Gegen Mietenwahnsinn und Immobilienspekulation! Enteignung – was sonst?!

Gruppe ArbeiterInnenmacht, Infomail 1154, 27. Juni 2021

343.000 Unterschriften in der 2. Sammelphase sind ein riesiger politischer Erfolg der Initiative Deutsche Wohnen und Co. enteignen (DWE), tausender UnterstützerInnen und der gesamten Protestbewegung gegen Mietenwahnsinn, Immobilienspekulation und Zwangsräumungen. Grund zum Feiern!

Der Erfolg ist aber auch Anlass zur Diskussion über die weiteren Perspektiven der Bewegung. Da wir Euch nicht allzu viel von der wohlverdienten Erholung rauben wollen, stellen wir unsere Einschätzung und Perspektive der Bewegung thesenhaft vor. Wir freuen uns auf Rückmeldungen und einen weiteren erfolgreichen Kampf!

1. An der Enteignung von Deutsche Wohnen/Vonovia und zahlreicher anderer Konzerne führt kein Weg vorbei. Das hat die Entwicklung der letzten Jahre gezeigt. Mietpreisbremse und Mietendeckel erwiesen sich zwar als begrenzte Verbesserungen. Die grundsätzlichen Ursachen für steigende Mieten und Verdrängung hätten sie aber auch nur abmildern, nicht aufheben können, selbst wenn der Deckel nicht gekippt worden wäre. Die notwendigen Neubauten von sozialem Wohnraum werden allein auch keine Abhilfe gegen die Spekulation mit ebendiesem schaffen.

Die Enteignung der großen Wohnungskapitale und andere Maßnahmen im Interesse der MieterInnen dürfen nicht alternativ, sondern müssen als Gesamtpaket gedacht werden.

2. Wenn wir die Misere am Wohnungsmarkt bekämpfen wollen, braucht es ein Maßnahmenpaket, das der Profitmacherei den Boden entzieht. Ansonsten drohen praktisch alle anderen zeitweiligen Verbesserungen nur Flickwerk zu bleiben. An der Enteignung von Grund und Boden und der großen Wohnungskonzerne führt kein Weg vorbei.

Unabhängig vom Ausgang des Volksentscheides besteht das große Verdienst von DWE darin, die Eigentumsfrage ins Zentrum politischer Auseinandersetzung, des Klassenkampfes gestellt zu haben.

3. Bei der Frage der Enteignung zeichnen sich soziale Lager ab: MieterInneninitiativen, MieterInnenverein, Gewerkschaften, AnhängerInnen der Partei, die sich auf die ArbeiterInnenklasse berufen, auf der einen Seite und bürgerliche Parteien, Mietlobby und Boulevardblätter auf der anderen. Die Frage besteht, ob man diesen Gegensatz nicht als den bezeichnet, der er ist: ein Klassenkampf. Daher sollten wir den Wahlkampf, die Mobilisierung der kommenden Monate auch als solchen begreifen. Wir müssen mit einer Hetzkampagne der Immobilienlobby, der rechten und bürgerlichen Parteien, von AfD, FPD und CDU, aber auch von den KapitalfreundInnen des rechten Parteiflügels von SPD und Grünen rechnen. Gleichzeitig müssen wir Druck auf die UnterstützerInnen in SPD und Grünen sowie auf die Linkspartei aufbauen, den Vorschlag von DWE zur Vergesellschaftung zu unterstützen.

Die Mobilisierung zum Volksentscheid muss daher vor allem als Klassenkampfmobilisierung geführt werden, auf der Straße, aber auch in den Betrieben, an Schulen und Unis.

4. Wir müssen uns darauf einstellen, dass der Kampf am 26. September nicht aufhört, auch wenn wir eine deutliche Mehrheit beim Volksentscheid erreichen. Das Kapital wird wie schon beim Mietendeckel seine Gerichte in Stellung bringen; es wird um die Rechtmäßigkeit der Enteignung und um jeden Cent bei der Höhe der Entscheidung kämpfen. Wie auch immer der Senat zusammengesetzt sein wird: eine Umsetzung im Interesse der MieterInnen ist nicht zu erwarten. Vielmehr wird er versuchen, eine Enteignung zu umgehen, zu verschleppen, zu verzögern, zu verwässern.

Wir müssen daher eine Bewegung aufbauen, die den Kampf nach dem 26. September mit anderen Mitteln in Berlin und bundesweit fortsetzen kann!

5. Die riesige Zustimmung für DWE, die Gewinnung vieler Massenorganisationen wie der Gewerkschaften, die breite Unterstützung durch die Linkspartei, durch MieterInnenvereinigungen, der Aufbau von Sammel- und Kiezteams verdeutlichen, dass wir eine Bewegung aufbauen können, die in den Stadtteilen, aber auch in den Betrieben verankert ist. Diese Basis müssen wir stärken und ausbauen. Wir müssen in den Gewerkschaften und Betrieben dafür eintreten, dass die Kampagne nicht nur durch Beschlüsse der Vorstände formal unterstützt wird, sondern auch wirklich betriebliche Strukturen aufgebaut werden, die als Kampforgane agieren können.

Die Kiez- und Sammelteams, aber auch Strukturen in Betrieben, im öffentlichen Dienst, an Schulen und Unis sollen zu Aktionskomitees der Kampagne und darüber hinaus werden!

6. Im Herbst 2021 stehen nicht nur Wahlen, sondern auch wichtige Tarifrunden im öffentlichen Dienst sowie Auseinandersetzungen an den Krankenhäusern und Klinken an. Ohne Kampf, ohne Streikbewegung wird den KollegInnen dort nichts geschenkt werden – weder von der zukünftigen Bundesregierung noch vom zukünftigen Senat und erst recht nicht in den privaten Unternehmen. Das gilt natürlich auch für den Kampf um die Enteignung bzw. deren Durchsetzung, wenn wir den Volksentscheid gewinnen.

Wir müssen von den Gewerkschaften, in den Betrieben politische Streiks einfordern, um die Umsetzung der Enteignung zu erzwingen. Wir müssen uns bei den zu enteignenden Wohnungsunternehmen auf einen organisierten Mietboykott und ähnliche Kampfmaßnahmen vorbereiten, um eine zügige Enteignung von unten zu erzwingen!

7. Wir müssen davon ausgehen, dass sich der Kampf vor und nach dem 26. September weiter zuspitzt. Das heißt auch, dass wir ihn ausweiten, politisieren und radikalisieren müssen. Das betrifft zum einen die bundesweite Ebene wie überhaupt den Kampf um Enteignung und die Verbindung mit dem Kampf gegen die Kosten der Krise und Pandemie.

Wir treten daher dafür ein, nach den Wahlen eine bundesweite Aktionskonferenz zu organisieren, bei der der Kampf gegen überhöhte Mieten und Wohnungsnot eine zentrale Rolle spielen sollte, um so eine massenhafte Antikrisenbewegung aufzubauen.

8. Die Auseinandersetzungen der letzten Monate zeigen, welche Bedeutung der Wohnungsfrage zukommt. Dass Millionen die Enteignung der Konzerne unterstützen, zeigt aber auch, dass sie die kapitalistische Profitmacherei nicht einfach dulden wollen. Die Enteignung wird daher auch in anderen Bereichen von grundlegender Bedeutung werden. Dies bedeutet aber auch, dass wir an die Grenzen des Kampfes stoßen werden, wenn er im Rahmen des Grundgesetzes und der Entschädigung des Privateigentums bleibt. Wir müssen daher auch die Frage aufwerfen, wie, durch welche Mittel perspektivisch eine entschädigungslose Enteignung durchgesetzt werden kann. Welche gesellschaftliche Kraft, welche Klasse kann das erreichen und wie kann sie kontrollieren, dass enteignete, verstaatlichte oder kommunalisierte Betriebe oder Genossenschaften unter ihrer Kontrolle stehen und nicht nur der einer den MieterInnen nicht verantwortlichen Bürokratie?

Wir sollten daher die aktuelle Kampagne als Sprungbrett zu einer größeren Bewegung für die  bundesweite Enteignung der Immobilienkonzerne, von Grund und Boden und die Kontrolle des Wohnungsbaus durch die MieterInnen begreifen.

9. Doch keine Perspektive ohne Mühen der Ebene. Die beste strategische Diskussion reicht nicht, wenn wir unsere Kräfte nicht für den Volksentscheid im September bündeln. Ein Sieg beim Entscheid wäre einer von uns allen und ein enormer Schub für jeden zukünftigen Widerstand gegen die Angriffe des Kapitals, der nächsten Bundesregierung und des nächsten Senats.

Die von DWE anvisierte Verbreiterung der Kiezteams und Aktionsgruppen durch regelmäßige Versammlungen in den Kiezen und Stadtteilen ist dazu ein wichtiger Schritt. Diese sollten nicht nur dazu dienen, die Menschen zur Abstimmung zu bringen, sondern auch neue AktivistInnen zu gewinnen und integrieren.

In diesem Sinn sollten auch Aktionsgruppen und Komitees in Betrieben, im öffentlichen Dienst und an den Schulen aufgebaut werden.

Außerdem schlagen wir das Erstellen einer kostenlosen Massenzeitung für die Kampagne neben anderen Werbematerialien vor und die Verbindung der Mobilisierung mit anderen sozialen Kämpfen wie der Krankenhausbewegung und dem gegen die Räumung besetzter Häuser!

  • Bereiten wir Deutsche Wohnen/Vonovia und Co. einen heißen Herbst!
  • Enteignet die EnteignerInnen!



Deutsche Wohnen und Co. enteignen! Auf zur zweiten Runde!

