Dresden – Bericht zu den antifaschistischen Aktionen am 13. und 15. Februar

REVOLUTION Sachsen, Infomail 1090, 17. Februar 2020

Am 13. Februar 1945 wurde Dresden von der Royal Air Force bombardiert. Zum 75. Jahrestag versuchten Neonazis und die AfD, wie in den vergangenen Jahren auch schon, einseitig der Bombenopfer zu gedenken und diese für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Jedoch wird nicht nur von faschistischen Kräften und anderen Rechten, sondern auch von der sogenannten „Mitte der Gesellschaft“, von der Stadtverwaltung und den bürgerlichen Parteien seit Jahren hartnäckig ein Opfermythos um das angeblich „unschuldige Dresden“ konstruiert, an den die Neonazis und RechtspopulistInnen mit ihren sogenannten „Trauermärschen“ und Gedenkkundgebungen nahtlos anknüpfen. Daher sollte man sich auch nicht über die Beteiligung von militanten Neonazis und faschistischen Kadern an den offiziellen Gedenkveranstaltungen der Stadt, wie an der undifferenzierten Verlesung der Namen aller Bombenopfer auf dem Heidefriedhof oder an der Menschenkette, wundern. Dass am 13. Februar beim Gedenken auf dem Friedhof undifferenziert Namen von Bombenopfern verlesen wurden, unter denen neben denen von ZivilistInnen auch viele NSDAP-Mitglieder und andere faschistische TäterInnen genannt wurden, ist für sich genommen schon bizarr. Dass aber Mitglieder von FDP (Stefan Scharf) und CDU zusammen mit der AfD beim Verlesen der Bombenopfer ausgerechnet dem stadtbekannten Neonazi Sebastian P. A. lauschten, stellte dabei die Spitze des Eisbergs dar (https://twitter.com/j_mkhk/status/1227976637700038657?s=21). Natürlich war vor allem die Bombardierung der ArbeiterInnen-Viertel durch die Alliierten zum Ende des Zweiten Weltkriegs ein unnötiges (aus heutiger Sicht) Kriegsverbrechen. Insbesondere, weil zu diesem Zeitpunkt die Rote Armee bereits vor Görlitz stand, also kaum mehr 100 Kilometer von Dresden entfernt war und immer weiter vorstieß. Jedoch stellt das einseitige Gedenken der Bombenopfer eine Form des Geschichtsrevisionismus dar, da dieses ausblendet, dass der Zweite Weltkrieg durch das faschistische Deutschland begonnen wurde und der Bombardierung Dresdens die Luftangriffe der Wehrmacht auf Städte wie Coventry und Rotterdam vorausgingen. Ein solches Gedenken kann nur als perfider Versuch einer Täter-Opfer-Umkehr verstanden werden.

Wir haben uns auch dieses
Jahr wieder der AfD und den Neonazis in den Weg gestellt und uns an den
antifaschistischen Gegenaktivitäten beteiligt. Am 13. Februar hatte die AfD
wieder zu einer Kranzniederlegung auf dem Altmarkt mobilisiert, an der sich
etwa 150–200 Rechte, unter ihnen auch militante Neonazis, beteiligten. An der
Gegenkundgebung nahmen etwa gleich viele AntifaschistInnen teil. Durch den
lautstarken Protest gegen die AfD konnte die Vereinnahmung der Bombardierung
der Stadt an diesem Abend zumindest akustisch teilweise erheblich gestört
werden.

Am 15. Februar fand dann
der alljährliche „Trauermarsch“ der FaschistInnen statt. Dieses Jahr hatte der
NPD-Kreis- und stellvertretende Landesvorsitzende Maik Müller die Demonstration
angemeldet, die 14 Uhr am Skatepark in der Nähe des Hauptbahnhofs beginnen
sollte. Aufgrund des 75. „Jubiläums“ der Bombardierung Dresdens und des
gesellschaftlichen Rechtsrucks, unter dem auch faschistische Kräfte wieder
erstarken, wurden dieses Jahr bis zu 1.500 TeilnehmerInnen erwartet.
Tatsächlich beteiligten sich allerdings „nur“ etwa 1.000 Menschen am
Fackelmarsch der Neonazis, darunter wie in der Vergangenheit auch schon viele
aus den umliegenden Nachbarländern. Erfreulich hingegen war dieses Jahr die
Beteiligung an den antifaschistischen Gegendemonstrationen und Aktionen. Laut dem
Bündnis „Dresden Nazifrei“ nahmen hieran sogar bis zu 5.000 Menschen teil. Dies
stellt für sich bereits einen enormen Mobilisierungserfolg dar, wenn man
bedenkt, dass sich im Vorjahr gerade mal 1.000 Menschen an der
antifaschistischen Gegendemo beteiligten. Hierdurch und durch das entschlossene
Handeln vieler AntifaschistInnen konnte der Naziaufmarsch mittels Blockaden
erheblich gestört werden. Trotz der 1.500 PolizistInnen, die an dem Tag im
Einsatz waren und auch nicht gerade zurückhaltend und zimperlich im Umgang mit
den AntifaschistInnen vorgingen, gelang es der Polizei nicht, den „Trauermarsch“
wie geplant durchzusetzen. Das Ziel der Neonazis, durch die Innenstadt zu
laufen, konnte erfolgreich verhindert werden. Stattdessen mussten die
FaschistInnen eine alternative, weitaus kürzere Route vom Skatepark über die
Wiener Straße, Strehlener Straße hin zur Hochschule für Technik und Wirtschaft
ablaufen, wo dann der Aufmarsch bereits endete. An der Abschlusskundgebung gab
es dann schließlich Protest in Hör- und Sichtweite, an dem sich rund um den
Hauptbahnhof so viele Menschen beteiligten, dass die Nazis unter massivem
Polizeischutz von der HTW zum Hauptbahnhof geführt werden mussten.

Wir bewerten vor allem
die antifaschistischen Aktionen am 15. Februar als erfolgreich. Dass es gelang,
derartig viele Menschen zu mobilisieren und in die Blockaden mit einzubinden,
war alles andere als vorher absehbar. Dass die Blockaden trotz der 1.500 Cops,
die an dem Tag im Einsatz waren, standhalten konnten und somit den Neonazis den
Tag vermiesten, kann nur als positive Entwicklung gesehen werden. Wir werden
die Ereignisse vom 13. und 15. Februar auf unserem Auswertungstreffen am 24.02.
noch mal ausführlich analysieren. Jedoch lässt sich jetzt schon sagen, dass
wohl vor allem die Ereignisse in Thüringen um die Wahl von Kemmerich zum
Ministerpräsidenten von AfD Gnaden der Mobilisierung gegen den Naziaufmarsch in
Dresden in die Hände gespielt haben. Auch die Debatte über die unglückliche
Entscheidung des #Unteilbar-Bündnisses, gleichzeitig am 15. Februar für eine
bundesweite Großdemonstration in Erfurt wegen der Causa Kemmerich zu
mobilisieren und der darauf folgende „Kompromiss“ des Bündnisses, sowohl zur
Teilnahme an der Demo in Erfurt als auch zur Beteiligung an den antifaschistischen
Gegenaktionen in Dresden aufzurufen, wird mit zum Mobilisierungserfolg
beigetragen haben. Nicht zuletzt hat sich dieses Jahr ein neues Aktionsbündnis
gegründet, um den faktischen Zusammenbruch des Bündnisses „Dresden Nazifrei“
abzufedern und die Mobilisierung und Organisation der Gegenproteste zu
organisieren. Es ist nicht auszuschließen, dass sich dieser neue
Zusammenschluss von vielen linken Gruppen ebenfalls positiv auf die Mobi
ausgewirkt hat und ein weiterer Grund für die rege Teilnahme darstellt.

