Portugal: Rechtsruck bei Wahlen

Dara O’Cogaidhin, Infomail 1250, 4. April 2024

Die nicht eindeutigen Ergebnisse der portugiesischen Parlamentswahlen vom 10. März führten zu einem knappen Sieg der Mitte-Rechts-Koalition Demokratische Allianz (AD) über die Mitte-Links-Partei Sozialistische Partei (PS). Zum ersten Mal seit 40 Jahren erreichte der prozentuale Stimmenanteil des so genannten „centrão“ einen Tiefstand von 60 %. Da es keinen eindeutigen Sieger gab, war die rechtsextreme Chega („Genug“) die eigentliche Nutznießerin der Wahl, denn sie vervierfachte ihre Sitze von 12 Sitzen im 230 Sitze zählenden Parlament im Jahr 2022 auf heute 48. Sie ist nun die drittstärkste Partei im Parlament und hält faktisch das Gleichgewicht der Macht.

Der AD-Vorsitzende Luis Montenegro sagte, er werde an seinem Wahlversprechen festhalten, keine Regierungskoalition mit Chega zu bilden, obwohl deren Chef André Ventura erklärte, er sei bereit, einige seiner umstritteneren Maßnahmen wie die chemische Kastration von Sexualstraftätern und die Einführung lebenslanger Haftstrafen fallen zu lassen, wenn dies die Einbeziehung in ein mögliches Regierungsbündnis ermögliche. Die Aussicht auf eine große Koalition zwischen der AD und der PS wurde ausgeschlossen, obwohl die PS angedeutet hat, dass sie die Bildung einer Minderheitsregierung der AD ermöglichen würde, indem sie sich bei wichtigen Abstimmungen im Parlament der Stimme enthält, um Chega in Schach zu halten.

Bedeutende Gewinne für Chega

Das Ergebnis unterstreicht den politischen Rechtsruck in ganz Europa. Portugal, das erst nach der Nelkenrevolution vor 50 Jahren zur Demokratie zurückkehrte, galt als immun gegen den Aufstieg des Rechtspopulismus auf dem gesamten Kontinent. Die Chega, die vor fünf Jahren gegründet wurde, trat mit einem Antiestablishmentprogramm an und versprach, mit der Korruption aufzuräumen. Ihre Kampagne enthielt auch einwanderungsfeindliche und Anti-LGBTQ+-Rhetorik, wobei Ventura eine Wehmut für die als Estado Novo bekannte Diktatur und deren Verteidigung traditioneller katholischer Werte zum Ausdruck brachte. Ventura ist ein ehemaliger Priesteranwärter, der sich als Fußballkommentator im Fernsehen einen Namen gemacht hat.

Die Korruption wird von vielen als typisch für die beiden großen Parteien in Westeuropas ärmstem Land angesehen. Die Chega, deren wichtigster Wahlkampfslogan „Portugal säubern“ lautete, konnte aus einer öffentlichkeitswirksamen Korruptionsuntersuchung im Zusammenhang mit staatlich beauftragten Energieprojekten Kapital schlagen, die im vergangenen Jahr zum Rücktritt des PS-Ministerpräsidenten Antonio führte.

Trotz eines Haushaltsüberschusses und jährlicher Wachstumsraten von über 2 % hat die PS-Regierung eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Arbeiter:innen zugelassen. Aufgrund der hohen Mietpreise herrscht eine Wohnungskrise, und Lissabon ist eine der teuersten Städte Europas, was die Miete angeht. Der durchschnittliche Monatslohn vor Steuern liegt bei etwa 1.500 Euro, was kaum ausreicht, um eine Einzimmerwohnung in der Hauptstadt zu mieten. Die PS-Regierung sah sich im vergangenen Jahr auch mit einer Streikwelle für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen konfrontiert.

Rückschläge für die Linke

Neben der PS waren die größten Verlierer:innen der Wahlnacht der Linksblock (Bloco Ezquierda, BE) und die Portugiesische Kommunistische Partei (PCP). Der BE konnte die 5 Parlamentssitze, die er 2022 gewonnen hatte, halten, vermochte jedoch nicht von der Desillusionierung der Arbeiter:innenklasse in die PS zu profitieren und erhielt den schlechtesten Stimmenanteil seit 20 Jahren. Im Jahr 2015 gewann der BE 18 Parlamentssitze und unterstützte zusammen mit der PCP, die 17 Sitze gewann, eine Minderheitsregierung der PS in einem Pakt, der als geringonça („improvisierte Lösung“) bekannt wurde.

Die Unterstützung der PS-Regierung war sowohl für den BE als auch für die PCP eine Katastrophe. Statt  sich von den Intrigen der Regierung, die ihre Aktivist:innenkapazitäten absorbierten, zu befreien, weigerten sich sowohl der BE als auch die PCP, eine Führungsrolle zu übernehmen und die Kämpfe zu verallgemeinern, als es im Herbst 2021 zu einer Streikwelle kam. Sie unterstützten auch weiterhin die Regierung, als diese das Militär mobilisierte, um einen landesweiten LKW-Fahrer:innenstreik im Jahr 2019 zu brechen.

Indem sie einer wirtschaftsfreundlichen PS-Regierung eine linke Deckung boten, schufen sie den Raum für Chega, sich als „antisystemische“ Protestpartei zu präsentieren. Anstatt die PS für die akute Lebenshaltungskostenkrise verantwortlich zu machen, kritisierte die BE-Vorsitzende Mariana Mortágua stattdessen deren absolute Mehrheit und forderte die Parteien der Linken (einschließlich der PS) auf, vor den Wahlen im März „eine Mehrheitsvereinbarung für ein linkes Regierungsprogramm auszuhandeln“. Anstatt eine sozialistische Alternative zu präsentieren, nährte der BE die Illusion, dass eine fortschrittliche Linksregierung durch die PS möglich sei.

Der BE hat auch eine neuen politische Konkurrentin namens LIVRE („Frei“), eine Pro-EU-Partei mit grün-linker Ausrichtung. Ihr Vorsitzender Rui Tavares spaltete sich 2014 vom BE ab. Sie hat ihre Vertretung im Parlament von einem Sitz im Jahr 2022 auf heute vier Sitze erhöht. Anders als der BE und die PCP war sie nicht damit belastet, eine PS-Regierung zu stützen, und profitierte am meisten vom Zusammenbruch deren absoluter Mehrheit. LIVRE gewann auch ihre Sitze in den traditionellen Bastionen des BE, darunter Lissabon und Setúbal.

Der langsame Niedergang der PCP bei den Wahlen setzt sich fort. Die Zahl ihrer Sitze ging von 6 auf 4 zurück, was zum Teil auf die Überalterung ihrer Wähler:innenschaft zurückzuführen ist, die tief in den Kämpfen gegen die Diktatur verwurzelt ist. Ihr 76-jähriger langjähriger Vorsitzender, Jerónimo de Sousa, wurde wiederholt kritisiert, weil er sich weigerte, die imperialistische Invasion Russlands in der Ukraine zu verurteilen. Die PCP behält immer noch die Kontrolle über den größten portugiesischen Gewerkschaftsbund CGTP, der im vergangenen Jahr Teilstreiks organisierte, um gegen Sparmaßnahmen und die steigende Inflation zu protestieren, es aber versäumte, einen Generalstreik als nächsten Schritt in einem nachhaltigen Aktionsplan gegen die PS-Regierung zu organisieren.

Instabile Regierung: Widerstand aufbauen!

Im vergangenen Jahr kam es zu einer Eskalation des Klassenkampfes gegen die PS-Regierung. Das Fehlen einer koordinierten industriellen Offensive bedeutete jedoch, dass die PS-Regierung mit ihrer absoluten Mehrheit die Schläge auffangen konnte. Niedrige Löhne und hohe Lebenshaltungskosten, die im letzten Jahr durch einen Anstieg der Inflation und der Zinssätze noch verschlimmert wurden, bedeuten, dass eine konservative Minderheitsregierung der AD von Anfang an verwundbar sein wird. Sie muss nicht nur mit anderen Parteien verhandeln, um Gesetze von Fall zu Fall zu verabschieden, sondern es ist auch mit Neuwahlen zu rechnen, wenn die AD ihren Haushalt für 2025 nicht verabschieden kann.

Die Demonstrationen zum 50. Jahrestag der Nelkenrevolution sollten die Gelegenheit bieten, in jedem Betrieb Arbeiter:innenversammlungen zu organisieren, um den Kampf zu planen, die verschiedenen Sektoren zu vereinen und die rechte AD-Regierung zu stürzen. Auf der Grundlage ihrer reichen revolutionären Traditionen müssen die Arbeiter:innen und Jugendlichen eine kämpferische Partei aufbauen, die mit einem sozialistischen Programm ausgestattet ist, um dem neoliberalen Angriff der AD zu widerstehen, bevor sie in der Lage sind, die Aufgaben zu erfüllen, die von der Revolution von 1974 – 1975 übrig geblieben sind.




Österreich: Solidarität gegen den Funke-Ausschluss

Arbeiter*innenstandpunkt, Infomail 1238, 4. Dezember 2023

Die SPÖ-Ausschlusskampagne auf rechten Zuruf befördert Rassismus und Kriegshetze

Die Sozialistische Jugend hat ihre Bezirksgruppe im Alsergrund ausgeschlossen, weil dort Aktivist:innen der Organisation „Der Funke“ führend aktiv sind. Damit kommt die SJ Wien einem Antrag der Bezirks-SPÖ zuvor, die öffentlich den Ausschluss der Jugendgruppe gefordert hatte. Auch in Vorarlberg hat die SPÖ ein Schiedsgericht gegen die Vorsitzenden der Sozialistischen Jugend eingesetzt, die zwar nicht dem Funke angehören sollen, aber ein Statement der Organisation geteilt hatten.

Gegen die Ausschlüsse!

Die sozialdemokratische Führung beginnt eine interne Säuberungskampagne, weil den Genoss:innen vom Funken ihre Position in der palästinasolidarischen Bewegung vorgeworfen wird. Diese Vorwürfe kommen von Journalist:innen, Online-Aktivist:innen, aber auch von ÖVP und FPÖ. Die Kampagne gegen den Funken ist undemokratisch und reaktionär. Sie soll an einem scheinbaren Extrembeispiel ausdrücken, was allen passiert, die sich nicht in die Regierungslinie der unbedingten Israelsolidarität einreihen.

Der Funke wird ausgeschlossen, weil er sich mit dem Widerstand gegen die israelische Besatzung solidarisiert, und weil einer ihrer Vertreter in einer Rede Israel als Apartheid- und Terrorstaat bezeichnet hat, der „weg“ müsse. Der Funke-Sprecher hat später gegenüber dem PROFIL klargestellt, dass er das Existenzrecht von Israel verteidigt, nicht aber das „Recht“ Israels, andere Nationen zu besiedeln, zu besetzen oder zu annektieren. Die Rhetorik kann man gut finden oder nicht, es ist aber egal. Die SPÖ beginnt ihre Ausschlusskampagne wegen dem rechten Druck, und nicht wegen einem 30-Sekunden-Videoausschnitt, der auf Twitter herumgereicht wird.

Wir als Arbeiter*innenstandpunkt solidarisieren uns mit den Funke-Aktivist:innen gegen die undemokratischen Ausschlüsse und gegen die mediale Verleumdungskampagne. Vorwürfe des „aggressiven Antisemitismus“ aus dem SPÖ-Parteivorstand sind an den Haaren herbeigezogen. Es muss auch klar sein, dass diese bürokratischen Methoden gegen jede Parteifraktion eingesetzt werden können, die inhaltlich widerspricht.

Türkis-Grüner Außenpolitik-Extremismus

Die sozialdemokratischen Spitzen drängen jetzt die parteiinterne Opposition heraus, aufgehängt an den Zurufen von Bundesregierung und FPÖ. Auch sonst stellen sich Babler und die Partei außenpolitisch vollinhaltlich hinter den reaktionären Regierungskurs.

Die Bundesregierung profiliert sich mit einer sogar international extremen Haltung gegen die palästinensischen Zivilist:innen und jegliche palästinensische Selbstbestimmung. Zusammen mit nur dreizehn anderen Ländern stimmte Österreich gegen eine UNO-Resolution für einen Waffenstillstand. Nehammer und Kogler unterstützen die Bombenkampagne der israelischen Armee, die schon mehr als 10.000 Zivilist:innen ermordet hat.

Rassistische Kampagne

In Österreich wird der Angriff der Hamas auf Israel und die Debatte um die israelischen Bombardements mühelos in antimuslimischen Rassismus übersetzt. ÖVP und FPÖ fordern geschlossene Grenzen und Massenabschiebungen, bezeichnen Geflüchtete als Antisemit:innen. Die Verschwörungstheorie über „importierten Antisemitismus“ ignoriert, dass Antisemitismus in Österreich fast ausschließlich von österreichischen Rechten ausgeht. Die rechten Parteien nutzen den antimuslimischen Rassismus auch, um den Antisemitismus ihrer eigenen Mitglieder unter den Teppich zu kehren. Das geht so weit, dass die niederösterreichische FPÖ, die eine Registrierung von Jüdinnen und Juden beantragt und um deren Vorsitzenden es die antisemitische Liederbuchaffäre gab, die angeblich liberale Einwanderungspolitik der SPÖ als antisemitisch bezeichnet. Auch die niederösterreichische ÖVP wirft der SPÖ vor, „eine Einladung an Antisemit:innen auszusprechen“. So wird die Solidarisierung mit der rechtsnationalen und rassistischen israelischen Regierung genutzt, um den Antisemitismus der Rechten schönzureden.

Aber auch die SPÖ wiederholt diese rassistischen Verschwörungstheorien. Der burgenländische Landeshauptmann Doskozil und der Wiener Gesundheitsstadtrat sind sich einig: Am steigenden Antisemitismus ist die Zuwanderung schuld. Nur beschuldigen die beiden das ÖVP-geführte Integrationsstaatssekretariat für die angeblich offenen Grenzen, greifen die Rechten von rechts an.

Der Mariahilfer SPÖ-Bezirksrat Götz Schrage geht noch weiter. In einem Zeitungskommentar setzt er rhetorisch den muslimischen Glauben mit Antisemitismus gleich und fordert, „Feinde Israels“ abzuschieben.

Die SPÖ unter Babler stellt sich außenpolitisch klar hinter die pro-imperialistische Linie der Bundesregierung. Babler war vor seiner Wahl mehrmals für frühere antiimperialistische Positionen kritisiert worden. Seit seiner Wahl hat er klar gemacht, dass von diesem linken Erben nichts übrig ist. Im Juni forderte er EU-Waffenlieferungen an die Ukraine, die israelischen Flächenbombardements verteidigt er als angebliche Selbstverteidigung. Nebensätze darüber, dass man die Palästinenser:innen „nicht vergessen“ dürfe und die Ablehnung des Waffenstillstands falsch wäre, können darüber nicht hinwegtäuschen.

Zur außenpolitischen nationalen Einheit gehört eben auch die Propaganda dazu. Die innerparteiliche Säuberungskampagne entspricht den rechten Forderungen, dass Palästinasolidarität ausgeschlossen und am besten verboten gehört.

Dagegen müssen Linke, Sozialist:innen und Revolutionär:innen sich klar aussprechen. Erstens, um zu verhindern, dass bürokratische Säuberungen in der Arbeiter:innenbewegung Fuß fassen. Aber auch, um der rassistischen Hetze und dem außenpolitischen Rechtsruck etwas entgegensetzen zu können.

In der Analyse der palästinensischen Befreiungsbewegung, dem Charakter des israelischen Regimes und vielem mehr ist sich die Linke sehr uneinig. In ein paar Punkten müssen wir aber zusammenstehen:

  • Solidarität mit dem Funken! Gegen unbegründete Antisemitismus-Vorwürfe und gegen den bürokratischen Ausschluss!

  • Gegen antimuslimischen Rassismus, gegen alle Abschiebungen und gegen Polizeirepression! Das Demonstrationsrecht muss für palästinasolidarische Aktionen gelten oder durchgesetzt werden.

  • Gegen Kriegsverherrlichung und entmenschlichende Hetze gegen Palästinenser:innen. Flächenbombardements haben nichts mit Selbstverteidigung zu tun!

  • Gegen die Ermordung von Zivilist:innen. Die Hinrichtungen und Massaker der Hamas helfen nicht in der Befreiung der Palästinenser:innen.



Luxemburg/Liebknecht-Ehrung: in wessen Spuren?

