USA: Middle Tennessee Democratic Socialists of America (DSA) unterstützt den Gefängnisstreik

DSA Middle Tennessse, Infomail 1014, 15. August 2018

Auf der Grundlage dieser Resolution, die auf der allgemeinen Mitgliederversammlung im Juli 2018 angenommen wurde, unterstützt der Verband der Democratic Socialists of America in Middle Tennessee den nahenden nationalen Gefängnisstreik, zu dem inhaftierte Frauen und Männer aufgerufen haben. Der Streik, der am 21. August beginnen und bis zum 9. September 2018 andauern wird, ist eine Antwort auf den Aufstand in der Lee Correctional Gefängnisinstitution in South Carolina vom April 2018, in dessen Verlauf sieben Männer ihre Leben verloren.

Hinter den Gefängnismauern erleiden Menschen eine Brutalität und Ausbeutung, die nur von jenen wirklich verstanden werden kann, die ihre Erfahrungen geteilt haben. Mit ungefähr fünf Prozent der Weltbevölkerung aber 25 Prozent der weltweiten GefängnisinsassInnen, kerkern die Vereinigten Staaten die größte Zahl an Menschen ein, sowohl in relativen als auch absoluten Zahlen. Massenhafte Einsperrung in Gefängnisse ist die moderne Fortsetzung der Sklaverei, und als SozialistInnen streben wir an, dieses System der Ausbeutung, Entmenschlichung und Unterwerfung aufzuheben. Wir können sehen, dass das wahre Ziel dieses Kerkerstaates keinesfalls die Rehabilitierung der Gefangenen oder der Schutz der Gesellschaft ist. Tatsächlich ist es ein Angriff auf humanistische Werte, es ist die Aufrechterhaltung der Sklaverei, eines der widerlichst riechenden Fundamente der amerikanischen Gesellschaft, das diese im Namen des Profits umgibt.

Wir kennen diese Entmenschlichung durch Kriminalisierung, die für viele bereits in jungem Alter stattfindet, die unsere Nachbarschaften und Gemeinden heimsucht, indem sie uns BürgerInnen unserer Autonomie und unserer Selbstbestimmung beraubt. Wir können in Middle Tennessee sehen, wie die Gentrifizierung dieses Phänomen noch weiter verschärft: North Nashville, eine historisch schwarze Gemeinde, ist immer wieder abwechselnd von der herrschenden Klasse der Stadt geplündert oder vernachlässigt worden, seitdem vor 150 Jahren ehemalige Sklaven hier zu siedeln begannen. Auch jetzt ist die Gemeinde wieder unter Beschuss, durch InvestorInnen und die kommunale Regierung. 14 % der Bevölkerung North Nashvilles sind im Gefängnis. Das ist die höchste Rate der gesamten Nation. Menschen, die in unseren Gemeinden für Jahrzehnte gelebt haben, werden auf die gleiche Weise verdrängt wie die indigenen Stämme, die von den KolonistInnen vertrieben wurden von dem Land, das sie seit Generationen bewohnt hatten. Alle, die sich weigern zu verschwinden, spüren den Stiefel des Staates in ihrem Genick, so wie damals auch.

Die massenhafte Inhaftierung ist kein Ausrutscher, sondern Produkt eines Systems, in dem sichergestellt werden soll, dass jene, die von der Ausbeutung der Unterdrückten profitieren, es auch in Zukunft tun können. Dieses System wurde von den GründerInnen der Vereinigten Staaten von Amerika geschaffen und wird von Kapital und Staat auch heute aufrechterhalten. Diese Allianz von Staat und Kapital ist offen sichtbar am Beispiel von CoreCivic, dem größten Gefängnisunternehmen der Welt mit Hauptsitz in Nashville, das seinen AktionärInnen, aber auch freundlich gesinnten PolitikerInnen Dividenden auszahlt, die es den leidenden Gefangenen abgepresst hat. Diese ProfiteurInnen sind die direkten ideologischen NachfahrInnen der ArchitektInnen, StifterInnen und AufseherInnen des atlantischen Sklavenhandels.

