Autokrise am Beispiel Boschs: Transformation ins Aus

Mattis Molde, Neue Internationale 260, November 2021

Überall werden Jobs in der Autoindustrie abgebaut. Laut einer Studie des Verbandes der Automobilindustrie, VDA, erwartet dieser den Wegfall von mindestens 178.000 Arbeitsplätzen bis 2025. Das müsse aus Sicht dieser ArbeitsplatzvernichterInnen auch so sein, weil „die unter den aktuellen Bedingungen nicht neu geschaffen werden können.“ Denn, so heißt es in einer Presseerklärung: „Bedingt durch hohe Steuern und Abgaben, hohe Energiekosten und mangelnde Investitionen in Bildung fällt Deutschland im internationalen Standortwettbewerb immer weiter zurück.“ Mit anderen Worten, die Autokonzerne wollen weniger Steuern zahlen, weniger Löhne, dafür Subventionen erhalten und neue Werke auf grüne Wiesen oder anderswo hinsetzen.

Der Angriff auf die Arbeitsplätze in der Autoindustrie beginnt nicht erst heute. In den letzten 3 Jahren wurden bereits zehntausende vernichtet, deren Höchststand der letzten Jahre rund 850.000 betrug. Wie lief das ab? Was haben wir in Zukunft zu erwarten und was können die Betroffenen tun?

Bei den Großbetrieben der Endhersteller geschieht der Personalabbau selten durch Entlassungen. Es gibt großzügige Abfindungen und jede Menge Altersteilzeit. Die MalocherInnen in der Produktion werden einfach heimgeschickt. Dort arbeiten schon seit Jahren LeiharbeiterInnen oder WerkvertraglerInnen in einem Ausmaß, welches einen Abbau von 20 – 30 % komplett geräuschlos ermöglicht. Auch die Praxis, ganze Produktionsbereiche als „Vertragslogistik“ zu beschreiben und an andere Firmen fremdzuvergeben, ermöglicht dann eine spätere Arbeitsplatzzerstörung ohne Sozialplan, ohne Verhandlungen und meist ohne Proteste.

Anders sieht es bei den Zulieferern aus. Auch wenn Bosch, ZF, Conti und Mahle globale Konzerne sind, sind ihre Werke überwiegend kleiner und dafür zahlreicher. So hat Bosch nach eigenen Angaben über 100 Werke in Deutschland, von denen allerdings nicht alle zum größten Geschäftsbereich Kfz-Technik („Mobility-Solutions“) gehören.

Das Beispiel Bosch

Der Stand des Kahlschlags dort sieht derzeit so aus – ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

  • In den großen Werken Stuttgart-Feuerbach und Schwieberdingen wurden schon etwa 1.600 Stellen abgebaut, rund 500 in den Reutlinger Werken.
  • In Schwäbisch Gmünd wurde schon 2017 mit dem Betriebsrat vereinbart, bis 2019 760 von rund 5.000 Stellen abzubauen. 2019 wurden von der Konzernleitung noch mal 1.000 mehr gestrichen, die bis 2023 abgebaut werden sollen.
  • In den Werken Bühl und Bühlertal sollen in den nächsten 2 Jahren 700 Vollzeitstellen wegfallen. Die IG Metall rechnet mit weiteren 400 Teilzeit- und Leiharbeitsstellen. Derzeit sind dort 3.700 Menschen beschäftigt, 400 wurden schon abgebaut.
  • In München steht ein ganzes Werk vor dem Aus, die Produktion soll ins Ausland verlagert werden.
  • Gleiches gilt für Bietigheim-Bissingen, wo noch 290 Menschen arbeiten.
  • Auch drei Gießereien sollen dichtgemacht oder verkauft werden. Das Werk in Göttingen wurde schon veräußert.

Welche Antwort gaben IG Metall, die Betriebsräte und die Belegschaften auf diesen Kahlschlag?

In Bühl oder Gmünd versuchten die Betriebsräte, den Abbau sozialverträglich zu gestalten, und auch bei den Beschäftigten überwiegt die Hoffnung, nicht betroffen zu sein. Die IG Metall spielt dieselbe Flöte. So bezeichnet der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Offenburg, Ahmet Karademir, die Ansage beim Abbau in Bühl als „Märchen“: „Das Märchen vom Vermeiden betriebsbedingter Kündigungen glaube ich nicht.“ Das heißt aber nicht, dass dagegen Widerstand organisiert werden soll, sondern Kollege Karademir will nur, dass dieses Märchen von der entlassungsfreien Entsorgung wahr wird. Und das reicht ihm wie dem Großteil der BürokratInnen in der IGM denn auch.

Ähnlich ist es in Stuttgart gelaufen. Es gab Anfang 2019 eine Protestkundgebung, dann wurde der Abbau gestaltet. In den großen Werken ist offensichtlich der Spielraum für eine „sozialverträgliche“ Lösung zwar nicht so groß wie bei Mercedes, aber groß genug, dass sich Betriebsräte und eine Mehrheit der Belegschaft damit arrangieren. Anders sieht es für kleinere Werke wie Bietigheim und München aus. Eine komplette Werksschließung lässt keinen Spielraum für das, was gerne „Sozialverträglichkeit“ genannt wird. Das Einzige, was im Bosch-Konzern hier geboten wird, ist die Möglichkeit, sich in anderen Werken zu bewerben. Das muss aber zu Konditionen des aufnehmenden Werkes geschehen, ist also eigentlich immer mit Lohnverlust und längeren Fahrtzeiten verbunden.

Belegschaften wie in München und Bietigheim müssen also kämpfen, wenn sie sich nicht abschlachten lassen wollen. München hat da aus dem Stand heraus einiges Neues ins Rollen gebracht. Bietigheim hat eine jahrzehntelange Tradition.

Kampfbetrieb Bietigheim

Die Belegschaft und ihr Betriebsrat haben die Kampfansage der Konzernführung im September 2020, also vor gut einem Jahr, mit einer Protestkundgebung beantwortet. Alle standen draußen, Delegationen von Mann+Hummel, Mahle Mühlacker, Bosch Waiblingen, LEAR Corporation, Elring Klinger, Porsche Zuffenhausen, Valeo und anderen zeigten ihre Solidarität. Der Erste Bevollmächtigte, Matthias Fuchs, forderte eine Zukunft für den Produktionsstandort, der lokale SPD-Vorsitzende auch und Bernd Riexinger von der LINKEN ein Vetorecht der Belegschaften gegen Verlagerungen und stellte fest: „Die angedrohte Schließung hat nicht mit Corona und sehr wenig mit Transformation zu tun.“ Überall Plakate der IG Metall: Solidarität gewinnt!

Schon in der folgenden Woche beteiligten sich die BoschlerInnen an einem ähnlichen Protest bei Mahle Mühlacker. Sie wurden fast ein Jahr nicht müde, ein Netz der Solidarität zu knüpfen mit allen bedrohten Betrieben. In der Stadt Bietigheim wurden 60 Plakate aufgehängt, die den Kampf öffentlich machten.

Auch die Tarifrunde im Frühjahr 2021 wurde zur Mobilisierung genutzt. Aber schon brechen andere Betriebe weg: Bei Mann+Hummel wie im Mahle-Konzern wurde der Personalabbau samt Werksschließungen von den (Gesamt)-Betriebsräten und der IG Metall akzeptiert. Die Chance, im Tarifkampf Streiks organisieren zu können, wurde von der IG Metall-Führung nicht genutzt, ja noch nicht einmal in den Strukturen diskutiert.

Die Konzernführung von Bosch aber ließ nicht locker. In den Verhandlungen am 9. Oktober 2020 erklärte sie, eine Einigungsstelle anrufen zu wollen, obwohl reguläre Verhandlungstermine bis einschließlich Ende November vereinbart waren. Das empörte die IG Metall: „Mit dieser Vorgehensweise und seiner Presseerklärung vom 9. Oktober 2020 manifestiert der Arbeitgeber den Bruch des laufenden Sozialtarifvertrages“. Der Betriebsrat kommentierte: „Es ging dem Arbeitgeber nur darum, eine Zustimmung zur Werksschließung zu erhalten.“

In dieser Situation schlug der IG Metall- Bevollmächtigte vor, für einen Zukunftstarifvertrag zu kämpfen. Bei einer Umfrage stimmten 93 % der IG Metallmitglieder dafür und 81,5 % erklärten sich bereit, dafür auch in den Streik zu gehen.

Der Streit um eine Einigungsstelle kam vor das Landesarbeitsgericht und dort eine dreitägige Mediation als Kompromiss heraus. Die IG Metall hatte den Vorschlag gemacht. Die Mediation scheiterte und so ging es im April zu Einigungsstelle. Unter dem Vorsitz eines Richters wurde verhandelt. Die Schließung als solche konnte damit nicht mehr in Frage gestellt, sondern es durfte nur über die Bedingungen dieser verhandelt werden.

Die Beschäftigten und der Betriebsrat fühlten sich verschaukelt. Einige erwarteten, dass die IG Metall ja immer noch die rote Karte „Streik“ ziehen könnte. Aber der Bezirksleiter Zitzelsberger winkte ab: „Wozu noch für einen Sozialtarifvertrag streiken, ihr habt doch einen super Sozialplan ausgehandelt?!“

Warum die Niederlage?

Viele im Werk einschließlich vieler Betriebsräte wollen sich noch immer nicht damit abfinden. Die Belegschaft und der Betriebsrat haben alles getan, was für sie im Bereich des Möglichen war:

  • Den Widerstand im Betrieb organisiert, und zwar rechtzeitig;
  • Streikfähigkeit hergestellt;
  • die Solidarität in der Region organisiert, mit Unterstützung der IG Metall, aber ausgehend von ihrer eigenen Initiative;
  • andere Belegschaften, Parteien und Organisationen eingebunden;
  • die Tarifrunde genutzt, um erneut den Schulterschluss mit anderen Belegschaften und Hunderttausenden anderen Metallerinnen und Metallern zu suchen.

Die Frage geht also an die IG Metall, die Bezirksleitung Stuttgart und den Vorstand in Frankfurt: Warum wollte die IG Metall keinen Streik? Dieser wäre im Rahmen der Tarifrunde rechtlich unangreifbar gewesen, wenn er im ganzen Tarifgebiet ausgerufen worden wäre. Die Frage der Arbeitsplätze war übrigens von der IGM selbst schon zum Thema der Tarifrunde gemacht worden.

Auch die Möglichkeit eines Streiks um einen Sozialtarifvertrag wurde von der IG Metall einfach fallengelassen. Der Sozialtarifvertrag ist eine zweischneidige Sache: Offiziell geht es um die Abwicklung des Betriebes, aber mit Streik kann natürlich mehr Druck entfaltet werden. Die Streikenden kämpfen eigentlich für ihre Arbeitsplätze und die Zusagen der IG Metall-Zuständigen, dass man dort noch mal den Erhalt des Werkes fordern könne, werden in den Verhandlungen dann immer schnell fallen gelassen und die Streikenden fühlen sich genauso verkauft wie jetzt die Bietigheimer BoschlerInnen. Bei Voith in Sonthofen wurde das 2019 beispielhaft durchgespielt. Um den Streik um einen Sozialtarifvertrag wirklich als Kampf zur Verteidigung eines Werkes zu führen, muss er also mit anderen Maßnahmen und Forderungen verbunden werden.

Es muss ernst gemacht werden mit der Verteidigung des Werkes. Am besten durch eine Besetzung, verbunden mit einem Streik oder gegebenenfalls mit der Fortführung der Produktion unter Kontrolle der Arbeitenden – insbesondere, wenn die produzierten Güter ein Druckmittel darstellen. Natürlich muss der besetzte Betrieb rund um die Uhr geschützt werden. Ein wichtiges Faustpfand ist auch die Bereitschaft anderer Belegschaften des Konzerns oder der Region, sofort Solidaritätsstreiks zu organisieren, wenn die Firma eine Räumung anstrebt.

So eine Besetzung ist auch ein guter Schritt, in Richtung für die entschädigungslose Enteignung des Betriebes zu kämpfen, den die KapitalistInnen stilllegen wollen. Statt Milliarden an die Unternehmen für eine angebliche „Transformation“ zu zahlen und es diesen völlig unkontrolliert zu überlassen, was sie damit anstellen, könnten diese Beträge an die Belegschaft des Werkes gehen, zur Entwicklung und Produktion der Verkehrsmittel, die für eine Verkehrswende nötig sind. Das Geld wäre unter Kontrolle der Belegschaft, in die Entscheidungen über Entwicklung und Produktion kann diese mit der Klimabewegung, aber auch anderen verstaatlichten Betrieben kooperieren.

Was will der IG Metall-Vorstand?

Warum ist der gemeinsame Kampf in der Auto- und Zulieferindustrie kein Thema für die IG Metall? Warum gibt es keine Branchenkonferenz der Betriebe, die bedroht sind? Warum keine Konferenz aller Bosch-Belegschaften, die mit Abbau konfrontiert sind? Warum noch nicht mal eine Übersicht über die Angriffe auf die Arbeitsplätze auf den Webseiten der IG Metall?

Wozu gibt es eigentlich Gesamtbetriebsräte bei Bosch und was koordinieren die, wenn sie die Verteidigung der Arbeitsplätze NICHT koordinieren? Was tut die IG Metall eigentlich im Aufsichtsrat, mit Jörg Hofmann an der Spitze? Stimmen die solchem Abbau und den Werksschließungen zu?

Wenn das eine Strategie sein soll, nach der der IGM-Vorstand sein Vorgehen bestimmt, dann kann diese Mischung aus Widerstand zulassen, aber nicht fördern und notfalls ins Leere laufen lassen nur bedeuten, dass die ganze Umstrukturierung, die hier die Konzerne vorantreiben, mit der unausgesprochenen Zustimmung des Vorstandes geschieht. Das würde bedeuten, dass er die Ziele der Unternehmen teilt: Gewinne hoch, Arbeitsplätze streichen oder verlagern, Kosten reduzieren. VDA-Chefin Müller sagt das so: „Unsere Unternehmen treiben die Transformation – mit Überzeugung und mit Kreativität.“ Und die IG Metall lässt sie treiben.