Martin Suchanek, Infomail 1210, 14. Januar 2023

Die Luxemburg-Liebknecht-Demonstration ist – wie jedes Jahr – eine verschiedener Strömungen, von Linken verschiedener Spektren gegen Kapitalismus, Imperialismus und Ausbeutung. Aber sie ist auch mehr und mehr zu einem leblosen Ritual verkommen, zu einer Mischung aus Gedenken und Gedankenlosigkeit. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Die Demonstration steht nicht wirklich in Bezug zu den aktuellen politischen Auseinandersetzungen. Damit ist nicht diese oder jene teilnehmende Gruppierung gemeint, sondern vielmehr ihr immer gleicher Ablauf. Der Aufruf zur LL-Demonstration ist – zu Recht – nicht weiter bekannt und im Grunde immer derselbe.

Die Demonstration ist somit für die Klassenkämpfe, Mobilisierungen, Aktionen über den 2. Sonntag im Januar hinaus folgenlos. Einen Versuch, die Lohnabhängigen über die schon organisierte Linke hinaus zu erreichen oder direkt an Mobilisierungen wie dem Kampf um Lützerath anzuknüpfen, gibt es nicht.

Politisch-ideologisch ist die Demonstration v. a. von Gruppierungen geprägt, die aus einer stalinistischen Tradition stammen. Das fängt bei den eigentlichen Organisator:innen an und zeigt sich auch auf der Marschroute selbst. Schon das verleiht dem Gedenken an Liebknecht, Luxemburg und Lenin einen fragwürdigen Charakter. Hier sollen kommunistische Theoretiker:innen und Politiker:innen für eine letztlich dem Kommunismus fremde Tradition, die untrennbar mit der Verteidigung bürokratischer Herrschaft über das Proletariat verbunden ist, missbraucht werden.

Nicht minder abstoßend wirkt, wenn Reformpolitiker:innen der Linkspartei oder gar SPD-Apparatschiks aus der zweiten, vorgeblich linken Jusoriege Karl und Rosa ihre Aufwartung machen und – wie die Stalinist:innen – deren Erbe nur für die eigenen, alles andere als revolutionären und emanzipatorischen Zwecke missbrauchen.

Es gibt also viel zu kritisieren an der LL-Demonstration wie auch an den Feierlichkeiten von Linkspartei und Sozialdemokratie. Und es bedarf auch keiner großen Kenntnis des politischen Werks der beiden Revolutionär:innen, um zu wissen, dass ihnen eine solche „Gedenkform“ zuwider gewesen wäre.

Der beklagenswerte, ritualisierte Charakter des „Gedenkens“ wirft jedoch auch die Frage auf, was eine echte Würdigung Luxemburgs und Liebknechts bedeutet. Es geht hier nicht einfach um die „Verehrung“ zweier heroischer Kämpfer:innen, die, wie auch Hunderttausende, ja Millionen Namenlose Opfer der herrschenden Klasse waren. Es geht v. a. darum, an welche ihrer Positionen revolutionäre, kommunistische Politik heute anknüpfen kann und muss, welche für die gegenwärtigen und zukünftigen Klassenkämpfe fruchtbar zu machen sind.

Im Folgenden wollen wir thesenartig darlegen, an welchen Positionen von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht es auch heute anzuknüpfen gilt.

1. Massenstreik als revolutionäres Kampfmittel

Rosa Luxemburg hebt zu Recht die Bedeutung des POLITISCHEN Massenstreiks als eines revolutionären Kampfmittels hervor – zur Vereinheitlichung der Klasse der Lohnabhängigen, gerade, weil der rein gewerkschaftliche Kampf, der Teilkampf der schon Organisierten seine Grenzen hat.

Sie sieht ihn als Mittel der Zuspitzung und Einbeziehung der Massen, zu deren praktischem selbstständig Werden.

Daher richtet sich ihre Kritik nicht nur an die Gewerkschaftsbürokratie und die Parteirechte in der Sozialdemokratie, sondern auch gegen Kautskys Demonstrations-Streikkonzeption und seine „Ermattungsstrategie“.

2. Antimilitarismus und Internationalismus

Liebknechts und Luxemburgs Politik ist untrennbar mit dem Kampf gegen militärische Intervention, gegen die Militarisierung v. a. der Jugend verbunden.

Die imperialistische Politik der „eigenen herrschenden“ Klasse, des Hauptfeinds, der im eigenen Land steht, muss ihnen zufolge mit den Mitteln des Klassenkampfes bekämpft werden. Dazu gehört ihr Eintreten für gemeinsame Aktion der Arbeiter:innenklasse, die Agitation im Krieg, die selbst half, die politischen Grundlagen für Streikaktionen wie jene in der Rüstungsindustrie Anfang 1918 zu legen.

Antimilitarismus war für sie keine auf ein Land beschränkte Sache, sondern untrennbar mit der internationalen Aktion der Klasse verbunden – und damit auch mit dem Kampf für den Aufbau einer neuen Internationale, nachdem die Zweite degeneriert war.

3. Charakterisierung der Epoche als imperialistisch

Luxemburg erkennt wie eine Reihe anderer Theoretiker:innen, dass an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ein Epochenwechsel stattfindet, dass der Kapitalismus zu einem Hindernis für die gesellschaftliche Entwicklung geworden ist.

Entgegen den Vorstellungen der revisionistischen Theoretiker:innen in der Sozialdemokratie hebt sie hervor, dass wir in eine Epoche der engeren Verschmelzung von Staat und Kapital, der Aushöhlung der Demokratie eingetreten sind. Daher kommt für sie auch die Entwicklung zum Krieg um eine Neuaufteilung der Welt nicht überraschend, sondern wird vorhergesehen. Prägnant wird das in der Formulierung der historischen Alternative „Sozialismus oder Barbarei“ ausgedrückt.

4. Kritik am Reformismus

Luxemburg erkennt als eine der ersten, dass das reine Gewerkschafter:innentum und der Revisionismus als frühe Formen des Reformismus unbedingt bekämpft werden müssen. Sie erkennt früher als viele andere, dass es sich hier nicht um einen anderen Weg zum gleichen Ergebnis, sondern letztlich auch um ein anderes Ziel handelt – und damit um die Aufgabe des Klassenstandpunktes des Proletariats überhaupt.

Der Sozialismus ergibt sich für Luxemburg „aus den immer mehr sich zuspitzenden Widersprüchen der kapitalistischen Wirtschaft und aus der Erkenntnis der Arbeiterklasse von der Unerläßlichkeit ihrer Aufhebung durch eine soziale Umwälzung.”

Und weiter schreibt sie: „Leugnet man das eine und verwirft man das andere, wie es der Revisionismus tut, dann reduziert sich die Arbeiterbewegung zunächst auf simple Gewerkvereinlerei und Sozialreformerei und führt durch eigene Schwerkraft in letzter Linie zum Verlassen des Klassenstandpunktes.” (Luxemburg: Sozialreform oder Revolution)

5. Kritik am Versöhnler:innentum

Für Luxemburg ist Reformismus – selbst wenn er den Sozialismus als „Endziel“ einer fernen Zukunft proklamiert – bürgerliche Politik, der „linke“ Flügel der bürgerlichen Ordnung. Sie wendet sich aber nicht nur gegen die Berufsverräter:innen der Bürokratie, welche die Gewerkschaften und sozialdemokratischen Parteien bis heute beherrschen. Sie richtet sich auch gegen alle, die den grundlegenden Unterschied zwischen Kommunismus und Reformismus unter den Teppich kehren wollen.

Luxemburg wendet sich daher mit großer polemischer und analytischer Schärfe auch gegen das Versöhnler:innentum, gegen den Zentrismus. So kritisiert sie schon sehr viel früher als andere auch die Politik Kautskys in der Sozialdemokratie.

6. Notwendigkeit der proletarischen Diktatur

Alle Kampfmittel, Teilkämpfe, jede Taktik werden von Luxemburg letztlich als Mittel zum Erreichen des eigentlichen Ziels der Arbeiter:innenklasse, der geschichtlichen Bewegung, des revolutionären Sturzes des Kapitalismus begriffen. Das heißt, dass der Kampf um die politische Machtergreifung, die Errichtung der Diktatur des Proletariats geführt werden muss.

Für Luxemburg entspricht die soziale Revolution einem weltgeschichtlichen Bürgerkrieg, einem zwischen Klassen. Daher muss sich die revolutionäre Klasse auch rüsten, um diesen Krieg zu gewinnen. Prägnant formuliert sie das in „Was will der Spartakusbund?“: „Eine solche Ausrüstung der kompakten arbeitenden Volksmasse mit dem ganzen politischen Arsenal für die Aufgaben der Revolution, das ist die Diktatur des Proletariats und deshalb die wahre Demokratie.“

Zweifellos hatte Luxemburg nichts mit der bürokratischen Diktatur des Stalinismus am Hut. Für sie war Sozialismus die breiteste Demokratie der arbeitenden Massen. Aber sie war auch keine Dutzenddemokratin, die sich davor gescheut hätte, offen die Notwendigkeit auszusprechen, dass die Arbeiter:innenklasse zu ihrer Befreiung die politische Macht nicht nur erobern, sondern auch verteidigen muss.

7. Notwendigkeit der revolutionären Partei

Für Luxemburg steht die Notwendigkeit der Organisierung der Avantgarde, der bewusstesten Teile der Arbeiter:innenklasse zur politischen Partei nie in Frage.

Luxemburg besteht vielmehr – und zwar zu Recht – darauf, dass diese auch die Aktion der Gewerkschaften resp. der Parteimitglieder in Gewerkschaften und Bewegungen bestimmen muss.

Das zeigt sich natürlich auch darin, dass einen zentralen Teil ihres Lebenswerkes der Kampf für den Aufbau einer revolutionären Partei ausmachte: der Sozialdemokratie in Polen und Litauen, der Kampf auf dem linken, revolutionären Flügel der SPD und die Gründung der KPD.

Ihr Verständnis davon kommt deutlich zum Ausdruck in „Was will der Spartakusbund?“: „Der Spartakusbund ist nur der zielbewußteste Teil des Proletariats, der die ganze breite Masse der Arbeiterschaft bei jedem Schritt auf ihre geschichtliche Aufgabe hinweist, der in jedem Einzelstadium der Revolution das sozialistische Endziel und in allen nationalen Fragen die Interessen der proletarischen Weltrevolution vertritt.“

Zweifellos zeigte Luxemburgs Werk auch etliche Schwächen: so ihre Akkumulations- und Krisentheorie; ihr falsches Verständnis der nationalen Frage; ihr Zögern im Kampf um die Gründung der Kommunistischen Internationale (siehe dazu den Beitrag „Luxemburgs Beitrag zum Marxismus“ ).

Zweifellos hat sie in etlichen Abschnitten ihres Werkes und Wirkens die Rolle der Spontaneität im Klassenkampf zu hoch bewertet. Selbst ihren Überspitzungen lag jedoch ein richtiges Element zugrunde, wo es sich gegen die bürokratische, passive und antirevolutionäre Behäbigkeit der Sozialdemokratie und Gewerkschaften wandte.

Die Vorstellung, dass Luxemburg eine grundlegende Alternative zum Leninismus darstelle oder herausgearbeitet habe, ist jedoch eine nachträgliche Konstruktion, die ihr Werk selbst entstellt. Es ist eine Mythologisierung, die Stalinismus und Sozialdemokratie teilen, um die jeweils eigene, nichtrevolutionäre Politik zu legitimieren.




Dänemark: Scheitern der „neuen“ Sozialdemokratie

Markus Lehner, Neue Internationale 267, September 2022

Seit einigen Jahren wurde die „Modernisierung“ der dänischen Socialdemokraterne unter ihrer Frontfrau Mette Frederiksen als so etwas wie das Modell für die europäische Sozialdemokratie gefeiert. Jetzt deutet vieles darauf hin, dass bei vorgezogenen Neuwahlen im Herbst der Mette-Stern wieder im Sinken begriffen ist.

Rechtsruck

Auch Dänemark war im letzten Jahrzehnt durch das Aufkommen des Rechtspopulismus rund um die Migrationsfragen nach rechts gerückt. Bei der Folketingwahl 2015 hatte die Antimigrationspartei Dansk Folkeparti (Dänische Volkspartei), vergleichbar der AfD zu jener Zeit, um die 20 % der Stimmen bekommen und war so im bürgerlichen Lager zur stärksten Partei geworden. Die wichtigste offen bürgerliche Partei, mit dem irreführenden Namen Venstre (übersetzt eigentlich Die Linke, die wohl im 19. Jahrhundert als linksliberale galt) bildete unter Duldung auch der Rechtspopulist:innen eine Minderheitsregierung unter Løkke Rasmussen. Die in Opposition geschickte Sozialdemokratie „erneuerte“ sich daraufhin unter ihrer neuen Vorsitzenden Mette Frederiksen, indem sie weitgehend die rassistische Einwanderungspolitik der Rechtspopulist:innen übernahm, diese aber mit einem sozialen Programm nur für „einheimische“ Dän:innen koppelte. Tatsächlich konnte dann bei der Wahl 2019 die Sozialdemokratie wieder mit über 25 % zur stärksten Partei werden – gleichzeitig halbierten sich die Rechtspopulist:innen der Dänischen Volkspartei auf unter 10 %. Dies ging jedoch nicht nur zu Gunsten der Sozialdemokrat:innen – auch die anderen bürgerlichen Parteien, insbesondere Venstre und die Konservative Volkspartei waren nach rechts gerückt und gewannen Anteile von den Rechten. Insgesamt reichte es aber für eine Minderheitsregierung der Sozialdemokrat:innen.

In Dänemark sind Minderheitsregierungen der Normalfall. Es wird von einem roten Block um die Sozialdemokrat:innen, einem blauen Block um Venstre und die Konservativen ausgegangen, die abwechselnd Minderheitsregierungen bilden. Nach dänischem Recht bleiben diese im Amt, solange aus dem jeweiligen Block keine explizite Ansage getroffen wird, dass die Regierung nicht mehr unterstützt wird. Im roten Block befinden sich traditionell die Sozialistische Volkspartei (SF, die zwar aus einer eurokommunistischen Abspaltung der Kommunistischen Partei hervorgegangen ist, aber nicht zufällig im Europaparlament in der grünen Fraktion sitzt; sie bildet eine etwas linkere Version der deutschen Grünen) und die Rot-Grüne Einheitsliste (die Schwesterorganisation der deutschen LINKEN). Wesentlicher Bestandteil des Blocks ist aber immer auch eine offen bürgerliche Partei, die Radikale Venstre (vor Jahrzehnten als linksliberale Abspaltung aus Venstre hervorgegangen). Diese Radikalen sorgen jeweils dafür, dass die sozialdemokratischen Regierungen „maßvolle“ Sozial- und Steuerpolitik betreiben. Bei der Wahl 2019 ging es 52 % zu 48 % für den „roten Block“ aus. Somit war auch die Einheitsliste (mit ihrem 7 %-Anteil) durch ihre Tolerierung mitbeteiligt an solchen rassistischen Gesetzen wie der Unterbindung von „Ghettobildung“ durch Quoten für den Zuzug von MigrantInnen in bestimmte Gemeinden.

EU-Imperialismus

Die Regierung Frederiksen stand auch sonst während der Coronakrise und im Gefolge dem Ukrainekrieg ganz auf Linie der europäischen Bourgeoisie. Dänemark ist vorne dran bei Waffenlieferungen, Aufrüstung (insbesondere der Marine). Außerdem setzte Frederiksen per Volksabstimmung durch, dass Dänemark nun auch der europäischen Verteidigungsgemeinschaft beitritt, wogegen früher vehement opponiert wurde. Dänemark erreichte hierzu bei den europäischen Verträgen eine Ausnahme, die nun aufgehoben wird. Nur die Einheitsliste opponierte, hielt aber an der Tolerierung fest. Außerdem ist Frederiksen eine radikale Unterstützerin aller Aspekte der israelischen Politik und benützt dies regelmäßig zur Begründung rassistischer Politik gegen Migrant:inen aus arabischen Ländern und deren linke Unterstützer:innen mithilfe von Vorwürfen des auf Israel bezogenen Antisemitismus‘. Kurz gesagt war Frederiksen in fast allen Aspekten für die rechte Sozialdemokratie in Europa so etwas wie die Anti-Corbyn.

