USA: Trump spielt mit einem Polizeistaat

Dave Stockton, Infomail 1112, 23. Juli 2020

In den letzten zehn Tagen hat Donald Trump einen Staatsstreich des Präsidenten erprobt, der in Portland, US- Bundesstaat Oregon, begann und nun auf Chicago ausgeweitet wird. In seinem üblichen Stil behauptete er, dass die anarchistische Gewalt in Chicago „schlimmer als in Afghanistan“ sei. Dies ist nicht nur eine Reaktion auf die „Black Lives Matter“-Bewegung gegen die Killerpolizei der USA, sondern auch auf seinen sich beschleunigenden Einbruch in Meinungsumfragen. Auf der Grundlage eines Exekutiverlasses „zum Schutz des Bundesvermögens“ konnte er das beträchtliche Spektrum der Bundespolizeikräfte einsetzen, die in den letzten zwei Jahrzehnten unter dem Vorwand des Krieges gegen den Terror militarisiert worden waren. In Portland, 40 Meilen von der kanadischen Grenze entfernt, setzt er Zoll- und Grenzschutzkräfte ein, die von der mexikanischen Grenze aus entsandt wurden!

Politik des „starken Manns“

In Portland haben bewaffnete taktische Einheiten der Grenzpatrouille, BORTAC, mit nicht gekennzeichneten Fahrzeugen DemonstrantInnen in Gewahrsam genommen und für Verhöre an unbekannten Orten festgehalten. Die AgentInnen tragen Tarnkleidung ohne Namen oder Nummern. Die Protestierenden wurden mit Tränengas eingenebelt und dem Beschuss mit Aufprallmunition ausgesetzt. Infolgedessen wurde einem 26-jährigen Demonstranten, Donavan LaBella, durch eine Kugel der Schädel gebrochen. Ein 53-jähriger Marineveteran wurde auf Video gefilmt, wie er von OffizierInnen, die einen Knüppel schwingen, bewusstlos geschlagen wurde. Gegen eine Mauer aus Dutzenden von unterstützenden „Müttern“, die versuchten, sich als Schutz zwischen die BORTAC-Schlägertrupps und die DemonstrantInnen zu stellen, wurde mit Tränengas vorgegangen.

Vor über einer Woche schickte Trump seinen kommissarischen Minister für Innere Sicherheit, Chad Wolf, nach Portland, um die Repressionen zu überwachen. Nach seiner Rückkehr lobte Trump Wolfs Ergebnisse mit den Worten: „Portland war völlig außer Kontrolle, und sie gingen rein, und ich schätze, wir haben jetzt viele Menschen im Gefängnis, und wir haben es sehr stark gebändigt, und wenn es wieder anfängt, werden wir es sehr leicht wieder bändigen. Das ist nicht schwer, wenn man weiß, was man tut“.

Trump hat betont, dass er nicht nur die „Antifas“ oder die „Black Lives Matter“-Bewegung im Visier hat, sondern auch seine GegnerInnen bei den bevorstehenden Wahlen.

Gegenüber der Washington Post äußerte er sich; „Wir blicken auch auf Chicago. Wir blicken auf New York. Alle werden von sehr liberalen DemokratInnen geführt. Wirklich alle werden von der radikalen Linken regiert. Das ist schlimmer als alles, was man bisher gesehen hat“, fuhr er fort. „Und wissen Sie was? Wenn Biden einsteigen würde, würde das auf das Land zutreffen. Das ganze Land würde zur Hölle fahren.“

Der Präsident, der seine Feigheit offenbarte, als er sich im Keller des Weißen Hauses vor einer friedlichen BLM-Demonstration versteckte, gibt sich jetzt als der starke Mann in der Hoffnung aus, seine AnhängerInnenschaft bei den weißen RassistInnen zu konsolidieren und seine Wahlbasis zu stärken. Nun hat Trump, wie er gedroht hat, die Repression auf Chicago ausgeweitet und Philadelphia, Detroit, Baltimore und Oakland für die gleiche Behandlung vorgemerkt.

In New York räumten am 22. Juli um 3.45 Uhr morgens mehr als einhundert Polizisten des NYPD in Kampfausrüstung das Protestcamp Occupy City Hall Encampment (CHE) brutal, das seit Juni im Rahmen der BLM-Proteste errichtet worden war. Der demokratische Bürgermeister Bill de Blasio, der für den Überfall verantwortlich ist, versucht eindeutig zu zeigen, dass er ebenso hart gegen Recht und Ordnung vorgeht wie der Präsident. Aber das CHE war bereits von Tausenden auf Hundert zurückgegangen, was zeigt, dass die Besetzungstaktik, wenn sie nicht rasch zu einer Massenaktion wird, schließlich den Kräften von Recht und Ordnung erliegen wird.

Wenn Trump nicht Einhalt geboten wird, verspricht dies, der schwerste Angriff auf die demokratischen Rechte der US-BürgerInnen seit den Palmer-Razzien nach dem Ersten Weltkrieg (antikommunistische Verfolgungswelle, benannt nach dem damaligen Justizminister) zu werden. Trump schwächelt in den Meinungsumfragen, da ihn weithin eine Mehrheit als verantwortlich für die kriminelle Politik betrachtet, die den USA zum weltweit schlimmsten Ausbruch von Sars-CoV-2 und einer historischen Einbruch der Wirtschaft führte. Wenn er nicht eine Art Schock und Ehrfurcht einflößende Taktik aus der Tasche zieht, könnte ihm im November eine erdrutschartige Niederlage drohen.

Drohende Gefahr und Gegenwehr

Es stimmt zwar, dass demokratische BürgermeisterInnen und GouverneurInnen verschiedene juristische Anfechtungen vorgebracht haben, aber solange es keine massive Reaktion der Bevölkerung auf den Straßen und keine direkten Aktionen in den Betrieben gibt, wird Trump weiterhin den Diktator spielen. Er wird seinen Wahlkampf weiterhin mit der fiebrigen Atmosphäre eines BürgerInnenkrieges umgeben. Sein neuer Wahlkampforganisator, Bill Stepien, hat Joe Biden bereits als „das unglückselige Werkzeug der extremen Linken“ bezeichnet.

Die amerikanische Präsidentschaft verfügt über weitreichende Befugnisse, die Trump in einer Weise genutzt hat, wie es nur wenige seiner Vorgänger außerhalb von Kriegszeiten getan haben. Mit Hilfe von Bundestruppen, unterstützt von lokalen Polizeidienststellen, die sich über die Bloßstellung ihrer mörderischen Attacken auf Farbige empörten, hat er bereits das entfesselt, was in Italien in den 1970er Jahren als „Strategie der Spannung“ bezeichnet wurde, ein Vorwand, um die verfassungsmäßigen Rechte des Bevölkerung zu ignorieren und der Exekutive um den Präsidenten herum quasi diktatorische Befugnisse zu geben, was MarxistInnen als Bonapartismus bezeichnen.

Und selbst wenn Trump im November verliert, deutet vieles auf eine Krise nach der Wahl hin, wenn er behauptet, die Ergebnisse seien gefälscht. Trump hat eine amorphe Massengefolgschaft geschaffen, die nicht auf die traditionellen konservativen RepublikanerInnen beschränkt ist, sondern auch wild gewordene KleinbürgerInnen und ältere desorientierte weiße ArbeiterInnen anlockt. Unter den Bedingungen einer großen Weltwirtschaftskrise könnten sich diese recht schnell zu einer echten faschistischen Bewegung herauskristallisieren.

Die Antwort auf Trump, auf eine bösartig rassistische Polizei und auf Massenarbeitslosigkeit, wie wir sie seit den 1930er Jahren nicht mehr erlebt haben, ist nicht Joe Biden oder selbst Bernie Sanders, der ihn jetzt unterstützt. Weder die Programme  der Demokratischen Partei nach Clinton-Art noch der Sozialdemokratie nach skandinavischem Vorbild können den Sumpf von Rassismus und Halsabschneider-Kapitalismus, aus dem Trump und seine „Bewegung“ entstanden sind, trockenlegen. Nur eine Massenkraft, die in der Lage ist, sich der polizeilichen Repression zu stellen und die freie Organisierung von RassistInnen und FaschistInnen zu zerschlagen, d. h. eine Partei, die sich auf die ArbeiterInnenklasse und alle rassistisch und geschlechtsspezifisch Unterdrückten stützt, kann den Kampf anführen, der sich mit Black Lives Matter und den Arbeitskämpfen der letzten Jahre eröffnet hat.

Ein erster Schritt, landesweit, aber vor allem in den Städten, die von Trumps Besatzungstruppen bedroht sind, muss in Massenmobilisierungen bestehen, um sie zu durch die große Zahl zu stoppen, zu isolieren und den Truppenrückzug zu erzwingen und den Möchtegern-Diktator im Weißen Haus zu demütigen.

Am Montag, dem 20. Juli, ergriffen in 200 Städten 60 verschiedene Gewerkschaften und Organisationen, darunter die SEIU, die amerikanische Lehrervereinigung, verschiedene Formen von Aktionen – einschließlich Arbeitsniederlegungen – zur Unterstützung der BLM-Bewegung. Solche symbolischen Aktionen sind ein Anfang, aber die AktivistInnen von BLM und in den Gewerkschaften müssen darauf hinarbeiten, die großen Verbände zur Teilnahme an allen Streiks zu zwingen, um Trumps Pläne zu stoppen. 

Die unmittelbaren Losungen der Bewegung müssen sein:

  • Sofortige Freilassung aller verhafteten DemonstrantInnen!
  • Auflösung der Grenztruppen und Spezialeinheiten der Polizei!
  • Kommunale und ArbeiterInnenselbstverteidigungseinheiten unter demokratischer Kontrolle!
  • Bildung von Aktionsräten zur Koordinierung zwischen BLM und der organisierten ArbeiterInnenklasse, um die von Trumps Sturmtruppen besetzten Städten, um die Produktion und das öffentlich Leben zum Stillstand zu bringen!



Leben gegen Profit – die Wiederhöffnung der US-Wirtschaft

Marcus Otono, Infomail 1105, 27. Mai 2020

Im Klassenkampf schärfen sich die Kampflinien unvermeidlichen. „Auf welcher Seite steht Ihr?“ wird entscheidend. Das geschieht jetzt mit der Covid-19-Krise.

Wenn es jemals eine Zeit gab, in der man eine Reaktion hätte spüren können, die größeren Schaden für die Wirtschaft und eine Krise der öffentlichen Gesundheit verhindert hätte, dann ist dieser Zeitpunkt längst vorbei, verloren in einer Unzahl von Windungen und Wendungen von der Trump-Administration, die aus einer dunklen Komödie falscher Ratschläge und gefährlicher Politikwechsel bestanden. Ein Spiel, das vor dem Hintergrund von Wahlpolitik, nacktem Opportunismus, Verschwörungstheorien und ideologischer „Reinheit“ gespielt wurde. Die beiden Bereiche öffentliche Gesundheit und Wirtschaft stehen nun im Widerspruch zueinander. Die Wiedereröffnung der Wirtschaft unter den gegenwärtigen Bedingungen wird Menschen töten – vielleicht eine Menge.

Aber die herrschende Klasse und ihre StiefelleckerInnen in der politischen Kaste haben ihre Wahl getroffen. Der rechte Todeskult, der den Kapitalismus heute beherrscht, wird die Wirtschaft wieder öffnen, egal wie viele Menschen er tötet. Und es ist zweifelhaft, dass sie, sobald wieder eröffnet, von der bürgerlichen Regierung wieder geschlossen wird, ungeachtet der negativen Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit.

Die kapitalistische Antwort ist Klassenkrieg

Man täusche sich nicht: Wir sitzen da definitiv nicht „alle in einem Boot“. Die Klassengrenzen sind streng. Während die Bosse von der Arbeit entbunden werden, wenn sie nicht arbeiten wollen, werden wir anderen wieder in die Tretmühle gezwungen, um die Profite der gleichen Bosse zu retten, die, wenn sie überhaupt „schaffen“, „zu Hause“ in ihren palastartigen Villen oder auf ihren Yachten und in Sicherheit arbeiten.

Obwohl es wahrscheinlich ist, dass dieses Virus ursprünglich von den Reichen verbreitet wurde, die aus Übersee einflogen (denn wie viele aus der ArbeiterInnenklasse sind in der Lage, irgendwo hinzufliegen, geschweige denn nach Übersee?), sind es nicht dieselben Reichen, die die Hauptlast von Ansteckung und Tod erleiden. Es sind die ArbeiterInnenklasse und die Armen und vor allem ein höherer Anteil, der schwarz, lohnabhängig und/oder arm ist. Und jetzt, wo alle Anzeichen darauf hindeuten, dass Einstellung nicht-essentieller Tätigkeiten, Quarantäne, Masken und soziale Distanzierung tatsächlich dazu beitragen, die Infektionsraten zu verlangsamen, sagen die Bosse dem Rest von uns, dass wir wieder an die Arbeit gehen sollen. Sie tun dies, auch wenn keine der Richtlinien, die signalisieren sollten, wann eine Wiedereröffnung sicher ist, in den meisten Staaten, die wiedereröffnet werden, befolgt wird, vor allem nicht bei Tests und Rückverfolgung. Sie scheinen entschieden zu haben, dass zwei Monate für eine Unterbrechung ihrer Gewinnkette genug sind, und die Wiedereröffnung wird angeordnet, unabhängig von den Beweisen und unabhängig von den potenziellen Todesraten durch eine zweite Welle von Virusinfektionen. Diese wird von fast allen erwartet, sowohl von ExpertInnen als auch von LaiInnen.

Die berühmte Rettungsaktion, die wir in einem früheren Artikel erörtert haben und die den Menschen die Mittel an die Hand geben sollte, um eine erweiterte Abriegelung zu überleben und das Virus unter Kontrolle zu bringen, erwies sich als genau so, wie wir es vorhergesagt hatten: eine Rettungsaktion für Unternehmen und Wohlhabende und ein Ausverkauf für den Rest von uns. Wir haben zwei Rettungsaktionen für „kleine Unternehmen“ durchgemacht, während viele Einzelpersonen auf ihre erste warten. 9.000 Kirchen, die keine Steuern an den Staat zahlen, haben eine dieser Rettungsaktionen für „kleine Unternehmen“ erhalten, während einige in ihren Gemeinden immer noch versuchen, die versprochene Arbeitslosenunterstützung zu erhalten. Viele FriseurInnen, MusikerInnen und andere, die in der berüchtigten „Gig“ (Auftritts-/Gelegenheits-)Wirtschaft beschäftigt sind, haben seit über einem Monat versucht, Zugang zu Geldern aus der Rettungsaktion für kleine Unternehmen und/oder den neuen Regeln für die Arbeitslosenunterstützung zu erhalten und sind hieran gescheitert. Die Liste der Versäumnisse für die ArbeiterInnenklasse bei der Umsetzung von CARES (Coronavirus Aid, Relief, and Economic Security Act; Gesetz zur Hilfe und Entlastung der Folgen des Coronavirus und zum Schutz der Wirtschaft) ist endlos lang.

Und wie um ein Ausrufezeichen auf diese Ungerechtigkeit der föderalen Großzügigkeit zu setzen, ermutigen die GouverneurInnen der Bundesstaaten mit der Komplizenschaft der Trump-Administration die Unternehmen dazu, Angestellte, die nicht in ein gefährliches und vielleicht tödliches Umfeld zurückkehren wollen, zu „verpfeifen“, um einen Vorwand zu haben, ihre Arbeitslosenunterstützung zu kürzen. Dies ist eine weitere Unterdrückung derjenigen, die sich mit dieser erzwungenen Wiedereröffnung auseinandersetzen könnten.

Und das sind laut der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Pew Research zwei Drittel der Bevölkerung. Es ist klar, dass egal, wie viele Menschen dagegen sind, Menschen gegen ihren Willen und unter Lebensgefahr zu früh zur Arbeit zurückzudrängen, der Staat auf Geheiß ihrer ChefInnen in der Wirtschaft sagt, dass es keine Rolle spielt. Lohnabhängige stehen vor der „Wahl“:  zu arbeiten, krank zu werden und möglicherweise an Krankheit zu sterben, oder nicht zu arbeiten, vor dem finanziellen Ruin zu stehen und zu verhungern.

Massenarbeitslosigkeit

All dies geschieht unter Bedingungen massiver Arbeitslosigkeit, die mit jener der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre vergleichbar  ist, unter Bedingungen, die die langfristige Reservearmee an Arbeitskräften sicherlich ergänzen und einen immensen Druck auf die Löhne und Beschäftigungsbedingungen der Beschäftigten ausüben, die noch arbeiten. Jüngsten Zahlen des Arbeitsministeriums zufolge haben in der ersten Maiwoche 3 Millionen Menschen Arbeitslosenunterstützung beantragt, wobei 40 % der Familien mit niedrigem Einkommen jetzt eine/n ErnährerIn verloren haben. In den letzten zwei Monaten haben 36 Millionen Menschen um Bewilligung von Arbeitslosengeld nachgesucht. Und da die AmerikanerInnen ihre Arbeit verlieren, verlieren sie damit auch ihre Gesundheitsleistungen – schätzungsweise 35 Millionen von ihnen.

ArbeiterInnen in so genannten „essentiellen“ Stellungen wie der Gastronomie und dem Transportwesen, die nie einen existenzsichernden Lohn erhielten, wurden kurzfristige „Gefahrenzulagen“ weggenommen, obwohl die Zeiten heute genauso gefährlich sind wie vor einer Woche, als sie noch die „HeldInnen“ der Gesellschaft waren.

Gegen diesen massiven staatlichen und systemischen Druck zur Wiedereröffnung auf jeden Fall gibt es nur einen Teil der Bevölkerung, der über die erforderlichen Mittel verfügt, dem standzuhalten. Das ist die ArbeiterInnenklasse.

Eine Antwort der ArbeiterInnenklasse – Streiks, Streiks und noch mal Streiks

Seit dem 1. März hat es in den USA über 200 Streiks unterschiedlicher Dauer gegeben. Bei den meisten dieser Streiks ging es darum. dass profitable Unternehmen ihre Gewinnspannen nicht über die Sicherheit ihrer Beschäftigten stellen sollten. Ein Mangel an persönlicher Schutzausrüstung (PSA) und unsichere und unhygienische Arbeitsbedingungen, die die Verbreitung des Virus begünstigen, waren die Hauptgründe für die meisten dieser Streiks. Ein weiteres Merkmal der Streiks ist ihr „wilder“ Charakter. In der Regel sind sie von nicht gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten geführt worden, die von diesen Bedingungen am unmittelbarsten betroffen sind. Die organisierte ArbeiterInnenschaft hat hinter den Kulissen einige der Arbeitsniederlegungen unterstützt, aber in den meisten Fällen waren die offiziellen Gewerkschaften bisher nur an etwa 20 % der Streikaktionen beteiligt.

Ein weiteres Merkmal ist die weite Verbreitung der Ausstände in allen als „wesentlich“ eingestuften Sektoren und in der Mehrheit der Bundesstaaten der USA. Alle Arten von Unternehmen, von Gesundheitseinrichtungen über Fleischverpackungsbetriebe und LandarbeiterInnen bis hin zu Angestellten in Lebensmittelgeschäften, haben ihre Arbeit niedergelegt, um dagegen zu protestieren, dass ihr Leben ausschließlich aus Profitgründen aufs Spiel gesetzt wurde. Auch Kommunalbeschäftigte haben sich aus den gleichen Gründen an dieser Streikwelle beteiligt. MüllwerkerInnen in Pittsburgh und New Orleans haben wegen fehlender persönlicher Schutzausrüstung ihre Arbeit niedergelegt, ebenso wie BusfahrerInnen in mehreren Ortschaften.

Auch die Gegenaktionen der EigentümerInnen haben zugenommen. KrankenpflegerInnen wurden entlassen, weil sie sich über den mangelnden Schutz bei der Arbeit und die Gefahr, die dies sowohl für das Pflegepersonal als auch für die PatientInnen darstellt, geäußert haben. Der riesige Amazon-Konzern hat mehrere Beschäftigte entlassen, weil sie einen Streik organisiert hatten. In New Orleans wurden die streikenden SanitärarbeiterInnen durch Strafgefangene ersetzt. Und damit niemand glaubt, dass die politische Klasse die Arbeiterinnen und Arbeiter retten wird, haben das National Labor Relations Board (Behörde zur Regelung von Arbeitsverhältnissen; NLRB) und die Trump-Administration in North Carolina und Colorado die Wahlen zur gewerkschaftlichen Organisierung ausgesetzt. Und offenbar im Geiste der Einheit in der „Zweiparteilichkeit“ haben demokratische FunktionärInnen in Pennsylvania, Kentucky und Nevada Schritte unternommen, um die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften sowie ihre Verhandlungsrechte zu beschneiden.

Der Kampf wird weitergehen

Doch trotz der inspirierenden Bemühungen der US-ArbeiterInnenklasse in Einzel- und Kleinaktionen wird die Wirtschaft immer noch weiter geöffnet, was unser aller Leben in Gefahr bringt. ÄrztInnen, Krankenpflegepersonal, LieferwagenfahrerInnen, FleischverpackerInnen und FließbandarbeiterInnen werden immer noch entlassen, weil sie sich weigern, unter unhygienischen und unsicheren Bedingungen zu arbeiten. Und den Gewerkschaften droht der Verlust ihres Rechts, ihre Beschäftigten landesweit zu vertreten. Dies macht das größte aller Bedürfnisse deutlich: eine ArbeiterInnenpartei, die diese Kämpfe in einer koordinierten Anstrengung vereint, um die Kontrolle über die Gesellschaft zu übernehmen und so unsere Gesundheit und unser Leben zu schützen.

Es ist offensichtlich, wie die organisierte „Todeskult“-Propaganda zeigt, die der Öffentlichkeit jeden Tag vor Augen geführt wird, dass die BesitzerInnen, sobald diese Wiedereröffnung stattfindet, nicht die Absicht haben, davon Abstand zu nehmen. Trump hat bereits von einer Verdoppelung der Zahl der Todesopfer bis zum Ende des Sommers gesprochen, aber man wird feststellen, dass er nicht davon sprach, etwas dagegen zu unternehmen, außer von freiwilliger „sozialer Distanzierung“ und Isolierung von gefährdeten demographischen Gruppen wie alten Menschen, AsthmatikerInnen, Immungeschwächten und anderen, die höhere Todesraten aufweisen. Dies war eine weitere zielgerichtete Erklärung, dass, unabhängig von den Risiken für die öffentliche Gesundheit, die Wirtschaft und die Gewinne der BesitzerInnen an Produktionsmitteln wichtiger sind als die Masse der Bevölkerung.

Weder die Gesundheitsrisiken noch die Angriffe auf die Rechte der ArbeiterInnen sind zu diesem Zeitpunkt vollständig bekannt. Das Virus wird aus einem Grund als „neuartig“ bezeichnet, weil es neu ist. Es scheint so, als würden wir täglich über neue Wege lesen, auf denen es den Körper angreift. Das Herz, die Nieren, das Gefäßsystem und sogar das Gehirn haben Anzeichen dafür gezeigt, dass sie anfällig für Coronavirus-Angriffe sind, ebenso wie die Lungen und das Atmungssystem. Wir können auch nicht berücksichtigen, welche mittel- und langfristigen Auswirkungen die Infektion haben wird, weil es noch zu früh ist, dies zu sagen. Wenn gesunde junge Erwachsene ohne Grunderkrankungen an einem Schlaganfall sterben, der darauf zurückzuführen ist, dass das Coronavirus angreift und Gerinnsel im Blutkreislauf verursacht, ist klar, dass niemand wirklich vor seinen tödlichen Auswirkungen sicher ist. Und die Liste der „gefährdeten“ demographischen Gruppen wird immer länger, wobei Kinder die jüngsten Opfer sind, die nachweislich durch eine Art „toxisches Schocksyndrom“ gefährdet sind, das durch die Krankheit verursacht wird.

Es ist unglaublich, dass inmitten einer Pandemie, die gezeigt hat, dass unser Gesundheitssystem nicht in der Lage ist, die landesweite, allgemeine Versorgung, die zur Bekämpfung der Pandemie erforderlich ist, zu gewährleisten – zu testen, PSA-Beatmungsgeräte, Intensivbetten zur Verfügung zu stellen –, aber „Amerika zuerst“ an die Spitze der Zahl der Opfer zu hieven, der Kandidat, der sich für Gesundheitsversorgung für alle einsetzt, zugunsten eines anderen beiseitetrat. Dies sollte der Zeitpunkt sein, um eine Mehrheit der AmerikanerInnen davon zu überzeugen, dass ihre Gesundheitsversorgung ein Recht sein sollte, das allen Menschen, Arbeitslosen, solchen mit geringem Einkommen, „Illegalen“ usw. gleichermaßen zur Verfügung steht. Dies sollte eine zentrale Forderung eines jeden Programms der ArbeiterInnenklasse sein, die von einer Partei der ArbeiterInnenklasse erkämpft wird und nicht im Rennen um die Kandidatur für die zweite Partei der MilliardärInnen eingetauscht werden sollte.

Was die Angriffe auf demokratische und ArbeiterInnenrechte betrifft, so haben wir bereits die nächsten Schritte in den vorbereitenden Maßnahmen gesehen. Die jüngsten Demonstrationen, die von ruchlosen rechten Interessen unterstützt werden und bei denen vor allem weiße NationalistInnen und FaschistInnen Waffen tragen, um die Versuche der Bosse zur „Wiedereröffnung“ in Städten und Staaten zu unterstützen, die versuchen, eine vernünftigere Haltung zu diesem Thema einzunehmen, sind nur die erste Taktik. Wir sehen bereits die Anfänge bewaffneter Milizen, die offene Geschäfte in hart getroffenen Staaten und Städten „bewachen“. Diese „WächterInnen“ werden die StreikbrecherInnen von morgen sein. Und dabei ist die Unterdrückung der marginalisierten und unterdrückten Bevölkerungsgruppen durch staatliche Aktionen der Polizei und anderer bewaffneter VertreterInnen der kapitalistischen Ordnung noch nicht einmal eingerechnet.

Dies ist kein Kampf, der ein schnelles Ende haben wird, und wir können es uns nicht leisten, diesen Kampf zu verlieren.

Vereinigt die Kämpfe!

Solange wir keine ArbeiterInnenpartei haben, müssen wir mittels der Organisationen kämpfen, die wir besitzen, und mittels derjenigen, die wir an unseren Arbeitsplätzen, in unseren Ortschaften und auf Stadt- und Staatsebene aufbauen können. Die Streikwelle, die wir bisher erlebt haben, muss weitergehen, und sie muss sich im Laufe der Zeit ausweiten, sich besser organisieren und disziplinierter werden. Die Gewerkschaften müssen sich stärker als führende Kraft innerhalb der Klasse als Ganzes engagieren, mit gutem Beispiel vorangehen und ihre organisatorische und finanzielle Schlagkraft nutzen, um alle Arbeiterinnen und Arbeiter zu unterstützen, nicht nur ihre Mitglieder. Einzelne Arbeiterinnen und Arbeiter müssen, wenn sie durch finanzielle Notwendigkeit oder staatlichen Druck zur Rückkehr gezwungen werden, daran beteiligt werden, zu Maßnahmen gegen Betriebe aufzurufen, die sich nicht um Sicherheit und Abstandsbeschränkungen kümmern. Informationsstreikposten müssen regelmäßig vor diesen nicht konformen Firmen aufgestellt werden, um die Öffentlichkeit über ihre Verstöße zu informieren.

Die unvermeidlichen Vergeltungsmaßnahmen für die Ergreifung dieser Maßnahmen werden in vielen Fällen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sein, und dies muss von den verbleibenden MitarbeiterInnen und interessierten AnhängerInnen mit weiteren Maßnahmen bewältigt werden: wörtlichen und bildlichen „Krankmeldungen“ und dem öffentlichen Druck, sie wieder einzustellen und Entlassungen mit Boykotten zu beantworten, bis sie einlenken. Solidarität muss in diesen Fällen mehr als nur ein Schlagwort werden. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist besser als die Beendigung des Lebens, aber beides darf nicht zur „neuen Normalität“ werden.

Da die überwiegende Mehrheit der US-Arbeitskräfte derzeit nicht in offiziellen Gewerkschaften organisiert ist, müssen die ArbeiterInnenzentren, deren früherer Schwerpunkt möglicherweise auf eng gefassten Themen wie Lohndiebstahl oder den schlimmsten unsicheren Arbeitsbedingungen lag, diesen Schwerpunkt erweitern und sich um die allgemeine Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten kümmern, auf die sie Einfluss haben. Restaurantbeschäftigte und alternative Arbeitsorganisationen (ALOs) für Zugewanderte müssen zusammenkommen, wie sie es in Nashville, Tennessee, getan haben, um Strategien und Taktiken zur Durchsetzung von Forderungen der öffentlichen Gesundheit gegenüber UnternehmerInnen zu entwickeln. Dies allein reicht jedoch nicht aus. Andere Gemeinschaftsgruppen wie die AFL-CIO Labor Councils (örtliche und regionale Gewerkschaftszusammenschlüsse) und die Demokratischen SozialistInnen Amerikas (DSA) müssen sich an diesen Strategieberatungen beteiligen, und zwar nicht nur mit einzelnen Mitgliedern, sondern als offiziell teilnehmende Organisationen.

