Pakistan: Gwadars Kampf gegen den kapitalistischen „Fortschritt“

Sheraz Arshad, Infomail 1178, 21. Februar 2022

Die Hafenstadt Gwadar in der pakistanischen Provinz Belutschistan ist der Ausgangspunkt für den Chinesisch-Pakistanischen Wirtschaftskorridor (CPEC), eine wichtige strategische Verbindung im Rahmen von Pekings „Neuer Seidenstraße“ („Belt and Road Initiative“). Doch von Prestigeprojekten wie einem internationalen Flughafen, Kraftwerken, neuen Hafenanlagen und Schnellstraßen haben die Menschen in der Region keine Vorteile. Schlimmer noch, die Hauptstütze der lokalen Wirtschaft, die Küstenfischerei, wurde durch die Ankunft der gigantischen Trawler aus China praktisch zerstört.

Bewegung

Nach Jahren gebrochener Versprechungen in Bezug auf neue Arbeitsplätze und Industrien wandelte sich im November das Ausmaß der Proteste radikal, als eine neue Bewegung, Gwadar Ko Haq Do (Rechte für Gwadar), ins Leben gerufen wurde. Bei einer Sitzblockade in der Stadt unterstützten Hunderttausende die 19 Kernforderungen der Bewegung. Diese beinhalten unter anderem ein Verbot von Fischtrawlern, die Beseitigung von Hindernissen für den grenzüberschreitenden Handel mit dem Iran, die Beseitigung von Sicherheitskontrollpunkten, ein hartes Durchgreifen gegen den illegalen Drogenhandel, die Schaffung von Arbeitsplätzen vorrangig für die örtliche Bevölkerung, Beendigung der Schikanen und Maßnahmen gegen Hunderte von „Vermissten“ durch die Polizei – Aktivist:innen, von denen angenommen wird, dass sie von den Sicherheitskräften entführt wurden.

Schon das Ausmaß der Bewegung machte sie zu einem Meilenstein im Kampf um die Entwicklung Belutschistans. Noch bedeutender war jedoch die Tatsache, dass zum ersten Mal eine große Zahl von Frauen daran beteiligt war. Sie sagten, sie seien aus ihren Häusern vertrieben worden, weil ihre Männer wegen des illegalen Fischfangs durch Trawler und der Handelsbeschränkungen an der iranischen Grenze ihre Arbeit verloren hätten. Sie beklagten ihre extreme Armut, den Hunger in den Familien, den Mangel an sauberem Wasser und Strom sowie das völlige Fehlen von Gesundheits- und Bildungsangeboten.

Die Bewegung von Gwadar breitete sich auf andere Städte aus und erhielt Unterstützung aus ganz Belutschistan. Dies alles geschah auch, weil sich seit dem Ausbruch der Covid19-Pandemie eine bedeutende Veränderung vollzogen hat. Die Pandemie sorgte dafür, dass die große Masse der Menschen mobilisiert wurde, deren Zahl ihre Angst vor dem Staat übersteigt.

Mittlerweile protestieren auch Student:innen aus Belutschistan für ihre Rechte. Trotz Polizeigewalt und Festnahmen fordern sie beharrlich, dass die Regierung die Privatisierung des Bolan Medical College und der Universität von Belutschistan zurücknimmt. Die Student:innen besetzten die Universität aus Protest gegen das gewaltsame Verschwinden von zwei ihrer Kommiliton:innen. Zu ihrer Unterstützung wurden in großem Umfang Bildungseinrichtungen in ganz Belutschistan geschlossen, bis die Regierung sich gezwungen sah, zu verhandeln und die Rücknahme der Privatisierungen zu versichern. Es bleibt abzuwarten, wie erfolgreich dies sein wird, bedeutet aber in jedem Fall einen großen Erfolg für die belutschischen Student:innen.

Die Gesellschaft der Belutsch:innen wird insgesamt politisch aktiver. Früher gab es lediglich Konfrontationen zwischen den Sicherheitskräften und Guerillakämpfer:innen, jetzt sind auch Student:innen, Frauen, Arbeiter:innen, die untere Mittelschicht und die Armen, kurz gesagt: die Masse der Bevölkerung, auf die politische Bühne getreten und fordern Mitbestimmung über ihre eigene Zukunft.

Diese Bewegung bedeutet deshalb einen großen Schritt nach vorne für die belutschische Gesellschaft, aber um Fortschritte zu erreichen, muss sie sich selbst organisieren. Es überrascht nicht, dass die Bewegung zunächst von religiösen Persönlichkeiten angeführt wurde, insbesondere von Maulana Hidayat-ur-Rehman, dem Generalsekretär der Jamaat-e-Islami (Islamische Gemeinschaft) in Belutschistan. Er war es auch, der das Abkommen mit der Regierung aushandelte, das den Sitzstreik beendete. Jamaat-e-Islami war jedoch zuvor eine Verbündete der Sicherheitskräfte. Deshalb braucht die Bewegung eine zuverlässigere und vor allem kontrollierbare Führung.

Perspektive

Wir fordern, dass alle Sektoren – Fischer:innen, Arbeiter:innen, Frauenorganisationen, Student:innen – ihre eigenen Aktionskomitees wählen und sich untereinander abstimmen. Wir fordern, dass alle Projekte, die in Gwadar in Angriff genommen werden, der Zustimmung dieser Volksorganisationen bedürfen. Unabhängig von den politischen oder religiösen Bindungen stellt die Bewegung objektiv einen Kampf gegen die kapitalistische Ausbeutung und die Unterordnung der Region unter die Interessen des chinesischen Imperialismus dar, weshalb Sozialist:innen sie in jeder möglichen Weise unterstützen sollten.

Die beste Unterstützung besteht darin, das Verständnis für die Bewegung und die Solidarität mit ihr unter der Arbeiter:innenklasse und den armen Bauern/Bäuerinnen im übrigen Pakistan zu verbreiten. Im ganzen Land sehen sich Millionen von Menschen mit zunehmender Not konfrontiert, nicht nur als direkte Folge der Pandemie und der steigenden Preise für lebensnotwendige Güter, sondern auch auf Grund der Regierungspolitik zum Schutz der Interessen der größten pakistanischen und imperialistischen Konzerne.

Sozialist:innen müssen bei der Organisierung der Kämpfe für wirtschaftliche und politische Forderungen eine führende Rolle spielen, indem sie zu demokratischer Selbstorganisation in Gewerkschaften und kommunalen Organisationen aufrufen. Nur solche können sowohl eine effektive und kontrollierbare Führung im Kampf bieten als auch die Grundlage für den Sturz des bestehenden Systems und seine Ersetzung durch eine demokratisch geplante, sozialistische Gesellschaft schaffen. Alle Aktivist:innen, die die Notwendigkeit dieses Kampfes verstehen, müssen sich selbst organisieren und eine neue, revolutionäre Arbeiter:innenpartei in Pakistan aufbauen.




Ihre Freiheit ist eine Lüge

ArbeiterInnenmacht-Rede zum AfD-Gegenprotest in Herrenberg, Infomail 1176, 25. Januar 2022

Hallo GenossInnen,

wie wir wissen, schießen die Infektionszahlen in diesen Tagen wieder mal in die Höhe und scheinbar geht auch einigen Leuten dabei im Kopf die Sicherung durch. Zu der Omikron-Welle kommt jetzt zu allem Unglück noch eine Spaziergangswelle von Verwirrten, die mit hohlen Freiheitsphrasen um sich schmeißen.

Für diese Leute ist die Verweigerung des Maskentragens und der Impfung der letzte Hort der Freiheit. Sie halten sich nicht an den Infektionsschutz und denken, das sei ein Widerstandsakt. Die AfD fühlt sich berufen, diesen SpinnerInnen eine Stimme zu geben.

Die AfD fordert Freiheit für das egoistische Individuum. Die ganz reale Unfreiheit – der Lohnabhängigen, von rassistisch Unterdrückten, von Frauen oder LGBTQ-Personen – verteidigt sie als Gesetz der Natur.

Wir wollen diesen reaktionären Haufen nicht mehr sehen!

Der gemeinsame Nenner der sogenannten SpaziergängerInnen ist Wissenschaftsleugnung und Ablehnung des Infektionsschutzes. Unsoziales, gemeingefährliches und egoistisches Verhalten wird zur Protestkultur einer Bewegung der vermeintlich Fitten, die denken, Corona könne ihnen nichts anhaben.

Woher kommt dieser absurde Möchtegernprotest?

Den Nährboden für diese reaktionäre Bewegung haben die Regierungen mit ihrer gescheiterten Pandemiepolitik selbst bereitet. Deren Ziel war nie der Schutz von Leben und Gesundheit, sondern, die kapitalistische Profitmaschine am Laufen zu halten. Es gilt als Erfolg, dass schwerkranke PatientInnen einen Beatmungsplatz bekommen. Dass sie an einer vermeidbaren schweren Krankheit leiden, wird als unvermeidbarer Kollateralschaden verbucht, damit die kapitalistische Wirtschaft weiterlaufen kann.

Das ist menschenverachtende Politik im Interesse des Kapitals!

Letzten Sommer wurde das baldige Ende der Pandemie angekündigt und es wurden daher auch keine Vorbereitungen für die vierte Welle getroffen. Mittlerweile ist das faktische Ziel der Bundesregierung die Durchseuchung der gesamten Bevölkerung. Karl Lauterbach, unser ach so toller Gesundheitsminister, dem seit jeher ein auf Profiterwirtschaftung getrimmtes Gesundheitswesen wichtiger ist als Menschenleben und der maßgeblich die Einführung der DRGs vorangetrieben hat als „Berater“ der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, rechnet selbst mit mehreren hunderttausend Neuinfektionen pro Tag und trägt das vor, als wäre es die Wettervorhersage!