Leider kam es wieder
einmal gleich zu mehreren Angriffen auf uns und Vorwürfen uns gegenüber durch
die sogenannten „Antideutschen“ und jene Linken, die deren Argumente
unreflektiert teilen. Bereits auf der Auftaktkundgebung „Nazis stören“ am
Hauptbahnhof, wo auch wir uns versammelten, kam es noch vor Beginn der
eigentlichen Demonstration zu einem Übergriff durch vermeintliche Antideutsche
auf uns. Eine Gruppe aus drei Menschen versuchte, unser Transparent zu
entwenden, und zerrte minutenlang daran, konnte ihr Ziel jedoch nicht
erreichen. Daraufhin wurde über den Lauti durchgesagt, dass antisemitische
Gruppen (gemeint waren unter anderem die MLPD und wir) auf der Demo nicht
erwünscht seien. Für diese Durchsage ist vermutlich die Gruppe HOPE verantwortlich,
die uns auch schon in der Vergangenheit regelmäßig als antisemitisch
diffamierte. Eine Begründung für diesen haarsträubenden Vorwurf wurde natürlich
nicht mitgeliefert. Als wir das Gespräch mit dem Anmelder der Demonstration
suchten, wurde behauptet, dass der Antisemitismus sich in einer angeblichen
Solidarität mit der Hamas zeigen würde. Auf den Hinweis, dass sogar in unserem
Programm wortwörtlich steht, dass die Hamas eine
theokratisch-fundamentalistische, antisemitische und sexistische, reaktionäre
Kraft darstellt, die den gemeinsamen Kampf der unterdrückten PalästinenserInnen
mit der israelischen ArbeiterInnenklasse blockiert, wurde nicht weiter
eingegangen. Es zeigte sich jedoch, dass unsere konsequente Ablehnung des
bürgerlichen Nationalismus und unsere sozialistische Perspektive, die wir im
Nahostkonflikt aufwerfen, das eigentliche Problem für die Antideutschen war.
Dies als Antisemitismus zu diffamieren, entbehrt jeglicher Grundlage und zeigt
die Schwäche in der Analyse von vielen Linken auf. Erwähnenswert ist auch, dass
auf der Demonstration nur antikapitalistische Gruppen offen angegriffen wurden,
während bürgerliche Parteien wie die Grünen und die verbürgerlichte SPD, die
mit ihrer Politik mitverantwortlich für den Rechtsruck, die rassistische
Abschiebepraxis und Asylgesetzverschärfung sind, überhaupt nicht kritisiert
wurden. Im Verlauf der Demonstration und Blockaden hatten wir dann immer wieder
Probleme mit Antideutschen und anderen Verwirrten, die meinten, uns den Verkauf
von Zeitungen und das Verteilen von Flyern verbieten zu müssen. In den darauf
folgenden Diskussionen kamen die absurdesten Argumente zum Vorschein. Neben
unseren Fahnen störten diese übereifrigen „Linken“ sich vor allem auch an
einigen GenossInnen, die eine Kufiya (arabische Kopfbedeckung) trugen, und
versuchten teilweise, diese herunterzureißen. Danach holten diese Antideutschen
wieder den Anmelder, der versuchte, die Blockade an der Prager Straße als
Versammlung anzumelden. Dieser wollte uns das Verteilen unserer Flyer verbieten
und drohte sogar damit, uns durch die Polizei von der Blockade entfernen zu
lassen, falls wir uns nicht daran halten.

Wir weisen den Vorwurf,
dass wir eine antisemitische Organisation sind, entschieden zurück. Unsere
Solidarität mit der palästinensischen Befreiungsbewegung und das Eintreten für
einen gemeinsamen, säkularen und sozialistischen Staat, in dem kein Mensch mehr
aufgrund seiner Herkunft oder religiösen Überzeugung unterdrückt wird, hat
absolut gar nichts mit Antisemitismus zu tun. Ganz im Gegenteil: Als
KommunistInnen sind wir die entschlossensten GegnerInnen des Antisemitismus, da
wir diesen nicht nur täglich auf der Straße, in der Schule, Uni und im Betrieb
bekämpfen, sondern auch dessen Wurzel, den Kapitalismus.

Wir halten den Versuch, den
antifaschistischen Gegenprotest noch vor Beginn der eigentlichen Demo zu
spalten und uns durch absurde Vorwürfe öffentlich zu diffamieren, für einen
schwerwiegenden politischen Fehler. Im Kampf gegen den Rechtsruck in der
Gesellschaft und gegen faschistische Aufmärsche brauchen wir eine gemeinsame
Aktionseinheit, wenn wir erfolgreich sein wollen. Eine Spaltung nützt letztlich
nur den Rechten und dem/der KlassenfeindIn, aber sicher nicht der Entwicklung
einer schlagkräftigen antifaschistischen Bewegung. Gerade vor dem Hintergrund
der allgemeinen Schwäche der Linken hierzulande, aber auch aufgrund der stetig
stärker werdenden Repression und Kriminalisierung von Linken durch den
bürgerlichen Staat sollten wir enger zusammenrücken und uns trotz vorhandener Differenzen
zumindest auf der Straße solidarisch zeigen. Vorhandene Kritik und Diskussionen
um die richtigen Inhalte sollten nicht verschwiegen oder abgewürgt werden,
sondern müssen und können auch öffentlich geäußert werden. Jedoch bringen uns
unbegründete, an den Haaren herbeigezogene Vorwürfe, Verbote, als
Organisationen offen aufzutreten und die eigenen Inhalte zu verbreiten und zu
bewerben bis hin zu körperlichen Übergriffen und Auseinandersetzungen, keinen
Schritt voran. Vielmehr sabotiert ein solcher „Stil“ lediglich die
Handlungsfähigkeit unserer Bewegung. Stattdessen müssen wir für eine
bedingungslose Kritik- und Propagandafreiheit in der Aktionseinheit eintreten
und uns kritisch-solidarisch miteinander über die richtigen Inhalte streiten.
Falsche Positionen innerhalb der hiesigen Linken werden nicht durch Verbote und
physische Übergriffe überwunden, sondern durch den Austausch von Argumenten.
Wir waren bisher immer zu Diskussionen bereit und sind es auch nach wie vor, um
die falschen Vorwürfe und vorhandene Vorurteile uns gegenüber aus der Welt zu
schaffen. Dass wieder einmal nicht der solidarische Streit, sondern technische
Angriffe uns gegenüber bevorzugt werden, können wir nur als Fehlen von
vernünftigen Argumenten bewerten. Daher sind wir uns nach wie vor sicher, dass
unsere sozialistischen Positionen richtig sind und dass nicht wir das Problem
innerhalb der Dresdner Linken darstellen.

