird bald die nächste Rezession eintreten.

Die Angriffe auf die Lohnabhängigen werden heftiger. Während die Unternehmen alles daran setzen, die steigenden Preise weiterzugeben, klettert die Inflationsrate in Deutschland auf mittlerweile 10 %. Gleichzeitig möchte die Bundesregierung beim Kampf um die Neuaufteilung der Welt nicht zu kurz kommen und steckt mal eben 100 Milliarden Euro zusätzlich ins Militär, während für die Bereiche Gesundheit, Bildung und Klima angeblich kein Geld da ist. Was die „Zeitenwende“ konkret bedeutet, von der Olaf Scholz kurz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine gesprochen hat, wird somit immer deutlicher. Wir befinden uns am Anfang einer neuen Periode, die u. a.. durch weitere Blockbildung zwischen den konkurrierenden imperialistischen Mächten und Militarisierung einerseits, schwere Angriffe auf die Lebensbedingungen der Arbeiter:innen und Unterdrückten andererseits geprägt ist.

Angesichts dieser Entwicklungen sind eine Neuausrichtung der Gewerkschaftspolitik und eine Wiederbelebung des Klassenkampfes von unten dringend notwendig. Dem steht die Bürokratie innerhalb der Gewerkschaften weiterhin im Weg. Statt konsequent die volle Kampfkraft der Millionen Mitglieder für einen gemeinsamen Kampf gegen Krise und Inflation zu mobilisieren, beteiligt sich der DGB nur halbherzig an Mobilisierungen gegen die Abwälzung der Krisenkosten auf den Rücken der Lohnabhängigen und sitzt stattdessen weiterhin in der „konzertierten Aktion“ mit der Bundesregierung.

Wer daher an einer klassenkämpferischen Neuausrichtung der Gewerkschaften interessiert ist, muss einen konsequenten politischen Kampf gegen die Gewerkschaftsbürokratie und ihr Programm der Sozialpartnerschaft innerhalb der Gewerkschaften führen.

Kein Wunder also, dass die Beiträge, Themen und Debatten bei der Konferenz am 8. und 9. Oktober darum kreisten, wie eine solche Alternative aufzubauen sei. Wie begreift die VKG eigentlich die Bürokratie und den Apparat? Geht es darum, den Apparat zu erobern oder das System der Bürokratie selbst in Frage zu stellen? Geht es vor allem darum, zu betrieblichen und gewerkschaftlichen Fragen zu mobilisieren, oder um einen politischen Kampf gegen die Krise und die damit verbundenen Fragen des Krieges und der drohenden ökologischen Katastrophe? Geht es darum, eine Vernetzung oder eine organisierte Opposition aufzubauen?

Bilanz

Selbstkritisch wurde dabei festgestellt, dass es der VKG in den letzten beiden Jahren nicht gelungen ist zu wachsen und größere Bekanntheit unter Gewerkschaftsmitgliedern zu erlangen. Um dies zu ändern, ist es notwendig, in den kommenden Tarifauseinandersetzungen deutlicher aufzutreten, um für die Kolleg:innen auf der Straße und im Betrieb sichtbar zu sein.

Es geht darum, eine wahrnehmbare Alternative zur Gewerkschaftsführung aufzubauen und einen klassenkämpferischen Pol innerhalb der Gewerkschaften zu formieren. So gesehen, muss die VKG über sich selbst hinauswachsen und zu mehr werden als eine bloße „Vernetzung“. Sie muss den Kampf gegen die Bürokratie innerhalb der Gewerkschaften anführen und diesen unter einem gemeinsamen Banner und Aktionsprogramm vereinheitlichen.

Kommende Tarifauseinandersetzungen

Um die kommenden Tarifauseinandersetzungen in der Metall- und Elektroindustrie sowie im öffentlichen Dienst im Interesse der Kolleg:innen zu gestalten und zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen, ist es zwingend erforderlich, den eingeschlagen antibürokratischen Kurs beizubehalten, ja zu verschärfen und unter den Kolleg:innen demokratische Kampfformen zu propagieren.

Zwar sieht sich die Gewerkschaftsführung mittlerweile offenbar gezwungen, Lohnforderungen im zweistelligen Bereich aufzustellen (10,5 % beträgt die Forderung für den öffentlichen Dienst). Die Frage ist nur: Wer von den Kolleg:innen glaubt wirklich, dass die Spitze die ganze Kampfkraft der Mitglieder zur vollen Umsetzung dieser Forderung (bei einer maximalen Laufzeit von einem Jahr) mobilisieren wird? Richtig: niemand! Es ist somit bereits jetzt absehbar, dass die Kolleg:innen im öffentlichen Dienst mit herben Reallohnverlusten rechnen müssen, sofern sie es der Gewerkschaftsführung erlauben, ihr übliches Tarifrundenritual durchzuziehen und sich am Ende entweder mit einer längeren Laufzeit oder deutlich niedrigeren Lohnerhöhung zufriedenzugeben. Am Ende sind es die Kolleg:innen, die mit dem Ergebnis leben müssen, während die Funktionär:innen in den Gewerkschaften mit ihren überdurchschnittlichen Gehältern sich weniger Gedanken über die Preisexplosionen machen müssen.

Für die VKG ist deshalb klar: Um einen möglichen Ausverkauf oder faule Kompromisse zu verhindern, müssen wir für die volle Kontrolle der Basis über die Kämpfe eintreten. Die Beschäftigen müssen selbst entscheiden können, wie, wofür und wie lange sie kämpfen möchten, um ihre Interessen durchzusetzen. Denn diese decken sich keineswegs mit jenen der Gewerkschaftsbürokratie. Das bürokratische System muss daher selbst in Frage gestellt werden und durch ein System direkter Verantwortlichkeit, d. h. durch jederzeit wähl- und abwählbare Vertreter:innen der Basis ersetzt werden, die nicht mehr als einen durchschnittlichen Lohn erhalten und gegenüber der Basis rechenschaftspflichtig sind.