Die Regierung versucht, die Durchseuchungspolitik zu verschleiern, und stellt sie so dar, als stünde sie im Einklang mit der Wissenschaft. Das ist sie natürlich nicht. ExpertInnen warnen davor, Ungeimpfte egal welchen Alters einer Infektion mit der Omikron-Variante auszusetzen. Auch zweifach Geimpfte tragen ein Erkrankungsrisiko. Solange die Hälfte der Bevölkerung keine dritte Impfung erhalten hat und sogar 3 Millionen (!) Über-60-Jährige ungeimpft sind, ist das Laufenlassen der Pandemie zynisch. Diese Politik nimmt den Tod von Tausenden in Kauf und Long Covid für Millionen, und sie macht die Entstehung neuer Virusvarianten wahrscheinlich.

Dabei gäbe es eine Alternative: Konsequenter Infektionsschutz, der keine Rücksicht auf Profitinteressen nimmt, Aussetzung von Tätigkeiten mit hohem Infektionsrisiko, systematische Umsetzung, Kontrolle und Verbesserung der Maßnahmen in allen Betrieben, Schulen und Unis.

Einen solidarischen Umgang mit der Pandemie müssen wir erkämpfen – gegen Regierung und Kapital!

Die Politik hat die Gefahr durch Corona systematisch verharmlost und die Verantwortung für den Gesundheitsschutz dem Individuum übertragen. Die Rechten denken diese Politik konsequent zu Ende und verbinden sie mit Verschwörungstheorien und Wissenschaftsleugnung.

Diesen Verschwörungsglauben können wir nicht mit Aufklärung besiegen.

Wir müssen den Rechten die Straße nehmen!

Wir müssen ihnen aber auch eine progressive Antwort auf Pandemie und Krise entgegensetzen, damit klar wird, wie systemkonform ihr lächerlicher Protest eigentlich ist!

Das heißt, wir müssen den Kampf gegen rechts verbinden mit dem für eine solidarische Pandemievorsorge, gegen Entlassungen und Schließungen von Krankenhäusern, für mehr Personal in den Kliniken, für mehr Gehalt für alle Beschäftigten!

Außerdem ist es unerlässlich, dass wir für die Freigabe der Impfstoffpatente weltweit eintreten, damit diese global produziert und verteilt werden können. Gerade in den halbkolonialen Ländern, die formal unabhängig, aber ökonomisch von den imperialistischen Zentren wie beispielsweise Deutschland abhängig sind, ist es von enormer Bedeutung, dass die Bevölkerung Zugang zu kostenlosen Impfungen erhält, da man dadurch weitere Mutationen des Virus eindämmen kann und es nicht weiter zu fatalen Varianten kommt, deren Folgen nicht abzuschätzen sind.

Gegen den rechten Spuk hilft nur die Mobilisierung der organisierten ArbeiterInnenklasse, die für eine rationale Lösung der Pandemie kämpft – also mit antikapitalistischer Politik gegen die Auswüchse kapitalistischer Krise und Pandemiepolitik!

In diesem Sinne, lasst uns den Kampf gegen AfD und Pandemie gemeinsam führen!




Kasachstan: Die ArbeiterInnenklasse muss der weiteren Entwicklung ihren Stempel aufdrücken

ArbeiterInnenmacht-Rede bei der Solidaritätskundgebung mit den Bewegung Kasachstan, Infomail 1175, 13. Dezember 2021

Genossinnen und Genossen!

Wir sind hier, um unsere Solidarität mit dem Kampf der kasachischen ArbeiterInnen und Jugendlichen zum Ausdruck zu bringen. Wir sind hier, weil wir uns mit ihrem Kampf gegen Preiserhöhungen, gegen Verarmung und Verelendung und gegen ein seit Jahrzehnten herrschendes diktatorisches Regime solidarisieren, ein Regime, das schon vor den Streiks und dem Aufruhr im Januar nur notdürftig parlamentarisch maskiert war.

Seit Tagen versucht das Regime unter Präsident Tokajew, die Bewegung in Blut zu ertränken. Der Polizei, der Armee und den russischen Truppen hat er den Schießbefehl gegen sog. AufrührerInnen erteilt. Hunderte wurden ermordet, Tausende inhaftiert. Medien und Kommunikation wurden lahmgelegt.

Tokajew und sein Regime versuchen, die Bewegung im Blut zu ertränken – und zugleich die Protestierenden als TerroristInnen und ausländische AgentInnen zu diffamieren.

Diesen Lügen treten wir entschieden entgegen. Wir wissen, dass die Bewegung bei den Öl- und GasarbeiterInnen ihren Ausgang nahm und sich wie in Lauffeuer über das Land verbreitete. Wir wissen, dass die Herrschenden jede Bewegung, die ihnen gefährlich werden kann, jede Bewegung, die ihre wirtschaftlichen und politischen Privilegien in Frage stellt, jede Bewegung, die die faktische Diktatur des Kapitalismus in Wanken bringt, als „terroristisch“ betrachtet.

Denn in der Tat, sie ist eine Gefahr für die Ordnung der Tokajews und Nasarbajews, sie ist eine Gefahr für die kasachischen Großkonzerne, sie ist aber auch eine Gefahr für die russischen, westlichen und chinesischen Investorinnen und Investoren. Es ist daher kein Wunder, dass Russland und seine NATO, die „Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit“ (OVKS), Truppen zur Niederschlagung der Bewegung abstellt. Es ist kein Wunder, dass  die Reaktionen der westlichen Kriegstreiber und Kriegstreiberinnen, die den Konflikt um die Ukraine forcieren und diese in die NATO holen wollen, auffällig zurückhaltend ausfallen, wenn es um Kasachstan geht.  Schließlich betrachten auch die USA und Deutschland den kasachischen Staat als Garanten ihrer Profite, ihrer wirtschaftlichen Interessen und als Verbündeten bei der Aufrechterhaltung von Ordnung in Zentralasien. Daher hüllen sie sich in Schweigen, während das Regime mit brutaler Gewalt gegen die Opposition vorgeht.

Wir protestieren daher heute gegen die russische Intervention, wir protestieren aber auch gegen die stillschweigende Komplizenschaft des deutschen Imperialismus mit dem Regime!

Alle Großmächte – ob Russland und China,  USA und Deutschland – versuchen, in der gegenwärtigen Krise ihre Interessen zu wahren. Natürlich offenbart die wirtschaftliche und politische Krise in Kasachstan auch innere Risse in der herrschenden Klasse. Aber das darf und kann kein Grund dafür sein, beim Kampf einer Bewegung, die von den Lohnabhängigen getragen wird, abseits zu stehen oder nur neutral zuzuschauen. Im Gegenteil. Jede große soziale und politische Erschütterung bringt alle Kräfte der Gesellschaft in Bewegung.

Es kommt dabei darauf an, dass die ArbeiterInnenklasse der weiteren Entwicklung ihren Stempel aufdrückt. Damit sie der Repression trotzen und zu einem Beispiel für die gesamte Region und auch die Lohnabhängigen in Russland werden kann, muss sie sich selbst zur führenden Kraft aufschwingen. Daher ist es notwendig, den Kampf gegen die Diktatur, gegen den Ausnahmezustand, für die Freilassung aller Gefangenen, den freien Zugang zu den Medien, die Zulassung kommunistischer und sozialistischer Parteien mit dem gegen das Regime und gegen den Kapitalismus zu verbinden. Die Enteignung der großen Öl- und Gaskonzerne, Bodenschätze, Finanzinstitutionen unter ArbeiterInnenkontrolle spielt dabei eine Schlüsselrolle. Diese Forderung wird jedoch nur realisierbar sein, wenn sie mit dem Kampf zum Sturz des Regimes verbunden wird, die Streiks und Massenaktionen zur sozialistischen Revolution, zur Errichtung der Herrschaft der ArbeiterInnenklasse voranschreiten.

Unsere uneingeschränkte Solidarität gilt deshalb auch den Lohnabhängigen Kasachstans und besonders jenen auf den Öl- und Gasfeldern, den entstehenden ArbeiterInnenkomitees, den unabhängigen Gewerkschaften und allen sozialistischen, kommunistischen und fortschrittlichen Organisationen, die gegen den Ausnahmezustand und das diktatorische Regime kämpfen! Denn aus ihrer Mitte kann jene Kraft entstehen, die nicht nur mit dem Regime, sondern auch mit dem Kapitalismus Schluss macht: eine revolutionäre ArbeiterInnenpartei!

Daher: Solidarität mit der ArbeiterInnenklasse und allen Unterdrückten in Kasachstan! Freilassung aller politischen Gefangenen! Nieder mit der Intervention, nieder mit dem Ausnahmezustand!

Hoch die Internationale Solidarität!




„Ihr die G20, wir die Zukunft!“ Ein Bericht über die Proteste in Rom

Korrespondent aus Italien, Infomail 1170, 15. November 2021

Am 30. Oktober fand in Rom der Gipfel der Staats- und RegierungschefInnen der G20 statt. Zentrale Themen der Konferenz waren die Kämpfe gegen die Pandemie, insbesondere der Zugang zu Impfungen, und den Klimawandel. Wenn wir jedoch die floskelhafte Fassade beiseitelassen, wird es einfach zu sehen, dass solche Veranstaltungen bloß eine lächerliche Pantomime sind. Dort versuchen die Staat- und RegierungschefInnen der größten kapitalistischen Mächte, ihre Verantwortung für die globalen Probleme vor der Welt, hinter einem Schall leerer Reden oder wechselseitiger Beschuldigungen verborgen zu halten.