ArbeiterInnenmacht-Flugblatt, Infomail 1144, 27. März 2021

Seit letzten Sommer hat es DWE nicht nur geschafft, eine große SammlerInnenstruktur mit ca. 1600 Personen aufzubauen, was zahlreiche Solidarische Orte, lokale Kiez- und Hochschulgruppen einschließt, sondern auch die Zustimmung großer BündnispartnerInnen wie des Berliner Mietervereins und ver.dis, der GEW, IG Metall , IG-BAU- und DGB-Jugend gewonnen. Es gibt Gespräche mit verschiedenen linken Bezirksverbänden der Grünen und der SPD sowie dem Berliner Landesverband der Jusos. Die Linkspartei unterstützt das Volksbegehren ebenso sowie zahlreiche andere linke Initiativen, Vereine, Interessenvertretungen und politische Gruppierungen.

Zusätzlich wurde die Kampagne geographisch erweitert:

  • Eine bundesweite Enteignungsvernetzung hat begonnen mit UnterstützerInnen in Aachen, Aschaffenburg, Bremen, Darmstadt, Dortmund, Düsseldorf, Frankfurt, Freiburg, Göttingen, Halle, Hamburg, Hannover, Jena, Kiel, Köln, Leipzig, Mannheim, Marburg, Nürnberg, Potsdam, Stuttgart und Tübingen (bundesweit@dwenteignen.de).
  • Mit der (Unter-)Kampagne „Right to the City“ wurde das Sammeln rechtlich ungültiger, aber politisch unterstützender Unterschriften von Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft zusammen mit verschiedenen MigrantInnenorganisationen (wie bspw. DIDF, der kurdischen und arabischen Community) geplant, um auf den Umstand ungleicher Rechte aufmerksam zu machen. Dafür wurden Materialien in englischer, türkischer, arabischer und russischer Sprache produziert. Wir sind der Meinung: Wer Miete zahlt, dessen Unterschrift soll auch gezählt werden.

Damit hat die Kampagne nicht nur eine starke personelle Ausstattung, sondern eine bis dahin nicht bekannte gesellschaftliche Reichweite in stark unterschiedlichen Milieus und in der organisierten ArbeiterInnenklasse entwickelt.

Mobilmachung der Gegenseite

Aber auch die Gegenseite macht mobil: Eine Woche vor Start der zweiten Phase schikanierte die Polizei mehrere SammlerInnen, beschlagnahmte Material, erstattete Anzeigen wegen Plakatierens ohne Erlaubnis und Sachbeschädigung oder wurde in Treptow ertappt, wie sie selbst Plakate (bspw. in der Baumschulenstraße) entfernte. Innensenator Geisel berät weitere Schritte wegen Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz. Derselbe Innensenator, der 441 Tage für die Freigabe des Volksbegehrens gebraucht hat, beeilt sich anscheinend, jetzt die Kampagne zu stören. Dabei ist politische Werbung zum Zwecke von Volksbegehren nach § 2 Abs. 5, Nr. 2 der Covid-Verordnung ausdrücklich erlaubt. Geisel ist dem rechten und der Immobilienlobby nahen Flügel der SPD zuzurechnen und bereits zuvor mit einer feindlichen Haltung gegenüber Volksbegehren aufgefallen. Die Rate konservativer und neoliberaler Internettrolle steigt an und spammt die Kommentarspalten unter den Artikeln bürgerlicher Zeitungen zu. Und nicht zuletzt will der Immobilienlobbyverband GdW (Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen) 1,6 Millionen Euro für eine öffentliche Gegenkampagne bereitstellen, die durch Spenden der Mitgliedsverbände wie beispielsweise des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) und Sonderbeiträge der von der Vergesellschaftung betroffenen Immobilienkonzerne finanziert wird, und damit mit den Mieten der einfachen BerlinerInnen.

Das alles war zu erwarten und zeigt sehr gut, dass Vergesellschaftung zwar in Form des Volksbegehrens eine demokratische Frage ist, aber im Kern eine soziale mit klaren Klassenlinien und Lagern.

Klassenkampf und Volksbegehren

Bei allen guten Entwicklungen und optimistischen Aussichten ist das Ziel der Vergesellschaftung jedoch nicht sicher. Erstens weil das Volksbegehren letztlich alle Hoffnungen auf einen legalistischen Prozess setzt, der beim Gesetzgebungsverfahren eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus voraussetzt, also von der Unterstützung von Grünen, SPD und Linkspartei abhängt. Zweitens weil es keine anderen Wege zur Vergesellschaftung aufzeigt, die im Falle einer Niederlage die Kampagne auffangen und umorientieren könnten. Dazu bedarf es einer freien politischen Diskussion über zusätzliche und alternative Wege und einer Strategie, die mittels demokratischer Fragen Massen mobilisiert und organisiert (wie das Volksbegehren es auch erfolgreich tut). Sie müsste dabei jedoch versuchen, die Entscheidungsebene weg von Organen des bürgerlichen Staates (wie den Regierungsparteien, dem Abgeordnetenhaus und den Gerichten) auf eine (Klassen-)Ebene oder ein (soziales) Milieu zu verschieben, wo DWE tatsächlich eine größere Hebelwirkung und Verankerung, hat wie Organe der ArbeiterInnenklasse: Betriebsversammlungen, Gewerkschaften, lokale MieterInnenräte und „die Straße“.

Als Motor und als demokratisches Vehikel ist das Volksbegehren sehr gut geeignet und die Unterstützung durch die Gewerkschaften zeigt das. Unabhängig davon, wie der Kampf ausgeht, hat die Strategie ihr Potential verdeutlicht, eine demokratische Frage in eine soziale Massenmobilisierung zu transformieren. Wie der weitere Weg aussehen soll und sich das Volksbegehren in eine Gesamtstrategie in der Wohnungsfrage einbettet, muss offen diskutiert werden. Warum diese Diskussion um Alternativen und mögliche Negativszenarien wichtig ist, zeigt die aktuelle Sammelphase. Diese ist mit einer Schwierigkeit konfrontiert, die für vorherige Volksbegehren unbekannt war: die Corona-Pandemie und das Sammeln unter Maßnahmen des Infektionsschutzes. Wie stark sich das auf die Unterschriftenzahl letztlich auswirkt, lässt sich aktuell nicht voraussagen. Aber angesichts des starken Starts und der relativ großen Zustimmung unter Lohnabhängigen und WählerInnen von Grünen, SPD und Linkspartei kann man vorsichtig optimistisch sein.

Es kommt aber bis zum Ende auf jede Unterschrift an. Daher:

  • Installiert die DWE-App auf Euer Handy, wo Ihr über Sammelaktionen, Infoveranstaltungen und Kundgebungen sowie Orte informiert werdet, wo Ihr abstimmen könnt sowie Materialien und Unterschriften bekommt!
  • Werdet aktiv bei einem der vielen lokalen Kiezteams, der Hochschulvernetzung oder in der DWE-Gruppe Eurer Hochschule und tretet der entsprechenden Telegram-Gruppe bei (eine Liste findet Ihr unter www.dwenteignen.de/mitmachen/)!
  • Nehmt teil am zweiwöchigem Plenum der Kampagne! Schickt dazu eine Mail an mitmachen@dwenteignen.de!
  • Bringt Euch ein in eine der vielen AGs und Untergruppen: www.dwenteignen.de/mitmachen/!
  • Sprecht mit FreundInnen, KollegInnen und Familie über DWE, holt Euch Unterschriftenlisten von einem der Solidarischen Orte, reicht diese weiter und sammelt selbst! Das zentrale DWE-Büro befindet sich in der Graefestraße 14 in Kreuzberg. Eine Karte, wo Du unterschreiben oder Deine Unterschriftenbögen abgeben kannst, findest Du in der DWE-App.

Denn die erfolgreiche zweite Phase wäre nicht nur ein Sieg für 300.000 MieterInnen. Es gibt Überlegungen, ein größeres Bündnis aufzubauen, was die Frage von Enteignung, Vergesellschaftung, Gemeinwirtschaft, Wirtschaftsdemokratie und demokratische Kontrolle auch in Bezug auf andere gesellschaftliche Bereiche zur Agenda macht. Damit könnten die Linke und die ArbeiterInnenklasse nicht nur nach Jahrzehnten des politischen Rückzugs endlich wieder in die Offensive kommen, sondern auch in Zeiten von Corona, Klimawandel und der kommenden Wirtschaftskrise dringende Sofortmaßnahmen und ein langfristiges Programm auf eine Grundlage stellen, von der die Masse der Menschen profitiert und damit ihr Überleben sichert.

Eckpunkte eines Programms zur Wohnungsfrage

Bürgerliche Wohnungs- und Bodenreformpolitik richtet sich lediglich gegen „spekulative Auswüchse“, nicht gegen das auch der Wohnungsfrage zugrunde liegende Kapitalverhältnis.

Ein Wohnungsprogramm kann nur entwickelt werden durch Teilnahme an den Erfahrungen und Kämpfen der MieterInnenbewegung. Deshalb wollen wir hier  einige Eckpunkte benennen, die solch ein revolutionäres Programm berücksichtigen müsste:

1. Jede Forderung zur Erleichterung und Verbesserung der Lage der MieterInnen und der Einschränkung der privaten Eigentümerverfügungsmacht über Immobilien ist zu unterstützen, auch wenn sie noch so begrenzt erscheint.

2. Dabei ist immer klarzustellen, dass, solange die bürgerliche Staatsmacht besteht, Teilerfolge immer gefährdet sind. Es gibt keine sozialistischen Inseln im Kapitalismus.

3. Der Wohnungssektor ist Teil des kapitalistischen Gesamtsystems. Der Kampf dort muss ausgeweitet werden zu einem Kampf gegen dieses System.