Ansätze, wie sich eine solche demokratische Kontrolle der Kämpfe durch die Beschäftigten verwirklichen lässt, wurden auch auf der VKG-Konferenz diskutiert. Die Auseinandersetzungen im Gesundheitsbereich und insbesondere die Kämpfe um einen Tarifvertrag Entlastung in Berlin und NRW wurden hierbei ausführlicher behandelt. Insbesondere das System der Teamdelegierten, das sich während der Streiks in den Berliner Krankenhäusern herausgebildet hat, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wichtig ist hierbei allerdings, dass es den Kolleg:innen gelingt, tatsächlich die Kontrolle über die Auseinandersetzungen auszuüben. Hierfür ist es notwendig, Streikausschüsse zu bilden, die dies leisten können. Die Erfahrungen in den Auseinandersetzungen im Gesundheitsbereich in Berlin und NRW haben zugleich deutlich gemacht, dass insbesondere die jederzeitige Wähl- und Abwählbarkeit der Delegierten zentral ist, um die Kontrolle der Kämpfe durch die Beschäftigten zu sichern. Dort wurde es zum Teil zu einem Problem, dass vor dem Streik gewählte Kolleg:innen während des Streiks passiv wurden und sich nicht weiter daran beteiligten. Um dies zu verhindern, muss es möglich sein, Delegierte jederzeit wieder abzuwählen.

Für die Gewerkschaftsmitglieder ist es extrem wichtig, aus den Fehlern, die begangen wurden, zu lernen, um diese in kommenden Auseinandersetzungen nicht zu wiederholen. So wurde etwa in Berlin die Spaltung der Belegschaft in jene, die direkt beim Mutterkonzern Vivantes angestellt sind, und in jene, die bereits zuvor in Tochterunternehmen ausgegliedert wurden, zu einem Problem, das man schon vorher hätte diskutieren können und müssen. Als die Verhandlungsführer:innen von ver.di für die Angestellten des Mutterkonzerns voreilig einen Abschluss erzielten, standen die ausgegliederten Kolleg:innen im Regen.

Um es Kolleg:innen aus anderen Krankenhäusern, aber auch Branchen zu ermöglichen, aus diesen Erfahrungen zu lernen, sollte die VKG Veranstaltungen organisieren bzw. unterstützen, auf denen von diesen berichtet und in einen direkten Austausch getreten werden kann. Darüber hinaus ist es sinnvoll, eine Konferenz speziell für die Kolleg:innen aus dem Gesundheitsbereich zu organisieren und dort eine bundesweite Kampagne für den Kampf um Entlastung anzustoßen. Denn die besprochenen Kämpfe verdeutlichen erneut die Notwendigkeit eines organisierten, bundesweiten Kampfes gegen die Profitlogik im Gesundheitsbereich und deren konkrete Ausgestaltungen (DRGs/ Fallpauschalen). Ein Kampf für eine bedarfsgerechte Finanzierung kann nicht von einzelnen Krankenhäusern geführt werden, sondern muss durch eine übergreifende Kampagne ergänzt werden und die Vereinheitlichung der Kämpfe (auch der Tarifauseinandersetzungen) zum Ziel haben.

Für einen heißen Herbst!

Um dies in Angriff zu nehmen, ist es notwendig, die klassenkämpferische Oppositionsarbeit nicht allein auf die Arbeit im Betrieb zu beschränken. Zwar ist der dort rund um ökonomische und Forderungen nach Verbesserung der Arbeitsbedingungen unerlässlich. Er ist jedoch keinesfalls ausreichend.

Darüber hinaus müssen die gewerkschaftlichen Kämpfe auch als politische geführt werden, d. h. die Gewerkschaften müssen sich aktiv an solchen beteiligen. Insbesondere in den aufkommenden Bewegungen und Bündnissen gegen die Inflation und Abwälzung der Kriegs- und Krisenkosten auf die Lohnabhängigen muss die VKG dies akut leisten. Diese stehen derzeit im Zentrum der Auseinandersetzungen. Gleichzeitig muss der Druck auf die Gewerkschaftsführung erhöht werden, ihrerseits aktiv zu werden und die Mitglieder zu mobilisieren. Es kann nicht sein, dass sich nur einzelne Mitgliedsgewerkschaften des DGB (GEW und ver.di) in die Kämpfe gegen die Inflation einbringen. Vielmehr muss der gesamte DGB zum Handeln aufgefordert werden.

Die VKG sollte Kolleg:innen dabei unterstützen, Druck auf die Gewerkschaftsführung aufzubauen, indem sie diesen etwa Musteranträge zur Verfügung stellt, in welchen eine Beteiligung der Gewerkschaften an Bündnissen und Mobilisierungen eingefordert wird. Wo immer möglich, sollte sich die VKG zudem selbst am Aufbau von Bündnissen gegen Krise und Inflation beteiligen. Nur, wenn wir selbst gegen die Krisenpolitik der Bundesregierung auf die Straße gehen und dabei auch ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine, der Sanktionen fordern, die v. a. die lohnabhängige Bevölkerung treffen und den Krieg nicht beenden, können wir verhindern, dass die Rechten den Unmut für ihre nationalistische und rassistische Politik kanalisieren. Dass dies eine reale Gefahr darstellt, wurde am gleichen Wochenende, als die VKG in Frankfurt tagte, in Berlin deutlich. Dort gelang es der AfD, 10.000 Menschen für ihre reaktionäre und nationalistische Politik zu mobilisieren.

Unserer Meinung nach muss die VKG zu mehr, als ihr Name vermuten lässt, werden. Reine Vernetzung reicht nicht, denn der Kampf gegen die Sozialpartner:innenschaft und jene, die sie umsetzen, ist ein politischer. Um diesen erfolgreich zu führen, braucht es eine organisierte Opposition, die für eine klassenkämpferische Politik und den Bruch mit der Bürokratie kämpft!

Der Kampf gegen Inflation erfordert eine solche Ausrichtung geradezu – und sollte als Basis genutzt werden, eine breite Kampagne anzustoßen, Beschäftigte in die Aktivität zu bringen – nicht nur in ihrem Betrieb, sondern auch als aktive Opposition. Für eine Politik, die die Kämpfe aus unterschiedlichen Bereichen zusammenbringt, beispielsweise durch die Forderung der automatischen Anpassungen aller Löhne und Sozialleistungen an die Inflation! Für eine Politik, die klarmacht, dass keiner der kommenden Tarifverträge mit einem Reallohnverlust abgeschlossen werden darf!

Die VKG kann ein sichtbarer, aktiver Pol in den kommenden Auseinandersetzungen werden. Deswegen wollen wir bei den Mobilisierungen wie am 22. Oktober, wo ver.di und andere DGB-Gewerkschaften in 6 Städten mobilisieren, gemeinsam mit anderen klassenkämpferischen Kräften präsent sein und unsere Forderungen aktiv hereintragen. Das kann aber nicht alles sein: Wir müssen aktiv in Gewerkschaftsstrukturen intervenieren, unsere Forderungen verbreiten und das Gespräch mit Kolleg:innen suchen. Denn die  Preissteigerungen und Arbeitsplatzverluste werden wir nicht wegdemonstrieren können. Dazu brauchen wir politische Streiks und Besetzungen – und eine VKG, die gemeinsam mit anderen in den Gewerkschaften eine solche Politik durchzusetzen versucht.