Am kommenden Montag ist
Höcke bei Pegida als Gastredner angekündigt. Beim Gegenprotest wird sich
zeigen, ob die Linke hier lernfähig ist oder aber ihren falschen Stil
beibehält. Wenn sich am sektiererischen Verhalten von einigen „linken“
AktivistInnen nichts ändert, braucht sich auch keiner zu wundern, warum Pegida
auch nach über 5 Jahren noch läuft und weiterhin regelmäßig 1.500 Rechte
mobilisiert, während der Gegenprotest stets bei unter 50 TeilnehmerInnen
stagniert.

Am 24.02. führen wir ein
offenes Nachbereitungstreffen durch. Kommt vorbei, diskutiert mit uns über die
Aktionen und darüber, wie wir die Bewegung weiter aufbauen können und welche
Inhalte wir hierfür brauchen! Werdet auch über die bisherigen Aktionen hinaus
aktiv und organisiert euch revolutionär!

Nachbereitungstreffen und
Diskussion: Kampf dem Faschismus bedeutet Kampf dem Staat und Kapital! Montag, 24.02.,
um 18 Uhr im Seminarraum vom Coloradio (Zentralwerk, Riesaer Str. 32)




Proteste und Gentrifizierung in Leipzig-Connewitz

Leonie Schmidt, REVOLUTION und ArbeiterInnenmacht

Seit einigen
Jahren boomt Leipzig, viele Menschen ziehen in die sächsische Stadt. Das
schlägt sich natürlich auch auf dem Wohnungsmarkt nieder. Allerdings nicht nur
in den sowieso schon teuren Gegenden, sondern mittlerweile auch in alternativen
Stadtvierteln wie Plagwitz oder auch im Szeneviertel Connewitz, welches schon
seit den 1990ern für seine linken Freiräume bekannt ist. Während die Häuser
hier vorerst unangetastet blieben, kam es in den letzten Jahren zu
Mieterhöhungen, Renovierungen und Neubauten. Wirklich günstig kann man
mittlerweile hier auch nur noch leben, wenn man einen 15 Jahre alten
Mietvertrag hat.

Aktuell gibt es
gleich mehrere Projekte für Luxusbauten, wie beispielsweise drei in der
Wolfgang-Heinze-Straße, welche die Mietpreise in die Höhe treiben und Menschen
aus dem Kiez verdrängen. Andere sind ebenfalls schon fertig gestellt wie die
Studierendenapartments am Connewitzer Kreuz, in welcher ein 19 m² kleines
Apartment mal eben 525 Euro kosten kann oder die Neubauten neben dem „Werk 2“,
für die die alten Hausbestände abgerissen und die alten Anwohner_Innen
verdrängt wurden. Auch eine Nebenkostenabrechnung wird mal schnell um 100 Euro
in die Höhe getrieben, um Mieter_Innen noch mehr auszusaugen. Anwohner_Innen
wie geringfügig Verdienende, Arbeiter_Innen, Sozialleistungen Beziehende,
Azubis und Studierende, welche nicht von den Eltern finanziert werden, können
sich solche Wohnungen bereits jetzt kaum leisten. Zwischen 2012 und 2016
stiegen die Mietpreise um 21 %, 2017 gar um 10 %, 2018 pendelten sie
sich wieder auf „moderate“ 5,5 % ein. Zukünftig werden sie sich wohl immer
weniger ihre Wohnungen leisten können, zumal viele mit stagnierenden Löhnen und
Unterstützungen zurechtkommen müssen, die schon jetzt nicht zum Leben reichen.
Zusätzlicher Stress ist gegeben durch den Zwang umzuziehen und etwaige
polizeiliche, alles andere als friedliche Räumungen.

In Connewitz regt
sich hiergegen Protest und so gibt es einige Ansätze die sich gegen die
Verdrängung richten. Zum einen gibt es die Vernetzung Süd, welche es sich zum
Ziel gemacht hat, Mieter_Innen an einen Tisch zu bringen und durch Kundgebung
und Demos eine Veränderung zu bewirken. Sie fordert durchaus Schritte zur
Vergesellschaftung, die sie taktisch durch den Mieter_Innenverein bewirken
will, welcher sich politisch mehr engagieren soll.

Auf der anderen
Seite gibt es autonome Proteste, welche in den letzten Monaten Schlagzeilen
machten und auch im Fernsehen landeten, da erstmalig im Leipziger Kontext nicht
nur Bagger brannten, sondern auch eine führende Mitarbeiterin einer für einen
Neubau verantwortlichen Immobilienfirma zusammengeschlagen wurde.

Das ging für die
Behörden zu weit. Die SOKO Linx gegen Linksextremismus wurde gegründet und ein
100.000 Euro hohes Kopfgeld auf die Täter_Innen ausgesetzt. Der Staat ruft also
eine Hexenjagd aus. Indem er die öffentliche Entsolidarisierung bezahlt, werden
zeitgleich vermehrte Polizeikontrollen und Streifen im Leipziger Stadtteil
gerechtfertigt. Das eigentliche Probleme, die Verdrängung tausender
MieterInnen, die vor allem die ärmeren Schichten der ArbeiterInnenklasse
trifft, darunter viele Renter_Innen, Alleinerziehende, Frauen, MigrantI_nnen
rückt zugleich in den Hintergrund. Die Immobilienwirtschaft, Bauunternehmen und
die Wohnungsspektulant_Innen inszenieren sich als Opfer und nutzen die Chance,
nicht nur von ihren Profitinteressen abzulenken, sondern auch, um alle
Mietproteste mal unter eine Art „Generalverdacht“ zu stellen, alles kaputt
machen zu wollen.

Diese
Kriminalisierungsversuche aller, die sich gegen die Verdrängung wehren, lehnen
wir ab. Wir fordern die Auflösung der SOKO Linx, der Bespitzelung der Szene und
der Polizeikontrollen. Nicht brennende Bagger und aus Wut und Empörung
erwachsende individuelle, politisch falsche Aktionen, sondern die Profithaie in
der Bau- und Immobilienwirtschaft stellen das eigentliche Problem dar. Durch
die Ausschreibung eines Kopfgeldes zeigen die Polizeibehörden freilich einmal
mehr, dass ihnen die „Anschläge“ nur als Vorwand für verschärfte Repression,
Bespitzelung und Hetze dienen, dass sie als Erfüllungsgehilfen auf Seiten des
Kapitals stehen.