Das ist nur so zu erklären, dass sich die oberste Spitze der IG Metall-Bürokratie so sehr dazu verpflichtet sieht, die deutschen Autokonzerne im Kampf um den Weltmarkt mit allen Mitteln zu unterstützen, dass sie bereit ist, die Arbeitsplätze von Hunderttausenden, vor allem auch in der Zulieferindustrie, zu opfern. Dass dies keineswegs abwegig ist, belegt die Tatsache, dass diese IGM-Spitze auch bereit war, die Leiharbeit in der Autoindustrie zu akzeptieren – in der Spitze arbeiteten bis zu 100.000 Leute in Leiharbeit in den Autofirmen –, den Abgasbetrug zu decken wie auch die unsinnigen Abgasvorschriften in Brüssel durchzusetzen, dass sie den Angriff auf das Streikrecht mit der „Tarifeinheit“ durchsetzte.

Dieses Vorgehen von Hofmann und Co ist verheerend. Statt in einzelnen Betrieben mit guten Voraussetzungen zu Siegen zu kommen und mit diesen Leuchttürmen die IG Metall wieder voranzubringen, werden diese geschleift.

Wie Solidarität siegen kann

Aus der Aufzählung oben, was die IG Metall alles hätte tun können, bei Bosch, in der Region und in der Branche, wird klar, wofür alle die kämpfen müssen, die die Talfahrt der Gewerkschaft aufhalten, Arbeitsplätze Löhne verteidigen wollen.

Es gibt aber noch darüber hinaus die Chance der Transformation: Es werden ja Transportmittel gebraucht! Und zwar solche mit geringerem Energieverbrauch, mit nachhaltiger Energie betrieben, mit weniger Platzverbrauch für die Städte und Anschlussfähigkeit zwischen Stand und Land. Neue Lösungen sind nötig, neue Entwicklungen und kombinierte Mobilität!

Hier rächt sich, dass die IG Metall 2 Jahrzehnte keine Debatte über Klima und neue Technologien geführt hat, bis sie vor 3 – 4 Jahren unvorbereitet dem Kommando der Autokonzerne, alles auf das (batteriegetriebene) E-Auto zu werfen, gefolgt ist. Eigene Kompetenz der IG Metall wurde nicht entwickelt, eigene Ideen gibt es nicht. Es wird brav hinter den Konzernen und der Politik hergetrottet, der man dann immer noch die Schuld am Arbeitsplatzabbau zuschieben kann.

Bosch München

Die Belegschaft von Bosch in München hat gemeinsam mit AktivistInnen aus der Klimabewegung und linken GewerkschafterInnen den Ball selbst auf das Spielfeld geworfen. Sie fordern:

„Es gibt eine große Palette an Produkten, die hier im Werk hergestellt werden könnten und die für eine klimafreundliche Zukunft nützlich wären. In den letzten Jahren haben wir immer wieder Vorschläge für eine Transformation der Produktion hin zu klimafreundlichen Produkten unterbreitet. Diese wurden von Seiten der Geschäftsführung stets abgeblockt. Wir fordern hiermit den Erhalt des Werkes und eine Umstellung der Produktion hin zu klimafreundlichen Produkten. Durch den jahrelangen Verzicht auf Teile unseres Gehaltes und die oft jahrzehntelange Arbeit im Betrieb haben wir ein Anrecht auf dieses Werk erhalten. Wir fordern hiermit Bosch auf, das Werk zu erhalten und uns die Möglichkeit zu geben, die Produktion umzustellen.“

Auch diese Initiative von unten zeigt, was möglich ist: Anstatt die Klimakrise oder gar die Klimabewegung zu Sündenböcken für den Verlust des Arbeitsplatzes zu machen – was auch der VDA gerne tut – sehen die InitiatorInnen, dass die Geschäftsführung die Schuldigen sind und KlimaaktivistInnen Verbündete werden können. Gerade auch weil die massenhaft stattfindende Verlagerung von Produktion diese mitnichten sauberer macht.

Und: Die Klimabewegung ist derzeit die stärkste und mobilisierungsfähigste in Deutschland – eine ideale Bündnispartnerin für eine Gewerkschaft, wenn sie denn Verbündete gegen die Kapitalinteressen suchte.

Eine Gewerkschaft wie die IG Metall könnte in ein solches Bündnis noch Kraft einbringen, die die Klimabewegung nicht so einfach mobilisieren kann: die Kraft, das Kapital genau dort zu treffen, wo es ihm wehtut – in der Produktion bzw. derem Stopp durch Streik! Sie könnte die Betriebe, die Bosch schließen will, auch besetzen. In der IGM-Satzung steht die Forderung nach der Überführung von Schlüsselindustrien in Gemeineigentum. Wann, wenn nicht heute, hat diese Forderung überhaupt einen Zweck?

Ihre Umsetzung müsste natürlich diskutiert werden: Was heißt „Gemeineigentum“

eigentlich heute? Nachdem sowohl mit BRD- wie mit DDR-Staatsbetrieben nicht die besten Erfahrungen gemacht worden sind? Aber Betriebe, die ein Konzern schließen will, könnten enteignet werden. Die Regierungsmilliarden für Transformation der Autoindustrie könnten genau dort eingesetzt werden. Die Entwicklung und Produktion in einem Verbund solcher Werke soll von Beschäftigten demokratisch organisiert und kontrolliert werden in Verbindungen mit ExpertInnen für Klima und Mobilität aus der Bewegung. Das Management wird eingespart: „ArbeiterInnenkontrolle“ in Zeiten der Klimakatastrophe!

Was tun?

Vieles! Einerseits muss eine solche Diskussion in Gewerkschaften und Klimabewegung, welche ja ihrerseits sehr gegenüber der IndustriearbeiterInnenschaft fremdelt, eingebracht werden.

Andererseits können wir nicht zusehen, wie eine (Kampf)-Belegschaft nach der anderen liquidiert wird und die KapitalistInnen ihr Ziel der Vernichtung von 178.000 Jobs bis in 4 Jahren erreichen.

Wir müssen da, wo wir können, selbst den Widerstand organisieren! Zum Beispiel eine Kundgebung vor Bosch in Stuttgart Feuerbach aus allen Werken – auch ohne IG Metall, wenn diese sich weigert. Auch eine kleinere Aktion dieser Art könnte ein Zeichen setzen, anderen Belegschaften Hoffnung machen und die Diskussion in der IG Metall, in der Branche, aber auch in der Klimabewegung beflügeln.

Ein guter Ansatzpunkt in diesem Sinne war die Aktion am 19.10.2021 vor Mahle-Behr in Feuerbach.

Wir könnten ein bundesweites „Solidaritätsnetz Auto“ bilden, das alle Kämpfe unterstützt und Belegschaften berät, bevor sie im Stich gelassen werden. Von den bitteren Erfahrungen von Bosch-Bietigheim sollten wenigstens andere profitieren.




Mahle: Beschäftigte kämpfen gegen geplanten Kahlschlag

Robert Teller, Infomail 1167, 23. Oktober 2021

Etwa 1500 Mahle-KollegInnen demonstrierten am 19. Oktober am Werk Stuttgart-Feuerbach und vor der Konzernzentrale in Cannstatt gegen die Angriffe des Managements: Stellenabbau, Produktionsverlagerung, Werksschließungen. Dass KollegInnen von anderen Standorten mit 15 Bussen nach Stuttgart kamen, deutet darauf hin, dass fehlende Kampfbereitschaft unter den Belegschaften nicht das Problem ist. Die Geschäftsführung des Konzerns plant, 7600 Stellen und davon 2000 in Deutschland zu streichen. Kampfbereitschaft ist also auch dringend notwendig.

Neben den Beschäftigten bei Mahle beteiligten sich Delegationen unter anderem von Daimler Untertürkheim, Porsche, Coperion und Koenig & Bauer. Die meisten Mahle-KollegInnen kamen vom Werk Mühlacker, wo von der Belegschaft trotz Vollauslastung und Überstunden der Abbau jeder zweiten Stelle gefordert wird. Es handelt sich, wie die Gruppe um die Betriebszeitung Mahle-Solidarität richtig schreibt, um einen Generalangriff auf die Belegschaft, vor dem kein einziger Standort sicher ist. Das gilt umso mehr, so lange der Widerstand schwach ist und nicht standortübergreifend organisiert wird.

Die Kundgebung in Feuerbach war in ihrer Ausrichtung bemerkenswert. Insgesamt war die Stimmung kämpferisch. Anders als auf durchschnittlichen Streik- oder Aktionstagen der IG Metall war in den Reden durchaus eine Breite unterschiedlicher Standpunkte zu hören.

Aussagen und Stoßrichtung der Kundgebungen

Bernd Riexinger, ehemaliger Vorsitzender der Linkspartei und langjähriger Gewerkschafter, war vor Ort und wies in seiner Rede darauf hin, dass die kämpfenden Belegschaften über das eigene Werk und die eigene Firma hinweg Solidarität organisieren müssen. Er sagte, ohne Management kann die Arbeit weitergehen, aber nicht ohne die Belegschaft. Deshalb müsse sich die Organisation des Arbeitskampfes auch auf die Belegschaft stützen. Das ist richtig und sollte in einer kämpfenden Gewerkschaft zu den Essentials gehören.

Mehmet Sahin, Vertreter von Mahle-Solidarität, ging in seiner Rede weiter und sagte, dass im Kampf gegen Stellenabbau die Einführung einer allgemeinen 30-Stunden-Woche mit vollem Personal- und Lohnausgleich nötig ist und im Zweifelsfall Betriebe, die entlassen wollen, vergesellschaftet werden müssen und das auch ein Ziel der Gewerkschaft werden müsse. Damit hob er den Abwehrkampf gegen Entlassungen auf eine höhere Stufe. Zum einen mit der Arbeitszeitlosung, für die auch branchenübergreifend gekämpft werden kann, zum anderen dadurch, dass der gewerkschaftliche Kampf nicht vor dem Recht auf Privateigentum Halt machen soll, wenn es dieses Privateigentum ist, das unsere Jobs bedroht.

Liljana Culjak (BR-Vorsitzende von Feuerbach) hatte zwar keine Vorschläge, wie und mit welchen Losungen der Kampf weitergeführt werden könnte. Im Vordergrund standen Kritik an „unfairen“ Methoden der Geschäftsführung, die zwecks Profitmaximierung Produktion verlagern will: „Wir haben eine neue Geschäftsführerin, wir haben aber kein Miteinander und keine Transparenz“. Aber dass sie die Kundgebung mit organisierte, ist ein positiver Schritt und bereits ein Bruch im IG-Metall-Apparat. Der Vorstand der IG Metall Stuttgart erschien noch nicht mal auf der Kundgebung in Feuerbach und entschuldigte sich aufgrund einer angeblichen Vorstandstagung, die wohl nie stattgefunden hat.

Kontrast

Die zweite Kundgebung vor der Konzernzentrale diente Nektaria Christidou (BR Mühlacker und stellvertretender Gesamtbetriebsratsvorsitzender) und dem Gesamtbetriebsrat dazu, die Stimmung wieder einzufangen und den Aktionstag ins rechte Licht zu rücken.

Die Geschäftsführung war auf die Bühne geladen und hatte zwar außer wachsweichen Bekenntnissen zum Wir-Gefühl nichts zu verkünden, konnte sich aber dafür das Betteln der BR-Vorsitzenden anhören. Aus Feuerbach war nur ein Teil der KollegInnen mitgekommen und wer noch dabei war, dem war dort nicht nach Kämpfen zumute.

Die Angriffe

Für Feuerbach fordert die Geschäftsführung konkret, zusätzlich zu den seit 2018 unterm Strich abgebauten 500 MitarbeiterInnen weitere 98 loszuwerden, oder – falls es hierüber keine Einigung gibt – 39 Millionen Euro an Einsparungen zu Lasten der Belegschaft (über welchen Zeitraum?).

Der Gesamtbetriebsrat hat im Frühjahr den Stellenstreichungen in Feuerbach zugestimmt und das als Erfolg gefeiert, obwohl für die Belegschaft bestenfalls einige Monate Zeit gewonnen wurde. Der Stellenabbau sollte freiwillig durch Aufhebungsverträge und Abfindungen vonstattengehen. Die Freiwilligkeit ändert nichts am grundsätzlichen Charakter der Maßnahme: Verdrängung von Arbeitskraft aus dem Produktionsprozess, d. h. Vergrößerung der industriellen Reservearmee oder Verlagerung zu anderen Standorten, also Verschärfung der Konkurrenz zwischen den ArbeiterInnen bei unterschiedlichen Lohnniveaus. Nun wurde die vereinbarte Zielvorgabe von 385 Stellen nicht erreicht und es zeigt sich, dass das Ausmaß des Stellenabbaus einfach zu groß ist, um reibungslos über die Bühne zu gehen. Die Zustimmung zum Sozialplan hat nicht wie versprochen der verbleibenden Belegschaft Sicherheit verschafft. Sie hat aber eine Zeit lang der falschen Vorstellung Auftrieb gegeben, dass der Jobverlust eine rein individuelle Angelegenheit ist. Das hat es dem BR erleichtert, selbst keinerlei Widerstand zu organisieren und Ansätze davon, die ohne seine Initiative entstanden, im Sand verlaufen zu lassen. Der Geschäftsführung wurde so signalisiert, dass Gegenwehr nicht zu befürchten ist, und sie wurde ermutigt weiterzugehen.

Für Mühlacker stellte die Geschäftsführung seit dem vergangenen Jahr mal die Zahl von 211, dann 94 und dann wieder 350 KollegInnen in den Raum, die sie aufgrund mangelnder Nachfrage nach den dort produzierten Produkten abbauen wolle. Nun wird mit einer Halbierung der aktuell 1400 Köpfe starken Belegschaft gedroht und das Management plant bereits jetzt, keine weiteren Investitionen in den Produktionsstandort zu leisten. In Wirklichkeit ist das Werk gut ausgelastet, die KollegInnen leisten Überstunden. Der Betriebsrat stimmt letzterem zu, anstatt diese Ungeheuerlichkeit von Mehrarbeit bei geplantem Stellenabbau als Druckmittel gegenüber der Geschäftsführung einzusetzen. Deren Pläne kann man nur so verstehen, dass der Standort mittelfristig auf der Abschussliste steht, um die Produktion zu geringeren Kosten woanders anzusiedeln. Das Werk Öhringen ist bereits geschlossen und Gaildorf ist in Abwicklung, in beiden Fällen ohne großen Widerstand von Betriebsrat und IG Metall.