Wie sollt man auch den möglichsten breiten Zugang zur Impfung sicherstellen können, ohne die Impfpatente freizugeben und die medizinische Konzerne zu enteignen? Und wie kann man eine echte ökologische Transformation in Gang bringen, ohne die Banken und Energiekonzerne zu enteignen und die Konkurrenz unten den größten imperialistischen Mächten zu überwinden? Kurz gesagt, wie kann man die entscheidenden Probleme unserer Zeit lösen, ohne die ganze kapitalistische Produktionsweise in Frage zu stellen?

Proteste und die ArbeiterInnenklasse

Die Proteste am Rande des Gipfels zeigte den Willen eines wichtigen Teils der Jugend und der ArbeiterInnenklasse, diese Heuchelei aufzudecken. In dieser Hinsicht stellten sie ein sehr positives Ereignis dar. Man muss jedoch leider sagen, dass ihr echter Schwachpunkt in der geringen Beteiligung bestand, die die Demonstration charakterisierte. Laut deren OrganisatorInnen nahmen an den Protesten etwa 10 000 Menschen teil. Zu wenig im Vergleich zu den Erwartungen und auch zu wenig im Vergleich zu ähnlichen Ereignissen in Rom. In erster Linie ist das eine Folge der ausweglosen Situation, in der sich die politische Linke in Italien seit langem befindet, und der daraus folgenden Unfähigkeit, Unterstützung von außerhalb des traditionellen „Vorhutmilieus“ für sich ziehen zu können.

Die Kundgebung bestand aus zwei verschiedenen Demonstrationen: Ein Teil wurde von linken Parteien, Gewerkschaften und vor allem von den ArbeiterInnen der GKN-Fabrik in Campi Bisenzio (Provinz Florenz) aufgerufen. Fakt ist dass der Kampf der ArbeiterInnen der GKN, eines Automobilzulieferers, gegen Massenentlassungen im Moment ein Zentrum des Klassenkampfes in Italien darstellt. Diese konnten dank der Besetzung des Fabrikgebäudes und einer dauerhaften und unermüdlichen Mobilisierung die Entlassungsverfahren blockieren und sie bewiesen damit zum x-ten Mal, dass nur  Kampf ermöglicht, gegen die KapitalistInnen Erfolg zu haben. Wichtig ist, dass die Enteignung des Betriebs und der Generalstreik gegen die Regierung die zentralen Forderungen ihrer Mobilisierung verkörperten. Als ebenso bemerkenswert erwies sich die Beteiligung anderer bedeutender Arbeitskämpfe wie Alitalia (Fluglinie) und Whirlpool (Haushaltsgerätehersteller).

Eine starke Präsenz der ArbeiterInnenklasse prägte also deutlich die Proteste gegen den G20-Gipfel. So stark, dass auch die Jugendlichen von Fridays For Future, aus denen der andere Teil der Proteste bestand, beeinflusst wurden: Es war nämlich wirklich schön und beeindruckend zu sehen, wie diese  gemeinsam mit Arbeitern und Arbeiterinnen für den Generalstreik gegen die Regierung riefen, anstatt zu betteln, dass die Regierung auf die WissenschaftlerInnen hört.

Bilanz

Sehr positiv war auch, dass man im Gegensatz zu vergangenen Protesten keine ImpfgegnerInnen gesehen hat. Mit Ausnahme einiger kleiner stalinistischer Gruppen bestand eine Gemeinsamkeit aller teilnehmenden Organisationen in den Forderungen nach einer echten wirksamen Impfkampagne und der Freigabe der Impfpatente. Besonders deutlich wurde das z. B. auf dem Banner der GenossInnen der PCL (Kommunistische Partei der ArbeiterInnen), das lautete: „Gegen Draghi und Imperialismus – ja zur Impfung, nein zu Patenten!“

Trotz der geringen Beteiligung können wir daher festhalten, dass die Bilanz der Aktion insgesamt positiv war, insbesondere weil am Tag nach der Demonstration ein gemeinsames Treffen aller Organisationen stattfand, die die Demonstration gestaltet hatten. Es wurde nämlich von allen  teilnehmenden Gruppen die Absicht bestätigt, eine gemeinsame Plattform um die Forderung eines Generalstreiks gegen die Regierung aufzubauen. Es wird interessant sein, die Entwicklung dieser Zusammenarbeit zu verfolgen.




Hunderttausende beteiligen sich am Klimastreik

Martin Suchanek, Infomail 1164, 25. September 2021

620.000 Menschen beteiligten sich auf über 470 Demonstrationen am 24. September bundesweit am globalen Klimastreik. Allein in Berlin waren rund 100.000 auf der Straße, in Frankfurt/Main und Hamburg jeweils rund 20.000, in Stuttgart und München um die 15.000, um nur einige Städte zu nennen.

Zweifellos bildeten die Aktionen in Deutschland das Zentrum des globalen Aktionstages, mit Manifestationen und Demonstrationen an mindestens 1.400 Orten auf der ganzen Welt. Dafür gibt es zwei Gründe.

Erstens natürlich die Bundestagswahlen. Hunderttausende, darunter natürlich viele SchülerInnen, Studierende, aber auch ein größer gewordener Anteil von Menschen aller Altersgruppen folgten dem Aufruf. Auch wenn mittlerweile jede Partei außer der AfD den Kampf gegen den Klimawandel als vorrangiges Problem betrachtet, so ist wohl den meisten Menschen bewusst, dass von den Mainstreamparteien rasches und effektives Handeln nicht zu erwarten ist. Die FDP beschwört weiter den Markt und die „Innovation“ als probate Mittel, die Umwelt zu retten und dabei zugleich auch noch eine Menge Profit zu machen. Laschet und Scholz beschwören, auf die Frage des Klimawandels angesprochen, bei jeder Wahlsendung, welche Industrien eine Vorreiterrolle beim ökologischen Wandel und vor allem auf dem Weltmarkt spielen sollen. Die Grünen setzen ganz auf den Green Deal, den besten Kapitalismus in der besten aller Welten, und die Linkspartei versucht einmal die Quadratur des Kreises, will sie doch den Kapitalismus nicht nur sozialer, gerechter, sondern auch noch ökologisch-nachhaltiger machen.

Zweitens das Bewusstsein um die Bedeutung des Problems. Dass die Frage der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen – und der Klimawandel ist letztlich nur eine zugespitzte Ausprägung davon – zu den zentralen globalen gesellschaftlichen, politischen Fragen unserer Zeit gehört, ist mittlerweile zu einem Bestandteil des Massenbewusstseins geworden.

Das führt einerseits dazu, dass viele Menschen, insbesondere auch viele Jugendliche, auf eine Reformregierung unter Einschluss der Grünen hoffen. Sicherlich herrscht dieser Wunsch bei einer großen Mehrheit der 620.000 vor, die am 24. September auf die Straße gingen. Andererseits sind auch diese Jugendlichen, Lohnabhängigen und langjährigen AktivistInnen von Umweltbewegungen längst nicht so blauäugig, dass sie von den Grünen und der Linkspartei – von der SPD ganz zu schweigen – erwarten, dass diese an einer Regierung die richtigen Maßnahmen schon auf den Weg bringen würden. Dass ohne massiven Druck von unten keine einzige nennenswerte fortschrittliche Reform zu erwarten ist, gehört mittlerweile auch zum Bewusstsein vieler, die bei den globalen Aktionstagen auf die Straße gehen.

Dieses bringen auf ihre Weise selbst öffentliche Galionsfiguren wie Greta Thunberg oder Luisa Neubauer zum Ausdruck. So prangert Thunberg das Versagen der Regierungen und Mächten seit Jahren an, freilich um dann im nächsten Satz wieder einmal an deren Vernunft zu appellieren. Luisa Neubauer kandidiert gar zu den Bundestagswahlen für die grüne Partei. Etliche andere VertreterInnen von Fridays for Future sind ebenfalls eng bei den bürgerlichen Grünen, vorgeblich um darin Druck für die Bewegung zu machen. In Wirklichkeit binden sie damit, gewollt oder ungewollt, natürlich die Bewegung an die Grünen.

Allein die Tatsache, dass die bürgerlichen Führungsfiguren der Bewegung wie Neubauer darauf verweisen müssen, dass ohne Druck von unten, ohne Bewegung, in deren Namen sie demnächst auch im Parlament und in einer Regierungsfraktion sitzen will, nichts geht, verdeutlicht freilich auch, dass die Hoffnungen und Illusionen vieler in eine ökologische Reformpolitik einen Widerspruch enthalten.

Dieser Widerspruch zwischen einer Massenbewegung und deren bürgerlicher oder kleinbürgerlicher Führung kann, ja wird sich in der kommenden Periode weiter zuspitzen. Die drohende globale ökologische Katastrophe wird noch viel akuter werden. Zugleich verunmöglichen die aktuelle Krise des Kapitalismus und die sich verschärfende Konkurrenz um die Neuaufteilung der Welt zwischen den großen Monopolen und Mächten eine gemeinsame Klimapolitik im Weltmaßstab. Dieser reale Zusammenhang von Marktwirtschaft, Imperialismus und drohender Zerstörung der Lebensgrundlagen der Menschheit wirft darüber hinaus fast unwillkürlich die Systemfrage auf.