Auch wenn wir den
Willen, etwas gegen die Verdrängung zu tun, berechtigt finden, so schaden
individuelle „autonome“ Brandlegungen oder physische Angriffe auf
Vertreter_Innen des Kapitals dem Widerstand gegen die neue Immobilienwirtschaft
jedoch mehr, als dass sie ihm helfen. Sie bieten keine Perspektive und erweisen
sich als politisch kontraproduktiv. Sie stoppen die Vorhaben nicht. Allenfalls
verzögern sie einzelne Baumaßnahmen. So erklärte ein Verantwortlicher einer
Immobilienfirma im MDR-Fernsehen, dass der Bau höchstens um ein paar Wochen
verzögert wäre, wenn Bagger auf einer Baustelle brennen würden. Und ob Angriffe
auf Mitarbeiter_Innen überhaupt irgendeinen Effekt auf die Bauzeit haben, sei
dahingestellt.

Aktionen wie der physische Angriff auf eine Mitarbeiterin einer Immobilienfirma dienen eher den Zwecken jener, die sich eine goldene Nase am Elend der Mieter_Innen verdienen. Für einen Großteil der Mieter_Innen führen solche Aktionen zur Abwendung von einer radikalen Perspektive für die Wohnungsfrage. Selbst jene, die es für sinnvoll halten, werden höchstens auf die nächsten geheimen Aktionen dieser anonymen autonomen Jedi-Ritter_Innen hoffen, als dass sie aktiv werden. Die individuelle Kleingruppenaktivität lässt also selbst Sympathisierende als passive Zuschauer_Innen zurück, verkommt im Grunde zu einer Form von Stellvertreter_Innenpolitik.

Den Zwecken des
Wohnungsbaukapitals kommt das durchaus gelegen. Die Masse der MieterInnen wird
verunsichert und von der notwendigen Organisierung eher abgeschreckt denn
ermutigt. Dabei könnte nur eine Bewegung die Verdrängung stoppen, die sich auf
breite Bündnisse, Mieter_Innenversammlungen und -komitees stützt und um
konkrete politische Forderungen formiert – nicht nur in Connewitz, sondern in
ganz Leipzig, ja bundesweit.

Der Wohnungsmarkt
selbst bildet schließlich einen Teil des kapitalistischen Gesamtsystems. Diesem
droht die Krise, doch das Grundbedürfnis zu wohnen hat noch Potential für
höhere Renditen. Gleichzeitig subventioniert der Staat Investitionen in Betongold
massiv, ob über Baubezuschussung oder indirekt durch Wohngeld. Der Kampf der
Mieter_Innen muss daher als Klassenkampf geführt werden. Die Bedürfnisse, zu
wohnen und hieraus Gewinn zu schlagen, stehen einander entgegen. Und so werden
es wohl kaum die sich abgrenzenden individuellen autonomen Gruppen sein, denn
um die Gewinne am Wohnungsmarkt zu vereiteln und ausreichend leistbaren und
hochwertigen Wohnraum schaffen zu können, braucht es definitiv mehr und
mächtigere Aktivist_Innen.

Somit brauchen
wir eine antikapitalistische bundesweite Mieter_Innenbewegung. Hierfür brauchen
wir eine Strategiekonferenz, in der wir offen um eine Perspektive der
Mieter_Innenbewegung streiten und gemeinsam in Aktion treten. Eine erfolgreiche
Bewegung braucht den Schulterschluss mit der  Arbeiter_Innenbewegung. Wir müssen jede Mieterhöhung als
Angriff auf unsere Löhne verstehen. Die Aufgabe von kämpfenden Arbeiter_Innen
ist es hier, die Gewerkschaften und die Beschäftigten in der Branche
(z. B. Bauarbeiter_Innen, Reinigungskräfte, Instandhaltung,
Hausmeister_Innen, …) ins Boot zu holen.

Wir müssen die
Wohnungsfrage mit der Eigentumsfrage verbinden. Forderungen wie die
entschädigungslose Enteignung der Immobilienkonzerne unter Kontrolle der
Mieter_Innen und Beschäftigten sind hier ein Ansatzpunkt. Ein gutes Beispiel
dafür ist die Berliner Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen, welche
durch ihre Aktionen das Konzept der Enteignung wieder in aller Munde gebracht
hat. So muss nun beispielsweise auch die SPD einen mehr oder minder löchrigen
Mietendeckel umsetzen. Aber die Organisierung gegen hohe Mieten und
Luxus-Neubauten darf sich nicht nur grundsätzlich auf die Wohnungsfrage
beziehen, sie muss erweitert werden auf alle Fragen, die das Leben in einer
Stadt, also beispielsweise Kulturräume und öffentliche Verkehrsmittel, und
generell den Kampf gegen den Kapitalismus, also Enteignung der Betriebe und
demokratische Arbeiter_Innenkontrolle, betreffen. Daher fordern wir, die
entschädigungslose Enteignung aller „Miethaie“ und die Kontrolle des Wohnraums
unter Arbeiter_Innenkontrolle zu stellen, sowie einen massiven Ausbau von
Sozialwohnungen und Infrastruktur in der Stadt, kostenlose öffentliche
Nahverkehrsmittel und Kulturangebote für alle.




Antirassistische Demonstrationen zum 5. Jahrestag von PEGIDA

Revolution Sachsen, Infomail 1073, 22. Oktober 2019

Am 20. Oktober hat das
völkisch-nationalistische, islamophobe Bündnis PEGIDA in Dresden eine
Kundgebung zur „Feier“ ihres 5-jährigen Bestehens abgehalten. Es wurde im
Vorhinein mit bis zu 7.000 TeilnehmerInnen gerechnet. Tatsächlich beteiligten
sich höchstens „nur“ 2.000 Menschen an dem rassistischen Stelldichein. Auch
dieses Jahr haben verschiedene Bündnisse und Organisationen wie „Herz statt
Hetze“, „Dresden nazifrei“ und „Leipzig nimmt Platz“ zum Gegenprotest
aufgerufen. Es gab insgesamt drei Demonstrationen, die allesamt zur zentralen
Gegenkundgebung in Hör- und Sichtweite auf dem Neumarkt führten. An der
Demonstration, die vom Hauptbahnhof aus losging, nahmen etwa bis zu 1.000
Menschen Teil. An der Demonstration am Bahnhof Neustadt beteiligten sich ca.
500 AntifaschistInnen. Die kleinste Gegendemonstration war die am Bahnhof
Mitte. Hier beteiligten sich vor allem GewerkschafterInnen und Mitglieder der
Parteien DIE LINKE, SPD und Grüne und ihrer Jugendorganisationen. Obwohl diese
Demo es schaffte, im Aufruf den Kampf gegen Rassismus mit dem Kampf gegen
Sozialabbau und Mietenwahnsinn zu verbinden, war diese wohl die kraftloseste,
ja fast schon langweilig wirkende Aktion an diesem Tag. Hieran nahmen lediglich
etwa 100 AktivistInnen teil. Statt Parolen zu rufen, wurde überwiegend lieber
den poppigen Tracks, die vom Lauti aus schallten, gelauscht.