Wir unterstützen die Forderungen des Streiks:

  1. Unmittelbare Verbesserung der Haftbedingungen und eine Strafvollzugspolitik, die die Menschlichkeit inhaftierter Männer und Frauen anerkennt.
  2. Abschaffung der Knastsklaverei. Alle, die unter US-amerikanischer Rechtssprechung inhaftiert wurden, müssen nach dem Lohnniveau des entsprechenden Bundesstaats oder Territoriums bezahlt werden.
  3. Abschaffung des „Gesetzes zur Reform der Prozessordnung im Strafvollzug“, sodass Gefangene wirklich die Möglichkeit erhalten, sich gegen Missstände und Verletzungen ihrer Rechte zu wehren.
  4. Abschaffung des „Gesetzes über die Wahrheit im Urteilsprozess“ und des „Gesetzes zur Reform des Urteilsprozesses“, sodass Gefangene die Möglichkeit zur Resozialisierung und Bewährung bekommen. Niemand darf zum Tode durch Wegsperren verurteilt werden oder eine Haft ohne Möglichkeit auf Bewährung absitzen müssen.
  5. Ein sofortiges Ende der Praxis, Schwarze und braune Menschen mit einem überproportional hohen Strafmaß anzuklagen, sie zu überproportional hohen Strafen zu verurteilen und ihnen Bewährungsstrafen zu verwehren. Schwarzen darf nicht länger Bewährung verwehrt werden, weil das Opfer des Verbrechens weiß war, was vor allem in den Südstaaten ein Problem darstellt.
  6. Abschaffung der „Gesetze zur Strafmaßerhöhung bei Bandenkriminalität“, die sich vor allem gegen Schwarze und braune Menschen richten.
  7. Häftlingen darf der Zugang zu Resozialisierungsprogrammen in ihren Haftanstalten nicht weiter aufgrund dessen verwehrt werden, dass sie als Gewalttäter abgestempelt werden.
  8. Finanzierung von Resozialisierungsdienstleistungen in Gefängnissen für Langstrafer.
  9. Wiedereinführung von Bildungszuschüssen in allen Staaten und Territorien der USA.
  10. Das Wahlrecht aller Bürger die aufgrund einer Haftstrafe oder in Untersuchungshaft inhaftiert sind sowie aller Ex-Gefangener ist zu respektieren. Wir fordern Repräsentation, alle Stimmen zählen.

Wir rufen zur Solidarität zwischen jenen unter uns, deren einzige Ketten die der Lohnarbeit sind, und jenen gefangenen Menschen, die am 21. August zu streiken beginnen, auf. Durch Solidarität wollen wir jene unterstützen, denen die Schlinge der industriellen Gefängniskomplexe um den Hals liegt, bis und auch nachdem sie wieder frei sind. Durch Solidarität werden wir die Mauern niederreißen, die die rassistische und sexistische Bourgeoisie errichtet hat, um uns voneinander zu trennen. Durch Solidarität alleine werden wir eine Zukunft für uns alle gestalten, die ohne Ketten und Gitter auskommt.




Libyen: Totgeschwiegenes Leid

Jaqueline Katherina Singh, REVOLUTION-Germany, Fight! Revolutionäre Frauenzeitung No. 6

Während im Innern der Festung Europa rechte Hetze und Gewalttaten zunehmen, scheinen die Außengrenzen unbezwingbar. Menschen, die vor Hunger, Krieg, Gewalt und Ausbeutung fliehen, lässt man im Mittelmeer ertrinken oder in Massenlagern an der Grenze von Griechenland oder der Türkei ihr Dasein fristen. Damit man sich gar nicht erst mit dem „Problem“ der Flucht herumschlagen muss, wurde in den letzten Jahren viel getan. Kriegsgebiete wie Afghanistan wurden zu sicheren Herkunftsländern erklärt, um jene, die es nach Europa geschafft haben, wieder abschieben zu können. Daneben wurden auf unzähligen Gipfeltreffen und Konferenzen Abkommen geschlossen, die Länder, durch die zentrale Fluchtrouten verlaufen, dazu verpflichteten, die Menschen, die fliehen wollen, gar nicht erst passieren zu lassen. Aktivist_Innen wie von der Organisation Jugend rettet!, die hingegen versuchen, Menschen vor dem Ertrinken zu retten, oder Leute bei ihrer gefährlichen Flucht unterstützen, werden kriminalisiert.

