Bahn: 35 Stunden für die 35-Stunden-Woche!

Martin Suchanek, Infomail 1246, 5. März 2024

Nach dem Scheitern der Verhandlungen mit der Bahn AG nimmt die GDL die Streiks zur Durchsetzung ihrer Tarifforderungen wieder auf. Die Arbeitsniederlegung beginnt am 6. März, 18.00, im Güterverkehr, am 7. März, 2.00 morgens, folgt der Personenverkehr.

Befristet ist der Streik auf 35 Stunden, um damit noch einmal der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung für die Beschäftigten im Schichtdienst Nachdruck zu verleihen.

Warum scheiterten die Verhandlungen?

Nach gut einem Monat Geheimverhandlungen samt Friedenspflicht verließ die Gewerkschaft die bis zum 3. März terminierten Unterredungen am 29. Februar vorzeitig. Offizieller Grund: Der DB-Vorstand hätte Interna an die Bild-Zeitung weitergegeben und damit die vereinbarte „Vertraulichkeit“ gebrochen. Was immer man davon halten mag, so lässt diese Begründung tief in die Bürokrat:innenseele der GDL-Spitze um Weselsky blicken. Wie die GDL bei Tarifabschlüssen mit der privaten Konkurrenz selbst immer wieder hervorhebt, stellen für sie Geheimverhandlungen und Sozialpartner:innenschaft nicht das Problem dar, sondern der mangelnde „Respekt“ des Bahnvorstandes für ihre Gewerkschaft. Schon deswegen – aber noch vielmehr wegen ihrer unkritischen Haltung zur AfD, der Gründung einer eigenen GDL-Verleihfirma und ihrer Unterstützung der Bahnprivatisierung – ist ein unkritisches Abfeiern von Weselsky und Co. unangebracht.

Doch immerhin. Die Verhandlungen sind gescheitert, ein fauler Kompromiss konnte bei den Geheimgesprächen unter Ausschluss der Öffentlichkeit und „natürlich“ auch der GDL-Mitglieder nicht erzielt werden. Und das ist eine gute Nachricht für alle Gewerkschafter:innen und Linken.

Der Bahnvorstand, die bürgerliche Presse und die Bundesregierung schieben die Schuld dafür natürlich einseitig der GDL zu. Diese habe nur stur ihre Maximalforderungen wiederholt, statt diese am Verhandlungstisch aufzuweichen. Selbst das ist Unsinn. Die GDL hatte schon vor Beginn der Verhandlungen einen Kompromiss gegenüber einer sofortigen Umsetzung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich ins Spiel gebracht – nämlich die Tarifvereinbarungen bei den Privatbahnen, die eine schrittweise Umsetzung der Forderung vorsehen.

So beinhalten die Abschlüsse bei Netinera Deutschland (u. a. ODEG und vlexx; Töchter der italienischen Staatsbahn Trenitalia), metronom und Go-Ahead, dass dort ab 2028 die 35-Stunden-Woche kommt. Bis dahin sollen eine schrittweise Anpassung der Arbeitszeit, eine Inflationsausgleichsprämie über 3.000 Euro in zwei Schritten, eine Entgelterhöhung 2024 in zwei Schritten um brutto 420 Euro und Zuschläge von +5 % erfolgen. Die Entgeltlaufzeit beträgt 24 Monate, die Laufzeit der Arbeitszeit geht bis Ende 2027. Erkauft wird das Ganze wohl damit, dass das Wahlmodell mit zusätzlichem Urlaub wegfällt – die kürzere Arbeitszeit bringt unterm Strich zwar mehr Freizeit, aber eben bestimmt durch Dienstpläne und nicht nach den selbst ausgewählten Urlaubszeiträumen, wobei über diese letztlich auch die Disponent:innen und Personaleinsatzplaner:innen entscheiden.

Die GDL wäre sicher bereit gewesen, einen solchen Abschluss mit den dazu gehörigen Kröten auch bei der DB AG hinzunehmen und abzufeiern. Er hätte die Umsetzung der 35-Stunden-Woche deutlich gestreckt, die geforderte Laufzeit hätte sich von einem Jahr auf 2 Jahre verdoppelt und die Entgelterhöhung wäre klar unter den 550 Euro für alle geblieben.

Ebenso wie die Mär von der ultrasturen GDL können wir die psychologisierenden Einschätzungen beiseitelassen, die die Länge bzw. Kürze der Verhandlungen nur der Profilierungssucht des GDL-Vorsitzenden Weselsky zuschreiben.

Wirkliche Ursachen

Ein Licht auf die wirklichen Ursachen des Scheiterns wirft ironischer Weise die Erklärung des Bahnvorstandes. Die GDL, so heißt es, hätte sich seit Beginn der Verhandlungen Anfang Februar über Wochen nicht bewegt und „bis zuletzt dogmatisch auf der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich“ beharrt. Lassen wir einmal beiseite, dass die GDL so dogmatisch gar nicht war, so läuft der ganze Vorwurf darauf hinaus, dass die Gewerkschaft bei den Verhandlungen ihre eigenen Forderungen nicht gänzlich zurückgenommen hat oder jedenfalls nicht in einem für die DB akzeptablen Maß.

Nach Jahrzehnten sozialpartnerschaftlicher Tarifrundenrituale gilt es mittlerweile als normal, dass eine Gewerkschaft ohnedies nicht ernsthaft für ihre aufgestellten Forderungen eintritt. Das steht jetzt ein Stück weit infrage. Und das geht natürlich nicht. Daher rufen Unternehmerverbände und Unionsparteien einmal mehr nach Zwangsschlichtungen bei „kritischer Infrastruktur“. Dort sollten Streiks erst möglichst werden nach einer etwaigen gescheiteren Schlichtung und auch dann nur innerhalb enger Grenzen.

Dass sich die GDL bei der Bahn zu einer härteren Gangart gezwungen sieht, hat nichts mit einer grundsätzlich fehlenden Kompromissbereitschaft oder einem grundlegend anderen Charakter der Gewerkschaft zu tun, sondern damit, dass sie vor dem Hintergrund des reaktionären Tarifeinheitsgesetzes einen Existenzkampf nicht nur gegen das Management, sondern um ihre Anerkennung als Gewerkschaft führt. Daher muss sie sich gegen die größere und bei Lohnverhandlungen moderatere EVG zu profilieren versuchen.

Und das bringt Forderungen nach weiteren Einschränkungen des Streikrechts zutage, eine öffentliche Hetze gegen den Streik, der auf dem Rücken der Fahrgäste ausgetragen würde. Anders als bei früheren Arbeitskämpfen stimmt mittlerweile auch der Fahrgastverband Pro Bahn in diesen Chor ein. Bahn AG und GDL würden die Verkehrwende, die die Regierung ohnedies nur im Schneckentempo voranbringt und die Verkehrsminister Wissing sabotiert, wo er nur kann, kaputtmachen. Die Regierung müsse jetzt intervenieren, fordert Pro Bahn – ein Aufruf, das Streikrecht der GDL zu beschneiden!

Solidarität mit dem Streik!

In Wirklichkeit stellt der Vorwurf, die GDL (oder im Frühjahr 2023 auch die EVG) würde mit Streiks die Verkehrwende kaputtmachen und die Menschen von der Schiene vertreiben, reinen Zynismus dar. Schließlich sind die Gewerkschaften und die Beschäftigten ganz sicher nicht schuld, dass die Bahn seit Jahrzehnten kaputtgespart wird, ein unsinniger und chaotisierender Privatisierungsvorschlag dem nächsten folgt, die Preise stetig erhöht werden, statt den kostenlosen ÖPNV einzuführen oder wenigstens das Deutschlandticket für die nächsten Jahre bei 49 Euro zu fixieren. Selbst dazu sind jene nicht willens oder fähig, die jetzt über ein angeblich drohendes Streikchaos wettern.

Dabei macht die GDL nur, was jede ernstzunehmende Gewerkschaft tun sollte. Sie versucht, ihren Forderungen mit eskalierenden Streiks Nachdruck zu verleihen. Daher kündigt sie für die nächsten Wochen an, die Arbeitsniederlegungen nicht mehr längerfristig vorher bekanntzugeben, so dass die Bahn AG keine Notfahrpläne erstellen kann. Diese sog. Wellenstreiks sind eine durchaus kluge und naheliegende Taktik, um den Druck auf die Gegenseite zu erhöhen. Zugleich signalisiert sie auch, dass die GDL selbst vor einem unbefristeten Vollstreik zurückschreckt, ja, deren Vorsitzender Weselsky hat diesen wiederholt ausgeschlossen.

Die Bahn AG, die Regierung und sämtlich bürgerlichen Kräfte werden versuchen, die GDL durch öffentlichen Druck in die Knie zu zwingen – vor allem, indem sie sich als Vertreter:innen der Fahrgäste aufspielen. Die GDL hat zweifellos recht damit, wenn sie den Bahnvorstand für das Scheitern der Verhandlungen verantwortlich macht, weil dieser zu keinen substantiellen Zugeständnissen bei der 35-Stunden-Woche bereit ist.

Aber es reicht gegen eine offensive öffentliche Medienkampagne sicher nicht, das nur bei einer Pressekonferenz zu erklären. Damit die GDL den weiteren Arbeitskampf erfolgreich bestehen kann, muss sie auch anfangen, diesen anders als bisher zu führen. Es reicht nicht, dass die Mehrzahl der Streikenden einfach zuhause bleibt. Vielmehr wird es für einen längeren Arbeitskampf nötig sein, dass diese aktiv mit Infoständen, Demonstrationen, Flugblättern, auf sozialen Medien für ihren Streik werben und erklären, warum ein Sieg der GDL im Interesse aller Lohnabhängigen liegt. Der Kampf muss auch auf öffentlicher und politischer Ebene geführt werden, nicht nur auf einer rein gewerkschaftlichen.

Das erfordert auch, dass der Streik und erst recht die Verhandlungen nicht mehr als reine Top-Down-Veranstaltungen von Claus Weselsky geführt werden können oder sollen. Das liegt zum einen daran, dass die GDL-Spitze wie schon bei Aufnahme der Geheimverhandlungen Ende Januar durchaus auch faule Kompromisse einzugehen imstande ist und daher von den Beschäftigten kontrolliert werden muss. Es ist auch deutlich, dass ein längerer Streik nur durch die Aktivierung der Mitgliedschaft in Vollversammlungen und gewählten, abwählbaren und rechenschaftspflichtigen Streikkomitees durchhaltbar sein wird, also durch eine massive Verbreiterung der Basis der aktiven Gewerkschafter:innen.

Schließlich erfordert ein solcher Arbeitskampf die aktive Unterstützung durch die gesamte Gewerkschaftsbewegung und die Bildung von Solidaritätskomitees, um Gegenöffentlichkeit zu erzeugen und Solidaritätsaktionen und -streiks durchzuführen.

Und die EVG?

Die Solidarisierung mit der GDL wäre dabei zuerst die Aufgabe ihrer „Konkurrenz“ bei der Bahn AG. Doch was tut die EVG? Sie schweigt sich aus – bestenfalls!

Wer beim Angriff auf andere Gewerkschafter:innen, die für Arbeitszeitverkürzung und höhere Löhne streiken, nichts tut, der unterstützt letztlich die Kapitalseite! Im Tarifkampf „unparteiisch“ zu bleiben, hilft nur der Konzernleitung und sonst niemand.

Es schwächt letztlich sogar die EVG selbst, die bei ihren nächsten Tarifrunden und Arbeitskämpfen dem GDL-Vorstand schon jetzt die Argumente liefert, dann seinerseits die Füße stillzuhalten. Diese wechselseitige Entsolidarisierung stellt letztlich ein Kernproblem der Bahnbeschäftigten dar – und muss durchbrochen werden.

Die durchaus berechtigten und richtigen Kritikpunkte der EVG an der GDL, wie z. B., keine klare Kante gegen die AfD und gegen Rassismus zu zeigen und der von Unionsparteien, FDP und Grünen forcierten Zerschlagung der Bahn keinen Widerstand entgegenzubringen, werden letztlich hohl und verlieren ihre Wirkung, wenn sie nur als Vorwand dienen, der GDL jede Solidarität, jede Unterstützung zu versagen, wenn sie richtig, also im Interesse der Gewerkschaftsmitglieder handelt.

Die EVG-Spitze belässt es dabei keineswegs nur bei reiner Passivität. Sie geht vielmehr offen gegen eigene Gliederungen wie die EVG-Betriebsgruppe DB Systel Frankfurt vor, die sich offen mit dem GDL-Streik solidarisierte. Statt diese Solidarität zu verallgemeinern, drohen den Vorstandsmitgliedern der Betriebsgruppen jetzt Rügen und Funktionsverbote. In Wirklichkeit müssten solche gegen die Spitze der EVG wegen ihres unsolidarischen und gewerkschaftsschädigenden Verhaltens verhängt werden.

Bei der Bahn ist Solidarität eine unerlässliche Grundvoraussetzung für den laufenden Streik und zukünftige Kämpfe. Ein GDL-Erzwingungsstreik braucht die Solidarität aller Beschäftigen, aller Gewerkschafter:innen. In der EVG und unter den Bahnbeschäftigten braucht es Versammlungen von Abteilungen und Betriebsgruppen, um nicht nur die Solidarität mit der GDL zu erklären, sondern auch die Forderung zu erheben, selbst den Kampf um eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich für den gesamten Konzern aufzunehmen, so also den Kampf und die Streikfront direkt auszuweiten – und letztlich auch gemeinsame, gewerkschaftsübergreifende Streikkomitees zu bilden.




Claus Weselsky – ein Gewerkschaftsbürokrat wie andere auch

Leo Drais / Martin Suchanek, Infomail 1243, 28. Januar 2024

Der Bahn-Streik wird vorzeigt abgebrochen, verkündete GDL-Chef Weselsky zur Überraschung der Öffentlichkeit am 27. Januar. Die Bahn AG sei bei den Verhandlungen zum Verhandeln bereit, frohlockt der große Vorsitzende in der Presserklärung der Gewerkschaft: „Insbesondere die Verhandlungsbereitschaft der DB zur Arbeitszeitabsenkung für Schichtarbeiter ist zentral bedeutsam. Die Bereitschaft, auch über einen Tarifvertrag für die Infrastruktur zu verhandeln, ist nunmehr vorhanden. Im Falle einer Einigung wäre das ein starkes Signal für das gesamte Eisenbahnsystem und ein Schub hin zur Attraktivitätssteigerung der Eisenbahnberufe.“

Ist damit die Umsetzung der Forderungen der GDL gewährleistet? Wohl nicht. Ein mehr oder minder fauler Kompromiss – orientiert an den Abschlüssen bei privaten Verkehrsunternehmen und nicht an den Forderungen, für die die Mitglieder im Streik angetreten sind – zeichnet sich schon jetzt am Ende der Verhandlungen ab. Diese beginnen am 5. Februar beginnen und sollen bis zum 3. März dauern – Verlängerung möglich.

Offenkundig reicht die bloße Erklärung der Verhandlungsbereitschaft zu „allen Themen“ durch die Bahn AG – und der gestern noch als unbelehrbar, selbstherrlich, geldgierig und beratungsresistent denunzierte Bahnvorstand mutiert zum vertrauenswürdigen Sozialpartner nach Weselskys Geschmack.

Der GDL-Löwe erweist sich als zahmes Kätzchen. Für die Dauer der Verhandlungen wurde eine Friedenspflicht vereinbart, ein bisschen vom DB-Vorstand am Bauch gekrault, ein kleiner sozialpartnerschaftlicher Finger zum reinbeißen, und schon miaut der große Claus zufrieden. Die Gewerkschaft verzichtet freiwillig auf jedes gewerkschaftliche Druckmittel.

Vor allem liegt die Vermutung nahe, dass es am Ende mal wieder um die Konkurrenz der EVG geht. Deren Tarifverträge gelten dank des reaktionären Tarifeinheitsgesetzes im Zuckerstück schlechthin des deutschen Eisenbahnuniversums – der DB InfraGO (ehemals Netz) als Infrastrukturbetreiber. Hier einen Fuß in die Tür zu kriegen, allein schon das bloße Versprechen des DB – Vorstandes darüber zu sprechen, hat gereicht, um den Streik vorzeitig zu beenden. Claus Weselsky ist wieder das, was er eigentlich sein will – ein anerkannter Sozialpartner am Verhandlungstisch anstatt ein Kampfpartner der Eisenbahner:innen.  

In kleinen Kreis soll unter Ausschluss der Öffentlichkeit und „natürlich“ auch der GDL-Mitglieder verhandelt werden. „Alle Inhalte, Zwischenstand, Zwischenergebnisse etc. unterliegen der strengen Vertraulichkeit und werden nicht nach außen getragen,“ heißt es auf der Homepage der GDL.

Über jeden Winkelzug der Verhandlungen, über das Ergebnis, über das Ende des Streiks entscheidet in Gutsherrenmanier der große Vorsitzende der GDL, Herr Weselsky, samt Stab. In strenger Vertraulichkeit mit den Kapitalvertreter:innen fährt der letzte Rest von Gewerkschaftsdemokratie an die Wand. Die Mitglieder werden nach gelungener Mauschelei allenfalls von ihrem „Erfolg“ informiert.