Dass sie jetzt gerade trotzdem von der dänischen Bourgeoisie in Gestalt der Radikalen gestürzt wird, ist bemerkenswert. Vordergründig geht es um eine Untersuchungskommission zur Schlachtung der Nerzbestände während der Coronakrise. Dabei kam wohl heraus, dass die Regierung (wie viele andere in der Coronakrise) im rechtlichen Graubereich agierte, als sie auf Studien der Übertragung von Coronaviren durch Nerze die Massenkeulungen anordnete. Offensichtlich ist dies ein Vorwand. Umfragewerte hatten seit einiger Zeit einen Umschwung zugunsten des blauen Blocks gezeigt. Die dänische Bourgeoisie sieht wohl die Notwendigkeit, in einer wirtschaftlichen Krisensituation möglichst nicht über eine Regierung zu verfügen, die Rücksichten auf Gewerkschaften und Linke nehmen muss. Sowohl Gewerkschaften wie Einheitsliste drängen auf Preiskontrollen, Mietpreisbremsen und in bestimmten Bereichen auch auf Verstaatlichungen – und finden dafür auch in Teilen der Sozialdemokratie breite Unterstützung. Die rechten Parteien setzen dagegen auf Steuererleichterungen, was auch die Radikalen für den besseren Weg sehen. Dafür haben sie jetzt die „Nerzaffäre“ genutzt, um zu erklären, dass sie die Regierung Frederiksen nicht mehr unterstützen werden. Da Steuerpolitik zugunsten der Reichen und Nerze allein sicher keine Wahlen gewinnen lässt, spielt zufällig auch der Rechtspopulismus wieder seine Rolle.

Neuwahlen

Auch wenn der Niedergang der Dänischen Volkspartei weitergeht, so ist doch eine neue rechtspopulistische Alternative aufgetaucht: Ein Mitglied der ehemaligen Venstre-Regierung, Inger Støjberg, hatte als Integrationsministerin gesetzeswidrig migrantische Eheleute getrennt und war dafür sogar zu 60 Tagen Gefängnis verurteilt worden. Nunmehr aus Venstre ausgetreten, gründete sie eine neue Partei, nach schwedischem Vorbild Dänemarkdemokraten genannt. Als „Heldin“ des Antimigrationskampfes und stramme EU-Establishmentkritikerin sammelte sie sofort eine große Anhängerschaft und katapultierte ihre Partei auf Anhieb auf 11 % in den Umfragen. Wiederum ist sich der blaue Block nicht zu schade, diese noch übleren Rechten in ihre Reihen aufzunehmen. Konservative und Venstre schachern gar schon darum, wer von beiden künftig den Ministerpräsidenten stellt (es gibt dafür nur zwei männliche Kandidaten). Entsprechend sind die Sozialdemokrat:innen auf 21 % abgesackt so wie der rote Block insgesamt auf 48 %. Allerdings durchkreuzt der ehemalige Ministerpräsident Løkke Rasmussen die Rechnung, da er mit seiner Abspaltung von Venstre, den Moderaten, aus beiden Blöcken ausscheiden und eine „große Koalition“ (wohl unter seiner Führung) erzwingen will.

Es sieht also nach „Zeitenwende“ in Dänemark aus, allerdings in jedem Fall nicht im Sinne der Arbeiter:innen und migrantischen Menschen. Die Sozialdemokrat:innen, statt aus dem Debakel ihrer Rechtswende zu lernen, werden weiterhin versuchen, sich als die Rassist:innen mit sozialem Antlitz und als getreue NATO-Kriegstreiber:innen zu präsentieren mit linker Flankendeckung durch die SF. Allerdings hat die Rechtswende ihnen gerade in den Großstädten wie Kopenhagen oder Odense starke Verlust nach links, insbesondere in Richtung Einheitsliste gebracht (in Kopenhagen wurden letztere zur stärksten Kommunalpartei). Auch in den Umfragen legen SF und Einheitsliste auf jeweils 9 % zu. Auch wenn die Einheitsliste sich in den letzten Jahren als Steigbügelhalterin der Rechtswende der Sozialdemokratie betätigt hat, vereinigt sie jetzt schon im Vorwahlkampf all diejenigen hinter sich, die für Antirassismus, Antimilitarismus und Forderungen nach Umverteilung von oben nach unten in Zeiten der Inflation kämpfen wollen. Es mag sein, dass ein größerer Teil der organisierten Arbeiter:innenklasse weiterhin Sozialdemokratie wählen will, aber mit Inkaufnahme oder gar Unterstützung des rassistischen Kurses der Partei. Die Einheitsliste vereinigt daher die fortschrittlichen Teile der Arbeiter:innenklasse hinter sich, und sollte daher im Wahlkampf auch kritisch unterstützt werden. Eine Antikrisenbewegung in Dänemark, die sich gerade gegen die rechte Frederiksen-Sozialdemokratie herausbildet, kann tatsächlich ein Zeichen für die ganze EU setzen. Dies erfordert aber auch letztlich, dass sich jenseits der Einheitsliste und der in ihr vertretenen zentristischen Organisationen in diesen Kämpfen wieder eine neue revolutionäre dänische Arbeiter:innenpartei herausbildet.




Parteiordnungsverfahren gegen Schröder scheitert: Genosse der Bosse bleibt SPD-Mitglied

Martin Suchanek, Infomail 1195, 9. August 2022

Längst ist der einstige SPD-Vorsitzende und Bundeskanzler, Gerhard Schröder, seiner Partei zur politischen Last geworden. Doch so schnell wird die Sozialdemokratie jenen Mann nicht los, der ihr einst den Sieg über Helmut Kohl und eine rot-grüne Regierung einbrachte – und dessen Kabinett uns die Unterstützung der Kriege gegen Jugoslawien und Afghanistan, Hartz- und Agenda-Gesetze bescherte.

Doch wegen der rot-grünen Regierungspolitik im Interesse des deutschen imperialistischen Kapitals stand Schröders SPD-Mitgliedschaft ohnedies nie zur Disposition. Unterordnung unter die Interessen der herrschenden Klasse gehört schließlich seit dem August 1914 zum Wesen sozialdemokratischer Politik.

Schiedskommission

17 SPD-Gliederungen hatten in den letzten Monaten vielmehr die Einleitung eines Parteiordnungsverfahrens gegen Schröder – also faktisch dessen Ausschluss – gefordert wegen seiner prorussischen Politik, seiner Freundschaft zu Putin und seiner geschäftlichen Verstrickung mit russischen Energiemonopolen. Vor der Schiedskommission des SPD-Unterbezirks Region Hannover wurden diese Anträge am 7. August allesamt zurückgewiesen. Weitere Instanzen und möglicherweise der Weg vor bürgerliche Gerichte könnten folgen.

Wie schwer oder leicht der SPD die Trennung vom peinlich gewordenen Ex-Kanzler fallen mag, der sein Parteibuch partout nicht freiwillig abgeben will, interessiert uns ebenso wie die Parteiordnung der Sozialdemokratie nur am Rande. Wie einst beim Rechtspopulisten Thilo Sarrazin mag sich ein Ausschlussverfahren über Jahre hinziehen und der bürgerlichen politischen Konkurrenz ständig leichte Munition gegen die Sozialdemokratie liefern. Insofern würde die SPD-Spitze den Fall wohl am liebsten ad acta legen und hofft wohl darauf, dass das Thema „einschläft“, was freilich wenig mehr als ein frommer Wunsch sein dürfte, solange der Krieg um die Ukraine weiter wütet.

So tröstet sich der Co-Vorsitzende Lars Klingbeil mit der Behauptung, dass „Gerhard Schröder mit seinen Positionen in der SPD isoliert“ wäre. Mag sein.

Nicht bloß eine Personalie

Unter den Tisch soll dabei wohl gekehrt werden, dass es mit der Distanzierung von Schröder keineswegs bloß um eine unliebsame Personalie und einen störrischen Ex-Vorsitzenden und -Kanzler geht, der sich mit „seiner“ Partei entzweit hat. Schröder und seine Kabinette standen – wie übrigens auch jene von Kohl und die ersten Merkels – für die außenpolitische Doktrin einer strategischen Partnerschaft mit Russland.

Diese Ausrichtung stellte keineswegs weder bloß Schröders Privatmeinung dar noch beruhte sie, wie es heute die Weißwäscher:innen des aktuellen Kurses der Bundesregierung darstellen, auf einer „naiven“ Einschätzung Putins oder Russlands – und erst recht nicht auf „Männerfreundschaften“.

Die durchaus immer schon fragwürdige Kumpanei eines Kohl mit Jelzin, eines Schröder mit Putin symbolisierte in Wirklichkeit nur eine andere strategische Ausrichtung des deutschen (wie auch des französischen) Imperialismus in den 1990er Jahren und zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf einen eigenständigeren, zur Weltmacht fähigen, von Deutschland und Frankreich geführten imperialen EU-Block. In diesem Rahmen zielte die Partnerschaft mit Russland immer auf dieses Land als Juniorpartner ab, als militärische und geopolitische Größe, die allerdings ökonomisch immer nur eine zweite oder dritte Geige spielen konnte.

Diese strategische Option des deutschen und französischen Imperialismus stellte damals für die USA eine globale Herausforderung dar – und, wäre sie aufgegangen, keine geringere als das heutige China. Die Ukrainepolitik der USA bildete dabei seit 2004 einen der Hebel, um diese mögliche Allianz zwischen Berlin, Paris und Moskau zum Scheitern zu bringen. Spätestens 2014 waren die USA darin so weit erfolgreich, dass die „Partnerschaft“ mit Russland aufgekündigt werden musste. Mit dem Krieg 2022 ist an eine Rückkehr zu diesem Kurs, jedenfalls für die absehbare Zukunft, nicht mehr zu denken.

Derweil müssen die imperialistischen Ambitionen Deutschlands und der EU daher im Rahmen einer US-geführten westlichen Kooperation und NATO-Kriegsallianz verfolgt bzw. bewältigt werden. Für Schröder und anderer Vertreter:innen seines außenpolitischen Kurses findet sich im bürgerlichen politischen Establishment auf absehbare Zeit kein Platz. Daher ging er einiger seiner Privilegien als Ex-Kanzler Verlust, daher will heute in der SPD niemand oder jedenfalls niemand, der/die einen Posten an der Spitze ergattern will, Schröders Namen auch nur in den Mund nehmen.

Doppelmoral

Zweifellos. Schröders zynisch-makabere Unterstützung der russischen Aggression, seine Tätigkeit für das Monopolkapital, die Kumpanei mit dem von ihm zum „lumpenreinen Demokraten“ verklärten Bonaparten Putin empören zu Recht Tausende, wenn nicht Zehntausende sozialdemokratische Parteimitglieder. Sicherlich wollen viele von ihnen aus ehrlichen, gerechtfertigten Motiven endlich den Genossen der Bosse loswerden – nicht nur wegen seiner Russland-, sondern gerade auch wegen der Regierungspolitik unter und seit seiner Amtszeit.

Afghanistan-, Jugoslawienkrieg, EU-Austeritätspolitik und Spardiktate, Hartz-Gesetze, Agenda 2010 und massive Ausweitung des Billiglohnsektors – dafür stand und steht Schröder. Doch nur er? Wohl nicht. Vom Kanzler Scholz abwärts exekutieren die Spitzen der SPD seit Jahren und Jahrzehnten diese Politik des Altkanzlers. Gewandelt hat sich im Wesentlichen „nur“ die außenpolitische, imperiale Ausrichtung.

Doch die zynische Beschönigung der russischen Invasion in der Ukraine darf nicht vergessen machen, dass der NATO-Krieg gegen Afghanistan nicht minder barbarisch war. Wer Schröder wegen seiner menschenverachtenden Pro-Putin-Politik anklagt und vor das SPD-Schiedsgericht bringt, muss sich zumindest die Frage gefallen lassen, warum niemand wegen des nicht minder reaktionären Afghanistankrieges, der Zustimmung zum 100-Milliarden-Sondervermögen, zur NATO-Aufrüstung und –Expansion ein Parteiordnungsverfahren fürchten muss(te).

Die Antwort fällt wenig schmeichelhaft aus – auch wenn es manche SPD-Mitglieder nicht hören wollen: Wer die „richtige“, d. h. westliche imperialistische Politik unterstützt, ist in der SPD gut aufgehoben.




Politische Krise in Schweden: Streikmaßnahmen weisen den Weg vorwärts

Arbetarmakt, Infomail 1128, 1. Dezember 2020

Seit die Parlamentswahlen im September 2018 zu einem Patt im Parlament geführt haben, hinkt Schweden von einer Beinahe-Krise zur nächsten. Es dauerte bis Januar 2019, bevor eine Koalitionsregierung aus SozialdemokratInnen und Grünen mit parlamentarischer Unterstützung durch Zentrumspartei und Liberale gebildet werden konnte, und selbst dann war dies eine Minderheit im Riksdag (Abgeordnetenparlament).

Zugeständnisse an Bürgerliche

Die Alternative hätte eine rechtsgerichtete Koalition einschließlich der rechtsextremen, rassistischen SchwedendemokratInnen bilden können. Um dies zu vermeiden, waren die sozialdemokratische und die Grünen-Partei bereit, Schlüsselmaßnahmen aus dem Programm der Zentrumspartei und der Liberalen zu akzeptieren. Damals bemerkte das Magazin The Economist, dass das „Januar-Abkommen“ acht Vorschläge enthielt, „die in direktem Widerspruch zum [sozialdemokratischen] Manifest stehen, wie z. B. die Abschaffung von Gewinnbeschränkungen im privaten Wohlfahrtssektor und eine zusätzliche Einkommenssteuer für HochverdienerInnen“.

Unter den acht Maßnahmen waren zwei, die zum Kern der sozialdemokratischen Tradition gehörten: die Vermarktung von Mieten und ein Angriff auf das Kündigungsschutzgesetz (LAS), ein zentrales Gesetzeswerk aus den 1970er Jahren. Selbst mit dem Abkommen verfügte die Regierung nicht über eine parlamentarische Mehrheit, so dass sich alle Augen auf die Linkspartei und ihren Vorsitzenden Jonas Sjöstedt richteten, der das Abkommen (zu Recht) als einen Schritt in Richtung zunehmender Ungleichheit und weiterer Angriffe auf die Rechte und Bedingungen der ArbeiterInnenklasse charakterisiert hatte. Die Mitglieder der Linkspartei und ihre WählerInnen griffen auf die sozialen Medien zurück, um ihre Führung aufzufordern, „den roten Knopf zu drücken“, d. h. die neue Regierung und das neoliberale Abkommen abzulehnen.

Wie ein Mitglied der Linkspartei, der ehemalige Abgeordnete Daniel Sestrajcic, der den linken Bezirk Malmö vertritt, schrieb: „Wenn die SozialdemokratInnen die Partei von dem, was von der Sozialdemokratie übrig geblieben ist, säubern und ihre eigene Umwandlung zu einer offen bürgerlichen Partei annehmen wollen, dann ist das ihre eigene, traurige Entscheidung. Für die Linkspartei gibt es nur einen Knopf zu drücken: den roten.“

Die Liberalen und die Zentrumspartei erkannten die potentielle Schlüsselrolle der Linkspartei und bestanden darauf, dass das Abkommen eine Klausel enthält, dass die Regierung ihr keinen Einfluss auf ihre politische Richtung gestattet. Nach Erhalt einer „geheimen Notiz“ des sozialdemokratischen Premierministers Stefan Löfven, dass diese Klausel nun angeblich veraltet sei, kündigte die Linkspartei an, dass sie sich bei der Abstimmung über die Regierungsbildung der Stimme enthalten werde, und sorgte damit für deren Bildung. Um die Pille eines solch demütigenden Rückziehers zu versüßen, behauptete Sjöstedt, dass, wenn die Regierung eine von zwei „roten Linien“, nämlich die Vermarktung von Mieten oder rechtliche Angriffe auf die Arbeitsplatzsicherheit, überschreite, die Linkspartei für die Absetzung von Stefan Löfven stimmen würde.

Regierungsbildung mit Unterstützung der Linkspartei

Wie Arbetarmakt, die schwedische Sektion der Liga für die Fünfte Internationale, seinerzeit schrieb, hätte die Drohung mit einer großen Prise Salz aufgenommen werden müssen. Jahrzehntelang bestand die langfristige Strategie der Linkspartei darin, in eine Regierungskoalition mit den SozialdemokratInnen eingebunden zu werden und sich so einen „linken Einfluss“ in der Verwaltung des bürgerlichen Staates zu sichern.