Der Aktionstag am 19. Oktober kam überhaupt erst auf Druck von unten zustande. Nur so ist auch zu erklären, dass mit Riexinger ein linker ehemaliger Gewerkschaftsführer und mit Mehmet Sahin ein kämpferischer Betriebsrat zu Wort kamen, wobei letzterer seit Jahren in Opposition zur BR-Mehrheit steht.

Die Stellenstreichungen sind ein umfassender Angriff auf die Belegschaften, der weit über einzelne Werke und auch über den Mahle-Konzern hinausgeht. Bei VW wird intern der Abbau von 30.000 Stellen diskutiert.

Das deutsche Exportkapital versucht, in stagnierenden Absatzmärkten den eigenen Profit zu steigern, um im internationalen Konkurrenzkampf nicht weiter zurückzufallen. Die Produktion (ob Verbrenner oder Elektro) soll in „Best Cost Countries“ wiederaufgebaut werden, solange die Produkte nachgefragt werden, und die Stellenstreichungen werden dann als Kollateralschaden der „technologischen Transformation“ verbucht. Der Konkurrenzdruck trifft die gesamte Branche und daher ist vor dieser Rationalisierungsrunde auch kein Werk, keine Firma sicher. Sozialpläne ändern nichts an der Tragweite des Angriffs, aber jeder Sozialplan ist ein Exempel an der betroffenen Belegschaft.

Die Betriebsgruppe Mahle-Solidarität hat seit Bekanntwerden der Sparpläne Anfang 2019 die Belegschaft in Flugblättern informiert und für eine Kampfstrategie argumentiert.

In ihrem Flugblatt Mahle-Solidarität Nr. 13 zum 19. Oktober schreibt sie:

  • Der „sozial verträgliche Abbau“ ist keine Lösung, Es hilft nichts, wenn Betriebsräte da mitmachen. Das Mitmachen ermuntert nur zu neuen Angriffen. Bei Schließungen gibts eh nichts abzufedern.
  • Auch wenn die Firma mehr Profit macht, rettet das keine Arbeitsplätze. Auch das hat sich bewiesen. Sie investieren in Firmenkäufe, nicht in die bestehenden Werke.
  • Widerstand auf allen Ebenen ist nötig. Betriebsräte müssen da vorangehen! Nicht um Milde betteln, sondern klare Kante zeigen!
  • Aber vor allem muss die IG Metall ihrer Aufgabe als Gewerkschaft nachkommen und alle Belegschaften, die kämpfen wollen, vereinen! Seit 2 Jahren wird eine Bude nach der anderen dichtgemacht, jede stirbt für sich alleine und die IG Metall tut so, als wären das Einzelfälle. Statt beispielsweise in der Tarifrunde gemeinsam zu streiken, muss jetzt jeder für sich kämpfen.

Der Metallertreff Stuttgart verteilt die Flugblätter der Mahle-Solidarität seit Monaten und damit wurde eine standortübergreifende Basisstruktur aufgebaut, die der sozialpartnerschaftlichen Politik der BR- und IGM-Bürokratie mit Informationen und Losungen für den Kampf begegnet. Die Kundgebung vom 19. Oktober zeigt, dass eine klassenkämpferische Bewegung in Betrieb und Gewerkschaft erfolgreich sein kann, wenn sie die richtigen Prinzipien anwendet: Kritik und Opposition zur Bürokratie, wenn nötig – und gemeinsamer Kampf, wann immer möglich.




Mahle: Durchmarsch der Geschäftsführung – wie können wir ihn stoppen?

MAHLE- SOLIDARITÄT Nr. 12, zuerst veröffentlicht auf vernetzung.org, Infomail 1157, 28. Juli 2021

Stratmann wurde vom Platz gestellt. Das große Stühlerücken in der Geschäftsführung (GF) geht weiter. Jetzt ist Frick an der Spitze, der zwei Ziele verfolgt: Finanzen und Profitmaximierung. Also die Ausbeutung der Arbeitenden verschärfen, alles verlagern, abstoßen und stilllegen, was zu wenig Profit verspricht. Für die alte Leier mancher Betriebsräte, dass Mahle doch ein Stiftungsunternehmen ist und dem Wohl auch der Belegschaft verpflichtet, hat er nur ein müdes Lächeln übrig. Oder er verhöhnt sie noch und erzählt ihnen, dass genau deshalb die Beschäftigten Opfer zu bringen haben, damit das Stiftungsunternehmen am Markt besteht.

Wird er bleiben? Wird er, wie angekündigt, ersetzt? Das hängt vor allem am Aufsichtsratschef Junker, der genauso erbarmungslos für Profit steht – aber in einer Zeit Chef war, als der Glanz des Aufbaus dominierte und das Zerstörungswerk in Alzenau, Colmar und vielen dazugekauften Betrieben überstrahlte.

Dieser Personalwechsel zeigt, dass wir Beschäftigte nicht auf einen Wechsel in der Firmenspitze zu hoffen brauchen. Es ist auch sinnlos, wenn Betriebsräte eine „bessere“ Unternehmenspolitik fordern. Die Forderung des GBR-Chefs nach „mehr Digitalisierung“ ist nicht die Lösung: sie bringt kurzfristig Beschäftigung, aber langfristig mehr Abbau. Ein Blick über den Tellerrand zeigt: Alle Auto- und Zulieferkonzerne entlassen und verlagern. Völlig egal, welche Produkte sie wie herstellen. Ist das ein Grund alles über sich ergehen zu lassen und die GF machen zu lassen?

Nein! Es ist ein Grund zu überlegen, was wir als Beschäftigte und die Betriebsräte besser machen können! Es stehen schon wieder neue Angriffe an. Wer gehofft hatte, das Kahlschlagprogramm vom September 2020 wäre zwar hart, aber damit das Ende des Tunnels erreicht, hat sich getäuscht! Zustimmen und resignieren hilft da nichts!

Neue Angriffe stehen an – warum?

Seit September sind die Modalitäten für die Schließung von Gaildorf und Freiberg verhandelt worden. Der Sozialplan für den Konzern steht. Scheibchenweise werden Bereiche und Abteilungen über die Details der Zerstörung informiert. Jetzt kommen schon neue, zusätzliche Grausamkeiten auf den Tisch und weitere werden folgen. Natürlich wollen auch die Chefs diktieren, wer geht. Sie konfrontieren Beschäftigte mit den Organigrammen, auf denen diese Personen und ihre Funktionen nicht mehr auftauchen, und machen Druck in Richtung Aufhebungsvertrag.

Für diese schändlichen Angriffe gibt es keine akuten wirtschaftlichen Gründe in dem Sinne, dass es dem Betrieb schlecht ginge. Im Grunde ist fast überall genug Arbeit da. In manchen Bereichen, vor allem in Mühlacker, werden Überstunden und Sonderschichten bis zum Anschlag gefahren und zig Leute befristet eingestellt. Und jetzt buhlt Mahle, einem Zeitungsbericht zufolge, um einen milliardenschweren Mehrheitsanteil an seinem südkoreanischen Konkurrenten Hanon Systems. Anscheinend steht ihnen das Geld bis zum Hals!

Den Widerstand in den Sand gesetzt

Hauptgrund für das freche Vorgehen der GF ist, dass IG Metall und Gesamtbetriebsrat (GBR) alle hoffnungsvollen Ansätze für Widerstand vergeigt haben. Wo Leute aktiv wurden, z.B. in Feuerbach und Gaildorf, durften sie das tun. Aber der Widerstand wurde  nicht vereint und gebündelt. Mahle ist kein  Kleinbetrieb, den man mit einem Fackelzug und markigen Worten zur Umkehr zwingt. Um einen Weltkonzern zu schlagen, muss aller Widerstand zusammengefasst und zögernde Belegschaften mit dem Vorbild der kämpfenden Betriebe ermutigt werden.

Dort wo Überzeit und Sonderschichten gefordert werden, wo also auch wirtschaftlich Druck gemacht werden kann, müssen diese von den Betriebsräten verweigert werden. Das können nicht die einzelnen Kolleginnen und Kollegen, die einzelnen Vertrauensleute oder Betriebsratsmitglieder tun. Nur ein geschlossenes Vorgehen hat Aussicht auf Erfolg und die IG Metall und der GBR sind dazu da, dieses zu organisieren. Und sie müssen sich daran messen lassen, was sie für die Belegschaft geleistet haben!

Ein Beispiel: In Feuerbach haben 100 Beschäftigte aus den Werkstätten gegen die Absetzung einer Versammlung protestiert, wo es um ihre Zukunft ging. Sie sind zur Personalabteilung marschiert und haben dort so lange gewartet, bis eine Versammlung stattgefunden hat. Das hat Mut gemacht! Auf der Kundgebung in der Tarifrunde war dieser Bereich super vertreten!

Auf der Homepage der IG Metall Stuttgart findet sich dazu kein Wort. Der GBR hielt es nie für nötig dieses Beispiel überall zu propagieren. Betriebsrat und Vertrauensleute in Cannstatt haben diese Aktion nicht genutzt, um die entsprechenden Abteilungen in Werk 1 und 2 zu mobilisieren. Sie haben nichts getan, dass der Funke überspringt. Vielleicht wurden sie auch vom GBR daran gehindert. Dieser Verdacht ist berechtigt, denn nach der Tarifrunde hat der GBR sofort die Vereinbarung mit allen Forderungen der GF akzeptiert. Ausgehandelt wurde das vermutlich schon vorher. Der Betriebsrat in Feuerbach, der vorher nicht bereit war der Kapitulationslinie des GBRs zu folgen, wurde genötigt diesem Abkommen zuzustimmen. Es sieht vor, dass etliche Betriebe noch länger in Kurzarbeit gehen und die Entlassungen nur bis 30.05.2022 bzw. 31.08.2022 aufgeschoben werden. Für diesen „Erfolg“ hat der GBR den Widerstand ins Leere laufen lassen und eine Verbreiterung der Aktionen, eine Fortsetzung über die Tarifrunde hinaus, verhindert.

Wie hat sich die IG Metall-Führung verhalten?

Eine Tarifrunde vereinigt automatisch die Mitglieder aus den verschiedensten Betrieben. Diese Tarifrunde hat Belegschaften besonders beflügelt, für die Verteidigung ihrer Arbeitsplätze auf die Straße zu ge-hen. Viele Belegschaften haben begonnen, gemeinsam das Thema Verteidigung der Arbeitsplätze anzugehen. Bosch Bietigheim hat die Initiative zu einer gemeinsamen Aktion ergriffen, an denen sich über 400 Personen beteiligt haben. In Feuerbach war es Mahle-Behr, die gemeinsam mit Coperion, KBA, Bosch, Daimler und weiteren Betrieben eine groß-artige Aktion am 02.03.2021 organisiert hat. Es waren auch Betriebe beteiligt wie Porsche, wo Abbau kein Thema ist, die für Tariferhöhungen auf die Straße gingen. So wurden Kräfte gebündelt.

Nach dem Tarifabschluss hat die IG Metall in Baden-Württemberg jede weitere gemeinsame Aktion abgeblasen. Es liegt auf der Hand, wie es hätte weitergehen müssen: alle kämpfenden Belegschaften zusammen zu bringen, gemeinsame Planung weiterer Aktionen, gegenseitige Unterstützung und Einbeziehung weiterer Belegschaften, z. B. durch eine Konferenz.

Stattdessen werden die kämpferischen Belegschaften mit Hilfe der IGM-Spitzen abgewickelt: Sozialpläne, Transfergesellschaften. Statt dass Belegschaften wie zum Beispiel Bosch Bietigheim zum Erfolg geführt werden, macht die Bezirksleitung sie zum Exempel, dass Kämpfen nichts bringt. Sie schüttet Wasser auf die Mühlen aller derer, die behaupten, dass Kämpfen nichts bringt. Seien es kleine Feiglinge in der Abteilung oder große Verhinderer in den GBRs. Die IG Metall-Führung untergräbt mit diesem Vorgehen ihre eigene Solidaritäts-Kampagne „Solidarität gewinnt“ und damit die Kampfbereitschaft und die Glaubwürdigkeit der Gewerkschaft. Sie produziert so die massenhaften Gewerkschaftsaustritte.

Widerstand gegen das Kapital – Veränderung der Gewerkschaft!

Wir als aktive MetallerInnen, die in verschiedenen Mahle-Werken arbeiten, sind natürlich auch von den vergebenen Chancen zum Widerstand enttäuscht. IG Metall und GBR sind für diese schwere Niederlage verantwortlich. Deshalb ist eine wirkliche Wende in der IG Metall notwendig.

Wie kann sie kommen? Es ist nötig die Dominanz von „FunktionärInnen“ zu bekämpfen, die in den Betrieben den gewerkschaftlichen Kampf sabotieren. Es hat sich gezeigt, dass dort, wo unter den Beschäftigten, den Vertrauensleuten und Betriebsräten eigene Initiativen ergriffen werden, wie in Feuerbach, die Dinge in Bewegung kommen! Das dürfen aber keine Einzelfälle bleiben, sonst werden die Hoffnungen wieder verkümmern.

Wir haben beschlossen, diese Ausgabe der MAHLE-Soli dafür zu nutzen, um zu informieren, was eigentlich an welchem Standort los ist.

  • Wir rufen weiter dazu auf, jeden neuen Angriff zu bekämpfen und den Widerstand zu verbreitern. Die Perspektive der GF ist Zerstörung von Arbeitsplätzen, verschärfte Ausbeutung, Verlagerung und Entrechtung. Wir wollen eine Zukunft!
  • Wir unterstützen die Forderung in der IG Metall und an die IG Metall, die bedrohten Belegschaften zu vereinen. Eine Konferenz aller kämpfenden Belegschaften, Planung weiterer Aktionen, gegenseitige Unterstützung, Einbeziehung weiterer Belegschaften!
  • Als Mahle-Soli unterstützen wir Kolleginnen und Kollegen von anderen Betrieben bereits. Wir bauen Verbindungen auf und sind am METALLERTREFF und der VERNETZUNG FÜR KÄMPFERISCHE GEWERKSCHAFTEN beteiligt.