Die GDL-Spitze agiert in dieser Tarifrunde ähnlich der Konkurrenzgewerkschaft EVG, bloß dass diese sich auch noch zur Schlichtung hinreißen ließ. Der Abschluss der GDL wird – allein, um ihn gegenüber der eigenen Mitgliedschaft besser zu verkaufen – voraussichtlich etwas besser als jener der EVG-Konkurrenz werden. Faktisch verzichtet der GDL-Vorstand mit den Geheimverhandlungen auf den Kampf um die volle Durchsetzung der Forderungen und wird sich im Rahmen der meisten anderen Abschlüsse der letzten Jahre bewegen. 

Es reicht ein bisschen besser zu sein als die EVG-Konkurrenz. Die Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts bei den Privatbahnen wurde erkauft mit einer Aufgabe des Wahlmodels 12 Tage mehr Urlaub. Und doch ist Claus Weselsky nicht komplett wie andere Gewerkschaftsbürokrat:innen – er spricht und bandelt auch offen mit der AfD, die nicht nur rassistisch, queerfeindlich und sexistisch und daher schon feindlich gegen vielen Eisenbahner:innen gegenüber ist, sondern als Autopartei schlechthin auch absolut eisenbahnfeindlich ist! Aber solange der große Claus mitreden darf, ist ihm das alles egal. Er hat Autodeutschland längst akzeptiert, ein Eisenbahndeutschland will er nicht – sonst würde er die Cargoverkleinerung bekämpfen, sonst wäre er nicht für die weitere Zerschlagung der DB. 

Die Mitglieder der GDL, die in den letzten Tagen ihre Entschlossenheit beim Streik eindrucksvoll bewiesen haben bleibt nur, den sozialpartnerschaftlichen Kuschelkurs Weselskys nicht mitzumachen. Bei Mitgliederversammlungen und in den Ortsgruppen sollten sie den neuen Kurs nicht nur besprechen, sondern ablehnen. Sie sollten einen Entscheid der GDL-Mitgliedschaft über das Abkommen mit der Bahn AG fordern, die Geheimverhandlungen und die Friedenspflicht ablehnen und die Durchführung eines Streiks zur Durchsetzung aller Forderungen verlangen. Sie müssen dafür eintreten, dass die Streikführung und die Verhandlungskommission unter Kontrolle der Mitglieder gestellt werden, dass diese von ihnen gewählt und abwählbar sein müssen. Nur so kann sichergestellt werden, dass ein Arbeitskampf nicht in der üblichen, üblen bürokratischen Manier abgebrochen wird, dass die Streikenden nicht am Katzentisch der Sozialpartner:innenschaft abgespeist werden statt bei voller Entfaltung ihrer Kampfkraft einen wirklichen Durchbruch zu erzielen.




Sieg dem GDL-Streik!

Martin Suchanek, Infomail 1243, 24. Januar 2024

Nichts oder jedenfalls fast nichts geht mehr. Der GDL-Streik steht und mit ihm der Bahnverkehr in ganz Deutschland. Sechs Tag wird der Ausstand dauern, der seit dem 22. Januar den Güterverkehr von DB Cargo und seit dem 23. Januar Personennah- und -fernverkehr lahmlegen wird.

Die Streikfront steht. Und zwar nicht, weil sich Claus Weselsky ein „Denkmal“ als besonders harter Gewerkschafter und Erzfeind des Bahnvorstandes setzen will. Wir wollen dabei keineswegs in Abrede stellen, dass er zum Abschied seiner Vorsitzendenlaufbahn noch einmal zeigen will, wo der Hammer hängt, persönliche Motive mit dem Kampf verbindet. Doch was wäre schon so schlimm daran, wenn auch alle anderen Gewerkschaftsvorsitzenden ihre Karriere mit einem harten Streik statt wachsweichem Verhandlungsgedöns ausklingen ließen.

Dass die GDL-Mitglieder Weselsky und ihrer Gewerkschaft folgen, hat schließlich vor allem leicht nachvollziehbare rationale Gründe – und diese kennen alle, die bei der Bahn arbeiten: Personalmangel, schlechte Arbeitsbedingungen, Schichtdienste, Überstunden. Hinzu kommt die Inflation angesichts von Gehältern, die auch bei der Bahn nicht üppig ausfallen, wenn man nicht gerade im Vorstand sitzt. Und schließlich müssen die Beschäftigten alle Mängel des wegen jahrzehntelanger Einsparungen ausgedünnten, ausgezehrten Systems Bahn auch noch ausbaden – sei es durch Überstunden und Stress, sei es, indem sie den berechtigten Unmut der Kund:innen stellvertretend für jene entgegennehmen müssen, die für die Misere der Bahn verantwortlich sind.

Am Scheideweg?

Die Verschärfung des Arbeitskampfes stellt zweifellos die richtige Antwort auf die Hinhaltetaktik des Bahnvorstandes dar. Die „großzügigen Verhandlungsangebote“ der Deutschen Bahn sollen vor allem in der Öffentlichkeit Entgegenkommen signalisieren. Von einer 35-Stunde-Woche und Verhandlungen für weitere Beschäftigtengruppen will sie partout nichts wissen – und ihre Ignoranz wird sie im Zweifel wahrscheinlich versuchen, vor Gerichten mit Verweis auf das Gesetz zur Tarifeinheit durchzusetzen.

Um selbst nicht als „stur“ dazustehen, hat die GDL ihrerseits noch am 22. Januar einen Kompromissvorschlag vorgelegt, den die Bahn jedoch als „Maximalforderung“ abgetan hat. Dabei geht es der GDL-Führung allem Verbalradikalismus Weselskys zum Trotz durchaus um einen Kompromiss, der sich an den Abschlüssen bei Netinera Deutschland (u. a. ODEG und vlexx; Töchter der italienischen Staatsbahn Trenitalia), metronom und Go-Ahead orientiert.

Ab 2028 kommen dort die 35-Stunden-Woche, bis dahin schrittweise Anpassung der Arbeitszeit, eine Inflationsausgleichsprämie über 3.000 Euro in zwei Schritten, eine Entgelterhöhung 2024 in zwei Schritten um brutto 420 Euro, Zuschläge +5 %. Die Entgeltlaufzeit beträgt 24 Monate, die Laufzeit der Arbeitszeit geht bis Ende 2027. Erkauft wird das Ganze wohl damit, dass das Wahlmodell mit zusätzlichem Urlaub wegfällt – die kürzere Arbeitszeit bringt unterm Strich zwar mehr Freizeit, aber eben bestimmt durch Dienstpläne und nicht nach den selbst ausgewählten Urlaubszeiträumen, wobei über diese letztlich auch die Disponent:innen und Personaleinsatzplaner:innen entscheiden.

Das zeigt, dass die GDL durchaus kompromissbereit wäre, und der Wegfall des Wahlmodells für zusätzlichen Urlaub wird sich für viele Kolleg:innen noch als echter Rückschlag entpuppen. Bei der Bahn wird der Kampf freilich heiß, weil die GDL auch in ihrem Wirkungsbereich durch das Tarifeinheitsgesetz eingeschränkt blieben soll. Während sie bei den Privatbahnen längst als „verlässliche“ und auf Geheimverhandlungen setzende Sozialpartnerin anerkannt ist, ist die EVG bei der Bahn Sozialpartnerin Nr. 1. Die GDL muss sich dort kämpferischer und militanter geben, als ihre Führung es letztlich sein will.

Doch genau deshalb birgt der Kampf Konfliktpotential, das ihn weiter treiben kann, als es beiden Seiten – Bahnvorstand und GDL-Führung – lieb ist. Nachdem beide Seiten der anderen Unversöhnlichkeit vorwerfen, lässt sich schwer vermitteln, wenn sie doch über die „Provokation“ der anderen Seite verhandeln. Ein Abschluss, den beide als „Sieg“ verkaufen können, rückt damit in die Ferne, auch wenn natürlich beide für solche „Wendungen“ jederzeit gut sind, beispielsweise durch eine „neutrale Vermittlung“, die „alles“ zum Gesprächsgegenstand erklärt.

Daher stellt sich für die GDL-Mitglieder und Streikenden, aber in Wirklichkeit für alle Beschäftigten bei der Bahn (und letztlich auch weit darüber hinaus), die Frage, wie es nach dem Streik weitergehen soll.

Die Taktik der GDL auf, wenn auch mehrtätige, so doch befristete Streiks zu setzen, wird früher oder später an eine Grenze stoßen. Ob der Bahnvorstand das ausreizen will, ist zwar ungewiss, aber nicht unmöglich. Hinzu kommt, dass sich die Führung der EVG bei der Bahn einmal mehr gegenüber den streikenden GDLer:innen extrem unsolidarisch verhält, diese bei den Kolleg:innen anschwärzt, und EVGler:innen, die sich mit dem GDL-Streik offen solidarisieren, wie die EVG-Betriebsgruppe DB Systel Frankfurt, madig macht.

Der EVG-Vorstand wiederholt die Politik der GDL-Führung, die auch jede Solidarisierung ablehnte mit den EVG-Warnstreiks ablehnte und diese trotz Streikverbots als „Schmierentheater“ denunzierte. Hinsichtlich der Spaltung der Belegschaft kann sich der DB-Vorstand jedenfalls auf „seine“ Gewerkschaftsführer:innen verlassen.

Volle Kampfkraft für die Forderungen!

Für die Streikenden der GDL stellt sich als die Frage, wie sichergestellt wird, dass die volle Kampfkraft für sämtliche Forderungen – 35 Stunden Woche, 555 Euro monatlich, 3.000 Euro Einmalzahlung bei einer Laufzeit von 12 Monaten – eingesetzt werden kann. Das erfordert einen unbefristeten Streik. Und es erfordert die Kontrolle der Streikenden über den Arbeitskampf und etwaige Verhandlungen – also regelmäßige Vollversammlungen, Wahl, Abwählbarkeit und Rechenschaftspflicht der Streikleitungen und vor allem auch der Verhandlungskommission. Schließlich müssen die Beschäftigen entscheiden, ob sie ihre Forderungen erstreiken wollen oder sich zu einem Kompromiss wie bei den Privatbahnen gezwungen sehen. In jeden Fall darf das nicht von der Verhandlungskommission oder Weselsky im Alleingang entschieden werden.

Für die Beschäftigen der Bahn und vor allem für die EVG-Mitglieder muss die Parole lauten: Solidarität mit dem GDL-Streik! EVG-Mitglieder können und sollen sich auch beteiligen, sie dürfen sich in keinem Fall als Streikbrecher:innen missbrauchen lassen. Kämpferische und solidarische Gewerkschafter:innen sollten in ihren Betriebsgruppen ähnliche Beschlüsse fassen wie die EVG-Betriebsgruppe DB Systel Frankfurt und den EVG-Vorstand mit der Forderung bombardieren, sich mit der GDL zu solidarisieren. Das gilt natürlich auch für sämtliche anderen DGB-Gewerkschaften.

Bei der Bahn ist das aber besonders wichtig, weil ein GDL-Erzwingungsstreik auch die Solidarität aller Beschäftigen, aller Gewerkschafter:innen brauchen wird. In der EVG und unter den Bahnbeschäftigten braucht es Versammlungen von Abteilungen und Betriebsgruppen, um nicht nur die Solidarität mit der GDL zu erklären, sondern auch die Forderung zu erheben, selbst den Kampf um eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich für den gesamten Konzerne aufzunehmen, so also den Kampf und die Streikfront direkt auszuweiten – und letztlich auch gemeinsame, gewerkschaftsübergreifende Streikkomitees zu bilden.

Tarifauseinandersetzung zu gesellschaftlichem Kampf machen!

Eine solche Solidarisierung ist auch aus einem anderen Grund unerlässlich. Gegen den 6-tägigen Streik machen mittlerweile fast alle bürgerlichen Medien, die Vertreter:innen der Ampel wie die bürgerlichen und rechten Oppositionsparteien Stimmung. Täglich „erfahren“ wir, dass der Streik nicht nur „die Wirtschaft“ maßlos schädige, sondern auch die Mehrheit der Bevölkerung finde, dass das alles jetzt „zu weit ginge“.

Verkehrsminister Wissing macht sich für eine Schlichtung stark, so dass endlich verhandelt werden könne. Die Tagesschau fordert in einem Kommentar, „der Gesetzgeber sollte dem Treiben langsam Grenzen setzen, damit Millionen Bahnkunden nicht länger die Leidtragenden sind.“ Die CDU-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), Gitta Connemann, macht die GDL nicht nur als eindeutig Schuldige aus, sondern fordert auch gleich eine Einschränkung des Streikrechts durch verpflichtende Schlichtung bei kritischer Infrastruktur.

Diese Forderungen und Drohungen sind nur der Vorgeschmack darauf, was kommt, wenn die GDL einen unbefristeten Streik ausrufen würde. Diesem Druck können die GDL-Mitglieder und Streikenden letztlich nur standhalten, wenn sich die Bahnbeschäftigten, aber auch alle anderen Gewerkschaften mit ihnen solidarisieren und Solidaritätskomitees aufbauen, die gegen die Stimmungsmache der Herrschenden Gegenöffentlichkeit schaffen, die Pendler:innen, Kund:innen, letztlich die gesamte Bevölkerung durch Kundgebungen, Demonstrationen, Flugblätter, Arbeit in sozialen Medien aufklären.

Das würde aber erfordern, dass der Arbeitskampf nicht nur als reiner Tarifkampf betrieben wird, sondern als gesellschaftliche Auseinandersetzung, die auch jeder Privatisierung und weiteren kapitalistischen „Bahnreform“ den Kampf ansagt, für massive Investitionen in den Betrieb und in Personal sowie kostenlosen öffentlichen Nahverkehr eintritt, finanziert aus der Besteuerung der Reichen und Gewinne der privaten Großkonzerne!




GDL-Streik: Volle Durchsetzung der Forderungen, oder?

Leo Drais, Neue Internationale 280, Februar 2023

Seit dem 10. Januar legten die Mitglieder der GDL bundesweit für drei Tage den Bahnverkehr lahm. Die Streikfront stand fest, fast nichts ging mehr bei der Bahn. Denn die Beschäftigten mussten in den letzten Jahren nicht nur Reallohneinbußen hinnehmen, sondern vor allem die Arbeitsbedingungen sind angesichts von Schichtarbeit, Überstunden Streik und Kampf der Gewerkschafter:innen verdienen die Solidarität und Unterstützung der gesamten Arbeiter:innenklasse – auch der DGB-Gewerkschaften!

Wie bei jedem Arbeitskampf bei der Bahn, also auch den Warnstreiks der EVG, hat es sich der Konzern auch diesmal nicht nehmen lassen, zu sabotieren, herauszuzögern und die GDL vors Arbeitsgericht zu zerren. Im Unterschied zum verbotenen EVG-Streik im vergangenen Sommer war die Staatsjustiz der GDL erst- wie zweitinstanzlich wohlgesonnener und erlaubte den Streik, was sicher auch an der rechtlich besseren Absicherung der GDL liegt.

Sie hatte – und darin unterscheidet sie sich bei der Bahn positiv von den Tarifrundenritualen der DGB-Gewerkschaften – die Verhandlungen schnell eskalieren lassen und eine Urabstimmung durchgeführt. Nach dem Weihnachtsfrieden wurde gestreikt – nicht unbefristet und nicht, ohne am Montag und Dienstag die An- und Abreise für die rechten Apparatschiks des deutschen Beamtenbundes (die GDL ist hier Mitgliedsgewerkschaft) zur Jahrestagung in Köln sichergestellt zu haben. Man bestreikt sich ja nicht selbst, sprich, den eigenen Apparat. So wichtig die Solidarität mit dem Streik, so wenig sollten wir freilich blauäugig sein gegenüber der Politik der GDL-Führung.

Volle Durchsetzung der Forderungen oder des Netinera-Abschlusses?!

Das Paket „Fünf für Fünf“ (fünf Forderungen für fünf Berufsgruppen), mit dem die GDL ins Rennen ging, belief sich auf 555 Euro mehr in der Tabelle, darunter deutliche Entgelterhöhung für Azubis; Zulagen + 25 %; 35-Stunden-Woche für Schichtarbeitende (inkl. Wahlrecht für Beschäftigte zwischen 40- und 35-Stundenwoche); Inflationsausgleichsprämie 3.000 Euro; 5-Schichten-Woche, 5 % Arbeit„geber“:innenanteil für die betriebliche Altersversorgung; nach 5 Schichten, spätestens nach 120 Stunden, muss der nächste Ruhetag beginnen (Mindestfrei: 48 Stunden); 12 Monate Laufzeit.

Doch wird das jetzt durch einen Erzwingungsstreik durchgesetzt? Nein. Bereits jetzt ist klar, dass die Abschlüsse bei Netinera-Deutschland (u a. ODEG und vlexx; Töchter der italienischen Staatsbahn Trenitalia), metronom und Go-Ahead als Vorbilder dienen sollen.