4. Der MieterInnenkampf muss als Klassenkampf geführt werden (z. B. durch Einbeziehung der Gewerkschaften und anderer Organisationen, die sich auf die ArbeiterInnenklasse beziehen).

5. Anzustreben ist die Organisation der Betroffenen (MieterInnen und Beschäftigte der Wohnungswirtschaft) in (räteähnlichen) Strukturen der direkten Demokratie.

6. Forderungen sind zentral, die den Kern des heutigen Wohnungsmarktes angreifen (z. B. entschädigungslose Enteignung und Vergesellschaftung von Grund und Boden, Banken, Finanz- und Baukonzernen unter Kontrolle von Organisationen der ArbeiterInnenbewegung und der NutzerInnen).

Wir schlagen auch ein Programm öffentlicher, nützlicher Wohnungsbau- und Sanierungsmaßnahmen zu Tariflöhnen und bezahlt aus Unternehmerprofiten vor.

Das bedeutet nicht nur Kommunalisierung des Grund und Bodens, sondern Baubetrieb in Staatshand zwecks Neubau wie Altbausanierung, bezahlt aus dem beschlagnahmten Vermögen des entschädigungslos enteigneten Wohnungs- und Baukapitals bzw. einer progressiven Steuer auf alle Unternehmensprofite. Auch macht die enge Verknüpfung des Wohnungskapitals mit dem Finanzkapital es nötig, ebenso bei den Finanzierungsgesellschaften entschädigungslose Enteignungen durchzuführen.

Erst auf dieser Grundlage kann eine echte Selbstverwaltung bzw. Mitsprache der MieterInnen stattfinden, begleitet von ArbeiterInnenkontrolle über das Wohnungsbauwesen.




Deutsche Wohnen & Co. enteignen: Es geht in die zweite Runde!

Tomasz Jaroslaw, Infomail 1140, 26. Februar 2021

Heute, am 26.2.2021, beginnt die zweite Phase des Volksbegehrens „Deutsche Wohnen & Co. Enteignen“ (DWE).  Diese wird mit 75 Sammelaktionen, 12 Kundgebungen und 4 Infoveranstaltungen an diesem Wochenende eingeläutet. Zuvor wurden in einer historischen Aktion 40.000 Plakate innerhalb von 2 Tagen verklebt. Es müssen 170.000 gültige Unterschriften in 4 Monaten gesammelt werden. Hierfür stehen 16 Kiezgruppen mit 500 Aktiven und fast 100 Stellen zum Unterschreiben („Solidarische Orte“, Bezirksämter) zur Verfügung. Mit diesem grandiosen Start ist das Ziel realistisch.

Seit letzten Sommer hat es DWE nicht nur geschafft, eine große SammlerInnenstruktur mit ca. 1600 Personen aufzubauen, was zahlreiche Solidarische Orte, lokale Kiez- und Hochschulgruppen einschließt, sondern auch die Zustimmung großer BündnispartnerInnen wie des Berliner Mietervereins und ver.dis, der GEW, IG Metall , IG-BAU- und DGB-Jugend gewonnen. Es gibt Gespräche mit verschiedenen linken Bezirksverbänden der Grünen und der SPD sowie dem Berliner Landesverband der Jusos. Die Linkspartei unterstützt das Volksbegehren ebenso sowie zahlreiche andere linke Initiativen, Vereine, Interessenvertretungen und politische Gruppierungen.

Zusätzlich wurde die Kampagne geographisch erweitert:

  • Eine bundesweite Enteignungsvernetzung hat begonnen mit UnterstützerInnen in Aachen, Aschaffenburg, Bremen, Darmstadt, Dortmund, Düsseldorf, Frankfurt, Freiburg, Göttingen, Halle, Hamburg, Hannover, Jena, Kiel, Köln, Leipzig, Mannheim, Marburg, Nürnberg, Potsdam, Stuttgart und Tübingen (bundesweit@dwenteignen.de).
  • Mit der (Unter-)Kampagne „Right to the City“ wurde das Sammeln rechtlich ungültiger, aber politisch unterstützender Unterschriften von Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft zusammen mit verschiedenen MigrantInnenorganisationen (wie bspw. DIDF, der kurdischen und arabischen Community) geplant, um auf den Umstand ungleicher Rechte aufmerksam zu machen. Dafür wurden Materialien in englischer, türkischer, arabischer und russischer Sprache produziert. Wir sind der Meinung: Wer Miete zahlt, dessen Unterschrift soll auch gezählt werden.
  • Mit der Linkspartei wurde durchgesetzt, dass auf privaten Flächen, die öffentlich zugänglich sind wie Bahnhöfen, großen Freiflächen (wie dem Tempelhofer Feld) und Einkaufsmeilen, kostenlos Stände aufgebaut, Material verteilt und Unterschriften gesammelt werden können.
  • Das Unterschreiben für Wohnungslose wurde vereinfacht.
  • Unterschriften können jetzt auch in Gefängnissen gesammelt und in Gemeinschaftsräumen unsere Filme gezeigt werden.

Damit hat die Kampagne nicht nur eine starke personelle Ausstattung, sondern eine bis dahin nicht bekannte gesellschaftliche Reichweite in schwer zugängliche Milieus entwickelt.

Mobilmachung der Gegenseite

Aber auch die Gegenseite macht mobil: Eine Woche vor Start der zweiten Phase schikanierte die Polizei mehrere SammlerInnen, beschlagnahmte Material, eröffnete Anzeigen wegen Plakatierens ohne Erlaubnis und Sachbeschädigung oder wurde in Treptow ertappt, wie sie selbst Plakate (bspw. in der Baumschulenstraße) entfernte. Innensenator Geisel berät weitere Schritte wegen Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz. Derselbe Innensenator, der 441 Tage für die Freigabe des Volksbegehrens gebraucht hat, beeilt sich anscheinend, jetzt die Kampagne zu stören. Dabei ist politische Werbung zum Zwecke von Volksbegehren nach §2 Abs. 5, Nr 2 der Covid-Verordnung ausdrücklich erlaubt. Geisel ist dem rechten und der Immobilienlobby nahen Flügel der SPD zuzurechnen und bereits zuvor mit einer feindlichen Haltung gegenüber Volksbegehren aufgefallen. Die Rate konservativer und neoliberaler InternettrollInnen steigt an und spammt die Kommentarspalten unter den Artikeln bürgerlicher Zeitungen zu. Und nicht zuletzt will der Immobilienlobbyverband GdW (Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen) 1,6 Millionen Euro für eine öffentliche Gegenkampagne bereitstellen, die durch Spenden der Mitgliedsverbände wie beispielsweise des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) und Sonderbeiträge der von der Vergesellschaftung betroffenen Immobilienkonzerne finanziert wird, und damit mit den Mieten der einfachen BerlinerInnen.

Das alles war zu erwarten und zeigt sehr gut, dass Vergesellschaftung zwar in Form des Volksbegehrens eine demokratische Frage ist, aber im Kern eine soziale mit klaren Klassenlinien und Lagern.

Klassenkampf und Volksbegehren

Bei allen guten Entwicklungen und optimistischen Aussichten ist das Ziel der Vergesellschaftung jedoch nicht sicher. Erstens weil das Volksbegehren letztlich alle Hoffnungen auf einen legalistischen Prozess setzt, der beim Gesetzgebungsverfahren eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus voraussetzt, also von der Unterstützung von Grünen, SPD und Linkspartei abhängt. Zweitens weil es keine anderen Wege zur Vergesellschaftung aufzeigt, die im Falle einer Niederlage die Kampagne auffangen und umorientieren könnten. Dazu bedarf es einer freien politischen Diskussion über zusätzliche und alternative Wege und einer Strategie, die mittels demokratischer Fragen Massen mobilisiert und organisiert (wie das Volksbegehren es auch erfolgreich tut). Sie müsste dabei jedoch versuchen, die Entscheidungsebene weg von Organen des bürgerlichen Staates (wie den Regierungsparteien, dem Abgeordnetenhaus und  den Gerichten) auf eine (Klassen-)Ebene oder ein (soziales) Milieu zu verschieben, wo DWE tatsächlich eine größere Hebelwirkung und Verankerung hat wie Organe der ArbeiterInnenklasse: Betriebsversammlungen, Gewerkschaften, lokale MieterInnenräte und „die Straße“.

Als Motor und als demokratisches Vehikel ist das Volksbegehren sehr gut geeignet und die Unterstützung durch die Gewerkschaften und diverse Umfragen suggerieren, dass diese Strategie, eine demokratische Frage in eine soziale Massenmobilisierung zu transformieren, im Grund möglich ist. Wie diese zusätzlichen Wege aussehen und sich das Volksbegehren in eine Gesamtstrategie einbettet, muss offen diskutiert werden. Leider zeigte die Diskussion zur Broschüre  „Vergesellschaftung und Gemeinwirtschaft“, dass Teile der Kampagne eine offene Diskussion nicht führen können oder wollen. Dabei gibt es jetzt bereits Ansätze und Ideen: In der Linkspartei wird die Frage von politischen Streiks für Vergesellschaftung diskutiert, im MieterInnenmileu erfreut sich das Mittel des Mietboykotts in Coronazeiten steigender Popularität und es gibt dort Ansätze zur Formierung einer MieterInnengewerkschaft. Leider wurde die Zeit zwischen der ersten und der jetzigen zweiten Phase, trotz entsprechender positiver Beschlüsse und Absprachen,  nicht genutzt, um diese Diskussion zu führen. Die wird wohl auf die Zeit nach dem Sammeln verschoben und hoffentlich nicht aufgehoben werden. Warum diese Diskussion um Alternativen und möglichen Negativszenarien wichtig ist, zeigt die aktuelle Sammelphase.  Diese ist mit einer Schwierigkeit konfrontiert, die für vorherige Volksbegehren unbekannt war: die Corona-Pandemie und das Sammeln unter Maßnahmen des Infektionsschutzes. Wie stark sich das auf die Unterschriftenzahl letztlich auswirkt, lässt sich aktuell nicht voraussagen. Aber angesichts des starken Starts und der relativ großen Zustimmung unter Lohnabhängigen und WählerInnen von Grünen, SPD und Linkspartei kann man vorsichtig optimistisch sein.