Auf dem Neumarkt standen
schließlich den 2.000 RassistInnen insgesamt gerade mal 1.000
GegendemonstrantInnen gegenüber. Der längst vollzogene Schulterschluss zwischen
PEGIDA, Identitärer Bewegung und AfD war auch hier wieder anhand der
zahlreichen Fahnen der NeofaschistInnen mit dem schwarz-gelben Lambda-Symbol
und der rechtspopulistischen „Alternative für Deutschland“ klar erkennbar.
Neben allerlei gewohnt rassistischen Inhalten, die in den Reden verbreitet
wurden, gab es auch wieder einmal zwei Buttersäureanschläge, die in Form von
kleinen Ampullen über den Sichtschutz der PEGIDA-Kundgebung auf den Protest in
Hör- und Sichtweite geworfen wurden. Die fehlende Bereitschaft der Polizei vor
Ort, den Angriffen tatsächlich nachzugehen und den mutmaßlichen
Wiederholungstäter zu fassen (in den vergangenen Jahren wurden regelrecht ständig
Buttersäureampullen auf die Gegendemos geworfen), zeigt sehr deutlich auf, dass
wir uns im antirassistischen Kampf nicht auf den Staat und seine Institutionen
verlassen dürfen. Wir müssen uns als Lohnabhängige und Jugendliche selbst
organisieren und dürfen den antifaschistischen Selbstschutz nicht dem Zufall
überlassen. Gegen Angriffe von RassistInnen und FaschistInnen werden uns der
bürgerliche Staat und seine von Rechten durchsetzten Organe nicht helfen. Ganz
im Gegenteil stehen diese Teilen der PEGIDA-Bewegung nachweislich sehr nahe und
fassen in Dresden selbst Holocaust-LeugnerInnen mit Samthandschuhen an.

Um PEGIDA ein Ende zu
bereiten und dem gesellschaftlichen Rechtsruck etwas entgegenzusetzen, reichen
zaghafte Demonstrationen in Hör- und Sichtweite nicht aus. Hierfür braucht es
eine Bewegung, die in der ArbeiterInnenklasse verankert ist und die Mitglieder
ihrer Organisationen auf ihrer Seite weiß. Wir müssen eindeutig noch mehr
werden, uns organisieren und entsprechende Strukturen aufbauen, um das
Fundament für eine Bewegung zu errichten, die dem Rechtsruck tatsächlich etwas
entgegensetzen kann. Wir als unabhängige, kommunistische Jugendorganisationen
wollen auch weiterhin unseren Teil hierzu beitragen. Darum werde auch Du bei
uns aktiv!

  • Kampf dem Rassismus bedeutet Kampf dem Staat und Kapital! One Solution: Revolution!



Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg: Wählt DIE LINKE, aber organisiert den Kampf!

Peter Böttcher/Tobi Hansen, Neue Internationale 239, Juli/August 2019

Bolsonaro, Trump, Duterte, Modi, Salvini, Orbán – sie alle
stehen für einen weltweiten tiefgreifenden Rechtsruck und den Vormarsch
reaktionärer, rechts-populistischer Kräfte. Die Ergebnisse der Landtagswahlen
am 1. September in Sachsen und Brandenburg und am 27. Oktober in Thüringen
drohen – trotz einer Zunahme von fortschrittlichen Bewegungen wie Fridays for
Future oder der Popularität der Kampagne „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ -,
auch hierzulande einen weiteren Erfolg für die Rechten zu bringen.

Rechtsruck droht

Gerade im Osten profitiert nach wie vor und vor allem die
AfD von der Dauerkrise der Bundesregierung und schiebt diese eben weiter nach
rechts. Das brachten just die Kommunalwahlen in Sachsen, Brandenburg und
Mecklenburg-Vorpommern sowie die EU-Wahlen in den östlichen Bundesländern zum
Ausdruck.

Sollte die AfD es schaffen, bis zu den Landtagswahlen weiter
an Zuspruch zu gewinnen, dann wäre selbst eine derzeitig noch unwahrscheinliche
Koalition zwischen ihr und der CDU nicht gänzlich auszuschließen.

Eines dürfte bereits vor den Landtagswahlen in Brandenburg
und Sachsen feststehen: Die bestehenden Koalitionen bekommen keine Mehrheit und
werden abgewählt. In beiden Bundesländern kann die AfD bei über 20 % landen,
könnte sie zur stärksten Kraft werden. Bei Union und SPD wird es ausschließlich
um die Höhe der Verluste gehen und in welchen Konstellationen sie noch
regierungsfähig sind. Auch der Linkspartei drohen Stimmenverluste, wenn auch
nicht so dramatische wie der SPD in Brandenburg oder der CDU in Sachsen.

Die Wahlen werden auch in einer weiteren Hinsicht den
Bundestrend der letzten Jahre bestätigen: Die Grünen legen deutlich zu und werden
wahrscheinlich in beiden Bundesländern zweistellige Ergebnisse erzielen.
Erfreulich könnte nur sein, dass es die FDP eventuell nicht über die
5-Prozent-Hürde schafft.

Unabhängig davon, welche Parteien nach den Wahlen gemeinsam
die Regierung bilden werden, steht schon jetzt fest: Die AfD wird gestärkt und
wird die CDU wie die anderen Parteien weiter „treiben“. Schon jetzt haben die
etablierten Parteien auf den Rechtsruck mit einer Anpassung ihrer Rhetorik und
Politik an die AfD reagiert. In vielen Bundesländern wurden autoritäre
Polizeigesetze verabschiedet, die Asylgesetze verschärft, Abschiebungen massiv
ausgeweitet. Forderungen nach einer Obergrenze für Geflüchtete wurden sogar aus
der Linkspartei laut.

Erosion des Parteiensystems

Die Verluste für die Regierungsparteien kommen dabei sicher
nicht unverdient. CDU, SPD und Linkspartei haben in den Landesregierungen den
miserablen Status quo verteidigt und sind beim Verfall ganzer Regionen untätig
geblieben. Regieren tun sie als „Verwalterinnen“ des weitgehend
deindustrialisierten Ostens, dessen Bevölkerung weiter abwandert. Bis heute
gibt es hier längere Arbeitszeiten bei geringeren Gehältern und Renten als im
Westen. Gerade die ländlichen Regionen leiden nicht nur unter Abwanderung,
sondern sind auch in der Entwicklung der Infrastruktur abgehängt. Die
selektiven Ansiedlungen von industrieller Produktion und Logistik stellen eher
kommerzielle Inseln in einer benachteiligen Region dar als in „blühenden
Landschaften“.