Was steht dort drin? Ab 2028 kommt die 35-Stunden-Woche, bis dahin schrittweise Anpassung der Arbeitszeit; eine Inflationsausgleichsprämie über 3.000 Euro in zwei Schritten; eine Entgelterhöhung 2024 in zwei Schritten um brutto 420 Euro; Zuschläge +5 %. Die Entgeltlaufzeit beträgt 24 Monate, die der Arbeitszeit geht bis Ende 2027. Erkauft wird das Ganze wohl damit, dass das Wahlmodell mit zusätzlichem Urlaub wegfällt – die kürzere Arbeitszeit bringt unterm Strich zwar mehr Freizeit, aber eben bestimmt durch Dienstpläne und nicht nach den selbst ausgewählten Urlaubszeiträumen, wobei über diese letztlich auch die Disponent:innen und Personaleinsatzplaner:innen entscheiden.

Und auch wenn das Ganze sicher kein vollendeter Verrat ist, ist es mit Sicherheit auch kein „historischer Abschluss“, wie die GDL titelt. Die Reallohnverluste der vergangenen drei Jahre werden damit nicht ausgeglichen werden. Die Streikbeteiligung bei DB, Transdev und City-Bahn dürfte trotzdem hoch sein, während bei Netinera kein:e Kolleg:in die Möglichkeit hatte, über den „historischen Abschluss“ in einer Urabstimmung zu entscheiden. Die sonst so laute GDL-Spitze rühmt sich hier damit, dass sie auch leise könne. Am Ende ist sie eben eine Sozialpartnerin wie andere Gewerkschaften auch. Netinera warb Lokführer:innen sogar damit, dass Claus Weselsky ODEG fahren würde, wäre er noch Lokführer.

Bis zum 20. Januar hat die GDL weitere ähnliche Tarifverträge mit Abellio Rail und anderen privaten Unternehmen abgeschlossen. Während Weselsky durchaus zu Recht über den Bahnvorstand herzieht, überhäuft er die privaten Bahnunternehmen mit Lob. „Alle Unternehmen haben lösungsorientiert gehandelt und so die Abschlüsse ermöglicht“, heißt es in einer Pressemitteilung vom 19. Januar. Kurzum, wird die GDL als echte Sozialpartnerin anerkannt, braucht es auch keine Streiks. Dann reicht in guter deutscher Manier ein Verhandlungsmarathon.

Nach den Warnstreiks vom Januar hat die Bahn AG ein neues Verhandlungsangebot vorgelegt, auf das bei Drucklegung noch keine Reaktion der GDL vorliegt. Deutlich ist jedoch eines: Der GDL geht es nicht um die Durchsetzung der vollen Forderungen bei der Bahn, sondern darum, dass diese die Abschlüsse der privatisierten Konkurrenz übernimmt.

Linke sollten also keine Illusionen hegen. Auch bei der GDL gibt es weder Streikdemokratie noch jederzeit wähl- und abwählbare Gremien. Gerade deshalb müssten wir fordern: volle Durchsetzung der Forderungen durch einen unbefristeten Erzwingungsstreik. Das wäre im sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaftssumpf der BRD in der Tat mal historisch.

Nur Tarif?

Trotzdem muss man natürlich anerkennen, dass die Abschlüsse der GDL besser sind als die der EVG. Wie schon in der Vergangenheit erscheint Letztere als Konkurrentin, der es Mitglieder abzuluchsen gilt. Dass die DB weiterhin das schändliche Tarifeinheitsgesetz anwendet, gießt hier weiter Öl ins Feuer – war das Gesetz nicht zuletzt auch von DGB-/SPD-Spitzen durchgesetzt worden. Auch der EVG-Vorsitzende Burkert hatte dem als Bundestagsabgeordneter zugestimmt.

Dass die GDL als kämpferischer Stern am deutschen Gewerkschaftshimmel prangt, liegt zum einen an ihren in Relation zu anderen Abschlüssen betrachteten vergleichsweise guten Erfolgen. Es ist aber eben eine relative Betrachtungsweise, in der eigentliche Eisenbahnzerstörer:innen und sozialpartnerschaftliche Füße-Stillhalter:innen – nichts anderes ist auch die Spitze der GDL – als Held:innen erscheinen, weil die EVG-Spitze und ihre Vorgänger:innen bei Transnet (Stichwort Norbert Hansen) einfach noch beschissener waren.

Es gehört zu den Paradoxien des deutschen Klassenfriedens, dass CDU-Mitglied Claus Weselsky sich mit einer angehaucht klassenkämpferischen Rhetorik als glaubwürdigster Arbeiter:innenführer stilisieren konnte. Dass die CDU eine wesentliche Zerstörerin der Eisenbahn in Deutschland war, 16 Jahre die Union das Autoministerium führte, sie das Tarifeinheitsgesetz mit verabschiedet hat – all das hat ihn nie sein Parteibuch abgeben lassen.

Und das ist kein Zufall. Im Verständnis des großen Vorsitzenden Claus ist der Markt gar nicht das Problem für die Bahn, solange es Gewerkschaften gibt, die für einen „fairen“ Preis der Ware Arbeitskraft sorgen. Dass die GDL da im vergangenen Sommer mit der „Fair-Train e. G.“ eine eigene Leiharbeitsfirma gegründet hat, ist nur folgerichtig.

Auch wenn es Claus Weselsky bestreitet – die GDL ist auch eine politische Kraft. Sie ist für die weitere Zerschlagung des Eisenbahnsystems, sprich der DB. Die GDL hat kein Problem mit hunderten EVU (Eisenbahnverkehrsunternehmen), solange diese mit ihr Abschlüsse tätigen. Doch genau diese hunderte EVU sind Teil der Eisenbahnkrise in Deutschland – nicht nur die verfluchte DB. Scheiße bleibt Scheiße, auch wenn man sie noch weiter aufteilt.

Zudem verschwimmt hinter Weselskys gewerkschaftlicher Rolle sein leidenschaftlicher Konservatismus. Er beriet das AfD-Absprengsel Bündnis Deutschland und eine Distanzierung von AfD-Mitgliedern in den eigenen Reihen lehnt er ab – das sei nicht Aufgabe der Gewerkschaften.

Natürlich ist die GDL mehr als nur Claus Weselsky. Die Ortsgruppe der S-Bahn-Berlin ist vergleichsweise links und die GDL Mitglieder allgemein spiegeln wahrscheinlich einfach durchschnittliches gewerkschaftliches Bewusstsein wider, was, bedingt durch das Charisma ihres Vorsitzenden und die passablen Abschlüsse, stolz auf seine Mitgliedschaft ist. Mit dem baldigen Ruhestand Weselskys stellt sich hier die Frage, wer in seine großen Fußstapfen folgen soll. Ob es wirklich Mario Reiß wird, bleibt abzuwarten – jüngst kam heraus, dass er es war, der als GDL-Mitglied im Aufsichtsrat des sonst so verfluchten DB-Konzerns 2022 zugestimmt hatte, die Vergütung des DB-Vorstandes zu erhöhen, während die GDL sonst nicht müde wird, die Bonuszahlungen von Lutz, Seiler und Co. anzuprangern. Nicht genug damit – die Mitgliedschaft wurde obendrein belogen und die Zustimmung zu den Vorstandsgehältern den Aufsichtsratsmitgliedern der EVG in die Schuhe geschoben (die ihrerseits auch nicht den Arsch in der Hose hatten, abzulehnen, sondern sich bloß zu enthalten).

Eine Gewerkschaft, eine Eisenbahn

Natürlich verdient die GDL, verdienen die Kolleg:innen unsere Solidarität, erst recht die der EVG-Mitglieder. Eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich wäre definitiv ein Zugewinn, erst recht in einem von Wechselschichtarbeit geprägten Berufsleben. Gegen die Angriffe des DB-Konzerns, der nicht nur den Streik mit einer einstweiligen Verfügung stoppen wollte, sondern mit Verweis auf „Fair-Train e. G.“ der GDL auch generell die Tariffähigkeit richterlich absprechen lassen will, gehört jene verteidigt.

Zugleich dürfen wir nicht kritiklos in den „Claus, Claus, Claus“-Chor einstimmen. Politisch ist die GDL die rechtere der beiden Bahngewerkschaften. Strukturell undemokratisch ist sie ähnlich wie die EVG, vielleicht noch eine Spur autoritärer. Wer einfach nur das bessere Angebot für den eigenen Geldbeutel sucht, wird vielleicht zur GDL gehen, vielleicht auch nicht, je nach Tarifeinheitsgesetz und DB-Betrieb.

Wer jedoch wirklich eine funktionierende Bahn mit guten Löhnen und selbstbestimmter Organisation haben will, muss einen Kampf in GDL wie EVG für eine einzige, basisdemokratische Verkehrsgewerkschaft führen. Anstatt sich gegeneinander aufzubringen oder aufbringen zu lassen, sollten sich die Basiseinheiten beider Gewerkschaften mal zusammentun und darüber diskutieren: Was für eine Bahn, was für eine Gewerkschaft brauchen und wollen wir? Viele private EVU auf marodem Netz oder doch eine staatliche europäische Bahn ohne Profitzwang? Mit einer Gewerkschaft, die sich nicht nur auf Tarif konzentriert, sondern beginnt, in der Organisation der Eisenbahn und der Verkehrswende eine entscheidende Rolle in Planung, Bau und Betrieb zu spielen, indem sie für Arbeiter:innenkontrolle über die Bahn kämpft.

Auf dem Weg dahin liegt noch nicht mal der Schotter, geschweige denn ein befahrbares Gleis. Wir müssten es selbst bauen. Und große Vorsitzende werden uns dann im auch im Weg stehen.




GDL-Tarifrunde Deutsche Bahn: Fünf für Fünf und ein Claus Weselsky

Leo Drais, Neue Internationale 278, November 2023

Es wird sein großer Auftritt zum Schluss. Die anstehende Tarifrunde bei der Deutschen Bahn soll die letzte für den Vorsitzenden und Verhandlungsführer der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) sein. Danach will der frühere Lokführer in den Ruhestand gehen. Bis dahin ist eine harte Tarifauseinandersetzung zu erwarten.

Forderungen

Das Paket sieht wie folgt aus: 555 Euro mehr in der Tabelle, darunter deutliche Entgelterhöhung für Azubis; Zulagen + 25 %; 35-Stunden-Woche für Schichtarbeitende (inkl. Wahlrecht für Beschäftigte zwischen 40- und 35-Stundenwoche); Inflationsausgleichsprämie 3.000 Euro; 5-Schichten-Woche, 5 % Arbeit„geber“:innenanteil für die betriebliche Altersversorgung; nach 5 Schichten, spätestens nach 120 Stunden, muss der nächste Ruhetag beginnen (Mindestfrei: 48 Stunden); 12 Monate Laufzeit.

Die Antwort des DB-Personalvorstandes Martin Seiler, seines Zeichens früherer Betriebsrat der Deutschen Post (also einer, der sich damit auskennt), war ein erwartbares Geheul, dass die DB damit 10.000 neue Fachkräfte zusätzlich bräuchte (gut wär’s!). Er schlug dann vor, von Anfang an eine moderierte Verhandlung zu führen, was Weselsky ebenso erwartbar ablehnte.

Hinter den Kulissen stehen die Zeichen natürlich lange nicht so auf Sturm, wie sich nach außen gegeben wird. Da ist von vorneherein klar, dass das, was gefordert wurde, nicht erreicht wird und auch gar nicht erreicht werden will, auch nicht von Claus Weselsky. Dafür sind die Forderungen der Basis wie etwa der Ortsgruppe bei der S-Bahn Berlin (30 % mehr, besondere Altersteilzeit ab 50 für Schichtarbeitende sowie das tarifvertragliche Recht der Kriegsdienstverweigerung am Zug für alle Bahnbeschäftigten) geflissentlich in Schubladen verschwunden.

Streiken, verhandeln, Claus

Natürlich werden Streiks stattfinden, allein schon, weil die Vorstellungen von DB und GDL weit auseinander liegen. Zudem waren sie immer Teil des Waffenarsenals der GDL in den letzten 15 Jahren und weiterhin sind sie bereits angedroht worden, auch, um die eigenen Mitglieder einzustimmen. Entscheidend ist die Frage: Wird es einen Erzwingungsstreik geben und wenn ja, wie viele Zugeständnisse wird es der DB gegenüber am Ende trotzdem geben? Und kann so ein Streik durchgehalten werden?

Die Motivation dafür dürfte hoch sein. Die Inflation schlägt ins Kontor, die Arbeitsbedingungen entsprechen der Pünktlichkeit und dann ist da die sowieso vorhandene, grundsätzlich kämpferischere Haltung der GDL. Und dann ist da noch die Konkurrenz zur EVG. Für Claus Weselsky und die Führung der GDL ist sie ein Ziel wiederholter verbaler Angriffe und negativer Profilierung. Auch wenn an der Inflation gemessen die GDL ebenfalls eine „Einkommensverringerungsgewerkschaft“ in den letzten Jahren war (und es wird sehr schwer, dies diesmal nicht auch zu sein), so wirft der große Claus vor allem der EVG vor, dies zu sein.

Zweifellos hat die GDL viel rausgeholt, was die EVG dann nachgetragen bekommen hat. Ihre kämpferische Haltung ist glaubwürdiger und der Vorsitzende Weselsky schafft es, sich mit einer gewissen schrulligen Note mitgliedernah zu geben – gepaart mit einem gehörigen Schuss Populismus. Selbst die bürgerliche Presse, deren liebster Feind er war, beginnt nun, mit der Gewissheit, ihn bald los zu sein, ihm kleine Denkmäler zu bauen und ihn anerkennend eine Kultfigur zu nennen. Die GDL ist vor allem er. Sein wahrscheinlicher Nachfolger Mario Reiß wird es trotz sächsischen Akzents und angedeutetem Schnauzer schwer haben, es ihm gleichzutun.

Und so ist der Apparat auch auf die Spitze der GDL zugeschnitten, sowohl strukturell als auch personell. Die Sekretär:innen sind noch mehr als etwa in der EVG Weisungsempfangende von oben, was zuerst eine straffere Kontrolle bedeutet. Eine breitere Debatte über das Ergebnis der GDL-Runde wird es nicht geben. Natürlich ist Claus Weselskys Ablehnung einer moderierten Verhandlung zwar an sich richtig, aber die Begründung, nicht im Hinterzimmer verhandeln zu wollen, geheuchelt, denn in allen Tarifrunden der GDL lief es immer darauf hinaus, dass nicht nur die letzten Worte, sondern auch die ersten der Runde die Kabinette nie verließen.

Darüber hinaus schwingt natürlich die Anwendung des Tarifeinheitsgesetzes durch die DB mit, von dem Martin Seiler nicht abrückt, das zu Fall zu bringen über einen angestrebten Kündigungstarifvertrag, ein richtiges Ziel der GDL ist. Es bedeutet eine verschärfte Konkurrenz zwischen den Gewerkschaften EVG und GDL, da nur der Tarifvertrag derjenigen Gewerkschaft gilt, die die Mitgliedermehrheit in den jeweiligen DB-Betrieben stellt. In 18 Betrieben ist das die GDL, in 282 die EVG, wobei es nicht erwiesen ist, ob diese Verteilung tatsächlich den Mehrheitsverhältnissen entspricht. Die EVG war in diesem Sinne bisher tatsächlich eher eine Hausgewerkschaft, die GDL die, die sich reingekämpft hat. Um das zu erreichen, wurden nicht nur für deutsche Verhältnisse vergleichsweise harte Streiks geführt. Der Vorstand um Claus Weselsky gebärdete sich stark und zugleich opportun. Sie ist nicht nur fein damit, Rechte unter ihren Mitgliedern zu haben, sondern stellt sogar heraus, keine Abgrenzung gegen die AfD zu wollen. Das sei nicht Aufgabe einer Gewerkschaft. Diese habe schlicht gute Arbeitsbedienungen für ihre Mitglieder zu erreichen. Hier ist die GDL eindeutig reaktionärer als die EVG. Auch wenn es schwierig war, es gegen die alte, weiß-männlich geprägte Garde durchzusetzen war, gibt es in Letzterer eine gewisse Offenheit z. B. für queere Themen.

Entsprechend ist das Verhalten zu den Zerschlagungsplänen der DB. Während die EVG als „Hausgewerkschaft“ des Staatskonzerns an der Misere DB festhält, spricht sich die GDL für die Zerschlagung aus, was zwar nicht dem Eisenbahnsystem nutzt, aber die Erwartung in sich trägt, den eigenen Einfluss auszubauen. Da passt es ins Bild, eine eigene Leiharbeitsfirma mit „fair-train“ gegründet zu haben, wie wir im Artikel „GDL – Genossenschaft Deutscher Lokführer?“ im Juni auf unserer Homepage gezeigt haben.

