Schweden – Teil der Kriegsallianz der NATO

Arbetarmakt, schwedische Sektion der Liga für die Fünfte Internationale, 12. Juli 2023, Infomail 1228, 15. Juli 2023

Mit der Aufnahme Schwedens in die NATO wird formalisiert, was schon lange militärische und sicherheitspolitische Realität ist: Der schwedische Imperialismus verbündet sich mit Washington. Dies war nicht nur in den Jahren als enger Partner der USA und NATO nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion der Fall. Schon während des Kalten Krieges war

Schweden grundsätzlich loyal zu den USA, auch wenn es sich nach außen hin als bündnisfrei präsentierte. Jetzt ist die Verbindung offen und vollständig statt wie früher versteckt, heuchlerisch und zurückhaltend. Dies ist Teil der Entstehung einer neuen Weltsituation mit einem immer stärkeren Wettbewerb zwischen verschiedenen imperialistischen Mächten. Die USA werden herausgefordert und Schweden zeigt deutlich, zu welchem imperialistischen Block es gehört.

Der NATO-Beitritt wird eine Eskalation der amerikanischen Beteiligung an verschiedenen militärischen Konflikten bedeuten. Er wird auch eine verstärkte Loyalität gegenüber reaktionären Regimen innerhalb des amerikanischen Blocks beinhalten. Insbesondere wird der schwedische Staat nun als Gegner von Gruppen auftreten, die den islamistischen Tyrannen Erdogan in der Türkei bekämpfen.

Die internationalen Kommunist:innen ergreifen im Kampf der imperialistischen Blöcken keine Seite. Wir sind für den Sturz aller imperialistischen Regime, aber wir konzentrieren uns natürlich auf den Feind im eigenen Land, denn gegen ihn können und müssen wir in erster Linie einen Kampf entwickeln. In den kommenden Jahren muss es eine wichtige Aufgabe für uns sein, in Schweden und innerhalb der NATO einen antiimperialistischen Kampf gegen die Kriegsabenteuer der NATO, ihre militaristische Agitation und ihre Unterdrückung fortschrittlicher Befreiungsbewegungen zu entwickeln.

  • Löst die NATO auf!

  • Zerschlagt den US-Imperialismus, zerschlagt den schwedischen Imperialismus!

  • Kämpft gegen alle Kriegstreiberei und den Imperialismus!

  • Keinen Cent, keine Krone für die Armee des bürgerlichen Staates!

  • Für eine antiimperialistische Bewegung, die zum Kampf für den internationalen Sozialismus    beiträgt – der einzige Weg, um den imperialistischen Kriegstreiber:Innen endgültig das Handwerk zu legen!



2022 – ein Jahr des Kriegs um die Ukraine

Martin Suchanek/Markus Lehner, Neue Internationale 270, Dezember 2022/Januar 2023

Der Krieg um die Ukraine markiert eine entscheidende Veränderung der Weltlage. Der sich seit Jahren entwickelnde Antagonismus zwischen den tradierten westlichen imperialistischen Mächten, also allen voran den USA und ihren Verbündeten, sowie China und Russland als globalen Konkurrenten eröffnet ein neues Stadium im Kampf um die Neuaufteilung der Welt.

Zurzeit wird dieser vor allem auf dem Boden der Ukraine und in Form eines Wirtschaftskrieges ausgefochten. Der reaktionäre Überfall Russlands, die offene Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der ukrainischen Nation, die Leugnung von deren Existenz sowie die barbarische Kriegsführung stellen ohne jeden Zweifel einen Akt der imperialistischen Aggression dar, der das ukrainische Nationalgefühl gestärkt hat.

Charakter des Krieges

Für sich genommen wäre der Kampf gegen die russische Invasion ein gerechtfertigter nationaler Verteidigungskrieg – und zwar unabhängig vom reaktionären Charakter des Kiewer Regimes. Das politische Regime einer Halbkolonie stellt für Marxist:innen nicht den entscheidenden Faktor für die Bestimmung des Kriegscharakters dar (so war die Verteidigung des Irak oder Afghanistans gegen die imperialistische Invasion gerechtfertigt und unterstützenswert trotz des extrem reaktionären Charakters der Regime in Bagdad oder Kabul).

