Terroranschlag in Wien

Alex Zora, Arbeiter*innenstandpunkt, Infomail 1125, 10. November 2020

Am 2. November, dem letzten Tag vor der Einführung nächtlicher Ausgangsbeschränkungen, hat sich in Wien der erste größere Terroranschlag seit Jahrzehnten ereignet. Ein Anhänger des sogenannten Islamischen Staats (IS) hat am Abend im ersten Bezirk, in der Gegend des Schwedenplatzes, vier Menschen ermordet, viele weitere verletzt und die Stadt in Angst und Schrecken versetzt. Darüber hinaus hat er wieder einmal den reaktionären Charakter des Dschihadismus offenbart, der eine kulturelle und religiöse Spaltung provoziert und in dieser Nacht unschuldige ArbeiterInnen getroffen hat.

Hintergründe

Wie mittlerweile bekannt, handelt es sich bei dem 20-jährigen Angreifer, der von der Polizei erschossen wurde, um einen in Österreich aufgewachsenen Jugendlichen. Kein „importierter Terrorist“, wie es spätestens seit der sogenannten Flüchtlingskrise von den Medien und den rechten Parteien immer geheißen hatte. Er hatte sowohl die österreichische als auch die mazedonische StaatsbürgerInnenschaft. Die Tatsache, dass der Täter in Österreich aufgewachsen ist und die österreichische StaatsbürgerInnenschaft besitzt, scheint den meisten etablierten Parteien sauer aufzustoßen. Jetzt sollen Menschen, die sich terroristischen Vereinigungen anschließen, zu „AusländerInnen“ gemacht werden, indem ihnen die österreichische StaatsbürgerInnenschaft entzogen wird. Diese Forderung stellt in der jetzigen Situation die SPÖ auf – eine Forderung, die letztes Jahr noch von der FPÖ kam, und von der Sozialdemokratie damals abgelehnt wurde.

Die genauen Hintergründe der Tat sind noch nicht gänzlich aufgeklärt. Es wirkt so, als ob sich der Anschlag in Wien in eine Reihe von anderen Attacken international einreihen würde. Was alle diese gemein hatten, war, dass sie aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zentral vom Islamischen Staat geplant und durchgeführt wurden wie noch die Terroranschläge vor einigen Jahren (Charlie Hebdo, Bataclan, LKW-Amokfahrt in Nizza etc.), was in erster Linie daran liegen dürfte, dass der Islamische Staat seine Machtbasis in Syrien und dem Irak verloren hat.

Rassismus und Antirassismus

Die Reaktionen auf das Attentat in Wien waren sehr gemischt. Auf der einen Seite gab es den zu erwartenden antimuslimischen Rassismus von Seiten der FPÖ. Auch die Identitäre Bewegung bzw. ihre Tarnorganisation versuchte, die Tat für sich zu nutzen, und veranstaltete am 5. November einen Miniaufmarsch, der aber von aktiven AntifaschistInnen teilweise blockiert und verzögert werden konnte.

Die Regierung versuchte hingegen, eine Stimmung der nationalen Einheit und des nationalen Zusammenhalts zu beschwören. Während wir gegen jegliche Spaltung der Gesellschaft nach Religion oder Herkunft auftreten, kann es für uns keine Einheit mit dem Kapital und seiner Regierung geben, die die kapitalistische Ausbeutung und die imperialistische Abhängigkeit aufrechterhält und täglich für den Tod von Menschen im Mittelmeer verantwortlich ist. Insbesondere im Zuge des verheerenden (Nicht-)Managements der Coronavirus-Pandemie und der kürzlich verschärften Beschränkungen kam ihr der Anschlag vermutlich durchaus gelegen, um von ihrem Versagen abzulenken. Gleichzeitig ist wahrscheinlich, dass von Seiten der Regierung, insbesondere von Innenminister Nehammer, die Situation genutzt wird, um weitere Eingriffe in demokratische Freiheiten umzusetzen. Von Seiten der EU wurde kürzlich schon angekündigt, dass in Zukunft verschlüsselte Kommunikation verunmöglicht werden soll, indem Plattformanbieter wie WhatsApp, Signal oder Telegram dazu gezwungen werden sollen, sogenannte Generalschlüssel zur Verfügung zu stellen, die den Zugang zu verschlüsselter Kommunikation für die Geheimdienste sicherstellen sollen. In Österreich wird auch wieder über Sicherungshaft gesprochen, die ursprünglich geplant war, um „gefährliche Asylsuchende“ ohne besonderen Grund wegzusperren – also Freiheitsentzug ohne Tatverdacht. Dies scheiterte bis jetzt, da sich ein Widerspruch zur Verfassung ergab, wo das Recht auf persönliche Freiheit einen relativ hohen Rang genießt.

Als linke Kräfte müssen wir uns entschieden gegen beide dieser Vorschläge stellen. Abgesehen davon, dass zweifelhaft ist, ob diese Maßnahmen wirklich zum stärkeren Verhindern von Anschlägen führen, fallen sie negativ auf alle zurück, die Opposition gegen dieses System zeigen wollen – also auch auf uns.