Es kommt aber bis zum Ende auf jede Unterschrift an. Daher:

  • Installiert die DWE-App auf Euer Handy, wo Ihr über Sammelaktionen, Infoveranstaltungen und Kundgebungen sowie Orte informiert werdet, wo Ihr abstimmen könnt, sowie Materialien und Unterschriften bekommt!
  • Werdet aktiv bei einem der vielen lokalen Kiezteams, der Hochschulvernetzung oder an der DWE-Gruppe Eurer Hochschule und tretet der entsprechenden Telegram-Gruppe bei (eine Liste findet ihr unter www.dwenteignen.de/mitmachen/)!
  • Sprecht mit FreundInnen, KollegInnen und Familie über DWE, holt euch Unterschriftenlisten von einem der Solidarischen Orte, reicht diese weiter und sammelt selbst! Das zentrale DWE-Büro befindet sich in der Graefestraße 14 in Kreuzberg. Eine Karte, wo Du unterschreiben oder Deine Unterschriftenbögen abgeben kannst, findest du in der DWE-App.

Denn die erfolgreiche zweite Phase wäre nicht nur ein Sieg für 300.000 MieterInnen. Es gibt Überlegungen, ein größeres Bündnis aufzubauen, was die Frage von Enteignung, Vergesellschaftung, Gemeinwirtschaft, Wirtschaftsdemokratie und demokratische Kontrolle auch in Bezug auf andere gesellschaftliche Bereiche zur Agenda macht. Damit könnten die Linke und die ArbeiterInnenklasse nicht nur nach Jahrzehnten des politischen Rückzugs endlich wieder in die Offensive kommen, sondern auch in Zeiten von Corona, Klimawandel und der kommenden Wirtschaftskrise dringende Sofortmaßnahmen und ein langfristiges Programm auf eine Grundlage stellen, von denen die Masse der Menschen profitiert und damit ihr Überleben sichert.




Deutsche Wohnen & Co. enteignen: Seit 10 Monaten in Geiselhaft

Tomasz Jaroslaw, Neue Internationale 247, Juni 2020

Am 14. Juni 2019 übergab die Kampagne „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ (DWE) als Antrag zum Volksbegehren 77.000 Unterschriften dem Innensenat zur Prüfung. Das war der erste Schritt auf dem Weg zum Volksentscheid, der den Berliner Senat verpflichten soll, dem Abgeordnetenhaus ein Gesetz vorzulegen, das die größten privaten und profitorientierten Wohnungsunternehmen nach §15 Grundgesetz (Vergesellschaftungsparagraph) in eine Anstalt des öffentlichen Rechts überführt. Ausgeschlossen von der Vergesellschaftung sind  selbstgenutzter Eigenbesitz, kleine und mittlere Wohnungsunternehmen, kommunale Wohnungsgesellschaften, Genossenschaften und andere Formen des gemeinschaftlichen Besitzes. Diese Maßnahme ist nach Angaben von DWE nicht nur haushaltneutral. Es lässt sich damit ebenso die Miete für ca. 300.000 BerlinerInnen um ca. 1 Euro/m2 senken. Im Gegensatz zum Mietendeckel, der erstens viele Ausnahmen für Mietpreissteigerungen zulässt und je nach Zusammensetzung im Abgeordnetenhaus auch vor Ablauf der 5-Jahres-Frist kassiert werden kann, zeigt eine Studie des Peng-Kollektivs aus dem Jahr 2019, dass die Vergesellschaftung bezüglich Mietpreisstabilisierung nachhaltiger ist.

Nach diesem erfolgreichen Start war die Initiative letztes Jahr bereit für die 2. Phase, das (eigentliche) Volksbegehren. Nach einer kurzen formalen Prüfung sollte es schnell weitergehen. Etliche juristische Gutachten haben die Rechtsmäßigkeit bestätigt. Es liegt seit Februar ein „vorläufiges Ergebnis“ vor. Dieses wird jedoch nicht veröffentlicht und die formale Prüfung damit abgeschlossen, sondern erst wird noch „senatsintern“ abgestimmt. Hintergrund ist die Differenz in der Regierungskoalition aus SPD, Grünen und Linkspartei. Während die SPD-Führung um Innensenator Geisel, dem Berliner Regierenden Bürgermeister Müller und der Bundesministerin Giffey die Vergesellschaftung mit allen Mitteln verhindern und das Volksbegehren einfach aussitzen will, stehen die SPD-Linke, die Jusos und die Grünen dem Volksbegehren offen gegenüber und signalisieren Redebereitschaft mit DWE. Die Linkspartei ist offene Unterstützerin der Kampagne. Dies führte zu einem Hickhack aus positiven Signalen, Bewegungs- und Gesprächsbereitschaft auf der einen Seite und Dementi und Blockadepolitik auf der anderen. Die SPD-Taktik war hier bereits drei Mal erfolgreich, führte zum Abbruch der Kampagnen gegen das „Geisel-Drama“ (also für den Abschluss der formalen Prüfung).

Perspektive

Die Taktik von Geisel und Müller besteht darin, die formale Prüfung auf unabsehbare Zeit zu verlängern, um damit die Strukturen der Kampagne bzw. die Mobilisierungsfähigkeit nachhaltig zu schwächen und bei Gesprächen ein Druckmittel aufrechtzuerhalten, um ähnlich wie beim Mietenvolksentscheid von 2015 DWE zu Zugeständnissen zu erpressen und damit zentrale Inhalte des Beschlusstextes zu revidieren. Statt naive Hoffnungen in solche Gespräche zu setzen (zumal diese inoffiziellen Charakter haben und nicht bindend sind), muss DWE das Kräfteverhältnis durch die Aktivierung von großen BündnispartnerInnen (beispielsweise Linkspartei, Mietervereine, Gewerkschaften) und den Aufbau einer Massenbasis zu seinen Gunsten verschieben.

Mit dem Ausbau der Unterschrift-Sammelstrukturen in Form von Kernen zukünftiger lokaler Kiezteams und entsprechender Bezirksstrukturen sind die ersten Schritte erfolgreich eingeleitet worden. Die Nutzung von Recruiting- und Organizing-Methoden könnte die Kampagne stärken. Des Weiteren könnte eine ordentliche Arbeitsgemeinschaft, die die BündnispartnerInnen intensiv betreut und in die Mobilisierungen von DWE integriert, auch sinnvoll sein. Aber vor allem detaillierte und offene Diskussionen in DWE, der MieterInnenbewegung und der gesamten Linken – nicht nur über die unmittelbaren Kampagnenschritte und technischen Details, sondern eine totale Transparenz über die Gespräche mit den Regierungsparteien und vollständige Offenheit in allen Fragen von Strategie und Taktik – sind notwendig. Das schließt das aktuelle Volksbegehren ein, aber auch alternative Vorschläge aus der MieterInnenbewegung und politischen Linken wie Mietenboykotts, Streiks, Besetzungen und damit alternative Wege zur Vergesellschaftung. Die Verknüpfung des MieterInnenkampfs mit dem betrieblichen ist eine zentrale Voraussetzung für den Erfolg der Kampagne und die Vergesellschaftung in jeglicher Form. Diese breiten und offenen Gespräche sind absolut notwendig, wenn man die Fehler aus dem alten Voksbegehren nicht wiederholen will. Dazu gehört auch, sich von der Illusion eines substanziellen Kompromisses mit der SPD und dem von ihr geführten Senat zu verabschieden.

Um die Kampagne für die Enteignung von Deutsche Wohnen & Co. erfolgreich zu führen, muss eine gesamtgesellschaftliche Klassenfront für die Verallgemeinerung ihrer Ziele, also Vergesellschaftung, Gemeinwirtschaft und demokratische Kontrolle in anderen gesellschaftlichen Bereichen aufgebaut werden. Der gemeinsame Kampf der gesamten Linken und der ArbeiterInnenklasse für die Ziele von DWE wäre ein erster Schritt und die Vergesellschaftung von 300.000 Wohnungen nicht nur eine substanzielle Verbesserung in Berlin, sondern ein politscher Sieg der gesamten Linken.




Frauenvolksbegehren: Perspektive & Kritik

Aventina Holzer, REVOLUTION Österreich, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 7, März 2019

Das Frauenvolksbegehren wurde in Österreich zur Abstimmung vorgebracht und sammelte letztes Jahr 481.959 Stimmen. Es beinhaltet viele positive Forderungen: von der schrittweisen Einführung einer 30-Stundenwoche über den Ausbau von Kinderbetreuung und Abtreibung mit vollständiger Kostenübernahme durch die Krankenkasse bis zur Anerkennung von frauenspezifischen Fluchtgründen. Wir befürworten daher die Unterstützung dieses Volksbegehrens. Gleichzeitig haben wir auch Kritik an dem Verfahren, denn aktuell sieht es so aus, dass die Initiative im Nichts zu verpuffen droht. Die Frage ist deshalb für Kommunist*innen, wie man sich in diesem Spannungsverhältnis zwischen (großteils) fortschrittlichen Forderungen und gleichzeitig sehr gemäßigter Politik verhalten soll. Kann ein Volksbegehren überhaupt etwas bezwecken? Wir möchten an dieser Stelle eine seiner kontroversen Forderungen und die nötigen Perspektiven zur Frauenbefreiung diskutieren.

