USA: Zwischenwahlen zeigen Notwendigkeit einer unabhängigen Arbeiter:innenpartei

Andy Yorke, Infomail 1205, 1. Dezember 2022

Die Zwischenwahlen in den USA am 8. November waren ein Schock für die Kommentator:innen, die Präsident Biden und der Demokratischen Partei eine Katastrophe voraussagten. Tatsächlich war der Umschwung gegen die etablierte Partei so gering wie seit vielen Jahren nicht mehr, obwohl Biden in den Meinungsumfragen rekordverdächtig unbeliebt ist.

Die von Ex-Präsident Trump vorhergesagte „rote Welle“ zugunsten der Republikanischen Partei blieb aus. In der Tat haben viele der von ihm unterstützten MAGA-Kandidat:innen (Make America Great Again) verloren oder deutlich unterdurchschnittliche Ergebnisse erzielt. Vielmehr kam es in beiden Parteien zu einer Verschiebung in Richtung „Mitte“. Biden ist sicherlich in seiner Fähigkeit geschwächt, den Großteil seiner innenpolitischen Agenda durch das Repräsentantenhaus zu bringen, aber die Zwischenwahlen waren eine weitaus schwerwiegendere Niederlage für Donald Trump und den von ihm unterstützten rechtspopulistischen Flügel.

Seine Erklärung über seine Kandidatur für 2024 war dementsprechend schwach und schlecht gelaunt. Er drohte seinem republikanischen Mitstreiter Ron DeSantis, der einen Erdrutschsieg bei der Wahl zum Gouverneur von Florida erzielte, mit Enthüllungen, die seine Chancen irreparabel beeinträchtigen würden.

In der Republikanischen Partei zeichnet sich nun ein wahrer Bürger:innenkrieg ab. DeSantis lehnt Trump als Person ab, nicht aber seinen Rechtspopulismus, wie seine Reden zeigen. Dies wird durch sein Eintreten für ein Anti-Woke-Gesetz (soll Gutheißen oder Billigung bestimmter Unterrichtsinhalte durch staatliche Lehrkräfte verhindern) untermauert. Mit dem reaktionären Vorstoß soll das Gutheißen oder die Billigung bestimmter Unterrichtsinhalte durch staatliche Lehrkräfte verhindert werden, so zum Beispiel das Aufgreifen von Lehren der „Critical Race Theory“. Jedes Eingeständnis der rassistischen Vergangenheit und Gegenwart Amerikas soll faktisch aus dem Unterricht verbannt werden.

Auf der anderen Seite gingen Biden und die rechte und mittlere Seite der Demokrat:innen gestärkt aus der Wahl hervor und konnten sich gegen jede ernsthafte Herausforderung von links um Sanders oder Alexandria Ocasio-Cortez und neben dieser den anderen 3 Mitgliedern der „Squad“ (Truppe) – Ilhan Omar, Ayanna Pressley, Rashida Tlaib – behaupten. Sicherlich spielte das Thema Abtreibung der Demokratischen Partei in die Hände und ermöglichte es ihnen, den Vorteil zu überwinden, den die Republikanische Partei in Bezug auf die sich verschlechternde Wirtschaftslage (8 – 9 % Inflation) zu besitzen glaubte.

Jacobin, die Website der Demokratischen Sozialist:innen Amerikas (DSA), lobt in den höchsten Tönen den Sieg von John Fetterman in Pennsylvania als Ergebnis einer starken Wahlkampfunterstützung durch den Gewerkschaftsverband Change to Win und die Aktivist:innen der Lehrer:innengewerkschaft von Pennsylvania; ein Beweis für die immer noch aktiven Verbindungen zwischen den Gewerkschaften und der Demokratischen Partei. Fetterman vertritt in der Tat relativ progressive Ansichten zu Themen wie der Legalisierung von Cannabis, Abtreibung und einem Mindestlohn von 15 US-Dollar. Aber er prangerte auch den Slogan „Defund the police“ (Keine Finanzierung der Polizei) als „absurd“ an, er erklärte, er werde „hart gegen China“ vorgehen, und er sprach sich für Fracking aus. Er ist bestenfalls ein Mitte-Links-Populist.

Zwischen den kapitalistischen Parteien

Trotz alledem bleiben die amerikanischen Arbeiter:innen, insbesondere diejenigen, die sich an der anhaltenden Streikwelle und den gewerkschaftlichen Organisierungsbestrebungen beteiligen, in dem nicht enden wollenden Wahlzyklus zwischen den beiden kapitalistischen Parteien gefangen, mit einem weiteren zweijährigen Kampf, um Trump oder DeSantis aus dem Weißen Haus und die Konzerndemokrat:innen an der Macht zu halten. Sie können die Ausrede eines festgefahrenen republikanischen Repräsentantenhauses und rechter Demokrat:innen wie Joe Manchin im Senat nutzen, um all die eher arbeiter:innenfreundlichen Versprechen aus Bidens Manifest für 2020 über Bord zu werfen.

Sanders und der linkspopulistische/demokratische sozialistische Flügel drängten auf mehr „wirtschaftliche Botschaften“, die für die Arbeiter:innen attraktiv sein sollten, um die Wahlkampfspots zu ergänzen, die sich auf die Abtreibung konzentrierten – eine versteckte Kritik, dass Biden nicht radikal genug sei. Aber in Wirklichkeit wird die Wirtschaftspolitik der Demokratischen Partei immer die Interessen der Hochfinanz und des Großkapitals in den Vordergrund stellen. Das hat sie schon immer getan, selbst unter der stark mythologisierten Roosevelt-New-Deal-„Koalition“ mit Gewerkschaftsbürokrat:innen und Bürgerrechtsführer:innen. Nur ein unabhängiger Klassenkampf, das Gespenst der Revolution, könnten der herrschenden Klasse radikale Reformen abtrotzen, nicht das fein austarierte politische System und die Hoffnung auf kleine Fortschritte.

Doch die Mehrheit der reformistischen Linken in den USA, allen voran die DSA und die Zeitschrift Jacobin, wollen Arbeiter:innen, Frauen, ethnische Minderheiten und Jugendliche in der Tretmühle der Wahlpolitik halten, indem sie für die Demokratische Partei stimmen und in vielen Fällen auch für sie kandidieren, die zweite Partei des US-Kapitalismus, in der die Spenden der Unternehmen diejenigen der Gewerkschaften in den Schatten stellen, die nur einen weiteren Minderheitenstatus bekleiden.

Das Sanders-Experiment – das zweimal, 2016 und 2020, durchgeführt wurde – hat bewiesen, dass eine „politische Revolution gegen die Milliardär:innenklasse“ nicht durch die Demokratische Partei stattfinden kann, obwohl das Organisationsgremium, das Demokratische Nationalkomitee, die mächtigste und am besten platzierte Herausforderung für ihre Autorität seit Jahrzehnten enthält.

Ein Teil der Jakobiner:innen und einige kleine linke Fraktionen sagen, sie wollen einen „schmutzigen Bruch“ mit der Demokratischen Partei und schließlich eine Arbeiter:innenpartei aufbauen. Wahl für Wahl verzögern sie jedoch die tatsächliche Umsetzung dieser Strategie. Ihr jüngster Vorschlag besteht darin, Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez aufzurufen, diesen Bruch anzuführen, trotz der offensichtlichen Tatsache, dass sie jetzt mehr denn je in der DP integriert sind.

Eine Strategie des „sauberen“ Bruchs bedeutet andererseits, alle Befürworter:innen einer wirklichen Unabhängigkeit zugunsten der Arbeiter:innenklasse zu vereinen, um bei den kommenden Bundesstaats- oder Kommunalwahlen und im Jahr 2024 Arbeiter:innen- und/oder sozialistische Kandidat:innen zu unterstützen. Dies sollte innerhalb der DSA und in den Gewerkschaften verfolgt werden, aber auch die radikalen Aktivist:innen unter den Kämpfer:innen für die Rechte von Frauen, Farbigen, Klimagerechtigkeit usw. einbeziehen.

Es bedeutet, dies auf der Grundlage eines kämpferischen Aktionsprogramms zu tun, um eine unabhängige Arbeiter:innenpartei mit allen laufenden Auseinandersetzungen zu verbinden, einschließlich der Kämpfe gegen Rassismus und die populistische Rechte und ihre faschistischen Ränder. Das Ziel sollte sein, entweder einen DSA-Konvent 2023 zu gewinnen, um ein solches Programm zu verabschieden und einen sofortigen Bruch mit der Demokratischen Partei zu beschließen, oder einen Kongress all derer einzuberufen, die dazu bereit sind.




USA: Eine Geschichte von zwei Erschießungen

Andy Yorke, Infomail 1172, 5. Dezember

Nach dem Freispruch des rechtsgerichteten Selbstjustizlers Kyle Rittenhouse am 19. November in den USA ist es zu massiven Kontroversen gekommen. Videos zeigen, wie Rittenhouse in Kenosha, Wisconsin, während eines Protests gegen die Polizei am 25. August 2020 zwei Demonstranten erschießt und mindestens einen weiteren verwundet, indem er dem unbewaffneten Schwarzen Jacob Blake sieben Mal in den Rücken schießt und ihn dadurch lähmt. Nach dem angekündigten Freispruch twitterte der ehemalige National-Football-League-Spieler Colin Kaepernik: „Wir haben soeben erlebt, wie ein System, das auf weißer Vorherrschaft aufgebaut ist, die terroristischen Handlungen eines weißen Verteidigers dieser Vorherrschaft bestätigt hat“. Vorhersehbarerweise haben rechtsgerichtete Gruppen und sogar Donald Trump selbst Rittenhouse als Helden bezeichnet.

Erstaunlich und erschreckend ist jedoch, dass einige Linke argumentieren, er sei kein Rassist oder Faschist, sondern habe sich einfach nur verteidigt, und diejenigen, die das Gegenteil behaupten, seien nur in einen angeblichen linksliberalen „Kulturkampf“ verwickelt. Wenn wir den Fall isoliert, sondern im Kontext des Rassismus in den USA, der Polizeigewalt und des Wachstums der extremen Rechten betrachten wird deutlich, dass die Morde und der Freispruch Teil eines rassistischen, rechtsgerichteten Systems sind.

Rittenhouse und die Realität

Nach den Schüssen auf Jacob Blake kam es in Kenosha zu Protesten – eine Fall in einer langen Reihe von Protesten seit Trayvon Martin, die eine breitere und wütendere Bewegung ausgelöst haben, die Gerechtigkeit fordert, die jedoch nur selten kommt. Der 17-jährige Rittenhouse nahm ein ArmaLite-AR-15-Gewehr und stand vor einer Tankstelle neben rechtsextremen Milizen Wache. Die Polizei gab ihnen sogar Wasser und dankte ihnen für ihr Kommen. Sie griff ihrerseits die DemonstrantInnen mit Tränengas und Gummigeschossen an, was zu einer wütenden Reaktion führte, bei der einige Gebäude verwüstet und in Brand gesetzt wurden. Ein völlig unbewaffneter, möglicherweise psychisch kranker Mann, Joseph Rosenbaum, sah Rittenhouse und „griff“ ihn an, möglicherweise um ihn zu entwaffnen. Er wurde von Rittnehouse in den Kopf geschossen, obwohl er wusste, dass Rosenbaum unbewaffnet war.

Andere, die den Mord sahen, identifizierten Rittenhouse als einen rechtsextremen „aktiven Schützen“ und versuchten, ihn zu entwaffnen. Anthony Huber wurde dabei erschossen, nachdem er Rittenhouse mit seinem Skateboard getroffen hatte – kaum eine tödliche Waffe. Gaige Grosskreutz, ein Sanitäter und Rechtsbeobachter der American Civil Liberties Union (Amerikanische Bürgerrechtsunion) auf der Demonstration, trug eine Handfeuerwaffe bei sich und sagte, er habe sich nicht dazu durchringen können, auf Rittenhouse zu schießen, und wurde seinerseits am Arm verwundet. Umstehende wiesen die Polizei auf Rittenhouse als den Schützen hin, der immer noch die Waffe trug, aber die Hände zum Aufgeben erhoben hatte, doch die Polizei fuhr vorbei, ohne ihn zu festzunehmen.

Manche sagen, es gehe nicht um Rassismus, weil er weiße AktivistInnen erschossen habe, die für „Black Lives“ protestierten – „Rassenverräter“ im Sprachgebrauch der extremen Rechten – oder sich nur verteidigt habe. Aber was gab Rittenhouse das Recht, sich zu „verteidigen“? Ist es nicht genauso vernünftig zu sagen, dass die DemonstrantInnen versuchten, sich und ihren Protest vor ihm zu verteidigen? Einige haben versucht, Rosenbaum für seinen eigenen Tod verantwortlich zu machen. Er hatte psychische Probleme und war gerade aus dem Krankenhaus entlassen worden, verhielt sich aggressiv und es wurde in Frage gestellt, ob er überhaupt ein Demonstrant war, aber Tatsache ist, dass er niemanden bei der Demonstration angegriffen hat. Wenn Rittenhouse nicht nach Kenosha gefahren wäre, wäre niemand gestorben.

Der Prozess, der von einem rechtsgerichteten Richter geleitet wurde, zeigte, dass die gleiche Voreingenommenheit auch im amerikanischen „Justiz“-System herrscht. Der Richter verbot den StaatsanwältInnen, die drei erschossenen Männer als „Opfer“ zu bezeichnen und irgendetwas aus Rittenhouses Texten in sozialen Medien vor dem Mord zu erwähnen, was gezeigt hätte, dass er ein eifriger Pro-Trump- und Pro-Polizei-online-Aktivist war (er hatte eine Spendenaktion organisiert), der „Blue Lives Matter“ propagierte, die rechte, rassistische Unterstützung für die Polizei gegen „Black Lives Matter“. Ebenso wenig durften die AnwältInnen der Opfer ein Video anführen, an dem sie geltend machten, Rittenhouse habe vor einer CVS-Drogerie (CVS: Einzelhandelsunternehmen der Pharmaziebranche; Anm. d. Red.) zu schwarzen Menschen gesagt: „Junge, ich wünschte, ich hätte mein verdammtes Jagdgewehr und würde euch alle über den Haufen schießen.“ Seine Verteidigung hingegen durfte die Protestierenden als PlündererInnen und RandaliererInnen bezeichnen und damit im erweiterten Sinne auch die Opfer von Rittenhouse diffamieren, obwohl es keine Beweise dafür gibt, dass sie irgendetwas in dieser Richtung getan haben.

Dass Rittenhouse freigesprochen wurde, lag zum Teil an der Voreingenommenheit des Richters, zum Teil an den fast ausschließlich weißen Geschworenen und zum Teil an einem hochkarätigen Verteidigungsteam, das von der Rechten und von Polizeigruppen mit 2 Millionen US-Dollar ausgestattet wurde. Während des Prozesses zeigte er keine Reue gegenüber seinen Opfern. Als er im noch laufenden Verfahren gegen Kaution auf freiem Fuß war, wurde er in einer Kneipe mit Mitgliedern der faschistischen Proud Boys fotografiert, wobei er das auf dem Kopf stehende OK-Zeichen der weißen RassistInnen zeigte (er sagte, er wisse nicht, was es bedeute). Der Richter verbot auch dies, vor Gericht zu erwähnen. Ex-Präsident Trump beglückwünschte ihn und der Fox-Nachrichtensprecher Tucker Carlson verteidigte Rittenhouse und seine Taten und implizit auch jede/n, der/die seinem Beispiel folgt: „Wie schockiert sind wir darüber, dass 17-Jährige mit Gewehren beschlossen haben, die Ordnung aufrechtzuerhalten, wenn es sonst niemand tut?“

Fakten oder sozialer Kontext

„Fakten“ haben immer eine soziale Bedeutung, wie die Umkehrung dieser Rollen zeigt. Wenn ein/e junge/r Schwarze/r mit einem automatischen Gewehr auf die Straße und in einen rechten Aufmarsch gegangen wäre und drei TeilnehmerInnen erschossen hätte, wäre er/sie wahrscheinlich von der Polizei getötet worden, noch bevor sich die „DemonstrantInnen“ um ihn/sie kümmern konnten. Wäre diese Person verhaftet worden, hätte sie mit ziemlicher Sicherheit eine sehr lange Gefängnisstrafe oder in einem anderen Staat sogar die Todesstrafe erhalten. Wenn ein/e weiße/r Linke/r das Gleiche getan hätte, wäre er/sie mit Sicherheit viel schlechter behandelt worden als Rittenhouse. Es ist also nicht nur eine Frage des weißen Privilegs, sondern auch der inhärenten arbeiterInnenfeindlichen und gegen Linke voreingenommenen Haltung der „dünnen blauen“ Frontlinie des Staates, der Polizei und des dahinter stehenden Justiz- und Gefängnissystems im Kapitalismus.

Tragischerweise haben wir den Beweis dafür. Am 28. August 2020, drei Tage nach den vielbeachteten Morden in Kenosha, erschoss der antifaschistische Aktivist Michael Reinoehl in Portland, Oregon, den rechtsextremen Gegendemonstranten Aaron Danielson. Danielson war zu diesem Zeitpunkt mit gefährlichem Pfefferspray, einem ausziehbaren Polizeischlagstock und einem Gewehr bewaffnet. Nachdem er tagsüber an einem provokativen Pro-Trump-Konvoi teilgenommen und getrunken hatte, waren Danielson und ein weiterer, ebenfalls bewaffneter Angehöriger der rechtsextremen Gruppe Patriot Prayer absichtlich in eine Antipolizeidemonstration gelaufen. Reinoehl hatte das gleiche „Recht“, sich zu verteidigen wie Rittenhouse, und er erklärte vor und nach der Schießerei, er habe versucht, die DemonstrantInnen vor rechtsextremen Anschlägen zu schützen.

Aber das Ergebnis hätte nicht unterschiedlicher sein können. Bei der polizeilichen Fahndung nach Reinoehl wurde dieser einige Tage später von BundespolizistInnen erschossen, ohne dass ein Versuch unternommen wurde, ihn festzunehmen, wie Zeugen berichten, die auch sagen, dass er seine Waffe nicht gezogen hatte. Trump, der Reinoehl zuvor als „kaltblütigen Mörder“ bezeichnet hatte, sagte unter dem Jubel seiner Fans: „Wir haben ihn erwischt“: „Dieser Mann war ein gewalttätiger Krimineller, und die US-Marschalls haben ihn getötet. Und ich sage euch etwas, so muss es sein. Es muss Vergeltung geben.“

Trump hat wiederholt auf das Schreckgespenst des „linksradikalen Faschismus“ und der Antifagewalt eingehämmert, während er sich weigerte, die tatsächliche organisierte Gewalt der Rechten und der Polizei zu verurteilen, ja Kommentare wie der obige schüren sie sogar noch. Doch Danielsons Tod war die erste aufgezeichnete Tötung durch einen Antifaschisten, verglichen mit 329 Morden durch weiße RassistInnen und andere RechtsextremistInnen, wie aus einem 25 Jahre zurückreichenden Bericht des Zentrums für strategische und internationale Studien (CSIS) hervorgeht. Außerdem wurde festgestellt, dass die Rechte im Jahr 2020 für 67 Prozent der inländischen Terroranschläge und -komplotte verantwortlich war, wobei die Hälfte dieser Gewalt gegen DemonstrantInnen gerichtet war. Darüber hinaus ist die Polizei von weiß-suprematistischen Gruppierungen durchsetzt.

Trump, Fox News und die Rechten stellen die Realität auf den Kopf, indem sie eine ideologische Blase aus Bedrohung und linker Verschwörung aufpeitschen, um die Unterdrückung antirassistischer Proteste durch Polizei und Milizen zu entschuldigen und zu ermöglichen. Letztlich sind sie mitverantwortlich für die Morde Rittenhouses.

„Wir dürfen nicht voreingenommen sein“?

Einige haben behauptet, dass die Linke, wenn die Situation umgekehrt wäre, die Angeklagten verteidigen und ihren Freispruch unterstützen würde. Deshalb müssten wir Rittenhouse anders behandeln.

Die Wahrheit ist, dass Linke nicht auf rechtsextreme Demos schlendern, weil sie gelyncht würden. RechtsextremistInnen tun dies so selbstbewusst, um die DemonstrantInnen einzuschüchtern oder zu provozieren, weil sie wissen, was der Fall Rittenhouse bewiesen hat: Die Polizei, die Gerichte, republikanische PolitikerInnen und ein Großteil der Medien werden sie verteidigen. Trotz der Anwesenheit einzelner DemonstrantInnen mit Handfeuerwaffen ist die Linke im Allgemeinen unbewaffnet. Die kleinen, organisierten bewaffneten Reaktionen, die sich entwickelt haben, sind defensiv, eine schützende Antwort auf rechtsextreme Gewalt, aber auch unzureichend. Die Polizei wird sie angreifen, statt ihnen zu danken. In der Zwischenzeit bilden bewaffnete Mobilisierungen zur Einschüchterung oder zum Angriff auf die Linke und Minderheiten den einzigen Grund für die Existenz faschistischer Milizen.

Beide Ergebnisse, der Freispruch von Rittenhouse und der Polizistenmord an Reinoehl, wurden von der extremen Rechten gefeiert, allen voran von Trump. Ein Proud Boy erklärte, die Gewalt werde erst aufhören, wenn die Leichen der Linken „wie Klafter Holz aufgestapelt sind“. Die Lehre aus dem Fall Rittenhouse lautet, dass die Rechten unsere Demos ungestraft kontrollieren, einschüchtern und unterdrücken können, die aus dem Fall Reinoehl, dass das System sie verteidigen wird, wenn wir uns wehren. Die Urteile werden die Rechten nur ermutigen, die darin einen Freibrief sehen werden, ihre bewaffnete „Sicherheit“ auf unseren Protesten zu verstärken. Die einzige Antwort besteht in organisierter Selbstverteidigung.

SozialistInnen unterstützen das Recht der ArbeiterInnen und Unterdrückten, sich selbst zu verteidigen, von der Streikpostenkette bis zu den „Black Panthers“. Wir stellen uns nicht auf die Seite der Polizei und der Gerichte, wenn sie die Armen verurteilen und kriminalisieren, weil sie nach Polizistenmorden aufbegehren, Polizeistationen niederbrennen, auf denen sie festgesetzt, geschlagen und eingesperrt wurden, oder Geschäfte für die Dinge plündern, die der Kapitalismus anpreist, die sie sich aber nicht leisten können.

Ausschreitungen sind jedoch keine Lösung. Nur eine Massenbewegung, die sich auf Organisationen mit gewählten Delegierten aus Nachbarschaftskomitees, Gewerkschaftsgruppen und Betrieben, Hochschulen und Schulen sowie linken und antirassistischen Organisationen stützt, kann einen anhaltenden Massenkampf für Gleichheit und Gerechtigkeit führen. Dieser Kampf wäre zwar überwiegend politisch, um die Polizei zu entwaffnen und ihnen die Geldmittel zu entziehen und den Gefängnisstaat abzubauen, doch müsste eine solche Bewegung die Verteidigung ihrer Proteste und Gemeinden gegen rechtsextreme oder polizeiliche Gewalt „mit allen notwendigen Mitteln“ organisieren. Als Bewegung der Armen und der ArbeiterInnenklasse könnte sie zwangsläufig dazu beitragen, die Kräfte für die Beseitigung des Kapitalismus selbst aufzubauen, da dies der einzige Weg ist, die Welt von Rassismus und Polizei zu befreien.