Neben diesen reaktionären Gesetzesvorschlägen gab es aber in Wien auch eine Welle der Solidarität, des Antirassismus und der positiven Hervorhebung von migrantischen bzw. muslimischen HelferInnen von Verwundeten. Diese klare Positionierung weiter Teile der Bevölkerung, die genau nicht die Mehrheit der MuslimInnen in Wien und in Österreich mit der Tat identifizieren, ist wichtig und richtig. Denn nicht nur ist es einfach falsch, MuslimInnen mit Terror zu identifizieren, es ist eben auch genau der Wunsch des IS, durch seine Terroranschläge den Rassismus gegenüber MuslimInnen zu verstärken, um leichter AnhängerInnen zu rekrutieren.

Behördliches Versagen

Schon kurze Zeit nach dem Anschlag musste die Story der Regierung und insbesondere von Innenminister Nehammer, dass die Behörden so brillant agiert hätten und der Angreifer das Deradikalisierungsprogramm perfide getäuscht hätte, in Zweifel gezogen werden. Doch dazu noch kurz die Vorgeschichte. Der IS-Sympathisant hatte 2018 versucht, über die Türkei nach Syrien einzureisen, wurde aber von ersterer verhaftet und nach Österreich zurückgestellt. In Österreich wurde er wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen und terroristischen Organisation zu 22 Monaten Haft verurteilt. Er wurde Ende 2019 aus der Haft entlassen. Die Rufe, die jetzt laut werden und meinen, dass die frühzeitige Haftentlassung der zentrale Fehler gewesen wäre, verkennen dabei, dass er auch ohne diese im Juli diesen Jahres regulär entlassen worden wäre.

Sehr bald nach dem Anschlag wurde dann bekannt, dass die Slowakei Österreich im Oktober gewarnt hatte, dass der Täter dort Munition kaufen wollte. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) hatte aber mit diesen Informationen offensichtlich nichts veranlasst und auch die zuständigen Personen aus dem Deradikalisierungsprogramm sowie die Justiz nicht informiert. Zusätzlich dazu gab es auch schon im Juli eine Warnung an das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) von deutschen Behörden, die meldeten, dass der Wiener IS-Anhänger von amtsbekannten deutschen KollegInnen besucht worden wäre. Von Innenminister Nehammer wird das ganze auf Kommunikationsprobleme zurückgeführt. Die genauen Hintergründe dafür sind noch nicht bekannt.

Die Antwort auf den Terror in Wien kann aber nicht ein allmächtiger Repressionsapparat des kapitalistischen Staates sein, der sich letztlich auch gegen die revolutionäre ArbeiterInnenbewegung richten wird. Die Antworten müssen lauten: antirassistischer Klassenkampf, internationale Solidarität und Antiimperialismus!




„Terrorbekämpfung“ mittels neuer Überwachungsbefugnisse und Studien zum Polizeialltag – zwei Seiten, eine Medaille!

Alexander DeLarge, Infomail 1124, 29. Oktober 2020

Wenn deutsche PolizistInnen im Dienst Drohungen an politisch missliebige Personen versendeten, unverhohlen rechte Hetze betrieben und als „NSU 2.0“ Angst verbreiteten, wenn immer wieder rassistische Chat-Gruppen auffliegen, kann es sich wohl nur um Einzelfälle handeln. Warum auch eine Studie zu Rassismus in der Polizei oder gar ein konsequentes Vorgehen gegen RassistInnen in Uniform, wenn man doch gleich das ganz große Rad drehen kann: die Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes?

Zur Beruhigung der Öffentlichkeit und als Ersatz für eine Untersuchung des Rassismus bei der Polizei soll es eine Studie zum „Alltagsrassismus“ und eine zum „Polizeialltag“ geben. Derweil werden die staatlichen Überwachungsmöglichkeiten ausgeweitet.

Neue Befugnisse des Verfassungsschutzes und Alibi-Studien sind zwei Seiten einer Medaille. Der berühmt-berüchtigte, leicht abgetragene „Kampf gegen den Terror“ geht in eine neue Runde, wird mal wieder aus der Mottenkiste gezaubert. Gleichzeitig schüttet Seehofer im vollen Bewusstsein seiner geistigen Kräfte das Kind mit dem Bade aus. Gerade noch lehnt er eine Studie zum Rassismus in der Polizei vehement ab, schon zaubert er stattdessen eine allgemeine „Studie zu Alltagsrassismus“ aus dem Hut. Das Ergebnis ist vorprogrammiert: So schlimm sind die Repressionsorgane im Vergleich zum „Rest“ der Gesellschaft auch wieder nicht.

Ergänzt wird diese mit der Untersuchung des „Polizeialltags“. Nicht oft genug kann da erwähnt werden, dass PolizeibeamtInnen permanent Angriffen körperlicher wie psychischer Art ausgesetzt seien – vorzugsweise durch Linke und kriminelle ausländische Clan-Strukturen. Praktischerweise wird jeder Angriff gegen die BeamtInnen mit Rassismus in der Polizei und der Gesellschaft in einen Topf geworfen, relativiert und das eigentliche Thema in den Hintergrund gedrängt. Durch soll noch still und heimlich die immer mal wieder auch in bürgerlichen Medien erwähnte Polizeigewalt bis zur Unkenntlichkeit untergerührt werden.