Dies sind nur einige der ersten Schritte, die wir als notwendig erachten können, um die Macht weg von der Gier, die den Regeln des Kapitalismus innewohnt, in die demokratischen Hände des Volkes zu bringen. Schließlich ist es der große Rest der Bevölkerung, der den Preis dafür bezahlen wird, wenn „business as usual“ zu Infektionen und Todesfällen für uns und unsere Lieben führt. Es werden sicherlich nicht die Bosse und ihre Mietlinge in der politischen Klasse sein.

Selbst in einem Wahljahr werden es nicht die Wahlen sein, die diese Krise der öffentlichen Gesundheit lösen. Die Krise findet jetzt in Echtzeit statt, und die Wahlen sind noch Monate entfernt. Die PolitikerInnen der beiden kapitalistischen Parteien sind mehr oder weniger und früher oder später entschlossen, die Dinge wieder so zu gestalten, wie sie waren, auch wenn Menschen deswegen sterben werden.

Diese Krise sowohl der öffentlichen Gesundheit als auch der Wirtschaft wurde und wird weiter genutzt und politisiert werden. Lokale Aktionen, wie oben skizziert, können ein Anfang sein, aber nicht das Ende. Die PolitikerInnen, die den Kapitalismus unterstützen, und das sind derzeit alle, werden diese Krise der öffentlichen Gesundheit nutzen, um die Zerstörung des Gesellschaftskonzepts als Ganzes zu vollenden und uns zu kämpfenden Individuen zu machen, die keine Macht haben, die notwendigen Veränderungen auf Mikro- und Makroebene zu bewirken.

Es heißt, Übung macht den/die MeisterIn, und da unser Leben auf dem Spiel steht, wird uns die Übung, die wir brauchen, um die Macht in der Gesellschaft gegen diese verfrühte und tödliche Wiedereröffnung der Wirtschaft zu ergreifen und auszuüben, in den kommenden Kämpfen einen guten Dienst erweisen.  Es ist sicher, dass weder die Regierung noch die „oppositionelle“ Demokratische Partei die Wirtschaft  wieder schließen werden, egal wie sehr es nötig sein mag, um unser Leben zu retten. Wenn wir eine weitere Schließung brauchen, wird uns diese Aufgabe überlassen bleiben. Mit allen erforderlichen Mitteln!




USA: Die große Wiedereröffnung – Profit und Tod

Marcus Otono, Infomail 1103, 8. Mai 2020

Wir sahen es seit Wochen kommen – eigentlich seit Monaten, wenn man die anfängliche Verunglimpfung der Bedrohung durch das Coronavirus und Covid 19 für die USA durch die Trump-Administration mitzählt. Sogar nachdem Trump umschwenkte und entschied, dass die Todesopfer dieser sich leicht verbreitenden Virusinfektion seine Wiederwahlkampagne ins Chaos stürzen würden, deuteten die Zeichen immer auf eine rasche Wiedereröffnung der US-Wirtschaft hin. Als Erstes schwebte ihm die Idee einer Wiedereröffnung am Osterwochenende vor. Als dies durch die Tatsachen einer steigenden Infektions- und Todesrate zunichtegemacht wurde, wies er auf den 1. Mai hin.

Nun empfiehlt Trump einen schrittweisen, dreistufigen Prozess, der zumindest Teile der Wirtschaft in einigen Bundesstaaten irgendwann Mitte bis Ende Mai in Gang bringen könnte. Es gab bereits einige GouverneurInnen in den eher rechtsgerichteten Bundesstaaten, die den Prozess der Wiedereröffnung öffentlicher Einrichtungen wie Strände und öffentliche Parks eingeleitet haben. Und das ungeheuerlichste Beispiel für eine Wiedereröffnung ohne jegliche Sorge um die Gesundheit der BürgerInnen kommt aus dem US-Bundesstaat Georgia, wo der rechtsgerichtete republikanische Gouverneur Brian Kemp beschlossen hatte, bis zum 1. Mai nicht nur Fitnessstudios, sondern auch Haar-, Nagelstudios, Friseurläden und Bowlingbahnen sowie Kirchen wieder zu öffnen, während die Zahl der Coronavirusinfektionen und Todesfälle in seinem Bundesstaat noch steigt.

Das ist auch der Gouverneur, der so ahnungslos war, dass er am 2. April behauptete, wir wüssten nicht, dass Menschen, die infiziert sind, das Virus verbreiten können. Er ist also nicht nur ignorant, sondern kriminell ignorant. Und der Gouverneur von Tennessee kündigte an, dass dieser südliche und rechte Bundesstaat bis zum 1. Mai wiedereröffnet wird, obwohl Infektionen, Krankenhausaufenthalte und Todesfälle immer noch zunehmen.

Wenn man bedenkt, dass die wahre Infektionsrate wegen des Mangels an Tests weitgehend unbekannt ist, und, was noch wichtiger ist, wenn man bedenkt, dass die Covid 19 zugeschriebene Sterblichkeitsrate selbst in Staaten, die nicht besonders stark betroffen sind, immer noch steigt, scheint dieser Plan optimistisch zu sein. Optimistisch ist in der Tat eine freundliche Umschreibung, mörderisch wäre wahrscheinlich zutreffender. Aber dann ist der Kapitalismus immer bereit, alles andere auf dem Altar des Profits zu opfern, solange dieses Opfer nicht die KapitaleignerInnen selbst oder ihren Profit betrifft. Das Leben von ArbeiterInnen und BürgerInnen? Sicher, das ist ein akzeptabler Preis, um die Profitkette intakt zu halten und, in diesem Fall, neu zu starten.

Der Plan

Das dreistufige Programm, das die Trump-Regierung vorgelegt hat, ist nicht wirklich ein Plan, und es ist definitiv nicht sehr detailliert. Es besteht (höchstens) aus ein paar Seiten mit Aufzählungspunkten, die sich nicht mit den „Schwierigkeiten“ befassen, zu den wissenschaftlichen Zielen zu gelangen, die erforderlich sein sollen, bevor überhaupt die erste Phase eingeleitet wird. Ich denke, wir sollten alle froh sein, dass es überhaupt einige Standards gibt, wenn man bedenkt, dass Trump nur wenige Tage vor der Veröffentlichung des Plans im Grunde das „göttliche Recht der Präsidentschaft“ geltend machte, um uns allen zu sagen, dass er der „Entscheider“ darüber sein würde, wann das Land sich wieder für die Wirtschaft öffnet. Als diese Aussage am Ende von einigen seiner stärksten BefürworterInnen negativ aufgenommen wurde und sich damit erledigt hatte, vollführte er eine weitere Wende und „entschied“, dass die GouverneurInnen der Bundesstaaten und die lokalen BeamtInnen das letzte Wort haben würden – zumindest vorläufig. Angesichts von Trumps Neigung, die Schuld von sich weg und jemandem anders als sich selbst zuzuschieben, ist es wahrscheinlich, dass dieser letzte Schwenk vollzogen wurde, um örtliche BeamtInnen dafür verantwortlich zu machen, wenn die Dinge schiefgehen und zu viele Menschen durch diese überstürzte Wiedereröffnung der US-Wirtschaft sterben.

Phase eins soll eingeleitet werden, wenn die Zahl der Coronavirusinfektionen und der Covid-19-Krankheiten in den nächsten zwei Wochen zurückgeht, und beinhaltet die Beibehaltung der Beschränkungen der „sozialen Distanzierung“ und des Verbots von Versammlungen mit mehr als 10 Personen. Neben anderen Restriktionen, die noch aufrechtzuerhalten sind, wird es Unternehmen, die geschlossen wurden, erlaubt sein, wieder zu eröffnen, wenn sie sich an diese Restriktionen halten können. So werden zum Beispiel Bars und Restaurants geschlossen bleiben, aber Fitnessstudios dürfen wieder öffnen, wenn sie ihre KundInnen davon abhalten können, sich bis auf zwei Meter zu nähern.

Die wahrscheinlich größte Erleichterung für die Geschäftswelt ist die Zulassung von „ausgewählten“ Operationen. Das sind diejenigen, die den Krankenhäusern und Kliniken im medizinischen Bereich das meiste Geld einbringen. Das gewinnorientierte Gesundheitssystem in den USA verlässt sich selbst in normalen Zeiten zu einem Großteil seiner Gewinnspannen auf diese „Wahleingriffe“. Diese ausgewählten Operationen werden der Behandlung des Virus, das uns gegenwärtig plagt, Ressourcen entziehen, selbst wenn dadurch nur medizinisches Personal in nicht lebenswichtige, aber profitablere Bereiche umverteilt wird.

Das größte Problem bei diesem Szenario ist der Testprozess. Er ist bis jetzt nicht gut verlaufen. Sowohl die Zentren für Krankheitskontrolle und Vorbeugung (CDCs) als auch die GouverneurInnen der Bundesstaaten sowie Dr. Deborah Birx und Dr. Anthony Fauci von der Coronavirus Task Force des Weißen Hauses erkennen diese Tatsache bei den Tests an. Ohne die Tests haben wir keine Ahnung, wie viele Menschen in der Allgemeinbevölkerung infiziert sind, wie viele tatsächlich krank sind und unter Quarantäne gestellt und sozial isoliert werden müssen, anstatt nur „distanziert“ zu bleiben, und wie hoch daher die realistischen Möglichkeiten für eine massive zweite Welle von Infektionen, Krankheiten und Todesfällen nach einer Wiedereröffnung sind. Sogar das ultrakapitalistische Propagandaorgan, das „Wall Street Journal“, hat die chaotische Reaktion auf den Mangel an Testmaterial und -ausrüstung zur Kenntnis genommen. Dies ist ein direktes Ergebnis von 40 Jahren anhaltender Abhängigkeit vom „Markt“, um den Bedürfnissen der Bevölkerung nachzukommen. Es funktioniert zu keiner Zeit und vor allem nicht während einer Krise so gut, um diese zu befriedigen. Nichts wird koordiniert oder gar ohne Rücksicht auf den Profit getan, und was getan wird, geschieht verstreut und stückweise.

Der Plan von Trump stützt sich auf breit angelegte Tests, die uns sagen sollen, wo wir uns befinden, und wir sind derzeit bestenfalls etwa halb so weit, wie wir bei diesen Tests sein müssten.

Der Druck zur Wiedereröffnung

Natürlich wird nichts davon einen großen Unterschied machen, ob das Land sich wieder für die Wirtschaft öffnet oder nicht. Ein Teil der Bourgeoisie und ihre SpeichelleckerInnen in der politischen Kaste, vor allem auf der rechten Seite, haben beschlossen, dass eine vier- bis sechswöchige Unterbrechung ihrer Profitketten völlig ausreichend ist. Sie sind wild entschlossen, wieder zu öffnen, egal wen diese Öffnung tötet.

Die „Wiedereröffnung“-der-Wirtschaft-Kampagne begann damit, dass Trump selbst von der absaufenden Wirtschaft sprach und am 22. März twitterte, dass wir nicht zulassen können, dass die Heilung (die Abschaltung) schlimmer ist als die Krankheit (Covid 19). Darauf folgten mehrere Stimmen auf der rechten Seite, allen voran der Vizegouverneur von Texas, Dan Patrick, der sagte, dass alte Leute und immungeschwächte Menschen, die am meisten gefährdet sind, an der Infektion zu sterben, tatsächlich bereit wären, für die Wirtschaft und insbesondere für die Wall Street zu sterben. Dies löste eine sofortige Gegenreaktion aus, wobei der Hashtag #Notdying4WallStreet in den sozialen Medien stark im Trend lag. Man sollte meinen, dass diese Art der Zurückdrängung dieses Gerede gedämpft hätte. Das war jedoch nicht so sehr der Fall. Noch am 7. April sagte der US-Kongressabgeordnete Joseph Albert „Trey“ Hollingsworth aus dem 9. Bezirk von Indiana, dass die Wirtschaft an erster Stelle stehen müsse, wenn es eine Wahl zwischen Todesfällen und der Wiedereröffnung der Wirtschaft gibt. Es sei darauf hingewiesen, dass Hollingsworths Nettovermögen auf 50 Millionen US-Dollar geschätzt wird, was ihn zweifellos zu einem Angehörigen der besitzenden Klasse in den USA macht. Er ist auch, ironischerweise, wie dies zeigt, als „Pro-Life“-Politiker (lies: Abtreibungsgegner) und treuer fundamentalistischer Christ bekannt. Hollingsworth wurde für seine Kommentare auch lautstark zurückgewiesen, aber es ist offensichtlich, dass kein Maß an Opposition die Denkweise des rechten, kapitalistischen Todeskultes in den USA ändern wird. Die Wirtschaft und die Wall Street sind wichtiger als das Leben der Menschen der ArbeiterInnenklasse, die sie für ihren Profit ausbeuten.

Dieser Druck zur Wiedereröffnung wurde in der Woche vom 14. April mit dem Beginn einer Straßenkampagne mit teilweise bewaffneten Demonstrationen von Trump-AnhängerInnen, weißen NationalistInnen und sogar regelrechten FaschistInnen in den Hauptstädten der Bundesstaaten im ganzen Land noch verstärkt. Diese Demos wurden von einem illustren Kreis der Rechten wie dem Medienunternehmen Fox News, den politischen Non-Profit-Organisationen der Gebrüder Koch-Milliardäre, deren Machenschaften das Buch „Dark Money“ aufgedeckt hat, Bildungsministerin Elisabeth „Betsy“ DeVos, der Coors-Brauerei, rechten politischen Gruppen und Donald Trump selbst unterstützt und gefördert. Sie bestanden aus höchstens ein paar Hundert Leuten, erlangten aber in den kapitalistischen Medien eine weit verbreitete Presse.

Natürlich unterstützt keine/r dieser MilliardärInnen und MultimillionärInnen diese Proteste aus der Güte ihres bösen Herzens. Sie tun es, weil sie auch darin übereinstimmen, dass ihre Profite wichtiger sind als das Leben der einfachen US-Bevölkerung. Die Strategie hinter dieser Taktik der oft bewaffneten Einschüchterung durch faschistische Elemente besteht darin, GouverneurInnen und lokale BeamtInnen einzuschüchtern, damit sie die Wirtschaft so bald wie möglich wieder öffnen. Die mitgeführten Waffen implizieren, dass der Tod auf jede/n PolitikerIn wartet, die/der den wirtschaftlichen Neustart aufhält.

Im Gefolge von Trump und rechten PolitikerInnen, die darauf drängen, das Geschäft wie gewohnt wieder zu eröffnen, bewaffneten SchlägerInnen auf den Straßen, die auf dasselbe Ergebnis drängen, und Geschäftsinteressen im massiven kleinbürgerlichen Sektor der US-Wirtschaft und ihren UnterstützerInnen in der Großbourgeoisie können wir also irgendwann Anfang bis Mitte Mai eine große Wiedereröffnung der US-Wirtschaft erwarten – ganz gleich, welche unzulänglichen Testergebnisse sich zeigen und egal, wie viele Menschen dabei sterben.

Was können wir sonst noch erwarten?

All dieser Druck, uns wieder zur „Normalität“ zurückzugeleiten, folgt auf Umfragen, die zeigen, dass das amerikanische Volk angesichts der gegenwärtigen Unsicherheit über die Ausbreitung des Virus und der Krankheit die Wirtschaft nicht wieder öffnen will. Eine massive Mehrheit der Bevölkerung, nach Angaben des angesehenen Meinungsforschungsinstituts Pew fast zwei Drittel, ist der Meinung, dass die USA zu schnell wieder öffnen werden. Wir können jetzt sehen, dass diese Mehrheit zu Recht besorgt war.

Oder vielleicht sind die AmerikanerInnen einfach aufmerksamer geworden. Schließlich war es logisch, dass dies für das Wohlergehen der am stärksten von der Krankheit betroffenen Menschen zu früh kam. Das ist die ArbeiterInnenklasse, die jeden Tag für unzureichende Löhne schuftet und an vorderster Front stehen und die ersten Opfer eines Wiederaufflammens dieser Pandemie stellen wird. Während die wohlhabenden BesitzerInnen über den Verlust ihrer Profite jammern, sind die Angehörigen der ArbeiterInnenklasse in Gefahr, ihr Leben zu verlieren.

Was wir von dieser, wahrscheinlich verfrühten, Wiedereröffnung der US-Wirtschaft erwarten können, dürfte aus der ersten weltweiten Reaktion auf das Virus abzuleiten und von dort aus hochzurechnen sein. Der marxistische Ökonom Michael Roberts auf den wir bereits Bezug genommen haben, hat eine erste Analyse der Reaktion erstellt und ist zu einigen vorläufigen Schlussfolgerungen gekommen, die sich vorbildlich strikt auf Zahlen stützen. Die Fakten sind kaum bestreitbar.

1) Covid 19 ist viel tödlicher als die saisonale Grippe. Selbst unter den wohlwollendsten Sterblichkeitswerten ist Covid 19 zehnmal so tödlich und 100-mal so tödlich, wenn man die pessimistischeren Szenarien zugrunde legt.

2) Die Eindämmungsstrategie trägt tatsächlich zur Verringerung dieser Sterblichkeit bei, wie die Erfahrungen in China, Südkorea oder Deutschland zeigen würden. Roberts schätzte, dass die Eindämmungsstrategien, die weltweit in Kraft sind, die Todesrate von Covid 19 um 80 % reduziert haben.

3) Der Kapitalismus und die kapitalistischen Regierungen waren nicht darauf vorbereitet, mit dieser Pandemie fertigzuwerden. Wir werden hinzufügen, dass diese Unvorbereitetheit, wie wir bereits erwähnt haben, größtenteils durch die neoliberalen, „just in time“-Produktionsketten hervorgerufen wurde, in denen alles getan werden musste, um die Profite zu maximieren und die Kosten im medizinischen Bereich und in seiner Hilfsindustrie zu minimieren. In den USA hat dieses Modell zur Schließung von Krankenhäusern, zur Entlassung von GesundheitsdienstleisterInnen und Hilfspersonal sowie zum Mangel an Betten und Geräten geführt, die für die Behandlung eines enormen Zustroms neuer PatientInnen, insbesondere auf den Intensivstationen, benötigt werden. Dieses Modell ließ für die meisten Länder auch keine andere Option übrig als die Eindämmung und Schließung des „Normalbetriebs“ oder die Gefahr, die nationalen Gesundheitssysteme zu überfordern.

4) Je stärker die Abriegelung, desto weniger Tote sind zu beklagen (siehe „Eindämmungsmethoden“).

5) Die Länder, die eine weniger strenge Strategie bei den Abriegelungen anwandten, verursachten nicht nur mehr Todesfälle unter den BürgerInnen, sie schnitten auch wirtschaftlich nicht besser ab. Die kapitalistische Weltwirtschaft ist heute so miteinander verflochten, dass selbst dann, wenn die Wirtschaft eines Landes, wie in Schweden, in Schwung blieb, es niemanden hatte, an die/den es auf dem Weltmarkt verkaufen konnte. So haben diese Länder in beiden Bereichen verloren. Mehr BürgerInnen starben und die wirtschaftliche Aktivität ging zurück.

Vorhersagen in einer Situation zu treffen, die sich täglich ändert, ist immer gefährlich, aber einige Dinge stechen als Wahrscheinlichkeiten hervor. Die große Wiedereröffnung der US-Wirtschaft dürfte sowohl im gesundheitlichen als auch im wirtschaftlichen Sinne ein Reinfall werden. Teile des Landes, vor allem in den konservativeren Bundesstaaten, die sich wieder öffnen, während Infektionen und Todesfälle immer noch zunehmen, werden in der Folge noch mehr Infektionen und Todesfälle und wahrscheinlich auch keinen großen Aufschwung der Wirtschaftstätigkeit erleben. Menschen, die um ihr Leben fürchten, werden nicht hinausgehen und das neueste Produkt auf dem Markt kaufen. Es könnte zu einem anfänglichen Ausbruch von Aktivitäten aufgrund angestauter Nachfrage kommen, aber da die Todesrate steigt, wird dies nur von kurzer Dauer sein. Hinzu kommt, dass Reisen zwischen den Staaten das Virus wahrscheinlich noch weiter verbreiten und immer mehr Menschen in Vorstädten und ländlichen Gebieten infizieren werden, die bisher das Schlimmste der Pandemie vermieden haben. In diesen ländlicheren Gebieten wird eine Flut von Neuinfektionen den Mangel an Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern und Ressourcen für die Intensivpflege noch verschärfen, und es werden noch mehr Menschen sterben.

Der Druck zur Wiedereröffnung der Wirtschaft in den am stärksten betroffenen Gebieten an den Küsten und im oberen Mittleren Westen, die Anzeichen zeigen, die Dinge unter Kontrolle zu bekommen, wird immens sein, wenn alle anderen öffnen. Hinzu kommt der erwartete Druck seitens der Bundesregierung und der Trump-Administration durch die Zurückhaltung von Hilfe und/oder die Unterstützung von Klagen gegen Staaten, die nicht wieder öffnen. Es ist schwer vorstellbar, dass New York, Kalifornien oder Michigan zu lange ausharren, bevor sie gezwungen sind, ebenfalls wieder zu öffnen.

Kurz gesagt, die Fälle werden wieder sprunghaft ansteigen, sobald die Eindämmungsmaßnahmen gelockert werden, und mehr Menschen werden erkranken und sterben. Und alle wirtschaftlichen Gewinne werden von kurzer Dauer sein und bestenfalls nur für eine kurze Zeit anhalten.

Was wir tun können

Wie in jeder kapitalistischen Krise üblich ist es die ArbeiterInnenklasse, die die Hauptlast des Ganzen schultert. Die US-ArbeiterInnenklasse wurde bereits unzureichend bezahlt, unzulänglich untergebracht, im Krankheitsfall unzureichend versorgt und dafür mehr als irgendwo sonst auf der Welt belastet. 44 Millionen AmerikanerInnen sind nicht versichert und weitere 38 Millionen haben eine unzureichende Krankenversicherung. Acht von zehn von ihnen sind ArbeiterInnen oder deren Angehörige. Darüber hinaus vermeiden oder verzögern Millionen von Versicherten eine medizinische Behandlung aus Angst vor den ruinösen Kosten. Besonders betroffen sind die rassistische unterdrückten Sektoren der ArbeiterInnenklasse, die einen Großteil der unterbezahlten, überausgebeuteten Lohnabhängigen stellen und zugleich von den staatlichen Institutionen systematisch diskriminiert und unterdrückt werden.

Das medizinische Personal an vorderster Front tut, was es kann, und leistet oft heroische Anstrengungen, während es selbst unterbesetzt und zu wenig vor Krankheit geschützt ist. Es verfügt, wie alle amerikanischen ArbeiterInnen, über weniger Schutz am Arbeitsplatz und weniger Unterstützung, wenn es keine Arbeit hat. Und wenn seine Berufsangehörigen sich darüber beschweren, riskieren sie, kurzerhand entlassen zu werden. Und jetzt werden wir alle mit der Aussicht auf den buchstäblichen Tod am Arbeitsplatz und in der Luft konfrontiert sein, weil die wohlhabenden EigentümerInnen keinen kleinen Prozentsatz ihrer unrechtmäßig erworbenen Gewinne zum Wohle des Rests von uns anderen aufgeben wollen, derjenigen, die tatsächlich den Reichtum schaffen, den die KapitalistInnen sich als Früchte unserer Arbeit aneignen.

Anstatt erprobte Methoden zur Eindämmung des Virus und der Todesfälle zu forcieren, bereitet sich die US-Bourgeoisie darauf vor, uns alle erneut in Gefahr zu bringen. Einige werden sagen, dass wir arbeiten und Geld verdienen müssen, um die Hypothek oder die Miete, die Nebenkosten, die Lebensmittel, das Darlehen für Studierende und die Kreditkarten- und Autorechnungen zu bezahlen. Tatsächlich gab es einige auf der linken Seite, die die Demonstrationen im klassischen faschistischen Stil, die in letzter Zeit aus eben diesen Gründen stattfanden, verteidigt haben. Aber unser Leben aufs Spiel zu setzen, ist nicht die einzige Lösung, die zur Verfügung steht. Als Alternative zu „arbeiten oder verhungern“ könnten wir einen Teil der massiven Profite, die sich in den letzten vier Jahrzehnten an der Spitze angesammelt haben, enteignen und ein Schuldenende ausrufen – oder zumindest ein Einfrieren für die Rückzahlung der Schulden bis zum Ende des Jahres. Anstatt das Gesundheitswesen zu rationieren, könnten wir Krankenhäuser, die geschlossen wurden, weil sie nicht rentabel genug waren, wiedereröffnen und sie alle unter ArbeiterInnenkontrolle stellen und sie ihre Nutzung vor Ort kostenlos machen. Wir könnten Unternehmen, die notwendige medizinische Geräte herstellen, enteignen, sie unter die Kontrolle der Beschäftigten stellen und anfangen, persönliche Schutzbekleidung und Beatmungsgeräte für den Bedarf und zum Selbstkostenpreis statt für den Profit auszugeben. Wir könnten für Pandemien ebenso viel planen wie für willkürliche Kriege und Regimewechsel. Wir könnten Arzneimittelfirmen unter öffentliche Kontrolle bringen und sie von ihren Beschäftigten leiten lassen, um die Forschung und Entwicklung von Impfstoffen und Behandlungsmöglichkeiten nicht nur für das Coronavirus und Covid 19, sondern auch für die nächste Pandemie zu beschleunigen.

Die brennende Notwendigkeit eines kostenlosen medizinischen Dienstes für alle am Ort des Geschehens ist als Folge dieser Krise sonnenklar. Doch Bernie Sanders – selbsternannter demokratischer Sozialist – dessen berühmteste Politik „Gesundheitsversorgung für alle“ ist, hat sich gerade aus dem Präsidentschaftswahlkampf zurückgezogen. Er unterstützt jetzt Joe Biden, der einer solchen Forderung nicht zustimmen wird. Es ist klar, dass nur eine Partei von und für die ArbeiterInnenklasse und Aktionen der ArbeiterInnenbewegung hoffen lassen können, die massive Gesundheitsversorgungskatastrophe zu bewältigen, mit der der US-Kapitalismus uns allen droht.

Selbst die geringfügigen Leistungen, die für die ArbeiterInnenklasse im Coronavirus-Hilfe-, Unterstützungs- und Wirtschaftssicherheitsgesetz (CARES), das am 27. März von Trump unterzeichnet wurde, in Kraft gesetzt wurden, sind wegen der Unzulänglichkeit des Registrierungssystems für Arbeitslosengeld schwer zugänglich. Diese potenziellen Leistungen könnten daher in einen weiteren „Anreiz“, eine Beihilfe, umbenannt und an US-BürgerInnen ausgegeben werden, anstatt die Menschen zu veranlassen, sich für sie zu „registrieren“.

Und während der einmalige Anreiz für die meisten von uns ziemlich schnell kam, mussten diejenigen, die einen Papierscheck brauchten, warten, bis Trump seinen Namen darauf setzen konnte. Es ist wahrscheinlich, dass ein weiteres Rettungspaket für kleine Unternehmen verabschiedet und verwaltet wird, bevor Einzelpersonen Zugang zu allen durch das CARES-Gesetz vorgeschriebenen Vorteilen haben. Das zeigt die Prioritäten der staatlichen Hilfe in den USA. Geschäft und Profit sind die Hauptanliegen; die Lohnabhängigen kommen als abgeschlagene Dritte, nach den bürgerlichen PolitikerInnen, die die Geschäftsinteressen unterstützen.

Es gibt nur einen Weg, dieses Schema zu ändern. Die ArbeiterInnenklasse muss jede Unterstützung für die Kriminellen, die US-Geschäfte führen, und ihre SchmarotzerInnen in der Regierung einstellen. Und der beste Weg, sie zu stoppen, ist, die Arbeit einzustellen und keine Rechnungen mehr zu bezahlen, mit Ausnahme derer, die notwendig sind, um Leib und Seele zusammenzuhalten. Ein Streik gegen nicht lebensnotwendige Arbeit, ein Miet- und Hypothekenstreik, das Zurückhalten von Zahlungen an die Banken für irgendwelche Schulden sind alles bewährte Strategien, um diese kriminelle Gefährdung unseres Lebens für die Profite der Bosse zu stoppen. Und jede Arbeit, die als „unentbehrlich“ angesehen wird, sollte so bezahlt werden, wie sie unentbehrlich ist, und unter der Kontrolle dieser unentbehrlichen ArbeiterInnen selbst stehen.