Die Linkspartei begründete ihre Unterstützung für eine nach rechts gehende Koalition als das „kleinere Übel“ im Vergleich zu einer rechtsgerichteten Koalition mit den SchwedendemokratInnen. Natürlich ist es lobenswert, diese daran zu hindern, irgendeine Rolle in der Regierung zu gewinnen, jede/r Sozialist/in würde dem zustimmen, aber sie aus der Regierung herauszuhalten, ist das eigentliche Ziel, und dazu bedarf es einer langfristigen Strategie. Die Unterstützung einer Regierung, die sich dem Angriff auf die ArbeiterInnenrechte und der „Vermarktung“, d. h. der Erhöhung der Wohnkosten, verschrieben hat, wird unweigerlich genau die Bedingungen verbessern, unter denen die SchwedendemokratInnen aufblühen können.

Es sickerte etwa zu dieser Zeit durch, dass sozialdemokratische Insiderinnen von ihrer größten Befürchtung sprachen: eine militantere Linkspartei könne Teile des LO (Landsorganisationen i Sverige), des wichtigsten Gewerkschaftsbundes, abspalten und „sich als große, linkssozialistische Partei etablieren“. Jede echte sozialistische Partei hätte alles in ihrer Macht Stehende tun müssen, schrieben wir, um genau das zu tun. Mit dieser Haltung hätte sie dann gestärkt in eine mögliche neue Wahlperiode gehen, nicht den Respekt von Stefan Löfven gewinnen, sondern irgendwo weit weg von den Büros und Wohnungen der Abgeordneten sich an die ArbeiterInnen und Armen des Landes wenden können, an alle, die von rechter und rassistischer Politik bedroht sind.

Die natürlichen Losungen wären gewesen: Keine Unterstützung für das Januar-Abkommen oder für die darauf basierende bürgerliche Regierung Löfven! Alle offen bürgerlichen Parteien aus der Regierung heraus! Kein Einfluss für die SchwedendemokratInnen! Bringt alle bürgerlichen Vorschläge zu Fall – bringt die Regierung zu Fall!

Stattdessen begnügten sich die Abgeordneten der Linkspartei mit der Androhung eines Misstrauensvotums gegen Löfven zu einem späteren Zeitpunkt, sollte er ihre „roten Linien“ überschreiten, und sie enthielten sich bei der entscheidenden Abstimmung über die Regierung. Bei späteren Enthüllungen stellte sich heraus, dass ein Teil der hinter verschlossenen Türen vereinbarten Abmachung darin bestand, dass der LO-Vorsitzende, ein überzeugter Sozialdemokrat, auf linken Parteitagen sprechen sollte, zusammen mit anderen symbolischen Krümeln, die der Linkspartei als Belohnung dafür gegeben wurden, dass sie der neuen Regierung nicht im Wege stand.

In den fast zwei Jahren seither hat die sozialdemokratisch-grüne Regierung einige der Vorschläge des Januar-Abkommens auf Zeit blockiert. Sie sieht sich mit Drohungen von beiden Seiten konfrontiert: von rechts, wenn ihre liberalen AnhängerInnen im Parlament, die mit dem mangelnden Fortschritt unzufrieden sind, zu ihren früheren BündnispartnerInnen bei den ChristdemokratInnen und SchwedendemokratInnen wechseln, und von links durch LO und den Mieterbund, zwei konstituierenden Teilen der sozialdemokratischen ArbeiterInnenbewegung, falls sie tatsächlich versuchen sollte, die Vorschläge umzusetzen.

Was den Plan zur Vermarktung der Mieten betrifft, so hat die Regierung versucht, den Vorschlag in einem Ausschuss zu begraben, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass das Thema verschwindet. Die Führung des 538.000 Mitglieder starken MieterInnenverbandes, der die Mieten in Tarifverträgen aushandelt, fühlte sich ihrerseits durch den Druck ihrer Mitglieder gezwungen, eine Kampagne gegen den Vorschlag zu starten, zu Demonstrationen aufzurufen und Petitionen gegen den Vorschlag einzureichen. Vor allem im Raum Göteborg haben radikalere Kräfte zu Recht weiter gedrängt und Proteste organisiert, nicht nur gegen diesen Vorschlag im Besonderen, sondern gegen das gesamte, verrottete Januar-Abkommen an sich.

Der LAS-Konflikt

Gemäß dem Abkommen würde das Verfahren zur Behandlung von vorgeschlagenen Angriffen auf das Gesetz über die Beschäftigungssicherheit (LAS) darin bestehen, dass ein Parlamentsausschuss einen Bericht veröffentlicht und dann auf der Grundlage dessen Verhandlungen zwischen den Gewerkschaften und der Arbeit„geber“Innenorganisation, dem schwedischen UnternehmerInnenverband, geführt werden. Die Ergebnisse dieser Verhandlungen würden dann von der Regierung zum Gesetz gemacht. Sollte jedoch als Schlüsselbedingung kein Kompromiss zwischen den Arbeitsmarktparteien erzielt werden, würde die Angelegenheit wieder an die Regierung zurückgehen, um sie per Gesetz zu lösen.

Dies verschaffte den Arbeit„geber“Innenverbänden natürlich einen großen Vorteil: Sollten sich die Gewerkschaften weitreichenden Angriffen widersetzen, müssten sich die „ArbeitgeberInnen“ nur zurücklehnen und stattdessen die Regierung die Änderungen für sie durchführen lassen.

Diese Bedingung war sowohl für Premierminister Löfven als auch für die sozialdemokratische Führung von Vorteil. Wenn sie die LO-Führung dazu bringen könnten, den Angriffen zuzustimmen, würden die geplanten Gesetzesänderungen, ursprünglich eine Erfindung der Liberalen und der Zentrumspartei, stattdessen auf magische Weise in einen Vorschlag der Gewerkschaften selbst verwandelt.

Nachdem der Ausschuss seinen Bericht vorgelegt hatte, räumte sogar Premierminister Löfven ein, dass die Vorschläge „stark zugunsten der Arbeit,geber’Innen geneigt“ waren, und benahm sich damit, als ob angesichts des Initiators der Gesetzesänderungen und der Anweisungen an den Ausschuss dies eine Überraschung sei. Mit anderen Worten, ein besseres Ergebnis hätten die KapitalistInnen nicht verlangen können.

Zwei Hauptvorschläge des Berichts waren, dass es den UnternehmerInnen freigestellt werden sollte, fünf statt zwei ArbeiterInnen von der üblichen Regel „Zuerst drin, als LetzteR raus“ von Kündigungen auszunehmen, und dass das derzeitige Recht der ArbeiterInnen in kleineren Unternehmen, eine ungerechtfertigte Kündigung vor Gericht für ungültig erklären zu lassen, aufgehoben werden sollte. Wie die militante Gewerkschafterin Daria Bogdanska in einem Interview mit Arbetarmakt sagte, waren die Vorschläge des Berichts eindeutig nur als ein Anfang weiterer Angriffe gedacht und würden es „den Bossen viel, viel leichter machen, MitarbeiterInnen aus heiterem Himmel zu entlassen, selbst bei kleineren Konflikten, Ungehorsam oder einfach durch das Erfinden eines Grundes, um z. B. GewerkschaftsaktivistInnen loszuwerden“.

Die erste Verhandlungsrunde …

Während die LO-Führung als Teil des sozialdemokratischen Parteiapparats betrachtet werden kann (bis 1990 waren die LO-Mitglieder automatisch Mitglieder der sozialdemokratischen Partei, und der/die LO-Vorsitzende hat immer noch einen Sitz im sozialdemokratischen Exekutivausschuss), muss die Gewerkschaftsführung immer noch eine Mitgliedschaft berücksichtigen, da sie in ihrer Rolle als Vermittlerin des wirtschaftlichen Klassenkampfes gefangen ist.

Schon vor den LAS-Verhandlungen konnten wir den Beginn einer Fragmentierung des LO beobachten, wobei eine Reihe von Gewerkschaften, darunter die 500.000 Mitglieder starke Kommunal, die größte LO-Branchengewerkschaft, die Kommunal- und Gesundheitsbeschäftigte organisiert, rebellierte und im Vorfeld der jährlichen Tarifvertragsverhandlungen mit der Koordinierung des Verbandes brach.

Diese Risse in der Bürokratie weiteten sich bereits vor Beginn der Verhandlungen aus, wobei innerhalb der LO-Führung hektische Aktivitäten stattfanden, um eine Einigung zu erzielen und damit das Gesicht der Regierung zu wahren. Bereits im Dezember 2019 konnte die Gewerkschaftspresse enthüllen, wie eine kleine Gruppe sozialdemokratischer LoyalistInnen innerhalb der LO-Führung aktiv an der Seite des Arbeit„geber“Innenverbandes arbeitete, um ein Abkommen vorzubereiten und sich im Vorfeld der Verhandlungen heimlich mit ihnen auf eine Absichtserklärung zu einigen. Der skandalöse Brief, der den kritischeren Gewerkschaftsteilen wie Kommunal vorenthalten wurde, machte deutlich, dass diese BürokratInnen bereits bereit waren, den UnternehmrInnen das Recht einzuräumen, jede/n ArbeiterIn nach Belieben zu entlassen, sogar noch vor jeglichen Verhandlungen.

In einem Antrag an den LO-Kongress erklärten die Gewerkschaften Kommunal und Seko (die Gewerkschaft der Beschäftigten im Dienstleistungssektor und in der Kommunikationsbranche), dass sie kein Vertrauen mehr in die Verhandlungen des Dachverbandes zu diesem Thema hätten, während Byggnads (Svenska Byggnadsarbetareförbundet; BauarbeiterInnengewerkschaft) äußerte, dass ihr Zutrauen in diesen „beschädigt“ sei. Der Berufsverband der Angestellten, TCO, sah ähnliche Proteste, bei denen u. a. LehrerInnen- und KrankenpflegerInnengewerkschaften drohten, dem Verhandlungskomitee ihr Vertrauen zu entziehen.

Den KritikerInnen gelang es jedoch nicht, die Verhandlungen zu stoppen, die mit der im Juni beginnenden ersten Runde starteten. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der LO-Teil des Verhandlungsausschusses bereit erklärt, „große Zugeständnisse“ zu machen, d. h. Verrat an ihrer Mitgliedschaft zu begehen.

Dennoch waren die Verbandsspitzen nicht bereit, ganz so weit zu gehen, wie es die nun selbstbewussten VertreterInnen des schwedischen Kapitalismus verlangten, und die Verhandlungen scheiterten. Erneut wurde der Vorschlag an die Regierung zurückgegeben. Wieder einmal lag der Druck auf der Linkspartei, die sich in einer Art politischem Angsthasenspiels wiedersah. Würden sie ihre Drohung zurückziehen, jetzt, da sie die Regierung tatsächlich stürzen könnte? Würde Löfven in der Lage sein, den LO zur Wiederaufnahme von Verhandlungen zu drängen? Oder könnte er die Liberalen und die Zentrumspartei davon überzeugen, die Niederlage bei diesem Vorschlag zu akzeptieren?

Die Linkspartei ihrerseits interpretierte ihre Drohung mit der „roten Linie“ dahingehend, dass das LAS nicht per Gesetz und gegen den Willen der Gewerkschaften geändert werden dürfe. Wie die neue Vorsitzende der Linkspartei, Mehrnoosh „Nooshi“ Dadgostar, sagte, zöge sie neue Verhandlungen vor, aber ohne die Drohung einer Änderung per Gesetz, die, so argumentierte sie, durch die Drohung der Linkspartei, die Regierung zu stürzen, falls es dazu kommen sollte, zunichtegemacht wurde. Die Linkspartei wollte, erklärte Dadgostar, Premierminister Löfven „mehr Zeit“ geben (um die Parteien zu zwingen, die Verhandlungen zu erneuern), und dass erstere dann „das Problem lösen“ würde.

Was die Führung der Linkspartei jedoch nicht erklärt hat, war genau das, worüber die Parteien verhandeln sollten. Was sollte „gelöst“ werden? Selbst wenn die Drohung, das Gesetz im Parlament zu ändern, als aus der Gleichung herausgenommen betrachtet werden könnte (was nicht sicher war), würde dies nur dazu führen, dass die Gewerkschaften durch das Abkommen vom Januar gezwungen wären, über Angriffe auf die Beschäftigungssicherheit zu verhandeln.

Während die Linkspartei zögerte, handelten die Sozialdemokratische Partei und ihre Verbündeten in der Gewerkschaftsbürokratie. Sie bereiteten eine zweite Verhandlungsrunde vor, um einem Misstrauensvotum im Parlament zuvorzukommen, sei es auf Initiative der Linkspartei oder der rechten Opposition, die offen ihre Absicht erklärt, im Falle einer Machtübernahme die gleichen brutalen Angriffe auszuführen, selbst wenn sie die Regierung in dieser Frage zu Fall bringen sollte.

 … und die zweite Runde

Sobald die Verhandlungen gescheitert waren, trafen sich die LO-VertreterInnen wieder heimlich mit ihrem Gegenüber von der UnternehmerInnenseite, um die Wiederaufnahme der Verhandlungen zu erörtern. Wie die Gewerkschaftspresse berichtete, wurde diesmal sogar der LO-Exekutivausschuss außen vor gelassen, und die AnführerInnen kritischer Gewerkschaften wurden erst informiert, als ein Vorschlag für die Wiederaufnahme der Verhandlungen vorlag.

Da sie wussten, dass mehrere der Mitgliedsgewerkschaften ihre Ablehnung insbesondere in der Frage der Änderung der zulässigen Entlassungsbedingungen versprochen hatten, riefen die BürokratInnen, die für einen Verhandlungsabschluss waren, den Rest des Vorstands erst zu einer Sitzung ein, nachdem sie neue Verhandlungen vorbereitet hatten – „wie ein Blitz aus heiterem Himmel“, wie der Vorsitzende der BauarbeiterInnengewerkschaft bemerkte. Die BauarbeiterInnengewerkschaft gab daraufhin ihren Vorbehalt gegen die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit „einer Waffe am Kopf“ zu Protokoll, zusammen mit der MalerInnengewerkschaft, der Dienstleistungs- und Kommunikations-, der Gebäudeinstandhaltungs-, der Papier- und der TransportarbeiterInnengewerkschaft.

Trotzdem wurden neue Verhandlungen aufgenommen, die eindeutig dem Wunsch von Teilen der LO-Exekutive entsprangen, die sozialdemokratische Regierung zu retten und die Parteien der Liberalen und des Zentrums zu beschwichtigen. Wie ein/e GewerkschaftsvorsitzendeR gegenüber der Gewerkschaftspresse sagte, haben die VertreterInnen für einen Vertragsabschluss „offensichtlich die Regierung und die SozialdemokratInnen in Rechnung gestellt“, was ein/e andere/r GewerkschaftsvorsitzendeR als „die schlimmste Art von schmutzigen Tricks“ bezeichnete.

Doch selbst nach dieser beträchtlichen Anstrengung der Bürokratie für ein Verhandlungsabkommen konnte sich der Verhandlungsausschuss nicht auf die von den UnternehmensvertreterInnen vorgeschlagenen Angriffe einigen, und am 15. Oktober scheiterte die zweite Verhandlungsrunde. Am Ende lehnte die gesamte LO-Exekutive den zweiten Deal ab. Diesmal erschien jedoch die Verhandlungsdelegation der Angestellten- und FreiberuflerInnenverbände beschämend auf einer Pressekonferenz mit dem/r Vorsitzenden des Arbeit„geber“Innenverbandes und erklärte, sie „bedauere“ die Ablehnung des Abkommens durch den Gewerkschaftsdachverband und erklärte sich bereit, ein eigenes Abkommen zu schließen. Hier erklärten sich die TCO-BürokratInnen bereit, die LO-Beschäftigten den Wölfen zum Fraß vorzuwerfen – ein Verrat, der verurteilt werden muss.

Zurück zum Parlament

Jetzt wickelt sich die Regierung wieder einmal fest. Während Premierminister Löfven erklärt hat, dass der weithin verabscheute Ausschussbericht zur LAS nun für ungültig erklärt wurde, ist die sozialdemokratische Führung unsicher, wie sie weiter vorgehen soll. Löfven deutet einen weiteren Ausschuss an, diesmal auf der Grundlage des nur vom Gewerkschaftsverband der Angestellten und freien Berufe akzeptierten Deals und mit den vom LO abgelehnten Angriffen auf den Kündigungsschutz. Hoffentlich – für Löfven – würde dies dann zu einer dritten Verhandlungsrunde führen, in der der LO irgendwie überzeugt werden könnte, die Angriffe abzusegnen. Mit anderen Worten, die Bedrohungen für die Beschäftigungssicherheit sind nach wie vor sehr real.