Garniert wird das Ganze mit dem „Kampf gegen den Terror“ und gegen „TerroristInnen“ und „militante ExtremistInnen“. Stolz brüstet sich der Küchenchef mit seiner braunen Suppe, die er kredenzt hat, und spielt die Speerspitze gegen Rassismus und Faschismus und rührt auch gleich jeden „Extremismus“ als „Untersuchungsgegenstand“ ein. Abkaufen tut Seehofer den „Kampf gegen rechts“ keine/r, aber das stört ihn aber auch nicht im Geringsten. In Wirklichkeit versucht er abermals, die real bestehende braune Gefahr und rechtsterroristische Umtriebe in und außerhalb der Exekutive als Einzelfälle abzuhandeln oder für neue Gesetzesverschärfungen zu instrumentalisieren. Revolutionäre MarxistInnen kennen diesen Trick! Sie hegen ohnehin keine Illusionen in die bürgerliche Polizei mit ihrem Gewaltmonopol zum Schutz der Bourgeoisie.

Der/die „wirkliche FeindIn“ freilich steht wie eh und je links und was bei der Polizei nicht sein darf, kann auch nicht sein. Und so gibt Seehofer in einer Pressemitteilung in bester Trump-Manier zum Besten: „Es wird keine Studie geben, die sich mit Unterstellungen und Vorwürfen gegen die Polizei richtet. Denn die überwältigende Mehrheit von über 99 Prozent der Polizistinnen und Polizisten steht auf dem Boden unseres Grundgesetzes. Sie sind der Grund für die Stabilität unserer Demokratie und unseres Rechtsstaates. Die Polizei kann sich darauf verlassen, dass wir als Politik hinter ihr stehen.“

Scharfmacher wie der GdP-Vorsitzende Rainer Wendt und PolitikerInnen blasen seit Jahren in das immer gleiche Horn. Die Polizei sei ständig Angriffen ausgesetzt und man müsse die Gesetze weiter verschärfen, Angriffe gegen BeamtInnen müssten noch härter geahndet werden. Schon ein Anschreien von PolizistInnen während einer massiven Ausübung staatlicher Gewalt wird als „Angriff“ beklagt und müsste auch dementsprechend verfolgt werden. Gleichzeitig fehle es an Werkzeugen im Instrumentenkasten gegen Kriminelle aller Art. Seit Jahren prescht gerade die Union massiv vor, wenn die Suppe mal wieder nachgesalzen werden soll – sei es ein ständiges Anziehen der Daumenschrauben bei tatsächlichen wie angeblichen Attacken auf die Polizei oder aber beim Kampf gegen „TerroristInnen“,  „ExtremistInnen“ und „GewalttäterInnen“. Seien es Linke oder IslamistInnen, Thorsten Frei, Vizechef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, nennt die Überarbeitung des Verfassungsschutzgesetzes erwartungsgemäß  einen „wichtigen Schritt zur Extremismusbekämpfung“. Seehofer wird in der Pressemitteilung zur Novelle markig zitiert: „Wir brauchen einen Verfassungsschutz, der auch im digitalen Zeitalter sehen und hören kann. Nur so können wir den extremistischen Geschwüren in unserer Gesellschaft etwas entgegensetzen.“

Und notfalls hält dann auch mal die real existierende braune Gefahr zur Rechtfertigung neuer Überwachungsmöglichkeiten der Bevölkerung her, damit auch die SPD brav mit marschiert. So geschehen in der nun beschlossenen „Novelle des Verfassungsschutzgesetzes“. Die SPD-Parteichefin Saskia Esken, welche sich in den früheren Diskussionen um Staatstrojaner ablehnend gezeigt hatte, begründet ihre Zustimmung ausgerechnet mit dem Kampf gegen rechte Strukturen. Einmal mehr macht dies den Bock zum Gärtner. PolitikerInnen wie Esken sprechen von NSU-Opfern und über 200 von FaschistInnen und RassistInnen ermordeten Menschen in der Bundesrepublik, die sie dazu bewegen würden, nun zusätzliche Befugnisse für Polizei und Geheimdienste durchzuwinken – für einen guten Zweck versteht sich.  Kein Wort darüber, dass der sog. Verfassungsschutz gerade im Kampf gegen rechts und in Bezug auf den NSU Teil des Problems ist – und nicht der Lösung.