Während sich die bürgerliche Gesellschaftsordnung immer mehr als unfähig zur Lösung des Problems erweist, so ist in den letzten Jahren eine, wenn auch sehr heterogene, in Ansätzen aber auch globale Bewegung entstanden, die diese einfordert und auf die politische Tagesordnung setzt. Diese zu vereinheitlichen und zu internationalisieren, zu politisieren und zu radikalisieren, ist das Gebot der Stunde für alle klassenkämpferischen, revolutionären, kommunistischen und sozialistischen Kräfte. Das bedeutet aber auch, selbst in dieser Bewegung zu agieren und darin für ein internationales Programm von Übergangsforderungen gegen die drohende Katastrophe einzutreten.

Mehr dazu in der Broschüre

Capitalism Kills. Imperialismus, Kapitalismus und die Zerstörung von Mensch und Natur



Gorleben – und (k)ein Ende

Bruno Tesch, Infomail 1163, 21. September 2021

Am 17. 9. 2021 gab das Bundesumweltministerium (BMU) bekannt, dass das Salzbergwerk Gorleben, dichtgemacht werden soll und „damit“ (…) „das Kapitel Gorleben geschlossen“ sei.

Zäher Entscheidungsfindungsprozess

Mit dem seit den 1960er Jahren vorangetriebenen Bau von Nuklearanlagen, um den steigenden Energiebedarf zu decken, ergab sich die Notwendigkeit zur 1972 eingeleiteten Suche nach Lagerstätten auf BRD-Boden für den unvermeidlich anfallenden radioaktiven Abfall. Praktisch über Nacht entschied sich dann 1977 die niedersächsische CDU-Regierung für Gorleben als Standort für ein atomares Entsorgungszentrum. Die Wahl fiel auf diesen Ort, weil er im Nordostzipfel Niedersachsens im damaligen so genannten Zonenrandgebiet und fernab von Erholungs- und Feriengetriebe lag und so als „sicheres Versteck“ gelten konnte. Eine Eignung des Geländes für ein Endlagerprojekt war aus geologischer Sicht jedoch in keinem wissenschaftlichen Gutachten ausgewiesen.

Nach oppositionellen Sicherheitsbedenken wurden 1979 die Erkundungen im Salzstock bis 2000 fortgeführt, nach zehnjähriger Pause dann wieder aufgenommen, bevor im September 2020 sich das 1986 nach der Tschernobylkatastrophe gebildete Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (heute: nukleare Sicherheit) zu dem Urteil „nicht geeignet“ durchringen konnte. Ausschlaggebend für dieses Verdikt waren anscheinend Erkenntnisse, wonach Steinsalz ein zu instabiles Medium sei, um als langfristig sicheres Endlager zur Bindung von hochradioaktivem Material dienen zu können. Außerdem sind Gaseinschlüsse entdeckt worden, die die Gefahr von Explosionen bergen könnten.

Es verstrich hernach noch ein weiteres Jahr, ehe die mit Detailplanung betraute Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) nun ihre Pläne für Gorleben vorlegte. Demnach soll der Rückbau mehrschrittig erfolgen. Die Hohlräume unter Tage und Schächte sollen mit Haldensalz verfüllt werden. Falls Lücken verbleiben, würde der Rest mit Spezialbeton ausgegossen werden. Die oberirdischen Bauten sollen einer Grünanlage weichen.

Die Kosten für das Rückbauvorhaben wollte die BGE nicht genau beziffern, sie sollen aber jene für die Offenhaltung des Bergwerks übersteigen. Bislang hat das Endlagerprojekt jährlich 20 Millionen und insgesamt 1,9 Milliarden Euro verschlungen. Dennoch: Ist nach dieser quälenden Genese nun also doch alles in Butter bzw. Beton?

Widerstandsbewegung

In den 1970 Jahren agierten einige Figuren auf den Abgeordnetenbänken allenfalls als „BedenkenträgerInnen“ gegen das nassforsche Vorgehen der niedersächsischen Landesregierung. Wirklicher Widerstand gegen eine ungezügelt nuklearfreundliche Politik entfaltete sich zunächst nur außerhalb von Parlamenten. Eine Bewegung entstand und verwandelte das verschlafene ländliche Wendland zu einem Ort von Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht. Im Laufe der Zeit erwarb sie sich nicht nur den mehrheitlichen Rückhalt unter der örtlichen Bevölkerung, sondern genoss bundesweit, ja international Sympathien und auch eine gewisse Vorbildfunktion.

Es begann bereits 1977 mit Kundgebungen auf dem künftigen Bauplatz bei Gorleben. 1979 kam es zu einer Großdemonstration, dem „Gorlebentreck“, in der Landeshauptstadt Hannover, gefolgt von kleineren Protestaktionen gegen Probebohrungen für das atomare Endlager. In dessen Nähe wurde 1980 als ständige Widerstandsmanifestation ein Hüttendorf unter dem Banner „Republik Freies Wendland“ errichtetet. Dieses wurde zwar nach einem Monat durch Polizei- und Bundesgrenzschutzeinheiten plattgemacht, erregte aber starkes politisches Aufsehen in der gesamten Bundesrepublik und befeuerte die Antiatomkraftbewegung.

Danach kehrte verhaltene Ruhe ein, bis ein Abkommen mit Frankreich ermöglichte, Atommüll aus der Wiederaufbereitungsanlage La Hague, in der Bestandteile aus abgebranntem Kernbrennstoff getrennt werden, in Deutschland einzulagern. Gorleben erhielt nun die Einstufung eines Zwischenlagers und war 1995 erstmals Zielort eines solchen Castor-Transports, benannt nach seinen Behältern, die eigens zur Aufbewahrung von gefährlichen Materialien konstruiert worden waren.

Die anfänglich moderaten Proteste eskalierten über die Jahre und flammten Anfang November 2010 voll auf, nachdem eine Woche zuvor der Bundestag die Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke beschlossen hatte. Seinen Höhepunkt erreichte der Widerstand ein Jahr später. Der Castor-Transport war insgesamt eine ganze Woche unterwegs, der Zugverkehr wurde immer wieder von DemonstrantInnen blockiert. Auf den letzten 50 km Streckenabschnittes bis ins Wendland herrschte Ausnahmezustand. Der Staat musste einen gewaltigen Apparat von bis an die 100000 Polizeikräften – etwa ebenso viele, wie sich an den Protesten beteiligten – auffahren, um diesem Gefahrgut den Weg zu bahnen. Dieser 13. Transport blieb auch der vorläufig letzte dieser Art nach Gorleben.

Das kann sich diese Bewegung als Erfolg gutschreiben lassen. Doch so mutig und einfallsreich sie auch gewesen sein mag, ihr Charakter blieb stets kleinbürgerlich. In bemerkenswerter Weise gelang ihr der Schulterschluss mit den Bauern und Bäuerinnen des Wendlands, die den Kern der Protestbewegung an entschlossener Tatkraft und strategischer Findigkeit dank ihrer Ortskenntnisse sogar noch übertrafen. Aber es darf jedoch nicht übersehen werden, dass die Forderungen der Protestbewegung kaum über ökologische Zielsetzungen wie Abschaltung von AKWs oder Einsatz von erneuerbaren Energien hinausreichten.

Interessanterweise gerieten viele allerdings auch auf Kollisionskurs mit der grünen Partei. Diese galt anfangs als Vorreiterin einer Antiatompolitik und stellte zu Beginn das Gros der Widerstandsbewegung, die spätere EU-Parlamentarierin Rebecca Harms fungierte bspw. als Sprecherin der „Republik Freies Wendland“. Nach Eintritt in die Regierungskoalition mit der SPD hatten die Grünen dann jedoch den sogenannten Atomkonsens 2000 mit zu verantworten, der vorsah, den Energiekonzernen aus Steuermitteln eine satte Entschädigung für deren allmählichen Ausstieg aus der Stromerzeugung durch Nuklearenergie zu zahlen. Es gab gerade in der Wendlandregion aus Enttäuschung über diesen Gesinnungsverrat etliche Austritte aus der Partei Bündnis 90/Grüne.

Ein Endlager gedeckelt – Probleme bleiben

Zum Durchschnaufen nach der Entscheidung des BMU besteht kein Grund, denn auf der Suche nach geeigneten Lagerstätten für hochradioaktiven Müll wird weiter „ergebnisoffen“ prospektiert und zwar im ganzen Land. Jetzt bangt der von Gorleben etwa 70 km entfernte Ort Bahlburg (Ortsteil von Winsen a. d. Luhe), in die engere Wahl zu kommen. In der Nähe befindet sich ein Salzstock. Andere bereits in Betrieb befindliche Lager für schwach- und mittelradioaktiven Abfall wie Asse II (Niedersachsen) oder Morsleben (Sachsen-Anhalt) müssen in Form von Deckeneinstürzen, Auslaugungen und Grundwassereinbrüchen bereits ausbaden, was eine vorschnelle Erkundung und die Opportunität des geringsten Widerstand in der Region eingebrockt hat.

Gorleben selbst sitzt zwar nicht mehr im Spielkreis „der Endlager-Plumpsack geht um“, ist aber keineswegs eine kernkraftlose Oase, denn zusammen mit Ahaus (Nordrhein-Westfalen) und Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) gehört der Ort zu den ausgewiesenen Zwischenlagern. In Hallen stapeln sich oberirdisch die Castor-Behälter. Diese halten offiziell 100 Jahre. Zur Endlagerung sollen sie dann in Pollux-Behälter umgefüllt werden.

Daneben existiert in Gorleben seit 1984 noch ein Abfalllager, in dem schwach wärmeentwickelnder radioaktiver Müll, der aus dem Betrieb deutscher Kernkraftwerke sowie aus Forschung und Industrie stammt, in einer Halle zwischengelagert ist.