Die komplette Betriebszeitung findet ihr hier:

Mahle Soli Nr 12

https://www.vernetzung.org/wp-content/uploads/2021/07/Mahle-Soli-Nr-12.pdf




IG Metall: Angleichung Ost – Niederlage 3.0

Mattis Molde, Neue Internationale 256, Juni 2021

Im Westen war die Tarifrunde zu Ostern erledigt worden. Das Ergebnis ist äußerst kompliziert und schwer verständlich. Gute Voraussetzungen, um es schönzureden. In ihrer neuesten Darstellung des Ergebnisses behauptet die IG Metall zwar nicht mehr wie ursprünglich, „es gäbe 2,3 % mehr Geld“, aber die ganze Struktur des Abschlusses ist so, dass die Beschäftigten sich nicht ausrechnen können, was sie wann eigentlich kriegen, ob die verschiedenen Sonderzahlungen fließen oder sie stattdessen damit ihre eigene Kurzarbeit finanzieren, Auszahlungen verschoben werden oder aus wirtschaftlichen Gründen ganz entfallen. Böse Überraschungen sind programmiert, wenn IG MetallerInnen klar wird, dass dieses Ergebnis einen kompletter Ausverkauf darstellt.

Im Tarifgebiet Berlin-Brandenburg-Sachsen war die Tarifrunde weitergegangen. Dort herrscht seit Jahren ein starker Druck von der Basis, die Arbeitszeit von 38 Stunden endlich an die tariflichen 35 Stunden im Westen anzugleichen.

In vielen Betrieben gab es bis zu 4 eintägige Warnstreiks. Mehr als 126.000 KollegInnen streikten, das ist fast die Hälfte der ostdeutschen MetallerInnen. Dann wurde der Kampf abgeblasen. Ergebnis ist eine „Gesprächsverpflichtung“ der KapitalistInnen. Statt Tarifergebnis ein sozialpartnerschaftliches Kaffeekränzchen ohne Folgen. Aber wie in der ganzen Tarifrunde war seitens des Vorstandes ein Sieg nie gewollt.

Die Mindestvoraussetzung dafür wäre gewesen, die Arbeitszeitangleichung zum Kampfziel für alle Tarifgebiete zu machen, und zwar von Beginn der Runde an. Stattdessen war die Arbeitszeit Ost im Westen nirgendwo ein Thema – erst nach dem Abschluss West sollten Vertrauensleute Soli-Schreiben verfassen. Mindestvoraussetzung wäre auch gewesen, keinen Abschluss im Westen zu machen, solange das Ost-Thema nicht geregelt ist.

2018 versteckte sich die Bürokratie hinter der Formel, dass in Nordrhein-Westfalen nur abgeschlossen werden könne, was dieses Tarifgebiet auch beträfe. Tatsache ist aber, dass es keinen Pilotabschluss bei der IG Metall gibt, ohne dass Gesamtmetall und die IG Metallspitze vor Ort sind.

Kein Blumentopf

Wie weit die Erwartungen der Beschäftigten und die Welt der BürokratInnen inzwischen auseinanderliegen, konnte man auf der zentralen Kundgebung in Berlin  am 26.4. erleben. Auf der Oberbaumbrücke – einem früheren Grenzübergang zwischen Ost- und Westberlin fielen viele warme Worte über Gleichheit und Gerechtigkeit. Der Regierende Bürgermeister war dabei sowie eine ganze Schar von wichtigen Leuten. Weiter vorne standen die KollegInnen von Mahle-Wustermark, die mit einem Autokorso zur Kundgebung gekommen waren. Sie hörten den warmen Worten nicht zu.

Mit warmen Worten war schon 2003 und 2018 kein Blumentopf zu gewinnen. 2003 war das klar. Die Forderung nach Angleichung stieß auf heftigste Ablehnung. Alle bürgerlichen Medien beschuldigten die IG Metall, das zarte Pflänzchen „Aufschwung Ost“ zu zertrampeln, nachdem Kapital und Regierung im Jahrzehnt zuvor die industrielle Struktur der ehemaligen DDR nach allen Regeln der Kunst, des Schachers und des Plünderns zerlegt hatten. Der Streik wurde erbittert geführt. StreikbrecherInnen wurden mit Hubschraubern eingeflogen, Streikposten aus dem Westen zur Unterstützung vor die Werke im Osten gebracht.

Als es zu ersten Produktionsausfällen in der Autoindustrie im Westen kam, stand die IG Metall vor einer Entscheidung: Eine „kalte Aussperrung“  – eine Aussperrung durch die Unternehmen aufgrund von streikbedingtem Materialmangel – stand an, bei der aber die Beschäftigten im Westen Kurzarbeitergeld erhalten hätten. Das hätte die IGM zur Mobilisierung und Ausweitung des Kampfes in der ganzen Republik nutzen können.

Sabotage aus den eigenen Reihen

Stattdessen setzten sich die GesamtbetriebsratsfürstInnen der Autokonzerne durch. Im Interesse der Absatzzahlen „ihrer“ Großbetriebe machten sie Druck auf ein Ende des Arbeitskampfes. Erich Klemm von Daimler sprach von „tarifpolitischen Geisterfahrern“ und meinte die kämpfenden KollegInnen. Klaus Franz von Opel rief öffentlich zum Streikabbruch auf. Der Streik wurde abgebrochen, satzungswidrig ohne Urabstimmung.

2018 kam die Forderung nach der Arbeitszeitverkürzung nur durch massiven Druck aus Berlin-Brandenburg-Sachsen überhaupt auf die Tagesordnung. Die KollegInnen aus den Betrieben nutzten alle Konferenzen und Veranstaltungen der Gewerkschaft für ihr Anliegen. Wider Willen mußte der Vorsitzende Hofmann die Forderung übernehmen. Die Rache der Apparate: In den Präsentationen und Reden des Vorstandes und der Bezirksleitungen im Westen tauchte das Thema höchstens ganz am Rande auf, meistens gar nicht.

Das Thema wurde vertagt, bis der Westen abgeschlossen hatte. Anstelle einer tariflichen Regelung wurde im Osten eine Gesprächsvereinbarung für Großbetriebe getroffen. Die Zusagen wurden im Nachgang auf Druck von Gesamtmetall zerrissen.

Was ist jetzt vereinbart worden?

Bis Ende Juni 2021 soll ein Rahmen ausgehandelt werden, der „betriebliche Schritte zur Angleichung“ ermöglicht.

Statt des Flächentarifs können jetzt Haustarife oder betriebliche Regelungen kommen – hätten sie aber auch schon immer können. Die Umsetzung auf betrieblicher Ebene ist weit schwieriger und die Erpressbarkeit von Betriebsratsgremien ist entsprechend größer.

Für einige Metallbetriebe (VW, ZF, SAS) gibt es eine Stufenregelung zur Angleichung. Bei VW z. B. wird die Angleichung ab 2022 in 3 Schritten eingeführt, so dass ab 2027 – also 38 Jahre nach der sogenannten „Wende“ – in den sächsischen Werken nur noch 35 Stunden in der Woche gearbeitet wird. Wie zu hören ist, bezahlen allerdings die KollegInnen einen Teil der Kosten aus der eigenen Tasche.

Die Beendigung des Flächentarifkampfes ist also ein Signal an die Kapitalseite: „Macht eure Verzögerungstaktik weiter wie bisher, wir sind bereit, dies wegen des Erhalts der Wettbewerbsfähigkeit der kleineren Betriebe und des Standortes Deutschland zu akzeptieren“. Die vom IGM-Vorsitzenden Jörg Hofmann als Durchbruch gefeierte „Verhandlungsverpflichtung“ ist eine dreiste Lüge angesichts der dritten Niederlage der IGM im Osten, der dritten selbstverschuldeten bzw. selbst gewollten.

Eine klassenkämpferische Basisbewegung ist nötig

Es könnte eine endgültige Niederlage sein. Nicht weil die Belegschaften Arbeitszeitverkürzung nicht weiter fordern würden. Aber erstens bröckelt die Front durch die Einzelabschlüsse in den starken Betrieben. Das tarifpolitische Unwesen, mit allen möglichen Verrechnungen im Osten wie im Westen Arbeitszeitverkürzung selbst zu bezahlen und flexibilisieren, entzieht die Arbeitszeit immer mehr einer gemeinsamen tariflichen Grundlage. Dazu kommt, dass auch im Westen in vielen Betrieben keine 35 Stunden mehr gelten, sondern betrieblich längere Arbeitszeiten. Die „35 in Ost und West“ ist unter den IG Metall-Chefs Huber und Hofmann zur Fata Morgana geworden.

Diese Niederlagenserie einmal in dieser Tarifrunde und zum Zweiten in drei Schritten in der Frage der Arbeitszeit Ost macht noch mal zwingend deutlich, dass es eine grundlegend andere Orientierung in der Gewerkschaft braucht, um ihren Niedergang aufzuhalten und umzudrehen. Die Niederlagen setzen sich fort in allen Betrieben, die gerade geschlossen werden, und wo die Bürokratie in keinem Fall eine Wende herbeiführen konnte und nirgendwo ernsthafte Versuche dahingehend unternimmt. Niederlagen, die die Kraft der Gewerkschaft nachhaltig beschädigen: allein in Baden-Württemberg 60.000 Austritte! Eine Führungsspitze, die den Sieg nicht will und den Kampf sabotiert, ist untragbar.




Mahle: Hunderte im Warnstreik

Mattis Molde und KollegInnen der Betriebsgruppe Mahle-Soli, Infomail 1142, 12. März 2021

Bei Mahle brennt die Bude! Vor einem halben Jahr ließ das Management die Katze aus dem Sack und verkündete die Zerstörung von 7.600 Arbeitsplätzen, davon 2.000 in Deutschland. 800 wären das in Stuttgart, wo vor allem die Zentralen des Konzerns und der großen Geschäftsbereiche liegen. Es war klar, dass das Thema Arbeitsplätze auch die Tarifrunde bei Mahle beherrschen würde.

Am Dienstag, den 2.3., versammelten sich Hunderte in Feuerbach. Von diesem Sitz von Mahle Behr kamen auch die meisten Streikenden, dazu Beschäftigte aus Bad Cannstatt, dem Konzernsitz, den Werken 2 und Werk 3 (Fellbach) und von Mahle Aftermarket in Schorndorf, Delegationen von Mahle Behr Mühlacker/Vaihingen, vom Maschinenbauer Coperion, von Bosch AS aus Bietigheim und Gäste von Mercedes Untertürkheim. Die Polizei spricht von 650 Teilnehmenden, die IG Metall Stuttgart von über 650.

Nach den zahlreichen RednerInnen gab es einen Rundgang in Form einer  Menschenkette um das Werksgelände, dann war Feierabend: „Nach der Kundgebung kehrten die Beschäftigten nicht mehr an ihre Arbeitsplätze zurück“, schreibt die IG Metall Stuttgart. Da bleiben Fragen offen: Wie geht es weiter mit der Tarifrunde? Wie geht es weiter bei Mahle? Wird dieser gute Start genutzt oder wieder verspielt wie schon in so vielen Tarifrunden und in vielen Kämpfen um Arbeitsplätze?

Arbeitsplätze

Wie kann die Zerstörung von über 800 Arbeitsplätzen verhindert werden? Dass Mahle-Boss Stratmann es ernst meint, kann niemand mehr in Frage stellen.  Die meisten RednerInnen erwähnten, dass über die Vorschläge der Betriebsräte noch nicht einmal geredet werde, sondern die Pläne des Managements als „alternativlos“ bezeichnet würden. Aber die „Alternativen“ der Betriebsräte sind nicht wirklich  überzeugend: Gesamtbetriebsratschef Kalmbach meinte, dass das Management „10 Jahre geschlafen“ habe und mahnte eine viel stärkere Digitalisierung an – was letztlich heißt, das Management dafür zu kritisieren, dass der Kahlschlag nicht schon vor 10 Jahren begonnen hat.

Viele Mahle-Betriebsräte beschwören die „Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben“, die die Firmengründer vor Jahrzehnten mal propagiert haben, die aber schon damals mit der kapitalistischen Realität nichts zu tun hatte. Mit solchen Träumen und mit Appellen lassen sich ManagerInnen nicht rühren genauso wenig wie mit der Aufforderung der stellvertretenden Gesamtbetriebsratschefin Christidou, dass Stratmann gehen solle. Das klingt zwar kämpferischer als das Gebettel eines Kalmbach, aber genauso hilflos: Wie soll er abgesetzt werden und wer soll Stratmann ersetzen?

Die IG Metall sagt dazu nur vage: „Beschäftigung sichern“. Wie aber, bitte schön? Neue Beschäftigungs-„Sicherungen“, bei denen dem Abbau zugestimmt wird, um die restlichen Arbeitsplätze für kurz Zeit zu „sichern“? Das Ganze mit Lohnverzicht oder Ausdehnung der Arbeitszeit garniert? Noch einmal die Rezepte aufwärmen, die seit Jahren nichts sichern, sondern nur den ManagerInnen einen Freibrief für neue Angriffe ausstellen?

Spontane Aktion

Gut hundert Beschäftigte bei Mahle Behr hatten in der Vorwoche weniger Hilflosigkeit gezeigt: Die Personalabteilung hatte eine Versammlung verboten, die Betriebsrat und Belegschaft in der Entwicklung angesetzt hatten. Begründung: Corona. Diktatur im Namen der Gesundheit: Arbeiten ist erlaubt, Information über die Zukunft der Arbeitsplätze verboten. Die Betriebsratsvorsitzende Culjak berichtete auf dem Warnstreik, dass sich dies die ArbeiterInnen nicht gefallen ließen. Sie gingen zur Personalabteilung und warteten pandemiegerecht entlang allen Fluren dorthin, bis die PersonalerInnen sich aus dem Homeoffice aufgemacht hatten. Diese verweigerten weiter die Antworten, aber der Betriebsrat organisierte eine Versammlung in einer großen Halle. Die Wut hat in der Belegschaft zugenommen, der Mut auch.