USA: Präsident Biden verspricht „besser wiederaufzubauen“

Dave Stockton, Infomail 1139, 20. Februar 2021

Die meisten politischen FührerInnen der Welt jubeln über die Ablösung von Donald Trump. Sie haben es als eine tröstliche Wiederbehauptung der amerikanischen Demokratie gefeiert, nach vier Jahren Zerrüttung der internationalen Institutionen, die die zunehmend widersprüchlichen Interessen der großen imperialistischen Mächte verwalten.

Zu Trumps „Errungenschaften“ gehörte die Weigerung, ernsthafte Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie zu ergreifen. Infolgedessen hat die Zahl der Todesopfer in den USA bereits 400.000 erreicht, während die Aussetzung der US-Mitgliedschaft bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) deren Gesamtbudget um 20 Prozent reduzierte.

Dann gab es den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen und die einseitige Aufkündigung des Iran-Atomabkommens. Diejenigen, die sich auf die „Weltpolizistin“ verlassen, fanden ihre Annäherungsversuche an die chinesischen und nordkoreanischen Diktatoren alarmierend. Gleiches gilt für ihren „Deal des Jahrhunderts“, die Abkehr von der Zweistaatenlösung für Palästina bei gleichzeitiger Anerkennung der israelischen Siedlungen, auch wenn letzterer nur eine De-facto-Situation offenlegte.

Trumpismus und die Republikanische Partei

Während viele Menschen in den USA und auf der ganzen Welt seinen demütigenden Abgang feiern, dominiert der Trumpismus noch immer die Republikanische Partei.

Eine Umfrage des Hörfunk- und Fernsehsenders NBC, die nach dem gescheiterten Putschversuch im Januar durchgeführt wurde, zeigt, dass 28 Prozent der Befragten sagten, Trumps Worte und Taten an diesem Tag hätten ihre Unterstützung für ihn tatsächlich verstärkt. Nur 5 Prozent sagten, sie bedauerten nun ihre Unterstützung, und zwei Drittel sagten, diese habe sich nicht geändert. Nur 11 Prozent machten Trump für die Gewalt verantwortlich, während etwa die Hälfte die Verantwortung auf „Social-Media-Unternehmen“ und „Antifa“ schob.

190 RepublikanerInnen aus dem RepräsentantInnenhaus stimmten gegen Trumps Amtsenthebungsverfahren wegen Anstiftung zum Aufruhr. Nur 10 schlossen sich den Abgeordneten der Demokratischen Partei an, um es zu durchzubringen. Auch 45 republikanische SenatorInnen votierten gegen einen Amtsenthebungsprozess, genug, um die für eine Verurteilung benötigte Zwei-Drittel-Mehrheit zu blockieren. Dies geschah trotz der eklatantesten Verletzung der US-Verfassung in ihrer über zweihundertjährigen Geschichte.

Die zwei Monate, in denen der unterlegene Amtsinhaber versuchte, das Wahlergebnis vom November zu kippen, gipfelten darin, dass seine UnterstützerInnen den Kongress stürmten, um die Amtseinführung des gewählten Präsidenten zu verhindern. Am Inaugurationstag verwandelte sich Washington in ein bewaffnetes Lager mit 26.000 eingesetzten NationalgardistInnen, von denen 5.000 bis Mitte März bleiben werden.

Trotz Bidens Appellen zur Einigkeit und Heilung werden die DemokratInnen mit Obstruktion und Sabotage ihres Gesetzgebungsprogramms konfrontiert sein, sobald sich der Staub des 6. Januar gelegt hat. Die Republikanische Partei wird darauf hoffen, bei den Zwischenwahlen im November 2022 die Kontrolle über den Senat zurückzuerlangen. Zwar sind eine Handvoll SenatorInnen und Abgeordnete des RepräsentantInnenhauses aus der Reihe getanzt, was sein Gesetzgebungsprogramm ein wenig erleichtern könnte, doch werden sie zweifellos die Verschleppungstaktik (Filibuster: endloses Reden im Senat zur Verhinderung einer Beschlussfassung) mit maximaler Wirkung einsetzen, um Kürzungen bei Ausgabenprogrammen und faule Kompromisse bei Sozial- und BürgerInnenrechtsfragen zu erzwingen.

Das Putsch-Abenteuer scheiterte jedoch, weil kein ernst zu nehmendes Element innerhalb des Staatsapparates, der Justiz, der Legislative oder des Militärs einen Staatsstreich dulden würde, und deshalb wäre es, selbst wenn es sein Ziel, die SenatorInnen und RepräsentantInnenhaus-Abgeordneten zu vertreiben oder als Geiseln zu nehmen, erreicht hätte, ins soziale Nichts gefallen. Damit ein echter Putsch etwas bewirken kann, muss sich ein Teil des staatlichen Repressionsapparates auf seine Seite schlagen und der Rest neutral bleiben.

Diejenigen, die zum Kapitol marschierten und es stürmten – wer auch immer für den lächerlich unzureichenden Schutz des Parlamentsgebäudes verantwortlich war –, hatten jedoch voll und ganz die Absicht, Letzteres zu erzwingen und Trump verfassungswidrig an der Macht zu lassen, also einen Staatsstreich durchzuführen. Am Ende stellte sich heraus, dass es ein miserabler Putsch war.

Doch angesichts der Kontrolle der Republikanischen Partei über so viele GouverneurInnenämter und Hauptstädte und einer rechten Mehrheit im Obersten Gerichtshof wird Bidens berühmtes Verhandlungsgeschick sehr gefragt sein, und die radikaleren Teile dieses Programms werden vom ersten Tag an unter Beschuss stehen.

Konfrontiert mit einem lautstarken linken Flügel in seiner eigenen Partei, wird er den Vorwand der republikanischen Obstruktion brauchen, um Forderungen nach „Gesundheitsversorgung für alle“ oder einem „grünen New Deal“ abzuwehren. Wer glaubt, die Achse der Politik drücke Joe nach links, ist genau auf dem Holzweg.

Biden, der Retter?

Biden kommt nun ins Amt und posiert als Retter der Demokratie, als Bewahrer der Republik und als Wiederhersteller der verfassungsmäßigen Ordnung. Er hat versprochen, die von Trump vernachlässigten Themen aufzugreifen: Amerikas grassierende Covid-19-Epidemie zu bekämpfen, die Klimakatastrophe, die steigende Arbeitslosigkeit und Armut anzugehen, das Gesundheitssystem zu reparieren und die führende Position der USA in der Welt wiederherzustellen. Außerdem hat er versprochen, sich mit Polizeirassismus, Einwanderung und der verfallenden Infrastruktur zu befassen.

Das Konjunkturprogramm beinhaltet eine Zahlung von 1.400 US-Dollar an jede/n Einzelne/n, Hilfe für finanzschwache Bundesstaaten und lokale Regierungen, die Verlängerung des Arbeitslosengeldes mit 400 US-Dollar pro Woche, Mittel zur Wiedereröffnung von Schulen und Universitäten, mehr Steuergutschriften für Kinder, Zugang zu Qualität und die Anhebung des Mindestlohns auf 15 US-Dollar pro Stunde.

Sein Programm ist sicherlich lang an Versprechen. Auf seiner Website kann man über „höhere Löhne, stärkere Sozialleistungen und faire und sichere Arbeitsplätze“ lesen und ein Versprechen, „die Gewerkschaften und die Macht der Arbeit,nehmer’Innen zu stärken“, indem „das Gesetz zum Schutz des Rechts auf Organisierung (PRO), die Gewährleistung von Card Check (Beitragseinzug an der Quelle), Gewerkschafts- und Verhandlungsrechte für Beschäftigte im öffentlichen Dienst“ und eine erschwingliche Gesundheitsversorgung aufgenommen werden.

Der Senat, mit nur einer Stimme (Vizepräsidentin Kamala Harris hat das ausschlaggebende Votum) Mehrheit für die Demokratische Partei, kann sich als echtes Hindernis für die weitreichenderen Versprechen Bidens erweisen. Ohne eine deutliche Mehrheit können durch Verschleppungstaktik Gesetze blockiert werden. Das ist an sich schon undemokratisch, aber der Senat selbst ist ein grob undemokratisches Gremium. Zwei SenatorInnen vertreten jeden Bundesstaat, unabhängig von der Größe seiner Bevölkerung. Die 39 Millionen EinwohnerInnen Kaliforniens erhalten die gleiche Stimmkraft wie die 578.000 BewohnerInnen Wyomings.

Was die Versprechungen angeht, wird dies jedoch zweifellos Millionen als das weitreichendste Programm seit den 1960er Jahren erscheinen. Abhängig von der erfolgreichen Einführung von Impfungen und Tests zur Kontrolle von Covid-19 wird es Biden wahrscheinlich eine Sympathiewelle bescheren und bildet die Grundlage für ein Intervall labilen Gleichgewichts, bis die nächste Krise am Horizont erscheint.

Revolutionären MarxistInnen kommt die Aufgabe zu, die Unzulänglichkeiten und Schwächen von Bidens Maßnahmen aufzuzeigen:

  • „Gesundheitsversorgung für alle“, aber nicht kostenlos am Ort der Nutzung und daher nicht für alle.
  • Erleichterung für diejenigen, die in Gefahr sind, ihre Häuser zu verlieren, aber kein Erlass ihrer Schulden.
  • Ein Stopp von Trumps Mauer und von Lagern für Kinder von MigrantInnen, aber kein Ende der Abschiebungen.

Immerhin hat Barack Obama jährlich mehr „Illegale“ abgeschoben als Trump. Und wahrscheinlich wird es trotz Kamala Harris‘ und Joes Lob für „Black Lives Matter“ keinen ernsthaften Versuch geben, den Rassismus der Polizeidienststellen aufzudecken oder die Straffreiheit für mordende PolizistInnen zu beenden, geschweige denn sie „abzuschaffen“.

Bidens Kabinett besteht größtenteils aus rechtsgerichteten DemokratInnen, die aus den Regierungen Obama und Clinton stammen. Im Finanzministerium sitzt Janet Yellen, die als Neoliberale und Freihändlerin bekannt ist; im Außenministerium Antony Blinken, ein Serienbefürworter von US-Militärinterventionen; im Handelsministerium Gina Raimondo, eine Risikokapitalgeberin, die in die private Gesundheitsversorgung investiert und eine Gegnerin von Einzahlungssystemen ist; und als Justizminister Merrick Garland, der von den Polizeigewerkschaften unterstützt wird.

Trotz der Ernennung von John Kerry zum Sondergesandten für das Klima wird diese Regierung kein wirklich radikales Programm für eine grüne industrielle Revolution entwickeln. Auch wird es nichts in der Größenordnung von F. D. Roosevelts New Deal geben, wenn es um ein Programm zum Aufbau der Infrastruktur geht. Während er einige Begriffe von Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez geklaut hat, würde es eine massive Kampagne der Gewerkschaften, der Schwarzen und anderer rassistisch Unterdrückter erfordern, um einen substanziellen Schritt in diese Richtung zu initiieren.

Das große Thema des Jahres 2020, die anhaltenden Polizeimorde an Schwarzen und anderen Menschen, ist nicht gelöst. Trotz symbolischer Gesten von Biden, wie Obama wird er wenig oder nichts tun.

Aktionsprogramm

Die Antwort der ArbeiterInnenbewegung auf Bidens Versprechen sollte darin bestehen, ihre eigenen Ziele zu formulieren und sich darauf vorzubereiten, für sie durch Massenmobilisierungen und Arbeitskämpfe zu streiten. Nur durch eine solche Klassenunabhängigkeit von der offen bürgerlichen Demokratischen Partei könnte Biden dazu gezwungen werden, einige seiner Verpflichtungen zu erfüllen.

In keinem Bereich wäre dies notwendiger als bei den ArbeiterInnenrechten: das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung, auf einen Tarifvertrag für alle Beschäftigten usw. Hier reicht ein Lobbyistenkongress nicht aus; diese Rechte werden nur auf dem industriellen Schlachtfeld gewonnen, obwohl sie gesetzlich anerkannt werden können.

Die Mittel, um einen existenzsichernden Lohn und „Medicare for All“ zu finanzieren, würden massive Eingriffe in den Reichtum der MilliardärInnen erfordern, angefangen bei den 400 reichsten AmerikanerInnen, deren Gesamtvermögen laut Forbes-Rangliste dem der ärmsten 64 Prozent der amerikanischen Haushalte entspricht. Von einer Partei des Finanzkapitals und der MilliardärInnen zu erwarten, dass sie dies tut, führt nur die arbeitslose Jugend, die schwarzen und Minderheitengemeinschaften und die Gewerkschaftsbewegung an der Nase herum.

Die Aufgabe besteht darin, von der Basis ausgehend einen Kampf für ein Aktionsprogramm mit Maßnahmen zu organisieren, die die Krisen im Gesundheitswesen, in der Bildung, im Wohnungswesen, die private Verschuldung, die Umweltkatastrophe, aber auch den mörderischen Rassismus der Polizei und das neue Gefängnissystem, das v. a. Schwarze inkriminiert (ein neues Jim-Crow-System), lösen können.

Nicht zuletzt ist es wichtig, die massenhafte Antikriegsbewegung der frühen 2000er Jahre wiederzubeleben, wann immer es zu neuen Interventionskriegen kommt, als welch menschenrechtlicher Unsinn auch immer sie getarnt sind.

Dann gibt es den Kampf der ArbeiterInnen für die Kontrolle über Sicherheitsmaßnahmen, für eine deutliche Anhebung der Löhne, Gesundheits- und Rentenansprüche. Vor kurzem hat ein Streik in New York City, von den Hunts-Point-LagerarbeiterInnen, ihre Forderung nach einer Lohnerhöhung von 1 US-Dollar pro Stunde gewonnen. Auch die Chicagoer LehrerInnen bereiten sich auf Aktionen vor. Das zeigt, dass der Klassenkampf wieder aufleben wird, besonders wenn die Aussperrungen nachlassen.

All diese Fronten des Kampfes müssen einen Schwerpunkt im Aufbau einer kämpfenden ArbeiterInnenpartei, einer Partei des Klassenkampfes, finden, indem sie sich von der Demokratischen Partei lösen. Das schnelle Wachstum der Demokratischen SozialistInnen (DSA) in den letzten fünf Jahren und die Siege der „demokratischen SozialistInnen“ auf den Wahlzetteln der Demokratischen Partei zeigen eine wachsende Offenheit der Jugend, der ArbeiterInnen und von People of Color (PoC) für die Idee des Sozialismus. Doch die DSA hat Angst, einen sauberen Bruch mit der zweiten Partei des US-Imperialismus zu vollziehen.

Auf dem diesjährigen DSA-Kongress müssen die Kräfte, die die Organisation bereits zu größerer Unabhängigkeit gedrängt haben, hart daran arbeiten, einen wirklichen Bruch vorzunehmen. Damit einher geht die Notwendigkeit eines offen antikapitalistischen Programms. Andernfalls wird die Partei eine schlechte Imitation des europäischen Reformismus bleiben, eingelullt in Passivität durch Wahlkampf und demokratische Illusionen.

Anstatt vier Jahre darauf zu warten, dass die ganze Bandbreite des undemokratischen Charakters der US-Verfassung aufgedeckt wird, sollten die DSA-Ortsverbände dem Aufbau von Einheitsfronten im Kampf gegen weiße RassistInnen, der Unterstützung von gewerkschaftlichen Rekrutierungs- und Organisierungskampagnen und der Kampagne für das Recht von Frauen auf Abtreibungseinrichtungen Vorrang einräumen.

All diese Themen und mehr müssen in einem Aktionsprogramm zusammengefasst werden, das den Sozialismus als die totale Ablösung des Kapitalismus versteht, der durch revolutionäre ArbeiterInnenaktionen errungen wird.

Die DSA ist bereits 70-80.000 Mitglieder stark und wächst weiter. Um ihren Übergang zu einer Partei der ArbeiterInnenklasse zu vollenden, sollte sie ihre Türen für neue KämpferInnen öffnen, sich entschieden von der Demokratischen Partei lösen und für ein revolutionäres antikapitalistisches Programm kämpfen.




Westsahara: neuer Zank um Afrika

Urte March, Infomail 1134, 13. Januar 2021

In den letzten Tagen seiner Präsidentschaft wird das Chaos, das Donald Trump zu Hause anrichtet, durch kalkulierte Provokationen im Ausland ergänzt. Indem er die marokkanische Souveränität über das umstrittene Territorium der Westsahara im Austausch für die „Normalisierung“ der marokkanischen Beziehungen zu Israel anerkennt, hat Trump einen Doppelschlag gelandet: Er untergräbt selbst jeden noch so symbolischen Widerstand gegen Israels Annexion von besetztem palästinensischem Land und öffnet gleichzeitig ein ressourcenreiches afrikanisches Gebiet für die Ausbeutung durch das internationale Kapital.

Der Schritt ist ein Verrat an den Rechten der indigenen Sahrauis und birgt das Risiko, weitere Gewalt und Instabilität in der unruhigen Region zu schüren. Ein genauerer Blick auf den Konflikt in der Westsahara offenbart eine komplexe Dynamik der sich verschärfenden Groß- und Regionalmachtrivalität in Westafrika.

Hintergrund

Das Wüstengebiet der Westsahara ist umkämpft, seit sich die spanische Kolonialverwaltung 1975 zurückzog und ein versprochenes Referendum über die Selbstbestimmung aufgab. Die Region wurde in einen Bürgerkrieg zwischen einer neu gegründeten antikolonialen Befreiungsbewegung, der Polisario-Front, und den Nachbarländern Marokko und Mauretanien gestürzt, die beide auf territoriale Ansprüche drängten.

Marokkanische Streitkräfte übernahmen bald die Kontrolle über das Gebiet. Der darauf folgende Guerillakrieg führte zu einem Massenexodus von zivilen Flüchtlingen nach Algerien, dem Hauptsponsor der Polisario. Heute sind die geschätzten 200.000 Flüchtlinge, die immer noch in von der Polisario verwalteten Lagern außerhalb der algerischen Grenzstadt Tinduf leben, zum Überleben vollständig auf internationale Hilfe angewiesen. Die Polisario kontrolliert auch ein Stück unfruchtbares Land, das etwa 25 Prozent des Westsahara-Territoriums umfasst, die selbsternannte Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS), die von der von Marokko verwalteten Zone durch die Berme abgetrennt ist, eine stark militarisierte Sand- und Steinmauer, die gebaut wurde, um Guerillas fernzuhalten.

Das versprochene Referendum über die Unabhängigkeit, das 1991 durch einen von der UNO vermittelten Waffenstillstand wiederbelebt wurde, kam nicht zustande, da es Streitigkeiten darüber gab, wer wählen darf und was auf dem Stimmzettel stehen soll. Währenddessen hat Marokko eine aggressive Siedlungspolitik betrieben, um eine Mehrheit für die Integration zu garantieren. Seit 1991 hat die Polisario den bewaffneten Kampf zugunsten einer politischen Kampagne und des Aufbaus einer Zivilverwaltung in den von ihr kontrollierten Gebieten weitgehend aufgegeben.

Doch zwei Jahrzehnte gescheiterter Diplomatie nähren den Ruf nach einem bewaffneten Befreiungskampf unter jungen Sahrauis, die keine Alternative zur Öde und Entbehrung in den Lagern sehen. Im November letzten Jahres kündigte die Polisario an, den Waffenstillstand offiziell zu beenden und Tausende von Freiwilligen zum Kampf zu mobilisieren, nachdem marokkanische Streitkräfte einen Pro-Unabhängigkeits-Protest in der Grenzstadt El Guerguerate gewaltsam aufgelöst hatten.

Imperialistische Interessen

Die USA sind das erste Land, das Marokkos Souveränität über die Westsahara offiziell anerkennt, was Marokkos regionaler wirtschaftlicher Expansion einen wertvollen diplomatischen Schub verleiht. Das Gebiet bietet reiche Beute, darunter Phosphat – ein begrenzt vorkommendes Mineral, das für synthetische Düngemittel unerlässlich ist –, Schiefergas und unerschlossene Binnenlands-Öl- und Gasreserven. Marokko und die Westsahara zusammen besitzen mehr als 72 Prozent aller Phosphatgestein-Reserven der Welt und bieten die Aussicht auf ein globales Monopol, da kleinere Reserven anderswo erschöpft sind.

Die strategische Lage der Westsahara an der Atlantikküste macht sie außerdem unverzichtbar für die Verbindung der sich schnell entwickelnden Länder südlich der Sahara mit Europa. Ein staatlicher Entwicklungsplan für die „südlichen Provinzen“ – ein Begriff der marokkanischen Regierung für die besetzte Westsahara – schlägt den Ausbau von drei Häfen vor, einschließlich eines neuen 1-Milliarde-US-Dollar-Megahafens in Ad-Dakhla, für den in diesem Monat die Ausschreibungen für den Bau beginnen sollen. Die Gewässer vor der Küste beherbergen auch eine lukrative Fischereiindustrie und ungenutztes Potenzial für die Erzeugung von Wind- und Gezeitenenergie.

Trumps Anerkennung der marokkanischen Souveränität öffnet die Schleusen fürs US-Kapital, und die Geier haben keine Zeit verschwendet. Als der Geschäftsführer von Soluna Technologies, John Belizaire, kurz nach Trumps Erklärung die Absicht seines Unternehmens ankündigte, einen 900-Megawatt-Windpark in Ad-Dakhla zu bauen, erklärte er, die Region sei „reich an Ressourcen und Potenzialen an Land wie auf See [und] wird als Brücke und Bindestrich zwischen Marokko und seiner afrikanischen Tiefe dienen“.

Aus den gleichen Gründen haben imperialistische Länder auf der ganzen Welt ein gemeinsames Interesse daran, die Westsahara für ihren eigenen Anteil an der „Entwicklung“ zu öffnen. Als Teil seiner „Neuen Seidenstraße“-Initiative wetteifert China bereits mit Marokkos traditionellem imperialistischen Sponsor, Frankreich, um den Bau eines neuen Abschnitts der Hochgeschwindigkeitseisenbahn in Marokko, die König Mohammed VI. versprochen hat, weiter südlich nach Ad-Dakhla zu verlängern. Russland hat kürzlich ein neues Fischereiabkommen mit Marokko unterzeichnet, das russischen Fangschiffen erlaubt, in den Gewässern vor der Westsahara zu fischen. Die EU arbeitet unter einem ähnlichen Fischereiabkommen, entgegen wiederholter Urteile des Europäischen Gerichtshofs.

Die Golfstaaten, die Investitionsmöglichkeiten sowie die Handelsvorteile einer besseren Anbindung an Europa ins Auge fassen, haben alle die marokkanischen Ansprüche auf die Westsahara unterstützt, ohne die diplomatischen Folgen einer formellen Anerkennung zu riskieren. Als die Vereinigten Arabischen Emirate im vergangenen November eine diplomatische Vertretung in dem Gebiet eröffneten, sagten sie, dies sei eine „Anerkennung der ,marokkanischen Identität’“ der Westsahara.

Folgen

Die öffentliche Wiederbelebung der Beziehungen zwischen Marokko und Israel wird an sich keine wesentliche Abweichung vom Status quo darstellen. Jahrzehntelang hat die marokkanische Monarchie mit Israel in militärischen und nachrichtendienstlichen Angelegenheiten kooperiert, indem sie eine Rückschaltung zu anderen arabischen Nationen bereitstellte und im Austausch für Waffen, militärisches Training und verdeckte Operationen nachrichtendienstliche Informationen über Israels FeindInnen in der Region lieferte. Marokkanische BeamtInnen behaupten, dass sie keine vollen diplomatischen Beziehungen mit Israel aufnehmen, sondern nur „Verbindungsbüros“ wiedereröffnen, die im Jahr 2000 geschlossen wurden, und erklärten, dass die israelisch-marokkanischen Beziehungen „bereits normal“ seien. Die Zurückhaltung ist sicherlich zum Teil darauf zurückzuführen, dass 88 % der marokkanischen Bevölkerung, im Gegensatz zu ihrer reaktionären Monarchie, die diplomatische Anerkennung Israels ablehnen.