Nahost: Nieder mit dem Trump-Plan zur Zerstörung Palästinas

Marcel Rajecky, Infomail 1094, 11. März 2020

Der Rahmen für
die nächste Phase der zionistischen Machtübernahme in Palästina und der
Enteignung des palästinenischen Volkes wurde der Welt von US-Präsident Donald
Trump als  ein weiterer „Deal des
Jahrhunderts“ verkündet. Sein zynischer Name: „Peace to Prosperity“ (Frieden
für Wohlstand).

Die Vereinigten
Staaten und die anderen BefürworterInnen des Plans stellen ihn als eine Lösung
dar, als Tausch von Land gegen Finanzspritzen. Die palästinensische Führung soll
der Annexion von 30 Prozent der besetzten palästinensischen Gebiete im
Westjordanland zustimmen und Gegenzug ein internationales Investitionspaket von
insgesamt 50 Milliarden US-Dollar erhalten.

Großbritanniens
neuer Premierminister und Trump-Bewunderer, Boris Johnson, hat es als einen
positiven Schritt nach vorn und Außenminister Dominic Raab als einen
„ernsthaften Vorschlag“ begrüßt, der einer „echten und fairen Prüfung“ würdig
ist. In scharfem Gegensatz dazu sagte der scheidende Labour-Führer Jeremy
Corbyn: „Er wird palästinensisches Gebiet annektieren, die illegale israelische
Kolonisierung zementieren, palästinensische BürgerInnen Israels transferieren
und dem palästinensischen Volk seine Grundrechte verweigern.“

In Wirklichkeit beerdigt
der Plan jede Aussicht auf einen palästinensischen Staat innerhalb seiner noch
international anerkannten Grenzen. Stattdessen läuft er auf eine weitere
israelische Landnahme hinaus und stärkt die US-imperialistische Herrschaft über
die angrenzenden Staaten der Region. Er würde auch ein neues politisches
Gebilde mit politischen Funktionen schaffen, die kaum einflussreicher sind als
die eines Gemeinderates, der auf verlogene Weise als palästinensischer „Staat“ verkauft
wird.

Der so genannte
„Deal“, an dessen Verhandlungen kein/e einzige/r VertreterIn des
palästinensischen Volkes teilnehmen durfte, folgte der Anerkennung Jerusalems
als „ungeteilte Hauptstadt Israels“ durch die Vereinigten Staaten. Er folgte
Trumps Versprechen, die Siedlungen innerhalb der Westjordanlandgrenze von 1967
anzuerkennen und der Beendigung der Beiträge seines Landes an die
Flüchtlingsorganisation UNRWA (Hilfswerk der Vereinten Nationen für
Palästina-Flüchtlinge). Er rühmte sich sogar vor den zoinistischen SprecherInnen
in den USA: „Ich habe die massiven Geldbeträge gestoppt, die wir den
PalästinenserInnen zahlen“, und fügte hinzu, dass er ihnen sagte: „Wir zahlen
erst, wenn sie ein Geschäft eingehen“. Tatsächlich fielen die US-Beiträge von
360 Millionen US-Dollar auf 60 Millionen US-Dollar im Jahr 2018 und auf null
für 2019. Schulen, Krankenhäuser, Arbeitslosenhilfe, alle sind betroffen.

Alle diese
Aktionen machten deutlich, dass Trump fünfzig Jahre lang Resolutionen der
Vereinten Nationen, die von ehemaligen US-Präsidenten akzeptiert wurden, für
null und nichtig erklärte. Kurz gesagt, der „Deal des Jahrhunderts“, so der
israelische Premierminister Benjamin Netanjahu, ist ein Ultimatum: Akzeptieren
Sie es einfach, oder wir werden Sie verhungern lassen und zur Unterwerfung
zwingen. Kein Wunder, dass sogar der Präsident der Palästinensischen
Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, der gefügigste Anführer, dem Israel je
gegenüberstand, sagen musste: „Nein, nein und nochmals nein! Jerusalem steht
nicht zum Verkauf. All unsere Rechte stehen nicht zum Verkauf oder
Tauschhandel.“ In der Zwischenzeit brachen Demonstrationen in Hebron, Ramallah,
Bethlehem und Rafah aus, und andere Städte wurden von Tränengas und Kugeln der
israelischen Streitkräfte heimgesucht. In Gaza wurde die Leiche einer/s von den
israelischen Streitkräften erschossenen PalästinenserIn provokativ von einem
Bulldozer weggeschleppt.

Land

Das auffälligste
Element des Vorschlags betrifft die territorialen Veränderungen, durch die
Israel endlich Gebiete annektieren wird, an denen es ein strategisches
Interesse hat. Die Karte des falsch benannten palästinensischen Staates wäre
ein Archipel aus Landblöcken, die durch israelisches Territorium geteilt und
eingefasst werden, die rechtliche Anerkennung eines Prozesses, der seit über
einem halben Jahrhundert andauert.

Im ersten
Schritt wird das gesamte Jordantal an Israel abgetreten, wodurch die Herrschaft
über das Wasser des Jordans, von dem ein Großteil der palästinensischen
Landwirtschaft abhängt, sowie die Kontrolle über die gesamte Grenze zu
Jordanien konsolidiert wird. Die wichtigste Überlegung der israelischen
herrschenden Klasse ist jedoch die Einkreisung des Westjordanlandes und die
Einrichtung eines östlichen Korridors. Dies ist ein zentrales Anliegen der
israelischen „Sicherheitsinteressen“ und wird von jeder Fraktion der
herrschenden Klasse in Israel, die sich jetzt in ihrem dritten Wahlkampf
innerhalb von 12 Monaten befindet, befürwortet, einschließlich so genannter
„liberaler“ ZionistInnen wie der Weiß- Blau-Allianz von Benny Gantz. Dass ein
solcher Schritt die weitere Vertreibung von weiteren Hunderttausenden
PalästinenserInnen aus ihren Häusern mit sich bringen würde, scheint kaum der
Rede wert.

Darüber hinaus
würde Israel Gebiete erwerben, um den Landstreifen zwischen dem Westjordanland
und dem Mittelmeer, in dem die Mehrheit der israelischen Bevölkerung lebt, zu
erweitern. Die Gebiete an den westlichen Grenzen des Westjordanlandes, in denen
sich die größten illegalen Siedlungen Israels befinden, sollen ebenfalls
annektiert werden. In vielen Fällen werden Siedlungen, die strategisch am Rande
großer palästinensischer Städte wie Hebron errichtet wurden, eingegliedert,
wodurch die BewohnerInnen in diesen Städten eingekreist und die
Bewegungsfreiheit und das tägliche Leben der PalästinenserInnen eingeschränkt
werden.

Am wichtigsten
ist wahrscheinlich, dass der Plan die israelische Annexion von fast ganz
Jerusalem vorschlägt, dem kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Zentrum
des historischen Palästina, das von den israelischen Truppen im Krieg von 1967
eingenommen wurde. Trumps Deal benennt „Ost-Jerusalem“ unehrlich als Hauptstadt
einer zukünftigen palästinensischen Gebietskörperschaft, die angeblich die
langjährige palästinensische Forderung erfüllt, schlägt aber als Standort die
Stadt Kafr ’Aqab vor, eine Stadt mit 10.000 EinwohnerInnen, etwa 12 Kilometer
von der al-Aqsa-Moschee in der Altstadt Jerusalems entfernt.

Der Plan lässt
die Möglichkeit der Übertragung von Gebietsteilen im Staat Israel an die
palästinensische Gemeinschaft offen, aber nur einige davon sind in der
vorgeschlagenen Karte enthalten und unterliegen strengen Bedingungen. So werden
dünn besiedelte Gebiete in der Wüste an-Naqb (Negev, Negeb) an Palästina gehen,
aber nur zur Nutzung als Industriezone, die für ausländisches Kapital offen
ist, deren Zugang von Israel kontrolliert wird, das auch die Straße verwaltet,
die das Gebiet mit dem Gazastreifen verbindet.

Der Plan schlägt
auch vor, dass die palästinensischen Städte und Gemeinden, die sich derzeit im
Staat Israel befinden, in die palästinensische Verwaltungseinheit eingegliedert
werden könnten, obwohl diese auf der vorgeschlagenen Karte nicht eingezeichnet
sind. Ein solcher Schritt wäre weniger eine Konsolidierung der Gebiete mit
palästinensischer Mehrheit als vielmehr die Entfernung der palästinensischen
israelischen BürgerInnen, wodurch ihnen das Wahlrecht bei den israelischen
Wahlen und ihr Reiserecht entzogen würden, während gleichzeitig die ethnische
Homogenität des „jüdischen Staates“ gefestigt würde.

Es muss
festgestellt werden, dass selbst wenn eine zukünftige palästinensische
Territorialeinheit alle diese Gebiete erhalten würde, dies bei weitem keine
gerechte Entschädigung für die israelischen Annexionen wäre. Im besten Fall
würde das vorgeschlagene palästinensische Gebilde 70 Prozent seines derzeitigen
Territoriums oder 16 Prozent des historischen Palästina verwalten. Im Gegenzug
für kaum besiedeltes Land würde es für seine Landwirtschaft lebenswichtiges
Land verlieren, Land, das die nördliche und südliche Hälfte des
Westjordanlandes verbindet, das südlich von Dschenin gegabelt wäre.

Diese
Forderungen nach der Annexion Ost-Jerusalems, des Jordantals und der illegalen
Siedlungen haben alle ihren Ursprung in den extremen Randbereichen der
israelischen Politik. Sie wurden nun von allen großen Parteien übernommen, die
mit Unterstützung der Trump-Administration die nächste israelische Regierung
führen würden.

Palästinensischer
Staat

Neben der
Neuordnung der palästinensischen Gebiete bis hin zur funktionalen
Unregierbarkeit fordert der Vorschlag, dass die PalästinenserInnen extreme
Einschränkungen der politischen Unabhängigkeit ihrer zukünftigen
Gebietskörperschaft akzeptieren und ihnen die grundlegendsten Funktionen eines
souveränen Staates vorenthalten werden.

Erstens wird
Israel ein Veto gegen den Beitritt Palästinas zu einer internationalen
Organisation einlegen. Zwar wird in dem Vorschlag nichts davon genannt, doch
könnte dies vor allem die Vereinten Nationen einschließen, in denen Palästina
noch immer kein Vollmitglied ist. Diese Forderung wirft auch Fragen über die
weitere Mitgliedschaft Palästinas in anderen Organisationen auf. Beispielsweise
könnte seine Zugehörigkeit zu Interpol oder zur Arabischen Liga diesem Veto
unterliegen mit der Begründung, dass es sich bei dem künftigen Kleinstaat um
ein „neuartiges“ politisches Gebilde handelt.

Der
palästinensischen Verwaltungseinheit wird es verboten, jegliche Art von
militärischen Befugnissen zu entwickeln, die über die eine leicht bewaffnete
Polizei hinausgehen. Selbst die defensivste militärische Infrastruktur,
Flugabwehr, Panzerabwehrwaffen und sogar Maschinengewehre sind ausdrücklich
verboten. Das Abkommen schließt auch die Schaffung eines palästinensischen
Geheimdienstes aus. Auch die militärische Zusammenarbeit mit anderen Staaten
soll einem israelischen Veto unterliegen, falls dieses feststellen sollte, dass
etwaige militärische Vereinbarungen eine Bedrohung für seine „Sicherheit“
darstellen.

Das Abkommen
verlangt auch, dass alle Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof
gegen den israelischen Staat eingestellt werden, damit die während der
Besatzung begangenen Verbrechen ungestraft bleiben und zukünftige Verbrechen
straffrei durchgeführt werden können. Dass eine solche Forderung in das
Abkommen aufgenommen wurde, ist ein Beweis für die Dringlichkeit, mit der
Israel die im Dezember vom Internationalen Strafgerichtshof angekündigte
Untersuchung seiner Kriegsverbrechen verhindern will.

In der Tat geht
das Abkommen weiter als die Forderung nach palästinensischer Zusammenarbeit
gegen diese internationale Untersuchung, indem es die Bedingung stellt, dass
Israelis auch nicht nach dem palästinensischen Rechtssystem vor Gericht
gestellt werden können. Dies ist ein Schritt, der der SiedlerInnen-Bevölkerung,
die im palästinensischen Rumpfstaat verbleiben wird, einen Freibrief ausstellt,
deren politischere Elemente Gewalt gegen die PalästinenserInnen verübt haben.
Sie schüchtern die palästinensische Bevölkerung routinemäßig durch die
Zerstörung von Farmen und Häusern unter dem Schutz der Besatzungstruppen ein,
und der Deal wird dies und die Immunität der TäterInnen weiterhin ermöglichen.

Das Abkommen
greift sogar noch weiter in groteske Details künftiger palästinensischer Regierungsführung
ein und stellt Forderungen an die Innenpolitik des künftigen Gebietes. Es
fordert das Ende der Sozialhilfezahlungen an die Familien der von den
BesatzerInnen getöteten Personen, die es als „TerroristInnen“ verleumdet.
Darüber hinaus stellt das Abkommen umfassende Forderungen, das Bildungssystem
des künftigen Staates von jeglichem Material zu säubern, das den Staat Israel
kritisiert.

Neben diesen
Forderungen gibt es eine Reihe von „Sicherheitserwägungen“, die das legale
Recht Israels auf die Kontrolle der palästinensischen Grenzen, des Luftraums
und der Fischerei festlegen. Israel behält sich auch das Recht vor, eine
Militäraktion gegen palästinensisches Gebiet einzuleiten, wenn es den Verdacht
hegt, dass die Führung Teile des Abkommens verletzt. Selbst wenn kein solcher
Verdacht besteht, erlaubt der Vorschlag „minimale Streifzüge“ auf
palästinensisches Gebiet im Namen der Sicherheit.

Ausländisches
Kapital

Das Abkommen ist
nicht nur ein Angriff auf die nationalen Bestrebungen der PalästinenserInnen,
sondern auch ein Schritt zur Verwirklichung der wichtigsten langfristigen Ziele
des Imperialismus in der Region: der Normalisierung der Beziehungen zwischen
seinen arabischen Klientelstaaten und Israel und des vollen, ungehinderten
Zugangs zu den Märkten in den besetzten palästinensischen Gebieten.

Das Abkommen
verspricht ein Investitionspaket von 50 Milliarden US-Dollar, das sich
hauptsächlich auf die Infrastruktur konzentriert. Vorgeschlagen wird, dass die
Investitionen von regionalen Staaten wie Libanon, Jordanien und Ägypten
getätigt werden, wobei ein Großteil der Mittel von den Golfstaaten, den USA und
Europa bereitgestellt wird.

Die
Infrastrukturvorschläge skizzieren den Prozess, durch den alle
palästinensischen Industrien wie Transport, Strom und Wasser für privates
Kapital gesichert und die Gewinne ins Ausland zurückgeführt werden sollen.

Nur sehr wenige
dieser Investitions-„Möglichkeiten“ werden dem palästinensischen Volk greifbare
Vorteile bringen. Das lächerlichste der Infrastrukturprojekte, ein Tunnel, der
das Westjordanland mit dem Gazastreifen verbindet und mit 45 Kilometern
ungefähr so lang wie der Ärmelkanaltunnel wäre, könnte nach israelischem
Ermessen geschlossen werden.

Anstatt den
Lebensstandard der PalästinenserInnen zu erhöhen, zielen viele der
Investitionen darauf ab, die Aneignung von Reichtum aus dem Gebiet zu
erleichtern. Ein beträchtlicher Teil der 57 Milliarden Euro wird zum Beispiel
für die Modernisierung von Häfen innerhalb Israels vorgeschlagen, die laut Plan
von ausländischen InvestorInnen für den Export von Produkten aus Palästina an
internationale KäuferInnen benutzt werden sollen.

Das
Investitionsprogramm hat auch ein deutlich ausplünderndes Element, das die
ersten Schritte in Richtung auf den Besitz von Stein und Marmor des Landes und
die begrenzte Ölversorgung durch ausländisches Kapital vorsieht. Am wichtigsten
wird jedoch die Kontrolle über die der Küste vorgelagerten Erdgasfelder des
Gazastreifens sein, die die palästinensischen Behörden vor zwei Jahren von Shell
erworben haben, vor allem als Folge der Schwierigkeiten, in einem Gebiet zu
operieren, das wiederholt von Israel bombardiert wurde.

Darüber hinaus
ist ein Großteil der Investitionen auf den Tourismus ausgerichtet, eine
Industrie, in der ein „Boom“ schwer vorstellbar ist, solange die Gebiete
weiterhin den willkürlichen militärischen Übergriffen der israelischen Truppen
ausgesetzt sind.

Der Zweck der
Vereinbarung

Die Forderungen,
die der Vorschlag an die palästinensische Führung stellt, sind so ungeheuerlich,
dass es wahrscheinlich ist, dass seine BefürworterInnen von den
PalästinenserInnen erwarten oder sogar wollen, dass sie ihn ablehnen.
Tatsächlich wurden kein/e VertreterInnen der palästinensischen Behörden und nur
wenige PalästinenserInnen überhaupt zu dem Deal konsultiert.

Trumps
Schwiegersohn und angeblicher Verhandlungsführer des Abkommens, Jared Kushner,
machte sehr deutlich, was er unter „Verhandlung“ versteht:

„Sie müssen
aufhören, auf Mythen zu warten, die nie kommen werden, und auf Märchen, die nie
kommen werden. Die Palästinensische Autonomiebehörde würde lieber hingehen und
sich beschweren, als an den Tisch zu kommen und zu verhandeln, was, offen
gesagt, zeigt, dass sie nicht bereit ist, einen Staat zu haben“.

Mit „verhandeln“
ist „bedingungslos kapitulieren“ gemeint, und „Abkommen“ bedeutet „ein Diktat
akzeptieren“. Das Angebot eines Bestechungsgeldes dafür, das zu einem
erheblichen Teil von den umliegenden arabischen Staaten gezahlt würde, ist nur
wegen seiner dreisten Unverschämtheit bemerkenswert.

Der verlogene Charakter
des Abkommens bedeutet jedoch nicht, dass Israel und die USA nicht versuchen
werden, es zu verwirklichen. Schließlich handelt es sich bei den Vorschlägen um
eine Reihe von seit langem bestehenden Ambitionen des israelischen Staates und
seiner Verbündeten, insbesondere in Bezug auf Annexionen, Abrüstung und
Rückführung. In der Tat stellt fast jeder wichtige Vorschlag in dem Abkommen
eine Politik dar, für die die israelische herrschende Klasse seit Jahren
Lobbyarbeit betreibt.

Darüber hinaus
ist es wahrscheinlich, dass viele dieser Vorschläge unabhängig vom Widerstand
der palästinensischen Führung umgesetzt werden. In einem solchen Fall wird
Israel den Deal als diplomatische Tarnung benutzen können, indem es auf seine
Ablehnung durch alle Fraktionen der palästinensischen Führung als Beweis für
ihre „Nicht-Zusammenarbeit“ hinweist. Während Israel seine nun fast
unvermeidlichen Annexionen und die damit einhergehenden fortgesetzten
ethnischen Säuberungen durchführt, wird es zynisch darauf hinweisen, dass der
Deal für die PalästinenserInnen die verpasste „Gelegenheit“ für das darstellt,
was die israelische Regierung unredlich als nachhaltige Lösung auftischt.

Zukunft des
Zionismus

Was das Theater
um den Deal enthüllt, ist nicht nur, dass Israel die „Zwei-Staaten-Lösung“
völlig verachtet, sondern dass es endlich einen US-Präsidenten hat, der bereit
ist, die Maske fallen zu lassen und den Plänen Israels sein Siegel der
Zustimmung zu geben. Es wäre ein lebensunfähiger, abhängiger Kleinstaat, dessen
eigentliche Funktion darin bestünde, viele Millionen PalästinenserInnen
einzusperren, aber ihren KerkermeisterInnen eine neue Legitimität innerhalb der
„internationalen Gemeinschaft“ als „vernünftiger“ Staat zu verleihen, der
verhandelt und den PalästinenserInnen „Zugeständnisse“ macht.

Dass Israel sich
weigert, auch nur in Betracht zu ziehen, was den PalästinenserInnen nach
geltendem Völkerrecht zusteht – jeder Zentimeter des Westjordanlandes und des
Gazastreifens, die Rückkehr der vertriebenen palästinensischen Flüchtlinge und
der Rückzug jedes/r israelischen SoldatIn aus der Besetzung ihres Territoriums
–, ist nicht das Ergebnis der besonderen Strategie seiner gegenwärtigen
Regierung, sondern vielmehr der Ideologie der gesamten Bewegung: Zionismus. Ein
Land, das 1948–1949 700.000 Menschen ethnisch gesäubert und nacheinander
insgesamt sieben Millionen Flüchtlinge vertrieben und ausgegrenzt hat, drückt
nicht seine eigene demokratische Selbstbestimmung aus, sondern verweigert einem
anderen Volk die seine und errichtet dabei einen übermächtigen rassistischen Staat.

Während
RechtfertigerInnen für die israelische Staatsgewalt immer noch auf die
Möglichkeit eines palästinensischen Staates an der Seite Israels hinweisen,
untergräbt letzteres diese Möglichkeit immer wieder, indem es das Gebiet eines
solchen Staates durch den illegalen Bau von Siedlungen zerstückelt. Der
rechtliche Rahmen für die israelischen Annexionen besteht seit 1993, als die
Osloer Abkommen unterzeichnet wurden und Israel eine bedeutende Kontrolle über
das Gebiet erhielt, das ihm nun in Trumps Deal in vollem Umfang zugesagt wurde.

Ob der
„Jahrhundertdeal“ mit oder ohne die erzwungene Zustimmung der palästinensischen
Führung voranschreitet, das palästinensische Volk wird ihm Widerstand
entgegensetzen. In diesem Widerstand verdient es die stärkste und
unermüdlichste internationale Solidarität. Im Kampf gegen den Deal müssen wir
gleichzeitig ein Ende der Besatzung palästinensischen Landes, das Recht auf
Rückkehr aller Flüchtlinge und volle Bürgerrechte für die PalästinenserInnen
innerhalb des Staates Israel fordern.

Jetzt, da das
zionistische Regime sowie Trump und Johnson das Projekt eines Apartheidstaates
unterstützt haben, ist es besonders wichtig, dass wir die Forderung nach einem
einzigen Staat „Palästina unterstützen, dessen BürgerInnen, Israelis wie
PalästinenserInnen, gleiche politische Rechte haben sollen. Als SozialistInnen
glauben wir, dass ein solcher Staat die Bedürfnisse aller seiner BürgerInnen am
besten lösen und widersprüchliche nationale Ansprüche befriedigen kann, indem
er auf der Grundlage einer demokratischen Planwirtschaft das gesellschaftliche
Eigentum an Land, Fabriken, Dienstleistungen usw. durchsetzt.

Kurz gesagt, wir
müssen daran arbeiten, die ArbeiterInnen und die Jugend beider Nationen und
Sprachen zu unterstützen, damit sie die Macht in ihre eigenen Hände nehmen und
ein sozialistisches Palästina als Teil der Vereinigten Sozialistischen Staaten
des Nahen Ostens aufbauen.




Amtsenthebungsverfahren gegen Trump: Korruption bekämpfen, bürgerliche Strategie ablehnen

Mo Sedlak, Neue Internationale 243, Dezember 2019/Januar 2020

Die derzeitig starke Fokussierung der Demokratischen Partei auf das
Amtsenthebungsverfahren gegen Trump zeigt auf, dass sie eine Strategie des
„Widerstands“ durch die Institutionen und dies zunehmend über den Weg durch die
Gerichte befürwortet, anstatt eine Mehrheit bei den Wahlen anzustreben und zu
gewinnen. Dies kann als klares Signal an die linken KandidatInnen in den
Vorwahlen verstanden werden. Insbesondere an Bernie Sanders, der wohl die
besten Chancen hat, Trump in einer direkten Konfrontation zu schlagen (wenn der
demokratische Parteiapparat ihn dabei unterstützen würde). Das Signal lautet:
Wir wollen dich nicht, und wir brauchen dich auch nicht. Dies sollte eigentlich
einen Weckruf für diejenigen SozialistInnen darstellen, die sich um die
kapitalistische Demokratische Partei bewegen – ein Signal dafür, das Projekt
aufzugeben, eine tatsächliche Bewegung gegen die Politik der RepublikanerInnen
und DemokratInnen aufzubauen.

Generell kann eine juristische Strategie die Politik von Trump nicht
stoppen. Das bedeutet zwar nicht, dass das Amtsenthebungsverfahren dem
Präsidenten keinen politischen Schaden zufügen wird. Durch seinen Hang zum
Populismus ging Trump bekanntlich gegen bestehende staatliche Institutionen vor
und machte sich Feinde innerhalb des Sicherheits-, Rechts- und
Verwaltungsapparats. Die Auseinandersetzungen drehen sich allerdings rund um
verschiedene Schattierungen kapitalistischer und imperialistischer
Unterdrückung, nicht um die rassistische, frauenfeindliche,
arbeiterInnenfeindliche und anti-ökologische Essenz des Programms des
Präsidenten.

In einem solchen juristischen Konflikt fühlt sich die demokratische Führung
jedoch viel wohler. Unwohler fühlt sie sich offenkundig darin, die
Unterstützung der Bevölkerung in Debatten über die allgemeine
Gesundheitsversorgung, Mindestlöhne und Vermögenssteuern für sich zu gewinnen.
Eine Fokussierung auf die demokratische Strategie ist für die Linke allerdings
nutzlos – nicht nur wegen der gesetzlichen Hürden im Senat, sondern auch wegen
der Rolle, die sie spielt. Sie gibt vor, Widerstand innerhalb des Systems und
seiner Institutionen zu konsolidieren, und leugnet die Notwendigkeit, den
Widerstand gegen das System zu organisieren.

Der gesetzliche Scheinvorwand

Die zugrunde liegende Geschichte ist exemplarisch für die alltägliche
Korruption, die die Innen- und Außenpolitik der Vereinigten Staaten
durchdringt. Die Geschehnisse sind nicht einzigartig und nicht einmal allzu
überraschend. Im Mai 2014 trat Hunter Biden, ein Sohn von Joe Biden, der heute
demokratischer Hoffnungsträger ist, in den Vorstand eines ukrainischen
Energieunternehmens (Burisma) mit Hauptsitz auf Zypern ein. Sein Wert für das
Unternehmen könnte wohl etwas mit seinem Namen und der damit einhergehenden
Verbindung zum damaligen Vizepräsidenten in Form seines Vaters zu tun gehabt
haben. Gleichzeitig lief damals eine Korruptionsuntersuchung gegen einen
Großaktionär von Burisma. Etwa ein Jahr nach der Einstellung von Bidens Sohn
forderte Joe Biden das ukrainische Parlament auf, den Generalstaatsanwalt
Wiktor Schokin loszuwerden, der gegen AktionärInnen von Burisma ermittelte. Er
gab auch später zu, dass er damit gedroht hatte, der ukrainischen Regierung
Mittel vorzuenthalten, wenn seine Forderungen nicht erfüllt würden.

Kurz nach der Amtseinführung des neuen ukrainischen Präsidenten Selenskyj
Anfang 2019 sollen Trumps AssistentInnen Druck auf die ukrainischen
AmtskollegInnen im Zuge der Vorbereitungen eines Treffens von Selenskyj und
Trump aufgebaut haben, um entsprechende Untersuchungen zwecks Belastung Hunter
Bidens einzuleiten. Einigen US-Delegierten bei diesem Vorbereitungstreffen ging
diese Forderung nicht weit genug. Nur wenige Tage später kündigte die
Trump-Administration an, dass sie etwa 400 Millionen Dollar an Auslandshilfen
für die Ukraine einbehalten würde, während ihre angeblichen MitarbeiterInnen
den Helferinnen und Helfern von Selenskyj die dringende Notwendigkeit der
Einleitung von Ermittlungen mitteilten. In einem entsprechenden Telefonat
bekräftigte Trump direkt seinen Wunsch nach Ermittlungen gegen Joe Biden in der
Ukraine, an denen Selenskyj zu arbeiten versprach. Diese Druckmittel sind nach
US-Recht pro forma illegal, und offensichtlich erpresst ein amtierender
Präsident die Führung eines anderen Landes und hält große Hilfssummen zurück,
um einem Gegner im innenpolitischen Wettbewerb zu schaden.

Business as usual

Gleichzeitig ist dies Business as usual. Die Verwendung militärischer und
ziviler ausländischer Hilfe, um Regierungen unter Druck zu setzen (oder in
einigen Fällen einen Aufstand gegen sie zu führen), ist eine altehrwürdige
imperialistische Tradition. Das Gleiche gilt für die Interaktion zwischen
gewählten hohen BeamtInnen, die in den meisten Fällen US-MillionärInnen sind,
und ihren Familienunternehmen. Die überraschende Großzügigkeit von Ländern wie
der Türkei bei der Erteilung von Genehmigungen und Grundstücken für Trumps
Hotels zeigt dies ebenso gut wie Hunter Bidens Karriere als Vorstandsmitglied
für Burisma.