Stein um Stein … der Überwachungsstaat wird weiter ausgebaut

Aber um was geht es jetzt eigentlich konkret im beschlossenen, neuen Gesetz? Wir ahnen es, nichts Gutes. Doch zunächst ein kleiner Exkurs, was bisher geschah. Von Januar 2008 bis März 2010 ging die Vorratsdatenspeicherung an den Start. Diese wurde später nach Klagen zwar gerichtlich gebremst, erfolgte aber in anderer Form weiter. Auch zur Überwachung der Telekommunikation von vermeintlichen StraftäterInnen wurde diese selbstverständlich genutzt. Ein Eingriff in den Artikel 10 Grundgesetz (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis) durch Polizeibehörden ist schon lange möglich und muss durch ein Gericht angeordnet werden. Bei „Gefahr in Verzug“ (und wenn mal ein Haus wie die Liebigstraße 34 geräumt werden soll, ist diese oft gegeben) kann sie auch durch die Staatsanwaltschaft angeordnet werden. Die Maßnahme muss binnen drei Tagen vom Gericht bestätigt oder eingestellt werden. Dieser massive Eingriff in Grundrechte kann bei Katalogstraftaten (Schwerstkriminalität, Verstöße gegen das Waffen- oder Betäubungsmittelgesetz im größeren Umfang usw.) verhängt werden. Interessant ist, dass der Staat mit Abstand die meisten Überwachungsmaßnahmen bei der Bekämpfung von Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz angeordnet hat (im Jahr 2010 z. B. 33,73 % aller Fälle), aber bspw. nur in 0,093 % aller Fälle gegen Kinderpornographie vorgegangen wurde, obwohl gerade diese abscheulichen Verbrechen oft als ein Argument für mehr Überwachung von modernen Kommunikationsmedien und gegen den Einsatz von Verschlüsselungssoftware von Polizei und Law-and-Order-PolitikerInnen ins Feld geführt werden (https://de.wikipedia.org/wiki/Telekommunikations%C3%BCberwachung). Erinnert sei hier an den jahrelangen Feldzug gegen Festplattenverschlüsselungsprogramme wie TrueCrypt, Veracrypt oder Anonymisierungsprogramme für das überwachungsfreie Surfen im Netz (Tor – The Onion Router) oder das Auffinden von „Darknet“- und Deep-Web-Angeboten (z. B. Marktplätzen für illegale Betäubungsmittel). Natürlich werden als NutzerInnen solcher Software nicht die JournalistInnen oder politisch Verfolgte ins Feld geführt, die sich mittels technischer Maßnahmen zu schützen versuchen, sondern der Ruf nach staatlicher Überwachung wird gerne als Kampf gegen PhädophilInnen-Ringe und Kinderpornographie inszeniert. Schwerstkriminelle, die übelste Verbrechen begehen, würden geschont von bösen DatenschützerInnen und UnterstützerInnen von verschlüsselter Kommunikation, sei es über E-Mails oder Messenger.

2017 erfolgte dann eine deutliche Verschärfung der sogenannten TKÜ-Maßnahmen. TKÜ steht schlicht und ergreifend für Telekommunikationsüberwachung. Es wurde nun für Polizeibehörden legal, neben der klassischen Überwachung von Telekommunikationsmedien wie Post, Telefon und E-Mail auch Computer und Smartphones und die davon ausgehende Kommunikation massiv zu überwachen (eine sogenannte „Quellen-TKÜ“). Mittels der Quellen-TKÜ können sämtliche Kommunikationsvorgänge wie E-Mail-Verkehr, Skype-Gespräche, SMS-Kommunikation etc. mit verfolgt und gelesen oder belauscht werden. Kameras und Mikrophone an mobilen Endgeräten oder Notebooks werden so zu Wanzen, lauschen und filmen. Technisch möglich ist dies durch die Einschleusung oder Installation einer entsprechenden Software auf dem Gerät, sei es durch aktive Manipulation der Hardware oder durch Infiltration durch vermeintlich harmlose Software (Trojaner, Hacking), die ggf. getarnt eingeschleust wird. Neben der „Quellen-TKÜ“ wurden die umfangreichen Maßnahmen durch die sog. „Online-Durchsuchung“ ergänzt. Hierbei werden nicht nur Daten gesammelt, die fernübertragen werden, sondern auch auf dem Smartphonespeicher oder der Festplatte abgelegte Daten eingesammelt. Ist der Staat erst einmal am Lauschen, besteht die Gefahr, dass die Maßnahme einfach weitergeführt wird.

Der Chaos Computer Club (CCC) deckte bereits 2011 auf, wie die Malware zur Durchführung einer Quellen-TKÜ funktioniert und dass die Möglichkeiten die Ziele einer Quellen-TKÜ um einiges übertreffen. Der CCC stellt klar, dass die Trennung zwischen einer Quellen-TKÜ und einer „Online-Durchsuchung“ eine künstliche, juristische ist. Faktisch werden rein technisch die gleichen Methoden angewandt. Problematisch ist, dass auch die Schadsoftware Sicherheitslücken verantwortet oder dass die Polizei solche nutzt und die Öffentlichkeit über diese nicht aufklärt. Faktisch nutzen die Polizeibehörden also schon seit geraumer Zeit legal und mit Sicherheit auch in Grauzonen und illegal massiv neuste Techniken und führen den großen Lauschangriff ganz still und heimlich. So wurde dann auch am 01. April 2008 beim BKA ein Aufbaustab geschaffen, der die TKÜ-Maßnahmen von 38 Sicherheitsbehörden (BKA, LKA, diverse Polizeibehörden der Bundesländer) bündelte, technisch wie organisatorisch (https://netzpolitik.org/2020/staatstrojaner-fuer-geheimdienste-tritt-die-regelung-in-kraft-werden-wir-dagegen-klagen/).