Mehr als alles andere ist die Ankündigung symbolisch – ein weiterer Sieg für Trumps „Deal des Jahrhunderts“ kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Amt und ein Gütesiegel für die Ausbeutung der Westsahara, die bereits in vollem Gange ist. Natürlich schadet er nicht nur den Sahrauis, sondern ist auch ein weiterer Schlag gegen die palästinensische Sache, da er die israelischen Menschenrechtsverletzungen und die illegale Besetzung der Palästinensergebiete weiter legitimiert.

Aber der Schritt könnte dennoch neue Probleme für Marokko und seine Verbündeten schaffen. Weitere Unruhen und bewaffneter Widerstand der Polisario werden durch die eklatante Missachtung des Völkerrechts wahrscheinlich noch verschärft werden. Algerien, das die Polisario-Front unterstützt und sie in der Vergangenheit mit Waffen und Finanzmitteln versorgt hat, hat sich bisher auf rhetorisches Anprangern beschränkt, könnte aber leicht eine energischere Intervention erneuern, wenn die Feindseligkeiten eskalieren. Eine komplexe Konstellation von bewaffneten Gruppen mit Verbindungen zu Marokko, Algerien und der Westsahara operiert in Mali und in der gesamten Sahelzone und könnte in den Konflikt hineingezogen werden, wenn er zu einem Stellvertreterkrieg entartet. Ein islamistischer Aufstand auf niedrigem Niveau im Norden Malis und im Tschad hat Frankreich veranlasst, sein militärisches Engagement in der Region zu verstärken und als Ordnungshüter für die Interessen der gesamten westlichen Allianz gegen die Übergriffe Chinas zu fungieren.

Nichtsdestotrotz scheint es, dass der Trend zur internationalen Anerkennung des marokkanischen Anspruchs auf die Westsahara wahrscheinlich weiter anhalten wird. Die kommende US-Administration unter Biden hat, obwohl sie selbst vielleicht keinen so aggressiven Schritt gesetzt hätte, wenig Anreiz, die Entscheidung zurückzunehmen, und unterstützt weitgehend Trumps Politik gegenüber Israel. Obgleich sie sich einst auf eine säkulare arabische nationalistische Tradition berief und ein Programm sozialer Reformen förderte, hat die Polisario-Front jetzt kein politisches Programm und keine Strategie, die über die Forderung nach Unabhängigkeit hinausgeht. Mit Algerien als einzigem regionalen Verbündeten verfügt sie über wenig internationalen Einfluss und besitzt kaum eine Chance auf nennenswerte militärische Fortschritte, selbst wenn sie nach 20 Jahren, in denen sie wie eine Nichtregierungsorganisation agiert hat, eine Kampftruppe mobilisieren könnte.

SozialistInnen unterstützen das Recht auf Selbstbestimmung für alle Nationen und unterstützen die nationalen Befreiungskämpfe der unterdrückten Völker, einschließlich der Sahrauis in der Westsahara. Doch wir erkennen auch an, dass die Unabhängigkeit allein die wirtschaftlichen oder sozialen Probleme nicht lösen wird; in einer Ära der imperialistischen Rivalität kann sie diese sogar oft verschärfen. Trotz ihres Reichtums an einigen wichtigen Ressourcen nennt die Westsahara eine winzige Bevölkerung ihr Eigen, und die Wüstenlandschaft macht Landwirtschaft und die meisten Industrien unrentabel. Selbst wenn die Unabhängigkeit möglich wäre, wäre das Land weiterhin völlig abhängig von ausländischen/m Investitionen und Schutz, sein halbkolonialer Status bliebe weitgehend unverändert.

Die einzige Möglichkeit, dem sahrauischen Volk kulturelle und wirtschaftliche Freiheit zu garantieren, besteht darin, dass es sich mit den ArbeiterInnenklassen der Nachbarländer, insbesondere mit der demokratischen Jugendbewegung gegen die verkrustete FLN (Nationale Befreiungsfront Algeriens)-Diktatur vereint und für den Sturz ihrer reaktionären Regime kämpft und sich in einer sozialistischen Staatenföderation zusammenschließt, die das imperialistische Kapital enteignen und für die Bedürfnisse der Völker der gesamten Region einsetzen kann.




USA: Stellungnahme zu Trumps faschistischer Provokation

Workers Power (USA) und Internationales Sekretariat der Liga für die Fünfte Internationale, Infomail 1133, 7. Januar 2021

Die Erstürmung des US-Kapitols durch einen Mob von FaschistInnen, auf Veranlassung von Donald Trump, war ein gescheiterter Versuch des in die Enge getriebenen, aber immer noch bissigen Präsidenten, den Kongress (und den Vizepräsidenten) zu zwingen, die Anerkennung des demokratischen designierten Präsidenten Joe Biden aufzugeben.

Vor, während und nach der Wahl peitschte Trump den harten Kern seiner AnhängerInnen mit der Behauptung auf, dass die Demokratische Partei im Begriff wäre, die Wahl zu „stehlen“, und dies dann in die Tat umgesetzt hätte. Eine kleine Ironie daran, dass Trump selbst dabei ertappt wurde, als er den  Republikaner aus dem Bundesstaat Georgia, Brad Raffensperger, anbettelte, 11.000 Stimmen zu „finden“, um ihm den Sieg in diesem Staat zu gewähren.

In mehreren Tweets rief er seine AnhängerInnen am 6. Januar zu einem „wilden“ Versuch, Biden aufzuhalten, nach Washington auf. Am Tag selbst sprach er persönlich auf der Kundgebung, forderte seine AnhängerInnen auf, „stark zu sein“ und stachelte sie an, die Pennsylvania Avenue hinunter zum Sitz des Kongresses zu „laufen“, um die Minderheit der RepublikanerInnen zu unterstützen, die versuchten, die Bestätigung der Wahl von Joe Biden zu verhindern. Sein persönlicher Anwalt, Rudy Giuliani, rief sogar zu einem „Prozess durch Kampf“ auf.

Offensichtlich war es kein Zufall, dass der normalerweise schwer bewachte Capitol-Komplex nur mit einer symbolischen Polizeipräsenz versehen war, um mit einer Massendemonstration fertig zu werden, die von Trump zur Raserei aufgepeitscht worden war. In der Tat: Bilder zeigen, dass die Polizei Metallbarrieren öffnet, um den Mob durchzulassen.

Welche Intrigen auch immer hinter diesem höchst verdächtigen Einsatz der Sicherheitskräfte steckten, der in lebhaftem Kontrast zu den schwer bewaffneten paramilitärischen Kräften stand, die im Juni letzten Jahres friedliche Black-Lives-Matter-DemonstrantInnen angriffen, das Ergebnis war die weite Öffnung der Gräben innerhalb der Republikanischen Partei zwischen Trump-AnhängerInnen und einem Großteil des republikanischen Establishments. Es hat auch die Übereinkunft des Kapitals herbeigeführt, wenn nicht hinter Joe Biden, so zumindest in der Verteidigung der verfassungsmäßigen Ordnung.

Vier Jahre lang hat sich das „respektable“ republikanische Establishment auf einen unberechenbaren Demagogen verlassen müssen, um die WählerInnen für sich zu mobilisieren. Viele von ihnen haben seinen vergeblichen Versuch, das Wahlergebnis zu unterlaufen, gerne mitgemacht. Eine große Anzahl von republikanischen Abgeordneten stimmte noch gegen die Ratifizierung.

Das Lancieren von lästigen Klagen, das Aufstellen von nachweislich falschen Behauptungen über Betrug, das Auffordern von GenerälInnen zum Eingreifen und sogar der Versuch einer dreisten Wahlmanipulation waren für viele von ihnen offenbar akzeptabel.

Aber zu einer Demonstration aufzurufen, um den Sitz der bürgerlichen Vertretung einzuschüchtern und das heilige Ritual der Übertragung der Exekutivgewalt von einer Partei auf die andere mit einer gewalttätigen Provokation zu unterbrechen, ging zu weit, wie die Kader des „tiefen Staates“ zweifellos deutlich machten.

Trotz des schmachvollen Scheiterns des Putsches hat er eine zweifache Bedeutung. Wie der Münchner Bierkeller-Putsch von 1923 hat er allen AnhängerInnen der „white supremacy“ (Überlegenheit der weißen „Rasse“) und faschistischen Gruppen einen gemeinsamen Bezugspunkt gegeben und sie in eine rechtsextreme Massenbewegung gezogen. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese entwickeln wird, aber es ist sicher, dass Biden und die DemokratInnen an der Regierung, die die Politik des Wirtschaftsliberalismus verfolgen, den rassistischen Sumpf, in dem sie gedeiht, nicht trockenlegen werden.

Trotzdem hat Joe Biden die Kontrolle über beide Häuser gewonnen, und nun wird sein Programm auf die Probe gestellt. Es ist unvermeidlich, dass er wenig oder nichts für die Gesundheitsversorgung für alle tun wird, die bei der Pandemie so lebenswichtig ist, wenig, um die Killer-Cops zu kontrollieren, wenig, um die Massenwelle der Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Nicht zuletzt wird sich die Demokratische Partei als völlig nutzlos erweisen, wenn es darum geht, die demokratischen Rechte zu verteidigen, sei es gegen die staatlichen Kräfte oder gegen die wachsenden der FaschistInnen.

Der erste Test, den faschistischen Provokationen zu widerstehen, könnte schon bei Bidens Amtseinführung kommen. Die ArbeiterInnenbewegung, BLM und die Jugend, die DSA (Demokratische SozialistInnen), müssen mächtige Selbstverteidigungskräfte mobilisieren, um die FaschistInnen von den Straßen zu fegen, wo und wann immer sie auftauchen.

Aber alle Ausgebeuteten und Unterdrückten brauchen ein Programm der ArbeiterInnenklasse, um mit den miteinander verbundenen Covid-, ökonomischen, Klima- und Demokratiekrisen fertig zu werden: ein Programm der Hoffnung, das auf der Enteignung des Reichtums der Bosse und einer demokratischen Planung im Weltmaßstab beruht und die einzige Alternative zu den neoliberalen DemokratInnen und der rechtsextremen Politik der Verzweiflung darstellt.

Dies zu tun bedeutet, eine Partei der ArbeiterInnenklasse aufzubauen, unabhängig von den prokapitalistischen FälscherInnen Bernie Sanders und der „Riege“ (prominenter demokratischer SozialistInnen); eine Partei, deren Mitglieder die ArbeiterInnenklasse am Arbeitsplatz, in den Gemeinden und auf der Straße organisieren, als Teil des Klassenkampfes, um den Kapitalismus zu stürzen und zur sozialistische Revolution zu führen.




US-Imperialismus vor, während und nach Trump

Moritz Sedlak, Revolutionärer Marxismus 53, November 2020

1 US-Imperialismus: Geschichte und Perspektiven

Die USA sind die weltweit wichtigste imperialistische Macht. Das bedeutet, die Dynamik des weltweiten Kapitalismus ist maßgeblich von Entwicklungen bestimmt, die von den Vereinigten Staaten ausgehen oder sich, wie die zunehmende Konkurrenz aus China, auf ihre Rolle beziehen.

Der Fall der Sowjetunion zementierte die vermeintlich unanfechtbare Führungsrolle der USA. Seitdem ist sie aber zunehmend unter Beschuss geraten. Die ökonomische Seite dieser Entwicklung sind der anhaltende Verlust der Kostenvorteile in der Industrie, die Errichtung von Hochtechnologiezentren außerhalb der USA und die relative Abnahme der Bedeutung der US-Finanzindustrie. Politisch sind die Formierung der EU als imperialistischer Block (der aber weiterhin zu instabil für eine Unabhängigkeit vom US-Kapital bleibt), aber vor allem der Aufstieg Chinas zur imperialistischen Macht Ausdruck dieser Anfechtbarkeit.

Dementsprechend steht die Außenpolitik der Trump-Regierung für eine bedeutende Veränderung des US-amerikanischen Imperialismus. Der Bruch mit vielen internationalen Handelsbündnissen und eine forschere Intervention in die Militärbündnisse, aber auch der Austritt aus der Weltgesundheitsbehörde WHO oder dem Pariser Klimaabkommen wird von den bürgerlichen Medien gerne als irrational dargestellt. Teilweise versteigen sich die angeblichen ExpertInnen sogar in einen Vergleich der Trump-Politik mit den Forderungen der Linken in der antiimperialistischen und Antiglobalisierungsbewegung besonders gerne unter Bemühung eines sehr vagen Begriff von Populismus.

Marxistische Analyse

Ulrich Küntzel skizziert in seinem Buch „Der nordamerikanische Imperialismus“ eine marxistische Analyse der US-Außenpolitik seiner Zeit. Wie Hilferding und Lenin versteht er die zentrale Rolle des Kapitalexports in der Zuspitzung internationaler Spannungen und damit in der Gestaltung des imperialistischen Weltsystems. Während wir über den zeitlichen Horizont seiner Darstellung hinausgehen, wollen wir uns in diesem Artikel an denselben Leitlinien orientieren:

Es liegt auf der Hand, daß Militarismus und Wettrüsten schon für sich allein die internationalen Spannungen verschärfen können. Das Finanzkapital spitzt jedoch die internationalen Konflikte auch wirtschaftlich zu: durch Kapitalausfuhr. Die Trusts jeder imperialistischen Nation suchen sich Rohstoffquellen und Absatzmärkte außerhalb der eigenen Staatsgrenzen zu sichern und ihre Konkurrenten mittels der eigenen Diplomatie und Wehrmacht – die USA daneben durch ihre Geheimdienste CIA und NSA – von den eigenen Einflußgebieten fernzuhalten.i

Das NAFTA-Freihandelsabkommen der USA mit Kanada und Mexiko war ein Paradebeispiel für imperialistische Machtausübung durch Handelsbündnisse und eines, an dem sich GlobalisierungskritikerInnen jahrelang abarbeiteten. Aus NAFTA sind die USA unter Trump ebenso ausgestiegen wie aus dem fertig verhandelten TPP im Pazifikraum und den TTIP-Verhandlungen mit der EU. Dazu kommen die offene und parteiische Unterstützung amerikanischer Unternehmen durch die außenpolitischen Institutionen und der Handelskrieg. Hier brach die Regierung Trump mit der Außenpolitik der letzten Jahrzehnte – eine wichtige Machtverschiebung zwischen den US-Kapitalfraktionen.

Trump begründete den Handelskrieg mit China mit „unfairen“ Wettbewerbspraktiken und forderte für zeitweise Deeskalationen den Kauf amerikanischer Waren ein. Auch der populäre Boykott von Huawei und das drohende Verbot der Social-Media-Plattform TikTok sind eine offene Ansage, MarktführerInnenschaften von chinesischen Unternehmen nicht zu akzeptieren. An die Stelle der Rhetorik vom freien Wettbewerb ist eine offene Rückendeckung von Firmeninteressen durch Außenpolitik und militärisches Säbelrasseln getreten.

Trumps Versprechen

Zentrale Wahlversprechen von Trump waren der weitgehende Truppenabzug aus Irak und Afghanistan und eine Einstellung der Einmischungen in Syrien und Libyen. Das ist so nicht umgesetzt worden. Auch aus dem „angedrohten“ Rückzug aus den NATO-Militärbasen in Europa ist ein Verschieben von Truppen in Länder mit vermeintlich US-freundlicheren Regierungen geworden. Dennoch haben Trump und seine Verbündeten eine zentrale Änderung der außenpolitischen Doktrin, weg von der „Weltpolizistin USA“, angekündigt. Die Bekanntgabe dieses Vorhabens wird von heftigen, aber kurzen Aggressionen begleitet, zum Beispiel dem angedrohten Krieg gegen den Iran. Das ist ein deutlicher Unterschied zu den dauerhaft angelegten Besatzungs- und Einschüchterungskampagnen unter Bush und Obama.

Eine noch wichtigere Verschiebung gab es in Bezug auf Freihandelsabkommen, die man als zentrales Werkzeug imperialistischer Staatspolitik verstehen kann. In den 1980er und 1990er Jahren trieben sie und das „regelbasierte Handelssystem“ den Zugriff amerikanischer Kapitale auf die Halbkolonien des globalen Südens voran. Das war auch das Ergebnis einer jahrzehntelangen Kampagne der politischen Unterwanderung, geheimdienstlicher Kampagnen und militärischer Aggression gegen Regierungen, die sich dem nicht unterordnen wollten und vor allem in Lateinamerika größtenteils beseitigt wurden. Angesichts der weitgehend verlorengegangenen Wettbewerbsvorteile amerikanischer Unternehmen und des verschärften Wettbewerbs imperialistischer Kapitalexporte um die Überausbeutung des globalen Südens wurde die imperialistische Konkurrenz zunehmend zur Gefahr für die amerikanische Vorherrschaft.

Die militärischen Interventionen der USA waren ab den 1990er Jahre vor allem auf die Sicherstellung der Energieversorgung, direkt durch Erdölimporte und indirekt durch geostrategische Absicherung, motiviert. Die Blutbäder in den beiden Golfkriegen, die Invasion Afghanistans und die Besatzung des Irak waren die konkreten Ergebnisse, außerdem die stetige Einflussnahme auf afrikanische Länder und die Drohungen gegen Libyen und Iran. Hier veränderten der technologische Wandel und der Aufstieg der USA zur Energieexporteurin die Bedingungen. Die Interessen, zumindest aus der Energieindustrie, sind sogar umgedreht, weil sich die teure Förderung aus Schiefergas und Teersand nur bei hohen Weltmarktpreisen überhaupt lohnt.

Der imperialistische Staat

Die Rolle des kapitalistischen Staates ist die des „ideellen Gesamtkapitalisten“ii. Das bedeutet drei Dinge: Zuerst einmal muss der Staat das Gesamtinteresse, die kapitalistische Ordnung aufrechtzuerhalten, durchsetzen mit Repression und Befriedung gegen aufbegehrende ArbeiterInnen und Unterdrückung, mit Regulierung und Gesetzen gegen die kurzfristigen Profitinteressen der EinzelkapitalistInnen. Historisch bedeutete das auch und vor allem das (teilweise gewaltsame) Durchsetzen von Märkten, Eigentumsrechten und dem System der Lohnarbeit, die von Konservativen fälschlich als „natürliche Ordnung“ des Kapitalismus dargestellt werden.iii

Zweitens muss der Staat die Interessen der EinzelkapitalistInnen gegeneinander abwägen, im Großen den aufstrebenden Fraktionen den Vortritt erlauben, aber auch eine Art „fair play“ zwischen diesen sicherstellen. Aber zuletzt tritt der Staat auch selbst als Kapitalist in Erscheinung, ist also nicht nur Werkzeug der KapitalistInnen, sondern entwickelt eigene unternehmerische Interessen.

Diese Rolle wird noch einmal auf die Spitze getrieben vom imperialistischen Staat. Der hat wiederum zwei zentrale Aufgaben: (1) Das Erweitern der Absatzmärkte für die Warenproduktion des inländischen Kapitals und für den Kapitalexport, (2) das Abwägen der Interessenswidersprüche zwischen Kapitalfraktionen im eigenen Land. Für die USA als weltweite Führungsmacht kommt, wie für andere imperialistische Länder auch, noch das Abwägen der Interessen von verbündeten Staaten und ausländischen Kapitalfraktionen dazu.

Wo der Kapitalismus an die Grenzen der inländischen Kapitalakkumulation stößt, erweitern die stärksten Kapitale ihren Einflussbereich über die Staatsgrenzen hinweg. Beim Erschließen von Absatzmärkten, aber auch günstigen Ressourcen und Arbeitskraft werden sie in der Regel vom militärischen und diplomatischen Staatsapparat unterstützt. Mit anderen Worten orientiert sich die Aufgabenstellung des ideellen Gesamtkapitalisten Staat am Expansionsdrang der Einzelkapitale.

Sie orientiert sich nur oberflächlich am Warenverkauf. Tatsächlich ist die zentrale Aufgabe jeden Kapitals die Akkumulation, also die Verwertung durch die Ausbeutung von Arbeitskraft. Die imperialistische Wirtschaftspolitik orientiert sich deshalb auch zentral am Kapitalexport. Für die USA bedeutet das, die Profite aus US-amerikanischen Unternehmen entweder direkt oder durch Kredite in die Ausbeutung außerhalb der USA zu investieren, wobei die Profite in der Regel wieder an das Ursprungskapital zurückfließen. Buchhalterisch ist das angesichts der heute weit verbreiteten multinationalen Steuerkonstruktionen nicht ganz so einfach nachzuzeichnen, Konzernstrukturen und die Nationalität der BesitzerInnen der weltweit größten Unternehmen geben hier aber deutliche Hinweise.

Auf dieser Grundlage werden wir in diesem Artikel die Interessen der US-Kapitalfraktionen in verschiedenen Perioden und die Auswirkungen auf die Außenpolitik nachzeichnen. Nach einer kurzen Aufzählung der Veränderungen aus den letzten Jahren in Abschnitt 2 zeichnen wir die Entwicklung des US-Kapitalismus skizzenhaft nach. Abschnitt 3 beschäftigt sich mit der Kolonisierung der USA, dem Aufbau des US-amerikanischen Kapitalismus und erster imperialistischer Bestrebungen sowie den qualitativen Brüchen im Ersten Weltkrieg und der Großen Depression. Abschnitt 4 behandelt die Ablösung der europäischen Kolonialreiche und der alten Koloniallogik durch den modernen Imperialismus, die Rolle des US-Finanzkapitals und die Konsolidierung der USA als imperialistische Führungsmacht nach dem Zweiten Weltkrieg. Abschnitt 5 beschreibt die geostrategischen Herausforderungen des Kalten Krieges, während Abschnitt 6 die Interventionen in Lateinamerika untersucht, auch um den Zusammenhang von Kapital- und Warenexport der USA mit Beispielen zu illustrieren. In Abschnitt 7 widmen wir uns schließlich der Periode des Freihandels und der „regelbasierten Weltordnung“ und besonders der Frage, welche Kapitalfraktionen diesen Kurs gegen andere, und zu deren Nachteil, durchsetzen wollten. Das erlaubt uns, im Abschnitt 8 die Bruchpunkte der US-Außen- und Wirtschaftspolitik in die Konflikte innerhalb des US-Kapitals einzuordnen. Die Vorstöße, aber auch Niederlagen der Trump-Regierung lassen sich dann ganz ohne Psychologisierung erklären. In Abschnitt 9 beschreiben wir schließlich die neue globale Situation, den grundlegenden Widerspruch zwischen den Interessen an protektionistischer Durchsetzung von kapitalistischen Einzelvorhaben und teurer geostrategischer Eingrenzung Chinas.

Das Ergebnis des Artikels ist eine historische Definition des US-Imperialismus, die eng an ein Verständnis der Kapitalexportdynamiken gebunden ist. Dieses auf die Situation besonders seit 2008 anzuwenden, und der Abgleich mit den Veränderungen der Trump-Außenpolitik im Vergleich zu den Regierungen Bush und Obama erlaubt uns schließlich, den Grundkonflikt im US-Imperialismus des 21. Jahrhunderts herauszuarbeiten.