Natürlich ist dieses Verhalten für RevolutionärInnen, SozialistInnen und
ArbeiterInnen abstoßend. Es ist eine Geschichte der imperialistischen
Außenpolitik der USA, die Regime mit Hunderten von Millionen an militärischer
Hilfe unterstützt, die schließlich in BürgerInnenkriege fließt bzw. dazu
verwendet wird, um Volksproteste zu unterdrücken. Darüber hinaus fühlen sich
die MilliardärInnen an der Spitze der US-amerikanischen Staatsinstitutionen
dazu berechtigt, dieses Geld für ihre persönlichen Gewinne zu verwenden, als ob
die Kriegsbeute ihre Investitionsmittel nicht bereits mit Dividenden der
WaffenherstellerInnen überflutet hätte. Zusätzlich nutzen Trump und seine
Gefolgsleute schließlich diese fragwürdigen Vereinbarungen, um eine ohnehin
schon undemokratische Wahl noch weiter weg von der Entscheidung der Bevölkerung
und hin zu Hinterzimmerabkommen zu verschieben.

Die Reaktion der RevolutionärInnen muss darin liegen, eine öffentliche und
transparente Untersuchung der angeblichen Drohungen von Biden, aber auch der
angeblichen Erpressung von Trump und der Unterstützung sowohl der Obama- als
auch der Trump-Administration für undemokratische Regime auf der ganzen Welt zu
fordern. Die Korruption, die wir in diesem Fall sehen, ist symptomatisch für
den kapitalistischen Missbrauch der verbliebenen demokratischen Institutionen,
und die ArbeiterInnen müssen dafür kämpfen, die gesamte Bande zu vertreiben.
Gleichzeitig ist sie symbolisch für die starke Waffengewalt des US-Imperialismus,
und es ist darüber hinaus wichtig, den Abzug aller US-Truppen aus der sowie die
Einstellung aller militärischen Unterstützung an die Ukraine zu fordern.

Warum jetzt?

Das Ukraine-Debakel ist nicht das erste Mal, dass ein
Amtsenthebungsverfahren gegen Trump diskutiert wurde. Liberale KommentatorInnen
und Social-Media-InfluencerInnen um den Hashtag #Resistance schlugen eine
Anklage aus allen möglichen Gründen vor. Noch wichtiger ist, dass Abgeordnete
am linken Rand der Demokratischen Partei wie Alexandria Ocasio-Cortez
unerbittlich die Verfahren forderten und die anfänglichen Ablehnungen ihrer
eigenen Führung als skandalös bezeichneten.

Es gibt zwei Gründe, warum Nancy Pelosi und die demokratische Führung
diesen Forderungen von links scheinbar nachgegeben haben. Am offensichtlichsten
ist, dass keine Partei, die etwas von sich selber hält, akzeptieren kann, dass
ihr vermeintlicher Spitzenkandidat einer solch offensichtlich illegalen
Schmutzkampagne ausgesetzt ist. Der zweite Grund ist jedoch entscheidend: Der Hauptdreh-
und -angelpunkt des Amtsenthebungsverfahrens sowie der damit einhergehende
Medienzirkus können gegen die linken Mitglieder der Partei verwendet werden.

Biden: Mehr vom Gleichen

Die demokratischen Vorwahlen haben Joe Biden bisher als stabilen Spitzenreiter
gesehen. Er ist ein natürlicher Favorit der Parteiführung: ein Symbol für den
Wahlerfolg unter Obama, äußerst kompromissbereit zu RepublikanerInnen,
freundlich gegenüber der traditionellen demokratischen Geberbasis in Super-PACs
und Big Business. Außerdem stört er sich nicht an Kleinigkeiten wie
Ungleichheit, Arbeitslosigkeit oder den Opfern des Krieges. Obwohl er
schlechter als sein ehemaliger Chef in Bezug zur Frauenfrage aufgestellt ist
und eine schändliche Geschichte der Zusammenarbeit mit RassistInnen hat, kann
man Biden zumindest vertrauen, dass er Obamas Erbe fortsetzt: Banken retten,
Millionen abschieben und trotzende Neokolonien bombardieren.

Sanders und Warren

Die beiden aussichtsreichen GegenkandidatInnen zu Biden, Bernie Sanders und
Elizabeth Warren, schlagen einen anderen Ansatz vor, um Trump zu besiegen.
Beide betonen die Unterstützung der Bevölkerung, die Umverteilung und die
Sicherung einiger Grundrechte auf Gesundheitsversorgung, Wohnen und Beteiligung
am Arbeitsmarkt. Während es wichtige Unterschiede zwischen ihren Strategien und
Perspektiven gibt und beide den demokratischen Apparat mehr stärken als sie ihn
in Frage stellen, verkörpern sie im Vergleich zu Biden einen alternativen Weg
für die demokratische Partei.

Die linken KonkurrentInnen bevorzugen bis zu einem gewissen Grad die
populäre (und teilweise populistische) Unterstützung gegenüber Übereinkünften,
Proteste gegenüber Kompromissen und Basisbewegungen gegenüber
Hinterzimmerabkommen in Washington. All das würde bedeuten, die Macht des
zentralen Parteiapparats zu schwächen. Während sie eine Chance bieten, Trump
bei den Wahlen zu schlagen, sind die Folgen für die herrschende Clique
innerhalb der Partei schwer vorherzusagen.

Auf der anderen Seite sind die komplizierten Repräsentantenhaus- und
Senatsverfahren rund um Anhörungen, Unterausschüsse und Beweise die Spielwiese,
auf der sich die Parteibürokratie am wohlsten fühlt. Sie hofft, in der Lage zu
sein, Trumps Wahlergebnisse durch geschickte Kreuzverhöre, Deals mit
republikanischen AbweichlerInnen und eine PR-Strategie zu beschädigen, anstatt
einer/m populären KandidatIn beizustehen, der/die sich ihnen nicht verpflichtet
fühlt.

Die Demokratische Partei zu der unseren machen?

Was Sanders, Warren und die neu entstehende Linke in der Partei vertreten,
ist eine Wahlstrategie, die darauf abzielt, rund um wichtige wirtschaftliche
und soziale Fragen zu mobilisieren. Auf allen wichtigen Politikfeldern –
stagnierende Mindestlöhne, die Zusammenarbeit mit Großunternehmen, das
Beschneiden der Sozialversicherung, das Opfern von Sozialwohnungen für
ImmobilieninvestorInnen – ist die Bilanz der Demokratischen Partei fast so
ekelhaft wie die der RepublikanerInnen. Und ihre Führung ist mitschuldig.

Der Grund dafür sind nicht Korruption und persönliche Abscheulichkeit des
Parteiapparates. Obwohl das gleichzeitig unbestreitbar ist, ist die
Demokratische Partei als eine der beiden kapitalistischen Parteien in den USA
institutionell an die herrschende Klasse gebunden und agiert gegen die
arbeitenden und unterdrückten Massen im Land. Die besondere Stellung der USA
als dominante imperialistische Macht bindet die Partei auch an eine Agenda von
Krieg, neokolonialer Unterdrückung und Ausbeutung.

Im Gegensatz zu Parteien der ArbeiterInnenklasse oder Gewerkschaften kann
sie von den ArbeiterInnen nicht wieder eingefordert werden, da sie nie ihre
war. Die einzige Rolle, die sie spielen konnte, war die der Unterstützerin
einer arbeiterInnenfreundlicheren, fortschrittlicheren bürgerlichen Politik,
als der linke Flügel der US-KapitalistInnen nicht stark genug war, um es allein
zu schaffen. Dies spielte vor allem am Hochpunkt des Einflusses der
US-Gewerkschaften eine Rolle und führt heute zu den tiefen Verstrickungen der
Korruption in der Führung der Demokratischen Partei und der Gewerkschaften. Es
führte aber nicht zu einer sinnvollen Prägung der demokratischen Politik durch
die Interessen der ArbeitnehmerInnen.

Wie die RepublikanerInnen stützen sich die DemokratInnen auf zwei Faktoren:
die Unterstützung wichtiger Fraktionen der herrschenden Klassen und der
notwendigen Gewinnung der Bevölkerung, um Wahlen zu gewinnen. Letztere mag sie
manchmal zu beschränkten Reformprojekten treiben, aber erstere werden sie immer
an die Verteidigung und Verwaltung der Herrschaft des US-Kapitalismus im In-
und Ausland binden.

Die Zeichen der Zeit verstehen

Während das Amtsenthebungsverfahren Trumps Wahlkampagne 2020 schaden wird,
gibt es kein Zeichen, dass der Senat dem Verfahren zustimmen und den
amtierenden Präsidenten aus seinem Amt entfernen wird. Dies bedeutet nicht,
dass es unmöglich wäre, dass republikanische ÜberläuferInnen ihre Meinung
ändern könnten und ein jähes Ende mit Schrecken bevorzugen, um eine/n
vielversprechendere/n PräsidentschaftsanwärterIn zu erhalten. Aber es ist sehr unwahrscheinlich.

Gleichzeitig ist jede mögliche Strategie, den Präsidenten durch eine/n
andere/n RepublikanerIn zu ersetzen, nicht gegen seine Politik gerichtet. Mit
anderen Worten, sie tut nichts im Interesse der ArbeiterInnenklasse, sondern
nur im Interesse der Demokratischen Partei. Zusätzlich zu der Tatsache, dass
die Strategie wahrscheinlich nicht aufgeht und gleichzeitig im Erfolgsfall auch
gegen den eigenen linken Flügel der Partei gerichtet ist, wird sie für die
Opfer von Trumps politischen Verbrechen bedeutungslos sein – eingesperrte
MigrantInnen, Frauen, deren reproduktive Rechte angegriffen werden,
LGBTIAQ-Menschen, die der Diskriminierung am Arbeitsplatz ausgesetzt sind, und
ArbeiterInnen, denen das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung entzogen
wurde.

Es ist ermutigend, dass KandidatInnen, die Wörter wie Sozialismus oder
ArbeiterInnenklasse verwenden, Unterstützung in der Bevölkerung finden. Aber
diese Massen wieder an die Demokratische Partei zu binden, die grundsätzlich
gegen ihre Klasseninteressen ist, wäre ein politisches Verbrechen. Stattdessen
müssen RevolutionärInnen die Forderung nach einer Partei der
ArbeiterInnenklasse in den Vereinigten Staaten aufstellen. Mit dieser Forderung
müssen RevolutionärInnen an die Menschen herangehen, die die politischen
Versprechen von Sanders und Ocasio-Cortez befürworten, aber gleichzeitig auch
erkennen, dass sie dies nicht in die Tat umsetzen werden können, solange sie
mit der Demokratischen Partei im Bett liegen.




El Paso: Weiße Rassisten töten erneut

Dave Stockton, Infomail 1065, 22. August 2019

Am 3. August wurden 22 Menschen getötet und 24 verletzt, als der 21-jährige
weiße Rassist Patrick Crusius einen Walmart-Laden in El Paso ins Visier nahm,
der bei KäuferInnen mit mexikanischem Hintergrund beliebt ist. Wie Brenton
Tarrant, der 51 Menschen bei dem Angriff auf die Moschee von Christchurch
(Neuseeland) erschossen hat, veröffentlichte Crusius ein Manifest auf der
rechtsextremen Hasswebsite 8chan (Infinitychan), das sich gegen die so genannte
„hispanische Invasion in Texas“ und die „kulturelle und ethnische Ersetzung“
der Weißen richtete.

Unter den Opfern waren Jordan Anchondo, die beim Einkaufen von Schulsachen
getötet wurde, und ihr Mann Andre, der bei einem vergeblichen Versuch getötet
wurde, seine Frau zu schützen, die wiederum ihr neugeborenes Baby abschirmte.
Auch ältere Menschen wurden nicht verschont. Raul und Maria Flores, beide 77,
die sich vor zwei Jahrzehnten nach El Paso in den Ruhestand zurückgezogen haben,
und der 90-jährige Luis Alfonso Juarez wurden während des Amoklaufs ebenfalls
ermordet.

Der mutwillige Mord an diesen unschuldigen Menschen, entmenschlicht von der
Politik ihres Mörders, zeigt, dass in Donald Trumps Amerika Menschen mit
lateinamerikanischen Wurzeln neben schwarzen und jüdischen AmerikanerInnen auf
die Hassliste der extremen Rechten mit aufgenommen wurden. In einem Land, das zu
einem großen Teil aus MigrantInnen besteht, taten sich die hässlichen Kräfte
des Faschismus an der Einwanderung gütlich, die von skrupellosen DemagogInnen
im Weißen Haus ausgenutzt wurde.

Trumps Hass-Kampagne

Trumps offener Hass auf MexikanerInnen und MigrantInnen aus Lateinamerika
ist dreist und wird auf einer Endlosschleife wiederholt. Während seiner
Präsidentschaftskampagne sagte er: „Wenn Mexiko seine Leute schickt, schicken
sie nicht die Besten…. Sie bringen Drogen, sie bringen Verbrechen. Sie sind
VergewaltigerInnen und einige, nehme ich an, sind gute Menschen.“

Vor weniger als zwei Monaten hat er getwittert: „Das Problem ist, dass
Mexiko die Vereinigten Staaten ,missbraucht‘, es nimmt, aber nie gibt. So ist
es seit Jahrzehnten. Entweder sie stoppen die Invasion unseres Landes durch
DrogenhändlerInnen, Kartelle, MenschenhändlerInnen… KojotInnen und illegale
EinwanderInnen, was sie sehr leicht tun können, oder unsere vielen Unternehmen
und Arbeitsplätze, denen es dummerweise erlaubt wurde, südlich der Grenze umzuziehen,
werden durch Steuern wieder in die Vereinigten Staaten zurückgebracht. Amerika
hat genug davon gehabt!“

Die Repräsentantenhausabgeordnete für den 14. Kongresswahlbezirk von New
York, Alexandria Ocasio-Cortez, brachte es auf den Punkt, als sie erklärte: „Der
Präsident ist direkt verantwortlich für das, was in El Paso passiert ist.“

Sie hat Recht.

Diese Provokationen, die zusammen mit seinen sexistischen Angriffen
gegenüber Politikerinnen ein zentrales Element seiner ersten Kampagne verkörperten,
sollen seine AnhängerInnen für seine zweite Wahlperiode begeistern. Diese
rassistische Aufstachelung gegen MexikanerInnen und Flüchtlinge, die „in die
USA eindringen“, ist eine direkte Ursache für die schreckliche Gewalt, die von
Einzelpersonen ausgeübt wird, die sie als Lizenz nehmen, ihre privaten
Beschwerden und Komplexe, real oder imaginär, gegen Minderheiten zu verströmen.
Und Trump hat kein bisschen dagegen. Für diesen Präsidenten sind die Opfer der „Baum
des Lebens“-Synagoge, von El Paso, Charlottesville und andere nur
Kollateralschäden.

Rassistische ICE-Razzien

Der staatlich sanktionierte Rassismus der Trump-Administration zeigte sich
bei der Razzia, die am 7. August in Mississippi auf
Geflügelverarbeitungsanlagen rund um Jackson und Canton zielte.

Dies war die größte jemals durchgeführte Razzia in einem einzigen Staat
durch „Immigration and Customs Enforcement“ (ICE; Zoll- und
Einwanderungsbehörde). 680 ArbeiterInnen mit überwiegend mexikanischem
Hintergrund wurden bei einer Razzia von einer Armee von 600 schwer bewaffneten
ICE-AgentInnen festgenommen.

Dutzende ihrer verängstigten und verstörten Kinder, einige von ihnen
Kleinkinder, mussten von Fremden von der Schule abgeholt und in Notunterkünfte
gebracht werden. Seitdem wurden 300 ArbeiterInnen entlassen. ICE-Außenstellen
im ganzen Land wurden angewiesen, mindestens zwei Standorte in ihren Regionen
als potenzielle Ziele für solche Razzien zu identifizieren. Darüber hinaus,
sagte Trump, dass Überfälle wie die in Mississippi ein „sehr gutes Abschreckungsmittel“
für MigrantInnen ohne Papiere seien.

Kampf gegen Trump und Rassismus

Trumps Antwort während seines zynischen Besuchs in El Paso, wo sich die
überlebenden Opfer natürlich weigerten, ihn zu sehen, war, das
antirassistische, Antifa-Netzwerk ebenso wie Killer wie Crusius zu
beschuldigen. Dies entspricht seinen Bemerkungen zu Charlottesville, wo er die
Verurteilung des faschistischen Mordes an der Aktivistin Heather Heyer ablehnte
und wahnsinniger Weise behauptete, dass die Unite the Right- und antifaschistische
Demonstrationen „beide gute Menschen enthielten“.

Während Trump selbst kein Faschist ist, ist er glücklich, die extreme
Rechte, einschließlich echter FaschistInnen, zu nutzen, um seine populistische
Basis aufzubauen. Indem er zum Beispiel bei seinen Kundgebungen in
rassistischen Zurufen schwelgt. Auf seine Frage, was mit den MexikanerInnen
geschehen soll, die sich an der texanischen Grenze versammeln, kommentierte er
nur grinsend die zurückkommende Antwort: „Erschießt sie“!

Trump ist ein klassischer rassistischer US-Populist, der bereit ist,
Latinos, schwarze Jugendliche, Muslime und Frauen anzugreifen, die es
beispielsweise wagen, seine Frauenfeindlichkeit zu kritisieren. Diese Angriffe
sind wesentliche Bestandteile seiner permanenten Stimmungsmache. Und der „respektable“
Flügel der Republikanischen Partei ist bereit, sich dieser Stimmungsmache
anzuschließen, vielleicht mit ein wenig Kritik an seinen schlimmsten Exzessen,
aber meist mit Schweigen. Wenn Trump 2020 scheitert, könnte die von ihm
erzeugte „Bewegung“ wirklich böse, ja sogar faschistisch werden.

Die Netzwerke von überwiegend jungen und weißen AntifaschistInnen, die
gemeinhin als Antifa bekannt sind, sowie linke bewaffnete Gruppen zeigen, dass
einige Menschen bereit sind, die FaschistInnen herauszufordern, wenn sie
versuchen, die Straßen zu betreten. Offensichtlich können sie wenig tun, um die
massenmörderische Angriffe von „EinzeltäterInnen“ zu stoppen. Aber wie Boston
gezeigt hat, kann, wenn sie zusammen mit der Black Lives Matter-Bewegung mobilisieren
und sich die Gewerkschafts- und die DSA-Ortsgruppen ihnen anschließen, der
Anstieg rechter Kräfte demoralisiert und gestoppt werden.

Schließlich besteht die Aufgabe von RevolutionärInnen darin, die
Selbstverteidigung all jener zu organisieren, die angegriffen werden, sei es
von den FaschistInnen oder von der Polizei und den Anti-EinwandererInnen-Einheiten.
Die ArbeiterInnenbewegung sollte die Führung übernehmen, wenn es darum geht, sich
gegen die rassistischen „Jagden nach Illegalen“ durch ICE-Horden zu stellen,
indem sie massenhaft gewerkschaftliche Organisierung vorantreibt in den Staaten
mit „Recht auf Arbeit“ (Zwang in prekäre Jobs) und unter den MigrantInnen.

Die Koordination eines landesweiten Kampfes, der ArbeiterInnenaktivistInnen
sowie antirassistische und Frauenbewegungen zusammenfasst, wäre ein erster
Schritt zum Aufbau einer unabhängigen ArbeiterInnenpartei, die den Widerstand
auf der Grundlage eines gemeinsamen Programms für ArbeiterInnenmacht und
Sozialismus vereinen kann.

  • Niemand ist illegal: gleiche BürgerInnenrechte für alle!
  • Auflösung der ICE-Einheiten!
  • Selbstverteidigung gegen rassistische Überfälle und Abschiebungen



USA: Shutdown für rassistische Grenzmauer

Tobi Hansen, Infomail 1039, 25. Januar 2019

Seit dem 22.
Dezember haben 800.000 MitarbeiterInnen der US-Regierung ihre Gehaltsschecks
nicht erhalten. Etwas mehr als die Hälfte musste weiterhin ohne Lohn arbeiten
und Zwangsarbeit leisten. Die anderen sind im erzwungenen Urlaub. Diese
Haushaltssperre findet bereits in der sechsten Woche statt – ein historischer
Rekord. Infolgedessen erfahren Millionen von AmerikanerInnen, die vom sozialen
Sicherheitsnetz des Bundes abhängig sind, auch zunehmendes Elend.

Die Abschaltung
ist das Ergebnis einer Pattsituation zwischen dem Repräsentantenhaus und der
US-Regierung. Es spielt Trump einerseits gegen Nancy Pelosi, die demokratische
Mehrheitsführerin im Repräsentantenhaus, und „Chuck“ Schumer, den
demokratischen Minderheitenführer im Senat, andererseits aus.

Eine
Haushaltssperre der Regierung ist an sich nicht ungewöhnlich. Ein sechzehn Tage
dauernder Shutdown ereignete sich im Oktober 2013 unter Barack Obama. Die
Trump-Administration hat bereits im Januar letzten Jahres eine kürzere gesehen.
Solche Konflikte sind Teil der politischen Gymnastik, die die US-Verfassung
dank ihrer „Gewaltenteilung“ zulässt. Das passiert in der Regel, wenn das
Repräsentantenhaus, das den Jahreshaushalt der Verwaltung genehmigen muss, in
den Händen einer Partei und das Präsidium in den Händen ihrer GegnerInnen
liegt.

Seitdem die
DemokratInnen im November die Kontrolle über das Haus wiedererlangt haben,
versuchen sie, Trumps „Prestigeprojekt“, die 5 Milliarden Dollar teure Grenzmauer,
zu verhindern und haben sich daran gemacht, ihre eigenen Ausgabenprioritäten dagegenzusetzen.
Normalerweise wird nach vielen Manövern auf allen Seiten ein Kompromiss
erzielt, der eine neue Staatsverschuldung zulässt – wie bei „Obamacare“, dessen
Abschaffung eine weitere Trump-Wahlflaggschiffpolitik war.

Die Schwere und
Dauer dieser Krise zeigt die tiefe Polarisierung der US-Gesellschaft. Auf der
einen Seite muss Trump der Feindseligkeit seiner sozialen Basis gegenüber
MigrantInnen Vorschub leisten, die er für die sozialen Missstände und den
wirtschaftlichen Niedergang der „alten“ Industriegebiete verantwortlich macht.
Auf der anderen Seite müssen die DemokratInnen radikal sprechen, um den Zorn
der verschiedenen Gemeinschaften und Teile der ArbeiterInnenklasse  widerzuspiegeln, die unter den Hammer
von Trump und RepublikanerInnen auf Bundesebene kommen.

Effekte

Die 800.000
MitarbeiterInnen sind ein Viertel aller Bundesangestellten. Dazu gehören auch
diejenigen, die den bereits verwüsteten Sozialdienstleistungssektor leiten.
Selbst Wachen in Bundesgefängnissen arbeiten unentgeltlich.
GrenzschutzbeamtInnen und FBI-AgentInnen sind jedoch ausdrücklich vom Shutdown
ausgeschlossen.

Neben den
Bundesbeschäftigten sind Tausende von SubunternehmerInnen, die für den
öffentlichen Sektor arbeiten, sowie viele Selbstständige im öffentlichen Dienst
betroffen, so dass insgesamt Millionen von Lohnabhängigen ihre Löhne gekürzt
wurden. Kleine Unternehmen, die den Bundesbehörden dienen, sind ebenfalls stark
betroffen. Obwohl Trump ein Notfallgesetz verabschiedet hat, das die
Rückzahlung von Gehältern für direkte Bundesbedienstete verspricht, werden
viele der anderen ArbeiterInnen, die unter „Kollateralschäden“ leiden, nach
Ablauf der „Stilllegung“ nicht mehr alle Ausfälle zurückerhalten. In der Tat
werden sie für 2019 eine erhebliche Lohnkürzung erleiden.

Unterdessen
haben die Auswirkungen auf ihr Leben begonnen, die Medien zu interessieren: mit
Berichten über ihre Schwierigkeiten bei der Erfüllung von
Versorgungsrechnungen, der Zahlung von Hypotheken und Mieten, wobei einige
sogar gezwungen sind, ihre Autos zu verkaufen oder alles andere, woraus sie
Geld machen können.

Einige höher
qualifizierte Berufe wie z. B. FluglotsInnen haben eine Klage eingereicht, mit
der sie die Rückerstattung ihrer Löhne verlangen. Aber abgesehen von diesen
Berufsgruppen gibt es bisher kaum direkten Widerstand der MitarbeiterInnen
gegen die Schließung. Die American Federation of Federal Employees hat keine
landesweiten Abwehrmaßnahmen über Streikposten und kleine Proteste hinaus
durchgeführt. Stattdessen ging sie zum Pelosi-Trump-Pokerspiel, auf Kosten der
MitarbeiterInnen, über. Aber die anhaltende Streikwelle von LehrerInnen in
Kalifornien, die denen im Mittleren Westen, Wisconsin, Arkansas und Oklahoma
folgt, zeigt, was getan werden kann, wenn die Klasse den Kampf aufnimmt und die
Solidarität anderer Sektoren organisiert und gewinnt.

Trumps rassistische
Jagd gegen Immigranten

Die Schließung
hängt von Trumps Versprechen ab, die Mauer an der Grenze zu Mexiko zu bauen.
Sie ist der symbolische Appell an seine soziale Basis, die Mittelschicht und
Teile der ArbeiterInnenklasse, die er getäuscht hat, weil er vorbrachte, ihre
sehr realen wirtschaftlichen und sozialen Probleme seien das Ergebnis
lateinamerikanischer und muslimischer EinwanderInnen und US-amerikanischer HandelsrivalInnen
wie China oder Deutschland. Die Mauer, so behauptet er, sei notwendig, um eine
„Invasion“ von DrogendealerInnen, KinderhändlerInnen, TerroristInnen und
KrankheitsüberträgerInnen zu verhindern: die EinwanderInnen seien also dafür
verantwortlich!

Die
DemokratInnen haben das Recht, sich dem rassistischen Prestigeprojekt von Trump
und ebenso jedem „Kompromiss“ zu widersetzen, der einen billigeren Stahlzaun
anstelle einer Mauer vorsieht. Aber das bedeutet nicht, dass diese eine
rassistische Einwanderungspolitik per se ablehnen. In beiden Häusern stimmten
sie für die Finanzierung der so genannten „ICE“-Deportationslager (Immigration
and Customs Enforcement; deutsch: Durchsetzung von Zwangsmaßnahmen zwecks Zoll- und Einwanderungspolitik), in denen
Kinder inhaftiert sind, ebenso wie die Rekorddeportationen (über 3 Millionen)
nach Mittelamerika während der Amtszeit Obamas. Sogar die selbsternannte
Sozialistin Alexandria Ocasio-Cortez hat dafür gestimmt, obwohl im Protokoll
steht, dass sie die ICE abschaffen will.

Als „Bestechung“
für die 5-Milliarden-Dollar-Mauer hat Trump angeboten, den vorübergehenden
Stopp der Abschiebung der „Dreamer“ (deutsch: TräumerInnen, hier: Söhne und
Töchter illegaler ImmigrantInnen gemäß dem Kürzel einer Gesetzesinitiative für
sie, dem Development, Relief, and Education for Alien Minors
Act) zu regulieren. Dies war das
Obama-Projekt, bei dem mehreren hunderttausend jüngeren MigrantInnen die
StaatsbürgerInnenschaft garantiert wurde, geknüpft an ihren „Erfolg“ in der
Schule. Es handelte sich um ein typisch halbherziges Mittel der
US-DemokratInnen. Wurden die geforderten Bildungsziele nicht erreicht, entzog
man das Aufenthaltsrecht und führte die Abschiebung durch. Offensichtlich sind
die DemokratInnen weder wirkliche VerteidigerInnen der Rechte von MigrantInnen
noch der von Schwarzen, IndianerInnen und anderen Minderheitenangehörigen
dieses Landes.

Ihnen geht es
eigentlich nur um ein Kräftemessen mit Trumps Weißem Haus. Sie sehen eine
einmalige Gelegenheit, seine Gesetzgebung zu blockieren und sogar Bedingungen
für ein Amtsenthebungsverfahren zu schaffen. Das Kabinett ist aktuell schwach
durch erzwungene und unvorhergesehene Rücktritte von MinisterInnen. Nur die
wichtigsten AkteurInnen im Interesse des Finanzkapitals, Finanzminister
Mnuchin, Handelsminister Ross und Bildungsministerin DeVos, haben ihre Posten
behalten. Unterdessen haben die Untersuchungen über die Aktivitäten Russlands
und die Geschäfte Trumps viele Aktenschränke gefüllt.

Was ist zu tun?