Link: Abschlusserklärung der Konferenz: Nein zu Preisexplosion und Lohnverlusten: Die Gewerkschaften müssen die Gegenwehr organisieren!




Nein zu Preisexplosion und Lohnverlusten: Die Gewerkschaften müssen die Gegenwehr organisieren!

Konferenz der VKG am 9. Oktober 2022 (ursprünglich veröffentlicht auf vernetzung.org), Infomail 1201, 13. Oktober 2022

Die Inflation hat nicht gekannte Ausmaße erreicht. Die ersten Immobilienkonzerne haben die Warmmieten erhöht. 16 % der Bevölkerung verzichten bereits auf eine Mahlzeit am Tag. Viele Konzerne machen weiter Rekordprofite, deren Bosse kassieren Millionen. Die Masse der Lohnabhängigen wird zum Verzicht aufgefordert, dafür wird sogar das Märchen von der Lohn-Preis-Spirale ausgepackt. Aber selten war so klar wie heute, dass es politische Entscheidungen, Aufrüstung, Krieg und die Zuspitzung zwischen den Großmächten sind, die die Krise befeuern.

Wir fordern die Gewerkschaftsvorstände auf, jetzt in den Betrieben und auf der Straße zu mobilisieren, um eine breite Bewegung aufzubauen. Die Beteiligung an der konzertierten Aktion mit Regierung und Unternehmern muss beendet werden.

Di anstehenden Tarifrunden in der Metall- und Elektroindustrie sowie später in Bund und Kommunen bieten die Möglichkeit, gegen die drohenden Reallohnverluste zu kämpfen. Die Frage des Kampfes gegen die Teuerung dürfen w nicht den Rechten überlassen.

Metall

Wir fordern die führenden Gremien der IG Metall auf, für die volle Durchsetzung ihrer Forderungen zu mobilisieren und dafür eine Urabstimmung und Vollstreik vorzubereiten. Die üblichen Rituale werden dafür nicht reichen! Es darf keine Kompensation durch eine steuerfreie Abschlagzahlung und angesichts der unsicheren Lage keine Laufzeit über 12 Monaten geben!

Öffentlicher Dienst

Wir fordern die führenden Gremien von ver.di auf, die Beschlüsse in der Mitgliedschaft aufzugreifen: hier wurden auf mehreren Versammlungen Forderungen zwischen 400 und sogar 600 Euro monatliche Festgelderhöhung beschlossen, sowie Prozentforderungen zwischen 13 und 19 Prozent. Wichtiges Anliegen ist zudem eine maximale Laufzeit von 12 Monaten. Viele Kolleg*innen sind bereit, dafür auch in einen unbefristeten Streik zu treten.

Nachschlagforderungen

Wo Tarifverträge noch lange laufen, müssen jetzt Nachschläge gefordert werden.

Alle gemeinsam für die Verteidigung der Reallöhne!

In allen Betrieben sollten jetzt Versammlungen stattfinden, und für gemeinsame Proteste und eine bundesweite Demonstration mobilisiert werden. Tarifrunden sollten koordiniert werden, so dass gemeinsame Streikdemonstrationen stattfinden können. Eine solche Bewegung, hin zu gemeinsamen Streiks, ist nötig.

Diese Bewegung kann und soll auch alle einbeziehen, die nicht tariflich bezahlt werden, ebenso Rentner*innen und Beschäftigungslose. Die Preisexplosionen treffen sie oft mit besonderer Härte!

Zentrale Forderungen für eine gewerkschaftliche Kampagne sollten sein:

– Staatliche Preiskontrollen und -obergrenzen für Energie, Lebensmittel und Mieten!

– Gleitende Lohnskala: automatische Anpassung der Löhne, Renten und Sozialleistungen an die Inflation!

– In den Tarifrunden: Reallohnsteigerung bei Tarifabschlüssen durchsetzen! Keine Kompensation von nötigen Tabellenerhöhungen durch Einmalzahlungen u.a.! Tariflaufzeiten maximal 12 Monate!

– Nachschlagforderungen, wo lange Laufzeiten gelten!

– 100 Milliarden für Gesundheit, Soziales, Bildung und Klima statt für Rüstung!

– Reiche sollen zahlen: Steuern auf Profite und Vermögen!

– Statt rassistischer Lohndrückerei und prekärer Arbeit – gleiche Löhne und das Recht zu Arbeiten auch für Geflüchtete und MigrantInnen!

Wir setzen uns in den Gewerkschaften für ein Aktionsprogramm ein:

– Versammlungen in Betrieben und Gewerkschaften mit verbindlichen Entscheidungen auf allen Ebenen und Aktivenkonferenzen

– Mobilisierungsmaterial bereitstellen: Flugblätter, Plakate

– Zusammenarbeit mit sozialen Bewegungen

– Wöchentliche lokale Proteste, zu der Kolleg*innen in den Betrieben mobilisiert werden

– Bundesweite Großdemonstration als Schritt hin zu weiteren Mobilisierungen bis hin zu Arbeitsniederlegungen

– In den Tarifrunden: Urabstimmungen und Erzwingungsstreiks ernsthaft vorbereiten

– Gemeinsam kämpfen: Koordinierung von Protesten, Warnstreiks und Streiks

Die Unterzeichnenden rufen dazu auf, mit uns gemeinsam für diese Punkte in ihren Betrieben und Gewerkschaften aktiv zu werden. Wir werden uns weiter koordinieren, um den Druck aufzubauen, damit eine solche gewerkschaftliche Kampagne umgesetzt wird.

Alle Kolleginnen und Kollegen können selbst die Initiative ergreifen:

  • Bringt diese Forderungen in Gewerkschaftsgremien oder auf Betriebsversammlungen ein
  • Sucht dafür Kolleginnen und Kollegen, geht mit ihnen zu den Betriebsräten, zur Gewerkschaft und zu örtlichen Protestaktionen
  • Nehmt Kontakt mit uns auf, berichtet von euren Aktivitäten und nutzt gerne unser Material!
  • Bildet lokale oder betriebliche Gruppen der VKG und geht als gemeinsamer Block auf die Demos und Aktionen!