Umgekehrt stellt es eine Verkürzung dar, den Charakter eines Kriegs unabhängig von der internationalen Lage zu bestimmen. Die Entwicklung, die zur Invasion führte, und vor allem jene seit dem reaktionären Überfall Russlands bestätigt in mehrfacher Hinsicht, dass es sich im Kern nicht bloß um einen nationalen Verteidigungskrieg handelt, sondern die politische, wirtschaftliche und militärische Einflussnahme der NATO selbst einen entscheidenden Faktor darstellt.

Warum Ukraine?

Dass sich der Kampf zwischen dem Westen und Russland gerade um die Ukraine zuspitzte, stellt keinen Zufall dar. Vielmehr ist dieser selbst Resultat der Entwicklung seit dem Zusammenbruch des Stalinismus, dem Versuch der Errichtung einer neuen Weltordnung und dem schärfer werdenden Konflikt mit Russland seit dessen Rekonsolidierung als imperialistischer Macht unter Putin.

Die Zuspitzung rund um die Ukraine seit den 1990er Jahren kann nur in diesem Zusammenhang verstanden werden. Wie der Balkan vor 1914 hat sich dieser Konflikt schon lange als Pulverfass für einen potenziellen imperialistischen Krieg entwickelt. Sowohl als Vielvölkerstaat mit einer großen russischsprachigen Minderheit im Süden und Osten als auch durch die fortbestehenden Verbindungen ihrer Ökonomie mit Russland hatte sich die Ukraine nach 1991 zunächst in Abhängigkeit vom sich neu etablierenden russischen Imperialismus befunden – was sich auch in einem fragilen System aus west- und ostukrainischen politischen Kräften und Oligarch:innen niederschlug. Dagegen hatte sich insbesondere in der Westukraine eine starke nationalistische (bis rechtsextreme) politische Bewegung herausgebildet, die einer „prowestlichen“ Orientierung im Bruch mit der russischen Dominanz zum Durchbruch verhelfen wollte. Dies führte letztlich zum Bürgerkrieg, als wegen der Frage der EU-Assoziation durch die „Maidan-Bewegung“ das den bisherigen Kompromiss repräsentierende Regime Janukowytsch 2014 gestürzt wurde. Die Annexion der Krim und die Abtrennung der „Volksrepubliken“ Luhansk und Donezk waren die Folge. Während die Führung der EU um Deutschland und Frankreich den Konflikt durch einen „Ausgleich“, in den Abkommen von Minsk, zu entschärfen suchte, waren die USA und die nationalistische Führung in Kiew von Anfang an gegen einen solchen neuen Kompromiss mit Moskau oder den Vertreter:innen der russischen Minderheit – und führten den Krieg seitdem unvermindert fort.

Interessen der westlichen Mächte

Warum kam es zu einer solch offensichtlichen Differenz zwischen den USA und Britannien mit dem Rest der EU? Für letztere war eine Einbindung Russlands, seines enormen Rohstoffpotentials und seiner militärischen Kapazitäten immer schon eine Option, um eine gewisse unabhängigere Rolle gegenüber der schwächer werdenden US-Hegemonie zu erlangen. Ihre Politik zielte darauf ab, den Ukrainekonflikt ähnlich wie denjenigen in Jugoslawien auf der Ebene von Abkommen und Handelsbeziehungen einfrieren zu lassen, damit sich die Spannungen zu Russland letztlich in Grenzen hielten.

Für die USA bildete dagegen die Ukraine einen strategischen Angriffspunkt auf das russisch-chinesische Bündnis, das sie seit langem als gefährlichen Hauptkonkurrenten in der Weltordnung ausgemacht hatten. Aufgrund der schlechten Performance der ukrainischen Armee 2014 begannen die USA und Britannien daher seit 2016 mit dem systematischen Aufbau einer schlagkräftigen ukrainischen Streitmacht. Die Ukraine, ein Land das seit 2015 praktisch bankrott ist, hochverschuldet und unter Schuldenregime von IWF-Paketen dahinvegetiert, gibt einen Großteil ihrer Einnahmen für Militärausgaben aus und erhielt dazu noch jährlich Militärhilfe aus dem Westen in Milliardenhöhe (allein von Anfang des Jahres bis zum Beginn des Krieges Rüstungsgüter im Wert von 5 Milliarden US-Dollar). Damit konnten nicht nur wichtige Waffensysteme (Drohnen, Raketen, panzerbrechende Waffen, Luftabwehr etc.) mit entsprechender Ausbildung verbreitet werden, sondern es wurde auch eine Infrastruktur an Unterstützung geschaffen, von der Kommunikation über die Aufklärung (Satellitensysteme) bis zur strategisch-taktischen Führung.