Gerade in den ostdeutschen Parlamenten wird die „Spaltung“
des aktuellen Parteiensystems besonders deutlich. Speziell der Niedergang der
Union als konservative „Volkspartei“ legt hier die Grundlage für den Aufstieg
der AfD. Auch wenn die CDU/CSU bundesweit noch immer die wichtigste politische Kraft
des deutschen BürgerInnentums darstellt, so ist ihre Fähigkeit, verschiedene
Einzelinteressen des Kapitals mit jenen des KleinbürgerInnentums und
lohnabhängiger Mittelschichten bis hinein in christlich-geprägte
ArbeiterInnenmilieus zu vermitteln, mehr und mehr unterhöhlt. Es ist kein
Zufall, dass dieser Prozess gerade im Osten stärker ausgeprägt ist, weil es
dort eine schwächere KapitalistInnenklasse gibt und die kleinbürgerlichen und
Mittelschichten ein weniger stabiles Milieu darstellen, das weniger Vertrauen
in „ihren“ Staat und „ihre“ Parteien entwickeln konnte als im Westen. Daher
verfängt der Rechtspopulismus der AfD umso mehr. Er nährt sich zusätzlich aus
der Enttäuschung und Frustration von politisch rückständigeren
ArbeiterInnenschichten über die Politik von SPD und Linkspartei, für die die
Grünen weniger als Alternative erscheinen als im Westen.

Und die ArbeiterInnenbewegung?

Schon bei den letzten Wahlen hatte die SPD in Sachsen ein
„historisches“ Problem, über 20 % der Stimmen zu erhalten. Dies wird
mittlerweile auch für die Linkspartei fast unmöglich. Alle ihre
Regierungsbeteiligungen haben eben nicht die Lebensbedingungen der Menschen
verbessert. Weder Hartz IV noch Armutsrenten noch 1-Euro-Jobs wurden durch
diese abgeschafft, allenfalls etwas milder ausgestaltet. De facto hat sie
versucht, etwas sozialere Politik zu betreiben wie aktuell in Thüringen mit
mehr Stellen im öffentlichen Dienst. Nur bleibt dies weiterhin meilenweit
dahinter zurück, was sich die ostdeutsche ArbeiterInnenklasse versprochen hat.
Sie wird so zum Opfer ihrer eigenen Illusionen in die „Spielräume“
parlamentarischer Politik. Noch so „geschickte“ koalitionäre Winkelzüge können
keine grundsätzlichen Veränderungen herbeiführen. Vielmehr führt ihre
„Realpolitik“ von einem faulen Kompromiss mit dem Kapital, von einem
Zugeständnis an InvestoreInnen oder die Kohlelobby in der Lausitz zum nächsten.
Der lahme Parlamentarismus der Linkspartei, von der SPD ganz zu schweigen,
stellt nur die Folge ihres Stillhaltens im Klassenkampf dar.

Der Rechtsruck, dem sie jetzt zum Opfer zu fallen drohen,
wurde von ihrer Politik maßgeblich mit verursacht. So ist der Vormarsch der AfD
nicht zu stoppen – und erst recht nicht durch eine Anbiederung an die CDU oder
ein „Bündnis aller DemokratInnen“ gegen sie. Mittel- und langfristig wird das
nur den Nimbus des Rechtpopulismus, einzige Partei zu sein, die gegen eine
abgehobene Elite das „einfache Volk“ vertritt, stärken. Abmachungen mit der CDU
bei Wahlen oder gar die „Duldung“ einer CDU-geführten Regierung (von einer
Koalition ganz zu schweigen) werden letztlich die AfD nur stärken – und mit ihr
noch rechtere Kräfte.

Neben ihr existieren schon heute die Spaltprodukte Blaue
Partei von Petry und der ADP (Aufbruch deutscher Patrioten) von Poggenburg.
Gerade in Thüringen und Sachsen ist die NPD noch regional stark verankert und
auch Der III. Weg und die Identitäre Bewegung (IB) sind in der und um die AfD
aktiv. Hier baut sich die nationalistische Szene massiv auf.

Für die ArbeiterInnenbewegung und „Linke“ stellt sich daher
im Osten die Aufgabe, sich dem entgegenzustellen, sich eben nicht auf den Staat
zu verlassen, sondern selbstständig tätig zu werden. Das bedeutet auch, dass an
SPD und Linkspartei (wie auch an die Gewerkschaften) die Forderung gestellt
werden muss, unabhängig von allen bürgerlichen Parteien politisch zu
mobilisieren und zu agieren und keine weiteren Koalitionen mit der CDU
einzugehen wie auch nicht mit den Grünen, die sich anschicken, eine neue
Führungskraft des „aufgeklärten“ BürgerInnentums zu werden.

Wählt Linkspartei, aber organisiert den Kampf!

Niemand sollte angesichts der Erfahrungen der letzten Jahre
Illusionen in die Politik und Strategie von SPD und Linkspartei hegen. Beide
stützen sich zwar sozial über organische Bindungen (seien es die
Gewerkschaften, Vorfeldorganisationen wie die Volkssolidarität) und historische
Traditionen auf die organisierte ArbeiterInnenklasse. Gerade bei der SPD
erodierten diese, nicht nur im Osten, jedoch gewaltig.

Proletarisch ist an der bürgerlichen ArbeiterInnenpartei DIE
LINKE also letztlich wie bei der SPD nur ihre soziale Basis, ihre Politik trägt
einen offen bürgerlichen Klassencharakter. Aber trotz ihrer Schwächung
repräsentiert sie nach wie vor in Sachsen, Thüringen und Brandenburg einen
bedeutenden Teil der ArbeiterInnenklasse und der Jugend. Diese Mitglieder,
GewerkschafterInnen und WählerInnen sind unerlässlich, wenn es gegen den
Rechtsruck, gegen Angriffe von Bundes- und Landesregierung Widerstand und um
erfolgreichen Kampf gehen soll.

Mit der Wahl der Linkspartei werden sie – besonders die
politisch auch gegen die Große Koalition und die SPD-Politik auf Bundesebene
eingestellten – ein Zeichen gegen AfD und CDU, aber auch die Scheinalternative
der Grünen setzen wollen. Auch wenn wir die reformistischen Illusionen dieser
WählerInnen nicht teilen, so sehr wohl ihr Ziel, ein Zeichen nicht nur gegen
rechts, sondern gegen alle bürgerlichen Parteien inklusive der SPD zu setzen.
In der Wahl der Linkspartei drückt sich, wenn auch verzerrt, das Bedürfnis aus,
eine Stimme für die ArbeiterInnenklasse, für „links“ abzugeben.

Da es sich bei den Wahlen auch um eine politische
Konfrontation zwischen dieser bürgerlichen ArbeiterInnenpartei und den offen
bürgerlichen Parteien handelt, kann für uns als KommunistInnen, die für eine
Eigenkandidatur zu schwach sind, eine Wahlempfehlung nicht egal sein. Daher
rufen wir zur kritischen Unterstützung der Partei DIE LINKE auf. Sie ist die
einzige relevante ArbeiterInnenpartei, die auf die neoliberale Politik der
GroKo und auf den Rassismus der AfD mit sozialen Forderungen antwortet und
soziale Bewegungen auf der Straße unterstützt.