Während die Polizeimaßnahmen wenigstens noch gerichtlich angeordnet werden müssen, operieren Geheimdienste völlig im Verborgenen. Sie werden de facto kaum überwacht, was die Nutzung solcher Instrumente anbelangt. Gerade das Bundesamt für Verfassungsschutz – auf dem rechten Auge chronisch blind –  hat jetzt, Oktober 2020, mit dem neuen Gesetz die Möglichkeit erhalten, ohne jegliche Kontrolle Quellen-TKÜs durchzuführen. Hierbei werden die Grenzen zwischen Geheimdiensten und Polizeibehörden erneut weiter aufgeweicht, auch die Zusammenarbeit von Verfassungsschutz und Militärischem Abschirmdienst (MAD) wird weiter gestärkt. Gerichtliche Kontrolle liegt nicht vor, parlamentarische ist de facto nicht gegeben. Das zeigt ja bereits der NSU-Komplex. Mit der Novellierung sollen auch die Geheimdienste die Möglichkeiten erhalten, modere Kommunikationskanäle wie Messenger (WhatsApp, Telegramm, Signal, Threema usw.) von Kriminellen und „GefährderInnen“ (und mittlerweile geht es im Polizeibereich schon um Kleinkriminelle und die Geheimdienste spitzeln wohl weniger bei den rechten Terrornetzwerken, sondern eher bei dem/r linken AktivistIn von nebenan), die verschlüsselt kommunizieren, noch vor dem verschlüsselten Versenden der Nachrichten auszuspähen, d .h. die Verschlüsselung zu umgehen. Hierbei sollen auch Provider und Telekommunikationsanbieter massiv zu Gehilfen gemacht werden. Der CCC kritisiert auch, dass die Geheimdienste gezielt Sicherheitslücken u. a. in Betriebssystemen ausnutzen und so nebenbei auch massiv die IT-Sicherheit vieler UserInnen gefährden (Sicherheitslücken werden von Kriminellen im Internet genutzt). Die Provider sollen auch die Geheimdienste unterstützen mit direktem Zugang in Firmenzentralen und Zugriffen auf die Daten der KundInnen sowie Zuarbeit bei Manipulation ihrer zu überwachenden Geräte (z. B. Auslieferung angeblicher Updates, die sich als Überwachungsmaßnahmen erweisen).

Zusammenfassend lässt sich konstatieren: alles wie immer, nur noch schlimmer! Seehofer möchte von Rassismus in Sicherheitsbehörden nichts wissen und täuscht gleichzeitig einen Kampf gegen RechtsterroristInnen vor. Was dann tatsächlich umgesetzt wird, ist die erneute Stärkung von Geheimdiensten wie dem MAD und den Verfassungsschutzbehörden. Diese Maßnahmen dienen dazu, was immer ihr Vorwand sein mag, der zu ihrer Rechtfertigung herangezogen werden soll, wirkliche oder potentielle linke und klassenkämpferische Widerstandspotentiale zu überwachen, auszuspähen und ggf. zu unterdrücken.

Was tun? Was fordern wir?

Daher: Nein zum neuen Gesetz, das eine weitere Verschärfung von Geheimdienstbefugnissen darstellt! Im  Kampf gegen FaschistInnen, RassistInnen und AntisemitInnen, seien es AfD, Identitäre, Kameradschaften, NPD oder ReichsbürgerInnen, können und dürfen wir uns ohnehin nicht auf den Staat verlassen. Notwendig ist vielmehr die Einheit der ArbeiterInnenklasse, der rassistisch Unterdrückten und der Linken im Kampf gegen rechte Gefahr, staatlichen Rassismus und Repression. Die Geheimdienste brauchen keine weiteren Sonderbefugnisse, sie müssen vielmehr abgeschafft, zerschlagen werden. Sie sind Teil des Problems, nicht der Lösung!




Hetze gegen linke SchülerInnen und LehrerInnen: AfD eröffnet Denunziationsportal

Jan Hektik, Neue Internationale 233, November 2018

Mit dem Neutralitätsgebot der Schule und dem Beutelsbacher Konsens, der eine neutrale Darstellung vorschreibt, kämpfen Linke an der Schule seit Ewigkeiten. Ob als SchülerIn, der/die einen Vortrag halten möchte, in dem ein Rätesystem tatsächlich behandelt wird, oder als Lehrkraft, die zu antifaschistischen Protesten aufrufen will – immer wird es einem vorgehalten. Doch was seit kurzem von der AfD initiiert wurde, ist neu.

Ihr Hamburger Landesverband hatte die Plattform „Neutrale Schule“ gestartet. Diese soll SchülerInnen und Lehrkräften ermöglichen, LehrerInnen zu melden, die sich kritisch über diese Partei äußern. Nach Hamburg planen die RechtspopulistInnen, die Plattform in 9 weiteren Ländern an den Start zu bringen: Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt.