Nur wenn die Gewerkschaften wieder in Bewegung kommen, nur wenn sie unter die Kontrolle der Mitglieder kommen, können die Gewerkschaften auch wieder stark werden!

Diese Erklärung wurde auf der Konferenz der VKG am 9. Oktober 2022 einstimmig bei einer Enthaltung angenommen.

Erklärung zum Herunterladen:

https:/vernetzung.org/wp-content/uploads/2022/10/Erklaerung-VKG-Preisexplosion-Lohnverluste.pdf




VKG-Konferenz: Fünf Punkte für ihren Aufbau

Gruppe Arbeiter:innenmacht, Neue Internationale 268, Oktober 2022

Die Preise klettern wie wild in die Höhe – doch es passiert wenig dagegen. Anstatt flächendeckende Proteste gegen die Preistreiberei der Konzerne und die heftige Inflation zu organisieren, sitzen die Topbürokrat:innen des DGB in der „Konzertierten Aktion“ mit Kapital und Regierung an einem Tisch, betteln um Erleichterung aus Steuermitteln und passen zugleich auf, dass die Lohnforderungen in Tarifrunden nicht zu hoch sind und der Kampf für die Forderungen nicht effektiv geführt wird. Die IG Metall hat nur zugeschaut, als die Schließung von Großbetrieben wie Ford Saarlouis oder der Röhrenwerke von Vallourec (ehem Mannesmann) angekündigt wurde. Ausverkauf statt Widerstand!

Kurzum: Seit Gründung der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) vor bald drei Jahren hat sich die Lage für die Arbeiter:innenklasse verschlechtert. Das Versagen der reformistischen Scheinlösungen und das harte Vorgehen der Bürokrat:innen gegen die Aktivst:innen in der Gewerkschaft führt zu Resignation und kann sogar Kolleg:innen nach rechts treiben. Gleichzeitig schafft die fehlende Initiative der Gewerkschaften hinsichtlich der aktuellen Preissteigerungen sowie Krise und zögerlichen Forderungen bei den Tarifrunden eine Lücke. Es ist Aufgabe der VKG, diese mit konkreten politischen Vorschlägen zu füllen!

Die aktuelle Lage bringt auch mehrere Möglichkeiten mit sich: Zum einen kann sie genutzt werden, bundesweit eine einheitliche Kampagne zu fahren, Kontakte zu knüpfen und zu wachsen. Zum anderen bietet sie Möglichkeiten für Auseinandersetzungen mit dem Gewerkschaftsapparat.

Dabei glauben wir, dass nicht nur die Dringlichkeit der Lage uns zum Handeln zwingt. Vielmehr werden die kommenden Monate entscheidend sein für zukünftige Relevanz und Existenz der VKG an sich.

Was konkret braucht es also, damit die VKG ihre Stagnation überwinden und zu einem sichtbaren klassenkämpferischen Pol in den Gewerkschaften werden kann?

1. Gemeinsame politische Forderungen und Intervention in die Tarifrunden

Für den Aufbau der VKG sollten wir uns zu möglichst vielen Tarifrunden positionieren, aber mit knappen, grundsätzlichen gemeinsamen Forderungen, die die Macht der Bürokratie infrage stellen. Mit diesen Forderungen sollten wir auf Streiks anwesend sein und uns auf die Suche nach den kämpferischen Kolleg:innen begeben, die mit der Bürokratie in Konflikt geraten, und ihnen anbieten, auf einer Streikversammlung die VKG vorzustellen.

2. Material, das Mehrwert erzeugt

Neben den bereits veröffentlichten Artikeln zur Inflation und diversen Stellungnahmen gilt es, Material zu erstellen, das von Kolleg:innen direkt genutzt werden kann. Wir müssen Musteranträge zur Verfügung stellen, die sich beispielsweise mit der Enough-is-Enough-Kampagne solidarisieren oder die die verbindliche Teilnahme sowie Mobilisierung an Demonstrationen und Bündnissen einfordern. Zur Unterstützung in der Diskussion mit der Bürokratie bieten sich Argumentationshilfen an, die aufzeigen, wie man nicht nur einzelne Gliederungen, sondern Gesamtstrukturen für Aktivitäten gewinnen kann.

Um Letzteres zu verstärken, müssen wir als VKG einen offenen Brief verfassen, der Aktivitäten wie Massendemonstrationen gegen die Preissteigerungen einfordert und Tarifabschlüsse über der Inflationsrate.

3. Interventionen in die Gewerkschaftsstrukturen

Eigene Veranstaltungen als VKG machen Sinn nach größeren Demonstrationen oder Streiks, wo interveniert wurde. Zentraler ist jedoch, in die Offensive zu gehen: Wir sollten das Angebot machen, als VKG Veranstaltungen bei Gliederungen zum Thema der Inflation und Kampf dagegen abzuhalten sowie zu Gewerkschaftstreffen zu gehen und dort das unter 2. erwähnte Material zu präsentieren und kommende Aktionen vorzustellen.

4. Präsenz in politischen Bündnissen

Positive Beispiele dafür sind in Berlin der klassenkämpferische Erste Mai gewesen sowie aktuell die Intervention in „Brot, Heizung, Frieden“. Alle beteiligten Organisationen sollten dafür einstehen, dass die VKG bei den Bündnissen, an denen sie sich beteiligt, Redemöglichkeiten bekommt. Dahinter steckt aber noch mehr: Die Beteiligung als VKG bei politischen Protesten greift die aktuelle Schwäche der Gewerkschaftsführung auf und zeigt, dass es praktisch anders gehen kann.

5. Klarheit der Gruppen

Aktuell ist die VKG nicht viel mehr als die Summe der beteiligten Gruppen. Streng genommen ist sie nicht mal das, da nicht alle gleichmäßig Ressourcen reinstecken. Auch wenn es nie der Fall sein wird, dass sich alle paritätisch gemessen an der Größe der eigenen Organisation beteiligen, braucht es klarere Vereinbarungen. Ziel sollte es sein, bei den kommenden Protesten Blöcke als VKG zu organisieren, statt als individuelle Gruppen verteilt herumzuspringen. Klar, eigenes Material und Fahnen sollte jede/r mitbringen. Hat die VKG aber keine reale Präsenz, wird sie es schwer schaffen, nur durch das Posten von Stellungnahmen Menschen anzuziehen.