2 Außenpolitik vor, während und nach Trump

Die Außenpolitik der USA steht auf drei stabilen Füßen militärischer, diplomatisch-geheimdienstlicher und wirtschaftlicher Herrschaft. Die Rolle als weltweite imperialistische Führungsmacht ist mehr als nur ein Regime des Kapitalexports (aber auch Kapitalimport über die amerikanischen Finanzmärkte), aber untrennbar damit verbunden.

Wie in jedem kapitalistischen Land ist ein stabiler politischer Herrschaftsanspruch, zum Beispiel des US-Präsidenten, an die Interessen wichtiger Teile des Kapitals und die weitgehende Duldung durch den Rest geknüpft. Das bedeutet in der Regel, dass scharfe Wendungen in der Regierungspolitik auch einen Wandel der Kapitalinteressen oder der Machtverhältnisse zwischen verschiedenen Kapitalfraktionen widerspiegeln. Umgekehrt sind Logik und Stoßrichtung politischer Veränderungen nur mit einer vernünftigen Analyse der Kapitalinteressen verständlich.

Aus zwei Gründen sind es in den USA vor allem die Außen-, Handels- und Kriegspolitik, in denen sich die Machtverschiebungen im Klassenkampf widerspiegeln. Zum weltweiten Führungsanspruch als wichtigste imperialistische Macht kommt noch die weitgehende Dezentralisierung der Wirtschaftsgesetzgebung auf die Bundesstaaten (also Steuern, Mindestlöhne und Regulierungen) und ein komplexes System von „checks and balances“ (Gewaltenteilung) auf Bundesebene hinzu. Aus diesen beiden Gründen sind es vor allem die Außen-, Handels- und Kriegspolitik, in denen sich die Machtverschiebungen im Klassenkampf oft zuerst widerspiegeln. Gleichzeitig hat die internationale Konkurrenz, zum Beispiel der Führungsanspruch Chinas oder die Formierung der EU als imperialistischer Block, mehr Auswirkungen auf die führenden Kapitalfraktionen in den USA als in anderen Ländern.

In den 1980er Jahren fügte das Kapital in den imperialistischen Ländern, ausgehend von den USA und Britannien, der ArbeiterInnenbewegung mit der erfolgreichen neoliberalen Wende entscheidende Niederlagen zu. Der historische Burgfrieden SozialpartnerInnenschaft, der die Stabilität in den Zentren gesichert und eine stabile Überausbeutung der Halbkolonien ermöglicht hatte, wurde abgelöst durch eine gezielte Absenkung der Lohn- und Steuerkosten.

Gleichzeitig veränderte sich auch der außenpolitische Fokus der USA, von regelbasierten Absprachen in der Wirtschaftspolitik (beispielsweise das Bretton-Woods-Abkommen zur Währungsstabilität) hin zu immer wichtiger werdenden Freihandelsabkommen. Diese sicherten freie Wege für den imperialistischen Kapitalexport, Zugang zu Absatzmärkten für (vor allem technologieintensive) Konsumwaren und nicht zuletzt eine Kontrolle der ölfördernden Staaten, die mit der Ölpreiskrise ab 1973 für die imperialistische Herrschaft zu einem Unsicherheitsfaktor geworden waren. Die Freihandelsabkommen sollten Protektionismus verhindern und den Wettbewerbsvorteil der Industriekapitale in den imperialistischen Staaten auch auf Absatzmärkten fern der Produktionsstätte verwertbar machen. Gleichzeitig hängt die internationale Arbeitsteilung in Form von globalen Produktionsketten von ungehindertem Transport ab. Und zuletzt ermöglichten die InvestorInnenschutz-Paragraphen der multilateralen Abkommen wie GATT und WTO den finanziellen Kapitalexport, der zum Hauptgeschäft der US-amerikanischen Finanzindustrie wurde.

In dieser Zeit wurde auch die Eskalation von Schuldenkrisen in den Halbkolonien zu einer regelmäßigen Erscheinung. In der neoliberalen Neuordnung der internationalen Beziehungen wurde diese Verschuldung zum zentralen Hebel. IMF und Weltbank forderten im Gegenzug für „Rettung“ vor der Staatspleite den Ausverkauf verstaatlichter Infrastruktur, aber auch massive Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse ein. Davon profitierte das US-Kapital, das Investitionsmöglichkeiten in den privatisierten Industrien und fast unbegrenzte Ausbeutung von Rohstoffen und günstiger Arbeit erschloss.

Die Militärpolitik in dieser Zeit verband drei Hauptmotive: den geostrategischen Kampf gegen die Ausbreitung des Stalinismus (Vietnamkrieg), die Absicherung gegen erstarkende Ölrentenstaaten und das Eindämmen demokratischer und sozialer Bestrebungen in Lateinamerika und Afrika.

Vor allem seit dem Zusammenbruch der stalinistischen „Ostblock“staaten und ihrer Einflusssphäre sind die Interessen des US-Kapitals im Wandel. Der Wettbewerbsvorteil bei Lohnkosten und Profitabilität in der Industrieproduktion ist seit den 1990er Jahren weitgehend verschwunden, die Auslagerung von Produktion deutlich wichtiger. Danach war es vor allem die Vorherrschaft in der Hochtechnologie- und Finanzindustrie, die eine weitere Orientierung auf Freihandelsabkommen und die so genannte „regelbasierte Ordnung“ legitimierten. Dem Hochtechnologiesektor kommt der überproportionale Fokus auf geistiges Eigentum (TRIPS-Klauseln), dem Finanzsektor die Öffnung für Auslandsinvestitionen zugute, die in diesen Verträgen wichtige Rollen spielen.

Andere US-Kapitalfraktionen, die höhere Lohnkosten haben als die internationale Konkurrenz, wurden von diesen Abkommen aber teilweise schlechtergestellt. Und außerdem bedeuteten die europäische Integration durch das Zusammenwachsen der EU sowie der Aufstieg Chinas zur imperialistischen Macht, dass zunehmend Produktionsketten ohne Endmontage in den USA aufgebaut wurden.

Gleichzeitig erschloss die Energiebranche in den USA neue Methoden der Ölförderung (vor allem Schiefergas und Teersand), deren Profitabilität aber an einen möglichst hohen Weltmarktpreis für Öl und Gas gekoppelt ist. Ihre Erwartungen an die US-Außenpolitik sind weniger, niedrige Öl- und Gaspreise sicherzustellen, sondern direkte Unterstützung gegen die Konkurrenz auf dem Weltmarkt. Das ist mitverantwortlich für die Debatten um russische Pipelineneubauten (zum Beispiel der Nordstream 2), zu denen die amerikanischen Unternehmen auch auf Schiffen transportiertes Flüssiggas (Liquified Natural Gas, LNG) als Alternative anbieten. Folgerichtig stand im „Friedensvertrag“ am Ende der Strafzölle gegen die EU auch eine Selbstverpflichtung, die LNG-Einfuhr bis 2023 zu verdoppeln. Für den Ausbau der Terminals sind 650 Millionen Euro an Subventionen geplant.iv

Das hat die Interessen des US-Kapitalexports deutlich verschoben. Statt im Freihandel eigene Vorteile auszuspielen (die es so auch nicht mehr gibt), rufen wichtige Kapitalfraktionen nach einer direkten Subvention ihrer Wettbewerbsfähigkeit durch militärische und diplomatische Aggressionen. Dafür steht der Schwenk unter Trump, vor allem der Rückzug und die Neuverhandlung von Abkommen wie NAFTA, TTIP und TPP nach kurzen, aber heftigen Handelskriegen und das direkte Embargo gegen chinesische Hochtechnologie und russische Öl- und Gasprodukte.

Auch die Verschiebung in der Militärpolitik spiegelt diese neuen Interessen wider (auch wenn Trump sie bisher nicht gegen die entscheidenden Fraktionen im militärisch-industriellen Komplex der USA durchsetzen konnte). Der versprochene Rückzug aus Irak und Afghanistan sowie die kurzzeitig angestrebte Entspannung mit Iran und Russland sind möglich, weil das US-Kapital als Ganzes weniger von niedrigen Ölpreisen abhängig ist, teilweise sogar von hohen Kursen profitiert.

Die Außenpolitik der Trump-Regierung steht für den Anfang einer möglichen Verschiebung der US-Kapitalinteressen auf dem Weltmarkt. Sie ist nicht abgeschlossen und steht im Kampf mit anderen Kapitalfraktionen (vor allem in der Finanzindustrie), die den deregulierten Handel und Kapitalexport höher schätzen.

Gleichzeitig versucht sie aber den Spagat zwischen höherer Überausbeutung der Halbkolonien durch US-Kapitale und kostspieliger geostrategischer Absicherung gegen den imperialistischen Konkurrenten China. Dieser Widerspruch ist nicht einfach auflösbar und wird durch die Wirtschaftskrise seit 2019 weiter zugespitzt. Bei gleichzeitigem Aufstieg Chinas wird er auf eine weltweite Eskalation hinauslaufen.

3 Der Aufstieg der USA von der Kolonie zur Militärmacht

Die USA begannen ihren aufhaltbaren Aufstieg zur Weltmacht als Ansammlung englischer, französischer und spanischer Kolonien. Die spätere herrschende Klasse ebenso wie die amerikanischen ArbeiterInnen und KleinbürgerInnen gingen aus den KolonisatorInnen des nordamerikanischen Kontinents hervor. Die Besiedelung erfolgte nach bekanntem kolonialem Muster – Befestigung strategischer Landepunkte, schrittweise Eroberung oder Aneignung von Siedlungsgebieten auf Kosten der lokalen Bevölkerung und schließlich Zerstörung der bestehenden politischen Strukturen bis hin zur genozidalen Vernichtung aller indigenen Ethnien, die den Widerstand wagten.

Siedlerkolonialismus und Widerspruch zur kapitalistischen Produktionsweise

Die besondere Form des Siedlerkolonialismus bedeutete gewisse Herausforderungen für die Durchsetzung des globalen Kapitalismus. Nachdem die britische Vorherrschaft über die amerikanischen Kolonien mehr oder weniger feststand, wurde das zunehmend zum Problem. In Britannien war der Prozess (oder die erste Runde) der „ursprünglichen Akkumulation“ weitgehend abgeschlossen und alle wesentlichen Teile des Wirtschaftskreislaufs waren der kapitalistischen Produktionsweise unterworfen. Die Subsistenzwirtschaft der Kleinbauern/-bäuerInnen war mit dem „enclosure movement“ zerstört und die ehemaligen SelbstversogerInnen waren entweder zu LandarbeiterInnen ohne Besitz an Grund und Boden als Produktionsmitteln degradiert oder als Proletariat in die Städte gezwungen worden.

In den amerikanischen Kolonien hatte diese Trennung von ProduzentInnen und Produktionsprozess, die berühmte Expropriation der ProduzentInnen, noch nicht stattgefunden. Ganz im Gegenteil drängte der Kolonisationsgedanke die KolonisatorInnen aus der Alten Welt zur Landnahme auf Kosten der lokalen Bevölkerung, aber damit auch zum Landbesitz und zur Selbstausbeutung als unabhängige ProduzentInnen. Marx macht im 25. Kapitel der Ersten Bandes des „Kapital“ auf den diametralen Widerspruch zwischen Mutterland und Kolonie aufmerksam:

Das kapitalistische Regiment stößt dort überall auf das Hindernis des Produzenten, welcher als Besitzer seiner eignen Arbeitsbedingungen sich selbst durch seine Arbeit bereichert statt den Kapitalisten. Der Widerspruch dieser zwei diametral entgegengesetzten ökonomischen Systeme betätigt sich hier praktisch in ihrem Kampf.v

Folgerichtig beriefen sich die emigrierten KapitalistInnen auf ihre Macht und die Unterstützung „ihrer“ Regierung, um dieser Unausbeutbarkeit zu begegnen. Und das englische Parlament folgte mit Erlässen, die die Lohnarbeit vorschrieben, allerdings mit begrenztem Erfolg. Einen Kolonisator in Westaustralien, Peel, beschreibt Marx wie folgt: „Herr Peel war so vorsichtig, außerdem 3000 Personen der arbeitenden Klasse, Männer, Weiber und Kinder mitzubringen. Einmal am Bestimmungsplatz angelangt, ‚blieb Herr Peel, ohne einen Diener, sein Bett zu machen oder ihm Wasser aus dem Fluß zu schöpfen’. Unglücklicher Herr Peel, der alles vorsah, nur nicht den Export der englischen Produktionsverhältnisse nach dem Swan River!.vi

Die englischen Produktionsverhältnisse waren durch große landwirtschaftliche Betriebe und Industriekapital geprägt, an die die Masse der ehemaligen Kleinbauern/-bäuerInnen ihre Arbeitskraft verkaufte. Der Verkauf der eigenen Arbeitskraft war erzwungen durch die systematische Enteignung und die Gesetze gegen Arbeitslosigkeit inklusive der Arbeitslager ähnlichen „poor houses“ (Arbeitshäuser für Arme).

Die systematische Enteignung war im sich noch ausbreitenden amerikanischen Kolonialismus schwer möglich. Um die Kolonien zu vergrößern, musste das Land den indigenen „first nations“ gewaltsam abgenommen, aber auch bestellt werden. Familiäre bäuerliche und forstwirtschaftliche Betriebe an der „frontier“ waren das politökonomische Werkzeug der Wahl, was den Besitz der ProduzentInnen an ihren eigenen Produktionsmitteln ausdehnte, statt ihn einzuschränken.

Zentralisierte Produktionsverhältnisse herrschten vor allem in der Plantagenbewirtschaftung vor. Diese war vor allem für größere zusammenhängende Betriebe profitabel. Statt auf enteignete Kleinbauern/-bäuerinnen griffen die KolonistInnen, vor allem in den südlichen Kolonien, auf Sklavenarbeit und Schuldknechtschaften von AuswanderInnen zurück.

Schuldknechtschaft

In den amerikanischen Städten wurden die industriellen Produktionsverhältnisse, vor allem aber die bürgerliche Hauswirtschaft, auch gewaltsam mit Zwangsarbeitskraft bestückt. Vor allem die ärmsten EinwanderInnen tauschten für die Überfahrt eine jahrelange Arbeitsverpflichtung ein, die an die europäische Leibeigenschaft erinnert. Wie die Sklaverei hatten diese Arbeitsverhältnisse ihren Ausgang in den südlichen Kolonien, beginnend mit Virginia. Diese ArbeiterInnen leisteten ihre Schulden auch auf Plantagen ab.

Dieses Modell funktionierte vor allem im 17. Jahrhundert, als entlassene Haus- und FabrikarbeiterInnen quasi nahtlos durch die massenhaft nachkommenden EmigrantInnen ersetzt werden konnten. Ab dem 18. Jahrhundert nahm die Zahl der „indentured serfs“ (KontraktsklavInnen, -leibeigene) langsam ab. Der zentrale Unterschied zur Sklaverei bestand darin, dass kein gewaltsamer Menschenraub, sondern ökonomische Not den Ausgangspunkt bildete. Gleichzeitig waren die Leibeigenschaftsverhältnisse in der Regel zeitlich begrenzt, und die Betroffenen gingen danach als freie ArbeiterInnen, HandwerkerInnen oder SiedlerInnen in das Wirtschaftsgefüge über.vii

Sklaverei

Die großräumige Plantagenwirtschaft breitete sich ab dem 17. Jahrhundert von Virginia ausgehend vor allem in den südlichen Kolonien aus. Wie die Wollproduktion in England nahmen der zentralisierte Anbau und die industrielle Verarbeitung von Tabak, Reis, Baumwolle und Zuckerrohr die zentrale Rolle in der ursprünglichen Akkumulation von Kapital in den amerikanischen Kolonien ein. Die ursprüngliche Akkumulation ist entscheidend, weil sie nicht nur die notwendige Monopolisierung der Produktionsmittel in den Händen der KapitalistInnen, sondern das Schaffen eines auszubeutenden Proletariats bedeutet. Die ursprüngliche Akkumulation schafft die wirtschaftlichen Voraussetzungen und die politischen Institutionen von Kapital und Lohnarbeit.

Ende des 17. Jahrhunderts wurde die Akkumulation auf Kapitalseite vor allem durch die Ausbeutung von SklavInnen, die aus afrikanischen Ländern und Gesellschaften verschleppt wurden, erreicht. Die terroristische Zerstörung von Familien- und Gesellschaftsstrukturen in Afrika durch SklavenhändlerInnen wurde auf dem amerikanischen Festland durch den Terror von Folter, Unterversorgung und riesigen Arbeitspensen fortgesetzt. Vor allem in den ersten Jahrzehnten der Sklaverei waren SklavInnen unglaublich günstig und wurden rasend schnell zum Tod durch Arbeit gezwungen. Entsprechend wurden von Virginia Gesetze erlassen, die die Entrechtung der SklavInnen (beziehungsweise die rechtliche Verfügung der SklavenbesitzerInnen) bis zur vollkommenen Entmenschlichung der AfroamerikanerInnen ausdehnten.

Unabhängigkeitskrieg

Bis zum Unabhängigkeitskrieg dehnte sich die Sklaverei so weit aus, dass in manchen Bundesstaaten mehr schwarze als weiße Menschen lebten. Gleichzeitig nahm die Bedeutung der Schuldknechtschaft bereits vor dem Unabhängigkeitskrieg ab, sowohl im Vergleich mit der Sklaverei als auch mit Lohnarbeitsverhältnissen in den nördlichen Kolonien. Mit den schweren wirtschaftlichen Krisen des späten 18. Jahrhunderts wurden langfristige Arbeitsverträge für die unter Druck stehenden amerikanischen KapitalistInnen auch mehr zur Belastung. Die massive Beschränkung der Einwanderung nach der Unabhängigkeit und die etablierten sozialen Strukturen der freien Lohnarbeit lösten die Schuldknechtschaft als ökonomischen Motor der kapitalistischen Akkumulation schließlich ab.

1776 riefen 13 ehemals britische Kolonien die amerikanische Republik aus. Der Unabhängigkeitskrieg war gleichzeitig kolonialer Aufstand und eine vollwertige bürgerlich-demokratische Revolution. Er wälzte die bestehenden sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse, die immer mehr zum Hindernis der Produktivkraftentwicklung geworden waren, grundlegend um.

Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass der Nachbau der feudalen englischen Verhältnisse noch schwieriger war als die der kapitalistischen Produktionsbeziehungen. Bis auf das Hudson-Tal im heutigen Bundesstaat New York war es der britischen Krone nie gelungen, tatsächlich feudale Beziehungen in Amerika durchzusetzen (die feudale Enklave hielt dafür bis lange nach der Unabhängigkeitserklärung, nämlich bis 1839, durchviii). Trotzdem trug zum Beispiel die Beschwirtschaftung der Wälder in den westlichen Kolonialgebieten, die der Krone und der Marine vorbehalten war, durchaus feudale Züge. Auch der Landbesitz in den amerikanischen Kolonien war zunächst nach britischem feudalen Recht organisiert gewesen. Das bedeutete, die Krone (beziehungsweise ihre VertreterInnen vor Ort) vergab/en Landrechte und kassierte/n den Lehnszins (englisch: „quit rent“). Auch die Verdrängung der kolonialen Konkurrenz aus den Niederlanden, Spanien, Frankreich und sogar Deutschland hatte die Macht der britischen Krone gefestigt.

Gleichzeitig war es die Plantagenwirtschaft, in der neue Formen der Landwirtschaft (Monokultur) mit einer „neuen“ Form der Klassenausbeutung (Sklaverei) kombiniert wurden (Moore 2020)ix. Rechtlich war auch die Plantagenwirtschaft im Feudalismus verankert, die moderne Sklaverei war aber mit dem aufkommenden Kapitalismus ebenso vereinbar. Tatsächlich spielten die PlantagenbesitzerInnen der südlichen Kolonien eine wichtige Rolle in der Unabhängigkeit von der britischen Krone – ein klassisches Beispiel für die marxistische Überzeugung, dass die Entwicklung der Produktivkräfte die Grenzen der Produktionsverhältnisse sprengt.x

Dem Aufstand gegen die Monarchie gingen wichtige Rebellionen gegen lokale FeudalherrInen und SklavInnenhalterInnen voraus. Aufstände von SklavInnen und Schuldknechten/-mägden waren seit dem 17. Jahrhundert Teil der amerikanischen Geschichte und wurden nicht immer problemlos niedergeschlagenxi. Die Rebellion in Virginia 1676 („Bacon’s Rebellion“) brannte zum Beispiel die Hauptstadt der Kolonie, Jamestown, nieder.

Bei der Unterdrückung von ArbeiterInnen und SklavInnen standen KapitalistInnen und Kolonialbehörden auf derselben Seite. Aber die feudalen Landrechte standen der explosiven Produktivkraftentwicklung der amerikanischen KapitalistInnen im Weg. Steuern und Einfuhrbeschränkungen, aber auch die künstliche Verknappung der Geldmenge in den Kolonien, sollten verhindern, dass englische KapitalistInnen von ihren Landsleuten in den Kolonien ernsthafte Konkurrenz bekamen.

Gleichzeitig hatte sich im Krieg gegen indigene Nationen und die französische Kolonialkonkurrenz durch die ideologische Spaltungsrolle des Rassismus und die enorme Bedeutung, die den Kleinbauern/-bäuerinnen an der „frontier“ zukam, ein amerikanisches Nationalbewusstsein entwickelt. Dem stand die tyrannische Arroganz der britischen Krone als Feindbild gegenüber. Ein klassenübergreifendes Zweckbündnis wurde zum ersten Mal im Widerstand gegen die Stamp-Act-Steuern 1765 aktiv und begab sich vor allem im Streit um Steuern und Zölle in den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, der 1776 gewonnen wurde.xii

Der amerikanische Kapitalismus nach der Unabhängigkeit

Zu diesem Zeitpunkt waren die ehemaligen Kolonien keine Außenstellen des britischen Empires mehr. Plantagenwirtschaft, Bodenschätze und die enthemmte Ausbeutung der SklavInnen bildeten eine ernstzunehmende wirtschaftliche Grundlage, die Zusammenarbeit auf dieser Basis stellte eine eigenständige politische Kraft dar.

Die Schutzzollpolitik der ersten amerikanischen Regierungen schaffte es schließlich auch, eine eigene Schwerindustrie vor allem in den nördlichen Bundesstaaten aufzubauen. Die protektionistische Politik war bereits ein Streitpunkt unter der Kolonialherrschaft gewesen. Die britische Krone hatte schließlich aktiv versucht, den Aufbau einer eigenständigen amerikanischen Industrie zu verhindern. Es dauerte allerdings bis 1789, bis der amerikanische Kongress überhaupt das Recht bekam, bundesweite Zölle einzuführen, und bis nach dem Krieg gegen England 1812, bis diese hoch genug angesetzt waren, um als Schutzzölle bezeichnet zu werden.xiii Die Frage der Schutzzölle wurde auch zu einem zentralen Streitpunkt zwischen den späteren nördlichen und südlichen FeindInnen im BürgerInnenkrieg 1861 – 1865: Die Industriellen im Norden bauten sich ihre Produktion hinter den Zollmauern auf, während die landwirtschaftlichen GroßbesitzerInnen im Süden von günstig importierten Industrieprodukten weitgehend abhängig waren.

Nach dem Sieg der Nordstaaten im BürgerInnenkrieg setzten sich die Industrieproduktion und die doppelte Freiheit der ArbeiterInnen durch. Gleichzeitig wurde die systematische Entrechtung der schwarzen Bevölkerung weitgehend in anderer Form fortgesetzt. Das diente einerseits der enthemmten Ausbeutung von landlosen schwarzen Schuldknechten/-mägden als „sharecroppers“ (PächterInnen) in den großen landwirtschaftlichen Betrieben, andererseits dem Bündnis mit dem finanzstarken und enorm rassistischen Kapital in den Südstaaten.