Alternativen

Die auf der Hand liegende Forderung für Betriebe wie Mahle, eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, wurde übrigens von keiner/m der RednerInnen aufgestellt, auch nicht den RednerInnen der IG Metall, Röll und Henschel, und noch nicht einmal in der verkrüppelten Form, in der sie die IG Metall offiziell als Tarifforderung aufgestellt hat: mit Teillohnausgleich und beschränkt auf einzelne Betriebe. Haben die GewerkschaftsbürokratInnen Angst davor, dass die Leute dann fragen, warum sie weniger verdienen sollen, wenn sich die ChefInnen bei Mahle vor 2 Jahren 70 % mehr genehmigt haben? Und warum nicht alle in der Metallindustrie kürzer arbeiten sollen, um in der ganzen Branche die Arbeit auf alle zu verteilen?

Ebenfalls gab es keine Perspektive in der Frage, was eigentlich produziert werden soll. Die Strategie von Mahle wie der ganzen Autoindustrie besteht darin, keinerlei Entwicklung am Verbrenner aufrechtzuerhalten und alles auf die E-Mobilität zu werfen. Kalmbach kritisierte zu Recht die ManagerInnen, die in dem finalen Konkurrenzkampf um die letzten Profite aus dem Verbrenner massiv die Produktion verlagern. Nur: Profite sind der Zweck dieses kapitalistischen Systems, Menschen zählen nur als Arbeitskräfte. Die Beschwörung des Mahle-Konzerns als „Stiftungsunternehmen“ ist ein hilfloses und utopisches Ritual.

Der einzige realistische Weg, die Arbeitsplätze und die Kompetenz der Belegschaft zu sichern, liegt darin, diese vom Zwang des Profits für wenige zu befreien: Enteignung der Auto- und Zulieferindustrie, Umstellung der Entwicklung und Produktion auf effiziente und umweltfreundliche Verkehrssysteme. Die in dieser Branche Beschäftigten – auch die Betriebsräte – wissen sehr wohl, was alles in dieser Richtung möglich wäre und auch, was die E-Mobilität für Probleme bringt. Die Aufgabe der IG Metall wäre es, endlich eine Debatte in der gesamten Gesellschaft darüber zu eröffnen und zugleich dafür zu kämpfen, dass eine solche wirkliche Konversion unter Kontrolle der Beschäftigten durchgesetzt wird.

Kampf

Die Tarifrunde ist die gute Gelegenheit, erstens die Kämpfe in der ganzen Branche zu verbinden und zweitens den Kampf um Arbeitsplätze mit dem um Löhne und gegen die Angriffe von Gesamtmetall zu verbinden. Der Warnstreik in Feuerbach hat gezeigt, dass das geht, und das ist ein Fortschritt gegenüber solchen Veranstaltungen wie der Warnstreik 3 Tage später bei Mahle Behr in Mühlacker: Jede Schicht sollte da je eine Stunde früher nachhause gehen, genauso wie die Beschäftigten in Gleitzeit und Homeoffice: Keine Veranstaltung, kein Inhalt, kein Wofür und Warum, kein Gefühl von Gemeinsamkeit … Kein Versuch, das Feuer, das bei den KollegInnen in Feuerbach brennt, auch nach Mühlacker zu tragen …

Die Feuerbacher Beschäftigten, die sich angesichts der Angriffe selbst und mit ihren Vertrauensleuten mobilisiert haben, die 100 Leute, die das Personalbüro besetzt haben, oder die Kantinenbeschäftigten aus Cannstatt, denen allesamt Qutsourcing droht, sind ein Vorbild für alle. Sie sind auch ein Hinweis darauf, was in dieser Tarifrunde möglich wäre, wenn die IG Metall, die Betriebsräte und Vertrauensleute diese Tarifrunde nicht als das übliche Ritual durchziehen, sondern den Unmut und den Protest in wirksamen Widerstand verwandeln.

Die Tarifrunde bietet aber nicht nur die Möglichkeit, den Kampf um die Arbeitsplätze mit dem um Löhne und Arbeitszeit zu verbinden, sie bietet auch die Chance, den Kampf wirksamer zu gestalten: nicht nur Warnstreiks, sondern Streik. Das Wort Streik nahm auch in Feuerbach keine/r in den Mund. Aber daran wird sich die IG Metall-Spitze messen lassen müssen: Ist diese willens und in der Lage, die drängenden Probleme zu verbinden und überall die Kämpfe zu entfalten, Aktionen wie in Feuerbach zu nutzen, um die Zögernden mitzuziehen, oder öffnet sie nur einzelne Ventile und setzt ansonsten den Deckel drauf, hält Pflichtveranstaltungen nach bekanntem Ritual ab? Und wird sie innerhalb ihrer Organisation Vorbereitungen treffen, einen Streik durchzuführen? Und dies als Signal in die nächsten Tarifverhandlungen einzubringen? Die Entschlossenheit der Metallarbeit„geber“Innen läßt keine Zweifel, sie wollen alles: Arbeitsplätze vernichten, keine Lohnerhöhungen und tarifliche Errungenschaften wie die Alterssicherung angreifen. Sie wollen den Klassenkampf, den die GewerkschaftsführerInnen scheuen!

Der Warnstreik in Feuerbach zeigte: Es geht besser und mehr, sobald sich die Belegschaften selbst einmischen und Vertrauensleute und Betriebsräte mitziehen. Für eine erfolgreiche Tarifrunde ist es aber nötig, sich nicht nur  auf einzelne Betriebe zu beschränken, sondern daraus eine Bewegung zu bilden, die die ganze Branche erfasst. Die IG Metall-Bürokratie wird dies nicht von selbst tun und schon gar nicht will sie, dass wirksame Forderungen gegen die KapitalistInnen aufgestellt werden, die der Bewegung eine Perspektive verleihen! Alle Kolleginnen und Kollegen, die mit der Halbherzigkeit ihrer Betriebsräte und der Gewerkschaft unzufrieden sind, alle kritischen GewerkschafterInnen und alle Linken sind gefordert, in dieser Tarifrunde zusammenzuarbeiten, sich zu vernetzen und einen Schritt in Richtung einer klassenkämpferischen Basisbewegung zu gehen: damit die Kraft, die wir als Werktätige ausüben können, gegen die ProfiteurInnen eingesetzt wird!

Nachtrag: Am 9. März 2021 ging die Meldung durch die Medien, dass Herr Stratmann tatsächlich Ende März seinen Posten räumen wird. Es waren nicht die Betriebsräte oder die Belegschaften, die das durchgesetzt haben, sondern Aufsichtsratschef Junker. Es gibt von ihm genauso wenig zu erhoffen oder zu erbetteln wie von einem/r NachfolgerIn. Ein/e solche/r wurde noch nicht bekanntgegeben.




Tarifrunde 2021: Arbeitskampf und Widerstand sind angesagt!

Flugblatt der Vernetzung kämpferischer Gewerkschaften und des Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften Metallertreff, Infomail 1140, 3. März 2021

Wir Metallerinnen und Metaller sehen uns einem doppelten Angriff ausgesetzt: Hunderttausende Arbeitsplätze sind von Streichung und Verlagerung bedroht. Ganze Werke sollen geschlossen werden. Mit betrieblichen Vereinbarungen wurden betriebliche und tarifliche Errungenschaften kassiert und Krisenkosten auf die KollegInnen abgewälzt. Dazu fordert Südwestmetall (SWM) auch noch Eingriffe in die bestehenden Tarifverträge zu unseren Lasten. Das ganze nach drei Jahren ohne Lohnerhöhung. Die IG Metall steht vor der Aufgabe, gegen all diese Angriffe zugleich zu kämpfen. Das ist aber auch eine Chance, weil in der Tarifrunde alle gemeinsam für die gleichen Ziele kämpfen können, egal wie die wirtschaftliche Lage des einzelnen Betriebes ist und wir die Mittel von Warnstreik und Streik nützen können.

Die Angriffe der Metallkapitalisten gemeinsam zurückweisen

Letztes Jahr (2020) schon gab es eine Nullrunde. Noch vor Corona beschloss der IGM-Vorstand, ohne eine konkrete Entgeltforderung und ohne Arbeitskämpfe (mit einem Moratorium) die Tarifrunde durchzuführen. Die Durchführung wie auch der Abschluss war ein Schlag ins Gesicht der KollegInnen und eine Steilvorlage für die Metallkapitalisten, ihre Angriffe auf tarifliche und betriebliche Errungenschaften zu verschärfen. Und so kam es denn auch. Das Kapital nahm das Geschenk sehr gern an. Aber hielt es deswegen irgendwie still? Nein! Stattdessen tischen sie immer neue Forderungen, Streichkonzepte und Angriffe auf. Aktuell für die neue Tarifrunde:

  • Kürzung von Zuschlägen (z.B. Spätschichtzuschläge)
  • Angriff auf die Alterssicherung (Kündigungsschutz und Verdienstsicherung)
  • Verschlechterung von Pausenregelungen
  • Eine weitere Nullrunde dieses Jahr!
  • Eine Anhebung der Entgelte erst wieder, wenn das „Vorkrisenniveau“ erreicht ist, aber nicht vor 2022 – gerne auch nur per Einmalzahlung und nicht tabellenwirksam!
  • Das Metallkapital will darüber hinaus „automatische Differenzierungen“ zur Kostenentlastung für Betriebe in der Krise vereinbaren. Das Geschwurbel bedeutet nichts anderes, als dass ohne weitere Verhandlungen („automatisch“) in bestimmten Unternehmen Entgeltkürzungen in Kraft treten können, wenn die Unternehmen wirtschaftliche Probleme beklagen.

Und das nach einem Geschäftsjahr 2020, in dem z. B. Daimler seinen Profit trotz Pandemie massiv steigern konnte (von 4,3 Mrd. € 2019 auf 6,6, Mrd. € in 2020). Auch wird an die Aktionäre eine deutlich höhere Dividende ausgeschüttet (2019: 90 Cent, 2020: 1,15 €) – auf Kosten der KollegInnen! Sie haben über Kurzarbeit sowie Arbeitszeitabsenkungen ohne Verdienstausgleich einiges verloren. Insgesamt sind die Einkommen aller abhängig Beschäftigten in 2020 um 0,6% gesunken (lt. Statistischem Bundesamt)!

Weisen wir gemeinsam diese Angriffe zurück!

Wir haben es verdient! Mindestens 4 Prozent tabellenwirksam!

Unsere tariflichen und betrieblichen Standards für Kurzarbeit und für Krisenlagen, vor allem aber unser voller Einsatz sorgten dafür, dass Porsche, Daimler, VW, Bosch usw. gut, mit überraschend hohen Profiten aus dem Krisenjahr 2020 hervorgingen. Bei Daimler z. B. ging es in 2020 vom Shutdown über Kurzarbeit in den vollen Wiederanlauf, dann zur Mehrarbeit und Einstellung von Leiharbeitern. Eine ähnliche Entwicklung bei MAHLE. Dort wechselten in Mühlacker beispielsweise die KollegInnen direkt von der Kurzarbeit in die Mehrarbeit. In einigen Produktionsbereichen wurden sogar zusätzliche MitarbeiterInnen eingestellt, selbstredend nur prekär befristet! Alles ermöglicht durch Tarifvertrag bzw. Betriebsrat.

Viele Angestellte arbeiten seit fast einem Jahr im „Home-office“. Sie müssen dafür ihren Alltag vollkommen umbauen. Home-office lohnt sich – für das Kapital! Längst ist bewiesen: Es ist sehr produktiv – für die Firmen. Für betroffene Familien dagegen wächst der Stress! In der Produktion dagegen müssen viele KollegInnen weiter acht Stunden pro Tag, Schulter an Schulter, arbeiten, nur jetzt – unter erschwerten Bedingungen – mit Maske.

Alle Beschäftigten aber haben dazu beigetragen, wenn jetzt die Metallindustrie trotz Pandemie weiterläuft wie geschmiert. Es ist deshalb mehr als gerechtfertigt, dass die Beschäftigten ihre Forderung von 4 % mehr Lohn durchsetzen wollen! Nehmen wir es nicht hin, dass das Kapital ungerührt die Profite einstreicht, sie sogar aus Steuer- und Sozialversicherungsmitteln aufstockt (z.B. bei Kurzarbeit), und dass uns dann der neue Südwest-Metall-Chef und Daimler-Personalvorstand Porth uns in der Presse zurechtweist, vor 2022 gäbe es keine Lohnerhöhungen – frühestens.

Der Tarifrundenauftakt demonstrierte Kampfbereitschaft!

Gut war es, dass am 11. Februar vor Daimler Untertürkheim, in Feuerbach vor Coperion und in zahlreichen anderen Orten die KollegInnen ihren Kampfeswillen demonstrierten. Wenn unter altbekanntem Wehklagen Porth und andere Kapitalisten die nächsten Opfer von den Beschäftigten fordern, beeindruckt das niemanden mehr. Bei den Aktionen kam in vielen Reden klar heraus: Es geht vielen Unternehmen gut, sie machen (zum Teil erstaunlich hohe!) Profite, während wir, die arbeitenden KollegInnen, zunehmend in Not geraten. „Corona“ – das dient nur als willkommener Vorwand, um uns weiter, immer mehr unter Druck zu setzen. Fallen wir nicht auf die altbekannten Bluffs herein, sondern nehmen wir den Kampf auf!

Lassen wir den Auftaktaktionen einen entschlossenen und solidarischen Kampf folgen für unsere Forderungen:

  • für eine tabellenwirksame Erhöhung der Entgelte und der Ausbildungsvergütungen um 4 % ab Januar 2021 und eine Laufzeit von 12 Monaten
  • für die volle Aufnahme der Dualen StudentInnen in die tariflichen Regelungen
  • für die Angleichung der Arbeitszeiten in den östlichen Bundesländern an die westlichen

Arbeitszeitverkürzung Ja – aber vom Kapital bezahlt!