Im Fokus: Kampf gegen die Bürokratie

Wir glauben, dass diese Schritte helfen, die Bekanntheit der VKG zu steigern. Darüber hinaus denken wir jedoch, dass Kernaufgabe der Kampf gegen die Gewerkschaftsführungen ist. Das passiert unserer Meinung nicht nur dadurch, dass man Linke in Gewerkschaftsfunktionen wählt, da diese Posten Ausdruck eines materiellen Interesses sind – dem zwischen dem „guten“ Standort des deutschen Imperialismus und dem berechtigten Interesse der Kolleg:innen.

Auch einfach nur mehr neue Mitglieder zu gewinnen oder selbst Arbeitskämpfe in den schlecht organisierten Bereichen zu führen, ist keine alleinige Perspektive. Die Schwäche in der Organisierung dieser Bereiche kann wesentlich einfacher aufgehoben werden, wenn man das Problem an der Wurzel anpackt: bei der Bürokratie, die diese Kämpfe oftmals blockiert oder mangelndes Interesse hegt, diese überhaupt zu führen.

Auch das Mittel der Veröffentlichung von Protest ist zwar sinnvoll, aber nicht ausreichend. Denn Empörung alleine zeigt keinen Weg zur Veränderung auf.

Vielmehr müssen wir unsere Ansätze damit verbinden, eine klassenkämpferische Basisopposition zum Apparat aufzubauen. Konkret bedeutet, das Kolleg:innen für die Idee zu gewinnen, nicht nur zu streiken, sondern selbst das Ruder in die Hand zu nehmen: abzustimmen, wofür, wann und wie lange gestreikt werden, an welchen Mobilisierungen teilgenommen werden soll etc.

Statt Gewerkschaftssekretär:innen, die in den Mühlen des Apparat untergehen und sich verselbstständigen, braucht es Gremien, die rechenschaftspflichtig sind, jederzeit wähl- und abwählbar und deren Mitglieder nicht mehr verdienen als das durchschnittliche Arbeiter:innengehalt. Schließlich kritisieren wir nicht nur die Arbeit der Bürokratie, wir wollen sie abschaffen! Längerfristig führt dieses Modell aber dazu, dass man nicht nur in Tarifauseinandersetzungen, sonder auch politischen Kämpfen besser agieren kann – was ein Ziel aller ernsthaften Unterstützer:innen der VKG sein sollte.




Für einen heißen Herbst – Konferenz im Oktober

Pressemitteilung VKG, Infomail 1199, 18. September 2022

Die „Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften“ (VKG) bewertet das dritte Entlastungspaket der Bundesregierung als Blendwerk. „Diese Regierung ist nicht gewillt und nicht in der Lage, die Masse der Beschäftigten, Erwerbslosen, Rentner*innen und Jugendlichen vor den Auswirkungen der Preisexplosion und der allgemeinen Krise zu schützen, weil sie nicht an die Vermögen der Superreichen und an die Gewinne der Konzerne ran gehen will“, erklärte Angelika Teweleit, eine der Sprecherinnen der Vernetzung bei der Protestkundgebung „Protestieren statt Frieren“ in Berlin. „Mit der Zahl 65 Milliarden Euro will Olaf Scholz beeindrucken. In Wirklichkeit wird es in keiner Weise die immensen Belastungen für die Masse von Lohnabhängigen kompensieren. Es ist allenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein. Dazu kommt, dass die Gasumlage ein heftiger Angriff auf die einfachen Leute ist. Sie sollen die Zeche für die kapitalistische Krise und die falsche Sanktionspolitik zahlen, damit sich die Gas- und Energiekonzerne die Taschen noch voller stopfen können“, sagt Christa Hourani vom VKG-Sprecherrat.

Nach Ansicht der VKG müssten die DGB-Gewerkschaften jetzt ihre fast sechs Millionen Mitglieder für Proteste mobilisieren und einen heißen Herbst organisieren. „Wir fragen uns, wie die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi jetzt davon sprechen kann, dass dieses Entlastungspaket geeignet oder sogar beeindruckend sei. Immerhin erklärt die DGB-Gewerkschaft ver.di, dass dieses Paket die Belastungen nicht ausgleichen wird. Allerdings sollte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke jetzt seiner Ankündigung, zu Demonstrationen aufzurufen, auch Taten folgen lassen. „Mit einer solchen Mobilisierung durch die Gewerkschaften könnte man auch den Rechtspopulisten am besten den Boden entziehen, die sonst versuchen, sich als Interessenvertretung der kleinen Leute aufzuspielen, was sie natürlich nicht sind – im Gegenteil,“ so Teweleit.

Christa Hourani betont: „Auch die anstehenden Tarifrunden müssen genutzt werden, um die Menschen jetzt gemeinsam auf die Straße zu bringen. Es braucht eine klare Antwort auf die Provokationen des Präsidenten des größten Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall Stefan Wolf, der mitten in dieser Rekordinflation eine Nullrunde für die Beschäftigten fordert. Gleichzeitig haben große Metallkonzerne ein weiteres Jahr riesige Profite eingefahren. Ein weiterer Reallohnverlust ist nicht zu akzeptieren. Die IG Metall muss jetzt schon Vorbereitungen für einen Vollstreik treffen.“

Die GewerkschafterInnen laden Aktive aus den Betrieben und Gewerkschaften zu einer Konferenz der VKG am 08./09. Oktober in Frankfurt am Main ein. Hier soll diskutiert werden, welche Schritte gegangen werden können, um Gegenwehr zu organisieren. Auf der Konferenz sprechen verschiedene Gewerkschaftsaktive: Jana Kamischke erzählt von den Erfahrungen des Hafenarbeiterstreiks, Alexandra Willer und Anne Pötzsch werten ihre Erfahrungen mit den Krankenhausstreiks aus.




Auf die Straße gegen Gasumlage und Inflation! DGB und Einzelgewerkschaften müssen jetzt handeln

Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften, 20. August 2022, Infomail 1197, 30. August 2022

Die kürzlich beschlossene Gasumlage ist ein weiterer Beweis dafür, dass die SPD-geführte Ampelregierung in dieser Krise neuen Ausmaßes keine Politik für die arbeitende Bevölkerung macht, sondern für die Konzerne und Banken. Denn über diese Umlage werden die arbeitenden Menschen, die ohnehin schon unter den explodierenden Energiepreisen und der galoppierenden Inflation leiden, erneut mit hunderten Euro belastet. Gerettet werden sollen darüber Energiekonzerne wie Uniper, die sich in den letzten Jahren über riesige Profite freuen durften. Auch die eilig hinterher geschobene Mehrwertsteuersenkung ändert nichts daran, dass Lohnabhängige, Studierende, Rentner*innen, Erwerbslose massiv durch Preissteigerungen getroffen werden, die sie nicht zu verantworten haben. Viele werden diese schlicht nicht bezahlen können.