Wendepunkt im Weltkrieg

In den ca. 50 Jahren zwischen BürgerInnenkrieg und Erstem Weltkrieg entwickelten sich die USA zu einer führenden Industrienation. Die Entwicklung zur imperialistischen Macht erfolgte jedoch bis zum Ersten Weltkrieg auf besondere Weise. Von einer dominanten Rolle des Kapitalexports, vor allem außerhalb des amerikanischen Kontinents, kann erst nach 1918 gesprochen werden.

Bis 1914 ähnelten die Kapitaleinfuhr und die Handelsbilanz der USA derjenigen eines unterentwickelten Landes, obwohl sie bereits die erste Industrienation der Welt waren. […] Wie ein unterentwickeltes Land führten sie [die USA; d. Red.] Agrar- und Montanerzeugnisse aus, und wie ein solches waren sie per saldo Schuldnerland, das heißt: das in den USA angelegte europäische, hauptsächlich britische Kapital betrug etwa 7,2 Milliarden US-Dollar, war also etwa doppelt so umfangreich wie das eigene Auslandskapital der USA, das etwa 3,5 Milliarden US-Dollar ausmachte.”xiv

Das war aber kein „Zurückbleiben“ des sich entwickelnden amerikanischen Imperialismus, sondern eher eine Besonderheit, eine Form von ungleichzeitiger und kombinierter Entwicklung, die wir auch bei anderen Großmächten vor dem Ersten Weltkrieg (z. B. dem ökonomisch rückständigen Russland) finden. Durch den fortschreitenden Landraub an den indigenen „first nations“ richtete sich die Expansion des US-Kapitals über weite Strecken nach innen. Die Staaten verfügten außerdem über eine breite Palette an natürlichen und seltenen Rohstoffen. Die Expansion auf der Suche nach Ressourcen war also nicht so drängend wie für kleinere imperialistische Staaten. Und zuletzt entwickelten sich die USA zu spät, um einen klassischen Kolonialismus anzustreben. Aus diesen Gründen stieß das US-Kapital in dieser Periode noch nicht an die nationalen Grenzen der Akkumulation.

In anderer Hinsicht beteiligte sich das Land aber sehr wohl an der imperialistischen Konkurrenz. Der Spanisch-Amerikanische Krieg 1898 und die folgende Besatzung von Kuba, Puerto Rico, Guam und den Philippinen bedeuteten die Durchsetzung der eigenen Vormachtsansprüche auf beiden amerikanischen Halbkontinenten. Auch der gewonnene Krieg gegen Mexiko 1846 – 1848 war getrieben vom Anspruch, den potentiellen Konkurrenten klein zu halten. Mexiko war den USA als unabhängig gewordene Kolonie, geprägt von Plantagenwirtschaft, Genozid an der indigenen Bevölkerung und rascher kapitalistischer Entwicklung, recht ähnlich und durchaus ein natürlicher Konkurrent um die regionale Vorherrschaft – wobei der Begriff der Region auf die 12 Millionen Quadratkilometer Mexikos und der USA schwer anwendbar ist. Zu verhindern, dass sich andere ImperialistInnen in der eigenen Einflusssphäre entwickeln oder festsetzen konnten, war mehr als nur eine Vorbereitung des eigenen Aufstiegs, es war die Vorwegnahme der eigenen imperialistischen Kapitalexportpolitik.

Bereits vor dem Eintritt in den Ersten Weltkrieg war das amerikanische Kapital tief in die Kampfhandlungen auf dem Kontinent verstrickt. Milliardenkredite an die kriegführenden Länder bedeuteten widersprüchliche Loyalitäten der amerikanischen Banken. Diese waren gleichzeitig groß genug und mit dem Industriekapital verwachsen, um die Voraussetzungen für den imperialistischen Kapitalexport darzustellen. Mit Kriegseintritt übernahm die Bundesregierung die Ausfallrisiken für die umfassenden Kriegskredite und gab selbst Kriegsanleihen an ihre europäischen Verbündeten von ungefähr 9 Milliarden US-Dollar aus. Die deutschen Reparationen aus dem Vertrag von Versailles gingen großteils direkt an die amerikanischen GläubigerInnen, ab 1924 auch sogar ohne den Umweg über französische oder britische Konten.xv

Durch diese Kredite wurden die USA während des Ersten Weltkriegs schlagartig zum weltweit führenden Kapitalexporteur. Gleichzeitig brachen sie mit dem System der britischen Vorherrschaft, das immer eine passive Waren- bei aktiver Kapitalbilanz aufrechterhalten hatte (also mehr Waren importierte als ins Ausland verkaufte). Die Schutzzollpolitik und die weitgehende Selbstversorgung mit Rohstoffen aus den sehr großen eigenen Gebieten ließen die USA zur ersten weltwirtschaftlichen Vorreiterin mit doppelt aktiver Außenbilanz werden.

Der Kapitalexport über Kredite und Auslandsinvestitionen führte über die Erträge zu einem stetigen Zahlungsfluss in die USA. Dasselbe galt für die Waren, die ins Ausland verkauft und aus dem Ausland bezahlt wurden. Strukturell waren die Importe durch geringen Arbeitseinsatz (und daher Arbeitswert), die großteils industriellen Exporte durch hohen Arbeitswert geprägt. „Kurz: als weltwirtschaftliches Führungsland sprengen die USA die weltwirtschaftliche Arbeitsteilung.xvi

Hier zeigt sich auch, dass in der politisch-ökonomischen Analyse Imperialismus- und Krisentheorie nicht voneinander trennbar sind. Die hohe Abhängigkeit der amerikanischen Profite von inländischer Arbeit und die geringen Einsparpotentiale auf Kosten von Lohnsenkungen vertieften die Weltwirtschaftskrise in den 1920er Jahren ungemein.

Geschichte: Veränderte Lage durch Depression und Weltkrieg

Die Regierung unter Roosevelt versuchte zwischen 1933 und 1939, die strukturelle Krisenanfälligkeit und die soziale Instabilität durch Fiskalpolitik und einen garantierten Lebensstandard für die amerikanische ArbeiterInnenklasse zu lösen. Die durch die imperialistischen Extraprofite finanzierte höhere Absicherung der ArbeiterInnenaristokratie im Speziellen und der Klasse im Allgemeinen ist eine wichtige Voraussetzung für Stabilität in den imperialistischen Zentren. Dabei stützten sich die Vorschläge des „New Deal“ auf eine Koalition aus Teilen des Finanz- und Industriekapitals und versprachen die Befriedung der verarmten ArbeiterInnen und KleinBauern/-bäuerinnen. Die wichtigsten Elemente waren ein institutionalisiertes gewerkschaftliches Koalitionsrecht, eine Fixpreisgarantie für größere FarmerInnen, die Entflechtung der Industrie und die Trennung von Anlage- und Geschäftsbanken (Glass-Steagle-Act).

Das zweite große Versprechen des New Deals war eine frühkeynesianische Krisenstrategie, die zusammengebrochene Binnennachfrage durch Fiskalpolitik, also erhöhte und teilweise schuldenfinanzierte Staatsausgaben, wieder aufzurichten. Das scheiterte weitgehend. Erst der Zweite Weltkrieg, der über Rüstungspolitik und Preiskontrollen sowohl Beschäftigung als auch Profite stabilisierte, führte die USA aus der Krise. Aber auch die Schaffung staatlicher und genossenschaftlicher Energieträger wirkte sich stabilisierend auf Preise und Inflation aus.

4 Die veränderte Lage nach dem Zusammenbruch der europäischen Kolonialherrschaft

In Folge des Zweiten Weltkriegs standen sich zwei Modelle in der amerikanischen Außenpolitik gegenüber. Eine wirtschaftliche Vernichtung der europäischen KriegsgegnerInnen wurde, zum Beispiel durch den Morgenthau-Plan symbolisiert, vorgeschlagen, der die Binnennachfrage in Europa nachhaltig zerstört hätte. Dem gegenüber stand die großzügige Aufbauhilfe unter antikommunistischem Banner des Marshall-Plans, der schließlich zum Modell der amerikanischen Außenpolitik werden sollte.

Imperialistische Abhängigkeit der Halbkolonien

Die internationale Vorherrschaft durch Entwicklungspolitik und geopolitische Abhängigkeiten wurde für die USA umso wichtiger, als nach dem Zweiten Weltkrieg die verbliebenen europäischen Kolonialreiche zusammenbrachen. Anstelle der direkten Besatzung, die vor allem Britannien und Frankreich eine Vormachtstellung in der imperialistischen Aufteilung der Welt sicherte, trat die Dominanz durch Kapitalexport, Handelsabkommen, militärische Bedrohung und Geheimdienstapparate. Hier konnten die USA sich sowohl mit ihren besonders großen Ressourcen hervortun als auch vom weggefallenen Wettbewerbsnachteil gegenüber den ehemaligen Kolonialreichen profitieren.

Seit dem zweiten Weltkrieg ist das Imperium der Vereinigten Staaten an die Stelle der europäischen Kolonialreiche getreten. Es besteht aus völkerrechtlich unabhängigen Staaten, nicht Kolonien. Organisiert ist es durch nordamerikanische Kapitalausfuhr, und zwar durch direkte Investitionen (Bestand Ende 1972 25,2 Milliarden in den unterentwickelten Ländern, 94 Milliarden insgesamt), subsidiär durch die ,Auslandshilfe’. Die nordamerikanische Kontrolle variiert zwischen einerseits indirektem, elastischem Einfluß, dem nicht nur unterentwickelte Länder unterliegen, sondern auch die bis zum zweiten Weltkrieg selbständigen imperialistischen Mächte Europas sowie Japan, andererseits unverhüllter Waffengewalt, womit Marionettenregierungen wie die südvietnamesische, südkoreanische, guatemaltekische gegen ihre eigene Bevölkerung verteidigt werden.xvii

Das drückte sich auch in der Politik des „Cordon sanitaire“ (Sicherheitsgürtel) aus, mit dem sich die USA gegen ihre neuen Hauptfeinde Sowjetunion und China umgaben. Die USA bauten ihre geostrategische Absicherung auf der Abhängigkeit neokolonialer Staaten in Asien und Afrika auf. In einige dieser Länder gab es kaum Kapitalexport, und die „Entwicklungshilfe“ beruhte fast ausschließlich auf geostrategischen Interessen (Taiwan, Korea, Vietnam, Laos, Kambodscha, Pakistan, Türkei, Israel und Griechenland). In Afrika mischten sich militärische mit wirtschaftlichen Interessen, wo es amerikanischen KapitalistInnen gelingen sollte, Profite mit Rohstoffausbeutung zu machen, zum Beispiel in Libyen (Erdöl), im späteren Kongo (Kobalt, Kupfer, Uran) und in Ägypten. In Südafrika profitierten AnlegerInnen von der höheren Profitrate aufgrund der Apartheiddiktatur und der systematischen Überausbeutung der schwarzen ArbeiterInnenklasse.

Umkehr in die Verschuldung

Die 1960er Jahre führten zum ersten entscheidenden Bruch in der Rolle des amerikanischen Imperialismus. Während in den 1920er Jahren die Zahlungsunfähigkeit der europäischen KreditnehmerInnen, die Schwierigkeiten hatten, ausreichend Dollars für Rückzahlungen zusammenzukratzen, das Bankensystem unter Druck gesetzt hatte, begannen die USA spätestens ab 1965, sich massiv in europäischen Währungen und Yen zu verschulden. Die Schulden überstiegen die Deviseneinnahmen um ein Vielfaches und dienten nicht zuletzt dazu, den extrem teuren Vietnamkrieg zu finanzieren.

Diese Verschuldung bewerkstelligten die USA vermittels der damaligen Stellung des Dollar als Weltwährung: die ausländischen Notenbanken mit Ausnahme der Banque de France hielten ihre Notendeckung überwiegend nicht in Gold, sondern in Devisen, hauptsächlich Dollardevisen.xviii

In dieser Periode drückte sich die imperialistische Vormachtstellung nicht mehr durch die internationale Dominanz der US-Kredite, sondern durch die militärische und politische Vormachtstellung innerhalb des westlichen Blocks aus. Diese militärisch-geheimdienstliche Überlegenheit wurde ab den 1960er Jahren wiederum zur Grundlage des Aufbaus weiterer ökonomischer Abhängigkeiten, auch und vor allem in Südamerika.

Amerikanischer Kapitalexport und der Krieg in den Hinterhöfen

Neben den genannten Interventionen in Asien und Afrika konzentrierte sich die US-Außenpolitik in den 1960er Jahren auch auf Lateinamerika. Das war eine direkte Fortführung der Marionettenregierungen und direkten Eroberungen seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Vor allem die engen Verflechtungen der fast monopolartig agierenden United Fruit Company mit dem Militär- und Geheimdienstkomplex der USA, inklusive Putschen, Diktaturen und Mordschwadronen gegen GewerkschafterInnen sind auch weltweit skandalisiert worden.

Eine zentralisierte Strategie in Lateinamerika wurde über die Entwicklungshilfe organisiert. Zur effizienten Verteilung und Erzwingung von politischen Reformen wurde 1961 die „Allianz für den Fortschritt“ gegründet, die Hilfszahlungen an konkrete politische Projekte und vor allem Landreformen knüpfen sollte.xix Das gleichzeitige Entwicklungsversprechen, in der Abhängigkeit massives Wirtschaftswachstum in den betroffenen Staaten zu ermöglichen, blieb selbstverständlich unerfüllt.

Die Dependenztheorie erkennt richtig, dass die Entwicklung der süd- und mittelamerikanischen Wirtschaften in dieser Periode fast ausschließlich vom Investitionsverhalten des US-Kapitals und den importierten Technologien abhängt.xx Der Kapitalexport aus den imperialistischen Ländern baut und festigt so die Grundlagen der internationalen Arbeitsteilung. Diese war bereits in der kolonialen Unterentwicklung durch den Kolonialismus festgelegt, wo die Rohstoff- und Arbeitsressourcen der Kolonien das Wachstum der Zentren finanzierten und das eigene dadurch gehemmt wurde. Die Übersetzung der wirtschaftlichen Abhängigkeit in entsprechende politische Strukturen sollte zum Beispiel durch die „Allianz für den Fortschritt“ institutionalisiert werden.

Die imperialistische Rolle der USA in Süd- und Mittelamerika beginnt knapp vor dem Ersten Weltkrieg, fällt also mit ihrem Aufstieg zur imperialistischen Macht zusammen. Zwischen 1897 und 1914 verfünffachten sich die US-Investitionen von 308 Millionen US-Dollar auf 1,6 Milliarden US-Dollar.xxi

Ab den 1960er Jahren nahmen die Direktinvestitionen erneut massiv zu und stiegen bis 1980 um das Dreifache, bis 1990 sogar um das Fünffache an.xxii In den meisten Ländern sank das Verhältnis ausländischer Direktinvestitionen zum Bruttoinlandsprodukt zwischen 1914 und 1960 recht massiv, stieg jedoch bis 1990 wieder leicht an. Sowohl von den Interessen des US-Kapitals als auch von der Abhängigkeit der süd- und mittelamerikanischen Halbkolonien ausgehend, blieb der verächtlich „Hinterhof Amerikas“ genannte Halbkontinent also immer zentral für den US-Imperialismus.

Warenexporte

Wie zuvor ausgeführt, war der Aufstieg der USA zur imperialistischen Weltmacht nach dem Ersten Weltkrieg aus zwei Gründen bemerkenswert. Erstens war für den Durchbruch die amerikanische Kolonialgeschichte deutlich weniger relevant als die Kreditabhängigkeit anderer imperialistischer Staaten; die Bedeutung direkt-kolonialer Überausbeutung blieb für den amerikanischen Imperialismus weitgehend marginal. Zweitens waren die USA gleichzeitig Waren- und Kapital-Nettoexporteurinnen.

Mit dem Umdrehen der Kreditabhängigkeit nahm in den 1970er Jahren die Bedeutung des Warenexports wieder deutlich zu. Zwischen 1970 und 1974 stieg der Anteil der Exporte am US-Bruttoinlandsprodukt von 6 auf 10 %. Auf eine kurze Dämpfung des Exportwachstums 1981 – 1987 (wegen des gestiegenen Dollarkurses) folgte ein weiterer Anstieg bis in die 1990er Jahre.xxiii

5 Kalter Krieg und das „Ende der Geschichte“

Der Kalte Krieg war die prägende geopolitische Ordnung nach dem Sieg über den Nazifaschismus. Er war Ausdruck der Teilung der Welt in zwei Hauptblöcke, in denen die USA und die UdSSR jeweils wirtschaftlich vorherrschend waren. Der Kapitalismus zeichnet sich dadurch aus, dass kapitalistische Produktionsformen vorherrschend sind und andere Produktionsverhältnisse dem untergeordnet werden. Genauso funktioniert das auch mit dem Imperialismus, der durch das kapitalistische Herrschaftsverhältnis zwischen Nationen „definiert“ ist, deren ökonomische und politische Dynamik die Grundlage einer Imperialismusanalyse sein muss. Eine „Checkliste“, mittels derer Kriterien abgehakt werden, um festzustellen, ob ein Land nun imperialistisch wäre oder nicht, gibt es nicht.

Imperialismus stellt vielmehr eine internationale, ökonomische und politische Ordnung dar. Es ist diese Totalität, nicht einzelne Eigenschaften, die einem Land und dessen Gesamtkapital eine bestimmte Stellung zuweist/zuweisen. Darüber bestimmt sich, ob ein Land imperialistisch ist oder nicht.

Der Sieg über den Faschismus erlaubte der Sowjetunion die umfassende Ausbreitung der bürokratischen Planwirtschaft und die endgültige Durchsetzung der Theorie von den geopolitischen „Einflusssphären“. Diese war gleichzeitig eine vorgeblich zeitweise Anerkennung der kapitalistischen Vorherrschaft außerhalb der sowjetischen Einflusssphäre. Auf der anderen Seite wurde durch den Sieg im Krieg ohne große wirtschaftliche Zerstörung im eigenen Land die Vorherrschaft der USA in den kapitalistischen Ländern abgesichert. Das US-amerikanische Kapital war in der Lage, durch Kriegsproduktion und Aufbau die Weltwirtschaftskrise zu überwinden.

Die antisowjetische Haltung wurde in den Nachkriegsjahren zu den Leitlinien der US-imperialistischen Politik. Militärbündnisse, Wirtschaftsverträge und „Entwicklungshilfe“ waren neben dem profitablen Kapitalexport auf die geostrategische Absicherung ausgerichtet. Die gemeinsame „Bedrohung“ erlaubte auch eine relative Einheit der konkurrierenden nationalen Kapitale unter amerikanischer Führung, zumindest in den imperialistischen Ländern.

Ein wichtiges strategisches Element des kalten Kriegs bildete der Rüstungswettlauf. Nachdem die sowjetischen Einflusszonen zu groß waren, um sie mit Embargos oder Boykotts erfolgreich in die Knie zu zwingen, stellten das Wettrüsten und kostspielige Kriege (Afghanistan, Kambodscha, Angola, Mosambik, Äthiopien und Nicaragua) einen Versuch dar, die bereits stagnierende bürokratische Planwirtschaft in die Krise zu treiben. Gleichzeitig war die Aufrüstung aber auch in den imperialistischen Ländern kostspielig, was diese durch Überausbeutung der Halbkolonien nicht immer ausgleichen konnten. Außerdem beförderte sie den Aufbau der Friedensbewegung und damit politischer Opposition in den imperialistischen Zentren – ein riskanter Widerspruch für ein System, das die Kontrolle über die Peripherie mit Privilegien für die heimischen ArbeiterInnen absichert. Die Unterdrückung des US-Proletariats in diesen Jahrzehnten war vor allem durch die rassistische Spaltung und weitgehende demokratische Entrechtung, aber auch das Fehlen einer ArbeiterInnenpartei und weitgehende Bindung der Gewerkschaften an die bürgerliche Ddemokratische Partei, abgesichert.

In der voranschreitenden Krise der sowjetischen Wirtschaft und damit der Herrschaft der Parteibürokratie waren vor allem die niedrige Arbeitsproduktivität und die Überproduktion nicht nachgefragter oder qualitativ minderwertiger Waren (in anderen Worten ein Versagen in der Gebrauchswertproduktion) bestimmend. Als Antwort fand die Fraktion unter Gorbatschow die Wiedereinführung kapitalistischer Marktmechanismen in der Perestroika-Politik (russisch: „Umstrukturierung“), während der zunehmenden Opposition aus der ArbeiterInnenklasse (zum Beispiel in Polen) mit einer Lockerung der politischen Repression im Rahmen der Glasnost (russisch: „Öffnung“) geantwortet wurde.

Dadurch kam es zum rapiden Aufstieg von neuen KapitalistInnen, die sich im Außenhandel eng an InvestorInnen aus den imperialistischen Ländern banden. Die planwirtschaftliche Bürokratie in ihrer Stagnation war nicht in der Lage, dieser explosiven Kraft zu widerstehen, und binnen weniger Jahre wurde die kapitalistische Wiederaneignung in der gesamten sowjetischen „Einflusssphäre“ zum großen Nachteil der ArbeiterInnen durchgesetzt.

Zu Beginn des Kalten Kriegs hatten sich die USA als unbestrittene Führungsmacht in der imperialistischen Welt durchgesetzt, wozu der gemeinsame Außenfeind aller KapitalistInnen mindestens ebenso bedeutend war wie der Kriegsgewinn. Dafür hatte sich eine andere „Supermacht“ als direkte Konkurrentin zum US-Imperialismus aufgestellt. Mit deren Untergang schien die Vorherrschaft des US-Kapitals besiegelt, einbetoniert, was sich im berühmten Buchtitel von Francis Fukuyama vom „Ende der Geschichte“ als Sieg der neoliberal-militaristischen Politik ausdrückte. Nur 30 Jahre später steht diese Vorherrschaft aber wieder auf dem Spiel. Es scheint fast, als würde die Geschichte der Klassengesellschaften kein kapitalistisches Ende kennen.

6 Freihandelsabkommen und regelbasierte Weltordnung, Krieg gegen die „islamische Welt“

Der Rückzug der Trump-Regierung aus zahlreichen multilateralen (also zwischen mehr als zwei Ländern abgeschlossenen) Verträgen von Pariser Klimaabkommen bis NAFTA wurde als potentielles Ende der „regelbasierten Weltordnung“ diskutiert. Diese wird auch als Gegenentwurf zum Chaos der imperialistischen Konkurrenz zwischen Handelskrieg und StellvertreterInnenkonflikten verhandelt. So schreibt zum Beispiel das deutsche Außenministerium in seiner Bewerbung um einen Platz im UN-Sicherheitsrat: „Als global vernetztes Land setzen wir uns für eine regelbasierte Weltordnung ein, die von der Stärke des Rechts und nicht durch das Recht des Stärkeren geprägt ist.xxiv

Die Ideologie von der regelbasierten, multinationalen und kapitalistischen Weltordnung findet ihren ersten Ausdruck in internationalen Organisationen wie dem Völkerbund, dem Vorläufer der Vereinten Nationen (UNO). Die liberal-demokratische Kritik an deren politischer Zahnlosigkeit wird vor allem deutlich, als im Gegensatz dazu weltweite Wirtschaftsabkommen ihre Durchsetzungsfähigkeit beweisen. Das Währungsabkommen von Bretton Woods und der Aufbau der Weltbank und des IWF nach dem Zweiten Weltkrieg sind erste Beispiele für diese vertragliche Institutionalisierung.