Unterschied

Damit wird auch klar, dass sich der Krieg in der Ukraine wesentlich von solchen imperialistischer Armeen gegen Halbkolonien, wie etwa USA gegen Irak oder UK gegen Argentinien, unterscheidet. Es steht hier nicht deren hilflose, waffentechnisch hoffnungslos unterlegene Armee einem tausendfach militärtechnisch überlegenen Imperialismus gegenüber. Es handelt sich vielmehr um eine vom westlichen Imperialismus systematisch auf diesen Krieg vorbereitete und hochgerüstete, die für die Interessen ihrer Geldgeber:innen zu kämpfen hat. Mit Kriegsausbruch hat sich ihre Unterstützung nochmals vervielfacht. Dies nicht nur in Bezug auf Waffenlieferungen, sondern auch Aufklärung, Ausbildung, strategische Beratung und Wirtschaftshilfe.

Auch wenn sich die NATO-Staaten nicht offen am Kampf beteiligen, sind sie längst als Kriegspartei auch in die ukrainische Kriegsführung eingebunden. Den einzigen Grund, warum die Ukraine hier „stellvertretend“ handelt, bildet natürlich die Gefahr einer Ausweitung des Krieges zu einer direkten NATO-Russland-Konfrontation, die auch den Einsatz von Nuklearwaffen mit einbeziehen könnte.

Die Art und Weise, in der im herrschenden Demokratiekriegsnarrativ inzwischen die Gefahr einer Ausweitung des Kriegs und der Blockkonfrontation heruntergespielt wird, dient dazu, ein immer offensiveres und direkteres Eingreifen in der Ukraine zu rechtfertigen – letztlich mit dem Ziel, Russland militärisch und politisch zu besiegen. Dabei kann auch der Übergang zu einem begrenzten innerimperialistischen Krieg nicht ausgeschlossen werden. Schließlich ist die Logik der Ausweitung der Kriegshandlungen im aktuellen Konflikt direkt angelegt. Auch in diesem Sinn kann dieser Krieg nicht einfach als isolierter Konflikt betrachtet werden.

Beiwerk oder wesentliches Moment?

Zusätzlich besitzt die innerimperialistische Zuspitzung der Situation auch einen unmittelbar ökonomischen Aspekt. Die Wirtschaftssanktionen des Westens (Ausschluss aus SWIFT, Einfrieren der internationalen Devisenreserven der russischen Zentralbank, Aussetzen der Aktivitäten westlicher Konzerne in Russland, weitreichende Handelseinschränkungen etc.) sind tatsächlich von einem historisch noch nie gesehenen Ausmaß (nicht einmal in den bisherigen Weltkriegen).

Der Grad der westlichen Unterstützung stellt also nicht bloß ein Beiwerk bezüglich des Krieges dar, sondern ein wesentliches, für seinen Charakter entscheidendes Moment. Natürlich finden wir auch bei zahlreichen Kriegen einer Halbkolonie gegen eine imperialistische Macht oder ein imperialistisches Staatenbündnis oft eine Intervention einer konkurrierenden Macht auf Seite der unterdrückten Nation vor. Doch diese trägt dabei meist nur einen episodischen, untergeordneten Charakter, der den des Krieges nicht ändert.

Doch dies nimmt keinesfalls in jedem Krieg zwischen einer imperialistischen Macht und einer Halbkolonie einen untergeordneten Aspekt ein. Im imperialistischen Krieg ist dies am deutlichsten. So bestand z. B. bei den Ländern des Balkans im 1. Weltkrieg kein Zweifel, dass das nationale Moment einen untergeordneten Charakter trug, eine Politik der nationalen Verteidigung Serbiens eindeutig reaktionär gewesen wäre und daher in Serbien und anderen Balkanstaaten eine Politik des revolutionären Defätismus notwendig war.