Unterdessen wird für die Linkspartei das, was im Januar 2019 impliziert war, nun klarer artikuliert. Die Partei tritt jetzt offener als ein externer (in der Praxis ausgeschlossener), aber loyaler Teil der Unterstützungsbasis der Regierung im Parlament auf. Ihr Hauptanliegen bleibt es, Löfven an der Macht zu halten, indem sie auf dem hohen Anspruch beharrt, sich als verlässliche und würdige Koalitionsnachwuchspartnerin für eine künftige sozialdemokratische Regierung zu positionieren. Bei den ersten wirklichen Tests ihrer berühmten „roten Linien“ zeigte die Parteiführung ihre Loyalität gegenüber den Interessen der sozialdemokratischen Bürokratie.

Die langfristige Strategie der Linkspartei bedeutet, dass sie letztlich auch nicht bereit ist, die sozialdemokratische Hegemonie über die Gewerkschaft und die breitere ArbeiterInnenbewegung anzufechten. Sie ist nicht in der Lage, das Vakuum zu füllen, das durch den Rückzug der SozialdemokratInnen aus einigen Hochburgen entstanden ist, ohne sie offen herauszufordern. Löfven weiß, dass die heutige Linkspartei eine rein parlamentarische Konstruktion ist. Wenn nur ihre Abgeordneten ihren Worten Kraft verleihen, ohne eine Bewegung in den Betrieben, in den Gewerkschaften oder auf den Straßen, die sie unterstützt, wäre eine Neuwahl für die Linkspartei ebenso gefährlich wie für die SozialdemokratInnen.

Neben einem Misstrauensvotum kann man über eine Reihe anderer Wege aus der Krise für die Regierung spekulieren, aber zum jetzigen Zeitpunkt scheint keiner davon sehr wahrscheinlich. Die Liberalen und die Zentrumspartei könnten in ihren Forderungen nach einer „Reform“ des Kündigungsschutzes nicht leicht nachlassen. Die Linkspartei könnte die Regierung stürzen, aber ohne dass sich sonst etwas ändern würde, wäre wahrscheinlich eine blau-braune moderate/christdemokratische/schwedendemokratische die nächste, und die würde sicherlich die Rechte und Bedingungen der ArbeiterInnenklasse angreifen wollen, so wie es die jetzige Regierung versprochen hat.

Auch wenn Löfven den Liberalen und der Zentrumspartei ihre Änderungen im LAS-Gesetz verweigerte, könnten sie ihr altes Bündnis mit den Moderaten und ChristdemokratInnen nicht ohne weiteres reformieren, um eine neue Regierung zu bilden, da sich diese Parteien nun in eine entschieden konservative und rechte Richtung bewegt haben und damit beschäftigt sind, die Grundlagen für ein Bündnis mit den SchwedendemokratInnen zu legen.

Lösung zu welchen Bedingungen?

Wie die LO-Führung zu Recht betont, geht es bei den Verhandlungen und dem Vorschlag aus dem Abkommen vom Januar, der zu ihnen geführt hat, in Wirklichkeit um mehr als nur um Änderungen am LAS. Stattdessen vergleicht der LO den Prozess mit der Entwicklung eines neuen Saltsjöbaden-Abkommens (unter Bezugnahme auf den historischen Vertrag von 1938, der das „schwedische Modell“ für den Arbeitsmarkt einläutete und die Prinzipien des offiziellen, wirtschaftlichen Klassenkampfes regelte). Die Angriffe auf das LAS sollten daher als Beginn einer eskalierenden Demontage aller traditionellen Rechte der ArbeiterInnenklasse in Schweden betrachtet werden.

Wenn im Januar-Abkommen von „Flexibilität“ die Rede ist, dann ist das ein Code nicht nur für eine Rückkehr zum Arbeitsmarkt des frühen 20. Jahrhunderts mit TagelöhnerInnenarbeit und sehr schwachem Schutz für die ArbeiterInnenklasse, sondern auch etwas Neues, was die Art und Weise betrifft, wie die IT-Technologie die kapitalistische Produktion selbst weniger abhängig von festen (und für die ArbeiterInnenklasse „sicheren“) Strukturen für Lohnarbeit macht, die den Arbeitsmarkt des 20. Jahrhunderts und damit die Gewerkschaftsstrategie im schwedischen Modell charakterisierten. Vorbei ist die Zeit, in der eine LO-Gewerkschaft neue Beschäftigte in der Fabrik X einfach an ihrem ersten Arbeitstag als Mitglieder registrieren und sich dann 40 Jahre lang zurücklehnen und Beiträge eintreiben konnte, während sie in aller Ruhe Tarifverträge aushandelte.

Angesichts einer solchen Umgestaltung des Arbeitsmarktes, die bereits in vollem Gange ist, stellt sich nicht nur die Frage nach einem defensiven Kampf, sondern auch nach einer völlig anderen Art von Gewerkschaftsbewegung, die bereit ist, neuen Formen der kapitalistischen Ausbeutung und Unterdrückung entgegenzutreten. Die Frage ist nicht nur, ob die Führung der Gewerkschaften und der ArbeiterInnenbewegung bereits gewonnene Reformen verteidigen kann, sondern ob sie dafür sorgen können, dass dieser Übergang zu den Bedingungen der ArbeiterInnenklasse und nicht zu denen des Kapitals gelöst wird. Der Kampf um das LAS ist ein Lackmustest dafür, wie alle beteiligten Parteien diese Herausforderung annehmen werden.

Die taktischen Manöver der sozialdemokratischen Führung zeigen deutlich, dass sie dem Machterhalt Vorrang vor einer prinzipientreuen Verteidigung der Rechte der ArbeiterInnenklasse einräumt. Und die Untätigkeit der Führung der Linkspartei zeigt (bestenfalls), dass sie nicht in der Lage oder nicht willens ist, gegen die Regierung zu kämpfen. Von den anderen Parteien im Riksdag, den offen bürgerlichen, können wir natürlich nichts anderes erwarten als fortgesetzte Angriffe, damit sie die Profite ihrer Klientele sichern.

Die Methoden der LO-Führung gegen die widerspenstigen Gewerkschaftsführungen, die sich bisher gegen die Angriffe gewehrt haben, zeigen, dass man ihr für eine langfristige Verteidigung nicht trauen kann, geschweige denn, dass sie bereit wäre, in die Offensive zu gehen. Auch können die TCO-Gewerkschaftsmitglieder nichts von ihrer Verhandlungsdelegation erwarten, was die pathetische Zurschaustellung ihres/r Vorsitzenden nach der zweiten Verhandlungsrunde Seite an Seite mit den Bossen unterstrichen hat. Die Lösung für die Arbeiterinnen aller Gewerkschaften, die nun Angriffen auf ihre Beschäftigungssicherheit ausgesetzt sind, besteht daher darin, sich zu unseren eigenen Bedingungen zu wehren.

Zurückschlagen

Seit Dezember 2019 zirkuliert in der Gewerkschaftsbewegung auf Initiative der Gewerkschaft in der Volvo-Lkw-Fabrik in Umeå eine Petition der ArbeiterInnen zur Verteidigung des Kündigungsschutzes. Alle GewerkschafterInnen sollten mit neuer Kraft versuchen, sie in ihrer Gewerkschaftsabteilung einzubringen. Verabschiedet und verbreitet die Petition der Gewerkschaft/ArbeiterInnen!

Aber eine Petition kann nur den ersten Schritt im Verteidigungskampf verkörpern. Die BürokratInnen in den Führungsetagen der Gewerkschaften führen ihr Leben oft unter völlig anderen Bedingungen als ihre eigenen Mitglieder und werden deshalb nicht mehr Widerstand leisten als den, zu dem wir sie zwingen. Die Führung der LO- wie auch die aller TCO-Gewerkschaften muss unter Druck gesetzt werden, keine neuen Verhandlungen zu diesen Bedingungen aufzunehmen, mit einem Mandat, nicht zu streiken, und wenn es bereits eine politische Vereinbarung über den Angriff auf die Beschäftigungssicherheit gibt.

Es sollte nur darüber verhandelt werden, wie die Bedingungen verbessert werden können, nicht darüber, wie viel schlechter die Dinge sein sollten. Wenn das Foulspiel des LO zur Erzielung einer Einigung und zum Ausverkauf unserer Rechte weitergeht, und es gibt keinen Hinweis auf das Gegenteil, müssen die AktivistInnen in den kritischen Gewerkschaften darauf hinwirken, dass ihre VertreterInnen nicht nur aus dem Verhandlungsausschuss ausscheiden, sondern auch mit dem LO vollständig brechen. Zieht das faule Mandat des Verhandlungsausschusses zurück! Keine Verhandlungen unter dem Galgen!

Neben der Petition der Beschäftigten und dem Druck der Basis für ein klares Nein zu neuen Verhandlungen müssen alle Beschäftigten, ob GewerkschafterInnen oder nicht, auch damit beginnen, politische Streiks vorzubereiten und zu organisieren. Diese Forderung ist z. B. auch vom Gewerkschaftsnetzwerk der Linkspartei und der (stalinistischen) Kommunistischen Partei erhoben worden, allerdings nur im Sinne einer kurzfristigen Protestaktion. Das würde nach der derzeitigen Praxis nicht gegen das tarifvertragliche Streikverbotsmandat verstoßen. Solche kürzeren politischen Streiks wären ein Schritt in die richtige Richtung, aber in dieser ernsten Situation können wir es uns nicht leisten, dort stehenzubleiben. Wir müssen wilde Streiks und einen allgemeinen politischen Streik organisieren, um die Angriffe abzuwehren und die Beschäftigungssicherheit zu stärken und nicht zu schwächen, unabhängig davon, was im Tarifvertrag über Streiks steht. Organisiert wilde Streiks!

Die Führungen des LO, des TCO, der SozialdemokratInnen und der Linkspartei sind auf die Probe gestellt worden. Wenn die ArbeiterInnenklasse mit Bedrohungen unserer Rechte konfrontiert ist und die KapitalistInnenseite ihre Positionen überall vorantreibt, wird uns der Weg der Kompromisse und Zugeständnisse nur in den Ruin führen. Da die KapitalistInnen nie in ihren Bemühungen nachlassen, unsere Ausbeutung zu verstärken, kann der Kampf zur Verteidigung des LAS nicht durch die parlamentarischen Erwägungen der ReformistInnen oder den Konsens innerhalb der LO eingeschränkt werden, wenn sie unsere Rechte ausverkaufen. Ein Zurückschlagen der Angriffe, sei es in Form eines Verrats durch die LO oder durch das Gesetz, durch politische Streiks wird der erste Schritt sein, um nicht nur den Kampf für das LAS zu gewinnen, sondern die ArbeiterInnenbewegung unter einer neuen Führung zu reorganisieren, die auf zukünftige Herausforderungen vorbereitet ist und die ArbeiterInnenklasse nicht verraten wird.




Wien-Wahlen 2020: SPÖ-Sieg, rechtes Debakel und Erfolg für LINKS

Arbeiter*innenstandpunkt, Infomail 1121, 14. Oktober 2020

Die Wien-Wahlen sind geschlagen. Die SPÖ hat trotz eines absoluten Verlusts an Stimmen, dank der gesunkenen Wahlbeteiligung, einen deutlichen Sieg davontragen können, während die FPÖ von 30 % auf unter 8 % abgestürzt ist. Am stärksten profitiert hat davon die ÖVP.

Wahlen während der Krise

Thematisch waren die Wahlen recht stark vom Thema Corona-Pandemie geprägt. Vor allem der Schlagabtausch zwischen ÖVP-geführter Bundesregierung und SPÖ-geführter Stadtregierung hat erkennen lassen, wie sehr die Parteien das Thema politisch auszuschlachten versuchten. Insbesondere von FPÖ und NEOS kam hier die Kritik, dass die Kleinunternehmen entweder durch überzogene Maßnahmen schikaniert (FPÖ) oder zu wenig Förderung erhalten würden (NEOS). Daneben aber war das Thema der Wirtschaftskrise im Wahlkampf recht wenig präsent, besonders aus Perspektive der lohnabhängigen Bevölkerung. Die Welle der Massenentlassungen von Großunternehmen überrollt schon jetzt das Land. Wirkliche Lösungen hatte von den etablierten Parteien aber keine anzubieten. Dabei wird diese Problematik in den kommenden Wochen und Monaten vermutlich nur an Intensität zunehmen.

Wichtige Themen wie das Wahlrecht für alle Menschen, die in Wien leben, kamen dieses Jahr vor allem durch die starke Kampagnenführung von LINKS vermehrt zur politischen Diskussion. Die SPÖ unter Michael Ludwig positionierte sich hier klar: Wenn es nach ihm geht, soll das Wahlrecht an die StaatsbürgerInnenschaft gekoppelt und somit auch weiterhin ein großer Teil der ArbeiterInnenklasse davon ausgeschlossen sein. Die Grünen zeigten hingegen vor allem durch ihr Verhalten in der Bundesregierung, wo sie zusammen mit der ÖVP die Aufnahme auch nur einer einzigen geflüchteten Person aus dem abgebrannten Lager Moria auf Lesbos verweigerten, wie bereitwillig sie sich der ÖVP in der Koalition unterordnen, um ja nicht ihre Utopie eines grüneren, geschweige denn grünen Kapitalismus zu gefährden.

Ergebnisse

Die Ergebnisse nach Parteien: SPÖ 41,6 % (+ 2,0 %), ÖVP 20,4 % (+11,2 %), Grüne 14,8 % (+ 3,0 %), NEOS 7,5 % (+ 1,3 %), FPÖ 7,1 % (-23,7 %), Team HC 3,6 %, LINKS 2,1 %. Insgesamt gab es vor allem einen dominierenden Faktor bei diesen Wahlen, nämlich die deutlich gesunkene Wahlbeteiligung, in erster Linie vermutlich wegen Corona, aber auch wegen der enttäuschten FPÖ-WählerInnen. Die SPÖ hat zum Beispiel trotz der prozentuellen Zugewinne an absoluten Stimmen von 330.000 auf 302.000 abgebaut und insgesamt 73.000 Menschen, die sie beim letzten Mal gewählt haben, haben diesmal gar nicht abgestimmt. Trotz der günstigen Umstände, die ihr den Wahlsieg beschert haben, setzt sich der Niedergang der Sozialdemokratie fort. Am meisten verloren hat aber die FPÖ: Von den 257.000 WählerInnen von 2015 sind hunderttausend zuhause geblieben und weitere hunderttausend haben sich in erster Linie auf ÖVP, aber auch auf SPÖ und Team HC Strache verteilt. Aber der fulminante Wahlerfolg der SPÖ – der erste prozentuale Zugewinn in Wien seit 2005 – lag in erster Linie an der Schwäche der Rechten und nicht an der eigenen Stärke. Insgesamt fielen die dezidiert rechten Parteien (FPÖ, ÖVP und HC) von insgesamt 40 % bei den letzten Wahlen auf etwas mehr als 30 % dieses Jahr. Grund dafür ist in erster Linie natürlich die Ibiza-Affäre und die Spaltung der FPÖ samt Spesenaffäre um HC Strache. An dieser Stelle bemerkenswert ist auch, dass die SPÖ, mit ihrer Ablehnung des Wahlrechts für alle und ihrer Zurückhaltung gegenüber rechten Forderungen nach weiterer Einschränkung des Gemeindebauzugangs, im rechten WählerInnenpool gefischt hat, dort aber kaum etwas gewinnen konnte.

Die WählerInnenströme zeigen also deutlich, dass es bei diesem Urnengang keinen stark ausgeprägten Linksruck gab. Die SPÖ wurde von deutlich weniger Menschen gewählt als das letzte Mal und die verlorenen FPÖ-WählerInnen blieben in erster Linie zuhause oder gingen zur ÖVP. Nur eine Minderheit ging zur SPÖ zurück. Diese rechte WählerInnengruppe wird sich, wenn sie nicht durch klassenkämpferische (d. h. auch antirassistische) Politik gewonnen wird, auch in den nächsten Jahren nicht in Luft auflösen und für rechte Parteien wie die FPÖ, die ÖVP oder gar Schlimmeres mobilisierbar sein.