Die
Einwanderungsfrage steht bei den Haushaltsverhandlungen im Mittelpunkt, nicht
nur, weil Trump es so verkauft hat, sondern auch wegen einer globalen Krise,
die durch Kapitalismus und Imperialismus verursacht wurde. Tausende von MigrantInnen
sind zur mexikanisch-texanischen Grenze marschiert. Sie werden von der
Grenzpolizei festgehalten, Tränengas ausgesetzt und von Internierung bedroht.
Zehntausende, darunter viele Kinder, sind bereits in US-Deportationslagern.

Die
Kongressmanöver der DemokratInnen gehen dieses Problem nicht an. Auch die
US-Gewerkschaften haben nichts Ernstes getan, um die ArbeiterInnenbewegung zu
mobilisieren, sich für ihre Klassenbrüder und -schwestern einzusetzen. Wenn sie
dies täten, wäre dies ein großer Schritt vorwärts im Kampf gegen den Rassismus
von Trump und seinen AnhängerInnen.

Daran kann man jetzt
sehen, wie Trumps Rassismus sowohl die Bundesangestellten als auch die
Millionen trifft, die von den Bundesdiensten abhängig sind, deren Finanzierung
der Präsident kürzen möchte. Dies zeigt, dass Solidarität zwischen allen Bereichen
dringend erforderlich ist.

Eine
Führungsrolle sollte die US-Linke übernehmen wie die heute 54.000 Mitglieder
starken Demokratischen SozialistInnen (DSA) sowie ganz linke Gruppen wie die Socialist
Alternative (Mitglied der KAI; deutsche Schwesterorganisation: SAV) und die
International Socialist Organization (mit permanentem Beobachterstatus in der
Vierten Internationale; deutsche Schwesterorganisation: ISO). Das gilt auch für
diejenigen wie Bernie Sanders, die auf dem Ticket der DemokratInnen gewählt
wurden, sich aber SozialistInnen nennen.

Trump hat
gedroht, einen Ausnahmezustand zu verhängen, um seine Mittel ohne Zustimmung
des Kongresses zu erhalten. Dies würde eine schwere Verfassungskrise in den USA
auslösen, was wahrscheinlich sein charakteristisches Getöse erklärt, gefolgt
von Zögern. Es gibt bereits Zeichen, dass RepublikanerInnen über die Länge des
Shutdowns geteilter Meinung sind. Wenn jedoch die FeindInnen der ArbeiterInnenklasse
entzweit sind, ist es ein guter Zeitpunkt, sie hart zu treffen. Alle Themen und
Fronten des Kampfes würden davon profitieren.

Mit den LehrerInnen
im bundesweiten Kampf, mit den Millionen von öffentlichen Angestellten in
Staaten und Kommunen, die von sinkenden Löhnen und gekürzten Staatshaushalten
betroffen sind, mit kürzlich wiederbelebten schwarzen und Frauenbewegungen
sollte die US-ArbeiterInnenschaft ihre Stärke zeigen und ein Ende der Ämterschließung
und Aufhebung des Mauerprojekts fordern. Die Linke sollte auch den Ruf nach
offenen Grenzen und gleichzeitig massiver Entwicklungshilfe ohne Bedingungen
für die von Armut betroffenen und ausgebeuteten Länder Mittelamerikas erheben.
Der erste Schritt dazu wäre eine Annullierung ihrer Schulden an imperialistische
Staaten und Konzerne. All das wären Schritt, die letztlich im Kampf um die Abschaffung
des kapitalistischen Systems und die Errichtung einer internationalen
Planwirtschaft mit Schwerpunkt auf Verbesserung der Lebensqualität für die
Milliarden Werktätigen in der „3. Welt“ münden müssten – den letzt einigen auf
Dauer wirksamen Mittel zur Abschaffung von Armut und Hunger.

Aber für eine
solche Politik müssen US-ArbeiterInnen und junge AktivistInnen ihre Illusionen
in die DemokratInnen ablegen – auch in die jüngere „linke“ oder „sozialistische“
Variante. Anstelle der alternativen Partei der Wall Street müssen sie sich
dafür engagieren, eine neue ArbeiterInnen- und sozialistische Partei
aufzubauen, um für unsere Klasse und all jene zu kämpfen, die unterdrückt und
ausgebeutet werden.




Trump: Rechtspopulismus an der Spitze des mächtigsten Imperialismus

Mo Sedlak, Revolutionärer Marxismus 50, November 2018

0 Einleitung

Wer heute von Rechtspopulismus redet, wird von Donald Trump kaum schweigen. Der exzentrische Immobilienmillionär, der überraschend die Präsidentschaft der USA und damit die Schlüsselrolle in der weltweiten kapitalistischen Ordnung gewinnen konnte, steht beispielhaft für die politische Verschiebung in den meisten imperialistischen Ländern.

Von einem angeblichen Aufbäumen der weißen männlichen ArbeiterInnenklasse bis zum Abschreiben der Demokratie in ein „post-faktisches“ Zeitalter haben bürgerliche Analysen alles an „Erklärungen“ zu bieten, wenn es um Trump geht. Seine Politik gilt als unberechenbar und unerklärlich, und allzu oft scheinen persönliche Wutausbrüche in der Entscheidungsfindung die Interessen des US-amerikanischen Kapitals in den Hintergrund zu rücken.

Tatsächlich sind weder die Wahl noch die Politik des 45. amerikanischen Präsidenten unerklärlich oder besonders überraschend. Ein Blick auf die marxistische politisch-ökonomische Analyse des 19. und 20. Jahrhunderts und auf die Überschneidungen des angeblich neuen Populismus mit dem altbekannten Bonapartismus zeigt: Solche politischen Phänomene traten während der gesamten imperialistischen Epoche, vor allem in Krisenperioden, immer wieder in Erscheinung.

Trumps große Versprechen, das Infragestellen der etablierten bürgerlich-demokratischen Strukturen in den USA, Rassismus, Nationalismus und Frauenfeindlichkeit, radikale Deregulierungspolitik und außenpolitische Aggressionen erklären sich aus den zugespitzten Widersprüchen nach der historischen Krise ab 2007.

Seine reaktionäre Politik und der dauerhafte Misserfolg, wenn es um die Einlösung seiner weniger reaktionären Wahlversprechen geht, können wir vor dem Hintergrund der Klassenbasis seiner UnterstützerInnen und der Interessengegensätze in der US-amerikanischen herrschenden Klasse erklären. Wie der traditionelle Bonapartismus verspricht Trump, die bestehenden Widersprüche in seiner Person und über die traditionellen Strukturen hinweg auflösen zu können. Die Schwäche seiner „Bewegung“ und die Tatsache, dass er bedeutende Teile des Staatsapparats und der herrschenden Klasse gegen sich hat, setzt seinen bonapartistischen Ambitionen jedoch auch Grenzen.

Trotzdem steht Trump für ein besonders reaktionäres und aggressives Regime an der Spitze der USA. Sowohl weltweit als auch im Land selbst kann ein Kampf gegen seine Regierung nur gelingen, wenn der gegen Rassismus, LGBTQ-Hass und Frauenfeindlichkeit mit einer Kampagne für eine eigenständige ArbeiterInnenpartei in den USA verbunden wird.

1 Trumps Klassenbasis

Gegen Trumps Kandidatur gab es beträchtlichen und auch öffentlichen Widerstand aus der herrschenden Klasse in den USA, die sich nicht nur auf die Unterstützung seiner traditionell republikanischen KonkurrentInnen in den Vorwahlen beschränkte. Gleichzeitig behaupteten verschiedene Medien vor, während und nach der Wahl immer wieder, Trump sei ein Kandidat der ArbeiterInnenklasse gewesen und von ihr an die Macht gebracht worden.

Dass ein Multimillionär aus der Immobilienbranche mit besten Verbindungen zu anderen KapitalistInnen und den Spitzen der zwei großen bürgerlichen Parteien ein Kandidat unserer Klasse wäre, ist natürlich Unsinn. Trotzdem ist es wichtig, das Verhältnis von Trump zur ArbeiterInnenklasse zu untersuchen, vor allem wenn man den Rechtspopulismus verstehen möchte, für den er zum Symbol geworden ist. Und auch die Widersprüche innerhalb der herrschenden Klasse, die Teile des Kapitals fest an seine Seite und andere in eine scheinbar kompromisslose Opposition (die „never- Trump“-Fraktion in der republikanischen Partei) gebracht haben, sind ein Schlüssel zum Verständnis dieser 45. Präsidentschaft.

Eine Analyse der Klassenbasis beginnt also mit seiner WählerInnenbasis. Entgegen der Darstellung von bürgerlichen Zeitungen wie New York Times und The Atlantic hat die mit der ArbeiterInnenklasse nicht viel zu tun. Noch relevanter ist aber die Klassenbasis seiner Kampagne und seines direkten Umfelds, des Beratungs- und Regierungskabinetts. Außerdem ist der Klassencharakter seiner Politik, sowohl die der Rechtsradikalen, an die er sich im ersten Jahr im Amt angenähert hatte, als auch der ProfiteurInnen seiner Steuer- und Deregulierungspolitik, bedeutend.

1.1 Haben die ArbeiterInnen Trump an die Macht gebracht?

Schon während der Wahl hatte die „Politmaschine“ der demokratischen Partei, und insbesondere ihres rechten Flügels, den Hauptfeind von Hillary Clinton identifiziert: die ArbeiterInnenklasse, die geschlossen hinter Trump stehen würde. Wo diese Behauptung doch zu abwegig erschien, wurden zumindest weiße, männliche Arbeiter für die Wahl des Präsidenten verantwortlich gemacht. Nach der Wahl wurde diese Behauptung durch die bürgerlichen Medien gereicht, von liberaler Seite als Anklage gegen die Klasse, von rechter Seite als Legitimation für die Präsidentschaft (1, 2, 3).

Das hat mit den tatsächlichen Ergebnissen aber nichts zu tun. Umfragen während der Vorwahlkampagne 2016 zeigten, dass die UnterstützerInnen von Trump im Vergleich zu den anderen republikanischen KandidatInnen die zweithöchsten Haushaltseinkommen hatten. Und zwischen Vorwahlen und Präsidentschaftskampagne änderte sich daran nichts Großartiges. Die American National Election Study, die größte Studie zu demografischen und politischen Strukturen unter WählerInnen, belegt, dass ungefähr 65 % der Trump-WählerInnen zur reicheren Hälfte der Bevölkerung gehören. Sie waren im Schnitt um ein Sechstel reicher als die UnterstützerInnen von Hillary Clinton. Die Einkommensverteilung bleibt ungefähr gleich, wenn nur die weißen WählerInnen befragt werden. An der besonderen Rolle der weißen ArbeiterInnen ist statistisch also auch nichts dran. Unter schwarzen und hispanischen WählerInnen hatte Trump aber auch kaum UnterstützerInnen (4, 5).

Dazu kommt, dass die ArbeiterInnenklasse in den USA zum größten Teil auch rassistisch unterdrückt ist. Bürgerliche WissenschaftlerInnen und auch die Führung der demokratischen Partei zählen aber Schwarze und HispanierInnen oft nicht zur ArbeiterInnenklasse. Die Rede ist oft nur von den „weißen ArbeiterInnen“. Tatsächlich wird vor allem die schwarze Bevölkerung systematisch von den Wahlen ferngehalten, von den immigrierten und teilweise undokumentierten Teilen hispanischer ArbeiterInnen ganz zu schweigen.

Die Idee, dass es ArbeiterInnen waren, die Trump an die Macht brachten, ist also falsch, selbst wenn wir nur die Wahlurnen und nur diejenigen ArbeiterInnen, die wählen dürfen, betrachten. Natürlich ist die US-amerikanische ArbeiterInnenklasse nach der herrschenden rassistischen Ideologie geschichtet, und weiße WählerInnen haben viel öfter ihr Kreuz für den republikanischen Kandidaten gemacht als schwarze und hispanische (dasselbe Ungleichgewicht gilt für Männer verglichen mit Frauen). So etwas wie eine weiße ArbeiterInnenklasse, die von ihren nicht-weißen KlassengenossInnen getrennt existieren würde oder separate Klasseninteressen hat, gibt es aber nicht. Die zweifellos vorhandene rassistische Segmentierung des Arbeitsmarktes und der Gesellschaft wird in diesen Analysen nicht als eine systematische, durch eine rassistische institutionelle Politik befestigte und reproduzierte Spaltung der Klasse begriffen, sondern erscheint als System verschiedener Gesellschaftsklassen.

Andere Unterschiede spielten aber wohl eine statistisch signifikante Rolle. Es war nicht die ArbeiterInnenklasse, sondern die Unterstützung im ländlichen und vorstädtischen Raum, unter gut verdienenden BäuerInnen/Bauern und natürlich auch aus der herrschenden Klasse, die Trump die Mehrheit der „Wahlpersonen“ im Electoral College gebracht hat.

Was aber stimmt, ist dass Hillary Clinton, die Konkurrentin um die Präsidentschaft von der Demokratischen Partei, in einzelnen entscheidenden Bundesstaaten des „Rust Belt“ kaum Wahlkampf betrieben und diesen auch dort verloren hat. In diesen Regionen, die von der fortschreitenden Deindustrialisierung am meisten betroffen sind, wurden ehemals gut bezahlte FacharbeiterInnen mangels ernstzunehmender sozialer Absicherung in den USA in die niedrigsten Schichten der ArbeiterInnenklasse oder in die permanente Arbeitslosigkeit getrieben. Die isolationistischen Wahlversprechen Trumps, die im beginnenden Handelskrieg Mitte 2018 ihren bisherigen Höhepunkt fanden, richteten sich auch an sie.

Es ist bezeichnend, dass es die ehemaligen industriellen Kernschichten der ArbeiterInnenklasse, sind, an die sich die Trump-Kampagne wendet. Diese bildeten für eine ganze Entwicklungsphase des US-Kapitalismus einen Bestandteil der ArbeiterInnenaristokratie, also der „oberen“, privilegierten Schicht der Lohnabhängigen. Sie werden von Trump nicht als ArbeiterInnen, sondern als AmerikanerInnen und Weiße angesprochen, die sich gemeinsam mit den GroßkapitalistInnen gegen die Niedriglohnkonkurrenz wehren müssten. Dass in diesen entscheidenden Bundesstaaten Massen von ArbeiterInnen darauf angesprungen sind, zeigt die Unfähigkeit der offen bürgerlichen Demokratischen Partei, eine Antwort für die Klasse zu formulieren. Es ist am Ende des Tages eine Konsequenz des Fehlens einer ArbeiterInnenpartei in den USA.

1.2 Trumps „Cronies“

Noch wichtiger als die soziale Zusammensetzung der WählerInnenschaft ist die Ausrichtung und Klassenherkunft seines BeraterInnenzirkels. Wenig überraschend rekrutieren sich die vor allem am Anfang aus denselben Kreisen, in denen er selbst verkehrt. Seine Tochter Ivanka Trump und sein Schwiegersohn Jared Kushner besitzen und leiten große Unternehmen. Kushner ist wie Trump selber in sogar für amerikanische Verhältnisse zweifelhaften Immobiliengeschäften aktiv.

Während der Wahlkampagne benannte das Forbes-Magazin sein direktes Umfeld als „Trumps goldenen Kreis“. In seinem „Angelobungskomitee“ sind seine größten SpenderInnen vertreten: MilliardärInnen wie Sheldon Adelson, Großinvestor Andrew Beal, Marketingmilliardärin Betsy DeVos, sowie ein Pionier der besonders umweltschädlichen Gas- und Ölfördermethode Fracking, Harold Hamm, repräsentieren die Interessen verschiedener Sektoren der KapitalistInnenklasse an der Trump-Präsidentschaft. Das äußerte sich auch im 4,3 Milliarden Dollar-Regierungskabinett des Präsidenten. Wegen der offensichtlichen Überschneidungen politischer und unternehmerischer WeggefährtInnen Trumps nennt das amerikanische Onlinemagazin The Daily Beast die Regierung „Trump’s Crony Cabinet“. Als „Crony Capitalism“ bezeichnet man in den USA Vetternwirtschaft (6, 7, 8).

Außerdem scharte er BeraterInnen aus der rechtsradikalen Szene in den USA um sich. Sein Kampagnenmanager Steve Bannon produzierte verschwörungstheoretische Filme, übernahm die Chefredaktion der Rechtsaußeninternetseite Breitbart News Network, stellte die Berichterstattung vor allem auf Hass gegen Geflüchtete um und äußerte mehrfach seine „Faszination“ von Mussolini. Andere Berater wie Stephen Miller und Sebastian Gorka kommen ebenfalls aus dem rechtsradikalen Spektrum. Die Ideologien, die hier zusammenlaufen, haben ihre Wurzeln in der kleinbürgerlichen Ideologie des Faschismus und handeln, einmal an der Macht, im Interesse der größten KapitalistInnen (9, 10).

Die „Trump-Bewegung“ ist also weder in der ArbeiterInnenklasse noch in ihren Organisationen verankert. Vielmehr wurde sie finanziell von MultimilliardärInnen und ideologisch von Rechtsradikalen getragen.

1.3 Choreografie des Wahlkampfs

Vor seiner Kandidatur hatte Donald Trump sich noch nie für ein politisches Amt aufstellen lassen. Er war aber eine bekannte Figur des öffentlichen Lebens, als steinreicher Bauunternehmer, Society-Persönlichkeit und Fernsehstar. In seiner Serie „The Apprentice“ ging es vor allem darum, wie er KandidatInnen entlässt. „You’re Fired“ wurde zu seinem Standardsatz. Aber er war auch immer wieder politisch aktiv gewesen. Trump fiel durch öffentlichkeitswirksame Großspenden auf, wobei er mehr an die demokratische als an die republikanische Partei spendete.

Schon 2011 überlegte er laut, sich für die republikanische Partei als Gegenkandidat zu Obama aufstellen zu lassen und stellte seine Unterstützung für die DemokratInnen ein. Im gleichen Jahr stieg er auch zu einem der prominentesten Vertreter der rassistischen „Birther“-Verschwörungstheorie auf und vertrat die These, dass Präsident Barack Obama nicht in den USA, sondern in Kenia geboren sei und deshalb als Präsident abtreten müsse. Diese Kampagne kann auch als der Beginn seines öffentlichen Flirts mit Rechtsradikalen und Neonazis in den USA gesehen werden, der seinen Höhepunkt in seiner Weigerung fand, sich von einem Wahlaufruf des ehemaligen Ku-Klux-Klan-Oberhaupts zu distanzieren (11, 12).

Trump begann seine Wahlkampagne mit offenem Rassismus, als er mexikanischen MigrantInnen vorwarf, zu einem guten Teil Vergewaltiger und DrogendealerInnen zu sein. Die ersten Wochen waren auch von frauenfeindlichen Kommentaren gegen kritische Journalistinnen und einem behindertenfeindlichen Wutausbruch geprägt. Wenig später forderte Trump ein Einreiseverbot für MuslimInnen und StaatsbürgerInnen „muslimischer“ Länder. Die Forderung einer Mauer an der Südgrenze der USA war von Anfang an zentral für die Kampagne, die vor allem auf rassistischer und frauenfeindlicher Hetze aufbaute.

Im weiteren Verlauf der Vorwahlen kam der zweite Hauptaspekt der Trump-Kampagne zum Vorschein. Unter dem bald allgegenwärtigen Motto „Make America Great Again“ forderte Trump eine härtere und von den Institutionen des „regelbasierten Systems“ (WTO und multilaterale Verträge) unabhängige Handelspolitik ein. Er behauptete, die wirtschaftliche Vormachtstellung der USA würde von anderen Ländern ausgenutzt werden, kündigte den Rückzug aus verschiedenen internationalen Verträgen und hohe Schutzzölle im industriellen Bereich an.

Zwar wurde das auch mit zu erhaltenden Arbeitsplätzen im industriellen Bereich argumentiert. Hauptsächlich ist die Abwendung vom freien Weltmarkt aber ein Werben um die Unterstützung mittelgroßer Unternehmen, die sich auf den amerikanischen Markt konzentrieren. Für viele multinationale Unternehmen ist die protektionistische Gangart aber bedrohlich. Um die Unterstützung großer Finanzunternehmen und des Energiesektors nicht zu verlieren, verspricht Trump außerdem weitgehende Deregulierung im Finanzwesen und bei Umweltstandards.

Ein dritter wichtiger Aspekt der Trump-Kampagne war die Leugnung des menschengemachten Klimawandels und die Ankündigung, sich aus internationalen Abkommen und bundesweiten Plänen zur Reduzierung von Abgasen zurückzuziehen. Auf Basis einer wissenschaftsfeindlichen und anti-akademischen Rhetorik präsentierte Trump ein Programm für Kohle-, Ergas- und Ölfirmen und andere von Umweltgesetzen betroffene Sektoren (13, 14).

Es ist außerdem bemerkenswert, dass Trump sich unter dem Motto „Drain the Swamp“ („Trocknet den Sumpf aus“) immer wieder gegen das „politische Establishment“ in Washington richtete. Gleichzeitig bezog er vor und nach der Wahl auch gegen staatliche Behörden inklusive der Bundespolizei FBI Stellung. Damit benutzt er zwar ein traditionelles Argument der republikanisch-libertären Rechten gegen die zentrale Bundesstaatlichkeit. Er brachte aber auch eine sehr mächtige Gruppe in der amerikanischen Politik, die bürokratischen Spitzen des Staatsapparats, gegen sich auf.

Politisch richtete sich die Kampagne Trumps also an die reaktionärsten Teile der Bevölkerung und bestimmte, in den USA politisch wichtige, Teile der herrschenden Klasse. Direkte Unterstützung erfuhr er vom rechtsradikalen Milliardär Robert Mercer, der auch hinter Trumps ideologischem Berater Steve Bannon, der immer wieder beim Neonazismus ideologische Anleihen nahm, stand wie auch hinter der Datenfirma Cambridge Analytica, der illegale Nutzung von Facebook-NutzerInnendaten in Trumps Wahlkampf vorgeworfen wurde (15).

1.4 Die Skandale

Der Wahlkampf von Trump hatte auch drei Skandale aufzuweisen, die seine tägliche reaktionäre Stimmungsmache noch überschatteten. Zum einen wurde eine Fernsehaufnahme veröffentlicht, in der Trump zugab, regelmäßig Frauen zu belästigen, die es nicht wagen würden, einem mächtigen Mann wie ihm Einhalt zu gebieten. Er sprach davon, sie gegen ihren Willen zu küssen und ihnen in den Schritt zu greifen.

Mit der Ernennung des Sexisten, Rassisten und Ultrareaktionärs Kavanaugh zu einem der Obersten Richter hat die Frauenfeindlichkeit der Trump-Administration einen weiteren Höhepunkt erreicht. Gerade dieses Beispiel verdeutlicht jedoch, dass es nicht nur um eine reaktionäre Mobilisierung der eigenen AnhängerInnen geht, sondern auch darum, die staatlichen Institutionen neu auszurichten.

Wenig später wurde ihm vorgeworfen, in der Kampagne von InternetspezialistInnen der russischen Regierung mit Botnetzwerken (Bot: automatisiertes Computerschadprogramm) und Werbekampagnen unterstützt zu werden. Die Ermittlungen dazu dauern noch an, die Anschuldigung, Trump sei eine „russische Marionette“, ist aber zu einem Lieblingsargument seiner demokratischen FeindInnen geworden.

Zuletzt wurde nach der Wahl bekannt, dass die Firma Cambridge Analytica in großem Stil Facebook-NutzerInnendaten illegal beschafft hatte, um gezielte und manipulative Werbung zu schalten. Cambridge Analytica gehört zum Teil dem rechtsradikalen Milliardär Rober Mercer, der Trumps Kampagne sehr großzügig unterstützte und wahrscheinlich für das Einsetzen des Faschisten Steve Bannon als Kampagnenmanager verantwortlich war.

Weder die offene Frauenfeindlichkeit noch die Möglichkeit manipulativer Wahlkampagnen sind etwas sehr Ungewöhnliches für die republikanische Partei. Im Ausmaß und in der Offenheit stellte die Kampagne aber einen Bruch dar, der wohl auch gezielt genutzt wurde, um Trump als Außenseiter zu verklären und eine außergewöhnliche Loyalität von seinen UnterstützerInnen einzufordern.

1.5 Wen repräsentiert Trump?

Trump steht für eine Zuspitzung der Widersprüche in der US-amerikanischen Politik nach der historischen Krise ab 2007. Den KapitalistInnen ist es zu einem großen Teil gelungen, deren Kosten auf die ArbeiterInnenklasse abzuwälzen: Das Lohnniveau und die Arbeitsbedingungen haben sich massiv verschlechtert, der „Sozialstaat“ wurde trotz der von den DemokratInnen eingeführten gesetzlichen Krankenversicherung weiter abgebaut.

Aber die Krise und die Abhängigkeit von anderen Staaten haben in der Erholung auch zu einer Schwächung US-amerikanischer Firmen im internationalen Wettbewerb geführt. Andere Länder und imperialistische Blöcke konnten ihre Stellung in den vergangenen zehn Jahren ausbauen, vor allem China. Das bedroht Teile des US-Kapitals und wird zusammen mit angeblichen ArbeitsmigrantInnen aus Lateinamerika auch als Sündenbock für den gefallenen Lebensstandard der ArbeiterInnen verwendet.

Trump repräsentiert in erster Linie eine Schicht besonders reicher KapitalistInnen, die an einer (zeitweisen) Abschottung von der Konkurrenz auf dem Weltmarkt mehr profitieren, als sie durch fehlende neokoloniale Überausbeutung verlieren. Außerdem spricht er mit seinem radikalen Deregulierungsprogramm FinanzkapitalistInnen, den Energiesektor und Teile der chemischen Industrie an.

Demgegenüber steht Hillary Clinton, die vor allem die etablierten Gewerkschaftsführungen, international ausgerichtete KapitalistInnen und den Staatsapparat repräsentiert. Im Allgemeinen sind das Gruppen, die von der demokratischen Politik der letzten Jahre profitiert haben, oft auf Kosten rassistisch Unterdrückter und der Opfer der imperialistischen Politik von Obama. Die war aber in den letzten Jahren nicht mehr in der Lage, den Status quo zur Zufriedenheit der Herrschenden und ohne Widerstand der Unterdrückten aufrechtzuerhalten. Trump repräsentiert also auch die Notwendigkeit für die KapitalistInnenklasse, ihre Herrschaft neu zu gestalten. Das erfordert ebenfalls eine Neuausrichtung der bestehenden staatlichen Institutionen – sowohl in personeller als auch teilweise in struktureller Hinsicht. Daher auch die offenen Angriffe auf Teile des Staatsapparates (bis hin zu Geheimdiensten), die von politischen GegnerInnen „verseucht“ seien. Einzig die US-Armee wird von den Tiraden ausgespart. Dies ist kein Zufall. Bei aller populistischen Rhetorik und Angriffen gegen das Establishment geht es bei seinem „America First“ nicht um ein Infragestellen des US-Imperialismus und seiner Vorherrschaft, sondern um eine andere Strategie, diese gegen aufstrebende Konkurrenz zu verteidigen.

2 Die Ideologie des Trumpismus

Dieselben Medienberichte, die die ArbeiterInnenklasse für die Wahl von Trump verantwortlich machen, stellen den Präsidenten als weitgehend unpolitischen Mann ohne eigene Ideologie dar. Immer wieder wird darauf verwiesen, dass sich Trump aus verschiedenen ideologischen Lagern bedienen würde, wie es ihm gerade passe. Dazu kommen Darstellungen als psychisch krank oder intellektuell unterdurchschnittlich begabt. Das ist gleichzeitig verharmlosend, eine reaktionäre Abwertung psychisch kranker Menschen und geht meilenweit am tatsächlichen Problem vorbei.

Die Schwierigkeiten bei der ideologischen Zuordnung des Trumpismus kommen daher, dass er mit den traditionellen Hauptlagern der RepublikanerInnen und DemokratInnen an den Spitzen der jeweiligen Parteien bricht. Sein inszeniert volksnahes Auftreten und seine radikale Politik im Interesse der KapitalistInnen sind aber auf keinen Fall neu.

Auf der einen Seite ist der Bezug auf den ehemaligen Gewerkschafter, Filmschauspieler und späteren Vorkämpfer des Neoliberalismus, Ronald Reagan, offensichtlich. Wie Reagan verwendet Trump eine Rhetorik, die die Probleme der ArbeiterInnenklasse im Verfall traditioneller Strukturen und die der US-amerikanischen Wirtschaft in der Zerrüttung harmonischer Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit ortet. Und wie bei Reagan sind die Lösungen Trumps radikale Angriffe auf Rechte und Errungenschaften der ArbeiterInnenklasse. Zu den schon damals wichtigen Gewerkschaften als Angriffsziele gesellt sich heute die Bedrohung von ArbeiterInnen durch Illegalität und Abschiebung hinzu.