Im Krieg um die Ukraine haben wir es zwar nicht mit einem offen erklärten Krieg zwischen Russland und den NATO-Staaten zu tun, aber die westlichen Mächten, allen voran die USA, bestimmen wesentlich die Kriegsführung und -ziele der Ukraine mit. Es wäre mechanisch, aus der Tatsache, dass NATO-Truppen nicht direkt und offen im Land agieren, zu schließen, dass deren Intervention einen untergeordneten Stellenwert annehme (siehe oben).

Der Kriegsverlauf hat diese Einschätzung und politische Schlussfolgerung bestätigt. Zugleich müssen wir festhalten, dass revolutionäre Politik in diesem Krieg unterschiedliche Formen in Russland, in den westlichen NATO-Staaten und in der Ukraine selbst annimmt.

Für die Niederlage des russischen Imperialismus!

Russland ist eine imperialistische Macht. Die Politik des revolutionären Defätismus greift hier am deutlichsten von allen kriegführenden Staaten. Niederlage und Rückschläge Russlands können die Revolution stimulieren und die Herrschaft Putins erschüttern. Das entscheidende Ziel ist die Umwandlung des reaktionären Kriegs in einen Klassenkrieg zu seinem Sturz und zur Errichtung einer Arbeiter:innenregierung. Unmittelbar geht es in Russland darum:

  • Entlarven des imperialistischen Charakters des Kriegs und der Kriegsziele Russlands.

  • Rückzug der russischen Armee.

  • Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Ukraine.

  • Auflösung der OVKS (Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit).

  • Kampf für demokratische Rechte, gegen die Abwälzung der Kosten auf die Massen (Kontrolle über Verteilung der Güter, Enteignung von Betrieben).

  • Aufbau einer Bewegung, die sich auf Aktionsausschüsse in Betrieben und auf Wohnviertel des Proletariats stützt.

Aktionen gegen den Krieg. Antimilitaristische Arbeit und Agitation in der Armee sind essentiell, um die Revolution vorzubereiten.

Die Entscheidung Putins, mit Pseudoreferenden die Bezirke Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson zu annektierten, stellt zusammen mit der Teilmobilisierung von 300.000 Reservist:innen in Russland einen reaktionären Verzweiflungsakt dar, der zugleich aber auch seine Schwäche zum Ausdruck bringt.

Aufgrund der militärischen Niederlagen, der drohenden Einberufung von Hunderttausenden, die in der Ukraine als Kanonenfutter verheizt werden sollen, und der prekären ökonomischen Lage wird sich die Lage in Russland massiv zuspitzen. Aber das hängt wesentlich auch davon ab, wie sehr und stark die nationalistische Propaganda wirkt bzw. diese aufgrund von politischen, militärischen und ökonomischen Erschütterungen in Frage gestellt wird.

Die Unterstützung antiimperialistischer, internationalistischer Kräfte in Russland ist dabei essentiell, um den Aufbau einer revolutionären Organisation im Land voranzubringen.

Revolutionäre Politik in der Ukraine

Hier ist die Lage wohl am schwierigsten – sowohl für die Massen, die Opfer der Invasion, wie für die Taktik, weil einerseits der innerimperialistische Konflikt auch eine prägende Rolle spielt, andererseits auch ein wichtiges Element der realen nationalen Unterdrückung existiert. Dies bedeutet, dass Revolutionär:innen das Recht der Ukraine verteidigen, sich gegen die russische Okkupation zur Wehr zu setzen, jedoch ohne der Regierung Selenskyj irgendeine Form der Unterstützung angedeihen zu lassen.

Es geht v. a. darum, die Kriegsziele Russlands – Verhinderung der militärischen, weniger der ökonomischen Integration der Ukraine in den Westen (NATO, Neutralität, Sicherheitsgarantien) sowie Eroberung von Donezk, Luhansk und der Südukraine (und sei es als Faustpfand für mögliche zukünftige Verhandlungen) – zu begreifen. Dem stehen die v. a. der USA und damit der NATO sowie der ukrainischen herrschenden Klasse und Regierung entgegen.