Besonders hervorzuheben ist bei diesen Wahlen auch das speziell starke Abschneiden von einigen „Kleinparteien“. Mit LINKS (2,1 %) , Bierpartei (1,8 %) und SÖZ (1,2 %) sind mehr als 5 % der meist als „Sonstige“ angeführten Stimmen an Parteien gegangen, die von Anfang an recht schlechte Aussichten auf einen Einzug in den Gemeinderat hegten. Speziell bei JungwählerInnen (unter 30) haben sie in Summe 12 % der Stimmen bekommen (mit recht großer statistischer Schwankungsbreite: LINKS 5 %, Bierpartei 4 %, SÖZ 3 %). 12 % gab es für die „Sonstigen“ auch bei Menschen, die mit ihrem Einkommen schlecht auskommen.

Künftige Koalition

Nach dem erfolgreichen Wahlabend für die SPÖ hielten sich ihre VertreterInnen demonstrativ vage, was eine künftige Koalition für eine Stadtregierung anbelangt. Rein rechnerisch wäre eine mit jeder beliebigen Partei im Gemeinderat für die SPÖ möglich. Mit der FPÖ hat Bürgermeister Ludwig eine Koalition ausgeschlossen, doch alle 3 anderen Optionen – ÖVP, Grüne, NEOS – werden von der SPÖ wohl realistisch in Betracht gezogen.

Eine recht unwahrscheinliche Koalition wäre eine gemeinsam mit den NEOS, auch wenn diese sich bisher recht offen dafür gezeigt haben. Die einzige Sache, die hier für die Sozialdemokratie dafür sprechen würde ist, dass sie die NEOS in einer Regierung ziemlich absolut dominieren könnte und mit ihnen gleichzeitig eine reine „Oppositionsregierung“ in Wien gegen die Bundesregierung aufgebaut werden könnte. Gleichzeitig ist diese Koalition sowohl bei der SPÖ-WählerInnenschaft (10 % Zustimmung) wie auch bei der Wiener Bevölkerung (9 % Zustimmung) als ganzes recht unbeliebt. Dazu kommt natürlich auch, dass die Schwerpunkte der NEOS – sozialer Liberalismus mit beinharter Marktgläubigkeit und Neoliberalismus – nicht unbedingt so stark mit den Schwerpunkten der SPÖ zusammenpassen würden. Eine Koalition mit den NEOS würde für die ArbeiterInnenklasse wohl eine noch stärkere Anpassung der Stadtregierung an den Neoliberalismus und eine vermutlich härtere Sparpolitik bedeuten.

Eine Koalition mit der ÖVP wäre vermutlich die größte Anbiederung der SPÖ an die Bourgeoisie und ihre Hauptpartei. Für die Sozialdemokratie wäre das wohl nur aus der Perspektive gedacht, sich auch im Bund an die ÖVP anzunähern und wieder auf eine baldige Verwendung als Juniorpartnerin zu hoffen. Aber da die nächsten Wahlen im Bund noch deutlich entfernt liegen und die ÖVP bisher auch kaum Signale auf einen SPÖ-freundlicheren Kurs gestellt hat, ist das wohl auch eine unwahrscheinliche Variante. Nichtsdestotrotz zeigt die Erfahrung, dass die SPÖ immer gut darin ist, sich der Bourgeoisie und ihrer wichtigsten Partei anzupassen.

Am wahrscheinlichsten ist wohl eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit den Grünen. Die rot-grüne Koalition bleibt trotz Schwarz-Grün im Bund die beliebteste Koalitionsvariante in der Wiener Bevölkerung (36 % Zustimmung) sowie in der SPÖ-WählerInnenschaft (54 % Zustimmung). Generell haben sowohl die Grünen als auch die SPÖ bei denen gepunktet, für die die Lebensumstände (in Wien) gut sind. Daher ist ein bequemes Fortsetzen des Status quo mit einer rot-grünen Koalition in Wien wohl das wahrscheinlichste Ergebnis. Das bedeutet natürlich auch eine Bindung der ArbeiterInnen an das bürgerlich-soziale Wien und kosmetische Politik anstelle radikaler Bewältigung der Klimakrise.

LINKS

Das neue Wahlprojekt LINKS, an dem wir auch als Arbeiter*innenstandpunkt beteiligt sind, konnte bei den Wahlen durchaus einen Achtungserfolg erzielen. Das große Ziel, in den Gemeinderat einzuziehen, wurde zwar verfehlt, mit den begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen sowie der eingeschränkten Berichterstattung durch die bürgerlichen Medien war das aber von Anfang an realistisch. Nichtsdestotrotz war es das stärkste Ergebnis einer Kraft links der Sozialdemokratie und der Grünen seit 1973 in Wien. Unterm Strich wird LINKS in 15 Bezirken mit insgesamt 23 BezirksrätInnen vertreten sein.

Die stärksten Ergebnisse wurden dabei in den Innen- sowie in stark migrantisch geprägten, proletarischeren Bezirken (Rudolfsheim-Fünfhaus, Ottakring, Leopoldstadt, Brigittenau) erzielt. Die schwächsten Ergebnisse gab es neben den reichsten Bezirken (Innere Stadt, Hietzing, Döbling) vor allem in den ebenfalls proletarischeren „Flächenbezirken“ (Favoriten, Simmering, Donaustadt, Floridsdorf, Liesing). Gründe dafür gibt es wohl einige: Auf der einen Seite ist in diesen Bezirken die AktivistInnenbasis nicht besonders stark (vor allem in Relation zur EinwohnerInnenzahl), auf der anderen Seite sind die Bezirke aufgrund ihrer Größe um einiges schwieriger mit Inhalten abzudecken. Die Flächenbezirke waren aber auch in den letzten Jahren Hochburgen der FPÖ und dort hat sie auch bei diesen Wahlen noch ihre stärksten Ergebnisse einfahren können. Ein Kampf zwischen Rot und Blau war hier noch eher im Gange als in anderen Bezirken. Gleichzeitig hätte sich hier wohl auch ein expliziter und deutlicherer Bezug von LINKS auf die ArbeiterInnenklasse ausgezahlt.

Das leicht stärkere Abschneiden von LINKS auf Bezirksebene (wienweit 2,5 %) gegenüber der Gemeindeebene (2,1 %) führt auf manchen Seiten (KPÖ Steiermark, Junge Linke) dazu, noch stärker ihre Strategie der Bezirks- und Grätzlarbeit zu betonen. Dabei geht ein guter Teil der Stimmendifferenz wohl auf das starke Abschneiden bei den nur auf Bezirksebene wahlberechtigten EU-WählerInnen zurück und der Rest wohl auf die Tatsache, dass eine Stimme auf Bezirksebene vielen Leuten entweder weniger „verloren“ vorkam oder der Einzug in die Bezirksvertretung einfacher möglich ist als in den Gemeinderat. Gerade bei LINKS gab es im Vergleich zu „Wien anders“ vor 5 Jahren einen deutlich stärkeren Fokus auf allgemeinpolitische Themen (Mindestlöhne, Wahlrecht für alle, Enteignung von Großkonzernen etc.) und politische Mobilisierungen auf der Straße und genau darin hat sich auch der Erfolg gezeigt. Die lokale Vertretung in der Mehrheit der Bezirksvertretungen kann allerdings jetzt gut für einen weiteren Aufbau der Organisation genutzt werden.

Ausblicke

Egal welche Koalition kommen wird, sie wird von der SPÖ dominiert werden. Dabei ist kaum zu erwarten, dass sich ihr Kurs in absehbarer Zeit relevant nach links verschieben wird, vor allem nicht wenn man mit dem Kurs von Ludwig auch Wahlerfolge erzielen kann. In den sozialen Kämpfen und Klassenkämpfen, die die weitere Entwicklung der Krise unweigerlich mit sich bringen wird, ist es deshalb möglich, auf Basis der gesteigerten Bekanntheit und der gewonnenen Ressourcen von LINKS weitere Schritte in Richtung Aufbau einer neuen antikapitalistischen, revolutionären ArbeiterInnenpartei zu setzen. Gelingen wird das vor allem, wenn es geschafft wird, sich unter den kämpferischsten und fortschrittlichsten Schichten zu verankern. Große Bedeutung haben in diesem Prozess die politische Konsolidierung der AktvistInnen, die Ausarbeitung einer Perspektive über die Wahlen hinaus in Form gemeinsamer Kampagnentätigkeiten und die Schaffung von Formaten, mit denen sich neu Interessierte trotz Corona in LINKS einbringen können. Das Ergebnis einer Konsolidierung muss sich in einem kürzeren und konsistenteren Programm für den österreichischen Klassenkampf (nicht nur für eine Wahl) mit einer klaren sozialistischen Strategie ausdrücken.




Olaf Scholz als Zugpferd?

Jürgen Roth, Infomail 1113, 14. August 2020

Stolz präsentierten sie Scholz. Am Montag, dem 10. August, verkündeten der Bundesfinanzminister und die SPD-Vorsitzenden Esken und Walter-Borjans auf einer gemeinsamen Pressekonferenz, dass man sich auf einen Spitzenkandidaten für die nächste Bundestagswahl geeinigt habe. Dass der Parteitag die Entscheidung absegnen wird, gilt als sicher.

Die beiden Vorsitzenden und der Vizekanzler präsentierten sich nicht nur in trauter Eintracht. Sie waren sogar etwas stolz darauf, dass sie vor allen anderen Parteien einen Spitzenkandidaten vorzuweisen haben und dass von diesem „Coup“ vorab nichts an die Presse gedrungen sei. Einigkeit beginnt in der SPD mit Schnauze Halten.

Absichtsbekundungen

Auch wenn die Umfragen im Keller sind, so gibt sich die SPD ambitioniert. Bis zur nächsten Bundestagswahl wolle sie natürlich verlässlich die Arbeit der Großen Koalition fortsetzen, dann aber solle ein „echter“ Politikwechsel mit einer linken „Reformkoalition“ folgen. Der kategorische Ausschluss einer Koalition mit der Linkspartei auf Bundesebene wurde nebenbei offiziell begraben – womit sich die politischen Zuggeständnisse von Scholz und Co. an die Vorsitzenden auch schon erledigt haben. Alle anderen „Brüche“ mit neo-liberalen doktrinären Marotten wie der „Schwarzen Null“ wurden nicht aus besserer Überzeugung, sondern aus pragmatischer Akzeptanz des Notwendigen angesichts einer historischen Krise des Kapitalismus und einer globalen Pandemie vollzogen.

Scholz gab als Ziel aus, die Umfragewerte der Partei zu steigern (aktuell zwischen 14 und 15 %) und die nächste Regierung anzuführen. Da er sich im gleichen Atemzug von DIE LINKE distanzierte wegen deren Ablehnung der NATO, stellt sich die Frage, wie das funktionieren soll, sofern die Linkspartei – was sicher nicht auszuschließen ist – nicht noch weitere Abstriche und Verrenkungen bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr macht.

Da natürlich auch zweifelhaft ist, ob die SPD überhaupt vor den Grünen landen wird, hat die Vorsitzende Esken in einem ARD-Interview schon erklärt, die Sozialdemokratie sei bereit, auch unter einer grünen KanzlerInnenschaft „Verantwortung“ zu übernehmen. Walter-Borjans mutmaßte, Scholz genieße hohes Ansehen in der Bevölkerung wegen seiner Fähigkeit, Krisen zu meistern. Deshalb wurde er auch einstimmig (!) von Vorstand und Präsidium nominiert.

Reaktion der Parteilinken

Doch nur Teile des linken SPD-Flügels zeigten sich angesichts dieser Personalentscheidung ratlos oder gar ablehnend. So Hilde Mattheis (Vorsitzende des Vereins Forum DL 21): „Warum versuchen wir, mit der immer gleichen Methode ein anderes Ergebnis zu erwarten?“ Andrea Ypsilanti zog den Schluss, dass die SPD als „transformatorische Kraft im Zusammenspiel mit Bewegungen“ ausfalle. Einigkeit sieht anders aus! Aber diese Kritik teilt auch nur eine Minderheit der Parteilinken. Die meisten tun so, als wäre die Entscheidung für Scholz keine politische Weichenstellung, als hätte sich der Architekt von Agenda 2010 nach links bewegt, nur weil er auch Kanzler werden wolle.

Viele Parteilinke verteidigen jedenfalls die Nominierung. Annika Klose, Berliner Juso-Vorsitzende, hofft auf Rot-Rot-Grün unter dem SPD-Spitzenkandidaten. Pragmatismus und Regierungserfahrung seien ein Vorteil und der Wahlkampf werde als Team geführt. Die Konjunkturprogramme in der Corona-Krise seien mit den Parteivorsitzenden und dem Juso-Bundeschef Kühnert abgesprochen, Schuldenaufnahme, Mehrwertsteuersenkung, Grundrente und die im Sozialstaatspapier versprochene Abkehr von Hartz IV hätten linke Akzente in der Großen Koalition markiert. Sie setzte ihre Hoffnung auf mehr Umverteilung, Schließen von Steuerschlupflöchern, Wiederbelebung der Vermögenssteuer und Änderungen bei der Erbschaftssteuer und auf diesbezügliche Unterstützung durch die EU. Hoffnung machte ihr auch, dass Olaf Scholz eine Regierungsbeteiligung ohne die Union haben möchte. Wiederum: mit wem? Fastnamensvetter Schulz hatte Ähnliches nach der verlorenen letzten Bundestagswahl verkündet – das Ergebnis ist bekannt.

Auch Fraktionsvize Miersch, seines Zeichen Sprecher der Parlamentarischen Linken, und Kevin Kühnert äußerten sich ähnlich. Letzterer gibt seinen Juso-Vorsitz im Herbst auf und kandidiert für den Bundestag. Dafür hat er gleich eine Eintrittskarte ins Scholz’sche (Schatten-)Kabinett gelöst und die Unterstützung der Parteijugend zugesagt. Im Unterschied zu den vergangenen Jahren marschierten Topleader und Jusos in eine gemeinsame Richtung! Gleichzeitig warnte er seine GenossInnen vom linken SPD-Flügel vor „destruktiver Kritik“.

In diesen Worten schwingt nicht unberechtigte Sorge mit. Schließlich sehen Teile der Parteibasis – und erst recht Millionen Lohnabhängige – Scholz als Architekten von Agenda 2010 und der Rente mit 67. Hilde Mattheis kritisierte, dass die SPD sich mit der Wahl der beiden neuen Parteivorsitzenden eigentlich von ihrer Politik der vergangenen Jahre verabschieden wollte. „Eigentlich“ wollte man schon vor 3 Jahren die Große Koalition aufkündigen und noch „eigentlicher“ erwiesen sich die „linken“ HoffnungsträgerInnen als SteigbügelhalterInnen für das Zurück zur Politik der vergangenen Jahre!

Bröckelt die Basis?

Einige linke BasisaktivistInnen verlassen die SPD, so der Vorsitzende des Vereins NoGroKo, Steve Hudson. Er und viele Tausende hätten Esken und Walter-Borjans gewählt, damit sie die SPD-Basis gegen die Politik und Person Scholz vertreten, die im Wahlgang eine heftige Schlappe erlitten habe, nur um gestärkter denn je dazustehen. Er monierte auch, dass der Kandidat weder von einem Parteitag noch von den Mitgliedern gewählt wurde. Scholz habe die derzeitigen Zustände mit erschaffen, mit verteidigt und argumentiere für sie bis heute.

Innerhalb der organisierten Parteilinken hat sich im Vergleich zur Gemengelage vor 3 Jahren die Situation weitgehend geklärt. Nur noch in DL 21 versammeln sich SozialdemokratInnen, die auf eine personelle und inhaltliche Linkswende der SPD hoffen. Doch sie üben keinen Einfluss auf die Programmatik aus. Sie werden das auch weiterhin nicht tun, wenn sie nicht den Kampf innerhalb der Gewerkschaften um eine andere Führung aufnehmen. Schließlich ist die Bindung an die und die Kontrolle der Gewerkschaften  das einzige übriggebliebene organische Bindeglied zur organisierten ArbeiterInnenklasse, andere (Genossenschaftswesen, Kultur, Sport, ArbeiterInneneinfluss auf die Ortsvereine, Vorfeldorganisationen wie Jusos, Falken, ArbeiterInnensamariterbund, AWO, Mietervereine …) existieren entweder nicht mehr oder sind geschwächt und sind vor allem zum Tummelplatz reiner KarrieristInnen geworden.

Grüne und DIE LINKE

Die SPD ist schwer angeschlagen nach einer langen Serie von Wahlniederlagen und Personalquerelen. Die Grünen legen sich nicht fest und schielen auch auf Union und FDP. DIE LINKE profitiert nicht davon.