Energieknappheit und Preisexplosionen sind Folgen der kapitalistischen Krisenentwicklung. Verstärkt werden sie durch die Sanktionspolitik gegen Russland, die den Krieg nicht stoppt, dafür aber die arbeitende Bevölkerung hier, in Russland und international massiv trifft. Die einzig sinnvolle Maßnahme der Regierung, nämlich die Einführung des 9€-Tickets, wird nicht fortgesetzt und nun drohen auch hier deutliche Fahrpreiserhöhungen. Die Bundesregierung hat Anfang des Jahres außerdem beschlossen, 100 Milliarden Euro in Rüstung zu investieren, während Krankenhäuser, Schulen, Kitas und viele andere wichtige Bereiche marode sind. Für die dringend nötigen Investitionen, sowie Geld für mehr Personal und bessere Bezahlung ist dann angeblich kein Geld da. Widerstand ist jetzt das Gebot der Stunde. Die VKG ruft alle Kolleg*innen dazu auf, sich mit uns gemeinsam dafür stark zu machen, dass der DGB und die Einzelgewerkschaften jetzt handeln, um Proteste, Kundgebungen und Demonstrationen zu organisieren. Außerdem müssen die Tarifrunden genutzt werden, um Reallohnsteigerungen durchzusetzen. Wir schlagen vor, dass die Gewerkschaften mit folgenden Forderungen gegen die Preissteigerungen mobil machen sollen:

  • Löhne, Renten, Sozialleistungen rauf! Automatische Anpassung an die Inflationsrate!
  • Reallohnsteigerung bei Tarifabschlüssen durchsetzen – Tariflaufzeiten maximal 12 Monate
  • Bezahlbare, staatliche Obergrenzen für Lebensmittel- und Energiepreise sowie Mieten! Überführung der großen Energie- und Immobilienkonzerne in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle!
  • Sofortiger Mietenstopp! Verbot von Strom- und Gassperren! Keine Zwangsräumungen!
  • Statt 100 Milliarden für Rüstung – Milliarden für den Ausbau erneuerbarer Energien, für mehr Personal in den Krankenhäusern, für Sanierung von Schulen und Kindergärten etc.
  • 9-Euro-Ticket beibehalten! Investitionen und mehr Personal in den öffentlichen Verkehr!
  • Wiedererhebung der Vermögenssteuer! Höhere Steuern auf Unternehmensprofite! Einmalige Abgabe von 30 Prozent auf das Geldvermögen von Millionär*innen und Milliardär*innen!

Die VKG organisiert am 8. und 9. Oktober eine Konferenz, auf der sie diskutieren möchte, wie  eine gewerkschaftliche Kampagne gegen Preissteigerungen und Reallohnverluste aussehen könnte und dafür Druck von unten aufgebaut werden kann.

Flyer zum Herunterladen:

https://vernetzung.org/wp-content/uploads/2022/08/Auf-die-Strasse-gegen-Gasumlage-und-Inflation.pdf



Strategiekonferenz klassenkämpferischer GewerkschafterInnen: Aufgaben und Ziele

Frederik Haber, Neue Internationale 243, Dezember 2019/Januar 2020

Die Gewerkschaften in Deutschland haben angesichts von
Neoliberalismus und Globalisierung und den damit verbundenen Angriffen des
Kapitals alle Chancen verpasst, aus der Defensive herauszukommen – und sie
hatten auch keinen Plan dafür.

Das sieht man daran, dass praktisch alle Maßnahmen und
Vereinbarungen, die „das Schlimmste verhindern“ sollten, die nächsten Angriffe
erlaubt und erleichtert oder den Widerstand dagegen erschwert haben.

In den letzten Jahrzehnten führte das zu mehreren politisch
verheerenden Resultaten:

  1. Die Gewerkschaften organisieren einen immer kleiner werdenden Teil der Lohnabhängigen. Sie konzentrieren sich immer mehr auf Organisierte in der Großindustrie oder in schon organisierten Bereichen des öffentlichen Dienstes und des Dienstleistungssektors.
  2. Trotz wichtiger einzelner Gegenspiele wie z. B. im Gesundheitssektor blieben größere Abwehrkämpfe aus. Die Vorherrschaft der Bürokratie, die Dominanz des Apparates und der Betriebsräte der Großbetriebe nahmen eher zu.
  3. Ein monströses System der Klassenzusammenarbeit und die Ideologie der „Sozialpartnerschaft“ bestimmen die Gewerkschaftspolitik und jene der meisten Betriebsräte. Die DGB-Gewerkschaften stellen eine soziale Hauptstütze der Großen Koalition dar – und agieren dementsprechend in allen Politikfeldern.

Die Bürokratie hofft, die nächste kapitalistische Krise
durch noch mehr Zusammenarbeit mit dem Kapital, noch mehr „Partnerschaft“ bei der
Sicherung der Interessen des deutschen Exports und des Großkapitals insgesamt
zu überstehen. Kein Wunder, dass immer größere Teile der ArbeiterInnenklasse
von diesen „Interessenvertretungen“ entfremdet, dass ganze Sektoren der
Ökonomie wenig oder gar nicht organisiert sind.

Die klassenkämpferischen und linken Kräfte in den
Gewerkschaften wurden in den letzten Jahren schwächer, nicht stärker. Dafür
gibt es mehrere Ursachen: Erstens die Niederlagen durch Hartz- und
Agenda-Gesetze sowie die sozialpartnerschaftliche Politik in der Rezession, die
die Bürokratie (v. a. in IG Metall und IG BCE) stärkte. Zweitens die Übernahme
und Zähmung von Ansätzen einer größeren Gewerkschaftslinken durch die
Linkspartei. Drittens die weitgehende Ausblendung des politischen und
ökonomischen Gesamtzusammenhangs aus der Aktivität der gewerkschaftlichen und
betrieblichen Oppositionsansätze.

Gerade die aktuelle Krisenperiode erfordert aber eine
politische, nicht bloß eine gewerkschaftliche Strategie, wenn wir eine
klassenkämpferische Basisbewegung, eine echte Opposition gegen die Bürokratie
bundesweit aufbauen wollen.