Sicher hat sie durch Regierungsbeteiligungen auf Landesebene
schon oft bewiesen, dass sie auch keine Politik im Interesse der ArbeiterInnen
macht. Solange sie jedoch in der Opposition bleibt, kann sie unbequeme Fragen
stellen, den Finger in die Wunde legen und die bürgerliche Politik der
Regierenden als arbeiterInnenfeindlich entlarven. Sie kann aber auch Illusionen
in ihre Politik regenerieren. Daher kombinieren wir die kritische Unterstützung
der Linkspartei mit Forderungen, auf der Straße, in den Betrieben und
Gewerkschaften und in den sozialen Bewegungen gemeinsam zu kämpfen!

Einheitsfront gegen rechts

Tatsächliche, grundlegende Veränderungen des herrschenden
Systems können durch Wahlen ohnehin nicht erreicht werden. Um den Rechtsruck zu
stoppen und die neoliberale Politik der Abwälzung der Krisenlasten auf die
Lohnabhängigen zu bekämpfen, braucht es eine breit aufgestellte, soziale und
antirassistische Bewegung. Eine gemeinsame Aktionseinheit, bestehend aus den
Organisationen der ArbeiterInnenklasse, also den linken Parteien, Gruppen und
den Gewerkschaften, wäre imstande, dem Rechtsruck etwas entgegenzusetzen.

Um eine solche Bewegung aufzubauen, müssen wir bereits im
Hier und Jetzt für die Schaffung einer antirassistischen, proletarischen
Einheitsfront eintreten, entsprechende Bündnisstrukturen und Aktionskomitees
aufbauen und umgehend Aktionskonferenzen organisieren. Letztlich müssen wir den
antirassistischen Kampf mit einer antikapitalistischen, sozialistischen
Perspektive verknüpfen. Denn das kapitalistische System bietet Rassismus und
Faschismus erst den Nährboden, auf dem diese gedeihen können. Die
Demonstrationen von „#unteilbar“ in Sachsen – insbesondere die
Großdemonstration am 24. August in Dresden – bieten eine Möglichkeit, diese
Politik offensiv auf die Straße zu tragen.




Landtagswahlen und Bundespolitik: GroKo-Dämmerung?

Tobi Hansen, Neue Internationale 239, Juli/August 2019

Die Große Koalition (GroKo) in Sachsen und
SPD/Linkspartei in Brandenburg werden für ihre Politik abgestraft. Damit sind
auch bundespolitische Konsequenzen zu erwarten. Wieder verliert die Bundesregierung
Stimmen im Bundesrat, diskutiert die Linkspartei, wo ihre WählerInnen hin sind.

Gewinnerinnen

Neben der AfD werden auch die Grünen von
der massiven Krise der Bundesregierung und ihrer Parteien profitieren. Waren
die ostdeutschen Bundesländer zu Zeiten von „Bündnis 90“ für die Grünen nicht
sonderlich vielversprechend, legen sie dort nun aber zu. In den Umfragen liegen
sie in Sachsen bei 14 %, in Brandenburg bei 17 % und kämpfen mit vier anderen
Parteien um die Spitzenposition.

Sicher ist, dass dies nicht ausschließlich
an vegan lebenden Großstadtmenschen liegen kann, die sich dem Kosmopolitismus
verschrieben haben. Die gleichzeitige Schwäche der FDP (jeweils bei 5 % in den
Umfragen) zeigt auf, dass sich kleinbürgerliche und proletarische Schichten von
ihren traditionellen VertreterInnen (CDU, SPD, Linkspartei) abwenden und Teile
davon bei AfD und Grünen eine „Alternative“ suchen.

Und so werden die Grünen speziell unter der
jüngeren Generation massiv gewinnen, enttäuschte WählerInnen von SPD und Linkspartei
auffangen – davon gibt es eine Menge.

Bruch der Bundesregierung?

Eher unwahrscheinlich scheint derzeit der
offene Aufstand innerhalb der CDU, um möglicherweise nach den Landtagswahlen
eben doch direkt zu Koalitionen mit der AfD zu kommen. Dies wäre das direkte
Ende von Kramp-Karrenbauer. Allerdings sind Äußerungen der stellvertretenden
CDU-Fraktionsvorsitzenden in Sachsen-Anhalt, Ulrich Thomas und Lars-Jörn
Zimmer, über mögliche Koalitionen ab 2021 ein Fingerzeig für die tiefe Krise
der Union und künftige strategische Auseinandersetzungen in der (noch)
führenden bürgerlichen Partei Deutschlands. Thomas hofft, dass sich die
„liberalen“ Kräfte in der AfD durchsetzen und die Union neben einem
entschiedenen Kampf gegen Migration und die „Linken“ wieder „das Soziale mit
dem Nationalen“ versöhnt.

Nach verlustreichen Landtagswahlen,
speziell wenn Sachsen an die AfD verloren würde, könnte die „Werteunion“ als
national-bündische UnternehmerInnenclique mit z. B. Friedrich Merz die
öffentliche Debatte um ein GroKo-Ende, um mögliche Neuwahlen wie auch
Kanzlerkandidaturen neu entfachen.

Die SPD hat aktuell den „Vorteil“, dass sie
den Kollaps schon weitgehend hinter sich hat. Mit einem kommissarischen
Vorstand verschafft sie sich Zeit bis zur Sondierung der neuen Doppelspitze,
setzt brav die Regierungspolitik um.

Wenig hören wir von der Grundrente oder,
wie Hartz IV verändert werden soll – anscheinend bei den Landtagswahlen in
Ostdeutschland kein SPD-Thema. Die SPD stellt in Brandenburg mit Woidke noch
einen Ministerpräsidenten, in Sachsen und Thüringen fungiert sie als
„Juniorpartnerin“.

Diese Gemengelage der beiden regierenden
Parteien lässt keine „Stabilität“ nach möglichen desaströsen Landtagswahlen
erwarten. Daher bleibt die Möglichkeit einer Implosion der Großen Koalition
noch in diesem Kalenderjahr durchaus realistisch.

Eine SPD könnte mit einer neuen
Doppelspitze die Neuwahlen angehen, die CDU mit einem möglichen
Kanzlerkandidaten Merz FDP und AfD etwas zu schröpfen versuchen – so könnten
sie sich „verabredete“ Neuwahlen für Anfang 2020 schönreden. In Brandenburg und
Sachsen werden wohl Koalitionen gebildet werden, die ähnlich wie in
Sachsen-Anhalt äußerst labil und eigentlich von keinem gewollt sind. Die Krise
bürgerlicher Politik wird fortgesetzt.