Quoten als Lösung?

Gerade Kommunist*innen stehen für die Gleichberechtigung
von Frauen ein, aber unsere konkreten Forderungen unterscheiden sich dennoch
vom Frauenvolksbegehren. Hier wird gefordert, dass die Hälfte aller Wahllisten
und Vertretungsgremien der politischen Interessensvertretungen und der
Sozialpartnerschaftsinstitutionen von Frauen besetzt wird. Zusätzlich sollen
innerhalb der Kontroll- und Leitungsgremien von Kapitalgesellschaften und
Genossenschaften dieselben Kriterien erfüllt werden. Die Begründung ist, dass Frauen
einen großen Teil der Bevölkerung ausmachen, dieser aber wenig in den
Institutionen widergespiegelt wird. In einer repräsentativen Demokratie wäre
das aber dringend notwendig. Deswegen müssten also Quoten sich dieser Aufgabe
der gleichberechtigten Vertretung annehmen.

Es ist in den allermeisten Fällen egal, ob die Person, die
uns ausbeutet, ein Mann oder eine Frau ist. Die Frauenbewegung sollte sich
nicht an der Verwaltung des Kapitalismus beteiligen. Deshalb fordern wir die
Verstaatlichung der Betriebe unter Kontrolle der Arbeiter*innen. Wir wollen
nicht „politisch korrekt“ unterdrückt werden, sondern die Unterdrückung ganz
abschaffen.

Aber natürlich ist das
nicht die alleinige Antwort auf die Forderung nach Quoten. Speziell in den
Massenorganisationen der Arbeiter*innenklasse, also Gewerkschaften oder
politischen Organisationen, ist Quotierung wichtig. Denn auch die
fortschrittlichste Bewegung ist nicht frei von Sexismus und anderen
Unterdrückungsmechanismen. Um das tatsächliche Potenzial der Gruppen auszuschöpfen,
müssen Frauen (und auch andere unterdrückte Gruppen) gemessen an ihrem
Mitgliederanteil in Gremien vertreten sein. Eine
Quote, kann dabei ein Mittel sein, um die Repräsentation von Frauen zu erhöhen.
Daneben müssen wir aber auch, um die Beteiligung von gesellschaftlich
Unterdrückten zu fördern, diese gezielter schulen und fördern, von technischen
Aufgaben befreien, ihnen das Recht auf einen selbstbestimmten Schutzraum
(Caucus) geben. Zudem müssen auch Menschen, die nicht unterdrückt werden wie
Männer, in die Verantwortung gebracht werden, über ihre Sozialisierung zu
reflektieren.

Insofern sehen wir den
Anspruch des Frauenvolksbegehrens in dieser Frage als berechtigt an, halten
aber die Lösung nicht für ideal. Die Frage von Quotierung muss mit einem klaren
Klassenstandpunkt verbunden werden. Sonst dient diese im Endeffekt nicht mehr
den arbeitenden Frauen, sondern einem (weiblichen besetzten) Teil des Kapitals.
Es wird nämlich der tatsächliche Ursprung (oder zumindest
Reproduktionsmechanismus) für Ungleichheit verschleiert: das kapitalistische
Wirtschaftssystem. Deshalb muss man für tatsächliche Gleichberechtigung auch
erstmal eine neue ökonomische Basis schaffen und das jetzige Wirtschaftssystem
hinter sich lassen.

Aber es muss auch klar sein, dass – egal wie sehr wir kämpfen – uns unsere Rechte jederzeit wieder weggenommen werden können. Der Kapitalismus als Ursache der Frauenunterdrückung muss überwunden werden. Und das geht nur als kämpfende Bewegung der Arbeiter*innenklasse. Viele der Punkte im Frauenvolksbegehren müssen essentielle Forderungen einer solchen Bewegung sein, die auf ihre eigene Stärke vertraut statt auf den bürgerlichen Staat. Aber leider bricht der kleinbürgerliche Charakter des Frauenvolksbegehrens doch immer wieder mit den Interessen der Arbeiter*innenklasse.

Deshalb müssen wir die Menschen überzeugen, einen Schritt weiterzugehen. Denn echte Frauenbefreiung wird es erst geben, wenn die Dystopie des „freien Marktes“ endlich auf dem Müllhaufen der Geschichte landet.

Was bezwecken Volksbegehren?

Ein erfolgreiches Volksbegehren hat als solches genommen
nicht viel mehr Konsequenzen, als dass im Nationalrat darüber diskutiert werden
muss. Dies ist auch passiert, mit äußerst geringer Beteiligung und keinem
Interesse daran, irgendwelche der Forderungen umzusetzen – nicht verwunderlich,
schließlich ist die Regierung blau-schwarz.
Der wesentlichere Output kann eben deswegen nur sein, eine gesellschaftliche
Diskussion über die Themen zu eröffnen und dadurch eine Bewegung auf der
Straße, in den Gewerkschaften und Betrieben anzustoßen, die den
gesellschaftlichen Druck erzeugen kann, damit die Forderungen auch wirklich
erzwungen werden können. Denn was der Kampf für Gleichberechtigung im letzten
Jahrhundert gezeigt hat ist, dass diese nicht einfach vom Himmel fällt, sondern
hart erkämpft werden muss.

Deshalb müssen wir auch klar machen, dass dieses
Frauenvolksbegehren zu keinen positiven Verbesserungen führt, wenn es sich
nicht seiner selbstgesetzten Einschränkungen entledigt. Aktuell ist es rein auf
ein formales Mittel der „direkten“ Demokratie im österreichischen Staat
ausgelegt. Dabei ist sehr einfach zu durchschauen, dass eine strategische
Ausrichtung alleine darauf vollkommen verheerend sein kann. Die vielen
Unterstützer*innen, die sich in den letzten Monaten engagiert haben, müssen
erkennen, dass ihr Engagement nicht einfach nur für eine gute Medienaktion
draufgehen sollte. Vielmehr muss das
Frauenvolksbegehren mit realer Mobilisierung auf der Straße verbunden werden
sowie eine Auseinandersetzung in den Organisationen der Arbeiter*innenbewegung
bewirken. Die Mehrheit im Nationalrat wir nicht im Traum daran denken, die
Inhalte des Volksbegehrens durchzusetzen. Wir müssen sie dazu zwingen. Das geht
letztlich nur durch eine Bewegung auf der Straße, die ihre Wurzeln in
Streikkomittees in Schulen, Universitäten und Betrieben hat!




Mietenproteste: Immobilienkonzerne enteignen!

Lucien Jaros, Neue Internationale 233, November 2018

Das Bündnis „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ hat nicht weniger als „ein Gesetz zur Überführung von Immobilien sowie Grund und Boden in Gemeineigentum zum Zwecke der Vergesellschaftung nach Art. 15 Grundgesetz“ zum Ziel. Der Berliner Senat soll per Volksentscheid beauftragt werden, ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden.

Die Praxis hat gezeigt, dass weder Mietpreisbremse noch Wohnraumversorgungsgesetz die steigenden Mieten effektiv eindämmen. So kommt der Senat der Berliner Verfassung nicht nach, ausreichend bezahlbaren Wohnraum (Art. 28) bereitzustellen.

Immobilienfirmen inklusive Tochtergesellschaften, Zweigniederlassungen oder sonstige angeschlossene Unternehmen mit einem Bestand von über 3000 Wohnungen in ihrem Besitz sollen enteignet, in einer Anstalt des öffentlichen Rechts zusammengefasst, unter Verwaltung der MieterInnen, der Angestellten, VertreterInnen der Landesregierung, der Stadtgesellschaft und der anderen landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gestellt und Wohnraum zu unterdurchschnittlichen Mieten angeboten werden. Eigentlich sollten die Unternehmen entschädigungslos enteignet werden. Doch dies würde den Volksentscheid im Voraus rechtlich ungültig machen. Daher hatte sich das Bündnis entschlossen zu fordern, dass die Unternehmen unter Marktwert entschädigt werden sollen. Ausgenommen von dieser Regelung sind Mietobjekte, die bereits unter Kontrolle der MieterInnen stehen oder genossenschaftlich verwaltet werden.

Durch günstigen Wohnraum soll die ortsübliche Vergleichsmiete reduziert und die Preisspirale gemindert werden. Auch soll damit Berlin als Spekulationsobjekt für Immobilienfirmen, InvestorInnen und Banken weniger attraktiv erscheinen. Schließlich war es dieser Umstand, der in der Vergangenheit zu explodierenden Mieten geführt hat.

Erhöhung der Kosten für Miete für Arbeitslosengeld-II-(Hartz-IV)-BezieherInnen, im sozialen Wohnungsbau oder durch öffentlich-private Partnerschaften führt zwangläufig dazu, dass das Privatkapial durch Steuermittel subventioniert wird. Damit ist Enteignung das einzige Mittel, diese Entwicklung aufzuhalten.

Start der Initiative

Gestartet wurde die Initiative von AktivistInnen vergangener Volksbegehren, MieterInneninitiativen und linken Gruppen. Das Feedback ist groß: VertreterInnen des Bündnisses werden wöchentlich als GastrednerInnen oder ReferentInnen geladen. Die letzte Veranstaltung des Bündnisses am 25. Oktober war mit 140 Leuten übervoll, das Treffen musste per Video-Konferenz in einen weiteren Raum übertragen werden.