Zusammengefasst: Man tut viel, um sich nicht mit dem Leid, oftmals durch die EU selbst erzeugt, herumzuschlagen. So wundert es auch nicht, dass es nur bei einem kurzem medialen Aufschrei, der schnell in der Leere verhallte, blieb, als im letzten Jahr an die Öffentlichkeit kam, wie die praktische Umsetzung der „Fluchtverhinderung“ aussieht. Die Rede ist hier von den Gefängnislagern und Sklavenauktionen in Libyen. Das Land selbst steht seit dem Sturz von Diktator Gaddafi unter der Kontrolle von Milizen, unterschiedlichen Warlords und zwei konkurrierenden Regierungen. Doch das hinderte die EU nicht, 2016 die Zusammenarbeit zu erneuern. Schließlich hatte diese bereits Tradition. Laut einem Bericht von Amnesty International gibt es die Kooperation zur Migrationsverhinderung seit den 1990er Jahren zwischen Italien und Libyen, die bis heute beispielsweise in Form von gemeinsamen Patrouillen im Mittelmeer anhält. Aktuell wird diese Küstenwache übrigens von einem Warlord angeführt. Die Europäische Union mischt zwar „erst“ seit 2005 mit, investierte aber bisher dreistellige Millionenbeträge, damit das Land in den Grenzschutz investieren kann. Zusätzlich gibt es Lehrgänge und Unterstützung für den dortigen Polizei- und Militärapparat.

Das alles geschieht im Namen der „Schlepperbekämpfung“. Doch schaut man sich die Situation an, merkt man, dass man eher Schlepper, Sklavenhandel, Folter und Tod finanziert, anstatt diese Übel zu beenden. Denn Menschen, die nach Libyen kommen, sind per se illegal. Aktuell sollen es 700.000 bis 1.000.000 sein. Meist werden sie von Schleppern oder Menschenhändlern mit dem Versprechen eines Arbeitsangebotes gewonnen und kommen oftmals Nigeria, Niger, Bangladesch oder Mali. Einmal in den Fängen solcher Leute, sind sie ihnen komplett ausgeliefert. Sie werden von ihrer Heimat nach Libyen gebracht, viele sterben auf dem Weg oder werden an andere Schlepper oder Milizen verkauft. Bei diesen müssen sie dann die Kosten für ihre Flucht abarbeiten. Für rund 400 Dollar werden Männer als Arbeitskräfte verkauft, Frauen als Sexsklavinnen oder Prostituierte. Geflüchtete, die von der Küstenwache auf der Flucht übers Mittelmeer erwischt werden, landen in Internierungslagern. Die dort erlebte Gewalt ist kaum in angemessene Worte zu fassen. Auf zu wenig Raum, mit maximal einer Mahlzeit am Tag sind sie dann der Willkür der Gefängniswärter ausgesetzt. 2017 veröffentlichte Oxfam einen Bericht, demzufolge 80 % der Befragten schilderten, Gewalt und Misshandlungen erlitten zu haben. Alle weiblichen Befragten gaben , Opfer von sexueller Gewalt geworden zu sein. Viele der Frauen berichteten, dass es keine Rolle spiele, ob sie schwanger seien.

Was ist unsere Perspektive?

Weltweit befinden sich 65,5 Millionen auf der Flucht. Viele davon Frauen und junge Mädchen, die besonders mit sexueller Gewalt zu kämpfen haben. Für diejenigen, die es nach Europa schaffen, hört der Schrecken nicht auf. Je nachdem, wo man landet, hat man es mit Massenlagern, mangelnder Privatsphäre etc. zu tun. Hinzu kommen die steigende Gewalt von Rechten und rassistische Gesetze. Um dagegen zu kämpfen, bedarf es einer antirassistischen Bewegung auf europäischer Ebene. Diese sollte sich gegen die Festung Europa richten und gegen rassistische Asylgesetze, Abschiebe- und Migrationsabkommen stellen sowie für sichere Fluchtrouten, offene Grenzen und Staatsbürger_Innenrechte für alle eintreten. Daneben muss sie auch für die spezifischeren Forderungen für geflüchtete Frauen einstehen wie den Ausbau und die kostenlose Nutzung von Frauenhäusern, die Möglichkeit, einen Asylantrag unabhängig vom Mann zu stellen, sowie für den Ausbau der medizinischen und physischen Versorgung für Geflüchtete.

Um Grauen wie in Libyen zu beenden, reicht es nicht, darauf zu hoffen, s sich aus dem „gescheiterten Staat“ eine zentrale Regierung entwickelt. Vielmehr verschleiert dies das Problem. Denn auch eine neue bürgerliche Zentralregierung würde Politik im Interesse der EU umsetzen – oder dazu gezwungen werden. Die unmenschliche Behandlung von Geflüchteten würde also weitergehen. Um das Problem an der Wurzel zu packen, müssen wir uns gegen den Imperialismus als Weltsystem stellen. Denn dieser ist verantwortlich für Armut, Kriege, Umweltzerstörung und Unterdrückung.