Am Wochenende, 8./9. August, noch vor der Verkündung von Scholz‘ Kandidatur erklärte die SPD ihre Bereitschaft zur Regierungszusammenarbeit mit der Linkspartei im Bund – nach 30 Jahren Unvereinbarkeitspose gegenüber PDS/DIE LINKE! Wir haben oben ausgeführt, von welchen Widersprüchen die SPD derzeit geprägt ist. Hier wird ein weiterer hinzugefügt. Es ist zu bezweifeln, ob mehr dahintersteckt, als sich viele Optionen für eine ungewisse Zukunft offenzuhalten.

Doch auch DIE LINKE wird nicht um die Frage herumkommen, wie sie mit ihrer bisherigen Rolle gegenüber der SPD umgehen will. Parteichef Bernd Riexinger sieht als entscheidend an, ob es inhaltliche Übereinstimmungen gibt. Er findet an den Aussagen vom vergangenen Wochenende interessant, dass die SPD das Hartz-IV-System überwinden, Sanktionen abschaffen, einen deutlich höheren Mindestlohn und Reiche stärker besteuern wolle. Offen bleibe die Frage der Friedenspolitik wie eines sozial-ökologischen Umbaus. Mit der LINKEN seien Kampfeinsätze der Bundeswehr nicht zu machen. Und was ist mit der NATO, Genosse Riexinger? Dass die Linke im Mai 2020 Gregor Gysi einstimmig zum außenpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion gewählt hat, zeigt, dass die Parteispitze und der Apparat eine Koalition mit SPD und Grünen nicht abgeneigt sind und sie faktisch vorbereiten.

Natürlich beteuert DIE LINKE weiter, dass sie keinen Koalitionswahlkampf betreiben werde, sondern eigene Positionen durch starke Unterstützung aus sozialen Bewegungen, Gewerkschaften und Sozialverbänden verankern wolle. Doch das kann sie leicht verkünden, einen „Koalitionswahlkampf“ verlangt von ihr ohnedies niemand, zumal sie über andere Regierungsoptionen eh nicht verfügt.

Um den Willen zur Regierung auszudrücken, reicht es schon, wenn Riexinger erklärt, dass die CDU als Regierungspartei abgelöst gehöre. Momentan erschweren zweifellos eher die Grünen einen solchen „Politikwechsel“, sollte es denn die parlamentarischen Mehrheiten dafür geben. Diese haben sich schließlich der CDU schon seit längerem angenähert und erwägen, wie die Interviews des ehemaligen „Linken“ Trittin zeigen, eher eine Koalition mit der Union als eine Regierung mit SPD und Linkspartei.

Genau diese Umorientierung der Grünen mag aber andererseits dazu führen, dass sich auch die Linkspartei „härter“ in ihren Bedingungen gibt. Warum soll sie gleich alle politischen Positionen für ein Projekt fallenlassen, das auch mit ihrer Zustimmung ungewiss, wenn nicht unwahrscheinlich ist?

Dass die SPD ein mögliches rot-rot-grünes Projekt in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes stellen wird, hängt daher nur bedingt damit zusammen, dass sie wirklich daran glaubt. Sie hat vielmehr kein anderes, mit dem die Partei überhaupt „geeint“ antreten kann. Man kann so auch viel leichter so tun, also ob sie nicht nur für einen Bruch mit der Großen Koalition, sondern auch für eine nicht näher definierte „andere“ Politik stünde.

Wahlkampf-Konstellation wie 1998?

Ein Vorteil der frühzeitigen Kandidaten„wahl“ besteht darin, dass Scholz sich von jetzt an profilieren kann. Er hat mehr Zeit, ein Programm und ein Team aufzubauen, als die KonkurrentInnen. Der zweite „Vorteil“ besteht für die Partei darin, eine Richtungsdebatte, wie zuletzt 2017 geführt, vermieden zu haben – unter Komplizenschaft großer Teile des „linken“ Flügels wie seitens der Jusos und der Vorsitzenden!

Die Geschichte der ersten rot-grünen Bundesregierung 1998 liefert einige Parallelen zur heutigen Lage. Es waren immer Leute der Mitte, wenn nicht sogar vom rechten Flügel, die neuen Machtkonstellationen auf der linken Flanke des traditionellen Parteiensystems den Boden bereitet haben (Börner in Hessen Mitte der 1980er Jahre, Schröder 1998 im Bund), während linke Kräfte wie Ypsilanti 2008 dabei scheiterten. 1998 hatte Langzeitkanzler Kohl seinen Zenit überschritten, Langzeitkanzlerin Merkel will 2021 nicht mehr antreten. 1998 kandidierte mit Schröder ein erfahrener Landespolitiker als Gesicht für die Massen im Gespann mit dem linken Parteichef Lafontaine als programmatischer Kopf.

Anders als 1997/98 gibt es heute aber keine ernsthafte gesellschaftliche Bewegung, die eine (rot-)rot-grüne Option stärken und tragen könnte, wie es damals in Massenaktionen gegen die Angriffe der Kohl-Regierung und in der Erfurter Erklärung zum Ausdruck kam. Die Wahl des Duos Schröder-Lafontaine bildete den Auftakt zu einer sozialdemokratischen Tragödie samt Kriegseinsätzen und Agenda 2010. Mit dem Trio Esken, Scholz und Walter-Borjans wiederholt sie sich – als politische Farce.




Nationalratswahlen in Österreich: ÖVP-Hoch und SPÖ-Tief fordern sozialistische Antworten

Michael Märzen, Neue Internationale 241, Oktober 2019

Die
Nationalratswahlen am 29. September haben einen haushohen Sieg für die ÖVP
unter Sebastian Kurz gebracht. Die Konservativen erzielten mit 37,1 % (+5,7)
den größten Vorsprung zur zweitplatzierten Partei in der Geschichte der
Republik. Jene, die SPÖ, fuhr mit 21,7 % (-5,1) das schlechteste Ergebnis ihrer
Geschichte ein. Die FPÖ wurde mit 16,1 % (-9,9) bedeutend abgestraft und sieht
sich in einer Krise. Die Grünen haben mit 14 % (+10,2) den Wiedereinzug in den
Nationalrat geschafft und die größten Zugewinne erhalten. Die liberale Partei
NEOS hat mit 7,8 % (+2,5) ihre Position weiter ausgebaut. Auch wenn diese
Zahlen aufgrund der ausstehenden Briefwahlstimmen hochgerechnet und noch nicht
das endgültige Ergebnis sind, wird sich nicht mehr viel bewegen, schon gar
nichts Substantielles.

Gegenüber den
letzten Nationalratswahlen zeigt das Ergebnis bedeutende Veränderungen im
politischen Kräfteverhältnis, das jeder fortschrittlich orientierte Mensch vor
allem zuerst zwischen den Klassen sehen muss.

Politisches
Kräfteverhältnis

Mit Sebastian
Kurz hat die ÖVP den politischen Anliegen der Reichen und der KapitalistInnen
zu einer Zustimmung verholfen, die es seit Anfang der 2000er nicht mehr in
diesem Land gab. Mit seinen als „Entlastungen“ verschleierten Umverteilungen
und seinem Aufspringen auf die rassistische Welle hat Kurz in den letzten zwei
Jahren nicht nur die große und mittlere Bourgeoisie sowie große Teile der
„Mittelschichten“, sondern selbst viele ArbeiterInnen hinter sich vereint. Von
seinen Steuersenkungen sollen nicht nur die Reichen und die Konzerne
profitieren, sondern auch mal diese oder jene Gruppe, beim Familienbonus vor
allem gutverdienende Familien, bei der Steuerreform auch kleine und mittlere
Einkommen, vor der Wahl dann die PensionistInnen usw. Vor dem Hintergrund eines
kleinen Wirtschaftsaufschwungs konnte er auf diese Weise und mit kräftiger
Hilfe der Medien die Ideologie verankern, dass von einer Entlastung der
KapitalistInnen („Standortpolitik“) alle profitieren würden oder zumindest
diejenigen, die es verdient hätten. Während er mit einer Hand geschickt
umverteilt, schlägt er mit der anderen gegen wichtige Errungenschaften der
ArbeiterInnenbewegung, so die Ausweitung der Tageshöchstarbeitszeit, die
Stärkung der UnternehmerInnen in der Sozialversicherung oder (geplant, aber
nicht umgesetzt) die Reform von Arbeitslosenversicherung und Notstandshilfe
sowie die Schwächung der ArbeiterInnenkammer. Kurz versteht es wie kein
anderer, sich hier und dort die Unterstützung aus politisch rückständigen
Schichten der Bevölkerung zu generieren, um insgesamt gegen die
ArbeiterInnenklasse vorzugehen.

Die enorme
Stärkung der ÖVP findet allerdings vor dem Hintergrund einer Verschiebung im
reaktionären Lager statt. Die FPÖ, die in der Vergangenheit mit aggressivem
Rassismus und Nationalismus von den Abstiegsängsten und der politischen
Perspektivlosigkeit des KleinbürgerInnentums und vieler unbewusster ArbeiterInnen
stark profitieren konnte, hat erneut bewiesen, dass sie nicht die Partei „des
kleinen Mannes“ ist, und befindet sich in einer ernsthaften Krise. Mitte Mai
hatte die Süddeutsche Zeitung ein Video von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache
und dem damaligen Klubobmann Johann Gudenus veröffentlicht, das die beiden bei
korrupten Geschäften mit einer vermeintlichen russischen Oligarchin auf Ibiza
zeigt. Was wohl für alle bürgerlichen Parteien inoffiziell zum politischen
Geschäft gehört, war in der Öffentlichkeit untragbar. Hinzu kommen nun auch die
Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit dem Glücksspielkonzern Novomatic und
die Spesenaffäre von H.-C. Strache in der eigenen Partei. Konnte die FPÖ bei
der Europawahl Ende Mai noch um einen Prozentpunkt besser abschneiden als
jetzt, waren die Skandale nun noch einmal für einige eingefleischte
Freiheitliche mehr zu viel. Dadurch wechselten 258.000 WählerInnen zur ÖVP,
235.000 ehemalige FPÖ-WählerInnen blieben enttäuscht der Wahl fern.

SPÖ-Desaster

Gleichzeitig hat
die Sozialdemokratie erneut ihre Unfähigkeit bewiesen, die arbeitende
Bevölkerung und die Jugend für ihre politischen Anliegen zu mobilisieren.
Dieses Versagen wirkt in diesen Wahlen doppelt schwer, denn nicht nur die
freiheitlichen Skandale, sondern auch jene um die Parteispenden der ÖVP
(maßgeblich finanziert von der Milliardärin Heidi Goess-Horten sowie den
Kapitalisten Klaus Ortner und Stefan Pierer) haben aufgezeigt, wie diese beiden
Parteien mit dem Kapital verbunden sind. Demgegenüber wäre es verhältnismäßig
leicht gewesen, die gemeinsamen Interessen der ArbeiterInnen in Abgrenzung zu
ÖVP und FPÖ darzulegen und deren Interessenvertretung für die Sozialdemokratie
zu reklamieren.

Dazu gehört auch
die Einbeziehung jener 1,2 Millionen in Österreich lebenden Menschen, die
aufgrund des schweren Zugangs zur StaatsbürgerInnenschaft kein Wahlrecht
besitzen und in ihrer Mehrheit einen sozial unterdrückten und politisch
entmündigten Teil der ArbeiterInnenklasse stellen. Doch der SPÖ-Führungsclique
fehlt schon längst mehr als die nötige Glaubwürdigkeit. Dort, wo sie links
blinkt (Beispiel Vermögenssteuern), bietet sie keine Perspektive, wie ihre
Forderungen erkämpft werden könnten, denn in der traditionellen Großen
Koalition hat eine Politik im Interesse der lohnabhängigen Bevölkerung keinen
Platz und eine Mobilisierung der ArbeiterInnenklasse zählt längst nicht mehr zu
den Strategien der Sozialdemokratie. Stattdessen setzten die
sozialdemokratischen FunktionärInnen auf eine Kampagne, die das „Gemeinsame“
und die „Menschlichkeit“ beschwört. Das reflektiert den Wunsch der
Parteibürokratie, sich mit den KapitalistInnen auszusöhnen und sich wieder im
Staatsapparat und der Verwaltung bereichern zu können. Weil sich die
Parteivorsitzende Rendi-Wagner auch keine andere Politik als den Appell zum
sozialen Miteinander vorstellen kann, verkündet sie auch noch nach der Wahl,
dass „die Richtung stimmt“. So setzt sich der Niedergang der SPÖ fort.

Die großen
GewinnerInnen bei diesen Wahlen sind neben Sebastian Kurz die Grünen.
Angesichts der großen internationalen Mobilisierungen von Fridays for Future
ist in der Bevölkerung die Nachricht angekommen, dass es längst an der Zeit ist
für ernsthafte Maßnahmen gegen den Klimawandel. Der Klimaschutz war eines der
wichtigsten Themen im Wahlkampf. Er hat selbst den Dauerbrenner Zuwanderung in
den Schatten gestellt, sodass sich so gut wie alle Parteien zu einer
ernsthafteren Umweltpolitik bekennen mussten. Auch gab es viele traditionelle
Grün-WählerInnen, die bei den letzten Wahlen sozialdemokratisch oder Pilz
gewählt hatten und nun den Rauswurf der Grünen aus dem Nationalrat umkehren
wollten. Bei den unter 30-Jährigen teilen sich die Grünen prozentual die Spitze
mit der ÖVP. Bei der Jugend, die besonders von den Auswirkungen des
Klimawandels betroffen sein wird, stehen sie wohl sogar an erster Stelle.
Nachdem die Grünen seit Jahrzehnten schon die Notwendigkeit des Umweltschutzes
betonen, genießen sie beim Klima natürlich das größte Vertrauen. Letztlich
handelt es sich bei den Grünen aber um eine (klein-)bürgerliche Partei, die
glaubt, sie könne die Rettung des Planeten mit den ausbeuterischen Gesetzen des
Kapitalismus versöhnen, und deshalb zwischen der Verteidigung der
Eigentumsverhältnisse und der Beschränkung der Verfügungsgewalt des Kapitals hin-
und hergerissen ist.

Krise von
Schwarz-Blau

Sebastian Kurz
sieht sich nun trotz der Zugewinne in einer schwierigen Situation. Er selbst
würde wohl am liebsten sein schwarz-blaues Projekt fortsetzen, doch die
freiheitliche Spitze positioniert sich vorerst eindeutig gegen eine
Regierungsbeteiligung. Letztlich ist es auch fraglich, ob eine stabile
Koalition mit der FPÖ zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt möglich wäre. Das
Szenario einer Parteispaltung ist zwar nicht wahrscheinlich (insbesondere nach
dem angekündigten Rückzug Straches aus der Politik), aber keineswegs
ausgeschlossen, besonders wenn bei einer erneuten Regierungsbeteiligung die
Umfragewerte nicht stimmen. Eine Koalition mit der Sozialdemokratie wäre für
Kurz wohl die unattraktivste Option. Immerhin hat er selbst die letzte
rot-schwarze Regierung gesprengt und der SPÖ mit seiner schwarz-blauen Politik
sozusagen den Krieg erklärt. Auch die Sozialdemokratie wird sich schwertun, nun
auch noch in der eigenen Parteikrise dem Erzfeind Kurz-ÖVP die Mehrheit zu
beschaffen. In ihrer „staatstragenden“ Rolle würde sie aber vermutlich ähnlich
wie die SPD als letzter Ausweg trotzdem für eine Koalition bereitstehen. Eine
Koalition mit den Grünen erscheint zum gegenwärtigen Zeitpunkt am
wahrscheinlichsten zu sein, wenngleich diese schon angekündigt haben, sich am
teuersten zu verkaufen. Tatsächlich kann Kurz auch mit den Grünen nicht an
einer rechtskonservativen Politik festhalten und müsste zumindest eine gehörige
Kosmetik in der Umweltpolitik und eventuell auch anderen Bereichen bieten. Man
muss sich also darauf einstellen, dass sich die Gespräche zwischen den Parteien
und die Koalitionsverhandlungen selbst über einen längeren Zeitraum ziehen und
ob dann wirklich die Grünen oder doch noch die Blauen oder am Ende sogar die
Roten zum Handkuss kommen, das ist vom jetzigen Standpunkt kaum abzusehen.