Diese wollen eine volle Westintegration (NATO, EU, … ) und das Zurückdrängen Russlands aus der gesamten Ukraine einschließlich der sog. Volksrepubliken und der Krim auch auf Kosten eines langwierigen Krieges. Eigentlich besteht in der Westbindung der Kern der „nationalen Selbstbestimmung“ der ukrainischen Bourgeoisie. Es ist kein Zufall, dass ihre Kriegsziele im wesentlichen deckungsgleich mit jenen des Westens und v. a. der USA sind – einschließlich der Tatsache, dass sie die Gefahr einer Entwicklung zum vollen imperialistischen Krieg billigend in Kauf nimmt, ja geradezu fordert.

In der Ukraine schließt das jedoch den Kampf gegen die Okkupation keineswegs aus. Es wäre selbstmörderisch zu erklären, dass die Frage, ob russische Panzer und Flugzeuge ganze Städte plattmachen, keine Bedeutung hätte. Aber zugleich darf und kann es kein Zurückstellen des Klassenkampfes gegen die reaktionäre Regierung geben. Zentrale Elemente revolutionärer Politik müssen Folgendes umfassen:

  • Agitation, revolutionäre Propaganda, die den Charakter des Krieges enthüllen, nicht nur Russland und die NATO/USA/EU angreifen, sondern auch die Kriegsziele der ukrainischen Regierung verdeutlichen.

  • – Forderung nach wirksamem Schutz, Verteidigung der Zivilbevölkerung durch Regierung und Armee.

  • Kampf um Kontrolle von Waffen und knappen Versorgungsgütern in Betrieben, Städten, Dörfern, wenn möglich auch Aufstellung von Milizen.

  • Antimilitaristische und antiimperialistische Agitation in und gegenüber der russischen Armee; Kampf gegen die Festigung der Okkupation.

  • Kampf gegen die Einschränkung demokratischer Rechte und Angriffe auf das Arbeitsrecht durch das Kiewer Regime.

Außerdem müssten wir in der Ukraine deutlich machen, dass die Zukunft der sog. Volksrepubliken und der Krim weder vom ukrainischen nationalistischen Regime noch von Russland oder der NATO entschieden werden darf. Wir treten daher für die Anerkennung der Ukraine als Staat und den vollständigen Abzug der russischen Truppen ein! Zugleich verteidigen wir das Selbstbestimmungsrecht für die Krim und die „Volksrepubliken“ (inkl. ihres Rechts auf Anschluss an Russland oder Eigenstaatlichkeit).

Keinen Fußbreit der NATO!

In den westlichen imperialistischen Staaten und ihren Unterstützer:innen kommt es darauf an zu verhindern, dass sie bzw. die NATO weiter in den Krieg „schlittern“, aus der weiteren Zuspitzung des Konflikts ein offener imperialistischer oder ein neuer Kalter Krieg resultieren und ein globales Sanktionsregime durchgesetzt wird.

D. h., nicht nur die Frage der Kosten, der Angriffe auf demokratische Rechte usw. zu stellen, sondern auch zu erklären, warum die westlichen Staaten nicht „Demokratie“ und Menschenrechte verteidigen, sondern eigene imperialistische Interessen verfolgen.

Dies ist essentiell, weil sich nur so die Ablehnung von Sanktionen, Aufrüstung, NATO-Verlagerungen an die Ostgrenzen, massive Waffenlieferungen durch die Regierung oder „begrenzten“ Flugverbotszonen schlüssig begründen lässt. Der Verweis darauf, dass NATO-Politik, Aufrüstung und Sanktionen teuer sind, trägt einen schalen Beigeschmack, wenn die Kriegsziele der NATO-Staaten – Verteidigung der Unterdrückten – gerecht erscheinen. Es müssen daher auch Kriegsziele und Klassencharakter der imperialistischen Politik entlarvt werden.

Zentrale Losungen in den westlichen imperialistischen Staaten sind:

  • Gegen alle Sanktionen, Aufrüstung, NATO-Truppenverlagerungen, Waffenlieferungen! Gegen die Ausweitung der NATO, für den Austritt daraus!