Wir befürworten auch Arbeitszeitverkürzungen auf die Viertagewoche. Aber wir finden es nicht okay, wenn die KollegInnen das durch Abzug von der Lohnerhöhung („Volumen 4%“) bezahlen sollen, auch wenn die Führung der IG Metall betont, das sei wenigstens ein Teil-Ausgleich. Wir befürworten Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Menschen brauchen gute Arbeitsplätze, um im Kapitalismus sich und ihre Familien durchzubringen, sie brauchen auch das Einkommen. Deswegen sagen wir vom Metallertreff und der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften VKG:

  • Wir brauchen die 30-Stundenwoche für alle und überall – bei vollem Entgelt- und Personalausgleich!

Lassen wir die Kapitalvertreter/innen jammern, „wir“ hier in Deutschland hätten die höchsten Lohnkosten. Bei jedem Zugeständnis klagen sie, die Wirtschaftswelt – ihr Profit – sei vom Untergang bedroht. Wir halten dagegen: Wir liefern höchste Qualität, Leistung und Produktivität! Dafür brauchen wir gute Bedingungen und eine Zukunftsperspektive, auch für die Kinder und Jugendlichen!

Nehmen wir den Kampf auf! Urabstimmung und Streik – der richtige Weg!

Lassen wir uns nicht beeindrucken von der Propaganda der Herren Porth (Südwestmetall und Daimler) oder Wolf (Gesamtmetall-Boss). Lassen wir uns auch nicht von den spalterischen Reden von Rechten und Nazis verwirren, die uns Metallerinnen und Metallern die Schuld für die Krise in die Schuhe schieben. Bereiten wir uns entschlossen und solidarisch auf den Arbeitskampf, auf Urabstimmung und Streik vor. Wir finden es ermutigend, dass die Mettinger Daimler-Kollegen am 11. Februar kämpferisch ankündigten, wieder auf die Straße („fängt mit B an und hört mit 10 auf!“) zu gehen, aber auch dorthin, wo die Chefs residieren. Wir finden es gut, wenn sich niemand von der „Corona-Krise“ bremsen lässt. Vor dem Daimlertor hieß die Losung: „Abstand – Maske – Arbeitskampf!

Verbinden wir den Tarifkampf mit dem Kampf für unsere Arbeitsplätze

Die Gewerkschaften brauchen ein Konzept zur Verteidigung der Arbeitsplätze, das auch Forderungen wie Enteignung der Bosse, Überführung in Gemeineigentum (IGM-Satzung), Konversion der Produktion, demokratische Kontrolle und Verwaltung durch Belegschaften mit beinhaltet. Wenn ein Betrieb geschlossen werden soll, geht es um Streiks, um die Besetzung von Betriebstoren oder Werkhallen, um den Abtransport von Maschinen und Produktionsanlagen zu verhindern, um Mobilisierung von Solidarität anderer Betrieben und Branchen. Über Solidaritätskomitees kann dies gut organisiert werden.

Kontakt:

metallertreff@yahoo.de

mahle-soli@protonmail.com

info@vernetzung.org




Exporte, Profite, Corona: Hotspot Schlüsselindustrien

Mattis Molde, Neue Internationale 253, Februar 2021

Drei Monate Lockdown mit wachsendem Druck auf das Privatleben und bestimmte Branchen wie Gastronomie und FreelancerInnen aller Art haben das Virus nicht ausreichend zurückgedrängt. Zaghaft haben Ramelow und Lauterbach die Industrie ins Spiel gebracht. Die Arbeit„geber“verbände schossen sofort dagegen, die Front aus Union/FDP/AfD sowieso und vermutlich brachten auch die GenossInnen in SPD und Linken die beiden schnell zum Schweigen. Der Mann für Trostpflaster aller Art, Hubertus Heil, bastelt an einem Recht für Beschäftigte, über Home-Office reden zu dürfen, und die Koalition einigte sich darauf, die Anzahl der privaten Gäste zu halbieren. „Weiter so“ für die Industrie war angesagt.

Die Kampagne #ZeroCovid hat jetzt alles durcheinandergebracht. Jetzt wird wirklich über die Arbeitsplätze diskutiert. Jede Menge Fakten und falsche Behauptungen kommen ans Licht, angebliche und tatsächliche Interessenlagen ins Spiel.

Profit vor Gesundheit

Natürlich sind die KapitalistInnen gegen ein Herunterfahren der Wirtschaft in der Corona-Krise, so wie sie gegen alles sind, was ihre Profite schmälert und sei es auch nur vorübergehend. „Der neue Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, sagte, es gebe keine Evidenz dafür, dass in Industrieunternehmen Hotspots entstünden“, schreibt das Abendblatt Berlin im November 2020. Natürlich sagt Herr Russwurm nicht, ob und wie denn überhaupt dies geprüft wird. Sammelt der BDI die Krankenzahlen der Firmen?

Natürlich nicht. Er braucht keine Belege, es reicht zu drohen: „Falls die Produktion in der Industrie etwa für vier Wochen ganz heruntergefahren würde, dauere es weitere vier Wochen, um sie wieder hochzufahren. Dies würde nicht ohne Folgen für das Wirtschaftswachstum bleiben.“ Die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, schlägt in dieselbe Kerbe: „Es gebe keinen Grund, warum in der deutschen Automobilindustrie Werke geschlossen werden sollten. Die Betriebe hätten sehr hohe Arbeitsschutzstandards und detaillierte Hygienekonzepte. Eine laufende Produktion in der Industrie sichere die Einkommen vieler Menschen und sei Voraussetzung für die Finanzierung aller Aufgaben des Staates. Einschließlich der Abtragung der Staatsschulden, die sich durch Corona noch einmal erheblich erhöht hätten.“

Die Autoindustrie arbeitet also für Wirtschaftswachstum, Finanzierung des Staates samt dessen Schulden und die Einkommen der Menschen. Neben all diesem Wohl für die Gemeinschaft fallen auch Gewinne an. Zehn Milliarden konnte VW für das Krisen- und Coronajahr 2020 schon mal ansagen, die anderen Konzerne haben ihre Zahlen noch nicht veröffentlicht.

Dann gibt es noch den Arbeitsschutz in den Betrieben. Wie die von Müller angesprochenen Hygienekonzepte aussehen, beschreibt ein Beschäftigter von BMW-Leipzig: „Treppengeländer und Türklinken wurden in den letzten drei Jahren nicht ein Mal gereinigt. Es gibt keine Desinfektionstücher an den Arbeitsplätzen. Ein Kollege wurde vom Gesundheitsamt auf Schicht angerufen und nach Hause in Quarantäne beordert. Die anderen wurden von den Vorgesetzten gezwungen weiterzuarbeiten.“ Ähnliche Berichte gibt es von Daimler Sindelfingen und aus anderen Betrieben. Was also Gesundheitsämter versuchen durchzusetzen, nämlich Kontaktpersonen von Infizierten zu isolieren, wird in den Betrieben unterlaufen. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass dies Einzelfälle sein sollten.

Freiwillig betreiben Unternehmen keinen Arbeitsschutz und entwerfen keine Hygienekonzepte. Das haben sie noch nie gemacht. Jede Verbesserung musste in der Geschichte von den Werktätigen selbst erkämpft oder vom Staat durchgesetzt werden – gegen die einzelnen KapitalistInnen, wenn auch oft im Interesse des gesamten Kapitals: Die Praxis der Unternehmen, verbrauchte ArbeiterInnen einfach zu ersetzen, ist zwar für den einzelnen Betrieb das Billigste, kommt aber für alle zu teuer.

Es gibt in Deutschland viele Gesetze und Regelungen für Arbeitsschutz, aber keine wirksame staatliche Kontrolle. Die dafür formal zuständigen Ämter sind personell viel zu gering besetzt. Man kann ein ganzes Leben lang arbeiten, ohne je eine der dafür angestellten Personen zu treffen. Dass dies auch bei Pandemien gilt, haben schon die Masseninfektionen auf den Schlachthöfen, Bauernhöfen und in Logistikzentren gezeigt. Dass der Profit vor Gesundheit geht, ist keine Frage der Moral oder der Branche, sondern folgt aus den Gesetzen des Kapitalismus. Nur ein aktives Vorgehen gegen die Logik des Profits hilft dagegen.

Betriebsräte und IG Metall

Neben den Ämtern gibt es aber auch Regelungen im Betriebsverfassungsgesetz, die den Beschäftigen ein Beschwerderecht und den Betriebsräten Informations- und Beratungsrechte sichern. Es gibt auch die Pflicht, Gefährdungsbeurteilungen durchzuführen, die Betriebsräten weitgehende Rechte einräumt und die Möglichkeit, die Beschäftigten selbst zu befragen. Dumm nur: Rund die Hälfte der Beschäftigten im Land arbeitet in Betrieben ohne Betriebsrat.

In der Autoindustrie allerdings gibt es sie in allen Großbetrieben bei den Endherstellern und den großen Zulieferern. Und in diesen Betriebsräten hat praktisch überall die IG Metall die Mehrheit. Ein Teil derer nutzt seine Rechte und kommt seiner Verantwortung nach – andere nicht.

Auch der Vorsitzende der IG Metall bestätigt in der Augsburger Allgemeinen, dass es Unterschiede gibt: „Wir können feststellen, dass dort, wo in den Betrieben die in Zusammenarbeit mit der Politik entwickelten Hygienemaßnahmen strikt umgesetzt werden, die Infektionszahlen geringer sind als im privaten Umfeld. Aber wir kennen auch die schwarzen Schafe … “. Aber er folgert daraus: „Daher spricht die Faktenlage nicht dafür, die Industrie stillzulegen, … ein Runterfahren der Industrie hätte heftigste volkswirtschaftliche Konsequenzen.“

Weiter meint er: „Dann würde unsere Wirtschaftskraft zusammenbrechen. Doch diese Kraft brauchen wir dringend, um uns weiter alle sozialstaatlichen Maßnahmen zur Abfederung der Folgen der Krise leisten zu können. So ein Runterfahren der Wirtschaft hat lang anhaltende Konsequenzen: Wenn die Produktionsbetriebe zwei, drei Wochen schließen würden, dauert es mindestens doppelt so lange, ehe die Firmen wieder in der Lage sind, richtig loszulegen. … Wir müssen – soweit es geht – die industrielle Produktion fortsetzen, weil so Wertschöpfung und Einkommen für viele Menschen entsteht. Die Finanzierung unseres Sozialstaats kommt nicht aus der Steckdose.“

Oh Wunder! Fast die gleichen Worte wie Russwurm und Müller. Beim Chef der IG Metall, Jörg Hofmann, geraten allerdings die „staatlichen Aufgaben“ zu „sozialstaatlichen Maßnahmen“. Meint er damit den Kinderbonus, das Kurzarbeitergeld, das vor allem den Unternehmen genützt hat, oder die Milliardenhilfen für die Lufthansa?

Hofmann bläst auch in der Pandemie-Frage in dasselbe Horn wie die KapitalvertreterInnen. Er behauptet zu wissen, dass es neben Betrieben mit niedrigen Infektionszahlen auch „schwarze Schafe“ gibt. Warum nennt er sie dann nicht? Sind es die KollegInnen dort nicht wert, geschützt zu werden? Wären da nicht Strafen fällig für die Verantwortlichen? Warum macht der Gewerkschaftsboss die Vernebelungstaktik der Unternehmen mit? Der Chef des unternehmerfinanzierten Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, meinte am 24.1. bei Anne Will übrigens: „Wir wissen eigentlich nichts. 80 % der Infektionen sind nicht zuortenbar.“ Er schiebt den schwarzen Peter der Politik zu, aber im Grunde bestätigt er den systematischen Boykott durch Unternehmen und die bei ihnen tätigen BetriebsärztInnen. Er zieht im Grunde auch Hofmanns Argumentation mit der „Faktenlage“ den Boden unter den Füßen weg.

Autoboom

Der Gewinn von VW verrät es: Inzwischen gibt es wieder einen Boom in der Autoindustrie, insbesondere bei den oberen Segmenten. Die fetten Luxuskarossen werden wieder gebaut und überwiegend exportiert, weil die chinesische Wirtschaft sich erholt hat. In den damit befassten Betrieben werden Sonderschichten gefahren und wieder massenhaft LeiharbeiterInnen eingesetzt. Das ist genau die Situation, in der von oben auf jede/n kleine/n Vorgesetzte/n Druck ausgeübt wird, den Laden am Laufen zu halten, weil es ja so schwer ist, alles wieder in Gang zu bringen, wenn es mal gestockt hat. Die LeiharbeiterInnen sind fast wehrlos, sie wollen den Job nicht wieder gleich verlieren. Sie wären auf den Einsatz der Betriebsräte besonders angewiesen.

In einer solchen Konstellation ist der Infektionsschutz zweit- oder drittrangig. Das sind dann die „schwarzen Schafe“, aber genau diese werden von Jörg Hofmann geschützt. Weil, die bringen ja Kohle.

Die Komplizenschaft der IG-Metall-Spitze und der BetriebsratsfürstInnen hintertreibt nicht nur alle Bemühungen, das Virus einzudämmen. Sie zerlegt auch die IG Metall selbst. Sie fällt all den Belegschaften in den Rücken, die von Abbau- und Stilllegungsplänen betroffen sind. Beispiel Daimler: Im Herbst erklärte die Konzernspitze, sich nicht an die Vereinbarungen für die Werke Untertürkheim und Berlin halten zu wollen und weitere 4.000 Arbeitsplätze in Untertürkheim zu streichen. Berlin steht ganz auf der Kippe. Eine konzernweite Aktionswoche wurde verkündet, es gab Demonstrationen und Protestversammlungen – aber im größten Werk Sindelfingen fiel nicht eine Minute aus. Der Betriebsratsvorsitzende Lümali überbrachte stattdessen Grüße in Untertürkheim.

Also genau dort, wo gezielter Druck möglich wäre, wird gekuscht. Aktionen durchführen dürfen die Leute, die kurzarbeiten und um ihren Arbeitsplatz fürchten müssen. Dass die Arbeitsplätze in den Boomfabriken mittelfristig keineswegs sicher sind, zeigt das Beispiel Mahle: 2.000 Arbeitsplätze werden in Deutschland vernichtet, in Mühlacker werden Befristete eingestellt, aber noch nicht mal die Kürzungspläne für diesen Standort revidiert.