Herausforderungen

Für linke und
fortschrittliche Menschen und für BefürworterInnen der ArbeiterInnenbewegung
gilt es nun, die Konsequenzen aus diesem Wahlkampf zu ziehen. Die Zugewinne für
ÖVP und Grüne (sowie auch für NEOS) sowie die Verluste für die SPÖ deuten eine
weitere Stärkung bürgerlicher Ideologien und Illusionen in der Bevölkerung an.
Die Sozialdemokratie selbst betreibt bürgerliche Politik auf Grundlage der reformistischen
Ideologie einer Versöhnung von Arbeit und Kapital. Sie ist damit Teil des
Problems und nicht der Lösung. Die ArbeiterInnenklasse braucht ihre eigene
Partei für eine unabhängige proletarische und internationalistische Politik –
die Sozialdemokratie ist diese Partei schon lange nicht mehr! Für die linken
und klassenbewussten Teile der Sozialdemokratie ist das aktuelle politische
Desaster die Vorwarnung, mit der Partei unterzugehen, sollten sie einen Bruch
mit der verbürgerlichten Politik der SPÖ weiterhin scheuen. Die kommenden
Wochen und Monate werden dazu Gelegenheit bieten, wenn sich die SPÖ für eine
Große Koalition öffnet. Dann muss es heißen „Nein zu jeder Koalition mit
kapitalistischen Parteien! Für eine eigenständige sozialistische Politik!“

Die Kandidaturen
von KPÖ und Wandel boten wieder einmal keinen Ausweg. Das liegt nicht nur an
der schwierigen Ausgangslage für Kleinparteien. Es ist auch ein Ausdruck
dessen, dass der etwas linkere Reformismus oder Populismus als alternative
Perspektive kaum überzeugt. Nur eine Politik des internationalistischen
Klassenkampfs kann einen tatsächlichen Ausweg aus der Krise der
kapitalistischen Gesellschaftsordnung aufzeigen. Dass eine solche Politik
derzeit am politischen Horizont nicht absehbar ist, sondern die ÖVP ihren
politischen Höhenflug feiert, sollte nicht entmutigen. Wer schnell aufsteigt,
kann auch schnell wieder fallen. Gerade diese Wahlen haben bewiesen, wie
schnell die politischen Verhältnisse kippen können, wenn das politische
Bewusstsein erschüttert wird. Erschütterungen wird der Kapitalismus noch
mehrere hervorrufen, besonders in Zeiten der sich anbahnenden Rezession und der
Zuspitzung zwischen den imperialistischen Großmächten.




Nationalratswahlen 2019: Vor der Neuauflage von Schwarz-Blau?

Alex Zora, Infomail 1066, 30. August 2019

Nachdem die Ibiza-Affäre die Koalition
gesprengt hat und Ende September Neuwahlen durchgeführt werden, hat
sich die politische Lage leider womöglich nur oberflächlich
verändert. Die ÖVP unter Sebastian Kurz liegt in den Umfragen
unangefochten auf Platz 1 und, falls es im Wahlkampf nicht zu
unvorhergesehenen Ereignissen kommt, wird auch die Wahlen gewinnen.
Doch was können wir tun, um uns gegen eine Neuauflage von
Schwarz-Blau zur Wehr zu setzen, bei den Wahlen und danach?

Schwarz-Blau – ein unfertiges Projekt

Im Mai diesen Jahres war das
schwarz-blaue Projekt noch keine eineinhalb Jahre alt, da war es auch
schon wieder vorbei. Nachdem Vizekanzler Strache wegen der
Ibiza-Affäre zurücktreten musste, weigerte sich die ÖVP, die
Regierung mit Innenminister Kickl weiter zu führen, die FPÖ hielt
an letzterem fest und die Regierung platzte. Wenige Tage später
wurde Kanzler Kurz durch ein Misstrauensvotum von SPÖ, FPÖ und
Liste JETZT gestürzt. Seitdem werden wir von einem ungewählten
„ExpertInnen“kabinett regiert.

Doch in der kurzen Zeit ihres Bestehens
schaffte es die schwarz-blaue Regierung, wesentliche Angriffe auf die
große Mehrheit der Bevölkerung durchzuführen. Begonnen wurde
dieses Projekt mit dem passiven Einführen von Studiengebühren für
berufstätige StudentInnen, die zu langsam fertig würden, einem
Steuerbonus für einkommensstarke Familien und Angriffen auf die
Rechte von AsylbewerberInnen. Schon bald darauf kam es zur vermutlich
größten und wichtigsten Reform von Schwarz-Blau. Der 12-Stundentag
wurde im Eilverfahren durchs Parlament bugsiert. Damit zeigte die
Regierung zum ersten Mal offen, dass sie nicht nur Angriffe auf den
einen oder anderen unterdrückten Teil der Gesellschaft fahren würde,
sondern eben auch solche auf die gesamte ArbeiterInnenklasse auf dem
Programm stehen. Gemeinsam mit den Stimmen der NEOS wurde die „Reform
der Tageshöchstarbeitszeit“ Anfang des Sommers 2018 angenommen.
Der ÖGB mobilisierte zwar innerhalb kurzer Zeit zu einer kraftvollen
Demonstration mit mehr als 100.000 TeilnehmerInnen, doch die Kritik
der ÖGB-Spitzen bezog sich vor allem auf die Tatsache, dass sie
nicht wie üblich zu Verhandlungen eingeladen worden waren. Trotz der
ohne Zweifel möglichen Dynamik kam es abgesehen von dieser
Großdemonstration am 30. Juni zu keinen weiteren Kampfmaßnahmen.
Die verräterische Rolle der sozialpartnerschaftlich orientierten
Gewerkschaftsspitze zeigte sich ein weiteres Mal.

Mit dem 12-Stundentag waren die
Angriffe von Schwarz-Blau keineswegs vorbei. Noch vor Ende des Jahres
2018 wurde eine Reform der Sozialversicherung beschlossen, die neben
einer Zusammenlegung der Versicherungsträger vor allem das Gewicht
in den Entscheidungsgremien deutlich zu den UnternehmerInnen hin
verschob. Das letzte große Projekt war die Reform der
Mindestsicherung, das zwar keine großen Einsparungen brachte, aber –
rassistisch ausgerichtet – vor allem Familien mit vielen Kindern
deutliche Einbußen bescherte und Menschen ohne österreichische
StaatsbürgerInnenschaft den Zugang erschwerte. Klar im Interesse des
Kapitals agierend wurde immer darauf geachtet, neben diesen Angriffen
die Geflüchteten und MuslimInnen als populäre Feindbilder zu
erhalten, um sich eine populär„volksnahe“ Basis zu bewahren. Das
funktioniert bis heute ausgesprochen gut. Die aktuellen Umfragen
sagen ÖVP und FPÖ zusammen einen ähnlichen Prozentsatz wie noch
bei den Wahlen 2017 voraus, wenn auch mit einer leichten Verschiebung
hin zur ÖVP.

Doch um sich auf die möglichen
Angriffe der nächsten Regierung vorbereiten zu können, ist es neben
den durchgeführten Angriffen vor allem auch wichtig, sich anzusehen,
welche Angriffe nicht (mehr) durchgeführt werden konnten. Ganz oben
auf dieser Liste steht die Reform von Arbeitslosengeld und
Notstandshilfe. Im Regierungsprogramm lautete das erklärte Ziel, die
Notstandshilfe und das Arbeitslosengeld in einem „Arbeitslosengeld
NEU“ zusammenzuführen. Dabei sollte vor allem die praktisch
unbegrenzte Bezugszeit der Notstandshilfe abgeschafft werden, was zu
einem ähnlichen Modell wie dem deutschen Hartz IV führen würde.
Das würde bedeuten, dass nach dem Ablauf des Bezugs des
Arbeitslosengelds, das sich in Höhe und Dauer wie angedacht nach der
vorherigen Beitragsdauer richten würde, das Vermögen bis auf einen
gewissen Freibetrag verbraucht werden müsste, bevor ein Bezug der
Mindestsicherung möglich wäre. Dieses Projekt war auch jenes, das
die meisten Unstimmigkeiten zwischen FPÖ und ÖVP bewirkt hatte und
dessen Durchführung vermutlich für Herbst/Winter 2019/20 geplant
war. Wir können mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
davon ausgehen, dass sich dieses Thema auch in einem neuen
Regierungsprogramm von Schwarz-Blau wiederfinden würde. Die
Gewerkschaften müssen sich schon jetzt auf diesen Angriff einstellen
und Gegenstrategien entwickeln, um nicht wieder wie bei der Reform
des 12-Stundentages vollkommen überrumpelt zu werden. Aber auch
andere Angriffe konnten nicht mehr durchgeführt werden, wie die
Einführung von Studiengebühren, ein vermieterfreundliches
Mietrecht, oder die finanzielle Austrocknung der ArbeiterInnenkammer.

Alle jagen Kurz

Was sich durch die Ibiza-Affäre klar
gezeigt hat, ist dass die etablierten Parteien, auch solche wie die
FPÖ, die sich gerne als „Partei des kleinen Mannes“ ausgibt,
nicht viel mehr als korrupte Gebilde sind, um Politik im Interesse
der Reichen und Mächtigen zu machen. Die ÖVP ist auch durch die
Spendenaffäre rund um die Milliardärin Heidi Horten (die Strache
auch im Ibiza-Video als Spenderin der FPÖ nennt) in ein für sie
ungutes Licht gerückt worden. Nachdem Spendenlisten der ÖVP
diversen Medien zugespielt wurden, veröffentlichte die ÖVP ihre
SpenderInnen von 2018 und 2019. Ungeschlagen dabei ist Heidi Horten,
die seit der Übernahme durch Kurz jeden Monat 49.000 Euro (ab 50.000
Euro wäre es zu melden gewesen) an die ÖVP überwies. Insgesamt
belief sich das auf fast 1 Million Euro. Aber auch andere
KapitalistInnen wie Pierer oder Ortner spendeten mehrere
hunderttausend.

Trotz all dieser Steilauflagen tut sich
die SPÖ bisher schwer, im Wahlkampf auf Kosten des Kanzlers Kurz an
Boden zu gewinnen. Auf der einen Seite versucht sie, zwar klar die
Politik der Reichen von Kurz und Co. anzuprangern, tut sich aber
gleichzeitig schwer, wirklich radikal und offensiv für die
Interessen der ArbeiterInnen einzutreten. Das ist auch wenig
verwunderlich, immerhin möchte sie sich ja nicht den Weg in eine
Regierung als Juniorpartnerin der ÖVP versperren. Die FPÖ hingegen
wandelt gerade auf einem schmalen Grad der Parteispaltung. Hinter den
Kulissen dürfte es harte Auseinandersetzungen zwischen dem
radikaleren Flügel um die deutschnationalen Burschenschafter und
Ex-Innenminister Kickl auf der einen Seite und dem gemäßigteren
Flügel um Parteichef Hofer geben, der sich voll auf eine Fortsetzung
der Regierung mit der ÖVP orientiert. Auch Strache versucht aktuell,
an seinem Comeback zu arbeiten, und befindet sich damit eindeutig auf
Konfrontationskurs mit Hofer. Der FPÖ-Parteitag am 14. September
könnte diesbezüglich noch interessante Entwicklungen bringen.

Die Grünen sind wohl die Partei, die
am meisten zulegen wird können. Das ist aber in erster Linie nicht
selbstverschuldet, sondern liegt vor allem an der internationalen
Umweltthematik. Mit Fridays for Future gibt es nun schon seit einigen
Monaten eine kampfstarke Umweltbewegung, die die Grünen in vielen
Ländern dominieren und wovon sie natürlich auch politisch
profitieren. Das hat sich schon bei den EU-Wahlen gezeigt. In dieser
Bewegung spielen die Grünen aber vor allem die Rolle der
„realistischen“ Alternative zu den anderen Parteien, die den
Umweltschutz nur als untergeordnetes Thema aufgreifen wollen. Aber es
ist auch ganz klar, dass sie mit ihrer Politik der grünen bzw.
sozial-ökologischen Marktwirtschaft nicht über die Grenzen dieses
Systems hinausgehen wollen und letztlich nicht in der Lage sein
werden, das Problem der Umweltzerstörung und des Klimawandels
wirklich zu lösen.

ArbeiterInnenbewegung und die Wahlen

Links der Sozialdemokratie und der
Grünen werden österreichweit der „Wandel“ antreten und die KPÖ
(diesmal unter „Alternative Listen, KPÖ PLUS, Linke und
Unabhängige“). Beide versuchen, sich mit einem mehr oder weniger
ambitionierten Reformprogramm bei diesen Wahlen als Alternative zu
präsentieren. Aber mehr als linker Reformismus ohne relevante
Grundlage in der ArbeiterInnenklasse ist bei beiden nicht zu
erkennen. Vielmehr geht es darum, das Programm der klassischen
Sozialdemokratie ins 21. Jahrhundert zu bringen. Ein klarer Bruch mit
dem Kapitalismus und ein proletarischer Klassenstandpunkt ist bei
beiden zu vermissen.

Die SPÖ, immer noch die dominierende
Kraft in den Gewerkschaften und in den organisierten Teilen der
ArbeiterInnenklasse, bringt bei diesen Wahlen selbst nicht viel mehr
als ein handzahmes Programm des Bruchs mit der schwarz-blauen
Koalition vor. Nicht einmal die Rücknahmen aller Konterreformen der
letzten zwei Jahre finden sich bei ihnen. Offiziell möchte man
wieder schaffen, stärkste Kraft zu werden, doch anlässlich der
Umfrageergebnisse ist wohl die Rolle der Juniorpartnerin unter
Sebastian Kurz realistischer, nicht zuletzt um die FPÖ aus der
Regierung zu verdrängen. Nichtsdestotrotz werden viele
fortschrittliche ArbeiterInnen, Arbeitslose und Jugendliche die SPÖ
als Partei des kleineren Übels und als Kraft gegen eine Neuauflage
von Schwarz-Blau wählen.

Für uns ist es deshalb nicht genug,
auf die Unzulänglichkeiten aus den vergangenen SPÖ-Regierungen
hinzuweisen: auf die Sparpolitik nach der Wirtschaftskrise, in der
Faymann die Kosten der Bankenrettung auf die ArbeiterInnen und
Jugendlichen abwälzte, auf die rassistische Grenzpolitik im Zuge der
„Flüchtlingskrise“ und die sozialpartnerschaftliche Ausrichtung
der sozialdemokratisch dominierten Gewerkschaftsführungen. Die SPÖ
ist eben wegen dieser zutiefst bürgerlichen Politik, Strukturen und
Führung, aber gleichzeitig wegen ihrer engen Verbindungen zu den
Gewerkschaften und der ArbeiterInnenbewegung eine bürgerliche
ArbeiterInnenpartei. Ihre reformistische, lähmende Dominanz bleibt
das größte Hindernis für revolutionäre Politik der
ArbeiterInnenbewegung, die den konsequenten Bruch mit den
KapitalistInnen sucht. Deswegen müssen alle ehrlichen und
klassenbewussten Linken Wege finden, um die ArbeiterInnenbewegung vom
Reformismus zu trennen.

Interessanter Weise ist die Rolle der
Sozialistischen Jugend in der Partei in den letzten Monaten gestärkt
worden. Die SJ-Chefin Julia Herr kandidiert auf Platz 7 der
Bundesliste. Als selbstproklamierte Sozialistin müssen wir von ihr
die konsequente Ablehnung aller Politik gegen die Interessen der
ArbeiterInnenklasse, Frauen, MigrantInnen und Jugendlichen fordern
und die Unterstützung für die Mobilisierung der Linken und der
ArbeiterInnenbewegung. Von der SPÖ fordern wir die Ablehnung
jeglicher Koalitionen mit den bürgerlichen Parteien des Parlaments
und stattdessen eine Orientierung auf den außerparlamentarischen
Widerstand gegen die kommenden Angriffe von Kurz und Co. Gerade den
linkeren Kräften innerhalb der Sozialdemokratie, die eine solche
Herangehensweise teilen, bieten wir hier eine praktische
Zusammenarbeit an. Um den Kampf um solche Anliegen zu stärken,
werden wir am 29. September für eine kritische Wahlunterstützung
der SPÖ aufrufen. Gleichzeitig muss uns aber auch klar sein, dass
der wirkliche Kampf erst nach den Wahlen beginnen wird und deshalb
schon jetzt in der ArbeiterInnenbewegung die Diskussion über den
praktischen Widerstand gegen die geplanten Angriffe geführt werden
muss.