Weitere artverwandte Planungen in der näheren Umgebung wurden verworfen, unter anderem weil sie politisch nicht durchsetzbar waren.

Wie zum Hohn klingt es nachgerade, wenn das BMU meint, vorhandene Strukturmittel könnten ja jetzt in die wirtschaftliche Entwicklung der Region investiert werden.

Darüber hinaus gehen jedoch die schmutzigen Geschäfte weiter. Seit Jahren hatte Deutschland abgereichertes Uran ins Ausland, z. B. nach der sibirischen Stadt Sewersk (Oblast Tomsk) exportiert. Dort befindet sich kein gesichertes Endlager, sondern die angelieferten Container standen meist unter freiem Himmel auf einem Parkplatz herum. Als jüngstes Beispiel kommentiert der atompolitische Sprecher der Linkspartei, Hubertus Zdebel, einen anderen Skandal ganz auf Linie des Atomkonsenses am 20.8.2021, bei dem es sich vordergründig um eine Reduzierung der Lieferungen von radioaktiven Reststoffen von Frankreich nach Deutschland handelt, wie folgt:

„Was der Öffentlichkeit bei diesem neuerlichen Atomdeal verschwiegen wird, sind die mal wieder zusätzlich anfallenden Kosten für die öffentliche Hand. Es ist nämlich vorgesehen, dass RWE, EnBW, Vattenfall und PreussenElektra (heute: E.ON), die etwas mehr als eine Milliarde Euro für die Wiederaufbereitung und Rückführung des Atommülls an Orano (die französische Betreibergesellschaft von La Hague – Anmerkung d. V.) zu zahlen haben, 525 Millionen Euro vom öffentlich-rechtlichen Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (KENFO) erstattet bekommen sollen.“

„Um den Konzernen diese zusätzlichen Vergünstigungen zu verschaffen, hat die Große Koalition mit ihrer Stimmenmehrheit vor wenigen Wochen extra noch eine Änderung des Entsorgungsübergangsgesetzes vorgenommen.“

Programmatische Punkte

Auch wenn eine Wiederbelebung einer Widerstandsbewegung hierzulande nicht mehr zu erwarten ist, nachdem das Ende der heimischen atomaren Energieerzeugung absehbar zu sein scheint, müssen dennoch Antworten auf die weiter brodelnde Bedrohung durch die ungelöste Entsorgungsfrage gesucht werden. Denn in vielen anderen Ländern auch innerhalb der EU werden weiterhin AKWs betrieben, teilweise sogar neu gebaut (Finnland).

Die neue Umweltbewegung in Form von Fridays For Future hat den Fokus eher auf die CO2-Reduktion als auf den Einsatz gegen Kernspaltungsenergie und deren Folgen gelegt. Die Katastrophe von Fukushima Dalichi in Japan vor zehn Jahren hat jedoch gezeigt, dass diese Techniken weiterhin störanfällig sind und verheerende langfristige Nachwirkungen haben.

Um nachhaltige Antworten auf solche Fragen zu finden, muss ein Programm erstellt werden, das international organisierend wirken kann. Kernpunkte davon sind:

  • Für einen globalen Plan zum Ausstieg aus der fossilen und nuklearen Energieerzeugung. Für massive Investitionen in regenerative Energieformen wie Wind-, Wasser- und Sonnenenergie sowie in geeignete Speichertechnologien!
  • Entschädigungslose Enteignung der privatkapitalistischen Energiekonzerne.
  • Offenlegung aller Verträge und Geschäftsunterlagen der Energiewirtschaft, einschließlich derer staatlicher „Aufsichtsbehörden“ und deren Kontrolle mit Vetorecht durch ArbeiterInnenorgane, gebildet aus demokratisch gewählten und rechenschaftspflichtigen VertreterInnen aus Gewerkschaften und Beschäftigten.
  • Freier Zugang von ArbeiterInneninspektionsorganen zu allen Einrichtungen der Energiewirtschaft.
  • Endlagersuche für die sichere Verbringung von radioaktivem Restmüll unter Kontrolle der ArbeiterInnenbewegung und der örtlichen Bevölkerung.
  • Finanzierung aller notwendigen Maßnahmen zur Forschung, Sicherheit und Umstrukturierung aus UnternehmerInnenprofiten und SpekulantenInnengewinnen.



Mehr Personal – noch vor der Wahl!

Jürgen Roth, Infomail 1163, 16. September 2021

„Mehr Personal – noch vor der Wahl! TVöD – für alle an der Spree!“ Um 8 Uhr am Morgen des 16.9.2021 versammelten sich geschätzt 300 – 400 Streikende unter diesen lauthals skandierten Parolen vor dem Berliner Abgeordnetenhaus. Dieses historische Gebäude diente zu Kaisers Zeiten einem Teil des Preußischen Landtags als Sitz. Hier tagte auch der 1. Reichsrätekongress im Dezember 1918 und im dortigen Festsaal erfolgte die Gründung der KPD zur Jahreswende 2018/19. Nach einer kämpferischen Kundgebung und vielen Reden übers Megaphon zogen die Streikenden in einer kurzen Demonstration durch die Stadt.

Angebote?

Vivantes hat mittlerweile ein Angebot offeriert, das ver.di-Streikleiterin für den TVE (Tarifvertrag Entlastung), Meike Jäger, zwar als verhandelbar bezeichnete, es aber ablehnte, dafür den Streik auszusetzen. An diese Bedingung knüpft die kommunale Krankenhausführung jedoch die Aufnahme von Verhandlungen.

Nach 120 Tagen „Schweigen im Wald“ der „ArbeitgeberInnen“ bezeichnete Jäger dieses Junktim zu Recht als dreist. Das Angebot ist sehr vage gehalten. Man will Arbeits- und Ausbildungsbedingungen verbessern. Zu den gewerkschaftlichen Forderungen nach mehr Praxisanleitung für Azubis und personeller Mindestbesetzung bzw. Belastungsausgleich bei deren Unterschreitung findet sich kein Wort. Konkret ist nur vom Ende des Arbeitskräfteleasings die Rede. Das ist sicher begrüßenswert, weil die KollegInnen weniger Stress ausgesetzt sind, ständig neue Leute auf Station einzuweisen und anzulernen, und es sich gegen die Praxis der Leiharbeit richtet. Doch wenn diese Arbeitskräfte entfallen, droht die Gefahr, dass das Personal noch mehr zwischen verschiedenen Abteilungen umherspringen darf. Ohne verbindliche Personalbemessungsregelungen handelt es sich dabei also um einen vergifteten Köder.

Zum zweiten Thema neben Entlastung, der Angleichung der Einkommen und Bedingungen der Tochterunternehmen der beiden Klinikmütter (VSG im Fall von Vivantes und Labor Berlin auch bei der Charité), schlug Vivantes eine Angleichung bis 2028 (!) unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation der Häuser vor. Also wenig mehr als nichts. Auch nichts dazu, wie hoch Zulagen, Zuschläge und Weihnachtsgeld und die Angleichungsschritte in den Tabellen ausfallen sollen. Nichtsdestotrotz bietet ver.di am kommenden Samstag, wenn bei VSG/Labor Berlin nicht gestreikt wird, Verhandlungen an. Sollte man an diesem Tag vorwärtskommen, steht eine Aussetzung des Streiks für folgenden Montag im Raum.

Streik und Notfallversorgung

Seit Beginn der unbefristeten Arbeitsniederlegung laufen täglich neue Streikmeldungen aus verschiedenen Standorten beider Häuser ein, so dass sich mehr KollegInnen als erwartet beteiligen wollen. Ver.di sah sich gezwungen, bei Vivantes etliche wieder auf die Stationen und in die Funktionsabteilungen zurückzuschicken, da noch immer PatientInnen dort weilten bzw. neue aufgenommen wurden. Bei der Charité lief das Ganze gesitteter ab. Dort liegen seit 2015 genügend Erfahrungen mit dem Umgang solcher Situationen vor. Außerdem eskalierte Vivantes und beklagte laxes Umgehen mit der Notdienstabsicherung. Lt. Jäger stimmt das nicht. Zusätzliche KollegInnen aus Reihen der Streikwilligen würden abgestellt, wenn sie gebraucht würden.

Sie wies darauf hin, dass ihre Gewerkschaft deshalb eine Notdienstvereinbarung vorgelegt habe, die zu unterzeichnen aber die „ArbeitgeberInnen“ sich geweigert haben. Zudem warf sie die Frage auf, wieso solche Fälle in der Clearingstelle nicht schon geklärt wurden, bevor es zu solchen Engpässen kommen konnte. Ver.di könne belegen, wie viele Rettungsstellen wegen Personalmangels abgemeldet wurden und dass die Klinikleitung überdramatisiere, wenn sie von streikbedingter Gefährdung der Notfallversorgung in der Stadt spreche.

Wie weiter?

Der Streik bei Charité und Vivantes hat in der letzten Woche eine beachtliche Dynamik entwickelt. Das ist auch der Grund, warum die Klinikleitungen jetzt notdürftige Angebote aus dem Hut zaubern.

Es ist klar: Sie wollen dem Druck der Arbeitsniederlegung ausweichen und ihn brechen, um so zu verhindern, dass noch mehr Beschäftige ver.di beitreten und die Streikfront ausgeweitet wird. Darüber hinaus haben sich Einschüchterung und Repression gegenüber den Kämpfenden als Rohrkrepierer erwiesen. Statt den Streik zu brechen, trugen sie dazu bei, Wut und Entschlossenheit, aber auch Organisiertheit, Selbstbewusstsein und politische Klarheit zu steigern.