Die Initiative stößt auf großen Zuspruch. Bei einer Veranstaltung in Spandau, in einer der größten Deutsche-Wohnen-Siedlungen im Falkenhagener Feld reagierten die 150 MieterInnen auf die Enteignungsforderung mit minutenlangen stehenden Ovationen! Selbst in konservativen Wohngegenden in Wilmersdorf-Charlottenburg ergaben Umfragen bei CDU-WählerInnen eine mehrheitliche Zustimmung. Unterstützt wird das Bündnis durch politische Gruppen wie die Interventionistische Linke, die SAV, marx21, die Gruppe ArbeiterInnenmacht und Teile der Linkspartei. Sogar einzelne SPD-PolitikerInnen sympathisieren mit der Kampagne. Eine Unterstützung durch Teile der Berliner Grünen, ver.di und den DGB ist wahrscheinlich.

Neben Artikeln beim Tagesspiegel, in der Berliner Zeitung, im Neuen Deutschland und Sendungen im RBB äußern sich langsam auch die politischen GegnerInnen: der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) brandmarkt die Kampagne als „populistische Stimmungsmache“. Sebastian Czaja, Vorsitzender der FDP im Berliner Abgeordnetenhaus, hält die Enteignungsforderungen für „inflationäre Parolen (…) in Klassenkampf-Manier“. Auch die Berliner AfD lehnt die Enteignung kategorisch ab und sieht darin einen Eingriff in die „Freiheit“.

Die positive Resonanz bei der Masse der MieterInnen auf der einen und die kritische von VertreterInnen bürgerlicher Parteien und Immobilienfirmen auf der anderen Seite zeigen, dass die Enteignungsforderung die Interessen der lohnabhängigen MieterInnen klar zum Ausdruck bringen, durch ihr Potenzial realistisch sind und gerade keine populistische Forderung darstellen, die das Problem mit scheinbaren Heilmitteln umgehen.

2019 wird die erste Stufe der Kampagne gestartet: das Volksbegehren. Benötigt werden zunächst 20.000 Unterschriften. Die Gruppe ArbeiterInnenmacht ruft alle Gruppen und Einzelpersonen dazu auf, diese Bewegung zu unterstützen und bekannter zu machen. Bringt Euch mit Euren Fähigkeiten ins Bündnis oder in den verschiedenen AGen ein! Baut MieterInneninitiativen bei Euch im Kiez auf, um für das Volksbegehren und zukünftige Aktionen zu mobilisieren! Diese Bewegegung und die richtige Orientierung auf Enteignung unter eigener Kontrolle könnte nicht nur eine praktische und signifikante Verbesserung der Lebensqualität der EinwohnerInnen darstellen, sondern im Sinne einer Verallgemeinerung dieser Logik in andere gesellschaftliche Lebensbereiche hinein ein Schritt sein, die Stadt im Sinne der BewohnerInnen zu erobern. Eine solche Bewegung könnte, wenn sie stark genug wird, zugleich auch erzwingen, dass die Enteignung ohne die gesetztlich geforderte Einschränkung, also entschädigungslos erfolgt.

 

Deutsche Wohnen und Co. enteignen

Nächstes offenes Bündnistreffen

Berlin, 13. November, 19.00 Uhr

Nachbarschaftshaus Urbanstraße 21




Gegen das Berliner Wohnungsmonopoly!

Jürgen Roth/Christine Schneider, Neue Internationale Sondernummer gegen Wohnungsnot, September 2018

Die erste Stufe in Richtung des geplanten Volksbegehrens mit dem Ziel, der Berliner Senat möge ein Gesetz zur Enteignung der Deutsche Wohnen AG beschließen, ist eingeleitet.

Volksentscheid

Im Jahr 2015 scheiterte die „Initiative für soziales Wohnen“ mit einem Berliner Mietenvolksentscheid über einen von ihr ausgearbeiteten Entwurf eines Wohnraumversorgungsgesetzes. Dieses hätte zeitgleich mit den Landtagswahlen im September 2016 zur Abstimmung stehen sollen, wurde jedoch juristisch gekippt. Der neue rot-rot-grüne Senat sah sich jedoch gezwungen, ein paar Brosamen aus dem gescheiterten Gesetzesentwurf aufzunehmen.

Der Wohnraumversorgungsgesetzentwurf sah vor:

  • eine Umwandlung der Landeswohnungsunternehmen von bestehenden privaten Rechtsformen (AG, GmbH) in Anstalten öffentlichen Rechts (AöR); – Senkung der Mieten in den öffentlich geförderten Wohnungsbeständen mittels Richtsatzmieten;
  • Förderung von Wohnungsneubau, Wohnungsmodernisierung und Wohnungsankauf durch einen staatlichen Fonds zur Zweckbindung und Kontinuität im sozialen Wohnungsbau (Finanzierung der landeseigenen Gesellschaften, Mietkappungen in geförderten Wohnungen).

An der realen Verschärfung und Verschlechterung der Lage in Berlin haben einige halbherzige Initiativen des Senats nichts zu verändern vermocht. Im Gegenteil: Die Mieten steigen in der Bundeshauptstadt im Rekordtempo. Die „sozialen Maßnahmen“ der Landesregierung bleiben demgegenüber Makulatur.

Weder die Maßnahmen zur Mietbelastung in bestehenden Sozialwohnungen noch die Einrichtung eines Wohnraumförderfonds eignen sich, das fortlaufende Abschmelzen des Sozialwohnungsbestands aufzufangen. Pro Jahr sollen 5000 gebaut werden, davon 3000 von 6000 Neubauwohnungen bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Jährlich entfallen aber 8000 aus der Sozialbindung. Die Erhöhung der Mietzahlungsfähigkeit durch Subjektförderung von SozialmieterInnen sichert zugleich unverändert die Renditen der Immobilienwirtschaft, anstatt sie zu beschränken. Die ab 2018 in Kraft tretende Richtsatzmiete für geförderte Wohnungen ist noch nicht festgelegt.

Deutsche Wohnen & Co. enteignen!

Das Berliner mietenpolitische Bündnis hat sich die Enteignung der „Deutsche Wohnen“ (im Folgenden nur noch DW genannt) zum Ziel gesetzt und fordert dazu einen Volksentscheid. Das Bündnis setzt sich bisher aus Einzelpersonen, betroffenen MieterInnen sowie Mitgliedern linker Gruppierungen zusammen. Eine Erweiterung des Bündnisses wird angestrebt.

Im Unterschied zu 2015 soll kein eigener Gesetzesentwurf zur Abstimmung gestellt werden, sondern der Senat wird aufgefordert, die bundes- wie landesverfassungsrechtlichen Mittel dazu auszuschöpfen. Laut Grundgesetz und Landesverfassung ist eine entschädigungslose Enteignung aber ausgeschlossen. Diese soll jedoch möglichst gering ausfallen. Das Bündnis sah sich aber gezwungen, in diesen sauren Apfel zu beißen, um die Möglichkeiten eines Volksentscheides überhaupt zur Mobilisierung nutzen zu können.

Warum die DW?

Der Konzern ist der größte private Vermieter mit rund 110.000 Wohnungen in Berlin und der zweitgrößte in der BRD. Die DW AG erzielte im Jahr 2017 einen Gewinn von 1,7 Milliarden Euro. Zu den größten Investoren zählen das BlackRock Asset Management und der staatliche norwegische Staatspensionsfonds.

Die Summe alleine verrät schon, dass dieser große Gewinn und der Druck der AktionärInnen auf dem Rücken der MieterInnen ausgetragen werden. Eine der besten Methoden zur Profitmaximierung heißt „energetische Modernisierung“ nach § 559 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Dieser Paragraf besagt, dass 11 % der Modernisierungskosten jährlich auf die Miete draufgeschlagen werden können. Nach 9 Jahren wäre die Modernisierung vom/von der MieterIn abbezahlt, aber die höhere Miete bleibt und das Unternehmen macht mit der Modernisierung zusätzlichen Gewinn.

Ziel der ganzen Modernisierung soll angeblich sein, dass MieterInnen die Mieterhöhung durch geringere Energiekosten wieder einsparen – was sich in der Praxis nicht beweisen lässt. In vielen Fällen erweist sich die Sanierung gar als schädlich für die Bausubtanz, da sie durch die außen angebrachten Dämmplatten nicht mehr richtig atmen kann. Der ganze Spaß wird von der Bundesregierung durch die KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) noch gefördert.

In der Praxis der DW sieht das so aus, dass oft jahrelang notwendige Reparaturen und Sanierungen nicht durchgeführt werden, für die eigentlich der/die VermieterIn aufkommen müsste. Beschwerden von MieterInnen werden ignoriert, auf lange Warteschlagen im Callcenter abgewälzt oder es wird gar die Schuld an den Reparaturen auf die MieterInnen geschoben. Die notwendigen Reparaturen werden dann im Zuge der „energetischen Modernisierung“ mitgemacht und zu 100 % auf die MieterInnen abgewälzt. Eine weitere Methode der Profitmaximierung besteht darin, den Berliner Mietspiegel juristisch anzugreifen und somit die eigene Vorstellung von zulässigen Mietgrenzen per Gericht durchzusetzen. Ähnliche Machenschaften finden auch bei den nächstgrößten Konzernen am Berliner Wohnungsmarkt, Vonovia und Akelius, statt.

Das Bündnis hat sich zum Ziel gesetzt, einen Volksentscheid zur Enteignung der DW durchzuführen und diese in kommunales Eigentum in Form einer Anstalt des öffentlichen Rechts überzuleiten, die ohne Gewinnabsichten und mit besonderem Mieterschutz betrieben werden soll. Diese Enteignung soll über die §§ 14 und 15 des Grundgesetzes und die §§ 23 und 24 der Berliner Landesverfassung erfolgen. Diese beinhalten eine Entschädigungszahlung nach Verfahrenswert. Die Idee des Bündnisses ist es nun, die Entschädigung über den Sachwert laufen zu lassen. Der Beschluss des Volksentscheides soll kein Gesetzesentwurf sein, sondern eine Handlungsanweisung mit Verpflichtungsklausel für den Senat. Neben der Enteignung soll sie Berlin verpflichten, dass es keine privaten WohnungseigentümerInnen mit mehr als 3.000 Wohnungen mehr geben darf.