Kommunal- und Europawahlen in Sachsen: Eine letzte Warnung

REVOLUTION Sachsen, Neue Internationale 238, Juni 2019

Am 26. Mai waren auch in
Sachsen rund 3,3 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, nicht nur für das
EU-Parlament, sondern auch für die Kommunalwahlen ihre Stimmen abzugeben. Im vorläufigen
Endergebnis wird unmissverständlich deutlich, wovor wir schon lange warnen: Es
gibt einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Rechtsruck! Dieser äußert sich
nicht nur im Wahlsieg der RechtspopulistInnen in Ländern wie Frankreich,
Großbritannien und Italien, sondern schlägt sich auch im Ergebnis der „Alternative
für Deutschland“ (AfD) nieder und tritt am heftigsten in Sachsen zum Vorschein:
Die AfD ist in fast allen Landkreisen, in Chemnitz und fast auch in Dresden als
stärkste Kraft aus den Wahlen hervorgegangen. Lediglich im Vogtland und in
Zwickau schaffte es die CDU, den ersten Platz zu verteidigen. In Leipzig
konnten die Grünen die meisten Stimmen holen. In allen anderen Städten und
Gemeinden erhielt die AfD die meisten Stimmen und ließ die CDU erstmals hinter
sich.

Nach dem derzeitigen
Stand kommt die AfD bei der EU-Wahl insgesamt auf 25,3 % der Stimmen in
Sachsen und konnte somit ihr Ergebnis im Vergleich zu 2014 (10,1 %) mehr
als verdoppeln. Die CDU hingegen hat seit der letzten Europawahl 11,5 %
einbüßen müssen und kam damit gerade mal auf 23 %. Dahinter landete DIE
LINKE mit 11,7 % (-6,6 %). Die Grünen kamen auf 8,6 % und die
FDP konnte 4,7 % der Stimmen erreichen. Die SPD wurde ebenfalls abgestraft
und hat mit aktuell 8,6 % fast die Hälfte ihrer WählerInnen verloren (2014:
15,6 %). Die Satirepartei „Die Partei“ schaffte es auch in Sachsen, vor
allem von der Schwäche der Linken zu profitieren, und erzielte hier
bemerkenswerte 2,9 %.

Falls die AfD es schafft,
ihr derzeitiges Ergebnis zur Landtagswahl im September zu verteidigen, oder
schlimmstenfalls sogar noch zulegt, lässt sich eine Regierungsbildung durch CDU
und AfD nicht ausschließen. Um dies zu verhindern, müsste die CDU gemeinsam mit
den Grünen, der SPD und FDP eine Koalition eingehen, die jedoch knapp um die
Regierungsmehrheit bangen müsste. Unter Umständen würde notfalls DIE LINKE für
die nötige Mehrheit sorgen oder sogar eine Regierungsbeteiligung anbieten, um
sozusagen eine „Demokratische Allianz“ gegen die AfD zu bilden. Eine solche Koalition
würde zweifellos dem Image der AfD als einziger Anti-Establishment-Partei in
die Hände spielen und SPD und DIE LINKE durch den Ausverkauf der eigenen
sozialen Basis schaden. Ob die CDU sich überhaupt darauf einlassen würde, ist
allerdings ebenfalls fraglich. Es wäre auch denkbar, dass die CDU ihren
derzeitigen Kurs ändert und sich doch auf Gespräche mit der AfD einlässt,
welche zusammen eine stabilere Mehrheit im Landtag stellen könnten als die
erstgenannte Regierungsoption. Die Folgen einer CDU-AfD Koalition in Sachsen
wären schwerwiegend, gerade für uns Jugendliche und Menschen mit
Migrationshintergrund. Es ist nicht nur so, dass dann eine rechtspopulistische,
rassistische Partei mit in der Regierung säße und als stärkste Kraft womöglich sogar
den Ministerpräsidenten stellen würde. Die AfD leugnet außerdem offen den
Klimawandel, ist gerade in Sachsen eng mit faschistischen Strukturen und
militanten Neonazis vernetzt. Zudem gilt als Sachsen als einer ihrer rechtesten
Landesverbände. Neben einer Verschärfung der asylfeindlichen Politik und einer
zunehmend rassistisch aufgeheizten Stimmung können wir uns im Falle einer
CDU-AfD Koalition nach den Landtagswahlen auch auf Sozialkürzungen, den
weiteren Ausbau des Polizei- und Überwachungsstaates, die zunehmende
Einschränkung von Grundrechten und Kriminalisierung von Linken und der Fridays-for-Future-Bewegung
einstellen. Mit dem am 1. Januar 2020 in Kraft tretenden neuen Polizeigesetz
hätte eine solche Regierung auf alle Fälle ein großes Repertoire an Unterdrückungswerkzeugen
zur Hand. Es ist nicht übertrieben, davor zu warnen, dass gerade die
klimafeindliche und zu Teilen ultrarechte sächsische AfD insbesondere
antirassistische AktivistInnen, streikende SchülerInnen und linke Gruppen mit
harter Repression überziehen würde.

Daher ist es jetzt um so
wichtiger, Widerstand gegen die AfD zu organisieren und eine antirassistische
und soziale Bewegung gegen den Rechtsruck aufzubauen. Hierbei könnte die
aktuelle Fridays-for-Future-Bewegung einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie
auch offen gegen Rassismus und die AfD Stellung bezieht. Denn Umweltschutz
bedeutet Kampf dem Rechtsruck! Deshalb organisieren wir zum 28. Juni einen
antirassistischen Schul- und Unistreik. Unter dem Motto #FridayAgainstRacism
rufen wir vor allem die SchülerInnen, die sonst freitags gegen den Klimawandel
auf die Straße gehen, aber auch die Studierenden und Auszubildenden dazu auf,
an diesem Tag ein deutliches Signal gegen Rassismus, Neoliberalismus, Sexismus
und eine klimafeindliche Politik zu setzen. Wenn wir, statt im Unterricht oder
in den Hörsälen zu sitzen, vor der Landtagswahl unsere eigenen Positionen auf
die Straße tragen, können wir uns als Jugendliche Gehör verschaffen und ein
deutliches Zeichen gegen den Rechtsruck setzen. Hierzu müssen wir uns weiter
organisieren und vernetzen! Deshalb schreibt uns an, kommt zu unseren Treffen,
beteiligt euch an den Vorbereitungen, gründet an euren Schulen, in den
Betrieben und an den Unis Streikkomitees und lasst uns unmissverständlich klarmachen,
was wir Jugendlichen für eine Zukunft haben wollen: nämlich eine lebenswerte
ohne Rassismus, Abschiebungen und Sozialabbau. Eine Zukunft, in der
NS-Rhetorik, der Klimawandel und ein autoritärer Polizei- und Überwachungsstaat
der Vergangenheit angehören. Also eine Zukunft ohne Rechtspopulismus, eine
Zukunft ohne die AfD!

Get organized

  • 19. Juni, 17.00 Uhr, Dresden im Zentralwerk, Riesaer Str. 32, Seminarraum (1. Stock links): Diskussion „Umweltzerstörung & Rassismus“/ Streikvorbereitung
  • 28. Juni, 12.00 Uhr, am Goldenen Reiter: #FridayAgainstRacism – Schulstreik