Daher auch das Junktim, dass der Streik für Verhandlungen „ausgesetzt“, also unterbrochen werden soll. Die Beschäftigten und die Streikleitungen sind gut beraten, das zurückzuweisen. Die Erfahrung zeigt, dass sich Arbeitskampfbewegungen nicht einfach „aussetzen“ und dann wieder anwerfen lassen. Vielmehr sollten die aktuelle Dynamik und die Woche vor den Wahlen zum Abgeordnetenhaus noch genutzt werden, um den Arbeitskampf weiter hochzufahren, um die Tarifrunde Entlastung und den Kampf bei den Töchtergesellschaften zeitgleich und koordiniert zu führen. Daher: Nein zum etwaigen Aussetzen des Arbeitskampfes! Darüber entscheiden sollen nicht Tarifkommissionen und Streikleitungen, sondern die Streikenden selbst!

Die Verhandlungen mit Vivantes und Charité sollten dabei nicht hinter verschlossenen Türen geführt werden, sondern öffentlich. So können sie alle Beschäftigen und die gesamte Öffentlichkeit direkt verfolgen, so können sie sich selbst ein Bild von den Angeboten von Vivantes und Charité machen. So können die Kämpfenden ihre Verhandlungskommission effektiv kontrollieren und starkmachen, damit sie nicht schwach wird. Denn nur die Streikenden selbst können und sollen nach Diskussion auf Vollversammlungen entscheiden, welchen Tarifvertrag sie gegebenenfalls anzunehmen bereit sind.




Proteste dominieren IAA in München

Mattis Molde / Helga Müller, Infomail 1162, 14. September 2021

Autobahnblockaden gegen die IAA gab es schon zu Beginn, Sitzblockaden und einen Gegenkongress unter der Woche, dann eine Großdemo am Samstag mit rund 25.000 TeilnehmerInnen. Die Mainstream-Medien fokussierten sich zurecht auf diese Ereignisse, denn der vorgebliche Anspruch der „Mobilitäts“-Messe wurde hinten und vorne nicht erfüllt.

Sackgasse IAA

Die IAA war einst der Wallfahrtsort der Motorfreaks, Leute, für die Autoherstellung und/oder Autofahren ein Glaubensbekenntnis waren und ein wesentlicher Bestandteil ihres Gefühlslebens. Das ist vorbei. Schon 2019 stürzten die BesucherInnenzahlen von einstiger Millionenhöhe auf unter 600.000 ab. Jetzt fielen sie auf 400.000. In einigen Messehallen herrschte zeitweise „tote Hose“.

Die MacherInnen hatten der Ausstellung ein neues „Format“ verpasst, es sollte um „Mobilität“ gehen. Das hätte heißen können, dass Studien und Modelle über die Verbindung verschiedener Verkehrsträger ins Zentrum gestellt werden. Beispiel: Was passiert auf dem letzten Kilometer von den Endpunkten des öffentlichen Schienenverkehrs zur Wohnung? Heute gibt es Busse im Halbstundentakt, abgestellte Fahrräder oder gar nichts.

Für die MacherInnen der IAA wie für die (deutsche) Autoindustrie ist das keine Frage: „Das Auto ist eine innovative Kraft und das am meisten genutzte Transportmittel“ heißt es in der IAA-Präsentation (https://www.iaa.de/fileadmin/IAA_Mobility/Fuer_Besucher/IAA_Erleben/Bike/IAA-MOBILITY-2021_Pre-Built-Booth-Packages_2021-07-01.pdf?1625471593). Letztere Behauptung ist zweifellos Unsinn – die eigenen Füße stehen den allermeisten Menschen zur Verfügung, nur einer Minderheit ein Auto. Und dem Produkt Automobil eine eigene Schöpfungskraft anzudichten, verrät viel über den Horizont dieser ZukunftserfinderInnen.

Sie setzen auf Autos, die sich untereinander verraten, wo es in der Innenstadt noch Parkplätze gibt. Auf Autos, die am besten so groß sind, dass sie Fahrräder transportieren können. Solche wurden erstmals auch auf der IAA gezeigt. Fahrräder mit Elektroantrieb und jeder Menge Sensorelektronik, Preisniveau ab 5000,- Euro aufwärts. Also genau nicht die Teile, die man in der Innenstadt oder an der S-Bahnhaltestelle abstellen kann. Und erst recht nicht die, die sich die Masse der Bevölkerung leisten kann.

Krise des Autos

Die IAA und ihre BetreiberInnen haben also nichts Wesentliches zur Lösung der Umwelt-, Klima- und Verkehrsprobleme beizutragen. Sie beschränken sich darauf, die ideologischen Nebelkerzen für ihre Profitproduktion neu zu gestalten. Millionen haben das erkannt und die Klimafrage ist zu einem Hauptthema bei WählerInnen geworden. Was noch lange nicht heißt, dass diejenigen, die das Problem beschäftigt, mit den Antworten zufrieden sind, die ihnen die KlimaretterInnen von CDU/CSU, FDP, SPD, Grünen und der LINKEN versprechen.

Ähnliches gilt für die Autoindustrie und ihre Show. Auch all die früheren IAA-BesucherInnen, die heute wegbleiben, die möglicherweise mittelfristig nach wie vor ein Auto brauchen oder dies zumindest glauben, finden ganz offensichtlich die Perspektive E-Auto nicht so klasse, die die Auto-Industrie heute anbietet: viel Elektronik, aber da ist das Handy billiger. Seine Umweltverträglichkeit ist zweifelhaft; nicht mal brummen tut es. Aber auf jeden Fall ist es schweineteuer.

Trotz dieser gigantischen Verblendungsshow, um die Transformation von Verbrenner- auf Elektromotoren als einen riesigen Schritt für mehr Umweltfreundlichkeit zu feiern, hat mit dieser IAA die Autoindustrie ein Schlaglicht auf ihre eigene Krise geworfen.

Klimabewegung, wohin?

Mit dem Umzug der IAA von Frankfurt/Main nach München wollten die VeranstalterInnen auch mögliche Protestaktionen von Umweltverbänden, Klimabewegung und diversen anderen Organisationen, die die Automobilindustrie in ihrer Jagd nach noch größeren Autos als eine der wichtigen VerursacherInnen der Klimaveränderung brandmarken, abschwächen. Dies hat sich aber als Rohrkrepierer herausgestellt. Auch in München haben sich wie vor zwei Jahren in Frankfurt bis zu 25.000 TeilnehmerInnen auf der zentralen Fußdemo und mittels Radlsternfahrt aus 11 umliegenden Gemeinden  für den Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs und eine drastische Reduzierung des Individualverkehrs – sei es mit Verbrenner- oder mit E-Motoren – ausgesprochen.

Die hohe Beteiligung an den Protestaktionen zeigt, dass die Klimabewegung nicht an Dynamik eingebüßt hat. Aber sie muss aufpassen, dass ihre politische Stagnation nicht auch zu deren Verlust führt. Die Bewegung muss eine Antwort auf die Frage finden, wie sie die Scheinaktivitäten der Regierungen und der Konzerne durchbrechen kann. Viele ahnen, dass einfach wieder mehr Fridays for Future das nicht schaffen wird.

Manche versuchen eine politische Antwort in der Anpassung an die Kapitalinteressen und/oder in der Ausrichtung auf Parlamentarismus und Wahlen, andere setzen auf militantere Aktionsformen, ohne freilich andere Ziele zu vertreten. Auch wenn etliche AktivistInnen mittlerweile die Notwendigkeit einer Verbindung mit Lohnabhängigen anerkennen, so herrscht über das Wie und Warum vor allem Unklarheit. Mitunter handelt es sich um bloße Lippenbekenntnisse, hinter denen sich Ignoranz oder Indifferenz gegenüber der Arbeiterinnenklasse verbergen. Wiederum andere halten „Spitzengespräche“ zwischen bürgerlichen SprecherInnen von Fridays for Future und GewerkschaftsführerInnen schon für ein Zusammengehen von Umwelt- und Gewerkschaftsbewegung.

Die Hoffnung, dass die Wahl der Grünen oder der grün gewendeten Parteien etwas bewirkt, wird genauso wie alle auf „soziale“ und „demokratische“ Regierungspolitik zerplatzen. Regierungen können wechseln, das Kapital und seine Klasse, die Bourgeoisie, herrschen. Es ist ihr Staat, zur Sicherung ihres Besitzes und ihrer Kapitalvermehrung. Und das Kapital interessierte sich noch nie für den Zustand und die Bedürfnisse der Gesellschaft.

Abseilaktionen von Autobahnbrücken beweisen Widerstandswillen gegen eine Staatsmacht, die auf Camps, Demonstrationen oder schon an den einfahrenden Personenzügen aufmarschiert. Für sich genommen klärt aber keine noch so entschlossene Aktionsform die Frage der inhaltlichen, politischen Ausrichtung.

Die Propagierung von bestimmtem KonsumentInnenverhalten wird zwar oft auch mit Kapitalismus- und Konsumkritik begründet. Als strategische Orientierung beruht sie auf der Illusion, dass die KäuferInnen bestimmen würden, was produziert wird. Demzufolge würde bei einem Kaufboykott umweltschädlicher Produkte das Kapital seine Profite woanders – umweltgerecht – suchen. Das E-Auto beweist das Gegenteil, genau wie die ganze Produktwerbung bis hin zu Aldi, die suggeriert, durch den Kauf eines bestimmten Waschmittels könne der Urwald gerettet werden. Nur – wir haben keine Zeit darauf zu warten, dass diese Rezepte ihre Wirkungslosigkeit beweisen.