Diese Beispiele zeigen auf, dass selbst im gleichen Konzern die Betriebsräte und die IG Metall kaum gemeinsamen Widerstand organisieren und dort, wo sie am längeren Hebel sitzen, darauf verzichten, genau diesen einzusetzen. Eine Bewegung in der ganzen Branche wäre nötig angesichts der 10.000 Arbeitsplätze, die bedroht sind. Die Unterwürfigkeit, mit der Jörg Hofmann die Boomwerke aus einer echten Corona-Kontrolle raushält, ist die gleiche, mit der er zuschaut, wie das Kapital auf Kosten der Beschäftigten die Industrie umstrukturiert.

Tarifrunde

Die IG Metall war mit dem Plan in die Tarifrunde gegangen, schnell und einvernehmlich zu einem vertretbaren Ergebnis zu kommen. Die Verträge wurden extra verspätet gekündigt, um die Friedenspflicht zu verlängern. Die KapitalistInnen haben mit einem Forderungskatalog ihrerseits geantwortet, den Verzicht auf Erreichtes verlangt und unverhohlen mit weiterer Arbeitsplatzverlagerung und -vernichtung droht.

Auch diese Konfliktlage ergäbe Chancen, die Kräfte in dieser Gewerkschaft wieder zu bündeln: den Kampf für die erste Tariferhöhung seit drei Jahren mit der Verteidigung der Arbeitsplätze zu verbinden; die kampffähigen Teile der Organisation die Zaudernden mitziehenzulassen; die Möglichkeit zu streiken auch zu nutzen, um Stärke zu zeigen. Allein, es sieht nicht so aus, als ob es Kräfte im Apparat der IG Metall gäbe, die bereit wären, das sinkende Schiff wieder auf Kurs zu bringen.

Es bleibt als Hoffnung die Basis: Werden Belegschaften auch ohne Segen der Frankfurter Zentrale in den Kampf gehen? Wird es noch mehr MetallerInnen geben, die bei den nächsten Betriebsratswahlen eigene Listen aufstellen, aber auch lernen, dass das noch nicht für eine Wende reicht? Werden Bewegungen wie gegen die Klimakatastrophe und die Pandemie eine Antikrisenbewegung in Gang bringen, die auch in der Metallindustrie Widerhall findet?

All das muss letztlich in einer klassenkämpferischen Basisbewegung zusammenkommen und sich strukturieren, damit eine grundlegend andere Politik in der IG Metall durchgesetzt werden kann.




Massenentlassungen bei Mahle: Jetzt gilt’s! Mobilisierung gegen den Kahlschlag!

Karl Kloß/ Mattis Molde, Neue Internationale 250, Oktober 2020

Am 16. September verkündeten die Mahle-Bosse ihren Plan: den Abbau von insgesamt 7.600 Stellen weltweit – zusätzlich zu den hunderten Arbeitsplätzen, die sie schon bisher durch Entlassung von LeiharbeiterInnen und Befristeten sowie Werksschließungen vernichtet hatten. Auf Deutschland entfallen dabei 2.000 Stellen, auf Europa insgesamt 3.700, auf Nordamerika 2.800 sowie auf Südamerika und den Raum Asien/Pazifik insgesamt 1.100.

Das sind ziemlich genau 10 % der Belegschaften weltweit. Dass die Bosse solche Ziele im Visier haben, war keine Überraschung. Vor dem Hintergrund des seit nun 1,5 Jahren laufenden Sparprogramms bei Mahle, in dessen Zuge schon im vergangenen Jahr in Europa etwa 1.700 Stellen abgebaut worden sind, und der Ankündigung, mehrere Werke zu schließen, war es insgesamt nicht mehr eine Frage des „Ob“, sondern des „Wann“ für weitere Ankündigungen von Stellenstreichungen. Die Pandemie hat die Krise der Autoindustrie und der Zulieferindustrie nochmal vertieft, aber Bosse nutzen sie auch, um ihre Angriffe zu verschärfen.

In der Woche darauf wurden nun die Abbaupläne im Einzelnen bekannt: Gaildorf (282 Beschäftigte) soll bis 2023 geschlossen werden, Freiberg/Sachsen (86) schon bis 2022. Eislingen soll 39 von 274 Arbeitsplätzen verlieren, Rottweil 153 von 822, Zell im Wiesental 70 von 448, Wustermark 30 von 138, Lorch 36 von 191, Neustadt/Donau 95 von 503; Mühlacker 211 von 1.394, Schorndorf 95 von 443. An den Zentralen in Stuttgart sollen mindestens 800 von rund 4.500 gehen.  Ergibt insgesamt also zwischen 15 und gut 22 % pro Werk.

Die Betriebsräte

Dieser Abbau soll sofort beginnen und nächstes Jahr abgeschlossen sein. Das bedeutet in einigen Fällen, dass die Bosse bestehende Vereinbarungen mit den Betriebsräten brechen wollen.

Dass die Konzernführung die Aufsichtsratssitzung nutzen würde, um zur Attacke zu blasen, schwante auch den Betriebsräten. Vermutlich wussten diejenigen ihrer Mitglieder, die auch im Aufsichtsrat sitzen, sogar schon länger Bescheid. Vor dem Tagungsort in Stuttgart-Feuerbach protestierten am 16.9. dann zweihundert Beschäftigte. Der Betriebsrat in Feuerbach hatte dazu „aufgerufen“ mit der Aufforderung „Setzt mit uns ein Zeichen!“ und der Frage: „Kommt nun ein Personalabbau von 30 % – Bin ich auch betroffen?“

Statt Mobilisierung gegen die Gegnerin, die Konzernleitung, nur Betroffenheitslyrik, statt Protest nur Symbolik. Der Betriebsrat der benachbarten Konzernzentrale in Cannstatt verzichtete gleich ganz darauf, den Termin bekanntzumachen, andere Werke schickten Delegationen. Viele gutbezahlte Beschäftigte in den Zentralen des Konzerns stehen jeglichen Aktionen wie auch der Gewerkschaft generell distanziert gegenüber. Wenn aber auch 800 ihrer Arbeitsplätze bedroht sind und sie auch schon in den letzten 18 Monaten Mobbing und Druck von Seiten der Vorgesetzten und der Personalleitung erfahren haben, die sie zum „freiwilligen“ Gehen weichklopfen wollen, dann sind sie offen für Aktionen. Aber nicht für „Aktionen“, von denen sie nicht wissen, für die halbherzig geworben und deren Wirkungslosigkeit schon vorher deutlich gemacht wird.

Ein sehr fatales Bild gibt in diesem Zusammenhang die IG Metall ab: Bei der Aufsichtsratssitzung, bei der der Stellenabbau den Aufsichtsratsmitgliedern der Gewerkschaft verkündet wurde, gab es nicht wirklich eine Gegenreaktion, stattdessen wurde diese Entscheidung kommentarlos hingenommen. Der Gesamtbetriebsrat wiederum ist momentan mit sich selbst beschäftigt und nicht wirklich handlungsfähig, da ihm die Führung abhandengekommen ist.

Die IG Metall

Das passt insgesamt zur Haltung der IG Metall während der letzten sechs Monate: Statt aktiv den Widerstand gegen die Angriffe zu organisieren oder wenigstens zu Corona-konformen Aktionen zu mobilisieren, übt man sich in Passivität und harrt der Dinge, die da kommen. Ansonsten sieht die Strategie der Führung etwa so aus: Erst den Schock „sacken lassen“, dann Unmut oder Empörung äußern, mehr Mitbestimmung bei der Gestaltung der unternehmerischen Zukunft einfordern, an das soziale Gewissen der KapitalistInnen appellieren (im Fall von Mahle an die „soziale Verantwortung“ eines Stiftungsunternehmens) und im besten Fall zu halbherzigen Aktionstagen aufrufen und so hoffen, dass man etwas bewegen kann.

Dazu passt auch das Statement von Uwe Meinhardt, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender bei Mahle: „Die IG Metall akzeptiert keine betriebsbedingten Kündigungen und keine Standortschließungen. Unsere Tarifverträge haben genügend Instrumente, um ohne Entlassungen durch die Krise zu kommen. Das gilt für Mahle genauso wie für alle anderen Unternehmen der deutschen Automobilindustrie.“ Aus diesem kurzen Absatz der Pressemitteilung der IG Metall zum Stellenabbau bei Mahle wird vor allem eines deutlich: Man ist nicht dazu bereit, Aktionen auf der Straße durchzuführen und die Belegschaft dafür zu mobilisieren, sondern hofft auf eine „gütliche“ Einigung. Zudem setzt man auf sozialverträgliche Maßnahmen wie etwa Abfindungsprogramme auf „freiwilliger“ Basis, eine massive Ausweitung der Altersteilzeit, frühzeitige Verrentungen und letztlich Kurzarbeit im großen Stile. Dies sind die Werkzeuge, die Uwe Meinhardt, aber auch der Vorstand der IG Metall in Frankfurt meinen, wenn er davon spricht.

Widerstand aus der Belegschaft

Es gibt auch andere Stimmen in der Belegschaft. Unter dem Namen MAHLE-SOLIDARITÄT haben sich schon seit längerem KollegInnen aus 5 Werken zusammengetan und sind mit Flyern an die Öffentlichkeit gegangen. Sie haben schon vor der Aufsichtsratssitzung geschrieben:

„Dann (2019; Anm. der Red.) wurden Scheinlösungen gefunden: Arbeitsplatzsicherungen für einige Monate oder Kurzarbeit, die dann verlängert wird. Das hat die GF (Abk. für Geschäftsführung; d. Red.) ermutigt. Vor allem seitdem Öhringen im Stich gelassen wurde und Werke in mehreren europäischen Standorten geschlossen werden, wissen sie, dass die Betriebsräte nicht solidarisch sind. Jetzt, wo klar wird, dass die GF den großen Hammer auspackt, retten einige Führungsleute aus der Arbeitnehmervertretung nur noch sich. Aber neue Namen an der GBR-Spitze (GBR: Gesamtbetriebsrat; d. Red.) werden nur was ändern, wenn es eine Wende für eine offene und kämpferische Politik gibt!

Auch Herr Kocken von der IG Metall setzt sich ab. Er hatte gute Aktionstage organisiert. Aber solche Tage sind nur zum Dampf Ablassen, wenn danach nichts folgt. Es gab nie einen Plan, wie der Widerstand aufgebaut wird, was nach den Aktionstagen kommt, wie die Belegschaften gemeinsam die Pläne der GF blockieren können. Der Grund ist, dass Betriebsräte und IG Metall im Grunde die Ziele und die Entscheidungsgewalt der GF akzeptieren. (…)

Wir können anders, wenn Betriebsräte und IG Metall ihre Halbherzigkeit aufgeben, wir an der Basis uns selbst in Bewegung setzen und Druck machen, die Belegschaften ihre Kraft verbinden, bei Mahle und in der ganzen Autoindustrie. Wir können ihnen zeigen, dass sie uns brauchen, durch Ablehnung aller Überstunden, Sonderschichten, Verlagerungsmaßnahmen. Durch Streiks, die jetzt in der kommenden Tarifrunde völlig legal wären. Durch die Besetzung der Betriebe, die sie dichtmachen wollen. Durch Verteilung der Arbeit auf alle, bei vollem Lohn natürlich.“  (Mahle-Solidarität Nr. 8)

Nach der Aufsichtsratssitzung titelt die nächste Ausgabe von MAHLE-SOLIDARITÄT: „Aufsichtsrat läßt Katze aus dem Sack – Massenentlassungen bestätigt! 7.600 Arbeitsplätze bedroht!”

Und fordert:

„Nötig ist ein gemeinsamer Widerstand aller Belegschaften! Protestaktionen sind gut – aber nur, wenn sie helfen, echten Widerstand zu entwickeln, der die GF daran hindert, ihre Pläne umzusetzen!

Nötig sind Konzepte der IG Metall für Zukunftsprodukte! Für effektive, ressourcenschonende, kombinierbare Verkehrskonzepte. Über das E-Auto hinaus! Denn das verlagert das Abgasproblem nur, verstetigt Feinstaub- und Platzprobleme und schafft mehr und neue Umweltprobleme.

Aber wie sich schon in Öhringen zeigte, wo neue Produkte entwickelt, aber dann von der GF nicht umgesetzt worden waren:

Wir brauchen die Kraft, sie auch durchzusetzen!

Für eine Wende der IG Metall!

Die IGM muss in dieser ganzen Auto-Krise – nicht nur bei Mahle – zu anderen Mitteln greifen als zahnlosen Appellen:

  • Eine Perspektive für alle: Kampf um jeden Arbeitsplatz!
  • Streik! Besetzung von bedrohten Betrieben!
  • Enteignung von Betrieben, die von Schließung bedroht sind! (Steht in der Satzung der IG Metall !)
  • Kontrolle aller Unternehmensentscheidungen durch die Belegschaften, vor allem Investitionen, Entwicklung und Produktion! Das gilt erst recht für enteignete Betriebe!
  • 30-Stundenwoche für alle und überall bei vollem Entgelt- und Personalausgleich!“

Aktionsprogramm

Was die KollegInnen von Mahle-Solidarität sagen, zeigt den Weg nicht nur für die Mahle-Betriebe, sondern auch für die ganze Metall-Industrie. Gerade in Baden-Württemberg, aber nicht nur dort, stehen hunderte von Betrieben aus der Sicht des Kapitals zur Disposition.

Der Bezirksleiter der IG Metall, Zitzelsberger, benennt die Angriffe durchaus und organisiert eine Kampagne unter dem Titel „Solidarität gewinnt“. Aber das Ziel seiner Aktionen sind erneut „gute Vereinbarungen“. Diese werden aber nicht nur gerade jetzt häufig gebrochen, sie „sichern“ auch oft die Arbeitsplätze auf Kosten anderer im gleichen Konzern und sie reduzieren jede Belegschaft auf „ihre Interessen“. Dies hat seine Ursache in der Politik der IG Metall, die Partnerschaft mit dem Kapital auch unter dem Generalangriff desselben fortzusetzen. Hier ist die Forderung der MAHLE-SOLIDARITÄT vollkommen richtig, dass der Kampf nur dann erfolgreich sein wird, wenn die ganze Branche und alle bedrohten Belegschaften gemeinsam kämpfen.