Für die US-Vorherrschaft besonders bedeutend sind aber die Verhandlungsrunden um das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen GATT 1947 (die 1995 in der Welthandelsorganisation WTO aufging) und die Gründung der G7 (Gruppe der sieben „wichtigsten“ kapitalistischen Nationen) nach der Ölpreiskrise 1973. Die Zahl der Freihandels- und Präferenzabkommen liegt mittlerweile in den Hunderten.xxv

Vorgeblich dienen diese Abkommen dem Zweck, gleichberechtigte oder sogar für unterentwickelte Länder vorteilhafte Bedingungen im Kapital- und Warenexport zu schaffen. Das baut auch auf den neoricardianischen oder neoklassischen Ideologien auf, dass ungehinderter (also zoll- und quotierungsfreier) Handel immer und für alle Beteiligten vorteilhafter ist.

Tatsächlich zeigt aber genau der wirtschaftliche Aufstieg der USA, wie „freier“ Handel die globalen Ungleichheiten und Abhängigkeiten noch verstärkt. Im kapitalistischen Wettbewerb setzen sich in der Regel die stärkeren Kapitale durch, und wo es Ungleichheiten im Warenfluss gibt werden diese nicht durch Gegengeschäfte, sondern durch Schuldenfallen ausgeglichen. Die Illusion von einer globalen Arbeitsteilung zum gegenseitigen Vorteil präsentiert sich in der Realität als Dystopie der imperialistischen Überausbeutung, organisiert von exportiertem Kapital.

7 Bruchpunkte: Wo machen die Trump-Maßnahmen einen Unterschied?

Rückzug aus multilateralen Abkommen

Die öffentlichkeitswirksamste Veränderung der US-Außenpolitik unter Trump war der Rückzug aus mehreren internationalen Abkommen, die zur Handschrift der Obama-Regierung gehört hatten. Neben dem Pariser Klimaabkommen und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zog sich Trump aus der „Transpazifischen Partnerschaft“ TPP der transatlantischen Handels- und Investmentpartnerschaft TTIP und dem nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA zurück.

NAFTA war ein Modellbeispiel für den ausbeuterischen Charakter von Freihandelsabkommen, ein Symbol, gegen das linke AntiimperialistInnen und GlobalisierungskritikerInnen seit Jahrzehnten Sturm liefen. Während sich Ängste der Gewerkschaften nach einem Lohnverfall bei amerikanischen ArbeiterInnen durch vereinfachte Abwanderung nicht belegbar bewahrheitetenxxvi, zementierte NAFTA mit seinen Verkaufsquoten und Zollverboten die Abhängigkeit Mexikos von den USA. Die berüchtigten „InvestorInnenschutz“paragraphen, die es Unternehmen erlaubten, Staaten für unliebsame und profitgefährdende Gesetze zu verklagen, sowie Eingriffsrechte der USA in den Außenhandel Mexikos (zum Beispiel mit Kuba, Bolivien oder Venezuela) unterstrichen den offenen Herrschaftscharakter von scheinbar gleichberechtigten Freihandelsabkommen. Selbst konservative (neoklassische) ÖkonomInnen schätzen, dass die direkten wirtschaftlichen Vorteile, die NAFTA den US-KapitalistInnen brachte, nicht auf „ungehinderten“ Handel zurückzuführen sind, sondern auf Kosten der halbkolonialen VertragspartnerInnen gingen.xxvii NAFTA wurde 2018 von Trump aufgekündigt und durch das USMCA-Abkommen ersetzt, das außer einer schrittweisen Verbesserung der US-Position (Zugang zum kanadischen Markt für Landwirtschaftsprodukte, vorteilhafter Protektionismus in der Autoproduktion) keinen Bruch mit NAFTA darstellt. (USMCA = United States-Mexico-Canada-Agreement)

Auch TTIP war in Europa Gegenstand linker und linksliberaler Kritik, ebenfalls wegen des InvestorInnenschutzes und der Angleichung (also in Europa überwiegend der Verschlechterung) von Umweltschutz- und KonsumentInnenschutzregeln. Auch der offene Versuch, einen westlichen Wirtschaftsblock mit militärischer Hintergrundmusik gegen imperialistische Rivalinnen in China und Russland aufzubauen, drückte zwar nur die zunehmenden imperialistischen Zuspitzungen aus, weckte aber durchaus Widerstand. Die Verhandlungen um TTIP wurden 2016 von Trump abgebrochen. Nach dem vorläufigen Abschluss des Handelskriegs gegen die EU wurden 2019 Verhandlungen um ein neues Abkommen wieder aufgenommen.

Die transpazifische Partnerschaft TPP wurde als Bündnis von Australien, Brunei, Kanada, Chile, Japan, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam unter Führung der USA 2016 unterschrieben. Es war das Kernstück von Obamas Asienstrategie zur Eindämmung des chinesischen Einflusses und wäre mit einer Abdeckung von 40 % der globalen Wirtschaft das größte Freihandelsabkommen der Welt gewesen. Die gegenseitige Bevorteilung in Handel, Zoll und vor allem Wertschöpfungsketten wäre nicht bloß auf den amerikanischen Kapitalexport, sondern auch auf die geopolitische Eindämmung Chinas ausgelegt gewesen. Die Trump-Regierung zog sich nur wenige Monate nach der Regierungsübernahme aus TPP zurück, das damit eigentlich hinfällig ist.

Ihr Rückzug ist generell nicht als Absage an den Freihandel und erst recht nicht als ideologische Ablehnung von Globalisierung oder weltweiten Produktions- und Ausbeutungsketten zu verstehen. Die von Trump als Feindbild bemühten „GlobalistInnen“ sind Elemente einer antisemitische Verschwörungstheorie und haben mit Globalisierung nichts zu tun. Vor allem die rasche Neuverhandlung nach dem Säbelrasseln von Handelskrieg und Embargodrohungen (die vor allem 2017 und 2018 das Verhältnis von USA, China und EU prägten) zeigt, dass kein Ende des „freien“ Handels ansteht. Vielmehr geht es darum, die implizite ökonomische Wahrheit, dass freierer Wettbewerb zugunsten der stärkeren Kapitale geht, noch einmal mit der militärischen, diplomatischen und geheimdienstlichen Stärke des US-„Gesamtkapitalisten“ zu unterstreichen.

Das amerikanische Kapital zeichnete sich zu Beginn seines ökonomischen Aufstiegs durch Wettbewerbsvorteile sowohl in der Industrieproduktivität als auch der Finanzinstitutionen aus. Nach der umfassenden Kapitalzerstörung in Europa und Ostasien durch den Zweiten Weltkrieg waren freierer Handel und Investititionsfluss die Schlüsselstrategie zur weltweiten amerikanischen Machtausübung.

Der Vorteil in der Produktivität ist dank partiellem Technologieexport, niedrigeren auwärtigen Lohnkosten und der teilweise maroden US-Infrastruktur ein abnehmender für den US-Imperialismus. Die zunehmende Bedeutung von „handelsbezogenen geistigen Eigentumsrechten“ (TRIPS), die konservativen ÖkonomInnen ein theoretischer Graus sindxxviii waren ein Versuch, diesen Prozess zu verlangsamen. Gleichzeitig konnten Ende des 20. Jahrhunderts solche Positionsverluste durch die unangefochtene MarktführerInnenschaft in den Bereichen Hochtechnologie und Finanzwirtschaft ausgeglichen werden. Folgerichtig waren es diese Kapitalfraktionen, die den Freihandelskurs und besonders die steigende Bedeutung der Klauseln zum geistigen Eigentum und seine VertreterInnen stützten.

Auch der systematische Aufbau einer US-amerikanischen Energieunabhängigkeit war ein zentrales Ziel der Regierungen Bush und Obama, die spätestens 2019 die USA zu Nettoölexporteurinnen machten. Diese Unabhängigkeit wird mit vergleichsweise hohen Ölpreisen (zu denen sich nur die sehr schmutzige und teure Schieferöl- und Teersandausbeutung lohnt) erkauft, die andere Seite der Medaille der Kriege um Öl, die die US-Außenpolitik seit den 1990er Jahren prägt.

Die US-Vorherrschaft im Bereich der Hochtechnologie ist nicht mehr unangefochten. Vor allem im ostasiatischen Raum werden heute ähnlich leistungsfähige Halbleiterprodukte hergestellt und die entsprechende Software entwickelt wie um das Silicon Valley. Die Bedeutung der US-Finanzwirtschaft ist deutlich weniger bedroht, auch wenn die Abwicklung von Teilen des Welthandels mit chinesischen Renmibi und teilweise sogar Euros die Bedeutung anderer Börsen steigert. In der Folge der Finanzkrise 2008 sank jedoch die Bedeutung der Finanzindustrie im Vergleich zu anderen Kapitalfraktionen, die vom „regelbasierten“ Freihandel weniger hielten.

Der Kurs der Trump-Regierung widerspiegelt in erster Linie das Bedürfnis, diese stärksten Kapitalfraktionen im internationalen Wettbewerb zu stärken. Die gezielten Angriffe auf chinesische Technologieunternehmen (Huawei, TikTok) sprechen hier ebenso dafür wie die offene Forderung, mehr amerikanische Landwirtschafts- und Industrieprodukte zu kaufen.

Kriegspolitik

Die Präsidentschaften von Bush und Obama waren außenpolitisch vor allem von den Überfällen auf Afghanistan und Irak geprägt. Wie schon die ersten Golfkriege waren diese ökonomisch von einem Bedarf nach günstigem und preisstabilem Erdöl getrieben. Unter dem ideologischen Deckmantel des Kriegs gegen den Terror (und als institutionalisierter Hintergrund des modernen antimuslimischen Rassismus) stationierten die US-Truppen Hunderttausende SoldatInnen in und rund um die ölfördernden Länder Westasiens und im kleineren Ausmaß auch Afrikas.

In den letzten Jahren der Obama-Regierung wurde der direkte Konflikt mit Russland als potentiellem imperialistischen Konkurrenten wichtiger Treiber der Kriegspolitik. Die Unterstützung der rechtsextrem-neoliberalen Koalition in der Ukraine durch US-Truppen sowie die Interventionen in Libyen und Syrien hatten mehr mit diesem geopolitischen Konflikt als der Sicherung von Öl- und Gasversorgung zu tun. Tatsächlich bewegten sich die USA schon seit 2014 auf einen Energie-Nettoexport (bei ausreichend hohen Weltmarktpreisen, die die Förderungsmethoden profitabel machten) zu.

Das führte zu einer Verschiebung der Interventionen, weg vom Ziel, einen niedrigen Weltmarktpreis für Öl und Gas sicherzustellen. Es schuf aber neue Konflikte, die die Abnahme von amerikanischen Energieprodukten sicherstellen sollten. So muss man auch die zeitweise US-Forderung verstehen, keine neue Pipeline für russisches Gas zu bauen (Nordstream-2-Konflikt). Dasselbe gilt dafür, dass die EU sich im Auslaufen des Handelskrieges verpflichtet, ihre Einfuhr an amerikanischem LNG-Flüssiggas zu verdoppeln.

In diesem Lichte müssen auch der von Trump versprochene Truppenabzug aus Irak und Afghanistan sowie die kurzfristig angekündigte Entspannung mit Iran und Nordkorea gesehen werden. Hinter seinem Versprechen steht die Kosten-Nutzen-Rechnung der Kapitalfraktionen, die den Präsidenten offen gefördert haben. Vor allem für die Energieindustrie ist der Nutzen gering, der den enormen finanziellen und moralischen Kosten des Dauerkrieges gegenübersteht. Auch die versuchte Entspannung mit Russland hatte sich deutlich von Obamas Politik abgehoben, der in der Ukraine und in Syrien eigentlich StellvertreterInnenkriege eskaliert hatte.

In diesen Fällen überwiegt aber die Kontinuität und die Durchsetzungsfähigkeit des für die Außenpolitik relevanten industriell-militärischen Komplexes, also die Rüstungsindustrie und Teile von Armee und BeamtInnenapparat. Tatsächlich konnte sich Trump hier aber auch nicht gegen die „Falken“, die dortigen kriegsbegeisterten IrangegnerInnen durchsetzen. Folgerichtig deshalb wurde der Abzug nicht organisiert, und die USA intervenieren auch rund um die Ölvorkommen in Nordsyrien, zwischen Rojava und Südkurdistan (Nordirak). Es ist dennoch wichtig zu verstehen, dass es politökonomische Hintergründe für diese Wahlversprechen gibt.

In anderen Bereichen ist diese außenpolitische Verschiebung aber durchgesetzt worden. Die Bündnispolitik im arabischen Raum zielt auf Einzelabkommen, ideologische und militärische Zugeständnisse (Botschaftsverlegung in Israel, möglicher Verkauf von F-35-Kampfflugzeugen an Saudi-Arabien) ab. Unter Obama orientierte die Strategie noch klarer darauf, die lokalen Mächte gegeneinander auszubalancieren, und war auch weniger auf direkte Loyalität zu den USA zugeschnitten. Der offene Unilateralismus, also das US-Diktat der Bedingungen, hat aber auch nicht nur zum Ziel, Einzelstaaten unter Druck zu setzen, sondern auch die Beziehungen zu anderen Verbündeten der USA zu verändern.

Auch an den reaktionären Entwicklungen in Lateinamerika waren die USA führend beteiligt. Das bedeuten zum Beispiel das Zurückdrängen von progressiven und linken Regierungen in Brasilien, Chile, Bolivien, der Abbruch der Entspannung mit Kuba und die Putschversuche in Venezuela. Diese Entwicklungen haben aber unter den Regierungen Bush und Obama begonnen und wurden unter Trump recht konsequent weiter vorangetrieben. Dahinter steht aber nicht nur die chauvinistische „Hinterhof“ideologie der 1970er Jahre, sondern der Versuch, chinesischen Einfluss in der Region zu beschränken. Das bezieht sich zum Beispiel darauf, dass sich Brasiliens Bergbau (vor allem die Kupferproduktion) als Zulieferer für Chinas Industrie zum weltwirtschaftlichen Motor in der Krise ab 2008 entwickelte, oder auch auf den chinesisch-nicaraguanischen Vertrag zum Bau eines Atlantik-Pazifik-Kanals (als direkte Konkurrenz zum amerikanisch kontrollierten Panama-Kanal).

Zusammengefasst scheint die Trump-Regierung in der Durchsetzung ihres außenpolitischen Programms schwach, hat aber in entscheidenden Punkten eine andere Stoßrichtung als die vorhergegangenen Regierungen. Die außenpolitischen Interessen des US-Kapitals verschieben sich, hin- und hergerissen zwischen einem zunehmenden Bedürfnis nach militärischer Schützenhilfe auf dem Weltmarkt und geostrategischer Bündnispolitik gegen den aufstrebenden Konkurrenten China. Dieser Widerspruch ist nicht ohne weiteres auflösbar und wird zuerst in den USA eskalieren, um sich dann weltweit in offenen militärischen Konflikten zu entladen.

8 Ausblick: Die Rolle des Staates als ideeller Gesamtkapitalist, sich zuspitzende Widersprüche nach der Krise und die Konfrontation mit China

Der US-Imperialismus steht vor einer grundlegenden Neuordnung. Weil die USA die weltweit führende imperialistische Macht sind, gilt dasselbe für die globale Ordnung, und umgekehrt sind die Veränderungen in den USA auch Produkt der globalen Machtverschiebungen. Für die Analyse der US-Rolle sind drei Punkte entscheidend (1) die Machtverschiebung zwischen den Kapitalfraktionen im Inland, (2) der Aufstieg von China und Russland sowie die Formierung der EU zu imperialistischen Blöcken und (3) die widersprüchlichen Interessen, die sich in der amerikanischen Außenpolitik niederschlagen.

Der grundlegende Widerspruch zieht sich zwischen den Gründen für den und den Auswirkungen des Aufstieg/s von China zur imperialistischen Macht und direkten Konkurrenten der USA. Die direkten Gründe sind, dass US-amerikanische Kapitale schon im 20. Jahrhunderts den Kostenvorteil in der Industrieproduktion an andere aufstrebende Staaten abgeben mussten. Das ist eine direkte Folge der Tatsache, dass Wert nur aus menschlicher Arbeit entsteht und der zeitweise Kostenvorteil durch Produktivitätssteigerungen langfristig zu einer niedrigeren Profitrate tendiert.

Diese Entwicklung führte in den USA zu starkem Druck auf Lohnsenkungen. Ein Erhalt des Lebensstandards vieler ArbeiterInnen wurde durch den Import günstiger chinesischer Konsumprodukte ermöglicht. Das löste wiederum für China das Nachfrageproblem, wo KapitalistInnen ihre ArbeiterInnen sehr schlecht bezahlen konnten, ohne sich gesamtkapitalistisch Sorge um die Konsumnachfrage machen zu müssen. Diese Rolle übernahmen die amerikanischen ArbeiterInnen.

Durch die Dominanz der Finanzindustrie und des Hochtechnologiesektors der USA bedeutete der zunehmende Verlust der globalen „Wettbewerbsfähigkeit“ noch nicht, dass deren Stellung als imperialistische Führungsmacht gefährdet war. Der Aufbau von globalen Produktionsketten, die von amerikanischen Kapitalen dominiert wurden, erlaubte gleichzeitig den Kapitalexport über die Finanzindustrie und das Abschöpfen der Profite am Ende der „Wertschöpfungskette“ durch amerikanische IndustriekapitalistInnen. Der Aufbau von profitableren Hochtechnologiefirmen in Japan, Korea und China, der relative Bedeutungsverlust der US-Finanzindustrie im Laufe der Krise ab 2008 und der erfolgreiche Aufbau von Produktionsketten ohne amerikanische Beteiligung setzt aber dieser Periode ein Ende.

Das bedeutet eine Verschiebung der Interessen innerhalb des US-Kapitals. Weniger KapitalistInnen können erwarten, auf dem Weltmarkt der Freihandelsabkommen zukünftig bestehen zu können, und die das bewältigen, sind im inneramerikanischen Vergleich schwächer geworden. Dafür fordern mehr Kapitalfraktionen die direkte Unterstützung ihrer Wettbewerbsteilnahme auf dem Weltmarkt durch die militärische, diplomatische und geheimdienstliche Überlegenheit ein. Typische Beispiele sind vertragliche Abnahmequoten zum Beispiel für Agraprodukte oder Flüssiggas, Sanktionen gegen KonkurrentInnen, und Schutzzölle gegen ausländische Konsumgüter.

Gleichzeitig erfordert die Eindämmung Chinas aber breite geopolitische Bündnisse mit kleineren imperialistischen Staaten ebenso wie mit Halbkolonien. Denen muss dafür aber ein ökonomisch besseres Angebot gemacht werden als die klassischen chinesischen Infrastrukturinvestitionen im Billionenbereich. Neben direkten Kapitalanlagen zählt dazu auch das Angebot, gemeinsame Märkte zu konsolidieren, die im TPP-Abkommen eine wichtige Rolle gespielt hätten. Beides ist aber teuer und läuft den Einzelinteressen bedeutender US-KapitalistInnen ziemlich direkt zuwider.

Diesen Widerspruch zu lösen, wäre die Aufgabe des Staates als imperialistischem Gesamtkapitalisten. Das geht sich nur aus, wenn die eigene Führungsrolle weiter abgesichert wird, eine weitgehend unrealistische Aussicht. Wir stehen am Ende der Periode der klaren US-Dominanz über die globale imperialistische Ordnung, die mittelfristig durch eine multipolare Herrschaft abgelöst werden wird.

Das spitzt aber auch die Widersprüche zwischen den imperialistischen Staaten zu. Die vergangenen zwei Krisen ab 2008 und ab 2019 haben schon gezeigt, dass die Kapitalakkumulation in den imperialistischen Zentren an ihre Grenzen stößt. Es ist kein Zufall, dass diese Grenzen in den USA und der EU schneller erreicht sind als zum Beispiel in China oder Russland. Aber auch diese Länder haben definitiv krisenhafte Entwicklungen durchgemacht.

Die einzige Perspektive der kapitalistischen Krisenlösung ist für die imperialistischen Blöcke die Ausweitung der eigenen Absatz-, Rohstoff- und Arbeitsmärkte. Der Imperialismus ergibt sich aus den Krisentendenzen des Kapitalismus und ein Verständnis der imperialistischen Dynamiken macht eine tiefgehende Kenntnis der Krisendynamiken notwendig.

Weil die Halbkolonien und Einflusssphären weitgehend aufgeteilt sind, läuft das auf einen Konflikt um die Neuaufteilung der Welt hinaus. In kleinerem Ausmaß sehen wir das bereits am internationalen Auftreten Chinas, das geschickt die Spielräume aus der Freihandelslogik und in von den USA aufgegebenen Gebiete nutzt, um sich eine bessere Ausgangsbasis zu verschaffen. Ein anderes Beispiel ist der Zusammenprall russischer und amerikanischer Interessen in Bezug auf die EU. Dieser Widerspruch ist in der Ukraine eskaliert. Die daraus entstehende Kriegsgefahr ist nicht unmittelbar, aber unausweichlich.

Endnoten

i Küntzel, Ulrich: Der nordamerikanische Imperialismus. Zur Geschichte der US-Kapitalausfuhr. Sammlung Luchterhand 161. Neuwied und Darmstadt: 1974, S. 24

ii Engels, Friedrich: „Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft“, in: Marx, Karl / Engels, Friedrich: Werke (MEW) Band 19, (Karl) Dietz Verlag, Berlin/Ost, 4. Auflage 1987, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, S. 222

iii Wood, Ellen Meiksins. The Origin of Capitalism: A Longer View. New ed. London: Verso, 2002. Deutsche Ausgabe: Der Ursprung des Kapitalismus. Eine Spurensuche. Ausgewählte Werke Band I, LAIKA Verlag, LAIKAtheorie Band 55, Hamburg 2015

iv https://www.dw.com/de/eu-strebt-massive-steigerung-der-fl%C3%BCssiggas-importe-aus-usa-an/a-48572023

v Marx, Karl: „Das Kapital. Kritik der Politischen Ökonomie“, in: MEW Band 23 (Karl) Dietz Verlag, Berlin/Ost, 4. Auflage 1987, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, S. 792

vi Ebenda, S. 794

vii Galenson, David W.: „The Rise and Fall of Indentured Servitude in the Americas: An Economic Analysis,“ 2020, S. 27

viii https://jacobinmag.com/2017/10/anti-rent-war-movement-feudalism-new-york

ix Moore, Jason W.: „Nature and the Transition from Feudalism to Capitalism,“ 2020, S. 77

x Marx, Karl/Engels, Friedrich: „Das Manifest der Kommunistischen Partei“, in: MEW Band 4, (Karl) Dietz Verlag, Berlin/Ost 1959, S. 467

xi Kilson, Marion D. de B.: „Towards Freedom: An Analysis of Slave Revolts in the United States“, Phylon (1960-) Vol. 25, no. 2 (2nd Otr.. 1964), S. 175 – 187, https://doi.org/10.2307/273653

xii Aptheker, Herbert: „The American Revolution, 1763-1783: A History of the American People: An Interpretation“ Vol. 2, International Publishers Co, New York 1960

xiii Chang, 2007, 79f., in: Aptheker, Herbert, a. a. O.

xiv Küntzel, Ulrich: Der nordamerikanische Imperialismus …, a. a. O., S. 53

xv Ebenda, S. 83

xvi Ebenda, S. 90

xvii Ebenda, S. 148

xviii Ebenda, S. 132

xix Bodenheimer, Susanne: „Dependency and Imperialism: The Roots of Latin American Underdevelopment.“ Politics & Society 1, no. 3 (1971), https://doi.org/10.1177/003232927100100303

xx Dos Santos, 1968, 2. 28

xxi Taylor, Alan M.: „Foreign Capital in Latin America in the Nineteenth and Twentieth Centuries“, Cambridge, MA: National Bureau of Economic Research, March 2003, S. 13, https://doi.org/10.3386/w9580

xxii Ebenda, S. 29

xxiii Schmidt, Timothy J.: „The Rise of U.S. Exports to East Asia and Latin America“, 1994, S. 68, <https://duckduckgo.com/?q=Schmidt%2C+Timothy+J.%3A+%E2%80%9EThe+Rise+of+U.S.+Exports+to+East+Asia+and+Latin+America%E2%80%9C%2C+1994&t=ffab&atb=v1-1&ia=web>

xxiv https://verfassungsblog.de/voelkerrecht-klar-benennen-deutschland-im-sicherheitsrat-und-der-einsatz-fuer-die-regelbasierte-internationale-ordnung/

xxv Bhagwati, Jagdish N.: „Termites in the Trading System: How Preferential Agreements Undermine Free Trade“, Oxford University Press, Oxford/New York 2008, S. 12

xxvi Caliendo, Lorenzo/Parro, Fernando: „Estimates of the Trade and Welfare Effects of NAFTA“, The Review of Economic Studies 82, no. 1 (January 1, 2015), S. 1 – 44, https://doi.org/10.1093/restud/rdu035.

xxvii Rodrik, Dani: „What Do Trade Agreements Really Do?“, Journal of Economic Perspectives 23, no. 2 (May 1, 2018, S. 73 – 90), S. 74, https://doi.org/10.1257/jep.32.2.73, https://j.mp/2EsEOPk

xxviii Bhagwati, Jagdish N.: „Termites in the Trading System … “, a. a. O.