Kongress

Es gilt also, neue Fragen zu formulieren und alte wieder aufzunehmen. Hier sollte und wollte der Kontra-IAA-Kongress in München vom 9. bis 10. September 2021 ansetzen.

29 Workshops, Podien und Foren hatten seine OrganisatorInnen auf die Beine gestellt. Über 100 TeilnehmerInnen hatten sich nach ersten Schätzungen (eine Bilanz des Kongresses wird es von den VeranstalterInnen noch geben) an den diversen Veranstaltungen beteiligt. Es waren vor allem TeilnehmerInnen aus attac, Umweltverbänden, AktivistInnen aus der Klimabewegung, GewerkschafterInnen, politische Organisationen, auch aus der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Das postautonome Spektrum und die eher aktionsorientierten Teile der Umweltbewegung wie Ende Gelände, Extinction Rebellion oder Sand im Getriebe haben sich an dem auf der Theresienwiese aufgebauten Klimacamp – das lange gegen das Münchner Kreisverwaltungsreferat durchgekämpft werden musste – und den ab Freitag stattfindenden Blockaden beteiligt, weniger an dem Kongress. Zusammen kamen diese diversen Spektren auf den Demos am Samstag.

Inhaltlich kreiste der Kongress vor allem um die Frage: Wie kommen Umwelt- und ArbeiterInnenbewegung zusammen? Wie können die verschiedenen umweltaktivistischen Bewegungen und Organisationen die Spaltung, die gezielt – teilweise auch von den DGB-Gewerkschaften – geschürt wird, überwinden? Vor allem in der Energiebranche stellt die IGBCE ständig den Erhalt von Arbeitsplätzen der Abschaffung der umweltzerstörenden Erzeugung entgegen. Aber umgekehrt haben sich KlimaaktivistInnen lange nicht um die Frage gekümmert: Wie können Arbeitsplätze in anderen gesellschaftlich sinnvollen Sektoren aufgebaut und die Industrien entsprechend umgebaut werden?

Es gab aber natürlich auch noch andere Themenbereiche, die bis in den Bereich der Selbstfindung und -verwirklichung gingen – übrigens nicht unähnlich der Autoindustrie, die ja gerne Werbung macht, mit deren Hilfe sich das im Alltag gequälte Individuum in einsame Landschaften oder belebte Städte hineinträumen kann, in denen es nie Autos gibt, außer dem eigenen Traumwagen.

Schlüsselfrage Gewerkschaften

Die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) konnte auch einen Workshop unter dem Titel: „Welche gewerkschaftlichen Strategien braucht es für den sozialökologischen Umbau?“ durchführen. Sie stellte die Frage so: „Bislang trotten die verschiedenen Gewerkschaften hinter den Konzepten ,ihrer’ Konzerne hinterher: sei es bei E-Mobilität, autonomem Fahren, Luft- und Bahnverkehr. Bei Massenentlassungen und Betriebsschließungen werden dann zwar ‚neue Technologien und Konzepte’ gefordert, aber es bleibt bei wirkungslosen Appellen. Wie erreichen wir, dass die Gewerkschaften eine Strategie verfolgen, die nachhaltig, konsistent, branchenübergreifend ist und wie kann die nötige betriebliche und gesellschaftliche Durchsetzungsfähigkeit erreicht werden?“

Die Diskussion in den Workshops drehten sich um die Frage: Wie können die KollegInnen in den Betrieben, sei es in der Automobilindustrie oder in den Kohletagebauen, die, solange die Entscheidungen in den Händen der Bosse bleiben, zu Recht Angst vor Arbeitsplatzabbau haben, wenn es um den ökologischen Umbau ihrer Industrie geht, mit den Klimaaktivitäten vereint werden? Und zwar gegen jegliche Spaltungsversuche – sei es durch die Gewerkschaftsführungen, die oft die Frage des Erhalts der Arbeitsplätze in den jeweiligen Branchen gegen den ökologischen Umbau setzen, sei es durch die Bosse selbst, die wie z. B. in der Automobilindustrie die Transformation zu E-Autos nutzen, um Arbeitsplätze abzubauen, oder Produktlinien in sog. Billiglohnländer verlagern.

Es wurden durchaus viele Beispiele auch aus der Geschichte der ArbeiterInnenbewegung diskutiert wie z. B. der Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze bei Lucas Aerospace in Nordengland, wo die KollegInnen in den 1970er Jahren selbst einen Plan für alternative gesellschaftlich und ökologisch sinnvolle Produkte entwickelten, oder auch das aktuelle Beispiel bei Bosch in München.

Das Werk – ein Autozulieferer – soll ähnlich wie bereits das in Bietigheim bei Stuttgart voraussichtlich geschlossen werden. Hier haben UmweltaktivistInnen aus diversen Umweltnetzwerken mit den KollegInnen über die Herstellung von Alternativprodukten, die sowohl ökologisch als auch gesellschaftlich sinnvoll sind, gesprochen. Im Gegensatz zu der landläufigen Meinung – auch der des 1. Bevollmächtigten der IG Metall in München – hat sich bei dieser Diskussion und den daraus resultierenden Aktivitäten herausgestellt, dass die KollegInnen dafür aufgeschlossen sind, vor allem wenn dies mit der Frage des Erhalts ihrer Arbeitsplätze verbunden wird.

Aussagen wie „Man muss den KollegInnen auch klipp und klar sagen, dass es in den reichen Industrieländern auch um Deindustrialisierung geht in Hinsicht auf eine gerechtere Aufteilung der Produktion und des Aufbaus von Arbeitsplätzen auch im armen globalen Süden“, die vor allem von „grün“ angehauchten DiskutantInnen in die Debatte geworfen wurden, stießen auf große Skepsis. Eine solche Herangehensweise führt keineswegs zu einer Überwindung der Spaltung, solange die Beschäftigten damit Arbeitsplatzabbau verbinden, sondern eher zu einer weiteren Vertiefung. Sie wird auch den KollegInnen in den ärmeren Regionen dieser Welt nicht weiterhelfen, solange eine Gesellschaft existiert, die auf Konkurrenz und Hetze nach mehr Profit ausgerichtet ist.

So eine „Gerechtigkeit“ lässt die Profite der KapitalistInnen unangetastet im Namen einer gerechteren Verteilung der Lasten und der Ausbeutung auf die ArbeiterInnenklasse. Der zunehmend nationalistischen Herangehensweise der reformistischen Gewerkschaftsbürokratie, Arbeitsplätze in Deutschland gegen die Konkurrenz aus dem Ausland zu verteidigen, wird hier zwar widersprochen – aber auf Kosten der Klasse. Die einzige wirkliche Alternative, die Verteilung aller Arbeit auf alle, für Lohnerhöhungen überall, ArbeiterInnenkontrolle über die Produktion und internationale Streiks und Solidarität wird mit dieser grün gewendeten Spaltungspolitik genauso unterminiert wie mit dem sozialpartnerschaftlichen Nationalismus der Gewerkschaftsführungen.

Für eine Opposition in den Gewerkschaften

Im Workshop der VKG wurde noch einmal ein besonderes Licht auf die Herangehensweise der Gewerkschaften – insbesondere der IG Metall – geworfen, die nichts für die Hebung des politischen Bewusstseins ihrer Mitglieder oder der Belegschaften tun, außer immer wieder zu betonen, dass der Erhalt von Arbeitsplätzen immer nur mit Verzicht zu machen sei. Das resultiert aus ihrem sozialpartnerschaftlichen Kurs. Daher führt sie auch keinen ernsthaften Kampf mit Hilfe von Streiks, die nicht nur Proteste darstellen, sondern das Ziel verfolgen, sich gegen die Interessen des Kapitals durchzusetzen.

Aber um sich mit den KollegInnen verbinden zu können und ihnen auch eine Perspektive über den rein gewerkschaftlichen Kampf hinaus zu geben, ist es für GewerkschafterInnen oder politisch linke Kräften in den Gewerkschaften, die Schluss machen wollen mit der Unterordnung unter die Kapitalinteressen, wichtig, an den Interessen der KollegInnen, am Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze und guter Arbeitsbedingungen anzusetzen. Gleichzeitig muss aber auch in diesem Kampf klar werden, dass es notwendig ist, gegen die sozialpartnerschaftlich ausgerichtete Politik der Gewerkschaftsführung eine linke klassenkämpferische Strömung aufzubauen, die in der Lage ist, den Kampf aufzunehmen.




Österreich: LINKS-Kampagne „Mach ma 30“ – Arbeitszeitverkürzung muss erkämpft werden!

Michael Märzen, Neue International3 258, September 2021

Die neue Wiener Partei LINKS ruft zur Arbeitszeitverkürzung auf. In einer zentralen Kampagne soll für die Forderung nach einer 30-Stunden-Woche mobilisiert und über eine Petition an den Gemeinderat die Arbeitszeitverkürzung zunächst von der Stadt Wien für die eigenen Beschäftigten verwirklicht werden. Wir als Gruppe Arbeiter*innenstandpunkt sind am Aufbau von LINKS beteiligt und unterstützen die Kampagne. Wir rufen daher an dieser Stelle dazu auf, die Petition zu unterzeichnen. Wir wollen aber auch über die Ausrichtung, Strategie und praktische Umsetzung der Kampagne diskutieren.

Die Petition findet sich unter https://www.wien.gv.at/petition/online/ mit dem dem Titel „Stufenweise Verkürzung der Normalarbeitszeit für Bedienstete der Stadt Wien auf 30-Stunden-Woche“.