Zur Strategiekonferenz in Frankfurt am 25./26. Januar treffen sich all jene, die, wenn auch mit unterschiedlichen politischen Ansätzen und Analysen, erkannt haben, dass es einer Neuformierung der Gewerkschaftslinken bedarf, dass dazu nicht nur praktische, sondern auch strategische und programmatische Fragen diskutiert werden müssen.

Fundamentale Krise

Wir denken, dass es angesichts der fundamentalen Krise der
Gewerkschaften nicht nur darum gehen kann, einzelne Forderungen zu einzelnen
Missständen zu bündeln, sondern dass es um eine zusammenhängende Strategie,
Konzeption und letztlich ein Aktionsprogramm geht mit dem Ziel, eine
klassenkämpferische Basisbewegung, eine organisierte Opposition nicht nur gegen
rechte BürokratInnen, sondern das gesamte System der Bürokratie aufzubauen.

Die (Irre-)Führung der Gewerkschaften hat ihre Ursache in
der politischen Unterordnung unter die Anforderungen der KapitalistInnen und
ihrer Regierung, ja der allgemeinen Fesselung an das kapitalistische System
mitsamt seinen Krisen. Auch wenn GewerkschaftsführerInnen heute nicht mehr so
offen mit ihren SPD-Parteibüchern wedeln, sind sie auf das Engste mit dieser
Partei und ihrer Politik verbunden.

Wie in allen Landesregierungen ordnen sich auch die
Mitglieder der Linkspartei in den Gewerkschaftsapparaten den kapitalistischen
„Sachzwängen“ unter. Erst recht gilt das für gesellschaftliche Fragen und für
die internationale Politik. So treten auch die Gewerkschaften für staatliche
kontrollierte, also beschränkte Migration, für die Abriegelung der
EU-Außergrenzen, für ein, wenn auch „menschlicheres“ Sanktionssystem für
Erwerbslose usw. ein, ohne dass es nennenswerten Widerstand von Seiten der
Linkspartei dagegen gibt.

Das Verhindern und Abwürgen von Kämpfen und Aktionen durch
nicht nachvollziehbare „politische“ Argumente und die Anpassung an die
„weltwirtschaftlichen Gegebenkeiten“ durch die Bürokratie, also die
Unterordnung unter sozialpartnerschaftliche Dogmen, führt dazu, dass etliche
kämpferische KollegInnen dazu neigen, sich auf „reine Interessenvertretung“ zu
konzentrieren. Auch AktivistInnen aus antikapitalistischen Gruppierungen
beschreiten zu oft diesen Weg – auch wenn sie selbst politische Standpunkte zu
Einzelfragen einnehmen mögen. Wir halten das für falsch: Im Gegenteil, die
Kämpferinnen und Kämpfer der Zukunft müssen politisch bewaffnet werden, wenn
sie gegen die Unterordnung der Gewerkschaften unter das Kapital und gegen die
Herrschaft der Bürokratie erfolgreich sein wollen.

Wofür kämpfen?

Weiter oben haben wir schon auf die Rolle der
Gewerkschaftsführungen – und unter ihrer Regie der Gewerkschaften selbst – beim
Krisenmanagement des deutschen Kapitals verwiesen. Um die Gewerkschaften
wiederzubeleben und zu Kampfinstrumenten zu machen, braucht es nicht nur ein
Verständnis der aktuellen Krise des Kapitalismus und der dramatischen Angriffe,
die uns bevorstehen.

Wenn die „Gewerkschaftslinke“ zu einer Alternative zur
Bürokratie werden will, braucht sie auch ein alternatives Aktionsprogramm, ein
Programm des Klassenkampfes, das sie der Sozialpartnerschaft gegenüberstellt.

Die Strategiekonferenz wird sicher noch nicht in der Lage
sein, ein solches Programm zu beschließen – sie sollte aber erstens eine
systematische Diskussion in Gang setzen und bundesweit organisieren. Zweitens
kann und sollte sie sich um zentrale Forderungen verständigen, die sie zu den
wichtigsten gewerkschaftlichen und politischen Fragen erhebt, die in der
nächsten Periode auf uns zukommen werden. Die verschiedenen Arbeitsgruppen
können und sollten dazu konkrete Vorschläge erarbeiten, die in eine
Abschlusserklärung der Konferenz einfließen.

In jedem Fall sollte die Konferenz folgende Fragen
diskutieren:

  • Kampf gegen alle Entlassungen! Für die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich! Für ein Programm gesellschaftlich nützlicher Arbeiten zum Ausbau des öffentlichen Verkehrs, zum Wohnungsbau, im Gesundheits- und Bildungswesen unter Kontrolle der Beschäftigten und der Gewerkschaften!
  • Abschaffung von Hartz IV! Für ein Existenz sicherndes Mindesteinkommen von 1100,- Euro plus Warmmiete und Mindestrenten in dieser Höhe! Für einen Mindestlohn von 12,- Euro netto/Stunde!
  • Für die enge Verbindung mit der Umweltbewegung! Bezahlung des ökologischen Umbaus durch die Besteuerung der Reichen und die Enteignung der gesamten Energiewirtschaft unter Kontrolle der ArbeiterInnenklasse!
  • Organisierung der Unorganisierten! Dies erfordert, einen zentralen Fokus auf die Gewinnung von prekär Beschäftigten zu richten, verbunden mit Kampagnen zur Arbeitszeitverkürzung und zum gesetzlichen Mindestlohn!
  • Faschismus und Rassismus bekämpfen! Offene Grenzen, keine Abschiebungen! Volle StaatsbürgerInnenrechte für alle Geflüchteten und MigrantInnen, Aufnahme der Geflüchteten in die Gewerkschaften!
  • Verbindung der Tarifkämpfe mit den Kämpfen gegen Entlassungen! Abschaffung aller Einschränkungen des Streikrechts, insbesondere politischer Streiks!
  • Internationale Koordinierung der gewerkschaftlichen und sozialen Kämpfe – für eine europaweite Aktionskonferenz gegen die Krise zur Diskussion und Koordinierung des gemeinsamen Abwehrkampfes!

Andere Methoden, um zu kämpfen!

Solche Forderungen müssen von aktiven und oppositionellen
GewerkschafterInnen in Betriebsgruppen, Vertrauensleutekörpern oder auf
Delegiertenkonferenzen eingebracht werden, um die Bürokratie unter Druck zu
setzen und kämpferische Kräfte zu gruppieren.