Gemeinsam heißt nicht zeitgleich, sondern für die gleichen Ziele, für das gleiche Programm!

  • Also 4-Tage-Woche nicht als „betriebliche Lösung“, sondern für alle, um die Arbeit auf alle zu verteilen.
  • 4-Tage-Woche (oder 30 Stundenwoche) bei vollem Lohnausgleich, damit alle mitmachen können!
  • Entschädigungslose Enteignung aller Unternehmen, die Beschäftigte entlassen wollen und Verstaatlichung unter demokratischer ArbeiterInnenkontrolle!
  • In so einem Kampf hätten auch Streiks und Betriebsbesetzungen ein anderes Ziel, als nur die Abfindungen zu erhöhen.

MAHLE-SOLIDARITÄT arbeitet mit dem Metallertreff Stuttgart und der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften VKG zusammen. Das zeigt den Weg, wie in der IG Metall für eine andere Politik gekämpft werden kann. Das ist die Basis, auf der aktive kritische KollegInnen und die Linke, AktivistInnen gegen die Klimakatastrophe und die Krisenpolitik zu einer Bewegung werden können. Denn letztlich sind zwei Dinge nötig: den Kampf im Betrieb unter die eigene Kontrolle zu bekommen, und zweitens ist eine Bewegung aufzubauen, die die Angriffe des Kapitals insgesamt bekämpft.




Untiefen der SozialpartnerInnenschaft – die Tarifpolitik der IG Metall

Mathis Molde, Infomail 1118, 21. September 2020

Wie stellt sich die IG Metall in der nächsten Tarifrunde auf? Die einzige Meinung, die bisher an die Öffentlichkeit gedrungen ist, ist die von Jörg Hofmann. Er schlägt die 4-Tage-Woche vor mit einem „gewissen“ Lohnausgleich.

Die Idee, dass die Arbeitszeit verkürzt wird, um mehr Arbeitsplätze zu halten, hat ihren Reiz. Die Frage der Arbeitsplätze bestimmt derzeit zu Recht alles in der IG Metall. Zehntausende davon sind schon verschwunden, Hunderttausende sind bedroht: durch die Konjunkturkrise und zunehmende Handelskriege, den Ausstieg aus der Verbrennungsmotorentechnologie, die Digitalisierung und all dies begleitet von massiven Verlagerungen der Produktion, vor allem in der Auto- und Zulieferindustrie, aber auch im Maschinenbau.

Auf diese massive Attacke der Metallunternehmen ist die Arbeitszeitverkürzung die richtige Antwort: Wenn die KapitalistInnen Arbeit einsparen und wegrationalisieren, dann muss die vorhandene auf alle verteilt werden – natürlich in der ganzen Branche, am besten im ganzen Land. Nur: das, was Jörg Hofmann vorschlägt, ist etwas anderes.

Er will die 4-Tage-Woche nicht für alle, sondern als Wahlmöglichkeit für Betriebe. Es werden also keine neuen Arbeitsplätze geschaffen, weil in Betrieben, die nicht abbauen, Unternehmen und Betriebsräte keinen Anlass haben, die Arbeitszeit zu verkürzen. Vor allem nicht, wenn damit auch die Löhne gekürzt werden – bis auf einen „gewissen“ Rest.

Es werden auch keine Arbeitsplätze dauerhaft gesichert, die von Rationalisierung und Verlagerung bedroht sind. In solchen Fällen würde nur der Personalabbau gestreckt. Der einzige Fall, in dem Hofmanns 4-Tage-Woche Sinn machen könnte, wäre bei einem vorübergehenden Arbeitsrückgang – also als eine andere Form der Kurzarbeit. Kurzarbeit gibt es aber schon auf gesetzlicher Grundlage und verschiedenen tariflichen Formen (TVBesch, T-ZUG,..). Immer bezahlen die Beschäftigten mit Lohnverlust oder durch ihre Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und immer gibt es einen „gewissen Ausgleich“.

Hofmanns Idee ist also nichts Neues. Und sie ist völlig ungeeignet, um der Vernichtung von geschätzten 400.000 Arbeitsplätzen in der Metall- und Elektroindustrie zu begegnen. Vor allem weil ihm nichts anderes einfällt, als den Unternehmen „Angebote“ zu machen, wenn diese voll angreifen.

Streik statt Angebote und Betteln!

Die Tarifrunde bietet die Chance, alle Belegschaften zu vereinen in einem gemeinsamen Widerstand bis hin zum Streik:

  • Gegen alle Entlassungen und Abbaupläne! Keine Verlagerungen!
  • Keine Ausweitung prekärer Beschäftigung! Schluss mit der Spaltung! Feste Arbeitsplätze für alle!
  • Enteignung aller Betriebe, die abbauen oder geschlossen werden sollen, gemäß § 2 unserer Satzung und Überführung in Gemeineigentum! Konversion der Produktion im Interesse der Bevölkerung und ökologischer Nachhaltigkeit unter Kontrolle durch Betriebsräte und Vertrauensleute und Einbeziehung von WissenschafterInnen und UmweltexpertInnen, die das Vertrauen der ArbeiterInnen genießen! Finanzierung dieser Maßnahmen durch massive Besteuerung von großen Vermögen und Profiten!
  • Schaffung neuer Arbeitsplätze Hand in Hand mit Investitionen in Gesundheit, Umwelt , ÖPNV, Bahn und Zukunftstechnologien!
  • Umverteilung der Arbeit auf alle statt Entlassungen! 4-Tage-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich!



Abwrackprämie: Sozis beißen sich

Mattis Molde, Neue Internationale 248, Juli/August 2020

Wenn SozialdemokratInnen sich gegenseitig vorwerfen, die AfD zu fördern, politische GeisterfahrerInnen zu sein und die Interessen der Beschäftigten zu verraten, lässt das aufhorchen. Die SPD, diese Verkörperung von Zahnlosigkeit, hat schon lange niemand mehr richtig wehgetan. Woher als plötzlich diese Bissigkeit?

Es geht um die Kaufprämie für Pkws. Die Auto-Bosse hatten diese auch für „schadstoffarme“ Verbrenner gefordert und in ihrem Schlepptau hatte die IG Metall sich mit breiter Brust dahinter gestellt. Die Bundesregierung mit der daran beteiligten SPD verfügte wenigstens über so viel politisches Gespür, dass die Einführung einer solchen Prämie ein PR-Desaster bedeutet hätte.

Gespür?

Die ganzen Versprechen für eine CO2-Reduktion, die nirgendwo so unverwirklicht sind wie im Verkehrssektor, wären noch schneller noch unglaubwürdiger geworden. Diese Prämie zur fortgesetzten Luftverschmutzung hätte alle anderen Branchen auf den Plan gerufen, die ähnliches gefordert hätten – Kohle, Luftverkehr, Energie, Landwirtschaft vorneweg.

Nicht dass die Autokanzlerin und ihr Gefolge dem Auto abgeschworen hätten. Es gibt keinen Anlass zur Freude für UmweltschützerInnen. Die Mehrwertsteuersenkung von 3 % bringt den KäuferInnen von Oberklassenschlitten etwa so viel wie die Abwrackprämie von 2009, die 2500 Euro betrug. Die Kaufanreize für E-Autos wurden erhöht. Die Autoindustrie bekommt ohnedies jede Menge an Subventionen und sackt auch den Löwenanteil an Forschungsförderung ein.

All das stärkt nicht nur die Konkurrenzfähigkeit des deutschen Kapitals auf dem Weltmarkt, es bietet auch die Basis für die Integration bedeutender Teile der ArbeiterInnenklasse und die „Sozialpartnerschaft“, also die Unterordnung der Gesamtinteressen der ArbeiterInnenklasse unter jene des Kapitals. Die Löhne der Stammbelegschaften der Autoindustrie betragen mit allen Zulagen und Prämien im Durchschnitt satt das Doppelte anderer Lohnabhängiger. Es wäre für die Millionen Menschen, insbesondere für diejenigen, die in Krankenhäusern, Kindertagesstätten, im Handel oder öffentlichen Verkehr mit zusätzlichen Belastungen und Risiken gearbeitet haben, völlig unverständlich gewesen, warum NeuwagenkäuferInnen, zu denen die wenigsten dieser Menschen im Moment gehören, mehr Geld für einen Autokauf bekommen sollen, als sie als Corona-Prämie für 3 Monate Zusatzbelastung vage in Aussicht gestellt bekommen haben.

Wenn diese Gelder, die letztlich Geschenke für die großen Exportkapitale sind, im Namen der Sicherung von Arbeitsplätzen fließen würden, zu einer Zeit, wo auch zehntausende Arbeitsplätze in anderen Branchen gestrichen werden oder heftig gefährdet sind, was hätten da die VerkäuferInnen von Kaufhof-Karstadt gesagt?

Geisterfahrt?

Selbst dieses politische Gespür, das die SPD-Vorsitzenden Esken und Walter-Borjans wenigstens vorweisen können, geht Hofmann und dem ganzen IG-Metall-Vorstand ab.

„Man darf die für Deutschland so wichtige Branche mit direkt und indirekt über zwei Millionen Beschäftigten nicht in einer industriepolitischen Geisterfahrt gegen die Wand fahren“, erklärt Hofmann.

Das verkündet der Chef der stärksten Industriegewerkschaft der Welt, der zulässt, dass in dieser so wichtigen Branche bereits zehntausende Arbeitsplätze gestrichen, verlagert wurden oder noch werden und zehntausende LeiharbeiterInnen und befristet Beschäftigte schon arbeitslos geworden sind. Das alles ohne jegliche soziale Abfederung, derer sich die Gewerkschaftsspitze und die BetriebsratsfürstInnen so gerne rühmen, wenn sie damit die Abbaupläne „begleiten“. Gerade die Entlassung der prekär Beschäftigten ist Hofmann nicht mal ein Zucken im Mundwinkel wert gewesen.

Es gab auch keinen Widerstand in den betroffenen Betrieben, der über Aktionstage oder Proteste hinausgegangen wäre. Solche Aktionen verstehen Hofmann und die ganze Metall-Bürokratie als „Verhandlungsbegleitung“, was nichts anders bedeutet, als dass die Konfrontation mit dem Kapital und seinen Plänen erst gar nicht gesucht wird. Allenfalls sollen die KonzernchefInnen und Unternehmerverbände daran erinnert werden, dass sie die IG Metall und die Betriebsräte weiter als „PartnerInnen“ brauchen.
Am besten zeigt dies auch für Branchenfremde der Streik beim Getriebebauer Voith in Sonthofen. Während die Gewerkschaftsmitglieder im Betrieb geschlossen in diesen Kampf gingen, organisierte die IG Metall nicht eine Solidaritätsaktion in den anderen Konzernniederlassungen. Die GewerkschaftsvertreterInnen im Aufsichtsrat stimmten der Schließung zu und der Streik wurde mit etwas besseren Abfindungen beendet.

Industriepolitik

„Industriepolitik“ fordert Hofmann ein. Ein sehr sozialdemokratischer Begriff, mit dem man die Unterordnung unter die Wünsche des Kapitals im Namen der Beschäftigten, des „Standortes“, der Region oder „Deutschlands“ gerne begründet. Diese Industriepolitik machen SozialdemokratInnen bis zur Selbstaufgabe: von der Umwidmung von Naturschutzgebieten, der Übernahme von Erschließungskosten auf lokaler Ebene bis zur Agenda 2010 und der damit erzielten Einrichtung eines riesigen Niedriglohnsektors und der generellen Senkung der Reallöhne.

Solange Porsche im Naturschutzgebiet ein Parkhaus bauen darf und Daimler in den Rheinauen ein Autowerk, solange die niedrigen Löhne vor allem den Dienstleistungsbereich betreffen, solange die Jugend nie etwas anderes gesehen hat und sehen soll und die „Ossis“ und die MigrantInnen froh sein sollen, dass sie überhaupt was kriegen, solange haben SozialdemokratInnen keine großen Konflikte über „Industriepolitik“.

Aber die „Industriepolitik“ wird immer mehr zur Klientel-Politik, zur Vertretung eines bestimmten Teils des Kapitals, und zwar je mehr die Krise zu nimmt, je weniger es zu verteilen gibt und je erbärmlicher die Hoffnung wird, dass durch das Anschieben eines Teils der Wirtschaft das Ganze wieder wundersam in Bewegung gerät. Im Kern geht es beim Konflikt zwischen der IG-Metall-Führung und der SPD-Spitze und ihren Kabinettsmitgliedern genau darum. Die „Industriepolitik“ der Gewerkschaftsbürokratie und der Betriebsräte geht vom Standpunkt des Einzelkapitals, allenfalls noch der Branche aus. Die SPD versucht sich als Anwältin des gesellschaftlichen Gesamtkapitals und längerfristiger Interessen, was auch Konflikte mit den unmittelbaren Profitinteressen des Einzelkapitals inkludieren kann.

Während die SPD daher für die gesamte Klasse einzelne Reformversprechungen ausgibt (Rente, Mindestlohn, Einschränkung von Subunternehmen, …) und diese in ein ökologisches und soziales Modernisierungsprojekt des Gesamtkapitals einzubetten verspricht, beschränken sich die Gewerkschaftsapparate und Konzernbetriebsräte immer offener auf das unmittelbare Interesse ihrer „Kernklientel“ und der Branchen, in denen sie beschäftigt sind. Politisch laufen beide nicht nur auf die Quadratur des Kreises hinaus. Sie verschärfen auch die Entsolidarisierung zwischen verschiedenen Teilen der ArbeiterInnenklasse, den Beschäftigtengruppen unterschiedlicher Branchen, ja letztlich auch konkurrierender Unternehmen oder gar Standorte. Mit der Unterstützung der Auto-Bosse durch die IG Metall bei der Frage Kaufprämie für Verbrennungsmotoren hat es die Gewerkschaft nicht nur geschafft, die SPD rechts zu überholen. Der Konflikt offenbart auch die innere, reaktionäre Logik der Sozialpartnerschaft und Standortpolitik – einer Politik, der kämpferische GewerkschafterInnen den Kampf ansagen müssen. Ohne Wenn und Aber.