Volksentscheid: Realistisch? Illusorisch?

Wie sind die Erfolgsaussichten eines solchen Volksentscheids? Schwer zu sagen. Eine Erfolgsgarantie gibt es natürlich nicht. Die Gegner sind ökonomisch mächtig und politisch einflussreich. Und es wird mit allen Mitteln gearbeitet werden: Einschüchterungen, Verleumdungen, Lächerlichmachung, Spaltungsversuche, Lockangebote, juristische Tricksereien usw. werden an der Tagesordnung sein, und die bürgerlichen Medien werden sicherlich „auf Linie“ gebracht werden.

Schließlich warnen wir wie bei jedem Volksentscheid vor Illusionen in den bürgerlichen Staat. Ergebnisse von Volksentscheiden verpflichten die Regierung und den Staat zu nichts.

Aber dem steht ein gemeinsames Interesse hundertausender Berliner MieterInnen gegenüber: Wohnraum darf keine Ware sein.

Bei allen grundsätzlichen Grenzen und Schwächen von Volksentscheiden hat die Initiative das Potenzial, eine Massenbewegung zu einem der entscheidenden politischen Themen in Berlin und zahlreichen anderen Städten zu entfachen, die außerdem die Wohnungsfrage mit der Eigentumsfrage direkt verknüpft. Wir unterstützen daher die Initiative und werden uns nach Kräften an ihr beteiligen.

Insbesondere ist es wichtig, die Gewerkschaften mit ins Boot zu holen; schließlich hat die Miethöhe unmittelbaren Einfluss darauf, was einem vom Lohn bleibt und damit auch auf den Verlauf von Tarifkämpfen.

Sollte die MieterInnenbewegung sich zu einer organisierten Massenbewegung entwickeln, ergäben sich daraus auch die Mittel zur Kontrolle der Durchsetzung der Volksentscheidsforderung im Falle seiner Annahme. Im Falle seiner Ablehnung hätten wir noch eine Rechnung offen und sollten dann für deren Begleichung sorgen.

Mit Differenzen leben

Nur wenn wir die Kampagne in unserem Selbstverständnis als ein Aktionsbündnis führen, können wir auch mit inneren politischen Differenzen leben. Solche Differenzen sollen nicht unter den Teppich gekehrt werden, aber sie brauchen das gemeinsame Aktionsziel nicht zu gefährden. Wir, und sicherlich auch andere, lehnen z. B. eine Entschädigung der enteigneten Immobilienkonzerne ab, sehen das aber nicht als Hindernis, die Kampagne mitzutragen.

Auch über die politische Reichweite des Mietenkampfes gibt es sicherlich unterschiedliche Sichtweisen. Während für die einen (z. B. für uns) der Kampf gegen Wohnraum als Ware langfristig nur erfolgreich sein kann, wenn er ausgeweitet wird auf die Enteignung und Vergesellschaftung der Produktionsmittel, sehen andere ihr Ziel mit der Enteignung der Immobilienkonzerne erreicht. Darüber darf und muss gestritten werden, wenn wir unser gemeinsames Aktionsziel dabei nicht aus den Augen verlieren: „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“.

 

Anhang: Nichts als Zahlen??

  • Wohnungslose: 2008: 200 000; 2016: 860 000; 2018: 1,2 Mio.
  • 1995-2010: eine Million öffentliche Wohnungen privatisiert
  • Mitte der 1980er Jahre gab es 4 Millionen Sozialwohnungen; 2016 1,24 Mio.
  • Jährlich fallen 100 000 bis 130 000 günstige Mietwohnungen weg
  • Privatisierung öffentlicher Wohnungen zwischen 2003 und 2013: 630 000 Wohnungen
  • Bei fast 19 % der Haushalte in Großstädten frisst die Miete mehr als 40 % des Einkommens
  • Zwischen 2010 und 2017 stieg bei Neuvermietung die durchschnittliche Angebotsmiete von 7,50 Euro pro qm auf 10,50 Euro
  • 2014 waren unter den gebauten 250 000 Wohnungen nur 50 000 Mietwohnungen, davon nur 12 500 gefördert für günstige Mieten
  • Zwischen 1980 und 2014 flossen 98 Mrd. Euro in den Wohnungsbau, davon 80 % für die Bildung von Wohnungseigentum
  • Bei 40 % bis 90 % (je nach „Marktlage“) der Neuvermietungen wird die zulässige Miete überschritten

—————-

  • In Berlin wurden zwischen 1995 und 2006 über 200 000 kommunale Wohnungen privatisiert (z. T. unter einem rot-roten Senat !!)
  • In Berlin haben über 50 % der Haushalte Anspruch auf eine Sozialwohnung, aber nur 13 % des Mietwohnungsbestandes sind miet- und belegungsgebundene Sozialwohnungen
  • In Berlin stieg die Angebotsmiete zwischen 2008 und 2015 im Durchschnitt um 60 %, in manchen Ortslagen in Neukölln und Kreuzberg um fast 100 %



Was ist ein Volksbegehren/Volksentscheid?

Neue Internationale Sondernummer gegen Wohnungsnot, September 2018

Volksbegehren und die darauf aufbauenden Volksentscheide eröffnen den wahlberechtigten Berlinerinnen und Berlinern auch außerhalb regelmäßiger Wahlen die Möglichkeit, unmittelbar über bestimmte Sachfragen zu entscheiden, Gesetze zu initiieren oder eine vorzeitige Beendigung der Wahlperiode herbeizuführen. Volksbegehren zu Gesetzesvorlagen sind allerdings nur zulässig, wenn das Land Berlin auch die Gesetzgebungskompetenz hierfür hat.

Es gibt hierfür ein dreistufiges Verfahren:

  1. Antrag auf ein Volksbegehren: Hierfür müssen 20.000 gültige Unterschriften innerhalb von sechs Monaten gesammelt werden.
  2. Volksbegehren: In dieser Stufe müssen ca. 170.000 gültige Unterschriften innerhalb von vier Monaten gesammelt werden.
  3. Volksentscheid: Waren die ersten beiden Stufen erfolgreich, kommt es zu einem Volksentscheid. Dies ist vergleichbar mit einer Parlamentswahl. Zur Abstimmung steht der Vorschlag des Volksbegehrens. Es gilt als angenommen, wenn mehr als 25 % der Wahlberechtigten und mehr als 50 % der Abstimmenden ihm zustimmen.

Was ist der Unterschied zwischen einem Gesetzes- und einem Beschlussvolksentscheid?

Bei einem Gesetzesvolksentscheid erarbeitet die Initiative X einen Gesetzesentwurf, der zur Abstimmung steht. Bei Annahme wird der Text direkt zum Gesetz, gleichrangig mit den vom Abgeordnetenhaus beschlossenen Gesetzen.

Bei einem Beschlussvolksentscheid wird ein Text zur Abstimmung gestellt. Es muss kein ausgearbeitetes Gesetz sein, kann aber die wichtigsten Eckpunkte eines Gesetzes enthalten. Dieser Text ersetzt einen Beschluss des Abgeordnetenhauses. In der Regel wird der Senat hierdurch beauftragt, aus diesen Eckpunkten ein Gesetz auszuarbeiten.

Warum macht Ihr kein Gesetz, sondern einen Beschlussvolksentscheid?

Ein Gesetz auszuarbeiten, das unserem Thema gerecht wird, ist sehr kompliziert. Wir haben als ehrenamtlich Aktive nicht genügend Ressourcen, um dies zu bewerkstelligen. Hinter uns stehen eben keine großen Konzerne und mächtige Lobbyverbände. Hinzu kommt, dass die eigene Formulierung eines Gesetzes die Gefahr birgt, dass der Senat dies zur „Prüfung“ an das Landesverfassungsgericht verweist und wir dadurch jahrelang untätig auf eine Gerichtsentscheidung warten müssten.

Durch einen Beschlussvolksentscheid können wir zwar die wesentlichen Inhalte des Gesetzes festlegen, müssen aber nicht darauf achten, dass jedes Komma richtig gesetzt wird. Der Senat, der die entsprechenden Kapazitäten hat, bekommt durch unseren Volksentscheid den Auftrag, einen Gesetzesentwurf aufgrund unserer Vorlage auszuarbeiten.

Entnommen der Webseite der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“




Bei Notfall heißt es warten

Interview mit einer Mieterin der DW

Das Interview führten Michael Eff/Christine Schneider, Neue Internationale Sondernummer gegen Wohnungsnot, September 2018

Frage: Seit wann wohnst du in einer Wohnung von DW?

Wir wohnen seit 2013 in dieser Wohnung. Wir haben damals noch den Mietvertrag bei der GSW unterschrieben. Im Laufe des Jahres 2015 wurde die GSW von DW zwangsübernommen. Die GSW hatte damals noch einen MieterInnenverein, in den man automatisch mit unterschriebenem Mietvertrag aufgenommen worden ist. Dieser Verein hatte verschiedene soziale Bereiche abgedeckt wie Seniorentreffs im Kiez, vergünstigten Eintritt zu Events, Schwimmbädern und Museen. Bei uns im Nachbarhaus gab es eine Gästewohnung, in der man zu einem günstigen Preis seinen Besuch von außerhalb gut unterbringen konnte. Mit der Zwangsübernahme durch die DW wurden diese ganzen sozialen Errungenschaften eingestampft.

Frage: Wie groß ist die Wohnung, wie viele Personen wohnen da und was zahlst du an Miete?