Um die Allmacht der Apparate zu brechen, braucht es auch
einen systematischen Kampf. Dieser muss mit der Demokratisierung der
Gewerkschaften beginnen. Wir müssen uns vor allem dafür einsetzen, dass die
Mitglieder, ja die Belegschaften allgemein über Forderungen und Kampfmethoden
entscheiden. Nur wenn sie ins Spiel kommen, können Kräfteverhältnisse so geändert
werden, dass andere Entscheidungen möglich werden. Eine Handvoll Leute mit
Resolutionen erreichen das nicht.

Verbunden muss das mit dem Kampf gegen die Einschränkung der
politischen Tätigkeit in den Gewerkschaften selbst werden. Das gegenwärtige
System der „Einheitsgewerkschaft“ DGB kommt einem politischen Maulkorb für jede
oppositionelle, nicht-sozialdemokratische Strömung gleich. Wir treten daher für
das Recht auf Bildung politischer Fraktionen in den Gewerkschaften und
Betrieben ein.

Basisbewegung

Das erfordert, dass programmatische Diskussionen, wie sie
eine zukünftige Gewerkschaftslinke braucht, helfen müssen, die bestehenden
Differenzen demokratisch zu bearbeiten und zugleich neuen AktivistInnen einen
Zugriff auf die Probleme zu erlauben. Also die besten Traditionen der
gewerkschaftlichen Bildung wieder aufzugreifen bei gleichzeitiger Erarbeitung
eines Aktionsprogramms für eine klassenkämpferische Basisbewegung, eine
organisierte anti-bürokratische Opposition.

Am Aufbau einer Opposition können auch FunktionärInnen und
selbst Hauptamtliche teilnehmen. Das Ziel kann und darf jedoch nicht darin
bestehen, im Rahmen der bestehenden bürokratischen Struktur einfach nur mehr
Posten zu gewinnen oder Linke besser zu vernetzen – es geht darum, das
existierende bürokratische System zu zerbrechen und durch ein
arbeiterInnendemokratisches zu ersetzen. Alle FunktionsträgerInnen  auf gewerkschaftlicher und
betrieblicher Ebene müssen ihrer Basis rechenschaftspflichtig, von ihr gewählt
und abwählbar sein. Kein/e FunktionärIn darf mehr als ein durchschnittliches
FacharbeiterInnengehalt verdienen.

Heute haben Hauptamtliche noch weniger Spielraum als früher
und vielen, die als Linke einen solchen Job haben, fehlt das politische
Rüstzeug, um dem Druck des Reformismus und der Sozialpartnerschaft
standzuhalten. Das heißt nicht, dass die Krise der Gewerkschaften nicht Risse
im Apparat produzieren kann, die eine unabhängig strukturierte Opposition
auszunutzen vermag.

Vor allem aber darf sich eine oppositionelle,
klassenkämpferische Bewegung in Betrieb und Gewerkschaften nicht von „linken“
Teilen des Apparates abhängig machen oder zu deren ZuträgerInnen verkommen.

Strukturen

Der Weg zum Aufbau einer Basisbewegung geht vor allem über
die Sammlung und Organisierung von BasisaktivistInnen, die trotz der
Verweigerung durch die Apparate den Kampf suchen, die die Herausforderung durch
die Angriffe der UnternehmerInnen annehmen und den Widerstand suchen. Sie muss
außerdem auch der Tatsache Rechnung tragen, dass sogar viele kämpferische ArbeiterInnen
heute den Gewerkschaften mit berechtigter Skepsis gegenüberstehen oder in
weitgehend unorganisierten Sektoren arbeiten. Ein Schritt beim Aufbau eine
klassenkämpferischen Basisbewegung müsste auch darin bestehen, diese für diese
KollegInnen zu öffnen und auch gemeinsame Kämpfe zu organisieren.

Mit anderen Worten, eine zukünftige Opposition muss da
eingreifen, wo Kolleginnen und Kollegen sie brauchen: beim Kampf gegen
Entlassungen und Werksschließungen, beim Aufbau betrieblicher Gruppen und
alternativer Betriebsratslisten, beim Kampf gegen Arbeitslosigkeit und
Prekarisierung.

Dazu brauchen wir handlungsfähige Strukturen, also örtliche
Gruppen. Viele der bestehenden nennen sich „Foren“, aber es muss klar sein,
dass die Aufgaben solcher Gruppen weit über den Austausch von Infos und
Meinungen hinausgehen müssen.

Eine bundesweite Koordinierung muss nicht nur Material für
die lokale Arbeit produzieren und Treffen, z. B. auch von Arbeitsgruppen,
organisieren, sondern auch beim Aufbau lokaler Gruppen helfen. Eine
provisorische Koordinierung sollte in Frankfurt gewählt werden, aber sie sollte
flexibel genug sein, VertreterInnen neuer Lokalgruppen und weiterer
Organisationen zu kooptieren.

Handlungsfähigkeit setzt auch demokratische Willensbildung
und Legitimation voraus. Wir müssen damit verantwortungsvoll umgehen.
Einerseits müssen Konflikte demokratisch, also durch Abstimmung entscheiden
werden genauso wie eine zukünftige Koordinierung gewählt werden sollte.
Zugleich macht es keinen Sinn, durch Majorisierung an einzelnen Terminen
Kurswechsel durchzustimmen, die nicht tragfähig sind. Deshalb schlagen wir vor,
dass alle so weit wie möglich ihre politische Orientierung offenlegen und
zweitens sichergestellt wird, dass für die anstehende Aufbauphase jede Organisation
darauf verzichtet, eine absolute Mehrheit in Leitungsgremien zu besetzen.

Vorbereiten

Wir brauchen uns keine Illusionen zu machen: Die
reformistischen BürokratInnen werden die Strategiekonferenz als Kampfansage
begreifen und bekämpfen. Da hilft es nicht, wenn wir uns in Unverbindlichkeit
oder Harmlosigkeit hüllen. Wir müssen unser Recht auf Debatte über die Zukunft
der ArbeiterInnenbewegung erkämpfen und zwar gerade gegen diejenigen, die sie
in den Sand gefahren haben.

Das Ziel dieser Konferenz ist eine neue Strategie, eine
andere Strategie und wir wollen sie nicht nur entwickeln, sondern durch- und
umsetzen und das heißt auch mit Leuten, die das wollen und können, und in
Strukturen, die von den Mitgliedern kontrolliert werden und nicht vom Apparat.

Ergreifen wir unsere Chance!