In der marxistischen Analyse kann das als bonapartistische Ideologie bezeichnet werden: In einer Zeit der Krise stellt sich ein/e PolitikerIn scheinbar über die Klassen und findet die gemeinsamen Interessen von ArbeiterInnen und KapitalistInnen hinter dem Zurückstellen von deren Differenzen. Die zeitweiligen Kosten für die KapitalistInnenklasse zahlen am Ende aber immer die ArbeiterInnen, und aus der angeblichen Interessengemeinschaft werden oft radikale Angriffe auf die Strukturen und Errungenschaften unserer Klasse.

2.1 Bonapartismus

Der Begriff des Bonapartismus kommt aus Karl Marx’ „Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte“, einer Analyse des Staatsstreichs 1851 des Präsidenten der Zweiten Französischen Republik, Louis Napoleon. Napoleon ließ sich zuerst zum Präsidenten wählen und später zum Kaiser krönen. Während er sich als der Vertreter der Werktätigen in Stadt und Land darstellte, lag seine Unterstützung vor allem bei den Bäuerinnen/Bauern und unter KleinbürgerInnen. Marx erklärt in diesem Buch nicht nur seine ökonomische Klassenanalyse, sondern auch die Rolle der Zustimmung der Massen als Bedingung für Herrschaft in der Klassengesellschaft (16).

Die Parallelen im Aufstieg von Trump zu Louis Napoleon sind recht offensichtlich. Napoleon stützte sich vor allem auf die Bäuerinnen und Bauern, Trump wurde mit den Stimmen der ländlichen und vorstädtischen und gegen die der städtischen Massen an die Regierung gebracht. Marx hielt im achtzehnten Brumaire fest, dass die Wahl von Napoleon einen „Sieg des Ländlichen über die Stadt“, genährt aus den bäuerlichen Ressentiments, verkörperte. Napoleon bezeichnete sich als die Rettung der BürgerInnen vor dem erstarkenden Sozialismus. Trump stellte sich ganz ähnlich als Bollwerk gegen Bewegungen wie „Black Lives Matter“, die „Bernie-SozialistInnen“ und das Schreckgespenst muslimischer und mexikanischer EinwanderInnen dar. Damit benannte er gleichzeitig tatsächliche politische Bewegungen, die das Establishment bedrohen, und fand einen populären Sündenbock (17, 18).

Aber der Begriff des Bonapartismus geht über historische Parallelen hinaus. In der trotzkistischen Tradition ist er zentral im Verständnis sowohl des Nationalsozialismus als auch dem der konterrevolutionären Degeneration der stalinistischen Bürokratie in der Sowjetunion. Das hat nichts mit einer Gleichsetzung von Nationalsozialismus und Stalinismus zu tun, sondern benennt und erkennt die treibenden Kräfte hinter Herrschaftsformen, die sich im Interesse der Stabilität scheinbar über die Klassengegensätze stellen.

Trotzki verwendet den Begriff des Bonapartismus nicht nur um zu erklären, dass die Figur des „starken Mannes“ in Zeiten der Krise viele gesellschaftliche Kräfte hinter sich vereinen kann und sich so scheinbar über die Klassen stellt. Es geht auch darum, die historischen Bedingungen zu beschreiben, unter denen eine bonapartistische Herrschaft sinnvoll für die herrschende Klasse und gleichzeitig möglich wird. Denn die Position über den Klassen ist nicht nur Selbstdarstellung, sie hat reale Auswirkungen, die für die KapitalistInnen durchaus teuer sein kann. Es ist auch wichtig zu verstehen, dass der Bonapartismus nicht nur zur Stabilisierung der Herrschaft des Kapitals dienen muss, wie die Beispiele der herrschenden Bürokratie in der späteren UdSSR oder der Regierung Hugo Chávez’ zeigen.

In „Bonapartismus und Faschismus“ (1934) beschreibt Trotzki die präventiv-bonapartistischen Übergangsregime, die Regierungen Brüning, von Papen und Schleicher in Deutschland, die wenig später widerstandslos den Weg für das nationalsozialistische Regime frei machten. Er beschreibt die historische Voraussetzung für den Bonapartismus in Deutschland und wenig später in Frankreich als ein Gleichgewicht zwischen konterrevolutionären Angriffs- und revolutionären Verteidigungsbemühungen, die die „Achse der Macht“ über die Klassen und ihre parlamentarische Vertretung erheben.

Der Bonapartismus ist für ihn immer geprägt von einem mächtigen Staatsapparat. Die historischen Situationen, in denen er die Analyse zur Anwendung bringt, sind sehr unterschiedlich: die relative Schwäche des mexikanischen Kapitals im Vergleich zur ArbeiterInnenklasse in den 1930er Jahren, die französische Regierung Doumergue, die österreichische „Vaterländische Front“zur Unterdrückung der Linken und gleichzeitig als Verteidigung der österreichischen Unabhängigkeit, oder die Regierungen Brüning bis Schleicher in Deutschland und Pilsudski in Polen als Zwischenstationen zum Faschismus (19).

Der Staatsapparat hat aber kein eigenes politisches Programm außer der Aufrechterhaltung der Ordnung. Seine Aufgabe ist die Verteidigung des Bestehenden. Indem sich der Bonapartismus scheinbar über die Klassen erhebt, verteidigt er (im Kapitalismus) die Herrschaft der KapitalistInnen über die ArbeiterInnen und das oft abseits demokratischer Freiheiten und mit der vollen zur Verfügung stehenden Gewalt des Staatsapparats.

Wie Marx in „Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte“ beschreibt, bedarf auch der Bonapartismus einer gesellschaftlichen Basis, die im 19. Jahrhundert vor allem die Bauernschaft stellte. Das bedeutet, dass sowohl KapitalistInnen und ArbeiterInnen bereit sein müssen, sich und ihre Klasseninteressen den BonapartistInnen unterzuordnen. Im Falle Frankreichs war dies möglich, weil sich die Kräfte der Revolution erschöpft hatten, die ArbeiterInnenklasse geschlagen war, während die Bourgeoisie ihre inneren Gegensätze nicht zu lösen vermochte und daher die politische Macht einem „Dritten“, also dem Bonaparte übertrug. Die Herrschaft Louis Napoleons war vergleichsweise stabil, weil er am Ende einer revolutionären Periode an die Macht kam, als konterrevolutionärer Schlusspunkt.

Historisch kommt der Bonapartismus aber oft auch dann an die Macht, wenn die inneren Klassenwidersprüche besonders zugespitzt sind oder die herrschende Klasse nicht in der Lage ist, die Gesellschaft gegen großen äußeren Druck zu organisieren. Der Bonapartismus ist also an sich eine besonders instabile Form der Herrschaft, die sich noch nicht auf ein neues Gleichgewicht zwischen den Klassen stützen kann. Er stellt in dieser Konstellation daher ein Übergangsregime dar und noch keine neue konterrevolutionäre Ordnung.

Der ideologische Kern des Bonapartismus ist also die Vereinigung der kleinbürgerlichen, verzweifelten Massen und die scheinbare Aufhebung der Klassengegensätze in einem Projekt der nationalen Einigung, für die eine Führungsfigur oder -kraft stellvertretend steht. Die historische Voraussetzung ist eine gegenseitige Lähmung der herrschenden und beherrschten Klassen, die die Achse der Macht über die Klassen und ihre Kämpfe erhebt. Solch eine Situation finden wir im Kapitalismus besonders oft in der wirtschaftlichen und politischen Krise vor, wenn die Herrschenden nicht mehr so weiter machen können wie bisher. Sie ist zugleich jedoch instabil, solange die ausgebeuteten, unterdrückten Klassen und Schichten noch nicht entscheidend geschlagen sind.

2.2 Bonapartismus und Populismus

Für ein modernes Verständnis des Rechtspopulismus, in den Donald Trumps Ideologie und Regierung eingeordnet werden kann, ist ein solches des historischen Bonapartismus dringend notwendig. Der Populismus als Herrschaft im Sinne der Massen oder des Volkes versucht, zum Bonapartismus zu werden. Das wird auch offensichtlich am oft geäußerten Anspruch, seine Macht nicht aus den Institutionen, sondern dem Willen des Volkes zu beziehen. Hier vollzieht sich die Ablösung von den (parlamentarischen) Institutionen des Klassenwiderspruchs, die Trotzki beschreibt, ganz augenscheinlich.

Wo der Rechtspopulismus nicht zur bonapartistischen Herrschaft wird, weil er die notwendige Strahlkraft zur Vereinigung der Massen nicht hat oder die notwendige Kraft zur Unterdrückung der Klassen und ihrer Organisationen nicht aufbringen kann, da trägt er zumindest den ideologischen Kern des Bonapartismus in sich. Auch der historische Inhalt, nämlich die politische Umwälzung der bestehenden Form der Klassenherrschaft, ist gleich.

Die Trump-Präsidentschaft schafft es noch nicht, sich über die traditionellen Herrschaftsinstrumente der Klassenherrschaft in den USA zu erheben. Fast wöchentlich werden Gesetzesvorschläge und „Exekutiverlässe“ von Gerichten kassiert oder scheitern in Senat und Kongress. Zugleich versucht die Regierung offenkundig, dieses Problem in ihrem Sinne zu lösen – sei es durch die zunehmende Dominanz über die Republikanische Partei oder die Besetzung und Neuausrichtung von Institutionen wie dem Obersten Gerichtshof.

Die amerikanische „International Socialist Organization“ ISO schreibt dazu: „Napoleon Bonaparte brauchte ein paar Jahre, bevor er die französische Republik überwinden und das Kaiserreich zu errichten vermochte. […] Ob es Trump gelingen wird, einen amerikanischen Bonapartismus einzuführen, können nur der Klassenkampf und die Zeit zeigen.“ Diese Einschätzung mag zwar alarmistisch übertrieben sein, aber sie legt den Finger in die Wunde: Die Grundlagen dazu sind im Programm des gewählten Präsidenten schon gelegt, und die ArbeiterInnenbewegung in den USA hat sich bisher als unfähig erwiesen, dem etwas entgegenzusetzen (20).

Um den populistischen Teil der Trump’schen Ideologie besser zu verstehen, ist es notwendig, die politischen Eckpunkte in einer genaueren Analyse zu betrachten: Rassismus, Frauenfeindlichkeit und die Leugnung des menschengemachten Klimawandels.

2.3 Rassismus

Die rassistischen Ausfälle von Donald Trump sind bestimmend für sein Bild in der Öffentlichkeit geworden, seit er die Ankündigung seiner Kandidatur mit Ausfällen gegen mexikanische MigrantInnen („Vergewaltiger und DrogendealerInnen“) kombinierte, die sogar in den berüchtigt rassistischen USA schockierten. Später behauptete er, dass alle MigrantInnen aus Haiti an AIDS erkrankt wären und alle nigerianischen MigrantInnen aus „Hütten“ kämen. Er bedient damit rassistische Klischees über schwarze Menschen, die Gruppe, deren rassistische Unterdrückung in den USA historisch am wichtigsten und schlimmsten ist. Seine Beteiligung an der rassistischen „Birther“-Bewegung, die die Verschwörungstheorie vertritt, Barack Obama sei in Kenia geboren und deshalb ein illegitimer Präsident, markierte den Beginn seiner öffentlichen politischen Karriere.

Mit dem antimuslimischen Rassismus, der seinen Höhepunkt im berüchtigten „muslim ban“ (einem Einreiseverbot für Menschen aus „muslimischen“ Ländern) fand, ordnet er sich nahtlos in den US-amerikanischen Mainstream seit 2001 ein. Die gesetzliche Diskriminierung und die damit einhergehende Verhaftung von StaatsbürgerInnen und „Residents“, die aus dem Iran oder dem Jemen stammen, sind trotzdem ein qualitativer Bruch mit der ebenfalls rassistischen Politik der Obama-Ära.

Die besondere Form des Rassismus, für die Trump öffentlich steht, wird in den USA „Jingoismus“ genannt. Dieser verbindet nationalistischen Rassismus mit einer Glorifizierung imperialistischer Kriegs- und Besatzungspolitik. Der imperialistischen Nation, die in den USA ohnehin und von Trump im Speziellen vor allem mit der weißen Bevölkerung identifiziert wird, wird nicht nur ein Missionierungsauftrag, sondern ein Recht auf Herrschaft zugesprochen. Durchaus passend für den weltweit mächtigsten Imperialismus und auch nicht überraschend, dass in einer Zeit, wo diese Rolle vor allem von Seiten des chinesischen Imperialismus bedroht wird, auch seine ideologische Unterfütterung schärfer wird.

Rassismus ist in den USA ohne die siedlerkoloniale und sklavenhalterische Vergangenheit sowie imperialistische Gegenwart nicht zu begreifen. Zu einer rassistischen Abwertung anderer Nationen und Kulturen kommt beim Jingoismus auch eine ideologische Überhöhung radikaler militärischer Taktiken dazu. Ein anschauliches Beispiel ist der Vorschlag von Trumps Vorwahlkonkurrenten Ted Cruz, „ISIS solange mit Bombenteppichen zu überziehen, bis der Sand im Dunkeln leuchtet“ (21). Gerade im Kontext sich verschärfender imperialistischer Konkurrenz, vor allem gegen China, wird offener Rassismus im Verbund mit der Forderung, militärische Stärke zu zeigen, zu einer immer wichtigeren Strategie der herrschenden Klasse in den USA.

Trump ist nebenbei erwähnt auch persönlich einfach ein Rassist: In den 1970er Jahren steckte er als Immobilien-Tycoon einigen Aufwand darin, nicht an Schwarze vermieten zu müssen, unterbezahlte seine schwarzen Angestellten, denen er „Faulheit“ vorwarf, und bediente immer wieder die rassistische Legende schwarzer Männer, die weiße Frauen jagen würden. Als treibende Kraft hinter der Präsidentschaft ist der Rassismus aber auf eine höhere Ebene gehoben worden, die von persönlicher Grauslichkeit eines alten weißen Mannes nochmal verschieden ist (22).

2.4 Frauenfeindlichkeit

Die Politik Donald Trumps richtet sich auch offensiv gegen Frauen. Deren Rechte sind in den USA in republikanisch regierten Bundesstaaten in Bezug auf Abtreibung, Verhütung und Diskriminierung ohnehin regelmäßig Ziel staatlicher Angriffe (23). Trump selbst hat Gesetze zur Transparenz bezüglich gleicher Bezahlung und Pensionsvorsorge für Frauen aus der Obama-Ära zurücknehmen lassen, es Bundesstaaten (wieder) erlaubt, allen Einrichtungen Unterstützung zu entziehen, die Abtreibungen anbieten oder über sie informieren, und dieselbe Regel für internationale Hilfszahlungen (die sogenannte „gag rule“) eingeführt (24).

Daneben war offener Frauenhass auch Teil der Wahlkampagne. Symbolisch für den Widerstand gegen Trump war eine Fernsehaufnahme, in der er dem Moderator berichtete, dass er Frauen gegen ihren Willen küssen und zwischen den Beinen begrapschen würde. Schon vor seiner Wahlkampagne reduzierte er seine einzige weibliche Konkurrentin in den Vorwahlen, Carly Fiorina, auf ihr Aussehen und fragte „Wer würde so jemand Hässliche wählen wollen?“ Er forderte öffentlich, Frauen die Abtreibungen vornehmen lassen, zu bestrafen, und fragte kritische Journalistinnen, ob sie gerade menstruieren würden.

Abfällige Kommentare über Frauen gehören seit den 1970er Jahren zu Trumps Standardrepertoire. Wie beim Rassismus ist das Teil seiner persönlichen, reaktionären Ideologie. Aber auch wenn die Wahlkampagnen in den USA sehr persönlich auf den/die KandidatIn fokussiert sind, erreicht diese Ideologie eine andere Qualität, weil sie zur Leitlinie der Ideologie der Trump-Kampagne wurde.

2.5 Klimawandel

Wie auch in Bezug auf die rassistische „Birther“-Bewegung klingen Trumps Überlegungen zum Klimawandel zunächst wie wirre Verschwörungstheorien, die in der republikanischen Partei nicht unüblich sind. Im Kontext US-amerikanischer Politik wird die ideologische Bedeutung offensichtlich. Die Leugnung eines menschengemachten Klimawandels äußert sich bei Trump in der Abschaffung von Umweltschutzbedingungen auch für Ölförderung und -transport, Atomkraftwerke und Abgasbestimmungen für Kohleenergie. „Wir werden die Kohle zurückbringen“, hat er versprochen (25).

Trumps Meldungen zum Klimawandel haben sehr zur Erheiterung seiner KritikerInnen geführt, aber nicht unbedingt dazu, dass seine gefährlichen politischen Vorhaben ernst genommen werden. Er hat die umstrittene Keystone XL Pipeline durchgesetzt (die wenige Monate später bei einem Rohrbruch das Trinkwasser der Region vergiftete), den „Clean Power Act“ zurückgenommen und die USA aus dem Pariser Klimaabkommen herausgezogen. Das erklärt auch die enorme Unterstützung, die Trump von den GroßkapitalistInnen im Öl- und Energiesektor erfährt (26, 27).

2.6 Privatisierung des Staatsapparates

Vor allem in den ersten Monaten der Präsidentschaft hatte Trump seine Wahlversprechen vor allem durch „Executive Orders“, also Dekrete, die nur der/die PräsidentIn ausstellen kann, umzusetzen versucht. Das ergibt sich auch aus dem populistischen Anspruch, für den seine Kampagne steht, sich über die scheinbar lähmenden demokratischen Strukturen hinwegzusetzen, und Vorhaben stattdessen legitimiert durch die populäre Unterstützung durchzusetzen. Das hat angesichts der sich wiederholenden gerichtlichen Anweisungen, die Dekrete zurückzunehmen (denen Trump auch Folge geleistet hat), fast nie funktioniert.

Dahinter steht aber auch das libertäre Staatsverständnis, das von Rechtsradikalen und Ultra-Neoliberalen in den USA seit Jahrzehnten vertreten und mit viel Geld in die staatlichen Strukturen getragen wird. Lobbyorganisationen, versteckt bezahlte BürgerInneninitiativen (so genannte „Astroturfers“), MedienpartnerInnenschaften und Unterstützung für ultrarechte Wahlkampagnen prägen den rechten Rand der Republikanischen Partei. Symbolisch dafür steht das Stiftungsnetz der milliardenschweren Koch Brothers mit Heritage Foundation, American Enterprise Institute und „Americans for Prosperity“. Seit den 1980er Jahren haben sie und ihre GesinnungsgenossInnen den Schwenk von der radikaleren, aber bei Wahlen erfolglosen „Libertarian Party“ hin zu den RepublikanerInnen vollzogen. Laut der Website politico.com konnten die beiden Mehrheitseigentümer des zweitgrößen privaten Unternehmens in den USA zusammen mit anderen 900 Millionen Dollar im Zeitraum 2009 – 2016 aufbringen und sind damit eine Konkurrenzstruktur zum Führungsgremium der RepublikanerInnen geworden (28).

Die Kochs wandten sich jedoch öffentlich gegen Trump und verkündeten, die gesammelten 900 Millionen stattdessen KandidatInnen zu Senat und Kongress zukommen zu lassen. Aber sie, ihre KandidatInnen und ihre Politik haben in den letzten zehn Jahren den rechten Rand der RepublikanerInnen geprägt, auf den sich Trump stützt. Tatsächlich baut der 45. Präsident einen noch größeren und noch „stärkeren“ Staatsapparat auf als sein Vorgänger – die Erhöhung des Militärbudgets um fast 50 % und die immer weiterreichenden Befugnisse von Abschiebebehörden und Polizei machen das ganz klar. Trump steht nicht für einen kleineren oder schwachen Staat – aber für die Schwächung aller Strukturen, die seine populistischen Ansprüche behindern könnten. Für ihn bedeutet die Privatisierung der staatlichen Aufgaben die Übertragung in die private Hand des/der PräsidentIn. Dieser Widerspruch, auch zu einigen der größten SpenderInnen für die Republikanische Partei, wird noch zu Konflikten führen.

2.7 Trumps Ideologie zusammengefasst

Historisch muss die Ideologie des Trumpismus als Populismus im besonderen US-amerikanischen Kontext und seiner fehlenden Tradition einer ArbeiterInnenbewegung verstanden werden. Die Wurzeln im Bonapartismus reihen sich ein in die sehr zugespitzte politisch-ökonomische Lage nach der Krise 2007. Sie bietet hier eine scheinbare Lösung für gut gestellte Schichten der ArbeiterInnenklasse und national orientierte Sektoren der KapitalistInnen.

Die ideologische Klammer ist hier weniger als für den Rechtspopulismus üblich Nationalismus, der in den USA ohnehin kein Alleinstellungsmerkmal wäre. An dessen Stelle tritt der offene Flirt mit weißen Rechtsradikalen und Neonazis, scheinbar tabubrechender Rassismus, Frauenfeindlichkeit und eine extrem reaktionäre Umweltpolitik. Das bedient einerseits identitätsstiftende Merkmale der amerikanischen Rechten, ist aber auch ein offener Bruch mit der ideologischen Selbstdarstellung der Obama-Präsidentschaft und der DemokratInnen rechts von Bernie Sanders.

Dazu kommt die Verwurzelung des Rassismus in den USA in der Kolonial- und Sklavenhaltergeschichte und die imperialistische Gegenwart des Landes. Trumps rassistische Ideologie mündet in Forderungen nach einer aggressiven Wirtschafts- und Handelspolitik und militärischer Drohung. Das ist eine Annäherung an den militärisch-industriellen Komplex, die profitable und einflussreiche Waffenindustrie.

An den Eckpunkten der Trump-Ideologie werden auch die Widersprüche in der herrschenden Klasse offensichtlich, dieselben, die dazu geführt haben, dass sich ein Teil der KapitalistInnen hinter den politischen Außenseiter gestellt und so seinen Sieg möglich gemacht haben. Trump bricht mit der sozialliberalen Selbstdarstellung der DemokratInnen und dem Bekenntnis zur Gleichberechtigung von Frauen, rassistisch Unterdrückten und LGBTQ-Personen, das auch nur für einen Teil der Bevölkerung gegolten hatte. Diese Veränderungen und Verschlechterungen werden von den KapitalistInnen begrüßt, die eine härtere Gangart gegen die Bewegungen der ArbeiterInnen und Unterdrückten neben einem stärkeren Bezug auf die reaktionären Traditionen für notwendig halten. Abgestoßen werden mächtige Teile des Staatsapparats, die Trump als Feindbild ausgewählt hat, und diejenigen KapitalistInnen, die von der weiteren internationalen Öffnung und dem Diskriminierungsabbau der letzten Jahre profitieren konnten.

3 Erfolgreiche Regierung Trump

Die Regierung Trump und sein „4,3 Milliarden-Kabinett“ sind eineinhalb Jahre, seit Januar 2017, im Amt. Überlegungen über die Klassenbasis und Ideologie seiner Politik sind nicht mehr Ableitungen aus den Klassenkämpfen der letzten Jahre und Äußerungen im Wahlkampf, sondern eine Frage konkreter, gesetzgebender und militärisch entscheidender Regierungsarbeit. Und in manchen Bereichen war Trump in der Lage, weite Teile seines radikalen Programms schnell umzusetzen.

3.1 Steuerreform

Der erste große Sieg der RepublikanerInnen war die Steuerreform 2017, die nicht nur das Weiße Haus, sondern auch den Kongress passierte. Im Prinzip war das eine weit angelegte Steuerkürzung, vor allem für große Unternehmen, wobei kleine und untypische Einkommen (zum Beispiel aus erlassenen Studiengebühren, wie für akademische Hilfskräfte üblich) jetzt teilweise höher belastet werden. Vor allem werden aber die Staatsschulden massiv erhöht werden, um geschätzte 1,5 Billionen Dollar. Im Anschluss an die Steuerreform werden Kürzungen in „Sozialstaat“ und Gesundheitswesen anstehen, die aus taktischen Gründen von der Debatte getrennt wurden (29).

Die Diskussion in den USA war vom Gespenst der „trickle down economics“ geprägt, der wirtschaftspolitischen Illusion, dass Steuerkürzungen für die Reichsten sich über Arbeitsplätze und Produktivitätssteigerungen in Lohnerhöhungen für die ArbeiterInnenklasse verwandeln würden. Zusammen mit der Laffer-Kurve, der Idee, dass niedrigere Steuersätze über eine Ausweitung der Produktion zu einer Steigerung der Steuerzahlungen führen, sind sie die ideologische Unterfütterung jeder Steuerkürzung. Tatsächlich führt die Verschiebung der Steuerlast von den KapitalistInnen hin zu den ArbeiterInnen aber zu einer Umverteilung des gesellschaftlichen Wohlstands in die andere Richtung. Auch die Ersparnisse aus der Steuerreform wurden vor allem in Aktienrückkäufe und Nettoinvestitionen angelegt, was ein ordentliches Ankurbeln der US-Konjunktur, aber keine Erhöhung des Lohnniveaus zur Folge hat.

Dazu kommen die geplanten Angriffe auf die staatliche Krankenversicherung Medicaid und die Sozialversicherung für Arbeitslose, mit denen die Bilanz ausgabenseitig ausgeglichen werden soll. Entsprechende Vorstöße von republikanischer Seite gibt es seit Jahren.

Die Steuerreform war ein zentrales Projekt der herrschenden Klasse, das Trump erfolgreich umsetzen konnte. Es bedeutet eine nachhaltige Machtverschiebung und massive Umverteilung von unten nach oben, vor allem wenn der notwendige Sozialabbau umgesetzt wird.

3.2 Deregulierung

Weniger spektakulär, aber dafür mit stetigen Fortschritten entwickelt sich die Deregulierung des Finanzsystems in den USA. Das Weiße Haus hat John Michael („Mick“) Mulvaney zum Chef der Consumer Financial Protection Agency, der wichtigsten Regulierungsbehörde für Geschäftsbanken ernannt. Er ist ein historischer Gegner von Regulierung im Allgemeinen und der Behörde, der er jetzt vorsteht, im Speziellen. Das Finanzministerium hat es derweil für Banken einfacher gemacht, ihre Geschäftsbücher nicht für die Bankenaufsicht öffnen zu müssen, und Regionalbüros viele Möglichkeiten verboten, Banken mit „subpoenas“ zur Aussage vor Gericht zu zwingen. Diese schleichenden Änderungen machen vor allem „predatory banking“, also Bankgeschäfte zum offensichtlichen Nachteil von KundInnen, und unsichere Kreditvergabe einfacher. Die Parallelen zur sehr blasenanfälligen, aber für Banken sehr profitablen Vor-Krisen-Zeit sind offensichtlich (30, 31, 32).

Auch in Bezug auf Umwelt- und Klimapolitik hat die Trump-Regierung ihre Wahlversprechen erfüllt. Sie könnten die Bereiche sein, in denen sie am erfolgreichsten war. Sowohl der Clean Power Act, der alternative Energien in den Fokus staatlicher Förderungen gerückt hatte, als auch die Zustimmung zum Pariser Klimaabkommen und der Senkung von Treibhausgasen wurden zurückgenommen. Die bundesstaatlich durchgesetzten Pipelines in North Dakota, die wegen des monatelangen Widerstands und der brutalen Räumung bekannt wurden, und die in Angriff genommene Legalisierung aller Ölförderplattformen in amerikanischen Gewässern sind ebenfalls Meilensteine für die Förderung der herkömmlichen EnergieherstellerInnen in den USA neben den neuen, aber sehr umweltschädlichen Fracking- und Teersandausbeutungsindstrien (33).

Auch die höchste Behörde, die sich mit Arbeitskämpfen beschäftigt, das National Labor Relations Board (NLRB), hat die neue Regierung weitgehend umbesetzt. Ihre Neubesetzungen, ein Anti-Gewerkschaftsanwalt und ein ehemaliger Mitarbeiter der RepublikanerInnen im Kongress, sind eifrig dabei, gewerkschaftsfreundliche Urteile der letzten Jahre neu aufzurollen. Ähnlich wie beim Obersten Gerichtshof ist das Kräfteverhältnis im NLRB entscheidend, und Trump hat es geschafft, mit den Neubesetzungen eine gewerkschaftsfeindliche Politik auf Raten in Gang zu setzen (34).

3.3 Staatsrassismus

Außerdem ist auch der staatliche Rassismus, den Trump im Wahlkampf in den Mittelpunkt seiner Forderungen gestellt hatte, massiv angewachsen. Zwar steht die versprochene (und vollkommen realitätsferne) Mauer an der Grenze zu Mexiko nicht und auch die Einreiseverbote für MigrantInnen aus „muslimischen“ Ländern sind nicht durchgekommen, aber seit der Angelobung verschärft die Abschiebebehörde ICE ihre Gangart und vervielfacht die Zahl der Verhaftungen und Abschiebungen. Rechtliche Schutzregelungen, vergleichbar mit dem „subsidiären Schutz“ für Verfolgte aus Honduras und Haiti, wurden zeitweise außer Kraft gesetzt. Die Legalisierung von in den USA geborenen Kindern undokumentierter EinwanderInnen, DACA, ist nur für kurze Zeit verlängert worden und soll abgeschafft werden (35, 36).