In Berlin war sie bereits online, während in Brandenburg (noch) „technisch-juristische“ Probleme zu lösen waren. Zur Rechtfertigung ihrer Kampagne führt die AfD unter anderem die „Zustände“ an der Paul-Schmidt-Schule in Lichtenberg an. Dort habe eine Unter-18-Wahl unter SchülerInnen stattgefunden, bei der sogar die FDP, nicht jedoch die AfD behandelt worden wäre. Dabei verschweigt die Partei geflissentlich, dass sie nicht aufgeführt wurde, weil sie auf die Anfrage, Informationen für die Wahl zur Verfügung zu stellen, nicht antwortete und deshalb nicht einbezogen wurde.

Widerstand dagegen gibt es bislang vor allem von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Nachdem juristisch wahrscheinlich wenig gegen das Portal auszurichten ist, hat die GEW dazu aufgerufen, sich nicht einschüchtern zu lassen. Weiter als diese eher schwache Maßnahme ging die Aktivität von Lehrkräften und LehrerInnen in der Ausbildung. In Hamburg musste die Plattform zeitweise geschlossen werden, da massive Fake-Anzeigen eingingen und die Seite mit riesigen Uploads lahmgelegt wurde. Auch haben sich diese in Massen selbst auf den Seiten angemeldet. Auf der Website „Change.org“ wurde unter dem Motto „Mein Lehrer fetzt“ eine Petition an die Kultusministerkonferenz initiiert. Diese ist zwar nicht sonderlich aussagekräftig, erklärt sich aber solidarisch mit AfD-kritischen Lehrkräften.

Ziele der Rechten

Diese Plattformen sind jedoch nur ein Teil des Versuchs der AfD, auf Schulen einzuwirken. Im Landtag von Sachsen-Anhalt hat sie beantragt, die Landesmittel für das Projekt „Schule ohne Rassismus“ zu streichen, weil „dieses Netzwerk doch stark genutzt wird, um Stimmungsmache gegen demokratisch gewählte Parteien – in dem Fall gegen unsere Partei – zu betreiben“, wie Fraktionschef Oliver Kirchner gegenüber dem Deutschlandfunk erklärte.

Mit ihren Kampagnen verfolgt die AfD mehrere Ziele:

  • Einschüchterung linker und aller AfD-kritischen LehrerInnen und SchülerInnen
  • Disziplinarmaßnahmen gegen Beschäftigte
  • Kontakt zu rechten SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen, um so selbst Strukturen aufzubauen.

Daher werden Petitionen oder auch das Lahmlegen von Servern auf die Dauer wirkungslos bleiben. Notwendig ist offensiver und kollektiver Widerstand gegen die rechtspopulistische Denunziation. Versammlungen der Beschäftigten, SchülerInnen und Eltern sollten sich gegen die AfD-Plattform stellen, über deren reaktionären Charakter an der Schule aufklären und zugleich einen Kampf gegen die Einschränkung politischer Betätigung und Meinungsfreiheit an den Schulen aufnehmen.

Dass sich die AfD auf das „Neutralitätsgebot“ an den Schulen beruft, ist darüber hinaus bis zu einem gewissen Grad selbst eine Farce, weil sie so einen Freibrief für Rassismus, Hetzpropaganda und DenunziantInnentum erhalten will.

Aber das Neutralitätsgebot und der Beutelsbacher Konsens sind zugleich auch Einschränkungen linker politischer Betätigungsfreiheit an den Schulen. Sie richten sich auch gegen das Verteilen von Flugblättern linker Jugendgruppen, antirassistische oder antifaschistische Propaganda an den Schulen. Schließlich können solche Gesetze auch gegen offen politische Aktivitäten von Gewerkschaften, das Aufrufen zu politischen Protestkundgebungen während der Schulzeit herangezogen werden – und sei es nur zum Zweck der Einschüchterung.

  • Nein zum AfD-Denunziationsportal! Weg mit allen Einschränkungen freier politischer Betätigung für LehrerInnen und SchülerInnen!
  • Versammlungen der LehrerInnen und sonstigen Beschäftigten, der SchülerInnen und Eltern, um eine gemeinsame Kampagne gegen die AfD, Rechtspopulismus und Rassismus zu organisieren!



PRISM: Das Leben der anderen – total

Markus Lehner, Neue Internationale 181, Juli/August 2013

obama-prismVon den bürgerlichen IdeologInnen wird gern die Geschichte vom totalen Überwachungsstaat DDR erzählt und verschiedenste Beispiele der „unvorstellbaren“ Missachtung der Privatsphäre durch die Stasi beschworen. Doch hätte sich die Stasi in ihren kühnsten Träumen das Ausmaß an technischer Überwachung von Kommunikations- und Informationskanälen weltweit nicht vorstellen können, das jetzt durch den NSA-Überläufer Edward Snowden im Ansatz deutlich geworden ist.