Kaum was nehmen sich übrigens EVG und GDL beim Thema DB Cargo. Es zeichnet sich ab, dass die DB die rote Zahlen schreibende Güterzugsparte zusammenstauchen will. 1.800 Jobs sollen wegfallen, darunter 400 Triebfahrzeugführerstellen. So klappt das natürlich mit der Verkehrswende nicht. Selbst wenn flächendeckend die Schrauben- durch automatische Kupplungen ersetzt werden würden (was sinnvoll wäre!), würde der Einzelwagenverkehr in der Konkurrenz gegen die Straße kaum mithalten können. Die privaten EVU im Gütersektor konzentrieren sich entsprechend fast ausschließlich auf das Ganzzuggeschäft.

Wo bleiben da die Gewerkschaften, nicht nur in Worten dagegen zu sein, sondern dagegen zu kämpfen? Warum machten und machen sie den Erhalt von Cargo nicht zum Teil ihrer Tarifrunde? „Keine Stellenstreichung“ müsste die Parole lauten! Der Kampf um eine einzige staatliche Bahn mit guten Arbeitsbedingungen, finanziert aus massiver Besteuerung privater Profite und unter Kontrolle der Beschäftigten, wäre die Alternative. Damit wäre ein großer Pool an Lokpersonal vorhanden, was nicht erst per Taxi nach Rotterdam gefahren werden muss, um da einen Zug zu holen, der nicht fertig vorbereitet ist. Die sinnlosen und Trassen blockierenden Leerfahrten wären somit auch Geschichte.

Durchsetzen, zusammen kämpfen!

Aber zurück zur GDL-Runde. Dass eine rasche Urabstimmung angestrebt wird, ist ein gutes Zeichen und das richtige Vorgehen angesichts der Blockade durch Martin Seiler. Es gibt der GDL-Spitze jedoch auch freies Geleit. Umso wichtiger ist es, für öffentliche Verhandlungen, tägliche Streikversammlungen und eine wähl- und abwählbare Streikdelegation einzutreten – Forderungen, die angesichts der Popularität Weselskys einer Debatte bedürfen. Was soll die Selbstermächtigung, wenn es wen gibt, der das schon alles für eine/n macht?

Die Diskussion sollte vor dem Hintergrund geführt werden, warum eigentlich von Anfang an bereits hinter den Kulissen gesagt wird, dass das Geforderte nicht erreicht werden wird.

Die Tarifrunde der GDL geht aber nicht nur diese an. Die EVG darf nicht ihrerseits die Politik der Entsolidarisierung betreiben, die die GDL-Spitze während der EVG-Tarifverhandlungen führte, sie muss vielmehr jeden Streikbruch ablehnen und den Streik der GDL unterstützen. Ein Erfolg der GDL wäre schließlich einer für alle – und Solidaritätsbekundungen durch die EVG und, falls die Führung das verweigert, durch kämpferische Kolleg:innen wären ein wirklicher Schritt, die reale Entsolidarisierung bei der Bahn zu verhindern. So könnte auch die Grundlage für gemeinsame Kämpfe für höhere Einkommen, bessere Arbeitsbedingungen und kürzere Arbeitszeiten geschaffen werden – und für den kommenden Großkonflikt, nämlich gegen die Zerschlagung der Bahn.

Schließlich ist die Tarifrunde auch eine, die alle Lohnabhängigen betrifft und die wir offensiv mit der Forderung nach einem kostenlosen Nahverkehr für alle verbinden müssen, für einen ersten Schritt zu einer realen Verkehrswende im Sinne der gesamten Arbeiter:innenklasse. Die Bildung von Solidaritätskomitees mit einem GDL-Streik wäre ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Um eine solche Perspektive bei der Bahn, EVG und GDL gegen die Vorstände, alle Bürokrat:innen, die farblosen wie die schillernden, durchzusetzen, brauchen wir Organisierung der kämpferischen und klassenbewussten Basis.

Daher: Unterstützt die Vernetzung für kämpferische Eisenbahner:innen! Tretet mit ihr in Kontakt, beteiligt Euch an deren Aufbau!




Bilanz der GDL-Streiks: Claus & Klaus und die Deutsche Bahn

Leo Drais, Infomail 1163, 21. September 2021

Nach einer Monate dauernden Tarifrunde und drei Streiks haben sich die Deutsche Bahn AG (DB) und die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL, Mitglied im Beamtenbund dbb) auf einen Tarifabschluss geeinigt. Die roten und weißen Züge fahren wieder artig unpünktlich durch das Land, alles wieder wie gewohnt auf den Gleisen.

Hinter den Kulissen ist derweil noch keine Ruhe eingekehrt. Die DGB-Konkurrenz der GDL – die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) – hat angekündigt, den Abschluss der GDL zu prüfen. Sie will alle jene Vorzüge gegenüber dem eigenen Tarifvertrag in selbigen übertragen haben.

Ebenfalls noch nicht ausgemacht ist, wo der GDL-Abschluss gilt. Die DB will das Tarifeinheitsgesetz (TEG) anwenden, sprich je Betrieb gilt nur der Tarifvertrag der mitgliederstärksten  Gewerkschaft. Eben das gilt es unter Umständen noch herauszufinden: In welchen der über 300 DB-Unternehmen verfügt die GDL über die Mehrheit und in welchen die EVG; im Zweifel entscheiden NotarIn und Gericht. Offen ist dabei auch, nach welchen Kriterien entschieden werden soll, wer die stärkste Gewerkschaft im einzelnen Betrieb darstellt, ob dazu die Zahl der Mitglieder oder jene der Betriebsräte hergezogen werden soll.

Ein Sieg – oder nicht?

Verschiedene bürgerliche Medien bescheinigten der GDL einen Sieg auf ganzer Linie: Mitgliederzuwachs, ein Tarifabschluss nach Wünschen der Gewerkschaft, Ausbau der Position gegenüber der EVG. Schauen wir auf die harten Fakten. 38.000 Mitglieder hat die GDL nun insgesamt, ein Plus von 4.000 gegenüber dem Januar, das sich sehen lassen kann. Etwa die Hälfte ihrer Mitglieder ist bei der DB beschäftigt.

Das sind zwar immer noch weit weniger Mitglieder, als die EVG hat, die in vielen Unternehmen wie im Infrastrukturbereich DB Netze sicher nach wie vor dominiert. Aber angesichts des hohen Durchschnittsalters ihrer Mitgliedschaft (in der Mitgliederzeitung werden als Termine überwiegend SeniorInnentreffen beworben) und des hohen Organisationsgrads der GDL insbesondere unter dem Zugpersonal (TriebfahrzeugführerInnen, Zugbegleitdienst) relativiert sich das Ganze. Aber vor allem ist die GDL die Gewerkschaft, die man kennt, die als Organisation wahrgenommen wird, die das mit dem Streiken und dem Arbeitskampf noch ernst nimmt – und deren Streiks naturgemäß auffallen und wehtun und in diesem Sinne konnte sie sicher ihren Einfluss ausweiten. Sie hat nicht nur diesen Ruf zweifellos ausgebaut, sondern mit dem Streik auch das Selbstvertrauen der Beschäftigten massiv gesteigert.

Dazu trug sicher auch bei, dass sie sich selbst durch einstweilige Verfügungen seitens des Staatskonzerns nicht zurückdrängen ließ. Zwei arbeitsgerichtliche Instanzen bewerteten den dritten Streik als rechtens im Sinne des Grundgesetzes. Nicht angewandt, aber seitens der DB auch nicht juristisch ausgetestet, wurde die Verwendung des TEG gegen den Arbeitskampf. Zumindest in den GDL-Minderheitsbetrieben (die ja wie gesagt nicht sicher festgestellt sind) wäre es vorstellbar gewesen, dass die DB diesen Zug versucht. Dass das TEG in diesem Sinne nicht angewandt wurde, stellt einen gewissen politischen Teilsieg der GDL dar, auch wenn diese den gar nicht beabsichtigte – sie erkennt genauso wie die EVG das TEG als geltendes Recht an und wurde nicht müde, das zu betonen.

Bemerkenswert ist im Vergleich zu früheren Streikmaßnahmen der GDL auch, dass das Medienecho weniger stark gegen sie gerichtet war. Natürlich hetzte die BILD auch diesmal, von ihr ist anderes nicht zu erwarten. Auffallend war aber beispielsweise ein Tagesschauartikel, der das wiederholte Anprangern der Bonuszahlungen für das DB-Management durch die GDL untersuchte – und mehr oder minder feststellte, dass die GDL hier wohl zu Recht Kritik am Vorsitzenden Richard Lutz und den übrigen Vorstandsmitgliedern übt.

Dafür ist der eigentliche Tarifabschluss wiederum ein doch eher bittersüßes Bonbon. Hier das Ergebnis im Einzelnen: Es wurden zwei Coronaprämien (Dezember 2021 600 Euro / 400 Euro je nach Einkommensgruppe, März 2022 400 Euro) sowie eine zweistufige Gehaltserhöhung vereinbart. Ab Dezember 2021 sollten die Einkommen um 1,5 % steigen, womit lediglich formal für 2021 eine Nullrunde abgewandt wurde. Im März 2023 soll eine weitere Erhöhung um 1,8 % folgen. Die Laufzeit des Vertrages beträgt insgesamt 32 Monate, die Betriebsrente ist gesichert – für die EisenbahnerInnen der Gegenwart, die sie dann auch mit in den Ruhestand nehmen werden. Der Nachwuchs wird freundlich auf den Rentenfonds der DEVK-Versicherung verwiesen, für ihn wurde die Altersvorsorge faktisch aufgeweicht.

Im Vergleich mit den Ursprungsforderungen dieser Tarifrunde ist von den + 4,8 %, rückwirkendem Inkrafttreten und den 1300 Euro Coronaprämie 2021 also einiges gefallen. Das erste Mal wurde bereits vor jedem Streik zurückgesteckt, ab Frühsommer wurde nunmehr der Abschluss des öffentlichen Dienstes gefordert. Nach dem dritten Streik und einigen Tagen Geheimdiplomatie kam dann das oben Beschriebene heraus, mit einer Laufzeit bis 31. Oktober 2023.

Insgesamt handelt es sich also um ein widersprüchliches Resultat. Das Ergebnis übertrifft jenes der EVG, was vor allem auf die Coronaprämie zurückzuführen ist. Einen Inflationsausgleich – das eigentlich absolute Minimalmaß aus reiner Entgeltsicht – bewirkt dieser Abschluss nicht, es bleibt ein Reallohnverlust trotz dreier Streiks.

Dennoch stellt es für die GDL und ihre Mitglieder einen Teilerfolg dar, weil letztere erstens ihre Gewerkschaft im Kampf um die Existenz behaupten und stärken und konnten und zweitens zeigten, dass ein Arbeitskampf in Kernsektoren der deutschen Wirtschaft durchgehalten werden kann, ja durchaus auf Sympathie anderer Lohnabhängiger stößt.

EVG-Reaktion

So weit dazu. Und die EVG? Sie meldete sich in den vergangenen Tagen und protzte: „Diesen Tarifkonflikt beenden wir!“ Mit letzterem Kommentar bezog sie sich auf eine Klausel in ihrem Tarifvertrag, der es ihr erlaubt nachzuverhandeln, wenn eine andere Gewerkschaft mehr rausholt. DB-Personalvorstand Seiler versprach angesichts dessen ein schnelles „Nachsteuern“ – sprich: wo die EVG weniger rausgeholt hat, wird wohl zur GDL angeglichen.

2020 hatte sich die EVG kampflos der DB gebeugt und eine Nullrunde unterschrieben – zugunsten eines fragwürdigen Kündigungsschutzes, denn der Fahrplan wurde fast nicht ausgedünnt weiter befolgt und mitten in der Pandemie wurde weiter eingestellt, was angesichts der Überalterung der EisenbahnerInnen immer noch in unzureichendem Maß passiert. Nun behauptet die EVG, dass mit dem von ihr ausgehandelten Kündigungsschutz überhaupt erst die Grundlage für den Kampf der GDL geschaffen worden wäre, was natürlich an jeder Realität vorbeigeht.

Die EVG präsentierte nun einen Chart, wo sie darstellt, dass sie die besseren Tarifverträge mache. Sie verwies darauf, dass innerhalb der Laufzeit des EVG-Vertrages (bis Februar 2023) dieselbe Entgelterhöhung von 1,5 % anstehe und die zweite Stufe der GDL (+ 1,8 %) mit einer längeren Laufzeit verknüpft sei. Frohen Mutes wird verkündet: Während die GDL noch Friedenspflicht hat, werde die EVG neue Themen vorbringen und mehr herausholen – ergo: Die EVG verspricht, mehr rauszuholen, die GDL hat bereits sicher 1,8 % mehr. Dass die EVG 2023 mehr ereichen will, hören wir gern. Allein, uns fehlt der Glaube, darauf noch zu vertrauen. Zur Zeit sind diese Versprechen, für die es natürlich keine Sicherheit gibt, nur schöne Worte, eine stoische Selbstbeschönigung, die den katastrophalen Abschluss von 2020 überdecken soll. In dem Chart ist auch eine Coronaprämie vermerkt, von der EVGlerInnen bisher nichts wussten. Es liegt nahe, dass die EVG bereits damit rechnet, ebenfalls die Prämie der GDL zu bekommen, immerhin sind die Termine identisch mit denen der GDL-Coronaprämie.

Wir halten fest, dass die EVG 2020 ohne Kampf, ja ohne überhaupt ihre Mitglieder einzubeziehen, einen Abschluss getätigt hat, der eine Nullrunde 2020/21 ohne weiteres hinnahm und auch keine Coronaprämie enthielt. Jetzt, da die GDL nachgelegt hat, ruft die EVG „Auch haben wollen!“ Ja, warum hast du es dann nicht gleich gefordert oder den Kampf der GDL unterstützt, anstatt Stimmung gegen sie zu machen, werter EVG-Vorstand?

Wer kämpft hier eigentlich gegen wen?

Zwei Figuren des Kampfes haben wir bisher noch nicht namentlich erwähnt, wir widmen ihnen den folgenden Abschnitt. Sie heißen Klaus-Dieter Hommel (EVG) und Claus Weselsky (GDL) und sind nicht mit dem trauten Schlagerpaar Klaus und Klaus vom plattdeutschen Strand zu verwechseln.

Auf den ersten Blick scheint es, als könnten die beiden Gewerkschaftsvorsitzenden in ihrer Rollenausübung kaum verschiedener sein.

Der eine, der Weselsky-Claus, haut auf den Putz, ist rhetorisch gewandt, bezeichnet das DB-Management als „Nieten in Nadelstreifen“ und hat eine Gewerkschaftsbasis, die hinter ihm steht, die bei seinen Reden lautstark applaudiert. Er ist ein Eisenbahner und einer von ihnen geblieben, einer, der sicher ist im Umgang mit dem Werkzeugkasten des Populismus für „den kleinen Mann“, den er immer wieder hervorhebt, dem der DB-Vorstand in die Tasche greift (was ja auch stimmt). Man kann sicher davon ausgehen, dass er seit spätestens 2014 einer der bekanntesten Gewerkschaftsführer Deutschlands ist, was angesichts der DGB-Schnarchnasen-Konkurrenz auch keine wirkliche Herausforderung darstellt.

Zu letzterer gehört der Hommel-Klaus. Er lebt seine intime Sozialpartnerschaft mit dem DB-Konzern offen aus, sein Interview beim Journalisten und Podcaster Tilo Jung, Gründer und Moderator des Interview-Formats Jung & Naiv, hörte sich fast wie eine Bewerbung um den Vorstand an. Seiner Meinung nach trage die Gewerkschaft dafür Verantwortung, dass es dem Unternehmen gut geht, daher die Nullrunde 2021. Auch er beherrscht sein Handwerk, ist biegsam. Er hatte kein Problem damit, gegen den Streik der GDL zu polemisieren und hinterher die Errungenschaften für sich einzufordern und so zu tun, als hätte die EVG sie erkämpft. Da kann man natürlich verstehen, warum Claus auf Klaus sauer ist und kommentiert, dass die GDL Millionen für den Streik ausgebe und dann die EVG das Ergebnis nachgetragen bekomme.

Das passierte bereits in der Vergangenheit so und nicht von ungefähr. Der Deutschen Bahn ist die sanft kriecherische EVG-Führung natürlich lieber als „Gegnerin“ als die lautstark streikende GDL. Also bekommt die EVG die Abschlussvorteile der GDL, um letztere möglichst kleiner zu halten als die EVG. Das TEG grüßt auch hier aus dem Hintergrund, aber auch schon vor jenem gewerkschaftsfeindlichen Gesetz galt diese Logik.

Und doch haben Claus und Klaus mehr gemeinsam, als ihnen wahrscheinlich lieb ist, und das entspringt eben ihrer gemeinsamen Stellung als Vorsitzende ihrer Gewerkschaft. Beide begreifen Gewerkschaften grundsätzlich als Sozialpartnerinnen des Kapitals, trotz aller Unterschiede im konkreten Umgang. Die GDL kritisiert zwar das Tarifeinheitsgesetz, aber letztlich beugt auch sie sich diesem und sämtlichen Gesetzen, die Arbeitskämpfe reglementieren und sanktionieren.