Ungleiche Verteilung von Arbeit im Kapitalismus

Eine der grundsätzlichen Widersprüchlichkeiten im Kapitalismus ist die ungleiche und ungerechte Verteilung von Arbeit. Und dabei sprechen wir noch nicht einmal von der ungerecht verteilten unbezahlten Reproduktionsarbeit in Form von Pflege, Sorgeleistung, Erziehung und Hausarbeit, die überwiegend von Frauen geleistet wird! In der „gewöhnlichen“ Lohnarbeit sehen wir, wie auf der einen Seite versucht wird, aus den beschäftigten Arbeitskräften das Möglichste herauszupressen, während ein großer Anteil der Gesellschaft keine Beschäftigung findet. Für die einzelnen Unternehmen ist es effektiver und somit billiger, möglichst wenige ArbeiterInnen anzustellen, diese aber so lange arbeiten zu lassen, wie es das Gesetz hergibt. Die Erhaltungskosten für die Beschäftigungslosen werden auf den Rest der Gesellschaft abgewälzt, das heißt vor allem wieder auf die ArbeiterInnen. Dem Kapital insgesamt dient die Masse an Arbeitslosen aber auch dazu, einen ökonomischen Druck auf die lohnarbeitende Klasse auszuüben. Wer befürchten muss, ersetzt zu werden, ist eher bereit, schlechtere Arbeitsbedingungen hinzunehmen.

Forderungen der Petition

Die LINKS-Petition spricht das Problem der Überarbeitung bei gleichzeitiger Arbeitslosigkeit an und fordert korrekterweise die Arbeitszeitverkürzung als wichtigen Bestandteil zur Lösung dieses Problems. Die Arbeitszeit der 65.000 Bediensteten der Stadt Wien würde schrittweise reduziert werden, womit 20.000 neue Stellen frei würden. Das betreffe zu 60 % Frauen, wovon 2/3 im Pflege-, Gesundheits- und elementarpädagogischen Bereich arbeiten. Die Petition beinhaltet allerdings auch eine allgemeinere Ausrichtung. Die Stadt würde sich mit ihrer Annahme nämlich auch hinter die Forderungen der Gewerkschaften stellen, eine Arbeitszeitverkürzung in den Kollektivverträgen durchzusetzen und als langfristiges Ziel die 30-Stunden-Woche im Arbeitsrecht zu fordern.

Worin besteht die Strategie?

Eine Petition erhält ihre Schlagkraft selbstverständlich dadurch, dass sie von vielen Menschen unterstützt wird. Somit wird es darauf ankommen, ob LINKS auch noch nach den Wien-Wahlen in der Lage ist zu mobilisieren. Bisher ist die Kampagne noch nicht wirklich angelaufen. Aber auch die stärksten Petitionen werden nicht einfach umgesetzt. Das hat zuletzt das Frauenvolksbegehren 2.0 bewiesen, welches von 481.959 Menschen unterzeichnet und von der Regierung de facto ignoriert wurde. In einer Frage, wo es einen eindeutigen Interessengegensatz zwischen Kapital und Arbeit gibt, ist es ohne ordentlichen ökonomischen und politischen Druck fast schon ausgeschlossen, dass eine bürgerliche Regierung einer radikalen Arbeitszeitverkürzung zustimmt. Zu stark wiegen die Interessen der KapitalistInnen in der Gesellschaft. Das klassische Mittel, um Forderungen der Arbeitenden gegen das Kapital durchzusetzen, wäre hingegen ein Streik. In einer allgemeinen politischen Angelegenheit kann das nur in Form eines politischen Massenstreiks geschehen. LINKS ist allerdings weit davon entfernt, einen solchen Kampf organisieren zu können. Die einzige Kraft, die dazu heute, wenn überhaupt, in der Lage wäre, ist der Österreichische Gewerkschaftsbund. Dieser reformistische, bürokratische Apparat macht aber lieber strategische Kompromisse mit den Interessenverbänden der KapitalistInnen, als die Arbeitenden für einen ernsthaften Kampf zu mobilisieren, was im Falle einer 30-Stunden-Woche ja eine heftige Konfrontation zwischen den Klassen bedeuten würde. Der Kampf für eine Arbeitszeitverkürzung ist strategisch betrachtet also auch einer um die Gewerkschaften und die Herzen und Hirne ihrer Mitglieder. Auch hier kann LINKS maximal Ansätze schaffen. Die „Mach ma 30“-Losung taugt somit vor allem als Einleitung zu einer Profilierungs-, Propaganda- und Organisierungskampagne.

Worum es gehen muss

„Mach ma 30“ wäre also ein gutes Mittel, um die 30-Stunden-Woche in die öffentliche Auseinandersetzung zu bringen und mittel- bis langfristig Kräfte zu gewinnen, die organisations- und parteiübergreifend für die Forderung aktiv werben. Dazu braucht es kämpferische Aktionen, die öffentliches Aufsehen erregen, sowie Aktivitäten und Strukturen, in denen sich ArbeiterInnen, Arbeitslose und GewerkschafterInnen als Teil eines breiteren AktivistInnennetzwerks organisieren können. Wenn das ansatzweise gelingt, können wir es auch schaffen, die Unterstützung von einzelnen BetriebsrätInnen und Gewerkschaftsgruppen zu gewinnen und die großen reformistischen Apparate der sozialdemokratischen Partei und des Gewerkschaftsbundes mit unserer Forderung zu konfrontieren.




GDL-Kundgebung vor der Deutschen Bahn AG in München

Helga Müller, Infomail 1160, 26. August 2021

Am Dienstag, 24. 8. 21, um 12 Uhr rief die GDL-München zu einer Kundgebung vor der bayerischen DB AG auf. Die Münchner Gewerkschaftslinke (MGL)/Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) rief verschiedene interessierte Gewerkschafts- und politische Kreise dazu auf, dort ihre Solidarität zu zeigen.

Um 12 Uhr versammelten sich ca. 250 bis 300 GDL-KollegInnen aus München, Ingolstadt und Augsburg zusammen mit solchen aus IGM und ver.di, VertreterInnen der LINKEN, verschiedenen linken Organisationen wie ISO, Arbeiterbund, MLPD, dem Antikapitalistischen  Klimatreffen und auch der Gruppe ArbeiterInnenmacht.

GDL-Rede

Es sprachen der bayerische Bezirksvorsitzende Uwe Böhm und als Hauptredner der stellvertretende Bundesvorsitzende der GDL – Norbert Quitter –, der eine sehr kämpferische Rede hielt.

Er verteidigte nochmal sehr ausdrücklich den Streik der KollegInnen der GDL um bessere Arbeitsbedingungen und mehr Gehalt, um die Blockadehaltung des DB-Vorstandes, der noch nicht einmal in der Lage ist, ein neues Angebot zu machen, durchbrechen zu können. Auch verteidigte er zu Recht die Forderungen der GDL gegen den Tarifabschluss der EVG (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft – die DGB-Gewerkschaft), der de facto einen Reallohnverlust bedeutet. Er betonte nochmal, dass es um die Durchsetzung eines Tarifvertrags für alle Beschäftigten geht, der mehr Gehalt und bessere Arbeitsbedingungen durchsetzt und nicht um einen politischen Streik gegen das sog. Tarifeinheitsgesetz.

Doch de facto geht es natürlich auch um diese Frage, da dieses besagt, dass bei konkurrierenden Gewerkschaften nur die, die mehrheitlich die Belegschaft in einem Unternehmen vertritt, überhaupt für einen Tarifvertrag eintreten kann und dafür auch streiken darf. Würde dies umgesetzt werden, was ja die DB am Anfang der Tarifauseinandersetzung mit der GDL angekündigt hatte – unter Rückendeckung durch die DGB-Gewerkschaft EVG! – dann dürfte die GDL nicht streiken. Dies käme einem Streikverbot für die GDL – und für alle Gewerkschaften, die in einem Unternehmen in der Minderheit sind – gleich.

Solidaritätserklärungen

Auf der Kundgebung konnte auch ein Vertreter von ver.di, der bei der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) arbeitet, eine Grußadresse verlesen. Er sprach sich für die Wiederverstaatlichung der Bahn aus und machte klar, dass die Forderungen der GDL auch einen Beitrag dazu leisten, dass der Beruf des/der EisenbahnerIn wieder attraktiver und somit die Grundlage für einen Ausbau des Fernverkehrs bedeuten, folglich einen Beitrag gegen die Klimakrise darstellen würde. Die KollegInnen bekundeten hierfür großen Beifall. Auch die Solidaritätsadresse der MGL/VKG, die vorgetragen wurde, kam bei den KollegInnen sehr gut an.

Überhaupt beeindruckte es die KollegInnen der GDL sehr positiv, dass auch Mitglieder aus IG Metall und ver.di anwesend waren und ihre Solidarität zum Ausdruck brachten. Auch Norbert Quitter bedankte sich bei den KollegInnen der MGL/VKG, dass sie für diese Solidaritätsaktion aktiv geworden waren.

Bei der anschließenden Verteilung an die Fahrgäste am Münchner Hauptbahnhof kam doch bei einigen das VKG-Flugblatt gut an, das um Verständnis und Solidarität mit dem Streik der GDL-KollegInnen wirbt. Auch wenn viele überhaupt kein Flugblatt haben wollten, haben doch einige ausdrücklich ihre Zustimmung zu dem Streik der KollegInnen bekundet, was nicht selbstverständlich ist vor dem Hintergrund einer nicht gerade wohlwollenden Berichterstattung in Rundfunk und Presse über diesen Streik.