Snowden

Am 6. Juni veröffentlichte der „Guardian“ einen ersten Artikel mit grundlegenden Informationen über das PRISM-Programm der NSA. Die NSA (National Security Agency) ist ein Spezial-Geheimdienst der USA, der seit den 1950ern auf die Überwachung von Kommunikations- und Informationssystemen spezialisiert ist. Er hat die weltweit größte Computer-Kapazität, was Möglichkeiten der Netzwerküberwachung, der Informationsspeicherung aber auch Kapazitäten zur Entschlüsselung und Informationsanalyse betrifft.

Mit über 35.000 AgentInnen und riesigen Rechenzentren (darunter ein Mega-Storage-Komplex in Utah, wo ein Großteil der Terrabits an Daten aus der Prism-Überwachung gesammelt werden soll) ist die NSA die unbestritten größte Schnüffelorganisation in den globalen Datennetzen.

Edward Snowden kam nach einer mäßigen CIA-Karriere als „Hacker“ und Consultant zum NSA, um dort als System-Architekt für Sicherheitsfragen zu arbeiten. Wie offenbar viele andere seiner KollegInnen wurde er durch eine Schulung zum System Prism gesendet, in der der Umgang mit diesem Datensammlungs-System gelehrt wird. Das „Verbrechen“ von Snowden, für das er nun um den halben Erdball gejagt wird, bestand einfach darin, die Powerpoint-Folien dieses Lehrgangs im Guardian zu veröffentlichen. Nicht diese Veröffentlichung – der Inhalt dieses Lehrgangs ist der Skandal!

Hintergrund

Besonders perfide an den Regelungen ist, dass die Firmen auch dazu verpflichtet werden, auf jeden Fall zu leugnen, dass sie Daten an die NSA weitergeleitet haben.Nach dem 11. September versuchte die Bush-Administration zunächst vergeblich, ein vollständiges Überwachungssystem von Internet und Telekommunikationssystemen, die über die USA laufen, in Gang zu setzen. Dies scheiterte zunächst an den juristischen und organisatorischen Beschränkungen, die damals noch gegeben waren. Dies änderte sich mit dem 2007 beschlossenen „Protect America Act“ und dem 2008 in Gang gesetzten „FISA Amendmend of 2008“ (FISA ist ein halböffentliches Kontrollorgan speziell für den NSA).

Der Witz an diesen Regelungen ist, das nunmehr Privatfirmen, die der NSA ihre Daten zur Verfügung stellen, sich nicht mehr irgendwelcher Datenschutzvergehen oder ähnlichen zivilrechtlichen Problemen gegenüber sehen. Das Microsoft und Co. aufgrund der Datenlecks mit Strafzahlungen zu rechnen hatten, war nämlich zunächst das eigentliche Hemmnis, nicht irgendwelche Skrupel in Bezug auf die Verletzung der Privatsphäre!

Mit dieser rechtlichen Grundlage können nun Firmen aus dem Internet- und Telekommunikationsbereich mit Sitz in den USA dazu verpflichtet werden, ihre Daten offen zu legen und haben auch beim Auffliegen dieser Tatsache mit keiner Konsequenz zu rechnen. Besonders perfide an den Regelungen ist, dass die Firmen auch dazu verpflichtet werden, auf jeden Fall zu leugnen, dass sie Daten an die NSA weitergeleitet haben. Diese beiden Verordnungen der Bush-Regierung wurden von der Obama-Administration nicht nur übernommen, sondern auch problemlos verlängert.

Was zeigen nun die Folien der Prism-Schulung, die Snowden veröffentlicht hat? Nicht mehr und nicht weniger, dass alle großen US-Internetfirmen ihre Server dem unmittelbaren Zugriff der NSA geöffnet haben. In der Folie sehen wir, wie die NSA stolz darstellt, ab welchem Jahr jeweils welche Firma ihre Server geöffnet hat.

Wir sehen, dass Mailaccounts, die bei Google-mail o.a. Anbietern hinterlegt sind, seit mehreren Jahren gleichzeitig auf den NSA-Servern in Utah gespeichert werden. Wir sehen auch, dass Facebook-Accounts seit 2009 dort „gesichert“ werden. Seit 2011 werden auch Skype-Gespräche mitgeschnitten.

Auf anderen Folien wird dargestellt, dass tatsächlich direkt von den Servern kopiert werden kann. Auch bei Skype-Gesprächen sollte man sich nicht sicher sein: die VoIP-Payload ist ein Datenstrom wie jeder andere und kann über die entsprechenden Ports abgezweigt und im Datenspeicher hinterlegt werden.

Doch nicht nur Mail, Facebook, Skype, Google und Youtube ist von der Datensammel-Leidenschaft der NSA betroffen. Schon längst läuft das globale Telefonsystem nicht mehr auf der alten ISDN-Technik, sondern ist in seinem Kernbereich Internet-basiert (nur noch ein Teil der alten Teilnehmeranschlüsse ist noch Alt-Technik, wird aber durch SIP-Technologie ersetzt). Damit wird auch ein großer Teil des Telefonverkehrs der unmittelbaren digitalen Überwachungstechnik geöffnet.