Dazu kommt der stetige Kampf um das Einreiseverbot aus muslimischen Ländern. Der Widerstand aus den Gerichten gegen die präsidentiellen „Executive Orders“, der diese rassistische Maßnahme immer wieder verhinderte, wurde zum Sommeranfang 2018 vom Obersten Gerichtshof gebrochen. Bis zu Weiterverhandlungen im Herbst sind zentrale Punkte des „travel ban“ in Kraft. Dieses Projekt der Trump-Regierung ist vor allem als ideologische Klammer für seinen populistischen Anspruch wichtig. Es steht neben dem grausamen Vorgehen gegen Geflüchtete aus Süd- und Mittelamerika zentral für den Rassismus des Präsidenten.

3.4 Handel

Dazu kommen die Verschiebungen in der US-amerikanischen Außenpolitik. Die Liste symbolisch schwerwiegender Veränderungen der letzten zwei Jahre ist lang: der Rückzug aus dem Pariser Klimaabkommen, der Abbruch der Verhandlungen um das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP, das Fallenlassen des transpazifischen Handelsabkommens TPP, die Rhetorik gegen die Vereinten Nationen und die NATO, das Platzenlassen des G7-Gipfels in Kanada (Trump verweigerte die Unterschrift unter der Abschlusserklärung) und die Einführung von hohen Zöllen auf Industrie- und Konsumprodukte aus China, Kanada und der EU.

Dieses Verhalten wird nicht von sprunghaften Stimmungsumschwüngen oder einem Unverständnis des Weltwirtschaftssystems verursacht, wie von bürgerlichen Medien und selbstbewussten WirtschaftswissenschaftlerInnen gerne behauptet. Vielmehr geht es um einen bewussten Kurswechsel eines Teils der US-amerikanischen herrschenden Klasse, der nach dem zunehmenden Machtverlust im weltweiten Wettbewerb auf einen härteren Kurs und offen imperialistische Machtausübung drängt.

Die USA haben jahrzehntelang vom „regelbasierten Handelssystem“ profitiert. Kurz zusammengefasst sind das multilaterale (also zwischen möglichst vielen Ländern) Abkommen um das Prinzip, dass jede teilnehmende Nation die beste Behandlung bekommen muss, die unter den Teilnehmenden besteht. Mit guter Behandlung sind niedrige Zölle, hohe oder keine Einfuhrquoten und wenige Qualitätsstandards (zusammengefasst: so wenige Hindernisse für Export wie möglich) gemeint. Konkret bedeutet das, wenn Deutschland, Österreich und Frankreich ein multilaterales Abkommen haben und Deutschland Einfuhrzölle auf französische Waren um 5 % senkt, dann kann Österreich dieselbe Zollsenkung für sich beanspruchen.

Die wichtigsten Institutionen dieses Systems waren die GATT/GATS-Abkommen, IWF, Weltbank und später die Welthandelsorganisation WTO. Das systematische Senken der Handelsbarrieren befriedigt drei zentrale Bedürfnisse der KapitalistInnen in den imperialistischen Staaten: Vorprodukte und Arbeitskräfte können im Ausland billiger gekauft werden, die Absatzmärkte für Exporte werden vergrößert und der Aufbau einer günstiger produzierenden Konkurrenz in sich entwickelnden kapitalistischen Ländern wird verhindert. Das Unterbinden protektionistischer Politik in neokolonialen und Schwellenländern ist zentral für den Machterhalt der imperialistischen Zentren.

Für die USA war das WTO-System zentral, um weltweite Wertschöpfungsketten (also über verschiedene Länder verteilte Produktionsprozesse) aufzubauen und so den Wettbewerbsnachteil der teureren inländischen Produktion auszugleichen. Die Ausweitung von Absatzmärkten und reibungsloser Kapitalexport waren ausschlaggebend, um Überakkumulationskrisen des US-Kapitals zu lindern beziehungsweise umzuleiten. All das führte aber zu einem Verlust von Wettbewerbsvorteilen und dem Aufbau konkurrenzfähiger Produktion außerhalb der USA, die vom freien Handel profitierte.

Auch wenn der Konkurrenzvorsprung in Produktion und Landwirtschaft schon lange zusammengeschrumpft ist, hatte der Freihandel weitere zentrale Bedeutung für die USA. Die Dominanz des US-amerikanischen Finanz- und Technologiesektors wurde vom Freihandel und der Bedeutung des Dollar als Weltwährung gestützt. Und der Import günstiger Konsumprodukte, vor allem aus Asien, erlaubte im Inland ein relativ niedriges Lohnniveau und damit einen Erhalt der verbliebenen Wettbewerbsfähigkeit.

Mit der Dotcom-Blase 2000, der globalen Finanzkrise 2008 und dem Aufbau eines eigenständigen Technologiesektors in China, Japan und Asien sind diese Vorteile aber gemindert. Das US-amerikanische Kapital kann nicht nur durch Bestimmung der politischen Rahmenbedingungen dominieren, sondern braucht die aktive politische Unterstützung des weltweit mächtigsten Imperialismus, um die eigene Vormachtstellung nicht zu verlieren. In diesem Licht ist auch der eskalierende Handelskonflikt mit China, der EU und Kanada zu verstehen, den Trump im Frühjahr 2018 ausgelöst hat. Dabei geht es nicht nur um Güter, sondern auch darum, dass die USA ihre KonkurrentInnen zu einer Unterordnung unter ihre Vormachtstellung auf den Finanzmärkten und den Dollar als zentraler Währung zwingen – eine weitere Unterminierung dieser Vorherrschaft durch China oder die EU wäre eine noch größere Bedrohung des US-Imperialismus als die Frage der industriellen Konkurrenzfähigkeit. Die Handels- und Außenpolitik zielt also weniger auf einen Abbruch der Handelsbeziehungen oder eine isolationistische Politik ab als auf eine Unterordnung der imperialistischen Konkurrenz.

3.5 Imperialistische Aggression

Bedeutender noch als die Handelkonflikte ist die neue Militärpolitik Trumps. Mit der Zuspitzung der imperialistischen Widersprüche seit der globalen Krise nach 2007 ist auch das Bedürfnis nach einer Neuaufteilung der Welt zwischen den imperialistischen Blöcken gestiegen. Von einer unipolaren Dominanz der USA ist mit der bisherigen Einigung der europäischen ImperialistInnen in der EU und der Expansion des chinesischen Imperialismus nicht viel übrig geblieben.Vor allem China drängt in die amerikanischen Einflusszonen in Asien und in Afrika, hat sich einiges von der Beute europäischer und amerikanischer Politik (zum Beispiel Häfen in Griechenland und Ölfelder im Irak) gesichert. Auch bezüglich Russland scheiterten die USA damit, diese imperialistische Macht auf einen Regionalstatus zu reduzieren.

Auch hier repräsentiert Trump einen teilweisen Bruch mit der ebenso imperialistischen Politik der Obama-Präsidentschaft. Die größte Kontinuität gibt es wohl in Bezug auf die Interventionen im Irak, in Afghanistan und Syrien. In Bezug auf den Nahen Osten ist eine Abkehr von der VermittlerInnenrolle und der Hoffnung auf eine für die USA profitable Harmonisierung der Beziehungen offensichtlich. Stattdessen setzt Trump auf eine Eskalation der Konflikte und darauf, dass seine Verbündeten Israel und Saudi-Arabien die Region zum US-amerikanischen Vorteil neu ordnen. Die größere Unabhängigkeit der USA von Ölimporten dehnt hier auch den Spielraum für Aggressionen aus.

Dasselbe Muster beobachten wir in Bezug auf den pazifischen Raum. Trump setzt auf engere Beziehungen zu SchlüsselpartnerInnen der USA (Südkorea und, weniger öffentlichkeitswirksam, Japan) und eine Eskalation des Konflikts mit China. In Europa bezeichnet Trump die EU nicht nur rhetorisch als „feindliche Macht“ und übt massiven Druck auf das frisch ausgetretene Britannien aus, mit einem „harten Brexit“ gegen die EU vorzugehen.

Die Logik schneller, eher brutaler Angriffe (militärisch wie diplomatisch) und eines fehlenden Fokus’ auf längerfristige Beziehungen ist ein Kernpunkt der „Jingoismus“ genannten Mischung aus Rassismus und aggressiver Außenpolitik. Historisch bezieht sich der Begriff auf eine gewünschte Eskalation der britischen Außenpolitik im Türkisch-Russischen Krieg der 1880er Jahre. In der US-amerikanischen Debatte taucht er immer wieder auf, um Trumps Wendung zu beschreiben.

Die Neuaufteilung der Welt ist die zweite große Aufgabe nach der Steuerreform, vor die sich die herrschende Klasse in den USA gestellt sieht. Es geht um nicht weniger als Behalten oder Verlieren der internationalen Vormachtstellung, im industriellen und auch im Finanzsektor.

Zusammengefasst kann gesagt werden, dass die innenpolitischen Versprechungen Trumps vor allem auf der Ebene des Staatsapparats funktioniert haben: Deregulierung, deutlich verschärfter Staatsrassismus und auch eine Aufwertung der militarisierten Abschiebungsbehörde ICE. Mit der Steuerreform ist ein politisches Hauptanliegen der republikanischen Partei durchgesetzt worden, das Verbesserungen nur für die reichsten KapitalistInnen bringt.

Die Trump’sche Außenpolitik steckt noch in den Anfängen, repräsentiert aber einen umfassenden Bruch des US-Kapitals weg vom multilateralen, regelbasierten System von Handels- und Einflusszonen und hin zu einem aggressiveren Auftreten als imperialistische Macht. Solch ein Prozess wird Jahre dauern und die imperialistischen Widersprüche stark zuspitzen. Die StellvertreterInnenkriege zwischen den USA und Russland in der Ukraine und in Syrien sind in der neuen Strategie (egal ob sie von Trump oder jemand anderem angeführt werden) als offene Eskalation denkbar. Gerade auf diesem Gebiet stützt sich seine Politik mehr und mehr auf die strategische Linie der Neo-Konservativen.

Die Auswirkungen für die ArbeiterInnenklasse sind in dreierlei Hinsicht problematisch: Der drohende Zollkrieg verteuert Konsumprodukte und kann, wenn er andauert, zu massivem Arbeitsplatzverlust in der Industrie führen. An möglichen Gewinnen aus der Eskalation werden sie aber nicht beteiligt werden. Außerdem bedeutet die Möglichkeit internationaler imperialistischer Konflikte Lebensgefahr für die ArbeiterInnen aller beteiligten Länder.

4 Gescheiterte Regierung Trump

Deutlich mehr Wahlversprechen, als er umsetzen konnte, musste Donald Trump aber aufgeben. Dabei scheiterte er oft nicht an der scheinbaren Unmöglichkeit seiner Forderungen. Die wird von linksliberalen Medien gerne hervorgehoben, die den Präsidenten nicht als gefährlichen Rechten, sondern als unbedarft-unfähigen Trottel darstellen wollen. Tatsächlich wären radikale Vorschläge wie die Mauer an der Südgrenze oder das Einreiseverbot für MigrantInnen aus den „muslimischen“ Ländern, die Trump ein besonderer Dorn im Auge sind, durchaus umsetzbar.

Tatsächlich ist er aber an den Widerständen des US-amerikanischen politischen Systems und oft genug seiner eigenen Partei gescheitert. Das zeigt auch, dass er sein populistisches Versprechen, sich mithilfe der Massen über die Institutionen des Klassenwiderspruchs erheben zu können, nicht einlösen kann. Für eine bonapartistische Herrschaft sind das Trump-Regime und dessen Verankerung in der herrschenden Klasse und dem Staatsapparat zu schwach. Und auch die Zustimmung der Massen, die ihn gewählt haben, schwindet: Die Washington Post nennt Trump sicher zutreffend einen „zunehmend unpopulären Populisten“ (37).

Die Gesundheitsreform inklusive der Abschaffung der staatlichen Pflichtversicherung Medicare ist im Juli 2017 endgültig gescheitert. Sie war auch eine wichtige Forderung der RepublikanerInnen an ihren Kandidaten gewesen. Trump selbst hatte sich wegen der massiven, teilweise tödlichen Verschlechterungen für die Millionen Verarmten gescheut, das Projekt anzugehen. Im Wahlkampf hatten die angeblich durch staatliche Einmischung explodierenden Gesundheitskosten aber eine zentrale Rolle gespielt.

Dass seine „Gesundheitsreform“ (inklusive massiver Verschlechterungen für Frauen) aber auch an Stimmen aus der eigenen Partei scheiterte, muss als demütigende Niederlage von Trump und Aufzeigen der Grenzen seiner Macht gewertet werden (38).

Ein anderes wichtiges und extrem reaktionäres Versprechen war das Einreiseverbot für Menschen aus „muslimischen“ Ländern. Damit waren natürlich nicht die reaktionär islamistischen Verbündeten der USA in Saudi-Arabien gemeint, sondern vor allem Ziele der US-amerikanischen Außen- und Kriegspolitik: Iran, Irak, Libyen, Somalia, Sudan, Syrien und Jemen. Hier mischte sich der thematisch absurde Bezug auf die Attentate vom 11. September und den traditionellen „antiterroristischen“ Rassismus gegen MuslimInnen mit der Distanzierung von den Folgen amerikanischer Kriegspolitik, die im Irak, in Somalia, Syrien und im Jemen Millionen zur Flucht gezwungen hat.

Drei verschiedene Versionen des „travel ban“ scheiterten schließlich vor US-amerikanischen Gerichten, die darin, nicht überraschend, eine Verletzung des Diskriminierungsverbots in der amerikanischen Verfassung sahen. Auch hier ist ein jingoistisch-rassistisches Versprechen, die Massen vor einem äußeren Feind und Sündenbock zu schützen, am Widerstand der bestehenden Strukturen gescheitert, die Trump zu überwinden versprochen hatte. Einige Passagen aus dem Gesetz traten zum Sommeranfang 2018 nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs doch vorläufig in Kraft, die gerichtlichen Auseinandersetzungen gehen jedoch weiter.

Die Liste erfolgreicher und gescheiterter Vorhaben der Regierung Trump ließe sich fortsetzen und mit fortschreitender Länge seiner Präsidentschaft bestimmt auch verfeinern. Die Struktur wird aber auch an den wenigen genannten Beispielen offensichtlich. Trump setzt ein Programm durch, das noch offener als das seiner demokratischen und republikanischen Vorgänger, Obama und Bush, auf Rassismus und imperialistischen Vormachtsansprüchen beruht.

Wo er erfolgreich ist, befindet er sich meistens auf Linie mit den größten Teilen der herrschenden Klasse: da, wo es um Deregulierung und Steuerentlastung für Unternehmen geht. Diese Vorhaben begünstigen die KapitalistInnen im Allgemeinen und bestimmte Sektoren im Energie-, Finanz-, Immobilien- und Rüstungsbereich im Besonderen, auf die er sich auch stützt. Erfolglos war er in der Umsetzung populistischer Forderungen, die die herrschende Klasse beim gegenwärtigen Kräfteverhältnis nicht einseitig durchsetzen kann. Massiver Sozialabbau, Kürzungen im Gesundheitsbereich und auch eine einschneidende Veränderung in der amerikanischen Einwanderungspolitik scheitern am Widerstand des Staatsapparats, aber auch an der eigenen Partei, die weiß, dass sie für diesen Weg nicht die Kraft hat.

Der Populist Trump scheitert also nicht nur an seiner fehlenden Popularität, sondern bisher auch an der fehlenden Macht seiner Massenbasis.

5 Zusammenfassung: Trump als Beispiel für den Rechtspopulismus im 21. Jahrhundert

5.1 Trump als Rechtspopulist

Die Wahl und die Politik Donald Trumps sind Beispiele für den Erfolg rechtspopulistischer Kräfte auf der ganzen Welt. Seine Kampagne, die Kräfte, deren politischer Ausdruck er ist, haben ihre Klassenbasis unter großen KapitalistInnen und suchen ideologisch die Nähe zum weißen, nationalistischen Rassismus, zu völkischen Verschwörungstheorien und sogar zum Neofaschismus.

Seine Wahlversprechen haben ihre Wurzeln im Bonapartismus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er behauptet, die gegensätzlichen Klasseninteressen in seiner Person auflösen und sich über die bestehenden Institutionen des politischen Klassenkampfes hinwegsetzen zu können. Kennzeichnend dafür sind auch die ideologischen Klammern seiner Kampagne: Rassismus, Frauenfeindlichkeit und ein Bezug auf einen früher existierenden, reaktionäreren und erfolgreicheren Kapitalismus.

Der Unterschied zu den bekannten Beispielen des Bonapartismus besteht darin, dass nicht die Angst vor einer stärker werdenden ArbeiterInnenbewegung ihn an die Macht gebracht hat. Die ist in den USA schon die letzten 100 Jahre schwächer gewesen als in allen anderen imperialistischen Ländern und verliert zunehmend an Stärke. Vielmehr waren es die Widersprüche innerhalb der herrschenden Klasse nach der historischen Krise 2007, die entscheidende Teile von ihr wie des politischen Establishments hinter ihm versammelt haben.

Das ist anders als beispielsweise in Italien oder Österreich, wo neben den (oft schwächeren) Widersprüchen unter den KapitalistInnen vor allem die Unzufriedenheit unter ArbeiterInnen und KleinbürgerInnen mit ihren traditionellen Parteien den Aufstieg der RechtspopulistInnen bedingt.

5.2 Die besondere Rolle der USA

Das liegt an der doppelt besonderen Rolle der USA. Einerseits existiert hier die ArbeiterInnenbewegung in viel geringerer Stärke (sowohl organisatorisch als auch in Zahlen) als in anderen fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern. Viele Themen des Klassenkampfes werden deshalb von identitätspolitischen Gruppen vertreten, zum Beispiel der schwarzen BürgerInnenrechtsbewegung oder der bürgerlichen Frauenbewegung. Es ist deshalb nicht überraschend, dass das traditionelle Feindbild der BonapartistInnen, die ArbeiterInnenbewegung oder die KommunistInnen, durch diese eigentlich bürgerrechtlich-demokratischen Gruppen ersetzt werden.

Eine ähnliche Verschiebung hin zu Verschwörungstheorien gegen NGOs oder FeministInnen können wir ja auch in Europa beobachten, zum Beispiel bei Orbán in Ungarn, der AfD in Deutschland oder der FPÖ in Österreich. Die USA und Trump sind hier aber die SchrittmacherInnen für diese Dynamik.

Gleichzeitig spielen die USA als stärkster und wichtigster imperialistischer Staat der Welt weiter eine Sonderrolle. Besonders die drohende Ablösung an der Weltspitze durch den aufsteigenden chinesischen Imperialismus sorgt für ordentliche Spannungen in der herrschenden Klasse. Auch die Überprofite aus der imperialistischen Ausbeutung und der von den USA dominierten Weltordnung, mit denen der soziale Frieden gewahrt wurde, geraten so ins Wanken. Das erklärt zumindest teilweise die schnelle Gangart der Trump-Regierung.

5.3 Trump am Scheideweg

Die besondere Rolle dieser selbst in den USA umstrittenen Präsidentschaft ist es, einen Kurswechsel zugunsten der herrschenden Klasse durchzusetzen. Diese erwartet sich einen eindeutigen Sieg sowohl gegen die ArbeiterInnen- und BürgerInnenrechtsbewegung im Inland als auch über die teilweise wettbewerbsfähigere kapitalistische Konkurrenz im Ausland. An diesen zwei Aufgaben wird Donald Trump gemessen werden. Der Populismus und der Konflikt mit den staatlichen Strukturen sind nur (notwendiges) Mittel zum Zweck.

Mit der Steuerreform hat sich die Machtbalance zwischen KapitalistInnen und ArbeiterInnen jedenfalls umfassend verschoben. Vor allem die als eigene juristische Person behandelten corporations (eine Eigenart des amerikanischen Wirtschaftsrechts) profitieren massiv, niedrige und mittlere Lohneinkommen verlieren stark. Dazu kommt die unweigerlich bevorstehende Gegenfinanzierung durch einen Abbau des bereits maroden, aber teuren Sozialsystems.

Auch die Durchsetzung amerikanischer Konzerninteressen gegen die internationale Konkurrenz wird mit dem beginnenden Handelskrieg und der schrittweisen Umstellung der militärischen Außenpolitik ernsthaft angegangen. Sowohl in der Auseinandersetzung mit China als auch der EU geht es weniger um konkrete, bezifferbare Ziele als darum, die Konkurrenz durch fehlende Absatzmärkte zu verdrängen und die Wiedereinbeziehung der USA in internationale Produktionsketten zu erzwingen.

Dieses Projekt ist aber deutlich schwieriger zu bewältigen als die neuerliche Erniedrigung der ArbeiterInnenklasse und ihrer progressiven angeblichen Verbündeten vom linken Rand der Demokratischen Partei. An ihm wird sich letztlich zeigen, ob die Durchsetzung der Interessen der herrschenden Klasse auf dem Weltmarkt nicht noch eine radikalere, militärische Lösung verlangt – was im Stadium einer erneuten Neuaufteilung der Welt nicht überraschen würde.

Wichtiger noch ist die Frage, wohin sich nach einem Misserfolg der Trump-Regierung seine WählerInnenbasis bewegen würde. Wie oben festgestellt sind das zum größten Teil sehr gut verdienende ArbeiterInnen, klassisches KleinbürgerInnentum und Teile der herrschenden Klasse. Aber auch ArbeiterInnen aus den Gebieten, in denen die Klasse einen besonders scharfen Absturz erlebt hat (dem „Rust Belt“), haben sich hinter Trump gestellt.

Angesichts der Tatsache, dass radikale reformistische Forderungen wie eine kostenlose oder zumindest leistbare Krankenversicherung für alle („Medicare For All“), Begrenzung von Mieten und praktische Aktionen, um das Bleiberecht von MigrantInnen zu erzwingen („Occupy ICE“), Massenanhang finden, ist es durchaus möglich, dass sich ein Teil der ArbeiterInnenklasse nach links orientiert. Die sich im Aufbau befindlichen reformistischen, aber von den DemokratInnen abgegrenzten Strukturen können für sie einen politischen Ausdruck ihrer Klassenzugehörigkeit, aber auch ihres dezidiert nicht-revolutionären Bewusstseins darstellen. Eine linke Kandidatur an der Spitze der Demokratischen Partei kann für andere anziehend wirken und die Stimmen der ArbeiterInnen erneut an eine offen bürgerliche Partei binden.

Für den Teil der WählerInnenbasis, der quasi traditionell vom rechten Rand der RepublikanerInnen kommt, wird eine weitere Radikalisierung bei einem Misserfolg fast alternativlos sein. Schon jetzt organisieren sich faschistische Gruppen und bewaffnete Milizen (mit denen Trump einen fast freundlichen Umgang pflegt) in allen Bundesstaaten. Mit dem Massenzustrom der rassistischen, aber unorganisierten Trump-AnhängerInnenschaft kann das ein Erstarken des amerikanischen Faschismus auf seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gesehenes Niveau bedeuten. Das ist die konkrete Gefahr, wenn Trump nicht durch den Widerstand der ArbeiterInnen und Unterdrückten, sondern von einem bürgerlichen Staats- und Justizapparat entmachtet wird, der weder den ArbeiterInnen noch den Herrschenden eine Lösung ihrer Probleme anbieten kann.

5.4 Der Kampf gegen Trump ist der Kampf für eine ArbeiterInnenpartei

Trumps Amtszeit ist eine Präsidentschaft der unverfrorensten Teile des amerikanischen Großkapitals, und sein Programm ist eine Beschleunigung der Angriffe auf die Errungenschaften der ArbeiterInnenbewegung. Es fällt dem Präsidenten bisher schwer, seine populistischen Versprechen einzulösen. Erfolge erzielt er vor allem in einer Breitseite gegen die Gewerkschaftsbewegung durch eine langsame Neuordnung des Arbeitsrechts, gegen unterdrückte Schichten mit rassistischer und frauenfeindlicher Politik in Bezug auf Einwanderung, Zugang zu Abtreibungen und Verhütungsmitteln und gegen die breite Masse der ArbeiterInnen durch den Abbau von Umweltschutzbestimmungen.

Das ist der Charakter eines rechtspopulistischen Regimes, das bisher erfolglos versucht, zum Bonapartismus zu werden. Die politische Dynamik hin zur kapitalistischen Breitseite ist angesichts der Kräfteverhältnisse in den USA keine Überraschung.

Der Widerstand ist zum größten Teil sehr beeindruckend. Gegen das noch einmal brutaler gewordene Abschieberegime, für die Rechte von Frauen und Transgenderpersonen, gegen das offene Auftreten von Neonazis gehen Zehntausende auf die Straße. Aber er ist zersplittert, nicht nur in den Aktionen, sondern auch ideologisch. Statt auf eine gemeinsame Front der Angegriffenen und Unterdrückten zu orientieren, werden die verschiedenen Identitäten der Kämpfenden hervorgekehrt.

Das ist in erster Linie eine Folge der extrem schwachen ArbeiterInnenbewegung in den USA. Es fehlt ideologisch und praktisch ein Organ des Klassenkampfes, das diese Kämpfe vereinen, den grundlegenden Widerspruch benennen und angreifen kann. Die bestehende ArbeiterInnenbewegung in den USA ist teilweise eng mit den KapitalistInnen und dem Staatsapparat verbandelt. Sie ist unfähig oder unwillig, die ideologische Klammer der Trump-Präsidentschaft, Rassismus, Frauenfeindlichkeit und Klassenhass, zu bekämpfen.

Die zentrale Schwäche der US-amerikanischen ArbeiterInnenbewegung ist, dass sie sich nie eine eigene Partei geschaffen hat. Die bislang erfolgreichsten Versuche konnten nie die 100.000-Mitglieder-Marke überwinden und Masseneinfluss erlangen. Das macht es so einfach für die KapitalistInnen, verschiedene Schichten der Klasse gegeneinander auszuspielen und die Führung der Gewerkschaftsbewegungen zu sich herüberzuziehen.

Der Kampf gegen diesen Präsidenten (und gegen den vor ihm, und den oder die nach ihm) muss also einer für eine neue ArbeiterInnenpartei und gegen die (ideologische) Offensive des Kapitals sein. Der ideologische Klassenkampf und das Streiten um einen organisatorischen Ausdruck der ArbeiterInnen bilden die Schlüsselelemente im Widerstand.