Politische Krise in den USA: ArbeiterInnenklasse braucht eigene Partei

Susanne Kühn, Neue Internationale 251, November 2020

Der Sieger steht noch nicht fest, eine veritable politische Krise schon. Zum Zeitpunkt der Drucklegung (am Morgen des 5. November) sieht es zwar nach einem knappen Wahlsieg Bidens aus, doch die Auszählung der Stimmen läuft noch in entscheidenden Bundesstaaten. Trump und sein Wahlkampfteam verlangen eine Nachzählung der Stimmen in zahlreichen „Swing States“, in anderen versuchen sie, die Auszählung der Stimmen zu stoppen und sich zum Wahlsieger erklären zu lassen.

Die endgültige Auszählung kann sich also noch über Tage ziehen, das juristische und politische Tauziehen wird wohl über Wochen gehen. Einen Wahlsieg Bidens wird Trump sicher nicht einfach anerkennen. Die Vereinigten Staaten treten also in eine veritable politische Krise ein.

Wie weit rechtsradikale AnhängerInnen Trumps dabei gehen werden, um mit reaktionären Mobilisierungen ihren Präsidenten durchsetzen zu wollen, ob Trump die Gerichte auf seine Seite ziehen kann, bleibt abzuwarten. Die ersten rechten Demonstrationen formierten sich bereits für den angeblichen Wahlsieger.

US-„Demokratie“

Wahrscheinlich ist es jedenfalls nicht, dass sich Trump durchsetzt. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass Biden schließlich als Präsident angelobt wird. Erstens ist die WählerInnenschaft Trumps insgesamt keine Straßenkampfbewegung, auch wenn solche deren rechten Rand bevölkern. Zweitens ist es unwahrscheinlich, dass selbst republikanisch dominierte Gerichte Trumps Ruf nach Verzicht auf Auszählung aller Stimmen und faktischem Ignorieren eines Stimmenergebnisses folgen würden.

Das liegt freilich nicht an den tollen Institutionen der amerikanischen Demokratie, in die westliche PolitikerInnen so viel Vertrauen setzen, sondern daran, dass die herrschende Klasse keine lange, die Handlungsfähigkeit des Präsidenten und damit auch des US-Imperialismus beeinträchtigende andauernde Verfassungskrise zusätzlich zur Wirtschaftskrise und zur Pandemie brauchen kann.

Im Gegenteil, die ganze Scharade zeigt, dass die US-Demokratie und deren Verfassung in vieler Hinsicht einen Hohn auf die Demokratie darstellen. Ginge es nur um die Stimmen der WählerInnen, stünde der Wahlsieg Bidens, der mehrere Millionen Stimmen mehr erringt als Trump, außer Frage. Hinzu zeigt Trumps Vorgehen auch, welche bonapartistischen Sonderbefugnisse das Amt mit sich bringt. Millionen Menschen, vor allem Schwarze und People of Color, sind ohnedies vom Wahlrecht ausgeschlossen. Die US-Demokratie ist vor allem die Demokratie einer kapitalistischen Oligarchie, von reinen Kapitalparteien, eine Demokratie, deren Verfassung bis heute ihr Ursprung in einer Gesellschaft eingeschrieben ist, in der die weißen SklavenhalterInnen den Kern des Kapitals bildeten.

Der normale Ablauf dieser Demokratie wurde von Trump und seiner rechtspopulistischen Bewegung dadurch gestört, dass innerhalb des Kapitals ein Konflikt über die weitere Strategie zur Verteidigung der US-Hegemonie entbrannt ist. Nicht „America First“ steht zur Diskussion, sondern wie es durchgesetzt werden soll. Trump gibt sich dabei als Vorkämpfer gegen die Elite, um „das Volk“ vor seinen Karren zu spannen und eine andere Ausrichtung eben der Elite zu erzwingen. Biden und seine Partei stehen hingegen für die Verfolgung der US-Kapitalinteressen mit „traditionelleren“ Mitteln.

Wenn Biden im Januar inauguriert werden sollte, so wird er als Präsident der vereinigten Elite fungieren, ja fungieren müssen. Die Republikanische Partei sicherte sich schließlich bei den Wahlen weiter eine Mehrheit im Senat, also im Oberhaus, und konnte auch bei den Wahlen zum Kongress etwas zulegen, auch wenn dort die DemokratInnen die Mehrheit behalten.

Keine Illusionen in Biden!

Für die ArbeiterInnenklasse, für die rassistisch Unterdrückten, für Frauen in den USA wird sich rasch herausstellen, dass der Gegensatz von Biden/Harris und Trump/Pence so groß nicht ist. Die ohnedies zaghaften Wahlversprechen eines Joe Biden hinsichtlich Gesundheitsversorgung und Pandemie-Bekämpfung werden vom Senat kassiert oder zumindest verwässert werden. Gleichzeit droht eine Vertiefung der Wirtschaftskrise. Millionen haben bereits ihre Jobs verloren – Millionen droht dies. Gerechtigkeit für Schwarze und People of Color wird es auch unter einem rechten demokratischen Präsidenten nicht geben. Im Gegenteil, auch dieser wird rassistische Cops und die Nationalgarde gegen Protestbewegungen und Widerstand aufmarschieren lassen.

Den Grenzzaun zu Mexiko, die rassistische Selektion mag Biden zwar modifizieren, was z. B. die Lager an den Grenzen betrifft, abschaffen oder schleifen wird er diese wohl nicht. Was das Recht auf Schwangerschaftsabbruch und Selbstbestimmung betrifft, wird er sich weder mit den republikanischen Bundesstaaten noch mit dem rechten Obersten Gericht anlegen.

Aktiv wird er nur sein, wenn es um die Verfolgung der Interessen seiner Klasse, des US-Kapitals, und deren Weltmachtstellung geht. Gerade bei letzterer liegen die Vorstellungen von Demokratischer und Republikanischer Partei nicht so weit auseinander. Die Wendung zum Pazifik und die Konkurrenz mit China stehen auch in deren Fokus. Die geostrategischen und ökonomischen Widersprüche der imperialistischen Weltordnung, der verschärfte Kampf um eine Neuaufteilung der Welt stellen schließlich keine Erfindung von Trump dar, sondern objektive Interessengegensätze, die sich weiter verschärfen werden. Das bringen, nebenbei bemerkt, auch die Kommentare der deutschen PolitikerInnen zum Ausdruck. Ihre Schlussfolgerungen: Deutschland und die EU müssen „selbstständiger“ werden, mehr „Verantwortung“ übernehmen – diplomatisch, ökonomisch, militärisch, um international mit den USA, China, Russland auf „Augenhöhe“ konkurrieren zu können, quasi als demokratisch verbrämter Imperialismus.

Für die ArbeiterInnenklasse, für Schwarze und People of Color, für die Frauenbewegung und die „radikale“ Linke kann die Schlussfolgerung nur darin bestehen, den Kampf auf der Straße, in den Betrieben, in den Stadtteilen aufzunehmen. Das bedeutet aber auch, nicht nur gegen die antidemokratischen Zumutungen eines Trump und seiner AnhängerInnen zu mobilisieren. Es bedeutet auch, für den finalen Bruch mit der Demokratischen Partei einzutreten. Die Kapitalpartei eines Biden, von vielen als „kleineres Übel“ gewählt, wird sich rasch als nicht allzu viel anderes Übel erweisen.

Die US-ArbeiterInnenklasse und die Unterdrückten dürfen sich nicht weiter an die Demokratische Partei binden lassen, sie müssen unabhängig von beiden Fraktionen des US-Kapitals agieren.

Einheitsfront und ArbeiterInnenpartei

Das bedeutet zum einen die Unterstützung der Massenaktionen der antirassistischen und der Frauenbewegung. Es bedeutet, den Kampf gegen die Krise und Entlassungen und für den Aufbau einer Basisbewegung in den US-amerikanischen Gewerkschaften gegen Klassenkollaboration und die politische Unterordnung unter die Demokratische Partei aufzunehmen.

Der Aufbau einer Massenbewegung, einer Einheitsfront im Kampf gegen die Krise, gegen Rassismus und Sexismus, einschließlich von Selbstverteidigungsorganen gegen rechte und polizeiliche Provokationen, stellt eine Schlüsselaufgabe dar.

Die andere besteht im Kampf für die Bildung einer eigenen politischen Kraft der Lohnabhängigen, für eine ArbeiterInnenpartei, die kämpferische Gewerkschaften, migrantische ArbeiterInnen, die AktivistInnen von Black Lives Matter, proletarische Frauen in ihren kämpferischen Reihen vereint. Für diese Perspektive müssen RevolutionärInnen in der Klasse, in den Bewegungen und in der DSA (Democratic Socialists of America) eintreten.

Dabei gilt es von Beginn an, für eine proletarisch-revolutionäre, kommunistische Ausrichtung zu kämpfen, für eine Partei, die für die Macht der ArbeiterInnenklasse kämpft und sich nicht mit Reformen im Rahmen des US-Kapitalismus begnügt.




US-Gericht in Louisville entscheidet: Schwarze Leben spielen keine Rolle

Dave Stockton, Infomail 1119, 27. September 2020

In der vergangenen Woche brachen erneut landesweit Proteste gegen Polizei-Rassismus in den USA aus. Es geht erneut gegen das diskriminierende Unrechtsjustizsystem der Vereinigten Staaten, nachdem bekannt wurde, dass eine Grand Jury es abgelehnt hatte, drei Zivilpolizisten wegen der Erschießung und Tötung von Breonna Taylor, einer zum Zeitpunkt des Mordes sechsundzwanzigjährigen afroamerikanischen Notfallsanitäterin, in ihrem eigenen Haus anzuklagen.

Nachdem die Beamten in den frühen Morgenstunden des 13. März 2020 ohne Vorwarnung in ihre Wohnung in Louisville, Kentucky, eingedrungen waren, feuerten sie mehr als zwanzig Schüsse ab, von denen sieben Breonna Taylor trafen und von denen einer sie tödlich verletzte. Nur einer der Polizeioffiziere wurde wegen „mutwilliger Gefährdung ersten Grades“ angeklagt, weil er rücksichtslos Schüsse in das Apartment abgegeben hatte, die in benachbarte Wohnungen eingedrungen waren. Selbst diese Anklage wurde erst vier Monate nach der Tötung erhoben, schlicht und einfach nur als Tarnung, um eine Anklage wegen Mordes gegen die Beamten zu vermeiden.

Taylor lag mit ihrem Freund Kenneth Walker im Bett, als die Polizei ohne Vorwarnung die Tür zu ihrer Wohnung aufbrach. Walker eröffnete mit seiner rechtmäßig gehaltenen Schusswaffe das Feuer auf die Eindringlinge und verwundete einen der AngreiferInnen leicht. Walker, der selbst im Kugelhagel verwundet wurde, wurde sofort angeklagt und befindet sich seit dem Vorfall in Haft. Den Polizeibeamten wurden lediglich neue Aufgaben zugewiesen. In einem ekelerregenden Versuch, das Opfer zu beschmutzen, versuchte die Polizei erfolglos, Breonna mit dem Drogengebrauch eines ehemaligen Freundes in Verbindung zu bringen. In der Wohnung wurden keine Drogen gefunden.

Mord und Repression

Wieder einmal haben wir ein unverschämtes Beispiel für die völlige Straffreiheit von PolizistInnen, wenn es darum geht, Schwarze „in Ausübung ihrer Pflicht“ zu töten. Es hat den Anschein, dass kaum eine Polizeitötung aufgenommen worden ist, da findet schon eine andere statt. Kein Wunder, dass sie sich wie eine Besatzungsarmee verhalten, einer der Beteiligten hatte seinen KollegInnen sogar getwittert, dass sie „Krieger“ seien. Viele KommentatorInnen haben darauf hingewiesen, dass sich diese „KriegerInnenmentalität“ seitdem Irakkrieg noch weiter verbreitet hat. Seitdem haben viele Polizeidienststellen schwer gepanzerte Fahrzeuge und andere militärische Kriegswaffen gekauft.

Die mutwillige Ermordung von Breonna Taylor, gefolgt von der von George Floyd, die auf Video festgehalten wurde, löste eine Welle von Demonstrationen aus, die sich weltweit ausbreitete. Louisville selbst war seit der Ermordung von Breonna 119 Tage lang Zeugin von Protesten. In zunehmendem Maße hat die Polizei Tränengas und Pfefferkugeln auf diese Menschenmengen abgefeuert.

Am Tag der Weigerung der Grand Jury, Anklage zu erheben, liefen die BereitschaftspolizistInnen in die Menge der friedlichen DemonstrantInnen hinein und provozierten schließlich das, was sie dann als Aufruhr bezeichnen konnten. Über Nacht erlitten zwei PolizistInnen Schusswunden, und noch vor dem Urteil rief der Gouverneur von Kentucky, Andy Beshear, ein Demokrat, in Louisville den Ausnahmezustand aus. Am Tag selbst mobilisierte er die Nationalgarde des Staates.

Donald Trump hat die Polizei wiederholt für die Gewalt gelobt, die sie gegen friedliche DemonstrantInnen – die er als „InlandsterroristInnen“ bezeichnet hat – entfesselt hat. Er hat seine rechtsextremen AnhängerInnen gegen DemonstrantInnen aufgehetzt, und in Denver, Colorado, fuhr eine/r mit einem Auto durch eine Demonstration, die gegen die Entscheidung der Grand Jury protestierte.

Die Polizei hat während der Proteste regelmäßig schwer bewaffnete rechte Milizengruppen auf den Straßen patrouillieren lassen und sich sogar mit ihnen vergeschwistert. Als am 25. August in Kenosha, Wisconsin, zwei unbewaffnete Demonstranten von einem solchen rechten Milizionär getötet wurden, nahm Trump den Täter in Schutz und meinte, dass dieser sich nur verteidigt habe. Dies ist eindeutig Teil seiner Strategie, die Wahl am 3. November in einer Atmosphäre hoher sozialer Spannungen, einschließlich physischer Konflikte, abzuhalten, in der Hoffnung, dass seine Kampagne für „Recht und Ordnung“ die kläglichen Misserfolge seiner Präsidentschaft vertuschen wird.

Die Aktionen der DemokratInnen, selbst dort, wo sie im Amt sind, wie in Kentucky, zeigen, wie wenig diese zweite Partei der KapitalistInnen als Schutz für Schwarze und People of Color, die große Zahl von AntirassistInnen oder für die ArbeiterInnenklasse geeignet ist. Deshalb sollte man sich nicht in dem Glauben zurückhalten, dass dies Biden zum Sieg verhelfen wird.

Ganz im Gegenteil! Es sollte kein Zurückschrecken bei den Demonstrationen oder bei den Kämpfen der ArbeiterInnen für Arbeitsplätze und Gerechtigkeit in der Coronavirus-Krise geben! Keine Zurückhaltung bei den Aufrufen, die KillerpolizistInnen aus den Gemeinden zu vertreiben, die Polizeigewerkschaften aus den Gewerkschaftsverbänden herauszuschmeißen und ganz sicher keine Zurückhaltung bei der Organisierung der Selbstverteidigung. Jedes Anzeichen einer Schwächung des Massenwiderstandes wird nur Trumps ultrareaktionäre Bewegung und ihre faschistischen Ränder ermutigen, ganz zu schweigen von den Polizeiabteilungen, von denen viele bereits mit ihnen sympathisieren.

Trump hat praktisch damit gedroht, dass er das Urteil der WählerInnen nicht akzeptieren wird, wenn die Wahl im November gegen ihn ausfallen wird. Er hat seine AnhängerInnen der weißen RassistInnen dazu angestachelt, sich zu wehren, wenn er verliert. Das mag nur Trump-Geschrei sein, aber wenn die Ergebnisse von RepublikanerInnen in von ihnen kontrollierten Bundesstaaten oder im Obersten Gerichtshof angefochten oder behindert werden können, dann ist alles möglich. Die sicherste, ja die einzige Möglichkeit, dieses Szenario zu verhindern, besteht darin, die Massenbewegung zu stärken, damit sie direkt eingreifen kann, um ihm Einhalt zu gebieten bzw. ihn aus dem Amt zu jagen, sollte er versuchen an diesem festzuhalten.




Biden-Vize „Top Cop“ Kamala Harris: Das neue Gesicht der demokratischen Unterdrückung

Marcus Otono, Infomail 1117, 8. September 2020

Mit der Wahl von Senatorin Kamala Harris, die sich als Generalstaatsanwältin Kaliforniens gerne als Top Cop des Staates bezeichnete, hat Joe Biden den letzten Nagel in den Sarg der kurzen „sozialistischen“ Rebellion von Bernie Sanders, Alexandria Ocasio Cortez (AOC) und ihren AnhängerInnen geschlagen.

Der virtuelle demokratische Nationalkonvent wurde mit RednerInnen eröffnet, zu denen der ehemalige republikanische Gouverneur von Ohio, John Kasich, die ehemalige Präsidentin und Vorstandsvorsitzende von Hewlett Packard, Meg Whitman, und … Bernie Sanders gehörten. Sanders‘ Rede unterstützte Biden vorbehaltlos, in der er sogar behauptete, dessen Widerstand gegen Medicare for All (Gesundheitsversorgung für Alle) sei eine bloß taktische Meinungsverschiedenheit über „den besten Weg zu einer universellen Versorgung“. So viel zur politischen „Revolution“, die er bei seinen zwei Kandidaturen für die Nominierung der DemokratInnen versprach. AktivistInnen „unserer Revolution“, so wird gemeldet, seien vom Konvent angewidert gewesen. Nun, sie mögen es sein, aber sie haben nur sich selbst die Schuld zu geben. Um noch mehr Schaden zuzufügen, wurde AOC im weiteren Verlauf der Tagesordnung nur ein 60 Sekunden langer Videoplatz zur Verfügung gestellt. Das ist das unrühmliche Ende der Kampagne der selbsternannten „demokratischen SozialistInnen“ innerhalb der zweiten kapitalistischen Partei Amerikas, die Partei nach links zu drängen.

Die Wahl von Harris betonte, dass das, was im Gange war, eine Rückkehr zur alten Agenda des Washingtoner Konsenses war – dessen Ergebnisse die Grundlage für den Aufstieg von Donald Trumps Form des Rechtspopulismus überhaupt erst bildeten. Er ermöglichte es ihm, die Globalisierung und den Arbeitsplatzverlust von US-ArbeiterInnen nach China oder Mexiko demagogisch anzugreifen. Biden hat deutlich gemacht, dass er Trumps Anti-China-Politik weiterführen, wenn nicht gar verschärfen wird.

Harris, die durchaus aufgefordert werden könnte, in die Fußstapfen des 77-jährigen Biden zu treten, bevor seine erste Amtszeit vorbei ist, würde im Grunde dieselbe neoliberale Pro-Wall-Street-Politik verfolgen, die wir unter Reagan, den Bushes und dann auch unter den Demokraten Clinton und Obama gesehen haben. Es handelte sich um vierzig Jahre der „Sozialisierung“ der Kosten der Wirtschaftskrisen bei gleichzeitiger „Privatisierung“ der Profite. Durch die Schließung und Auslagerung von Industrien sind die Reichen unverschämt reicher geworden, während der Rest von uns um die Reste kämpft, die von ihren vor Überladung ächzenden Tischen fallen. Trumps vulgäre Zurschaustellung ist nur eine Enthüllung dessen, was der Großteil der milliardenschweren herrschenden Klasse umsichtiger tut. Die Harris-Auswahl zeigt, dass sich daran nichts ändern wird.

Kamala Harris – Identität, Optik und Politik

Harris wurde 1964 als älteste Tochter von MigrantInnen geboren, wenn auch kaum typischer Art. Ihr Vater war ein jamaikanischer Wirtschaftsprofessor an der Universität von Kalifornien in Berkeley, und ihre Mutter war eine Wissenschaftlerin und Forscherin aus Indien. Die demokratische Führung wählte sie, weil sie mehrere der Identitäts-„Kästchen“ positiv ausfüllt, die diese benutzt, um ihre Wahlgrundlagen unter den rassistisch Unterdrückten zu sichern und zu zeigen, wie fortschrittlich die DemokratInnen sind. Sie ist eine Frau und hat eine Person of Colour.

Mit Blick auf ihre lange politische Karriere stellten viele in der Schwarzen Community zurecht in Frage, ob dies sie qualifiziert, sie zu vertreten. Als Kind im Schulsystem der 1960er/70er Jahre, am Ende der demütigen Jim-Crow-Jahre, ist es gewiss, dass sie aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminiert wurde. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass sie in Kalifornien und nicht im Süden oder in nördlichen Stadtghettos aufgewachsen ist. Während sie aufwuchs, verbrachte sie Zeit in Jamaika mit ihrer Familie väterlicherseits und in Indien mit ihrer mütterlichen Seite. Als Kind lebte sie auch eine Zeitlang in Toronto, Kanada. Sie ist also weit gereist und in der multi-kulturellen Mittelschicht integriert.

Das Vertrauen der Demokratischen Partei auf „Identität“ als Strategie zum Stimmenfang ist immer ein heikler Tanz, bei dem versucht wird, zumindest verbal auf die Bedürfnisse der verschiedenen Unterdrückten einzugehen, insbesondere wenn es zwischen ihren privilegierten AnführerInnen, die um begrenzte Ressourcen kämpfen, Reibungen gibt. Harris wurde zum großen Teil als Belohnung für den loyalsten Wahlblock gewählt, den die DemokratInnen im Laufe der Jahre hatten, nämlich ältere Schwarze und vor allem ältere schwarze Frauen. Ihre persönliche Geschichte zeigt jedoch, dass sie mit dem Hintergrund der ArbeiterInnenklasse und den Kämpfen der meisten schwarzen Frauen, an die sie sich wenden soll, wenig gemeinsam hat.