Um auch die nicht über die USA laufenden Verbindungen mitschneiden zu können, wurde die NSA dabei offenbar von ihren britischen Kollegen des GHCQ (Government Communication Headquaters) mit deren Spezialprogramm Tempora zur Überwachung des Backbones der internationalen Glasfaserverbindungen unterstützt. Damit kann man davon ausgehen, dass NSA und GHCQ sämtliche Internet- und Telefonverbindungen samt Accounts und in der globalen Server-Wolke verbreiteten Daten in ihren Systemen haben.

Imperialistische Konkurrenz

Niemand sollte sich in der falschen Sicherheit wiegen, dass die ungeheure Datenmenge ja gar nicht auswertbar sei.Es ist natürlich wenig glaubhaft, dass ein derart globales und umfassendes Überwachungssystem zum Aufspüren von vielleicht 500 islamischen Terroristen dient, die sich zumeist wahrscheinlich gar nicht dieser Technologien bedienen. Nimmt man die zusätzlich aufgedeckten Überwachungssysteme hinzu, die z.B. in Richtung EU-VertreterInnen und Regierungen eingesetzt wurden, wird deutlich, dass es hier v.a. um inner-imperialistische Konkurrenz und politische Überwachung in Zeiten der Krise und der schwindenden US-Hegemonie geht.

Vornehmlich sollen Konkurrenten der US-Konzerne abgehört werden; ebenso mögliche Konkurrenten auf weltpolitischer Ebene. Aber im Fadenkreuz sind sicher auch politische Gegner in Protestbewegungen, Gewerkschaften und der Linken. Ein besonderes Licht wirft die systematische Überwachung von Facebook auf die gleichnamigen „Facebook-Revolutionen“ und das Agieren der USA dabei.

Niemand sollte sich in der falschen Sicherheit wiegen, dass die ungeheure Datenmenge ja gar nicht auswertbar sei. Der größte Teil der Investitionen in diese Überwachungssysteme sind gar nicht die eher trivialen Mechanismen zur Datenbeschaffung und Speicherung. Der größte Aufwand wurde in den letzten Jahren in die Analyse-Systeme gesteckt. Dies reicht vom „Data-Mining“ (Methoden zur intelligenten Suche in „big data“-Systemen), über den Einsatz von Methoden der „künstlichen Intelligenz“ (wie etwa dem kontext-abhängigen Datenanalyse-Systemen von Systemen wie Watson), über „Stream“-Systeme (die direkt aus dem Datenstrom in intelligenter Weise nach „verdächtigen“ Inhalten filtern und dabei längst nicht mehr nur auf einzelne „Schockwörter“ reagieren).

Konsequenzen

Man kann davon ausgehen, dass NSA & Co die Informationen, nach denen sie suchen, in den Datenmengen auch sehr schnell finden können. Die Frage ist nur, wer in ihr Fadenkreuz gerät und für sie interessant erscheint. Manchmal werden auch völlig harmlose Liberale dabei gescannt und erledigt, wie das Beispiel einer US-Anwältin zeigt, die zufällig einen „Terror-Verdächtigen“ als Pflichtmandanten hatte, und seither systematisch ruiniert wurde.

Als Betroffene dieses Systems der totalen Überwachung müssen wir als Linke Konsequenzen ziehen. Dies reicht von der Verwendung starker Verschlüsselung bis hin zum bewusst vorsichtigen Umgang mit den „sozialen Netzwerken“ im Internet. Allgemeine Paranoia ist sicher nicht angebracht, aber in kritischen Momenten sollten wir die öffentliche Kommunikation über diese Netzwerke vermeiden. Der Umgang mit Überwachungssystemen ist in der Geschichte der Arbeiterbewegung nicht neu. Wir sollten hier auf historische Erfahrungen zurückgreifen.

„Whistleblower“ wie Edward Snowden spielen eine wichtige Rolle, um überhaupt zu erfahren, was in diesen Agenturen vor sich geht. Daher müssen wir ohne Wenn und Aber ihre Straffreiheit und Reisefreiheit verteidigen. Wir brauchen mehr Snowdens – und genau deswegen wollen ihn die Schergen des US-Systems offenbar um jeden Preis in ihre Gewalt bekommen. Dies darf ihnen nicht gelingen! Daher: Sofortiges Asyl für Snowden!

Schließlich müssen die Enthüllungen von Snowden zu einem weltweiten Protest gegen das Schnüffelsystem NSA/GHCQ u.a. Staaten – nicht zuletzt auch der BRD – führen. Diese Institutionen und ihre Programme müssen sofort geschlossen werden! Alle gemeinen Unterlagen, Verbindungen, Anweisungen und Verträge von Diensten, Regierungen und Unternehmen müssen öffentlich gemacht werden. Die gesammelten Daten und Techniken müssen von ExpertInnen, die das Vertrauen der Arbeiterbewegung und der sozialen Bewegungen genießen, kontrolliert und die Datensammlungen gelöscht werden.

Bild: LATUFF 2013, http://latuffcartoons.wordpress.com/2013/06/10/cartoon-dincao-barackobama-is-watching-you-prism/