Und, am wichtigsten, beide sind in ihrer sozialen Stellung Teil der ArbeiterInnenbürokratie. In ihrer Position kontrollieren sie die EisenbahnarbeiterInnen. Sie können zu mehr oder weniger dampfablassenden Streiks aufrufen und sie von oben herab auch wieder beenden. Sie führen vermittelt über Tarifkommissionen Geheimverhandlungen mit dem Konzern und präsentieren hinterher freimütig das Ergebnis. Sie sind in ihrer Position, in ihrer sozialen Stellung abhängig von der Stärke ihrer Gewerkschaft. Die Spaltung der EisenbahnerInnen in zwei Organisationen ist nicht nur Grundlage ihrer Konkurrenz, sondern auch ihres jeweiligen eigenen Apparates. Daher hegen beide kein Interesse an der Überwindung der für die EisenbahnerInnen insgesamt schädlichen Spaltung, sondern sie erneuern diese täglich.

Auch wenn sich der Ton unterscheidet: Inhaltlich ist die Kritik am jeweils anderen sehr nah beieinander. Beispiel – wer hat‘s gesagt: „Man muss sehen, in welchem Zustand sich der Bahn-Konzern aktuell befindet. […] In einer solchen Phase zu streiken, halte ich für schwierig.“ So der Kommentar von Claus Weselsky zum dreistündigen Witz-EVG-Streik 2018. Hätte auch umgekehrt sein können.

Politisch stehen sowohl Claus Weselsky (CDU) als auch Klaus-Dieter Hommel (SPD) für einen Kurs, der nicht dazu führen wird, in Deutschland ein funktionierendes Eisenbahnsystem zu entwickeln, das den Erfordernissen einer wirklichen Verkehrswende gerecht werden kann. Während Weselsky für mehr Konkurrenz und die Trennung von Infrastruktur und Zugleistungen wirbt (wovon die GDL mit Schwerpunkt auf Eisenbahnverkehrsunternehmen bei Anwendung des TEG profitieren würde), spricht sich Hommel richtigerweise dagegen aus, aber er deckt damit zugleich den Staatskonzern, der Tausende Kilometer Gleise hat abbauen lassen.

Auf ewig gespalten?

Für die breite Mehrheit der EisenbahnerInnen stellt sich die Sache mit den beiden Claus/Klaus-Gewerkschaften so dar, dass die Wahl besteht zwischen einer GDL mit vergleichsweise kleinem Apparat und kämpferischen Streiks und einem anziehenden Führer, die aber mitunter keine Mehrheit in meinem Betrieb hat, oder einer EVG, die ein träge aufgeblähter Riesenapparat und enger mit dem DB-Vorstand verbandelt ist, aber in vielen Betrieben und insbesondere in der Infrastruktur deutlich größer ist. Daneben gibt es die große Anzahl derer, die unorganisiert sind.

Die Existenz zweier Gewerkschaften und die damit verbundene Spaltung werden von wenigen KollegInnen wirklich kritisiert, geschweige denn zu überwinden versucht. Claus und Klaus wollen das aufgrund besagter privilegierter Stellung wie gesagt sowieso nicht.

Dabei wäre das Ziel nicht nur einer Eisenbahn-, sondern einer Transportgewerkschaft nicht nur ein wünschenswertes oder ein schöner Traum, sondern auch nötig und sinnvoll für kommende Kämpfe.

Das betrifft allein schon die Tarifrunden. Auch wenn der GDL-Abschluss besser als jener der EVG ist, so bleiben beide unter der Inflationsrate. Warum hätte sich bei einem gemeinsamen Vorgehen nicht mehr rausholen lassen? Dass die Verbesserungen der GDL nun auf die EVG übertragen werden sollen und wohl auch recht problemlos werden, resultiert natürlich aus deren Vorstandsnähe. Man kann auch verstehen, dass der Weselsky-Claus und auch viele GDL-Streikende drüber wütend sind, dass sie wochenlang kämpfen mussten, während die EVGlerInnen nun die von ihnen rausgeholten Verbesserungen einfach mitnehmen.

Dennoch ist es eine falsche, ja objektiv die Spaltung vertiefende Reaktion, sich darüber zu mokieren, dass alle Beschäftigten diese Verbesserungen erhalten.

Erst recht abstrus sind die großsprecherischen Worte von Hommel-Klaus, dass die EVG 2023 – also in eineinhalb Jahren (!) – endlich ernst machen würde mit einem harten Tarifkampf und diesen, gewissermaßen aus der Poleposition anzetteln würde, während die GDL noch in der Friedenspflicht verharrt.

Beide Beispiele zeigen, dass Claus und Klaus überhaupt keine Überlegung in Richtung auf gemeinsame, koordinierte Tarifkämpfe und Aktionen gegen den Bahnvorstand und die drohenden Umstrukturierungen verschwenden. Die Mitglieder beider Gewerkschaften sollten dieses Spiel nicht mitmachen, das für Tarifkämpfe wenig bis nichts taugt, bei verkehrspolitischen Auseinandersetzungen aber fatal zu werden droht. Vordergründig scheint es für Tarifkämpfe besser zu sein, wenigstens eine Gewerkschaft zu haben, die kämpfen will. Aber durch die Spaltung kann nie die volle Kampfkraft entfaltet werden. Bei verkehrspolitischen Auseinandersetzungen droht diese aber fatal zu werden.

Daher sollten klassenkämpferische GewerkschafterInnen für gemeinsame Tarifrunden, eine gemeinsame Festlegung der Forderungen, gemeinsame, von der Basis gewählte Tarifkommissionen und Streikleitungen eintreten, um so die EisenbahnerInnen praktisch, von unten zusammenzuführen.

Politische Angriffe und klassenkämpferische Einheit

Eine solche klassenkämpferische Einheit wird nicht nur für weitere Tarifrunden nötig. Allein schon wegen der Umstrukturierungen im Verkehrswesen, die auf die eine oder andere Weise  kommen werden: In Berlin steht die Zerschlagung der S-Bahn an, die nächste Regierung zerlegt möglicherweise die DB, das heutige Flugzeug-, PkW- und LkW-Aufkommen ist angesichts der Klimakrise für die Menschheit nicht zukunftsfähig. Dies wird zuvorderst auf dem Rücken der Beschäftigten passieren und mit dem Ausspielen der Beschäftigten unterschiedlicher Verkehrsunternehmen gegeneinander einhergehen. Es bräuchte also eigentlich eine Gewerkschaft, die den gesamten Bereich abdeckt und über ein politisches Programm zum Umbau des Sektors im Interesse der Beschäftigten und der gesamten Gesellschaft verfügt.

Aber auch aus der einfachen Sicht tariflicher Kämpfe stellt sich nach dem GDL-Streik doch mindestens die Frage: Hätten alle EisenbahnerInnen zusammen nicht mehr erreichen, nicht wenigstens die Inflation ausgleichen können? Und warum bestimmt stets die Gewerkschaftsführung, wann und wie viel gestreikt wird? Warum führt sie danach Geheimverhandlungen mit der DB so ganz ohne direkte Kontrolle derer, die den Streik verwirklichen? Und allgemein gesprochen: Warum werden Kämpfe nicht verbunden? Dass in Berlin GDL-KollegInnen beim Krankenhausstreik vorbeischauten, ging ja von der Basis aus, nicht von der Führung.

Gewerkschaften sind heute so, weil sie den Eigeninteressen und Positionen ihrer Führung mehr oder weniger direkt untergeordnet sind. Das zu ändern, das zumindest anzufangen zu diskutieren, sollten alle kämpferischen KollegInnen tun.

Es sollte die Frage von alternativen Betriebsgruppen bis hin zu gewerkschaftlicher Opposition diskutiert werden. Sie sollten in Kämpfen die Forderung nach direkter, demokratischer Kontrolle der Streikmaßnahmen (viele GDLerInnen wollten einen unbefristeten Streik), Verhandlungen und Abschlüsse aufwerfen. Eine solche Basisopposition sollte von Beginn an gewerkschaftsübergreifend organisiert sein, aus  GDLlerInnen und EVGlerInnen bestehen. Letztlich sollte eine demokratische, klassenkämpferische Reorganisation der Gewerkschaften entlang der Wertschöpfungskette angestrebt werden, wozu auch die KollegInnen von Flughäfen, U-Bahnen, Taxi-, Busunternehmen und LkW-Speditionen einbezogen werden.

Wer kontrolliert?

Abschließend: Es gibt weit mehr Themen als die Klassiker Lohn und Arbeitszeit, auch wenn sie immer mitschwingen, die die Arbeitsqualität beeinflussen und Unzufriedenheit erzeugen, die aber von Gewerkschaften wie Betriebsräten kaum und höchstens allgemein verklausuliert angesprochen werden. Vor allem die Qualität der Arbeit ist ein tägliches Ärgernis. EisenbahnerInnen wollen sicher und pünktlich fahren, ganz deckungsgleich mit dem Interesse der Fahrgäste, aber die Art und Weise, wie Bund, DB und andere private Schienenkonzerne die Eisenbahn – letztlich unter Einbeziehung von GDL und EVG – missgestalten, sabotiert unser tägliches Bemühen. Es sorgt für längere Fahrzeiten auf der Lok oder stressige Schichten auf Stellwerken, auf den Gleisen und in den Werkstätten.

Umgekehrt heißt das: Die Art und Weise, wie Verkehr, wie Bahnbetrieb stattfinden muss, sollte weder Politik, noch Konzernen und Gewerkschaftsbürokratien überlassen werden. Es sollte von den KollegInnen, die Verkehr machen, die das ganze Zugfahren ermöglichen, nicht nur diskutiert, sondern auch demokratisch geplant und kontrolliert werden. Immerhin machen wir Eisenbahn, und nicht die Teppichetagen, wie der Weselsky-Claus sagen würde. Tja, Eisenbahn machst du, werter Claus, aber auch schon lange nicht mehr und der häufige Verkehr mit der Teppichetage hat unverkennbar auch dich geprägt. Dahingehend seid ihr am Ende des Tages Brüder im Geiste, Claus und Klaus – ebenso wie das Schlagerduo von der Nordseeküste.




GDL: Nach dem Streik ist vor dem Streik!

Martin Suchanek, Neue Internationale 258, September 2021

Die beiden Streiks der EisenbahnerInnen machen eines deutlich: Die GDL und ihre Mitglieder sind kampfbereit und -fähig. Die Urabstimmung, an der rund 70 % der GDLerInnen teilnahmen, erbrachte ein klares Votum: 95 % für den Streik. Dementsprechend wirksam waren die Arbeitsniederlegungen.

Mit dem befristeten Streiks vom 10. – 13. bzw. vom 22. – 25. August legten die Beschäftigten rund 60 % des Regionalverkehrs der Deutschen Bahn und 75 % des Fernverkehrs lahm. Auch im Güterverkehr kam es zu massiven Ausfällen, auch wenn das Management versuchte, diesen durch Umstellen auf eigene LKW-Transporte (DB-Schenker) und durch andere Frachtunternehmen abzufedern.

Der Streik machte auch deutlich, dass die GdL dabei ist, von einer berufsständischen LokführerInnengewerkschaft zu einer Organisation zu werden, die alle Beschäftigtengruppen bei der DB AG umfasst. So legten nicht „nur“ LokführerInnen die Arbeit nieder, sondern auch Beschäftigte im Infrastrukturbereich des Unternehmens, darunter 6 Stellwerken und Teilen einzelner Werkstätten und Verwaltungen. Auch unter den ZugbegleiterInnen konnte die GDL ihre Mitgliederzahlen ausbauen.

Hetze vom Kapital

Wie nicht weiter verwunderlich brandmarken Kapital und Kabinett, bürgerliche Presse und allerlei „ExpertInnen“ den GDL-Streik als Anschlag auf den Wirtschaftsstandort Deutschland, als Gefahr für die Erholung der deutschen Wirtschaft und sogar als Gefährdung der Gesundheit. Schließlich würden Fahrgäste in den wenigen fahrenden Zügen nur eng gedrängt Platz finden – und das in Coronazeiten. Manche HetzerInnen sprechen auch schon davon, dass während einer Pandemie am besten überhaupt nicht gestreikt werden dürfe.

Der CDU-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Laschet positioniert sich ausnahmsweise klar und deutlich – gegen die GDL. Der Streik verstoße „gegen alle Regeln der Verhältnismäßigkeit“. Die Gewerkschaft nehme „Millionen in Haftung.“

Die AfD lässt zwar Verständnis für die GDL durchblicken – den Streik solle sie aber gefälligst verschieben.

Auch FPD, Grüne, SPD stellen sich gegen den Streik. Die Linkspartei verteidigt zwar das Streikrecht, zu einer bedingungslosen Unterstützung des Streiks mag sie sich aber auch nicht durchringen, da sich die GDL-Führung gegenüber der DGB-Gewerkschaft EVG unsolidarisch verhalte.

Schärfere Töne schlägt die DB AG selbst an. Deren Personalvorstand Seiler bezeichnete den Streikbeschluss als „Attacke auf unser Land“ – nicht nur auf die DB AG. „Völlig überzogen und völlig unangemessen“ wäre der Arbeitskampf gewesen. Außerdem hätte die GDL den Streik total kurzfristig angekündigt, so dass das arme Unternehmen überraschend getroffen worden wäre, das zudem ein tolles Angebot vorgelegt hätte.

Die Offerte der Bahn

Die Offerte der DB AG sieht eine stufenweise Lohnerhöhung von 3,2 % vor – mit einer Laufzeit von 40 Monaten (bis zum 30. Juni 2024). In diesem Jahr wäre eine Nullrunde vorgesehen. Zum 1. Januar 2022 soll eine erste Erhöhung um 1,5 % erfolgen, am 1. März 2023 sollen die Entgelte um weitere 1,7 % angehoben werden.

Faktisch bedeutet das Angebot einer Nullrunde für 2021 angesichts steigender Preise und Inflationsrate einen Reallohnverlust für die gesamte Laufzeit.

Als die zweite Streikwelle anlief, zauberte der Bahnvorstand rasch eine kosmetische Nachbesserung des Angebots aus dem Hut. Eine Coronaprämie würde das Unternehmen jetzt auch anstreben. Wie unverbindlich und wenig ernstzunehmend dieses Anbot ist, offenbart die Tatsache, dass die Bahn AG keinen Betrag nennen wollte. Zu Recht lehnte die GDL dieses durchsichtige Manöver ab, das nur darauf abzielte, den laufenden Streik zu beenden.

Dass die GDL und Tausende ihrer Mitglieder die Offerten der Bahn AG als Affront abgewiesen haben, spricht für und nicht gegen sie. Dass die größere DGB-Gewerkschaft bei der Bahn, die EVG, ein ähnliches Angebot im Austausch für Kündigungsschutz annahm (angesichts des Personalmangels stehen im betrieblichen Bereich sowieso keine betriebsbedingten Kündigungen an), stellt ihr ein vernichtendes Urteil aus. Nicht zu kämpfen bereit, immer am Puls des Bahnvorstandes, verkauft die EVG-Bürokratie seit Jahren die Beschäftigten bei der Bahn AG. Nun wirft sie der GDL aggressives Abwerben von Mitgliedern vor – und stellt sich gegen den Arbeitskampf der KollegInnen! Ein solches Verhalten läuft faktisch auf Streikbruch hinaus und die Unterstützung der Unternehmensführung gegen die KollegInnen. Es ist ein gewerkschaftliches No-Go. Was immer man von der GDL sonst auch halten mag, ihre tariflichen Forderungen sind legitim. Ihr Recht auf Streik muss von allen kämpferischen GewerkschafterInnen ohne Wenn und Aber verteidigt werden. Ansonsten verkommt jede, für sich auch noch so berechtigte Kritik an der GDL zu einem bloßen Vorwand, den KollegInnen in den Rücken zu fallen, sich faktisch auf die Seite des Kapitals zu stellen.

Und die GDL?

Die GDL oder genauer deren Vorstand ist sicher kein gewerkschaftspolitisches Vorzeigeprojekt. Jahrzehntelang war sie eigentlich die willfährigere Standesgewerkschaft. Bis heute ist sie Teil des berufsständisch-reaktionären Beamtenbundes, der trotz allem noch immer deutlich rechts vom DGB steht. Die GDL-Spitze tritt reaktionären, vor allem rassistischen oder sexistischen Einstellungen und Verhaltensweisen in den eigenen Reihen kaum entgegen, sie toleriert sie vielmehr. Auch GDL-Chef Weselsky, seit Jahren CDU-Mitglied, fiel in der Vergangenheit mit behindertenfeindlichen Sprüchen, mit Opportunismus gegenüber der AfD und Populismus auf. Zudem lehnt die GDL den immer mehr um sich greifenden Wettbewerb und Privatisierungen auf der Schiene nicht grundsätzlich ab, sondern will diese allenfalls „gerecht“ ausgestaltet wissen.