Es ist ironisch, dass sich die DemokratInnen während eines Jahres massiver sozialer Unruhen gegen den Polizeiterror gegen Schwarze jemanden ausgesucht haben, dessen berufliche Laufbahn als Anwältin den größten Teil ihrer Zeit als Staatsanwältin auf lokaler oder staatlicher Ebene verbracht hat. Kamala Harris tritt bis in die Knochen für das Polizeiwesen ein. In ihrem 2009 erschienenen Buch „Effektiv gegen das Verbrechen“ rief sie zu mehr Polizei auf und behauptete, dass „praktisch alle gesetzestreuen BürgerInnen sich sicherer fühlen, wenn sie sehen, dass PolizistInnen auf Streife gehen“ und dass „Polizeikräfte ein beruhigendes Zeichen für das Engagement einer Gemeinschaft für Ordnung, Ruhe und Sicherheit sind“.

Natürlich sagte sie in diesem Jahr, als der Wind in die entgegengesetzte Richtung wehte, dass die Idee, dass „mehr Polizei auf den Straßen mehr Sicherheit schafft, einfach falsch ist“, und nannte die „Black Lives Matter“-Bewegung (BLM) „die HeldInnen unserer Zeit“. Die DemokratInnen ließen auch die Familie von George Floyd auf einem Konventsvideo erscheinen, um die Opfer rassistischer Gewalt zu ehren und eine Schweigeminute einzulegen. Aber an einer anderen Stelle „balancierten“ sie dies aus, indem sie PolizistInnen ehrten, die in Ausübung ihrer Pflicht gefallen waren und offensichtlich die guten Äpfel im Korb waren, und sie zeigten ein Video von PolizistInnen, die BLM-DemonstrantInnen umarmten. Tatsächlich ist so etwas eine Beleidigung für die BLM-Bewegung.

Es stimmt, dass Harris selbst ein Objekt des Bullenhasses ist, seit sie 2004, als San Franciscos Bezirksstaatsanwältin, als ein Polizeibeamter, Isaac Espinoza, von einem Bandenmitglied mit einem Sturmgewehr getötet wurde, sagte, dass sie die Todesstrafe für den Mörder nicht einfordern würde. Danach kehrten ihr die PolizistInnen bei aufeinanderfolgenden Pride-Paraden in der Stadt demonstrativ den Rücken zu. Zweifellos wird die Trump-Kampagne ihre „Anti Cop“-Akte in der kommenden Kampagne mit all dem zusätzlichen Gift, das sie für Schwarze und Frauen reserviert hat, ausrollen.

Es stimmt zwar, dass sie sich auch, zumindest verbal, bemüht hat, die harte Kante des Gesetzes für die ArbeiterInnenklasse und die Unterdrückten abzustumpfen, aber ein Blick in ihre Akte zeigt deutlich, dass, auch wenn sie manchmal das Wort ergreift, der Weg, den sie geht, allzu oft der gegenwärtigen rechtlichen Machtstruktur entgegenkommt. Nur ein paar Beispiele aus ihrer Karriere:

  • Während sie als Staatsanwältin darüber sprach, die Todesstrafe nicht zu unterstützen, hat sie es versäumt, nicht nur ein, sondern zwei getrennte Volksabstimmungen in Kalifornien zu befürworten, um die Todesstrafe zu abzuschaffen.
  • Sie unterstützte die Kriminalisierung von Eltern aus der ArbeiterInnenklasse (meist Schwarze und Latinos), deren Kinder die Schule schwänzten.
  • Sie lehnte es ab, 2014 und 2015 Ermittlungen über die Erschießung schwarzer Menschen durch die Polizei anzuordnen, und dann, ebenfalls 2015, versäumte sie es, einen Gesetzentwurf in der kalifornischen Legislative mitzutragen, der eine/n Sonderstaatsanwalt(-anwältin mit der Untersuchung der polizeilichen Anwendung tödlicher Gewalt beauftragt hätte.
  • Sie widersetzte sich zunächst einem DNA-Test, der einen Mann aus dem Todestrakt hätte holen können, obwohl sie, nachdem die New York Times den Fall aufgedeckt hatte, ihre Position änderte.
  • Sie sprach sich gegen die Freilassung gewaltloser Gefangener aus kalifornischen Gefängnissen aus und argumentierte über ihre AnwältInnen, dass die Gefängnisse dadurch einen wichtigen Arbeitskräftepool verlieren würden, weil sie die zahlreichen kalifornischen Waldbrände, die jedes Jahr auftreten, auslöschten; in Wirklichkeit befürwortete sie SklavInnenarbeit für einen gefährlichen Beruf.
  • Während ihrer Kandidatur für den Senat und die Präsidentschaft hat sie auch opportunistische politische Entscheidungen getroffen, wie zum Beispiel, dass sie zunächst Gesundheitsversorgung für alle fördert und sich dann von dieser Unterstützung zurückzieht.

Wie auch immer der politische Wind weht, sie setzt ihre Segel in diese Richtung, um ihre Karriere voranzubringen. Zu erwarten, dass Kamala Harris auf der Seite der ArbeiterInnenklasse steht, ist eine Übung in (Selbst)Täuschung. Kamala wird auf Kamalas Seite stehen, und das bedeutet auf der Seite der herrschenden Klasse. Und zwar immer.

Aber der Schein ist das Wichtigste für die demokratische Führung. Sie denkt, dass ein/e demokratische/r KandidatIn für das Amt des/r PräsidentIn oder VizepräsidentIn im Jahr 2020 nur „nicht Trump“ sein muss. Dann will sie, dass das Team so viele der „Identitäts“-Kästchen wie möglich für die Linke erfüllt und gleichzeitig republikanische Anti-Trump-WählerInnen mit einer gemäßigten, ja konservativen Politik anlockt.

Anhaltende Unterdrückung und Verdrängung von Meinungsverschiedenheiten

Die Ersetzung von Trump and Pence durch Biden und Harris wird nur für eine Minderheit der Bevölkerung der Vereinigten Staaten einen Unterschied ausmachen. Natürlich werden beide sich nicht Trumps grundlosen rassistischen und frauenfeindlichen Beleidigungen hingeben. Bourgeoise Persönlichkeiten, die die „Normalität“ der neoliberalen Weltsicht der letzten vier Jahrzehnte repräsentieren, werden in Washington, DC, wieder in den Vordergrund treten. Die BürokratInnen und das obere und mittlere Management, oft TechnokratInnen genannt, die diese Elite unterstützen, werden ihren Einfluss und Zugang zur Macht zurückgewinnen und einen Teil des Reichtums, der durch die Politik des globalen Kapitalismus erzeugt wurde.

Selbst wenn die von Trump repräsentierte „Neue Weltunordnung“ des Rechtspopulismus aus den internationalen Angelegenheiten verschwindet, wird die Dämonisierung anderer imperialer Weltzentren wie Russland und China und regionaler Mächte wie des Iran mit Kriegen, die nur einen Schuss entfernt sind, nicht aufhören. Sie könnte sogar zunehmen. Biden verkörpert keinen fundamentalen Unterschied zu Trump, wenn es darum geht, Amerikas „Größe“ gegenüber seinen RivalInnen wieder zu behaupten. Was man über Trumps Populismus sagen kann, ist, dass er mit einer gehörigen Portion Isolationismus einherging. Trotz seines Getöses hat er in den vier Jahren seiner Amtszeit das militärische Abenteurertum der Vereinigten Staaten nicht wesentlich ausgeweitet, während demokratische Präsidenten die USA in eine Reihe von Kriegen geführt haben.

Für die Mehrheit der ArbeiterInnenklasse wird sich jedoch nicht viel ändern. MigrantInnen werden weiterhin wie unter Obama inhaftiert und deportiert werden. Schwarze werden weiterhin durch Polizeiterror getötet werden, ohne dass dies für die StaatsterroristInnen nennenswerte Folgen hätte. Es werden weiterhin Sparmaßnahmen gefordert werden, um die Verluste der „systemrelevanten“-BankerInnen und Finanziers und die Kosten des SARS-CoV-2-Virus zu decken. Die Stagnation der Löhne und Sozialleistungen und die Angriffe auf die Rechte der ArbeiterInnenschaft, insbesondere auf das Vereinigungsrecht, werden weitergehen.

Die „Erholung“ von den Folgen der gegenwärtigen und kommenden „Größeren Rezession“ wird für die ArbeiterInnenklasse nur langsam bis gar nicht stattfinden, während die herrschende Klasse weiterhin durch unsere Steuern und durch die Druckmaschinen der Regierung geschützt sein wird. Die Obdachlosigkeit wird zunehmen, wenn die Wirtschaft absäuft, MieterInnen aus ihren Häusern geworfen werden und Hypotheken verfallen.

Das Militär wird weiterhin einen großen Teil des Bundeshaushalts auffressen, während Gesundheitsversorgung für alle von gewählten VertreterInnen, die mit Wahlkampfbeiträgen bezahlt werden, einer „Analyse“ unterzogen wird, um das derzeitige „gewinnorientierte“ Gesundheitssystem zu schützen. Kurz gesagt, die Unterdrückung, die für die meisten von uns eine Tatsache des Lebens im Kapitalismus ist, wird in rasantem Tempo weitergehen.

BundesbeamtInnen in Portland, Seattle, Chicago und anderen Städten sind gewaltsam mit DemonstrantInnen zusammengestoßen, haben Protestierende in fragwürdiger Weise von der Straße entführt und die Überwachung der AnführerInnen von Protesten gegen soziale Ungerechtigkeit in Absprache mit örtlichen PolizeibeamtInnen und PolitikerInnen verstärkt. Zwar ist es unwahrscheinlich, dass ein/e DemokratIn im Weißen Haus zu einem solch unverhohlenen Gebrauch von Exekutivbefehlen greift, aber es war keine Verirrung, dass die Besetzungsproteste 2012 (Occupy Movement) von demokratischen BürgermeisterInnen unter einem demokratischen Präsidenten und einer demokratischen Verwaltung niedergeschlagen wurden. Biden wird sich auch nicht mit den eigentlichen Ursachen der polizeilichen Straflosigkeit befassen.

Seit der Großen Rezession hat der Kapitalismus gezeigt, dass er keine Antworten auf die Probleme hat, die uns bedrängen. Die Covid-19-Krise, zusammen mit Trumps Rechtspopulismus, hat viele von ihnen beschleunigt. Diese Situation trifft auf beide Parteien der Bourgeoisie zu. Die herrschende Klasse ist gespalten zwischen einer Gruppe, die eine eiserne Faust fordert, um ihr Vermögen zu schützen, und einer Gruppe, die sich nach dem Globalismus von Bush und Obama sehnt, einen Samthandschuh über der eisernen Faust. Keine von beiden kann behaupten, für die große Mehrheit zu sprechen, die im letzten Jahrzehnt und darüber hinaus so viel verloren hat.

Doch während die herrschende Klasse beweist, dass sie nicht weiterhin in der gleichen Weise wie in der Vergangenheit regieren kann, beweisen die ArbeiterInnenklasse und die Unterdrückten in den USA, dass sie sich weigern, sich wie in der Vergangenheit regieren zu lassen. Das ist die Definition einer vorrevolutionären Situation an sich.

Ungeachtet der übertriebenen Behauptung, die Wahl der Demokratischen Partei käme einer Abstimmung gleich, um das Land vor dem Autoritarismus und dem „Faschismus“ von Trump zu „retten“, wird die Wahl von Joe Biden und Kamala Harris für den Rest von uns nichts Wesentliches genug ändern. Eine Abstimmung für Biden ist keine Entscheidung für „Veränderung“, außer in der kürzesten und oberflächlichsten Bedeutung des Wortes. Es ist der Höhepunkt jahrzehntelanger Abstimmungen über das „kleinere Übel“. Im Falle eines Sieges könnte es sogar die Trump-Bewegung wütend machen, wenn sie behauptet, dass sie ausgeraubt wurde, und diese sich zu einer echten faschistischen Organisation entwickeln, die die ArbeiterInnen und die rassisch Unterdrückten, die für ihre Rechte kämpfen, angreift.

Die wichtige Lektion ist, auf der Straße zu bleiben, egal wer im November gewinnt. Organisiert und vereint die verschiedenen Widerstandsfronten, brecht die Gewerkschaften, die sozialen Bewegungen, Frauen, schwarze, lateinamerikanische und asiatische Jugendliche von der Demokratischen Partei hinweg und organisiert eine ArbeiterInnenpartei, um unsere Klasseninteressen zu vertreten. Unsere Aktionen und nicht unsere Stimmen sind das Einzige, was uns retten kann. Und das ist keine Übertreibung, das ist eine harte Tatsache. Bleibt stark, GenossInnen!




USA: Schüsse von Kenosha zeigen die Notwendigkeit zur Selbstverteidigung

Dave Stockton, Infomail 1116, 2. September 2020

In Kenosha, Wisconsin, wurde am Sonntag, dem 23. August, um 17.00 Uhr Jacob Blake beim Einsteigen in sein Auto von einem Polizeibeamten, Rusten Sheskey, sieben Mal in den Rücken geschossen. Blakes drei Kinder saßen auf dem Rücksitz des Wagens und wurden ZeugInnen des schrecklichen Ereignisses. Wie durch ein Wunder überlebte er, doch die Schüsse durchtrennten sein Rückenmark und zertrümmerten Wirbel. Black ist von der Taille abwärts gelähmt, wahrscheinlich lebenslang.

Als ob dies noch nicht genug wäre, haben ihn die BeamtInnen, nachdem er in kritischem Zustand ins Krankenhaus gebracht wurde und immer noch um sein Leben kämpfte, mit Handschellen an sein Bett gefesselt, obwohl er keines Verbrechens angeklagt worden war. Der mutmaßliche Täter hingegen wurde bei vollem Gehalt suspendiert und noch nicht angeklagt. Die übliche Straflosigkeit, die KillerpolizistInnen genießen, könnte sich durchaus wiederholen.

Wie bei der Ermordung von George Floyd am 25. Mai signalisiert die Polizei von Kenosha hiermit, dass sie die Stadt ohne jeglichen Respekt vor der rechtlichen Gleichheit der BürgerInnen, insbesondere von Schwarzen und People of Colour, regiert. Nichts, so scheint es, wird diese „legalisierten“ Lynchmorde aufhalten können.

Republikaner und Demokraten

Natürlich löste dies im Zusammenhang mit der neu belebten Bewegung „Black Lives Matter“ seit der Ermordung Floyds mehrere Nächte militanter Straßenproteste aus, in denen Fahrzeuge und das Bezirksgerichtsgebäude von Kenosha in Brand gesteckt wurden. Die Polizei begegnete den DemonstrantInnen mit Tränengas und Gasgrananten. Wie üblich prangerten die VertreterInnen der Republikanischen Partei die Gewalt der Protestierenden an, nicht aber die der Polizei, während die Mitglieder der Demokratischen Partei und die älteren „offiziellen“ Spitzen der Gemeinde zum „Frieden“ aufriefen. Wie kann es angesichts eines solch eklatanten Beispiels von Ungerechtigkeit Frieden geben?

Der demokratische Bürgermeister John Martin Antaramian zeigte, auf wessen Seite er wirklich steht, und forderte die schwer bewaffnete Bereitschaftspolizei mit mehreren großen gepanzerten so genannten Bearcat-Polizeifahrzeugen an, die mit Long Range Acoustic Devices, d. h. ohrenbetäubenden Sirenen, ausgestattet waren und Gummigeschosse abfeuerten.

Der demokratische Gouverneur von Wisconsin, Tony Evers, entsandte die Nationalgarde des Bundesstaates Wisconsin, rief den Ausnahmezustand aus und begrüßte sogar das Angebot von US-Präsident Trump, Bundespolizei in die Stadt zu entsenden. Dies geschah trotz Trumps wiederholter Verleumdungen demokratischer Bundesstaaten und Städte wegen der Unruhen, die durch die Killer-Polizei allein provoziert wurden. Darüber hinaus hat der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden rückgratlos die „Gewalt auf der rechten und linken Seite“ verurteilt. All dies ist ein weiterer Beweis für die Nutzlosigkeit dieser zweiten Partei der Wall Street für die Unterdrückten und die ArbeiterInnenklasse.

Rassismus, Milizen und Polizei

Als sich die Nachricht von dem Aufstand verbreitete, mobilisierten schwer bewaffnete weiße RassistInnen, die Kenosha-Milizen und die „Stolzen Jungs“, auf die Straßen der Stadt und fungierten de facto als Polizeihilfstruppen. Es gibt Videoaufnahmen von PolizistInnen, die freundliche Gespräche mit ihnen führen und ihnen Wasser anbieten, wobei ein/e PolizistIn über einen Lautsprecher sagt: „Wir schätzen euch Jungs, das tun wir wirklich“.

Einer der Miliz-SympathisantInnen, der 17-jährige Kyle Rittenhouse, erschoss zwei Demonstranten, Anthony Huber, 26, und Joseph Rosenbaum, 36, beide unbewaffnet, und verwundete einen dritten, Gaige Grosskreutz, einen freiwilligen Straßenmediziner. Rittenhouse wurde von PolizeibeamtInnen mit seinem um die Brust geschlungenen AR-15-Sturmgewehr vom Tatort unbehelligt weggelassen. Er wurde erst später, meilenweit entfernt in seinem Heimatort Antioch, Illinois, festgenommen.

Sofort eilten prominente Trump-AnhängerInnen zu seiner Verteidigung. Paul Gosar, ein republikanisches Mitglied des US-Repräsentantenhauses aus Arizona, twitterte: „100 % gerechtfertigte Selbstverteidigung. Versuchen Sie nicht, einem Mann eine Waffe wegzunehmen, oder Sie müssen die Konsequenzen tragen“ und schloss mit der Drohung: „Die Kriminellen hier: Die Kommunalverwaltung von Kenosha, die Nacht für Nacht die Unruhen, Brände und Plünderungen zulässt. Bewaffnete BürgerInnen, die sich selbst verteidigen, werden das Vakuum füllen“.

Trumps Wahlkampf und rechte Propaganda

In einem Fox-News-Fernsehinterview in der Nacht der Schüsse auf Blake erklärte der US-Justizminister William Barr, dass einige der VertreterInnen der Demokratischen Partei, die ihn vor zwei Wochen bei einer Kongressanhörung befragten, RevolutionärInnen seien, die den amerikanischen Kapitalismus zu stürzen suchen und mit TerroristInnen im Bunde stehen.

Am Tag vor den Morden in Kenosha erschien ein Ehepaar aus St. Louis, Missouri, das einen friedlichen „Black Lives Matter“-Protest bedroht hatte, der an ihrer Villa vorbeizog, mit einem Video-Redebeitrag auf dem republikanischen Nationalkongress und unterstützte Trumps Botschaft, dass die BLM-Proteste eine Bedrohung der amerikanischen Lebensweise sind, gegen die sie sich mit automatischen Waffen in der Hand verteidigen müssen. Dann, nach den Morden, postete Fox News-Moderator Tucker Carlson auf Twitter: „Wie schockiert sind wir, dass 17-Jährige mit Gewehren beschlossen, die Ordnung aufrechtzuerhalten, als niemand sonst es tat?“

Trump konzentriert seine Kampagne zunehmend auf die Behauptung, dass Amerika vor einer finsteren, weit linken Verschwörung steht, für die Joe Biden und Kamala Harris nur Marionetten sind. In einem Interview für Fox News behauptete er, dass Flugzeugladungen von gewalttätigen „Black Lives Matter“-DemonstrantInnen durch das Land geflogen würden, bezahlt von einer Clique reicher Leute, „Leute, von denen Sie noch nie etwas gehört haben. Menschen, die in den dunklen Schatten stehen“ und dass „es Menschen sind, die die Straßen kontrollieren“.

Trump wiederholt eine Kampagne, die von QAnon, einer bizarren rechtsgerichteten Website über Verschwörungstheorien, geführt wird. Er hat auch die gleiche rassistische „Geburts“-Lüge verbreitet, die er gegen Obama unterstützte, nämlich dass Kamala Harris nicht in den USA geboren sei. Es scheint, dass er sich zu solchem Schmutz herablassen wird, um seine erzreaktionäre Basis zu motivieren und mobilisieren.

Es stimmt, in „normalen“ Zeiten, d. h. in Zeiten kapitalistischer Stabilität, wären solche Ideen als Hirngespinste von Verrückten am Rande des Wahnsinns abgetan worden. Aber jetzt, wo die USA nicht nur am Beginn eines großen wirtschaftlichen Einbruchs, einer Klimakatastrophe und inmitten der SARS-CoV-2-Pandemie stehen, die von der Trump-Regierung so kriminell schlecht gemanagt wurde, sondern auch vor dem Handelskrieg, den sie mit dem kapitalistischen China angezettelt haben, erscheinen selbst solche Ideen einer verrückt gewordenen Mittelschicht vernünftig.

Trump hat effektiv angedeutet, dass er diese „Strategie der Spannung“ mit Hilfe der Polizei und seiner rechtsextremen Hilfskräfte bis zur Wahl aufrechterhalten wird. Wenn er verliert, wird er sich weigern, das Ergebnis anzuerkennen, und erklären, es sei festgelegt worden. Sieg oder Niederlage, amerikanische ArbeiterInnen, Schwarze, People of Colour, FeministInnen, LGBTIAQ-AktivistInnen stehen vor einem seit vielen Jahren nicht erlebten Konflikt, den Keimen eines amerikanischen Faschismus.

Trump ging auf Twitter und behauptete, er habe mit dem demokratischen Gouverneur von Wisconsin, Tony Evers, gesprochen und würde „die Bundespolizei und die Nationalgarde … zur Wiederherstellung von GESETZ und ORDNUNG“ schicken! Er fügte hinzu, dass er am 2. September Kenosha besuchen werde, um dies zu überwachen. Und um seine Provokation noch zu verstärken, hat er Rittenhouse verteidigt und unverschämter Weise geschrieben, dass die Doppelmorde in Notwehr geschahen. „Ich vermute, er war in sehr großen Schwierigkeiten … er wäre wahrscheinlich getötet worden.“

Es ist zu hoffen, dass AntirassistInnen, AntifaschistInnen und rassistisch Unterdrückte von nah und fern, die sich angemessen gegen FaschistInnen und PolizistInnen schützen, ihm einen gebührenden Empfang bereiten.

What next?

Dies alles unterstreicht schließlich die dringende Notwendigkeit für die an den Bewegungen beteiligten fortschrittlichen Kräfte, ihre eigene, von den DemokratInnen unabhängige Partei aufzubauen. Es muss eine Partei sein, die nicht nur für den Wahlkampf, sondern auch auf den Straßen, in den Gemeinden und an den Arbeitsplätzen aktiv ist. Es muss eine Partei sein, deren militante Speerspitze die weißen RassistInnen und FaschistInnen dorthin zurückdrängen kann, von wo aus Trump sie herbeigerufen hat.

In der gegenwärtigen politischen Krise, die seit den 1960er und 1970er Jahren beispiellos ist, müssen wir sagen:

  • Haltet die landesweiten Demonstrationen gegen Polizeimorde und Trump und seine rassistischen UnterstützerInnen aufrecht!
  • Polizei weg von den Straßen unserer Städte – keine Finanzierung der Repression!
  • Alle Killer-PolizistInnen vor Gericht bringen: Ihre Straflosigkeit muss ein Ende haben!
  • Selbstverteidigung ist kein Vergehen – die Unterdrückten haben das Recht, Waffen zu tragen! Aufbau von Selbstverteidigungsorganen zum Schutz vor Angriffe weißer RassistInnen und der Killer-Cops!
  • Baut eine Einheitsfront des Widerstands auf, einschließlich der organisierten ArbeiterInnenschaft, und schafft die Grundlage für eine unabhängige ArbeiterInnenpartei mit einem sozialistischen Programm!