 

Endnoten

(1) https://www.nytimes.com/2016/11/09/us/politics/hillary-clinton-donald-trump-president.html?_r=0

(2) https://www.nationalreview.com/nrd/articles/432569/father-f-hrer

(3) http://www.theamericanconservative.com/articles/how-the-gop-can-hang-on-to-the-working-class/

(4) https://www.washingtonpost.com/news/monkey-cage/wp/2017/06/05/its-time-to-bust-the-myth-most-trump-voters-were-not-working-class/?noredirect=on&utm_term=.28ff98f77459

(5) https://fivethirtyeight.com/features/the-mythology-of-trumps-working-class-support/

(6) https://www.forbes.com/sites/chasewithorn/2016/12/09/all-the-presidents-billionaires-a-guide-to-trumps-gilded-inner-circle/#c2668ad4694c

(7) https://www.forbes.com/sites/chasewithorn/2017/07/05/the-4-3-billion-cabinet-see-what-each-top-trump-advisor-is-worth/#716b26515dfc

(8) https://www.thedailybeast.com/trumps-crony-cabinet-is-a-disaster-waiting-to-happen

(9) https://www.independent.co.uk/news/world/americas/us-politics/steve-bannon-mussolini-fascination-populist-facist-donald-trump-us-a8259621.html

(10) https://www.theguardian.com/us-news/2017/aug/14/donald-trump-steve-bannon-breitbart-news-alt-right-charlottesville

(11) http://www.politico.com/news/stories/0311/51473.html

(12) https://www.washingtonpost.com/news/fact-checker/wp/2016/03/01/donald-trump-and-david-duke-for-the-record/?utm_term=.6da76da6a294

(13) https://www.theguardian.com/us-news/2016/nov/07/us-election-2016-complete-timeline-clinton-trump-president

(14) http://www.politifact.com/trumpometer-year-one/deregulation-environmental-promises/

(15) https://www.independent.co.uk/news/world/americas/us-politics/mercer-funding-trump-anti-muslim-advert-group-claims-2016-election-documents-open-secrets-a8290986.html

(16) Marx, Karl (1852): „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte“, MEW, Band 8, Berlin/O. 1973, S. 111 – 207

(17) https://socialistworker.org/2016/12/05/the-18th-brumaire-of-trump

(18) http://www.leftvoice.org/Trump-A-Weak-Bonapartist-Government

(19) Trotsky, 1934: „Bonapartism and Fascism“, New International, Volume 1, No 2, August 1934, S. 37 – 38

(20) https://socialistworker.org/2016/12/05/the-18th-brumaire-of-trump

(21) https://www.washingtonpost.com%2Fnews%2Fmonkey-cage%2Fwp%2F2016%2F03%2F18%2Fted-cruz-wanted-to-carpet-bomb-the-islamic-state-does-he-understand-todays-military%2F&usg=AOvVaw2D9BMaK5gW8ztpLJJgAbZz

(22) https://www.nytimes.com/interactive/2018/01/15/opinion/leonhardt-trump-racist.html

(23) Ejigu, Mekdela (2018): „Defend women’s right to choose“, Workers Power [US], Volume 1, No 1, Spring/Summer 2018

(24) https://www.americanprogress.org/issues/women/reports/2017/04/25/430969/100-days-100-ways-trump-administration-harming-women-families/

(25) https://www.salon.com/2018/02/07/donald-trump-wants-to-bring-coal-back-even-though-its-killing-miners/

(26) https://www.reuters.com/article/us-transcanada-pipeline-leak/keystone-pipeline-leak-in-south-dakota-about-double-previous-estimate-paper-idUSKBN1HE0T7

(27) https://www.cfr.org/interactives/campaign2016/donald-trump/on-energy-and-climate

(28) https://www.politico.com/story/2016/10/koch-brothers-campaign-struggles-230325

(29) Otono, Marcus (2018): „Another Trickle-Down Tax Scam“, Workers Power [US], Volume 1, No 1, Spring/Summer 2018

(30) https://www.vox.com/policy-and-politics/2018/3/6/17081508/senate-banking-bill-crapo-regulation

(31) https://www.nytimes.com/2017/11/27/business/financial-regulation-rollback-trump.html

(32) https://www.theguardian.com/business/2017/aug/24/financial-deregulation-us-crisis-federal-reserve-trump

(33) https://lpeblog.org/2018/02/20/environmental-trumpism-at-bears-ears/

(34) https://www.bloomberg.com/news/articles/2018-02-14/trump-s-nlrb-scorned-by-grad-students

(35) https://www.nydailynews.com%2Fnew-york%2Fice-arrests-surge-65-new-york-trump-office-article-1.4006377&usg=AOvVaw122AWeh4XMYWkmHWr_6fD9

(36) https://www.washingtonpost.com/opinions/ice-has-become-trumps-personal-bullying-squad/2018/04/23/5197541e-472d-11e8-8b5a-3b1697adcc2a_story.html?utm_term=.0d725f56669b

(37) https://www.washingtonpost.com/blogs/right-turn/wp/2018/04/12/trumps-populism-is-very-unpopular/?utm_term=.60cc2387b447

(38) https://www.ft.com/content/60659e20-73b0-11e7-aca6-c6bd07df1a3c




USA: Eine Verschiebung nach „links“ – und ihre Grenzen

Mo Sedlak, Infomail 1031, 28. November 2018

Am Dienstag, den 6. November, fanden in den USA die Wahlen zu einem Drittel der Sitze im Senat und allen im Repräsentantenhaus sowie vielerorts auf lokaler und staatlicher Ebene statt. Am Beginn der Präsidentschaft von Donald Trump kontrollierte die Republikanische Partei sowohl Repräsentantenhaus als auch den Senat. Die oppositionelle Demokratische Partei wollte darauf mit einer „blauen Welle“ (Blau ist die Farbe der Demokratischen Partei; d. Red.) bei den „Mid Term elections“, den Wahlen bei Halbzeit der Präsidentschaftsperiode, antworten, um beide Kammern zurückzugewinnen. Das würde ihnen effektiv ermöglichen, Gesetzes- und Personalvorschläge aus dem Weißen Haus zu blockieren.

Viele Linksliberale, ReformistInnen und ZentristInnen unterstützten diesen Anspruch und sahen die Demokratische Partei entweder als das „kleinere Übel“ oder sogar als progressive Alternative. Obgleich sie das Repräsentantenhaus gewannen, verloren die DemokratInnen im Senat an Boden und machten kurz darauf völlig klar, wie wenig ihr Widerstand gegen Trumps rassistische, frauenfeindliche, anti-LGBTQ- und arbeiterInnenfeinliche Agenda bedeutete, indem sie eine parteiübergreifende Zusammenarbeit ankündigten. Die ganze Episode betont das doppelte zentrale Problem der US-Politik, dass die beiden großen Parteien nicht nur in der Politik, sondern in ihrem Charakter insgesamt gleichermaßen bürgerlich sind, als auch die Notwendigkeit, eine ArbeiterInnenpartei aufzubauen, die weit über die Wahlpolitik hinausgeht.

Ergebnisse und demokratische Defizite

Nach der öffentlichen Empörung über den Kongress, der den Kandidaten für den Obersten Gerichtshof Brett Michael Kavanaugh bestätigte, der mit mehreren Anschuldigungen wegen sexueller Gewalt konfrontiert war, hoffte die Demokratische Partei, genug von den 35 umstrittenen Sitzen im Senat zu gewinnen, um dies in Zukunft verhindern zu können. Es sollte erwähnt werden, dass ein demokratischer Senator, Joe Manchin III. von West Virginia, dafür gestimmt hat, Kavanaugh zu bestätigen, und eher den Anspruch seiner Partei, eine Art Bollwerk gegen Frauenfeinde zu sein, die an die Macht kommen, diskreditiert. Jedoch verloren die DemokratInnen bei den Wahlen 3 Sitze und gewannen nur einen; der blaue Anteil im Senat verringerte sich.

Sie waren jedoch erfolgreich dabei, das Repräsentantenhaus zu erobern, von einer Minderheit mit 193:235 Sitzen zu einer Mehrheit mit 231:198 Sitzen, wobei 7 Sitze aufgrund von Nachzählungen noch nicht entschieden waren.

Kein Kommentar zu den Wahlen in den USA kann abgegeben werden, ohne Licht auf die verschiedenen undemokratischen Maßnahmen zu werfen, die ergriffen wurden, um zu verhindern, dass eine große Zahl von WählerInnen unterdrückter Minderheiten und der ArbeiterInnen ihre Stimme abgibt. Die Registrierung von WählerInnen, die Gesetze über den Lichtbildausweis, die Gesetze über die Straßenanschrift (überproportional zum Ausschluss indigener WählerInnen führend), die Schließung von Wahllokalen in schwarzen und mehrheitlich ArbeiterInnenbezirken sowie der Ausschluss von ImmigrantInnen, Gefangenen und Ex-Häftlingen legen nahe, dass die gezählten Stimmen überwiegend von weißen und wirtschaftlich gut situierten WählerInnen stammen.

Darüber hinaus verzerren das Wahlsystem, das die Sitze auf der Grundlage von Mehrheiten in den Bezirken und nicht im Verhältnis zur gesamten Bevölkerungszahl zuweist, und das Prinzip der 2 SenatorInnen pro Bundesstaat, unabhängig von dessen Bevölkerungszahl, die tatsächlichen Ergebnisse. Sie bedienen das Zweiparteiensystem der Vereinigten Staaten, in dem beide Parteien traditionell Parteien der herrschenden Klasse sind. Dies wiederum macht es AmtsträgerInnen (Abgeordneten) äußerst schwer, in den gesetzgebenden Organen Macht zu erlangen.

Eine Verschiebung nach links

Insgesamt erhielten die Demokratinnen in beiden Entscheidungen die Mehrheit der Stimmen. Unter den demokratischen KandidatInnen gewannen mehrere BewerberInnen, die deutlich links von der nationalen Fraktion lagen, Vorwahlen und Wahlen in den Bundesstaaten, insbesondere Alexandra Ocasio-Cortez aus New York City. Abgesehen von den immensen demokratischen Defiziten kann man sagen, dass die Wahlen 2018 eine bescheidene Verschiebung der US-Wählerschaft nach links darstellen.

Die Ergebnisse veranschaulichen die Krise der Führung, die die Trump-Administration über die herrschende Klasse und die Republikanische Partei gebracht hat. Ideologisch gesehen wird sie von chauvinistischen, rassistischen, frauenfeindlichen und anti-LGBTQ-Stimmungen zusammengehalten. Noch wichtiger ist, dass Trump versucht, seine WählerInnen an sich selbst zu binden, indem er behauptet, durch den Willen des Volkes und nicht durch die etablierten demokratischen Institutionen, einschließlich der Republikanischen Partei selbst, zu regieren. Er macht den traditionellen Anspruch bonapartistischer PolitikerInnen geltend, ohne in der Lage zu sein, ihre üblichen Versprechen zu erfüllen, was ihn in eine unangenehme Lage der Instabilität bringt und die repressive Staatspolitik zur Sicherung seiner Macht eskaliert. Dies ist nicht nur für jede progressive Agenda sehr gefährlich, sondern auch für die Millionen, die für ihn gestimmt haben, nicht sehr attraktiv. Es überrascht nicht, dass viele Trump-WählerInnen bei diesen Wahlen einfach nicht ihre Stimme abgegeben haben. Die DemokratInnen ernteten einen Teil der Gewinne aus dieser Instabilität.

Diese Verschiebung wird jedoch durch mehrere wichtige Faktoren begrenzt. Erstens liegt, wie in jedem kapitalistischen Regime, die wahre Macht nicht in Abstimmungen. Wirtschaftliche Entscheidungen werden in der Unternehmenszentrale von Menschen getroffen, deren Macht in ihrem Eigentum an den Produktionsmitteln liegt, oder von ExpertInnen in Regierungsstellen, die weit entfernt von jeder öffentlichen Abstimmung sind. Die Repressionsmacht wird nicht nur von den Streitkräften, sondern auch von der stark militarisierten Polizei und den Geheimdiensten getragen, und die Justizmacht wird von einer kleinen und undurchsichtigen Elite von RichterInnen ausgeübt, wie der Fall Kavanaugh deutlich gezeigt hat.

Das sind die Gremien, die die KapitalistInnen mobilisieren werden, wenn die ArbeiterInnenklasse versucht, die Macht zu übernehmen. Es wäre naiv und falsch zu glauben, dass eine Wahlplattform einen effektiven Widerstand gegen diese Kräfte leisten könnte. Die wahre Macht liegt in den Fabriken, Stadtteilen und auf den Straßen, wo die ArbeiterInnen den Klassenkampf organisieren müssen.

Darüber hinaus ist bemerkenswert, dass es in den Vereinigten Staaten keine bedeutungsvolle Wahlrepräsentation der ArbeiterInnenklasse gibt, im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, in denen sozialdemokratische und neoreformistische „kommunistische“ Parteien dieses Erbe vertreten. Obwohl diese oft bis ins Mark verrottet sind, bedeuten ihre historischen und immer noch bestehenden Bindungen an die Klasse und ihre Organisationen, dass die ArbeiterInnen mobilisiert werden können, um sie zu bewegen. Dies gilt nicht für die Demokratische Partei, eine traditionelle Partei der herrschenden Klasse, deren Beziehungen zu Gewerkschaften und unterdrückten Minderheiten eher taktisch als organisch sind.

Das sind die wirklichen Grenzen für jeden Linksruck bei den US-Wahlen, aber selbst innerhalb dieser Grenzen war der Schritt nach links moderat.

Die unerhört schwache demokratische Plattform

Ein Grund, warum die Demokratische Partei nicht mehr tun konnte, als nur von der instabilen politischen und wirtschaftlichen Situation zu profitieren, war die peinliche Schwäche ihrer Wahlplattform, selbst gemessen an den Standards bürgerlicher Parteien. Sie unterstützten nur widerwillig und halbherzig jede Ausweitung der staatlich unterstützten Gesundheitsversorgung, eines der Grundbedürfnisse der amerikanischen ArbeiterInnenklasse, nach langen Kämpfen innerhalb der Partei. Statt eine starke Haltung gegen den ekelhaften und unverhohlenen Rassismus der Regierung einzunehmen, versuchten sie, einen Mittelweg zu finden, der nur als Rassismus mit einem menschlicheren Gesicht bezeichnet werden konnte. Anstatt eine Wirtschaftspolitik vorzuschlagen, um die massive Umverteilung des Reichtums zugunsten der Reichsten im Steuerplan von Trump umzukehren, schwiegen sie völlig zum Thema wirtschaftliche Gerechtigkeit. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sie absolut nicht in der Lage waren, ArbeiterInnenklasse-WählerInnen in Schlüsselstaaten zurückzugewinnen, die zuvor ihre Illusionen in die Demokratische Partei verloren hatten, weil ihr Lebensstandard unter einem demokratischen Präsidenten zurückging.

Mitten in einem Aufschwung von Gewerkschaftsaktivitäten, Streiks und Organisation von Kampagnen sagten sie zu diesen Kämpfen kaum etwas und zogen es vor, ihre Loyalität zu den Chefs aufrechtzuerhalten. Selbst angesichts einer drohenden Klimakatastrophe war die Partei nicht in der Lage, sich für Umweltfragen zu engagieren, die eines der Kernthemen in diesem Land sind, über die Kritik an Trumps Rückzug aus den Pariser Abkommen hinaus. Und angesichts der empörenden frauenfeindlichen und anti-LGBTQ-Rhetorik und -Politik war ihre Antwort die Forderung nach „Höflichkeit“, nicht nach echtem Widerstand.

Grenzen des bürgerlichen Elektoralismus

Die bürgerliche Demokratie ist die Form, in der die KapitalistInnen in den meisten kapitalistischen Ländern regieren. Während der Bevölkerung im Namen des Volkes das aktive und passive Wahlrecht gewährt wird, bleibt die wahre Macht in den Händen der Reichen: Die Streitkräfte und das Oberste Gericht, die Geheimpolizei und die ManagerInnen an der Spitze der Regierungsbehörden unterliegen nicht der Stimmabgabe durch das Volk. Und auf jeden Fall endet die Demokratie an der Tür zum Arbeitsplatz: Die ArbeiterInnen haben kein Mitspracherecht darüber, wie sie arbeiten, was sie produzieren und was mit dem Produkt geschieht.

Es gibt jedoch verschiedene Formen der Beteiligung der ArbeiterInnen an Machtstrukturen oder aber ihrem Ausschluss davon. Es wäre töricht zu argumentieren, dass diese nicht wichtig sind, nur weil die Macht letztendlich bei den Chefs bleibt. In den Vereinigten Staaten ist dieser demokratische Schleier im Vergleich zu anderen kapitalistischen Demokratien besonders dünn. Während EinwanderInnen in fast allen Nationalstaaten von den Wahlen ausgeschlossen sind, eine rassistische Politik an und für sich, ist das Ausmaß des Wählerausschlusses, der Manipulation und der Schließung von Wahllokalen in den Vereinigten Staaten empörend, selbst für den/die konservativste/n BeobachterIn von außen. Millionen von ArbeiterInnen, insbesondere die rassisch Unterdrückten, werden systematisch daran gehindert, ihre Stimme abzugeben. Darüber hinaus stellen Manipulation, das Wahlkollegium und das Wahlsystem für den Kongress sicher, dass es nicht die Volksmehrheit ist, die Entscheidungen trifft.

Numerisch gesehen haben die DemokratInnen nicht nur die Parlaments- und Kongress-, sondern auch die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Während die Partei selbst mit der rassistischen und antidemokratischen Situation relativ zufrieden zu sein scheint, wirft dies ein Licht darauf, wie wenig Substanz hinter dem Anspruch steht, die „größte und fortschrittlichste Demokratie der Welt“ zu sein. Das enthält auch wichtige Lehren für alle AktivistInnen, die durch Wahlen Veränderungen herbeiführen wollen: Nicht nur, dass Polizei und Geheimdienste ihre Loyalität gegenüber der herrschenden Klasse nicht nur wegen einer Abstimmung aufgeben werden, es ist auch fast unmöglich, durch einen Wahlkampf eine Machtposition in den Vereinigten Staaten zu erlangen.

ArbeiterInnenpartei

Die Instabilität des Trump-Regimes und die zunehmenden Widersprüche innerhalb der regierenden Republikanischen Partei sind keine Überraschung für MarxistInnen, die bei seiner Wahl eine Analyse ihres Programms und ihrer sozialen Basis lieferten. Sie bieten jedoch die Möglichkeit, ernsthaften Widerstand gegen die reaktionäre Reorganisation großer Teile der US-Politik und des dortigen Lebens zu leisten.

Die Demokratische Partei ist nicht nur nicht in der Lage, eine Alternative für die ArbeiterInnenklasse zu schaffen, sie scheint sogar nicht einmal fähig zu sein, eine Alternative für ihre eigenen Bürokratinnen und ihre liberal-kapitalistische soziale Basis zu bieten. Es nützt nichts, wenn sich RevolutionärInnen, SozialistInnen oder, offen gesagt, jede halbfortschrittliche Person, die etwas in diesem Land ändern will, auf diese Partei verlassen. Stattdessen ist ein sauberer Bruch mit dieser durch und durch bürgerlichen Partei und ihrer arbeiterInnenfeindlichen Politik längst überfällig.

Der ungebrochene Anstieg der Mitgliederzahlen für selbsternannte sozialistische Gruppen wie die Demokratischen SozialistInnen von Amerika, DSA, zeigt, dass es eine bedeutende Minderheit von neuen AktivistInnen gibt, die bereit sind, sich außerhalb der bürgerlichen Politik zu organisieren. Es gibt noch viel mehr, die überzeugt werden könnten von der vergeblichen Politik, die Demokratische Partei nach links oder die Grünen nach ebenfalls links und aus der Bedeutungslosigkeit herauszuziehen.

Allerdings muss die DSA nicht nur mit ihrer Unterstützung für DemokratInnen wie Sanders brechen und ihre eigenen AnhängerInnen von demokratischen Tickets abziehen, sondern auch mit ihrem reformistischen Erbe und stattdessen ein Programm aufstellen, das Bestand haben kann, auch wenn die KapitalistInnen alles gegen sie mobilisieren: ein revolutionäres Programm zum Aufbau einer neuen ArbeiterInnenpartei.

Dies ist in erster Linie die Aufgabe der Mitglieder, ihr Versprechen einer radikalen und sozialistischen Politik zu erfüllen, anstatt eine weitere Generation von AktivistInnen zuerst in die Politik der Demokratischen Partei und dann in die Resignation zu treiben. Sie müssen den opportunistischen Kurs der Führung bekämpfen und eine ehrliche programmatische Debatte anstelle der leeren „Große Zelt“-Rhetorik führen, die nur die kommende Konfrontation verzögert.




Marsch der Geflüchteten in Mittelamerika: Solidarität gegen rassistisches US-Grenzregime!

Tobi Hansen, Neue International 233, November 2018

Seit vielen Wochen sind sie unterwegs: Mehr als 7.000 Geflüchtete aus Honduras, Guatemala und El Salvador haben die Flucht gewählt, da sie in „ihrem“ Staat keine Perspektive mehr sehen und sind jetzt in Mexiko gelandet. Es sind Familien, jung und alt haben sich gemeinsam auf den Weg gemacht. Auch dies ist weniger Ausdruck einer politischen Manifestation, sondern vor allem eine objektive Notwendigkeit. Sie flüchten gemeinsam, da sie sich so schützen können vor denjenigen, die an der Flucht verdienen wollen: SchleuserInnen, kriminellen Banden, die viele Geflüchtete für ihre Interessen benutzen wollen (Drogenhandel, Prostitution). Seit vielen Jahren nimmt die Flucht aus den zentralamerikanischen Staaten wie Costa Rica, Honduras, El Salvador und Guatemala zu – Ziel sind die USA. Allein im ersten Halbjahr 2018 haben diese und Mexiko mehr als 37.000 Geflüchtete wieder nach Honduras ausgewiesen – ein Kreislauf aus Flucht, Repression und Abschiebung.

Ihr Zielland, das „land of the free“, hat wegen der Geflüchteten bereits den „Notstand“ ausgerufen. Ca. 7.000 zusätzliche ArmeesoldatInnen sollen gemeinsam mit der Grenzschutzbehörde und der Nationalgarde die texanisch-mexikanische Grenze schützen. Präsident Trump droht täglich mit Gewalt.

Rassismus und Verschwörungstheorien

Die US-Administration sieht in den Geflüchteten eine „geplante“ Einmischung in die „midterm“-Wahlen am 6. November. Ein Teil der GouverneurInnen und SenatorInnen sowie das Repräsentantenhaus steht zur Zwischenwahl in der Halbzeit der Amtsperiode der/des PräsidentIn. Daher soll angeblich eine Allianz, die von der Regierung Venezuelas bis zum Milliardär Soros reicht, den Treck finanzieren und „linke Gangs“ und Kriminelle in die USA einzuschleusen beabsichtigen. Trump spekuliert bereits über die Kosten der Internierungslager, die gebaut werden müssten (höchstwahrscheinlich von sog. Hispanics). Deswegen kündigt der Immobilienspekulant „nette Zelte“ als Unterkunft an und wiederholt, er sei bereit, Waffengewalt einzusetzen.

Die katholische Kirche in Honduras, welche wie viele in Mittelamerika sich um die Armen vor Gott zu kümmern hat, deshalb vielleicht für die US-Administration auch zur „linken Verschwörung“ gehört, brachte die oft genannten Fluchtursachen ganz pragmatisch auf den Punkt: „…dass die massiven Fluchtbewegungen das Ergebnis einer seit Jahren anhaltenden Krise im Land und der ,schlechten Regierungsführung‘ seien, die sich in ,Armut, Ungleichheit und fehlenden Möglichkeiten‘ äußert und nun in einer ,menschlichen Tragödie‘ mündete. “ (Zitiert nach: https://amerika21.de/2018/ 10/215958/honduras-demonstration-fuer-fluechtende)

Die hier erwähnte schlechte Regierung unter Präsident Juan Orlando Hernández ist auch Tippgeberin, was die Hintergründe der Geflüchteten angeht. Diese sagt brav dem US-Imperialismus, was dieser hören will. Andererseits haben Honduras wie auch die angrenzenden Staaten bereits US-Finanzhilfen gekürzt bekommen, weil die Flüchtlinge nicht vor Ort gestoppt wurden. Diesen Druck erhöht die US-Administration jetzt auf Mexiko. Der noch amtierende Präsident Nieto (Obrador regiert ab dem 1.12.) offerierte jetzt, dass die Geflüchteten dort Asyl beantragen könnten, speziell „Frauen und Kinder“ würden bevorzugt behandelt. Bis auf wenige Hundert haben die Geflüchteten das abgelehnt. Sie wollen für ihr Recht auf ein besseres Leben ihren Marsch fortsetzen. In den Interviews stellen besonders die HonduranerInnen die schlechten Lebensbedingungen heraus, die sie zur Flucht bewegten.

Honduras galt lange als eine der „Bananenrepubliken“ des US-Imperialismus. Die entsprechenden Monopolkonzerne sind auch weiterhin die größten Großgrundbesitzer im Staat, wie auch die Landwirtschaft weiterhin 15 % des BIP erwirtschaftet, hauptsächlich über die Exportgüter Kaffee, Bananen und Tropenhölzer. Die Nationalökonomie ist abhängig von den Überweisungen der „ExilhonduranerInnen“, knapp 4 Mrd. US-Dollar kommen so jährlich in ein Land mit einem BIP von 23 Mrd. US-Dollar (2017). Alle ökonomischen Sektoren werden letztlich vom US-Imperialismus dominiert, so auch die Textilindustrie in Küstennähe oder Dienstleistungszentren der US-Konzerne für Mittelamerika. Gleichzeitig gab es in Honduras nie eine „Landreform“. Das fehlende Ackerland treibt die Bauern/Bäuerinnen in die Städte. Dort landen sie zumeist in den Slums, je nach Schätzung gelten 70-80 % der Bevölkerung als akut arm.

Auch Wikipedia muss zur sozialen Lage Folgendes konstatieren: „Mehr als die Hälfte der Einwohner lebt unterhalb der Armutsgrenze, ein Fünftel sind Analphabeten. Unter- und Fehlernährung sind weit verbreitet. Die medizinische Versorgung auf dem Land ist miserabel.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Honduras)

In Interviews mit den Geflüchteten sagten viele: „Wir wollen Jobs, wir wollen Land und Brot“, eine Perspektive für die Kinder, die sie in Honduras nicht bekommen, in den USA aber dank besserer Jobs und Löhne zu erhalten hoffen. Dort gehören sie dann zur Gruppe der „Hispanics“, welche größtenteils in der Land-, Bauwirtschaft und den „einfachen“ Dienstleistungen ausgebeutet wird und als Niedriglohnprekariat täglicher Diskriminierung und Rassismus ausliefert ist. Ebenfalls sind sie dort den rassistischen Banden außerhalb des Weißen Hauses ausgesetzt. Viele von diesen paramilitärisch Organisierten wollen jetzt den Grenzschutz in die eigenen Hände nehmen.

Der Kampf gegen Rassismus und für offene Grenzen

Diese Situation zeigt deutlich, wie wichtig der Kampf für offene Grenzen, für Bewegungsfreiheit der Geflüchteten ist. Steht die internationale ArbeiterInnenbewegung im Abseits bei dieser Frage, bezieht sie sich positiv auf die „Relikte“ nationalstaatlicher Ordnung, dann verweigern wir die Solidarität gegenüber den Geflüchteten! Wenn selbst alle bürgerlichen Medien die Zusammenhänge zwischen Marktbeherrschung und dortiger Fluchtbewegung herstellen können, dass nämlich jede Produkt der imperialistischen Dominanz ist, dann müssen auch die ArbeiterInnenorganisationen sich aktiv in den Kampf gegen die rassistischen Grenzregime einbringen.

Wir dürfen den Trumps, Salvinis, dem gesamten rassistischem und nationalistischem Abschaum nicht den Umgang mit den Flüchtenden überlassen. Diese werden sie letztlich genau wie die israelische Besatzung im Gaza-Streifen sehenden Auges an den Grenzen sterben lassen bzw. den Schießbefehl geben. Während die Ökonomie der imperialistischen Staaten die Halbkolonien der Welt ausbluten lässt, werden die MigrantInnen, die keine Perspektive in ihren Staaten besitzen, zum Opfer des Rechtsrucks, des staatlichen Rassismus an den Grenzen.

Für die Geflüchteten muss es jetzt um eine politische Perspektive ihres Protestes, ihres Recht auf Bewegungsfreiheit gehen. Dafür brauchen sie die Unterstützung der mexikanischen und der US-amerikanischen ArbeiterInnenbewegung.

Gerade wenn ein US-Präsident eine Mauer an der Grenze errichten will, steht dieser Flüchtlingstreck für den Kampf gegen imperialistische Willkür. Wenn die US-Konzerne im Hinterhof Lateinamerika die Lebensbedingungen von Millionen ruinieren, dann ist es deren Recht, diese Staaten zu verlassen. Dafür brauchen sie die internationale Solidarität.

Vor Ort wäre es wichtig, das eben die mexikanische Gewerkschaftsbewegung, die Studierenden, die Widerständigen aus Oaxaca und Chiapas die Geflüchteten nicht allein zur waffenstarrenden Grenze laufen lassen, sondern diesen Marsch unterstützen und mit Zehn-, Hunderttausenden zur Grenze ziehen.

Trump stoppen

Es darf nicht zugelassen werden, dass die Geflüchteten interniert, sie den Grausamkeiten bis zum Tod ausgeliefert werden. Dazu wäre eine Mobilisierung auf der „anderen“ Seite der Grenze hilfreich gegen die paramilitärischen Milizen einerseits, aber auch für das Recht der Geflüchteten einzureisen, wie es laut der Freiheitsstatue ja vor allen den Ärmsten der Armen gestattet sein soll. Eine Masssenmobilisierung, eine Menschenmauer des Willkommens für die verarmten Klassengeschwister aus Mittelamerika wäre dazu nötig, um sie vor Trumps Truppen und den Paramilitärs zu schützen! Jene Städte, die bisher Geflüchteten Schutz boten (sanctuary cities) und die Umsetzung der Politik Trump verweigerten, könnten dafür ein guter Ausgangspunkt sein- und müssten zugleich gegen drohende Repression durch die US-Regierung verteidigt werden.

Darüber hinaus muss die US-amerikanische ArbeiterInnenbewegung politische Demonstrationen und Streiks gegen das Grenzregime „ihrer“ Regierung, für volle Staatsbürgerrechte aller im Lande Lebenden und gegen alle Einwanderungsbeschränkungen durchführen. Die Verlegung von Truppen und Nachschub an die Grenze zu Mexiko muss blockiert und boykottiert werden.

Es handelt sich um einen Marsch, einen Exodus der Verzweiflung an der Willkür des Imperialismus, gegen seine Grenzen, seinen Rassismus – als solchen müssen wir auch den Kampf für offene Grenzen verstehen und führen, sei es im Mittelmeer oder an der US-amerikanischen Grenze!