Die GDL unterstützt im Gleichklang mit den Grünen die Trennung von Netz und Betrieb bei der Bahn. In dieser Hinsicht steht sie politisch rechts von der EVG, auch wenn diese über Jahre den Kurs der Umstrukturierung der Bahn auf ein profitorientiertes Unternehmen mitgetragen hat.

Anders als die BürokratInnen in den Vorstandsetagen der DGB-Gewerkschaften, die oft aus Verwaltungen kommen und akademische Berufe erlernt haben, gibt Weselsky den polternden Funktionär und Vertreter der Beschäftigten, der sich für seine Leute einsetzt – und das mit einer gewissen Glaubwürdigkeit. Den Lokführer, den Bahner muss er nicht spielen. Er fuhr selbst Züge. Auch wenn er seit gut drei Jahrzehnten freigestellter Funktionär der GDL ist, spricht er den KollegInnen aus dem Herzen, ist er „einer von ihnen“ geblieben.

Natürlich sollte niemand die Radikalität der GDL-Spitze übertreiben. So wenig kompromissbereit, wie die Bahn AG tut, ist sie natürlich nicht.

Die ursprüngliche Tarifforderung, die unter anderem eine Gehaltserhöhung von 4,8 % und eine Coronaprämie von 1300 Euro vorsah, zog die GDL selbst zurück. Sie orientierte ihre Forderungen bei den letzten Verhandlungen am Abschluss im öffentlichen Dienst 2021: 3,2 % Lohnerhöhung bei einer Laufzeit von 32 Monaten und eine einmalige Coronaprämie von 600 Euro. Außerdem sollte ein erster Schritt der Lohnerhöhung schon für 2021 gelten, also keine Nullrunde in diesem Jahr stattfinden. Die Bahn AG wies diese schon reduzierten Forderungen zurück – und auch die EVG erklärte sie als „überzogen“. Schließlich hatte sie schon einen schlechteren Vertrag abgeschlossen und fürchtet, weiter Mitglieder an die GDL zu verlieren, falls diese erfolgreich sein sollte.

Warum wird der Kampf so heftig geführt?

Dass die GDL den Tarifkampf so heftig führt, hat zwei wesentliche Ursachen. Erstens stellt der Streik eine Reaktion auf den Druck aus der Basis dar, aus der eigenen Mitgliedschaft. Wer diese einfache Tatsache nicht akzeptieren will, musste nur an Versammlungen der Streikenden teilnehmen. Empörung und Kampfbereitschaft lagen dabei förmlich in der Luft.

Zum anderen fürchtete die GDL zu Recht, durch das Gesetz der sog. Tarifeinheit bei der DB AG an die Wand gedrückt zu werden. Dieses sieht vor, dass in jedem Betrieb nur die mitgliederstärkste Gewerkschaft ein Recht auf Abschluss eines Tarifvertrags hat und auch entsprechend nur diese das Streikrecht wahrnehmen darf. Das Gesetz wurde, so erklärte die schwarz-rote Bundesregierung 2015, kurz nach dem letzten landesweiten GDL-Streik offen, notwendig, damit kleine Spartengewerkschaften das Land nicht mehr lahmlegen könnten. Die sog. Tarifeinheit kommt also einer Einschränkung des Streikrechts gleich – und daran ändert auch die Tatsache nichts, dass wichtige DGB-Gewerkschaften, allen voran die IG Metall und die EVG, diese unterstützten, ja regelrecht forderten, weil sie sich davon die Sicherung ihrer Stellung in zentralen Betrieben und die Ausschaltung unliebsamer Konkurrenz erhofften. Neben den Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD stimmte damals auch die FDP mehrheitlich für das Gesetz, Grüne und Linkspartei lehnten es ab.

Seine Umsetzung wurde bei der Bahn über mehrere Jahre gestreckt, nun soll es kommen. Erschwert wird dabei die rechtliche Lage ironischer Weise durch die neoliberalen Bahnreformen und Umstrukturierungen des Unternehmens selbst.

Da dieses in viele Betriebsteile und Teilunternehmen untergliedert ist, gibt es natürlich auch Bereiche, wo die GDL über eine Mehrheit verfügt. In den meisten Fällen ist zwar (noch) die EVG die Mehrheitsgewerkschaft, in etlichen sind die Verhältnisse aber umstritten. Das heißt, ein Arbeitskampf für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen inkludiert nicht nur eine Konkurrenz zwischen beiden Gewerkschaften bei der Bahn, er steht immer auch auf der Kippe zur Illegalisierung, und es sind letztlich immer die bürgerlichen Gerichte, die im Streitfall entscheiden, welche Gewerkschaft tarif- und damit streikfähig ist.

Angriffe in den Betrieb getragen

Dabei tritt der reaktionäre Charakter des Tarifeinheitsgesetzes offen zutage. Ein Angriff auf die gesamte ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbewegung wird zur Zeit durchgezogen. Sollte die GDL verlieren, so würde das letztlich auch auf die Durchsetzung der Tarifeinheit bei der Bahn und die Demontage einer kleineren, in letzten Jahren kämpferischer gewordenen Gewerkschaft hinauslaufen.

Hoch problematisch für den Kampf ist freilich, dass es der DB-Geschäftsführung und der bürgerlichen Politik bis zu einem gewissen Grad gelungen ist, den Streik und den politischen Konflikt auch zu einer Konfrontation innerhalb der Belegschaft zu machen, diese effektiv zu spalten. Daran haben in den letzten Jahren sowohl die EVG-Bürokratie, aber auch die GDL-Führung tatkräftig mitgewirkt. Beiden geht es letztlich darum, vor allem ihren eigenen Laden, „ihre“ Gewerkschaft zu halten und zu profilieren. Und dabei scheuen beide nicht vor Fakes und stetiger Demagogie gegen die andere Gewerkschaft zurück. Letztlich wollen beide mehr vom Trog der SozialpartnerInnenschaft und von den Pfründen der Mitbestimmung bekommen.

Aber anders als die EVG-Führung sieht sich die GDL zur Zeit aufgrund des Drucks von unten und aufgrund ihrer prekären Lage gezwungen, zum Streik zu greifen, um ihre Interessen durchzusetzen – und das macht sie, ob gewollt oder nicht, zur Staatsfeindin, zum Konjunkturschädling und zur Spaßbremse für Urlaubsreisende.

Streikperspektive und GDL-Spitze

Der GDL-Vorstand hat mit dem Arbeitskampf eine Konfrontation begonnen, deren Gesamtdimension er selbst nur erahnt. Hinter der rein tariflichen, gewerkschaftlichen Auseinandersetzung um höhere Entgelte verbirgt sich eine größere politische Auseinandersetzung. Die Führung der Gewerkschaft will aber den Kampf so führen, als wäre er letztlich nur eine ganz normale Tarifrunde. Das mag ihr bis zu einem gewissen Grad auch gelingen, da ihre Mitglieder über eine beachtliche Streikfähigkeit verfügen, also wirklich wirtschaftlichen Druck ausüben können.

Die Taktik hat jedoch eine Schwäche. Was passiert, wenn der Bahnvorstand nicht nachgibt, wenn er die Konfrontation sucht, wenn er von der GDL fordert, alle ihre Karten auf den Tisch zu legen?

Hier zeigen sich die Grenzen dieses Vorgehens. Da die GDL die Konfrontation im Grunde rein betrieblich begreift, kümmert sie die öffentliche Meinung nicht oder nur wenig. In einer bestimmten Hinsicht stellt das zwar auch eine Stärke dar – nämlich insofern sie sich von der Hetze der bürgerlichen Presse und von PolitikerInnen wenig beeindruckt zeigt.

Doch das darf uns gegenüber der enormen Schwäche dieser Politik nicht blind machen. Der GDL-Führung ist im Grund nämlich auch egal, was andere Lohnabhängige von ihrem Arbeitskampf denken. So gab es beim Streik (und auch bei früheren Streiks) keine Flugblätter, keine Öffentlichkeitsarbeit, um PendlerInnen und Reisende anzusprechen, um deren Verständnis und Solidarität zu werben und die Lügen und Halbwahrheiten der Boulevardblätter und der sog. Qualitätspresse zu kontern.

Auch gegenüber den Bahnbeschäftigten, die nicht bei der GDL sind, also insbesondere gegenüber den EVG-Mitgliedern, nimmt die GDL-Spitze eine politisch passive Haltung ein. Natürlich freut sich die kleinere Gewerkschaft über jeden Übertritt. Sie versucht aber überhaupt nicht, die Basismitglieder der EVG und kämpferische Mitglieder, die auch von Bürokratie und SozialpartnerInnenschaft die Schnauze voll haben, anzusprechen und so in die EVG hinein zu wirken.

Dazu müsste die GDL nämlich selbst eine Politik verfolgen, die darauf zielt, die Kampfeinheit aller Beschäftigten herzustellen, und nicht nur hoffen, dass sich ihr Apparat als attraktiver erweist als jener der EVG. Diese Politik hat jedoch dazu geführt, dass beide Bürokratien die eigenen Reihen recht dicht geschlossen halten konnten. Zahlreiche EVGlerInnen – auch an der Basis – hassen die GDL und die GDLerInnen die EVG. Das hilft den Spitzen der jeweiligen Gewerkschaft. Vor allem aber hilft es dem Bahnvorstand, der sich immer als verhandlungsbereit präsentiert und genüsslich die beiden Gewerkschaften gegeneinander ausspielt.

Wie weiter?

Diese Beschränkungen und der rein gewerkschaftliche Charakter der Politik der GDL-Führung ändern nichts daran, dass alle GewerkschafterInnen – auch alle EVG-Mitglieder – den Arbeitskampf unterstützen müssen! Kritik an Weselsky und Co. ist gut und wichtig – aber das darf nicht zum Vorwand werden, sie nicht zu unterstützen, wenn sie einen Schritt in die richtige Richtung machen.

Zugleich braucht es aber auch eine Politisierung des Arbeitskampfes, weil wir damit rechnen müssen, dass er sich früher oder später zu einem politischen Kampf entwickelt (oder in einem Kompromiss endet, der die entscheidende Konfrontation allenfalls aufschiebt).

Wir treten daher dafür ein, Nägel mit Köpfen zu machen. Die großartige Streikbeteiligung hat gezeigt, dass der Kampf geführt und länger gehalten werden kann. Zugleich muss er politisiert werden, in die Reihen der gesamten Belegschaft und ArbeiterInnenklasse getragen werden.

Das heißt für alle Kräfte der ArbeiterInnenbewegung, für die Mitglieder von Linkspartei und SPD, aber auch für die „radikale“ Linke oder die Umweltbewegung, dass sie diesen Arbeitskampf ohne Wenn und Aber unterstützen müssen. Damit ein Streik der GDLerInnen siegen, damit die Gewerkschaft in einer politischen Konfrontation erfolgreich sein kann, können und müssen wir auch die Initiative ergreifen und Solidaritätskomitees aufbauen.

  • Unterstützt den Streik der GDL! Volle Mobilisierung und unbefristeter Streik für die Forderungen – keine weitere Rücknahmen und Zugeständnisse!
  • Kein Einsatz von BeamtInnen und anderen Beschäftigten als StreikbrecherInnen!
  • Regelmäßige Streikversammlungen zur Koordinierung, Ausweitung und demokratischen Kontrolle des Kampfes!
  • Aufbau von Solidaritätskomitees in allen Gewerkschaften und allen Städten! Unterstützung dieser Komitees durch Linkspartei und SPD-Gliederungen!
  • Nein zum Tarifeinheitsgesetz und allen Einschränkungen des Streikrechts!
  • Kursumkehr in allen DGB-Gewerkschaften und Unterstützung des GDL-Streiks! Aufbau einer Basis- und Solidaritätsbewegung, die dies erzwingt!



Solidarität mit dem Streik der GDL!

Flugblatt der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften, 20. 8. 2021, Infomail 1159, 21. August 2021

Liebe Fahrgäste,

wir bitten Sie um Verständnis für – und Solidarität mit – dem Streik der Eisenbahnerinnen und Eisenbahner.

Warum?

Die Kolleginnen und Kollegen der GDL (Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer) fordern eine Erhöhung von 1,4 Prozent zum 1. April 2021 und um 1,8 Prozent zum 1. April 2022. Ebenso die Fortsetzung der betrieblichen Altersversorgung sowie eine einmalige Corona-Prämie von 600€. Das entspricht in etwa dem Abschluss im Öffentlichen Dienst vom letzten Jahr.

Wie alle Arbeitenden haben auch die Eisenbahner*innen in den letzten Jahren kaum Lohnerhöhungen erhalten. Es wird Zeit, dass in allen Branchen die Beschäftigten wieder mehr von dem durch uns erarbeitete Vermögen abbekommen. Die Preise haben in den letzten Jahren auch nicht aufgehört zu steigen! Eigentlich ist die Forderung der GDL bescheiden!

Wer zahlt für die Krise?

Für uns, Arbeitnehmer*innen, ist alles teurer geworden. Die Reichen und die großen Konzerne konnten ihren Anteil an den von uns erarbeiteten Gewinnen noch steigern – trotz Corona und Krise! Auf der anderen Seite sollen wir, die Mehrheit der Bevölkerung, die zusätzlichen Ausgaben für Corona mit neuen Sozialkürzungen und steigenden Ver-brauchsteuern bezahlen. Eine breite Bewegung gegen die Abwälzung der Krisenkosten auf unseren Rücken tut Not! Streiks allgemein sind ein gutes Mittel, um unsere Interessen durchzusetzen, der Streik der GDL ein guter Anfang dafür!

Warum sind viele gegen den Streik?

Die Politik, die Verbände der Unternehmer*innen und die Medien, fast alle hetzen gegen den GDL-Streik. Sie schüren Neid – nicht gegen die Superreichen, sondern gegen die Kolleginnen und Kollegen, die streiken. Das ist mies! Denn diese Politiker*innen und Hetzer*innen in den Medien betreiben das Geschäft der ganz Reichen. Und sie bekommen dafür viel mehr Geld als die Eisenbahner*innen.

Auch die andere Bahn-Gewerkschaft, die EVG, hetzt gegen den Streik und stellt sich dagegen.

Der Grund ist, dass die EVG einen ganz miesen Abschluss gemacht hat, ganz im Sinne von Regierung und Bahnvorstand. Nur 1,5 % für 24 Monate. Deshalb fürchtet sie, Mitglieder zu verlieren.

Im Corona-Jahr 2020 bekamen 3500 Führungskräfte Boni ausbezahlt. Die Beschäftigten an der Front sollen aber ihren Lohn für Verluste aus der Pandemie opfern! Statt sich vor den Karren des Bahnvorstandes spannen zu lassen, die um ihre fetten Gehälter und die Dividenden der Bahn-Aktieninhaber*innen besorgt sind, sollte die Spitze der EVG (die Eisenbahngewerkschaft im DGB) zeigen, dass sie für ihre Mitglieder mehr erkämpfen kann! Sie sollte nicht weiter mit der Bahndirektion kuscheln, sondern Solidarität mit der GDL gegen “Oben“ üben!

In diesem Streik spielt auch das „Tarifeinheitsgesetz“ eine Rolle. Damit wollte die Regierung kleineren Gewerkschaften das Streikrecht nehmen. Aber das Recht auf Streik ist ein demokratisches Grundrecht! Regierung und Unternehmerverbände wollen uns allen dieses Recht nehmen. Eine Schande, dass die Spitzen von DGB, IG Metall und EVG da mitgemacht haben, nur um ihre eigene Macht zu sichern – auf Kosten eines Grundrechtes! Genaueres dazu haben wir auf der Rückseite zusammengestellt.

Die Spaltung von Gewerkschaften und damit auch Belegschaften ist immer schlecht. Ein gemeinsamer Verband kann stärker sein, aber er muss seine Stärke auch nutzen und nicht wie EVG, aber auch IG Metall und Verdi, dauernd Verständnis für die Großunternehmen oder die Staatskasse zeigen!

Das sagen wir als GewerkschafterInnen aus verschiedenen Gewerkschaften, die sich zur Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften zusammengeschlossen haben, um kämpfende Belegschaften zu unterstützen.

Haben auch Sie Verständnis! Zeigen Sie Solidarität! Mit besserer Bezahlung der Beschäftigten wird die Bahn auch wieder besser und pünktlicher!

Wir hoffen, dass Sie Ihr Ziel heute trotzdem erreichen – und die EisenbahnerInnen das ihre!

Das „Tarifeinheitsgesetz“ ist ein Angriff auf die Rechte aller Beschäftigten – denn es ist ein Streikbegrenzungsgesetz!

Vor 6 Jahren wurde unter Federführung der damaligen Arbeitsministerin Andrea Nahles, SPD, das „Tarifeinheitsgesetz“ verabschiedet. Das Ziel dieses Gesetzes war es, den Einfluss der kleinen – vor allem der kämpferische Gewerkschaften, wie Cockpit, UFO und nicht zuletzt der GDL – zu beschneiden. Diese sind oft nicht Mitglied im Deutschen Gewerkschaftsbund.