Unsere Wohnung ist 105 m2 groß, wir haben 4 Zimmer und wohnen zu viert plus Kind. Wir zahlen zur Zeit 1080 Euro warm. Die DW musste bei der Zwangsübernahme die alten Mietverträge der GSW übernehmen. Die DW versucht sich zur Zeit, aus diesen Mietverträgen rauszuklagen. In unserem Vertrag ist eine jährliche Staffelmiete vereinbart. Sie schließt sämtliche Mieterhöhungen aus, auch bei Modernisierungen oder anderen Maßnahmen am und im Haus.

Frage: Weißt du, was euer Vormieter gezahlt hat?

Laut Aussage der Nachbarin 200 Euro weniger.

Frage: Wenn Altvertrag vorhanden: Was meinst du, müsste ein/e NachfolgemieterIn zahlen?

Ich denke, die neuen Mietverträge, die mit DW vereinbart werden, fallen deutlich höher aus. Unsere Nachbarin erzählte mir – sie hat einen nicht so geschützten Mietvertrag wie wir -, dass sie vor kurzem für ihre 2-Zimmer-EG-Wohnung eine Mieterhöhung von fast 150 Euro bekommen hat mit der Begründung, in einer besseren Wohngegend zu wohnen. Wir wohnen in der direkten Einflugschneise vom Flughafen Tegel mit dem entsprechenden Lärmpegel.

Frage; Wie ist der Zustand des Hauses und der Wohnung?

In Ordnung, wobei immer mehr Mängel auftauchen, die immer spärlicher behoben werden.

Frage: Befürchtet ihr Modernisierungen?

Solange die GSW-Mietverträge noch Gültigkeit besitzen, nicht, da sich dann für die DW eine Modernisierung nicht lohnen würde.

Frage: Wie funktioniert die Hausverwaltung? Wie lange dauert es, bis Reparaturen in der Wohnung durchgeführt werden?

Per Callcenter. Zu GSW-Zeiten gab es hier einen Hausmeister, den man mehrmals die Woche gesehen und der sich um alles gekümmert hat. Den DW-Hausmeister sieht man sehr selten. Für Reparaturen muss man in einem outgesourcten Callcenter anrufen, den Mangel schildern. Von den MitarbeiterInnen wird dann eingeschätzt, ob es ein Notfall ist. Eigentlich wird es nie als solcher eingeschätzt, da sie sonst sofort handeln müssten, egal ob es kein heißes Wasser gibt, der Abfluss so verstopft ist, dass nichts mehr geht oder die Wohnungstür sich gar nicht mehr schließen lässt.

Nach dieser Einschätzung wird der Fall an eine Handwerkerfirma weitergeleitet und diese meldet sich dann meist 2-3 Tage später für eine Terminvereinbarung. Ein Termin wird dann meist für 2-3 Wochen im Voraus ausgemacht. Einmal mussten wir 6 Wochen warten.

Frage: Wie ist der Kontakt zu den MitmieterInnen im Haus?

Der Kontakt zu den anderen MieterInnen ist gut.

Frage: Was erhoffst du dir von einem Volksentscheid „Deutsche Wohnen enteignen“?

Dass wir unseren alten Mietvertrag behalten können, keine Zwangsmodernisierungen zu befürchten haben und die Mietpreise in der gesamten Stadt nicht weiter explodieren.




Kampf gegen Pflegenotstand: Perspektive Massenstreik!

Gegenwehr! Betriebs- und Gewerkschaftsinfo der Gruppe ArbeiterInnenmacht, Oktober 2018

Vom 19. – 21. Oktober findet in Stuttgart ein Kongress auf Einladung des Bündnisses „Krankenhaus statt Fabrik“ zum Thema „Was kommt nach den Fallpauschalen?“ statt. Das Bündnis besteht derzeit aus den ver.di-Landesfachbereichen 03 Baden-Württemberg, Berlin-Brandenburg und Nordrhein-Westfalen, dem Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte, der Soltauer Initiative sowie Einzelpersonen und wendet sich gegen die Ökonomisierung des Gesundheitswesens und insbes. das deutsche System der Krankenhausfinanzierung durch sog. Fallpauschalen (DRGs). Schließlich lädt das Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus zu einem bundesweiten Treffen aller Bündnisse gegen den Pflegenotstand am 9./10. November in Hamburg ein.

Dieses Flugblatt soll allen KollegInnen und Interessierten, die es nicht bei Diskussionen belassen, sondern den Kampf gegen den Pflegenotstand aufnehmen wollen, unsere Ziele und Vorschläge, wie dieser effektiv geführt werden kann, unterbreiten. Nutzen wir die Konferenzen gemeinsam zu einem Startsignal für aktives Handeln statt ergebnisloser Debattenrunden!

Aktionen und Initiativen

Grob gesagt gibt es 3 Stoßrichtungen: Lobbypolitik gegenüber den Regierenden, Tarifkämpfe und eine Ausrichtung auf Volksentscheide. Ver.di als potenziell mächtigste Kraft reitet mittlerweile auf allen drei Pferden. In Berlin gelang es dem Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus, in der 1. Stufe des Volksentscheids für ein Volksbegehren, dem Senat mehr als doppelt so viele Unterschriften wie nötig (über 40.000) zu präsentieren. Der Senat prüft die Zulässigkeit des Antrags juristisch. Das kann eine Ewigkeit dauern. Wir unterstützen Volksentscheidsinitiativen kritisch und beteiligen uns nach Kräften an ihnen. Wir weisen aber darauf hin, dass selbst bei einem positiven Ausgang die Regierung(en) nicht daran gebunden ist/sind.

Streiken – aber richtig!

Wäre mit der gleichen Begeisterung, mit der zahlreiche Aktive sich jetzt für Volksentscheide ins Zeug legen, gestreikt worden, sähen die Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal bedeutend besser aus. Der Arbeitskampf an der Berliner Charité spielte eine Vorreiterrolle. Neuartige Streikformen (Bettenstreik, TarifberaterInnen) führten 2016 dort zu einem Tarifvertrag (TV) Entlastung. Die Achillesferse neben einer nur für Teilbereiche geltenden Personalregelung stellte jedoch die schwerfällige sog. Interventionskaskade dar.

Das Personal besaß keine Kontrolle über seine Arbeitsbedingungen, durfte z. B. keine Betten sperren. Nach einjährigem Testlauf kündigte ver.di den TV. Doch 2 Streiktage im September 2017 führten zu keiner besseren Regelung. Das Beispiel ihres ins Stocken geratenen Paradepferds veranlasste darum mutmaßlich die ver.di-Bürokratie, die Gäule zu wechseln und das Terrain des ökonomischen Klassenkampfs zu verlassen – zugunsten bürgerlich-demokratischer „Kampf“formen. Doch das sind selbstgemachte Leiden!

Auseinandersetzungen und beachtliche Teilerfolge

Nach der Gesundheitsministerkonferenz am 20. Juni 2018 gab es Warnstreiks an den Unikliniken Homburg/Saar und im Klinikum Niederlausitz. Die Vollstreiks an den Unikliniken Essen und Düsseldorf kamen ebenso zu einem Abschluss wie ein 51-tägiger Ausstand der Vivantes Service GmbH (VSG Berlin). Am 22. September demonstrierten 1.500 in Hamburg und forderten, die Vorschläge der Volksinitiative gegen den Pflegenotstand im Krankenhaus sofort umzusetzen.

Seit Mai gibt es für 27.000 Beschäftigte an den 4 Universitätskliniken Baden-Württembergs eine Einigung über 120 neue „SpringerInnen“, wenn der Personalschlüssel unterschritten wird. In Düsseldorf und Essen währte die Tarifauseinandersetzung seit Juni. In beiden Regionen führten Streiks zu beachtlichen Resultaten!

Eine PatientInneninitiative sammelte in Düsseldorf 5.000 Euro und Unterschriften für die Unterstützung des Streiks. Während die VSG-Berlin-Beschäftigten auf sich allein gestellt kämpften, war das hier anders. Es traten nahezu alle Berufsgruppen in den Ausstand, was erheblich dazu beitrug, alle Widrigkeiten zu überwinden (lange Streikdauer, anfänglich verweigerte Verhandlungsbereitschaft der Klinikdirektionen – zuständig sei die Tarifgemeinschaft der Länder, diese drohte mit Abbruch der Verhandlungen der Gehaltstarifrunde im gesamten öffentlichen Dienst der Länderbeschäftigten NRWs).

Das führte zu einem Schlichtungsergebnis, das mit über 70 % in der Urabstimmung angenommen wurde: bis Oktober 2019 je 180 Stellen mehr pro Haus, Auszubildende werden nicht auf den Schichtplan angerechnet, müssen unter Aufsicht einer Fachkraft arbeiten, 10 % ihrer Ausbildung besteht aus Praxisanleitung. Der Pferdefuß ähnlich wie an der Charité Berlin: Besetzungsregelung und Interventionsregime liegen in der Hand des Managements!

Fazit

  1. Relativ isolierte Einzelstreiks des Pflegepersonals haben bisher mehr gebracht als alle Volksentscheidsinitiativen und jedes Katzbuckeln mit Unterschriftenlisten bei „der Politik“!
  2. Nicht Streiks sind das Problem, sondern ihre Beschränktheit auf einzelne Haustarifverträge!
  3. Nicht die politische Bedeutung des Kampfs gegen Pflegenotstand ist falsch, sondern zahnlose Lobbypolitik, die Orientierung auf dessen VerursacherInnen als Erlösung davon! Wir brauchen unsere eigenen politischen Kampfmethoden mit politischen Massenausständen, – besetzungen und -solidaritätsaktionen bis hin zum Generalstreik!
  4. Plan- statt Marktwirtschaft von unten (nicht nur) im Krankenhaus!