Die DGB-Spitze hat bei diesem Angriff auf das Streikrecht mitgemacht. Aber das Gesetz trifft auch DGB-Gewerkschaften. Denn grundsätzlich ist das Streikrecht in Deutschland sehr eingeschränkt: So dürfen nur Gewerkschaften zum Streik aufrufen, nicht aber Beschäftigte, die gegen die Schließung ihres Werkes protestieren wollen. Das neue Gesetz ist ein weiterer Schritt zur Allmacht des Kapitals.

Das Tarifeinheitsgesetz bestimmt, dass in einem Betrieb, in dem mehrere Gewerkschaften vertreten sind, die Gewerkschaft mit weniger Mitgliedern – im Falle, dass die andere im Betrieb vertretene Gewerkschaft schon ein Tarifabschluss getätigt hat – kein Recht hat, für einen besseren Tarifabschluss zu streiken.

Damit untergräbt dieses Gesetz das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit, das im Grundgesetz garantiert ist: nämlich, dass Menschen zur Verteidigung ihrer Interessen als Beschäftigte sich vereinigen können, um ihre Interessen gemeinsam zu vertreten. Damit sind Gewerkschaften gemeint und „Koalition“ bedeutet in diesem Zusammenhang „Vereinigung“.

Zum Grundrecht auf Koalitionsfreiheit gehört automatisch das Recht zu streiken; das einzige Mittel, das die Arbeiter*innen Bewegung und jede Gewerkschaft hat, um gegenüber der Unternehmer*innen-Seite ihren Interessen Gehör zu verschaffen bzw. durchzusetzen! Kann dieses Recht auf Streik in bestimmten Fällen ausgesetzt werden, wie im Tarifeinheitsgesetz beabsichtigt, verliert im Grunde jede Gewerkschaft ihre (Ver)-Handlungsfähigkeit, denn dann könnten die Gewerkschaften bei den Unternehmerverbänden nur noch Betteln gehen.

Der DGB und das Tarifeinheitsgesetz!

Die Spitzen vieler DGB-Gewerkschaften – außer verdi, GEW und NGG – sind leider 2015 für die Verabschiedung des Tarifeinheitsgesetzes eingetreten.

Das hatte zwei Gründe: Erstens wollten sie unliebsame Konkurrenz ausschalten, die sie mit höherem Engagement und Kampfbereitschaft herausfordern. Diese Spitzenleute, wie Hofmann von der IG Metall, verwalten lieber die Mitglieder und treiben sich in Aufsichtsräten und allen möglichen Kommissionen mit Regierung und Unternehmensfunktionären rum, z.B. zur E-mobilität oder Digitalisierung.

Zweitens ist ihnen die Zusammenarbeit mit den Unternehmensspitzen wichtiger. Sie setzen darauf, dass von den hohen Umsätzen und Gewinnen dann auch ein bisschen für die (Stamm)-Belegschaften abfällt und ein bisschen mehr für die Betriebsräte und Aufsichtsräte. Ein Rezept, das in Boomzeiten funktioniert – auf Kosten der Beschäftigten, die nicht bei den Großkonzernen angestellt sind. Ein Rezept, das in der Krise zum Scheitern verurteilt ist.

Diese Bürokrat*innen brauchen kein Streikrecht mehr, sie haben ausgesorgt.

Aber die Masse der Arbeitenden in diesem Land braucht nicht weniger, sondern mehr Gegenwehr!

WIR WÜNSCHEN DEN KOLLEG*INNEN DER GDL DURCHHALTEVERMÖGEN UND VIEL ERFOLG!

Fahrgastflyer der VKG – gerne zum Herunterladen und Weiterverbreiten:

Flyer GDL-Streik




Nach dem Streik ist vor dem Streik – der Kampf der GDL geht weiter

Martin Suchanek, Infomail 1158, 13. August 2021

Der 48-stündige Streik der EisenbahnerInnen verdeutlicht eines. Die GDL und ihre Mitglieder sind kampfbereit und -fähig. Die Urabstimmung, an der rund 70 % der GDL-Mitglieder teilnahmen, erbrachte ein klares Votum: 95 % für den Streik. Dementsprechend wurde er auch von den Mitgliedern der Gewerkschaft befolgt.

Mit dem befristeten Streik legten die Beschäftigten rund 60 % des Regionalverkehrs der Deutschen Bahn und 75 % des Fernverkehrs lahm. Auch im Güterverkehr kam es zu massiven Ausfällen, auch wenn das Management versuchte, den Ausfall von Lieferungen durch Umstellen auf eigenen LKW-Transport (DB-Schenker) und durch andere Frachtunternehmen abzufedern.

Der Streik machte auch deutlich, dass die GdL dabei ist, von einer berufsständischen LokführerInnengewerkschaft zu einer Organisation zu werden, die alle Beschäftigtengruppen bei der DB AG umfasst. So folgten nicht „nur“ LokführerInnen dem Streikbeschluss, sondern auch Beschäftigte im Infrastrukturbereich des Unternehmens, darunter 6 Stellwerken und Teilen einzelner Werkstätten und Verwaltungen. Auch unter den ZugbegleiterInnen konnte die GDL ihre Mitgliederzahlen ausbauen.

Hetze vom Kapital

Wie nicht weiter verwunderlich brandmarken Kapital und Kabinett, bürgerliche Presse und allerlei „ExpertInnen“ den GDL-Streik als Anschlag auf den Wirtschaftsstandort Deutschland, als Gefahr für die Erholung der deutschen Wirtschaft und sogar als Gefährdung der Gesundheit. Schließlich würden Fahrgäste in den wenigen fahrenden Zügen nur eng gedrängt Platz finden – und das in Coronazeiten. Manche HetzerInnen sprechen auch schon davon, dass während einer Pandemie am besten überhaupt nicht gestreikt werden dürfe.

Der CDU-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Laschet positioniert sich ausnahmsweise klar und deutlich – gegen die GDL. Der Streik verstoße „gegen alle Regeln der Verhältnismäßigkeit“. Die Gewerkschaft nehme „Millionen in Haftung.“

Die AfD lässt zwar Verständnis für die GDL durchblicken – den Streik solle sie aber gefälligst verschieben.

Auch FPD, Grüne, SPD stellen sich gegen den Streik. Die Linkspartei verteidigt zwar das Streikrecht, zu einer bedingungslosen Unterstützung des Streiks mag sie sich aber auch nicht durchringen, da sich die GDL-Führung gegenüber der DGB-Gewerkschaft EVG unsolidarisch verhalte.

Schärfere Töne schlägt die DB AG selbst an. Deren Personalvorstand Seiler bezeichnete den Streikbeschluss als „Attacke auf unser Land“ – nicht nur auf die DB AG. „Völlig überzogen und völlig unangemessen“ wäre der Arbeitskampf gewesen. Außerdem hätte die GDL den Streik total kurzfristig angekündigt, so dass das arme Unternehmen überraschend getroffen worden wäre, das zudem ein tolles Angebot vorgelegt hätte.

Die Offerte der Bahn

Die Offerte der DB AG sieht eine stufenweise Lohnerhöhung von 3,2 % vor – mit einer Laufzeit von 40 Monaten (bis zum 30. Juni 2024). In diesem Jahr wäre eine Nullrunde vorgesehen, Zum 1. Januar 2022 soll eine erste Erhöhung um 1,5 % erfolgen, am 1. März 2023 sollen die Entgelte um weitere 1,7 % angehoben werden.

Faktisch bedeutet das Angebot einer Nullrunde für 2021 angesichts steigender Preise und Inflationsrate einen Reallohnverlust für die gesamte Laufzeit.

Dass die GDL und Tausende ihrer Mitglieder diese Offerte als Affront abgewiesen haben, spricht für und nicht gegen sie. Dass die größere DGB-Gewerkschaft bei der Bahn, die EVG, ein ähnliches Angebot im Austausch für Kündigungsschutz annahm (angesichts des Personalmangels stehen im betrieblichen Bereich sowieso keine betriebsbedingten Kündigungen an), stellt ihr ein vernichtendes Urteil aus. Nicht zu kämpfen bereit, immer am Puls des Bahnvorstandes verkauft die EVG-Bürokratie seit Jahren die Beschäftigten bei der Bahn AG. Nun wirft sie der GDL aggressives Abwerben von Mitgliedern vor – und stellt sich gegen den Arbeitskampf der KollegInnen! Ein solches Verhalten läuft faktisch auf Streikbruch hinaus und die Unterstützung der Unternehmensführung gegen die KollegInnen. Es ist ein gewerkschaftliches No-Go. Was immer man von der GDL sonst auch halten mag, ihre tariflichen Forderungen sind legitim. Ihr Recht auf Streik muss von allen kämpferischen GewerkschafterInnen ohne Wenn und Aber verteidigt werden. Ansonsten verkommt jede, für sich auch noch so berechtigte Kritik an der GDL zu einem bloßen Vorwand, den KollegInnen in den Rücken zu fallen, sich faktisch auf die Seite des Kapitals zu stellen.

Und die GDL?

Die GDL oder genauer deren Vorstand ist sicher kein gewerkschaftspolitisches Vorzeigeprojekt. Jahrzehntelang war sie eigentlich die willfährigere Standesgewerkschaft. Bis heute ist sie Teil des berufsständisch-reaktionären Beamtenbundes, der trotz allem noch immer deutlich rechts vom DGB steht. Die GDL-Spitze tritt reaktionären, vor allem rassistischen oder sexistischen Einstellungen und Verhaltensweisen in den eigenen Reihen kaum entgegen, sie toleriert sie vielmehr. Auch GDL-Chef Weselsky, seit Jahren CDU-Mitglied, fiel in der Vergangenheit mit behindertenfeindlichen Sprüchen, mit Opportunismus gegenüber der AfD und Populismus auf. Zudem lehnt die GDL den immer mehr um sich greifenden Wettbewerb und Privatisierungen auf der Schiene nicht grundsätzlich ab, sondern will diese allenfalls „gerecht“ ausgestaltet wissen (wobei sie sich darin kaum von der EVG abhebt).

Anders als die BürokratInnen in den Vorstandsetagen der DGB-Gewerkschaften, die oft aus Verwaltungen kommen und akademische Berufe erlernt haben, gibt Weselsky den polternden Funktionär und Vertreter der Beschäftigten, der sich für seine Leute einsetzt – und das mit einer gewissen Glaubwürdigkeit. Den Lokführer, den Bahner muss er nicht spielen. Er fuhr selbst Züge. Auch wenn er seit gut drei Jahrzehnten freigestellter Funktionär der GDL ist, spricht er den KollegInnen aus dem Herzen, ist er „einer von ihnen“ geblieben.

Natürlich sollte niemand die Radikalität der GDL-Spitze übertreiben. So wenig kompromissbereit, wie der Bahn AG tut, ist sie natürlich nicht.

Die ursprüngliche Tarifforderung, die unter anderem eine Gehaltserhöhung von 4,8 % und eine Corona-Prämie von 1300 Euro vorsah, zog die GDL selbst zurück. Sie orientierte ihre Forderungen bei den letzten Verhandlungen am Abschluss im öffentlichen Dienst 2021: 3,2 % Lohnerhöhung bei einer Laufzeit von 32 Monaten und eine einmalige Corona-Prämie von 600 Euro. Außerdem sollte ein erster Schritt der Lohnerhöhung schon für 2021 gelten, also keine Nullrunde in diesem Jahr stattfinden. Die Bahn AG wies diese schon reduzierten Forderungen zurück – und auch die EVG erklärte sie als „überzogen“. Schließlich hatte sie schon einen schlechteren Vertrag abgeschlossen und fürchtet, weiter Mitglieder an die GDL zu verlieren, falls diese erfolgreich sein sollte.

Warum wird der Kampf so heftig geführt?

Dass die GDL den Tarifkampf so heftig führt, hat zwei wesentliche Ursachen. Erstens stellt der Streik eine Reaktion auf den Druck aus der Basis dar, aus der eigenen Mitgliedschaft. Wer diese einfache Tatsache nicht akzeptieren will, musste nur an Versammlungen der Streikenden teilnehmen. Empörung und Kampfbereitschaft lagen dabei förmlich in der Luft.

Zum anderen fürchtete die GDL zu Recht, durch das Gesetz der sog. Tarifeinheit bei der DB AG an die Wand gedrückt zu werden. Dieses sieht vor, dass in jedem Betrieb nur die mitgliederstärkste Gewerkschaft ein Recht auf Abschluss eines Tarifvertrags hat und auch entsprechend nur diese das Streikrecht wahrnehmen darf. Das Gesetz wurde, so erklärte die schwarz-rote Bundesregierung 2015, kurz nach dem letzten landesweiten GDL-Streik, offen, notwendig, damit kleine Spartengewerkschaften das Land nicht mehr lahmlegen könnten. Die sog. Tarifeinheit kommt also einer Einschränkung des Streikrechts gleich – und daran ändert auch die Tatsache nichts, dass wichtige DGB-Gewerkschaften, allen voran die IG Metall und die EVG, diese unterstützten, ja regelrecht forderten, weil sie sich davon die Sicherung ihrer Stellung in zentralen Betrieben und die Ausschaltung unliebsamer Konkurrenz erhofften. Neben den Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD stimmte damals auch die FDP mehrheitlich für das Gesetz, Grüne und Linkspartei lehnten es ab.

Seine Umsetzung wurde bei der Bahn über mehrere Jahre gestreckt, nun soll es kommen. Erschwert wird dabei die rechtliche Lage ironischer Weise durch die neoliberalen Bahnreformen und Umstrukturierungen des Unternehmens selbst.

Da dieses in viele Betriebsteile und Teilunternehmen untergliedert ist, gibt es natürlich auch Bereiche, wo die GDL über eine Mehrheit verfügt. In den meisten Fällen ist zwar (noch) die EVG die Mehrheitsgewerkschaft, in etlichen sind die Verhältnisse aber umstritten. Das heißt, ein Arbeitskampf für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen inkludiert nicht nur eine Konkurrenz zwischen beiden Gewerkschaften bei der Bahn, er steht immer auch auf der Kippe zur Illegalisierung, und es sind letztlich immer die bürgerlichen Gerichte, die im Streitfall entscheiden, welche Gewerkschaft tariffähig und damit streikfähig ist.

Daher geht es bei dem aktuellen Arbeitskampf um mehr als „nur“ Löhne, Prämien und Arbeitsbedingungen. Hinter dem Konflikt tritt mehr oder weniger offen zutage, dass Bahnvorstand, Regierung und UnternehmerInnenverbände, sekundiert von der bürgerlichen Presse und vor allem den Boulevardblättern wie Bild mit dem GDL-Streik auch gleich das Streikrecht angreifen. Fatal ist in dieser Lage, dass die Führung der größeren Gewerkschaft, der EVG, die Seite des Vorstandes ergreift. Der GDL wirft sie unlautere Abwerbekampagnen vor und böswillige Angriffe auf EVG-Mitglieder bis hin zum Mobbing. Statt den Arbeitskampf zu unterstützen, hat die EVG sogar einen Telefonnotruf für Beschäftigte eingerichtet, die sich von Mitgliedern einer anderen Gewerkschaft „angemacht“ fühlen. Die GDL wiederum kämpft bei der Bahn um ihre Existenz. Wenn sie nicht mehr tariffähig – und damit nicht mehr streikfähig – sein sollte, wäre sie als gewerkschaftliche Vertretung erledigt. Natürlich kämpft sie dabei mit harten Bandagen, aber um ihre Existenz geht es tatsächlich.

Angriffe in den Betrieb getragen

Der reaktionäre Charakter des Tarifeinheitsgesetzes tritt hier offen zutage. Ein Angriff auf die gesamte ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbewegung wird zur Zeit durchgezogen. Sollte die GDL verlieren, so würde das letztlich auch auf die Durchsetzung der Tarifeinheit bei der Bahn und die Demontage einer kleineren, in letzten Jahren kämpferischer gewordenen Gewerkschaft hinauslaufen.

Hoch problematisch für den Kampf ist freilich, dass es bislang der DB-Geschäftsführung und der bürgerlichen Politik gelungen ist, den Streik der GDL und den politischen Konflikt auch zu einer Konfrontation innerhalb der Belegschaft zu machen, diese effektiv zu spalten. Daran haben in den letzten Jahren sowohl die EVG-Bürokratie, aber auch die GDL-Führung tatkräftig mitgewirkt. Beiden geht es letztlich darum, vor allem ihren eigenen Laden, „ihre“ Gewerkschaft zu halten und zu profilieren – und dabei scheuen beide nicht vor Fakes und stetiger Demagogie gegen die andere Gewerkschaft zurück. Beide wollen mehr vom Trog der SozialpartnerInnenschaft und von den Pfründen der Mitbestimmung.

Aber anders als die EVG-Führung sieht sich die GDL zur Zeit aufgrund des Drucks von unten und aufgrund ihrer prekären Lage gezwungen, zum Streik zu greifen, um ihre Interessen durchzusetzen – und das macht sie, ob gewollt oder nicht, zum Staatsfeind, zum Konjunkturschädling und zur Spaßbremse für Urlaubsreisende.

Streikperspektive und GDL-Spitze

Der GDL-Vorstand hat mit dem Arbeitskampf eine Konfrontation begonnen, deren Gesamtdimension er selbst nur erahnt. Hinter der rein tariflichen, gewerkschaftlichen Auseinandersetzung um höhere Entgelte verbirgt sich eine größere politische Auseinandersetzung. Die GDL-Führung will aber den Kampf so führen, als wäre er letztlich nur eine ganz normale Tarifrunde. Das mag ihr bis zu einem gewissen Grad auch gelingen, da ihre Mitglieder über eine beachtliche Streikfähigkeit verfügen, also wirklich wirtschaftlichen Druck ausüben können. Doch es ist auch klar, dass die GDL-Spitze hofft, den Kampf nicht zu superweit treiben zu müssen. Der 48-stündige Streik war letztlich darauf berechnet, die Bahn AG zu einer Besserung des Angebots zu bewegen und somit die GDL als anerkannte Tarifpartnerin zumindest für die nächste Zukunft zu stärken. Dafür ist ihre Führung sicher noch zu weiteren Zugeständnissen bereit. Solange der Abschluss besser als jener der EVG ausfällt und das auch für die Beschäftigten leicht ersichtlich ist, kann die GDL-Führung einen Kompromiss als hart errungenen Erfolg verkaufen. Sicherlich kann dieser Taktik durch einen weiteren befristeten Streik noch einmal Nachdruck verliehen werden, wie ihn Wesselsky für die kommenden Woche angekündigt hat, sollte der die DB AG ihr Angebot nicht nachbesser.

Die Taktik hat jedoch eine Schwäche. Was passiert, wenn der Bahnvorstand nicht nachgibt, wenn er die Konfrontation sucht, wenn er von der GDL fordert, alle ihre Karten auf den Tisch zu legen?

Hier zeigen sich die Schwächen der rein gewerkschaftlichen Taktik. Da die GDL die Konfrontation im Grunde rein betrieblich begreift, kümmert sie die öffentliche Meinung nicht oder nur wenig. In einer bestimmten Hinsicht stellt das zwar auch eine Stärke dar – nämlich insofern sie sich von der Hetze der bürgerlichen Presse und von PolitikerInnen wenig beeindruckt zeigt.

Doch das darf uns gegenüber der enormen Schwäche dieser Politik nicht blind machen. Der GDL-Führung ist im Grund nämlich auch egal, was andere Lohnabhängige von ihrem Arbeitskampf denken. So gab es beim Streik (und auch bei früheren Streiks) keine Flugblätter, keine Öffentlichkeitsarbeit, um PendlerInnen und Reisende anzusprechen, um deren Verständnis und Solidarität zu werben und die Lügen und Halbwahrheiten der Boulevardblätter und der sog. Qualitätspresse zu kontern.

Auch gegenüber den Bahnbeschäftigten, die nicht bei der GDL sind, also insbesondere gegenüber den EVG-Mitgliedern, nimmt die GDL-Spitze eine politisch passive Haltung ein. Natürlich freut sich die kleinere Gewerkschaft über jeden Übertritt. Sie versucht aber überhaupt nicht, die Basismitglieder der EVG und kämpferische Mitglieder, die auch von Bürokratie und SozialpartnerInnenschaft die Schnauze voll haben, anzusprechen und so in die EVG zu wirken. Dazu müsste die GDL nämlich selbst eine Politik verfolgen, die darauf zielt, die Kampfeinheit aller Beschäftigten herzustellen, und nicht nur hoffen, dass sich ihr Apparat als attraktiver erweist als jener der EVG. Diese Politik hat jedoch dazu geführt, dass beide Bürokratien die eigenen Reihen recht dicht geschlossen halten konnten. Zahlreiche EVGlerInnen – auch an der Basis – hassen die GDL und die GDLerInnen die EVG. Das hilft den Spitzen der jeweiligen Gewerkschaft. Vor allem aber hilft es dem Bahnvorstand, der sich immer als verhandlungsbereit präsentiert und genüsslich die beiden Gewerkschaften gegeneinander ausspielt.

Wie weiter?

Diese Beschränkungen und der rein gewerkschaftliche Charakter der Politik der GDL-Führung ändern freilich nichts daran, dass alle GewerkschafterInnen – auch alle EVG-Mitglieder – den Arbeitskampf unterstützen müssen! Kritik an Weselsky und Co. ist gut und wichtig – aber das darf nicht zum Vorwand werden, sie nicht zu unterstützen, wenn sie einen Schritt in die richtige Richtung machen. Ein Sieg der GDL wäre letztlich einer für alle EisenbahnerInnen, alle Lohnabhängigen, weil er zeigt, dass Verbesserungen möglich sind, wenn wir wirklich kämpfen.

Zugleich braucht es aber auch eine Politisierung des Arbeitskampfes, weil wir damit rechnen müssen, dass er sich früher oder später zu einem politischen Kampf entwickelt (oder in einem Kompromiss endet, der die entscheidende Konfrontation allenfalls aufschiebt).

Wir treten daher dafür ein, Nägel mit Köpfen zu machen. Die großartige Streikbeteiligung hat gezeigt, dass der Kampf geführt und länger gehalten werden kann. Zugleich muss er politisiert werden, in die Reihen der gesamten Belegschaft und ArbeiterInnenklasse getragen werden.

Das heißt für alle Kräfte der ArbeiterInnenbewegung, für die Mitglieder von Linkspartei und SPD, aber auch für die „radikale“ Linke oder die Umweltbewegung, dass sie diesen Arbeitskampf ohne Wenn und Aber unterstützen müssen. Damit ein Streik der GDLerInnen siegen kann, damit die Gewerkschaft in einer politischen Konfrontation erfolgreich sein kann, können und müssen wir auch die Initiative ergreifen und Solidaritätskomitees aufbauen, die die Bevölkerung aufklären und deutlich machen, dass eine Verbesserung der Einkommen und Arbeitsbedingungen der Beschäftigen auch in ihrem Interesse liegt und ein Ausgangspunkt für einen gemeinsame Kampf gegen Lohnraub, Flexibilisierung, Privatisierungen und prekäre Arbeitsbedingungen werden kann.

  • Unterstützt den Streik der GDL! Volle Mobilisierung und unbefristeter Streik für die Forderungen – keine weitere Rücknahmen und Zugeständnisse!
  • Kein Einsatz von BeamtInnen und anderen Beschäftigten als StreikbrecherInnen!
  • Regelmäßige Streikversammlungen zur Koordinierung, Ausweitung und demokratischen Kontrolle des Kampfes!
  • Aufbau von Solidaritätskomitees in allen Gewerkschaften und allen Städten! Unterstützung dieser Komitees durch Linkspartei und SPD-Gliederungen!
  • Nein zum Tarifeinheitsgesetz und allen Einschränkungen des Streikrechts!
  • Kursumkehr in allen DGB-Gewerkschaften und Unterstützung des GDL-Streiks! Aufbau einer Basis- und Solidaritätsbewegung, die dies erzwingt!

Am kommenden Dienstag, den 17.8., findet eine Kundgebung der GDL vor dem Bahntower am Potsdamer Platz / Berlin statt – unterstützt diese!




GDL-Urabstimmung: 95 % für den Streik! Solidarität jetzt!

Ein solidarischer EVG-Kollege, Infomail 1158, 10. August 2021

Da ist er endlich – der Streik! Lange wurde er erwartet, die Stimmung dafür ist seit Monaten da. 95 % haben für ihn gestimmt, über 70 % der GDL-Mitglieder haben sich an der Urabstimmung beteiligt. Das beeindruckt, das zeigt Entschlossenheit – und vor allem: Wut auf den Konzern, seinen Vorstand und seinen EigentümerInnen!

Taten folgen sofort. Ab heute Abend 19.00 Uhr wird der Güterverkehr bei DB Cargo bestreikt, ab 2.00 Uhr der Personentransport bei Fernverkehr, Regio und S-Bahnen sowie der Netzbetrieb. Das Ende des Ausstandes ist für Freitag 2.00 Uhr angesetzt, ein unbefristeter Erzwingungsstreik erfolgt leider noch nicht.

Unter Beschuss

Von allen Seiten wird die GDL nun unter Beschuss geraten. „Das letzte, was die Konjunktur braucht“, schäumt die deutsche Wirtschaft. „Lockdown!“, titelt die Bild. „Ein Streik zur Unzeit“, kommentiert der Bahnvorstand. So wird es die nächsten Tage weitergehen. Es liegt in der Natur bürgerlicher Medien, der Regierung und der Konzerne, von Streiks nicht begeistert zu sein, erst recht nicht, wenn sie so empfindlich treffen. Sie setzen darauf, die Reisenden und PendlerInnen gegen uns in Stellung zu bringen. Wir befördern sie täglich von A nach B, verwalten den Mangel im Schienennetz und halten ihn aus. Eigentlich wollen auch wir pünktlich und sicher fahren. Doch dabei ringen wir täglich dank Autoministerium Scheuer, Bahnreform, Missmanagement, verkommener Infrastruktur und jahrelangem Nicht-Ausbilden nur allzu oft mit Störungen und Verzögerungen!

Die Verweise auf Milliardenverluste, die von Corona und Flut gebeutelten Deutschen, wie sie in der GDL-Pressekonferenz aus dem Pressepublikum zu hören waren, ziehen nicht und sind schäbig billig. Denn nicht wir EisenbahnerInnen sind es, die die Verantwortung dafür tragen. Was passiert, ist, dass wir, als Teil der ArbeiterInnenklasse, die Kosten für Flutschäden und Coronaverluste aufgedrückt bekommen. Unsere KollegInnen an den Flughäfen, in Krankenhäusern, aber auch wir selbst wissen das nur zu gut. Ein Lohn, der die Inflation ausgleicht (die Forderung der GDL beträgt 3,2 %, deutlich weniger als ursprünglich) und eine Coronabeihilfe (gefordert sind 600 Euro) sind daher das absolut Mindeste, wofür ALLE Gewerkschaften zu kämpfen hätten! Die GDL tut immerhin das und hat es bei anderen Eisenbahnunternehmen wie Netinera oder Transdev ohne Streik durchsetzen können.

Auch der Vorwurf, die EisenbahnerInnen würden mit ihrem Streik die Verkehrswende ausbremsen, ist schlicht lächerlich. Wer eine gut funktionierende Eisenbahn will, kann kaum schneller investieren als in eine Lohnerhöhung für die, die die Verkehrswende verwirklichen können! Lange dauert der Neubau von Strecken, die Beschaffung von Fahrzeugen – aber die Schichtberufe bei der Eisenbahn durch bessere Löhne und eine sichere Betriebsrente attraktiver zu machen, das ginge sofort! Und das Geld dafür ist auch da: Man nehme den ManagerInnen die Boni weg und führe eine massive Besteuerung der Gewinne der Autoindustrie ein, und schon wären Milliarden für die Verkehrswende und ihr Personal da.

„Tarifeinheit“

Von IG Metall bis EVG haben die DGB-Gewerkschaften letztes Jahr durch ihre Kampflosigkeit, durch ihre Hinnahme von Nullrunden erneut bewiesen, dass sie der Regierung und den Bossen willig und treu zur Seite stehen, wenn es darum geht, die Krisenkosten auf ArbeiterInnen abzuwälzen.

Sie setzen ihre kapitaltreue Politik fort. Es ist die Politik, die uns 2015 mit ihrer Unterstützung das Tarifeinheitsgesetz beschert hat, das nun wie ein drohendes Schwert über dem Kampf der GDL schwebt. Und da wirft der EVG-Vorsitzende Hommel der GDL vor, sie wolle die EVG verdrängen. Dabei ist sie es, die die Schande der Tarifeinheit mit zu verantworten hat und die GDL somit zur offensiven Mitgliederwerbekampagne drängt (wozu der Streik natürlich auch ein bisschen gehört, warum leugnen?)!

Spannende Wochen liegen vor uns. Wir müssen damit rechnen, dass die DB AG zumindest versuchen wird, gerichtlich gegen den Kampf vorzugehen. Wir wissen nicht, was dann passieren wird, denn noch nie ist die Tarifeinheit auf eine Gigantin wie die Bahn angewandt worden. Mindestens bei von der EVG dominierten Betrieben kann es sein, dass der Kampf der GDL-KollegInnen illegalisiert wird. Was dann?

Claus Weselsky erkennt das Tarifeinheitsgesetz an. Also müsste er sich dann der Illegalisierung beugen. Aber warum eigentlich? Warum sollten wir uns dem Tarifeinheitsgesetz beziehungsweise der vom Staat bestimmten „Verhältnismäßigkeit“ beugen? Es sollten uns weder der Staat noch seine Gerichte vorschreiben, wann und wie viel gestreikt wird. Ein Streik ist immer noch eine Frage der eigenen Kampfstärke. Er kann geführt und gewonnen werden. Sollten streikende GDL-KollegInnen bei DB Netz Probleme bekommen, weil sie unter die Tarifeinheit fallen, dann muss das zum Thema des Streiks gemacht, müssen weitere Streiks politisch geführt und mit der Forderung nach einer Abschaffung der Tarifeinheit verbunden werden!

Solidarität statt Hetze!

Die GDL führt den Kampf, dem sich der DGB verweigert. Sie hat es mit mächtigem Gegenwind zu tun. Alle ernsthaften GewerkschafterInnen, alle Linken und insbesondere alle EVGlerInnen sollten daher ihren Kampf unterstützen, sich in Debatten mit empörten FreundInnen, KollegInnen und Familienmitgliedern hinter die EisenbahnerInnen stellen!

Es sollte zusammen mit den GDLerInnen eine öffentliche Gegenkampagne mit Flugblattverteilungen an Bahnhöfen anlaufen. Sie sollte sich der kommenden Hetzwelle entgegenstellen und klarmachen, dass der Kampf der EisenbahnerInnen eigentlich das ist, was alle Gewerkschaften mindestens in diesen Zeiten tun sollten. Außerdem liegt dieser Kampf im Interesse aller, denen die Verkehrswende wirklich wichtig ist. Wir brauchen keine staatlich subventionierte Straßen-E-Mobilität, sondern eine funktionierende Eisenbahn mit motiviertem Personal!

Zum Abschluss noch ein paar persönliche Worte in diesem Zusammenhang. Der Riss, der durch unsere EisenbahnerInnenfamilie geht, schadet uns allen. Unsere Vorsitzenden in EVG und GDL werfen sich gegenseitig Spaltung vor. Der Autor dieses Textes arbeitet selbst bei der DB und ist ein einfaches Mitglied bei der EVG ohne Posten. Er ist gründlich angefressen davon, wie in seiner Gewerkschaft vom Vorstand bis hinab in die Basis Stimmung gegen die KollegInnen der GDL gemacht wird, die er als seine EisenbahnkollegInnen betrachtet. Mir ist es auch vollkommen egal, ob wer bei der DB, Abellio oder ODEG arbeitet. Wir sind alle EisenbahnerInnen. Gleichzeitig geht es für mich deshalb genauso wenig in Ordnung, wenn in der GDL-Stimmung gegen EVGlerInnen gemacht wird.

Denn was hier passiert, ist, dass zwei Gewerkschaftsführungen, zwei Bürokratien, Hommel und Weselsky, ihren Clash zu unserem machen. Ich verteidige die GDL und ihren Kampf, mitsamt ihrem Vorsitzenden gegen alle Angriff von Medien, Regierung sowie EVG-Vorstand. Aber ich frage mich auch: Wie können wir unsere Spaltung überwinden, wie können wir nicht nur eine EisenbahnerInnengewerkschaft mit geeinter Kampfkraft schaffen, sondern sogar eine Transportgewerkschaft, zu der zum Beispiel auch unsere KollegInnen der Speditionen, Straßenbahn- und Busbetriebe gehören?

Ich habe das Gefühl, dass weder mit Hommel noch Weselsky daraus was wird. Die beiden sind in ihrer Stellung viel zu sehr davon abhängig, dem jeweils anderen verbal eins auf die Nuss zu geben, mal sanfter, mal fester. Daher möchte ich alle GewerkschafterInnen, besonders die TransportarbeiterInnen in EVG, ver.di und GDL dazu aufrufen, den Kampf der GDL zur Debatte darüber zu nutzen, wie wir unsere Spaltung überwinden, unsere Kämpfe gemeinsam führen und unsere Gewerkschaften so reorganisiert werden können, dass wir schließlich bei einer Transport- und Logistikgewerkschaft ankommen – nicht dadurch, dass eine andere Gewerkschaft verdrängt wird, sondern indem wir, die einfachen KollegInnen für eine von uns direkt kontrollierte Fusion kämpfen.

  • Unterstützt Streik der GDL! Volle Mobilisierung und unbefristeter Streik für die Forderungen – keine weitere Rücknahmen und Zugeständnisse!
  • Kein Einsatz von Beamten und anderen Beschäftigten als StreikberecherInnen!
  • Regelmäßige Streikversammlungen zur Koordinerung, Ausweitung und demokratischer Kontrolle des Kampfes!
  • Aufbau von Solidaritätskomitees in allen Gewerkschaften und allen Städten!