  • Keinen Cent für die imperialistische Politik! Abwälzung der Kosten, Preissteigerungen usw. auf die Herrschenden! Enteignung des Energiesektors und anderer Preistreiber:innen unter Arbeiter:innenkontrolle! Notprogramm für Erwerbslose, Rentner:innen, Niedriglöhner:innen, Übernahme gestiegener Wohnungskosten durch Besteuerung des Kapitals! Verstaatlichung der Rüstungsindustrie und Konversion unter Arbeiter:innenkontrolle!

  • Aufnahme aller Geflüchteten, Bleibe- und Staatsbürger:innenrechte für alle an dem Ort, wo sie leben wollen – finanziert durch den Staat! Integration der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt, Aufnahme in die Gewerkschaften!

  • Bei direkter Intervention (z. B. Errichtung von Flugverbotszonen, Entwicklung neuer Brandherde im Baltikum): politischer Massenstreik gegen den Krieg!

  • Ablehnung jeder Burgfriedenspolitik!

Dies ist nicht nur für den Klassenkampf in den imperialistischen Ländern und anderen NATO-Staaten entscheidend. Zugleich müssen so die fortschrittlichen Bewegungen und Organisationen in Russland wie in der Ukraine gestärkt werden, indem deutlich gemacht wird, dass die Arbeiter:innenklasse eine unabhängige Politik verfolgt, die die Hauptfeindin in der eigenen Bourgeoisie erkennt.

Weitere Entwicklung

Die weitere Entwicklung des Krieges in der Ukraine wird ein entscheidender Faktor für die Weltpolitik der kommenden Monate, wenn nicht Jahre. Es ist durchaus möglich, dass es in den nächsten Monaten und vor allem in Winter 2022/23 zu einer Befestigung aktueller Stellungen kommt. Andererseits wird Russland auf keinen Fall eine Rückgabe der besetzten Gebiete ohne substantielle Zugeständnisse der NATO akzeptieren. Diese sind im Gegenzug äußerst unwahrscheinlich.

Die Tatsache, dass die internationale ökonomische Isolierung Russlands durch NATO und G7 auf massive Schwierigkeiten trifft und sich nicht nur China, sondern auch große halbkoloniale Volkswirtschaften weigern, die Embargos voll mitzutragen, hat mehrere Ursachen. Erstens ist die Unterstützung für Sanktionen und einen Stellvertreter:innenkrieg gegen Russland in den Halbkolonien sehr viel schwächer, wenn überhaupt vorhanden. Die demokratisch-imperialistische Ideologie des Westens greift dort weitaus weniger. Zweitens drücken sich darin aber auch die Erschütterung der US-Hegemonie und eine Verschiebung des globalen Kräfteverhältnisses aus. Daher können die Sanktionen gegen Russland gerade für die EU-Staaten zu einem wirtschaftlichen Bumerang geraten.

Angesichts der Bedeutung des Krieges um die Ukraine und des Wirtschaftskriegs gegen Russland ist jedoch trotz dieser offenkundigen Schwierigkeiten ein Einlenken beider Seiten alles andere als sicher.

Zum anderen machen der Krieg, die Sanktionen und Tendenzen zur Fragmentierung des Weltmarktes in den kommenden Monaten eine tiefe ökonomische Krise, die sich in Form in Preissteigerungen, Verarmung und in den halbkolonialen Ländern sogar in Form von drohenden Hungerkatastrophen manifestieren wird, sehr wahrscheinlich. Der Krieg und Kampf um die Neuaufteilung der Welt werden diese Krisentendenzen massiv verschärfen – und die Notwendigkeit des Aufbaus revolutionärer Parteien und einer neuen revolutionären Internationale auf die Tagesordnung setzen.




Keine Person, keinen Cent für den Kampf um die Ukraine! Nein zur Kriegstreiberei!

Frederik Haber/Martin Suchanek, Neue Internationale 262, Februar 2022

Sie trommeln, sie lügen, sie bringen Truppen in Stellung. Die Medien, die PolitikerInnen und die Militärs auf beiden Seiten werden aktiv.

Beide Seiten präsentieren sich als jene, die angegriffen oder bedroht werden. Beide geben vor, Selbstbestimmung, Demokratie, Frieden und das Gute überhaupt zu verteidigen. Doch das sind nur Mittel zum Zweck, die eigenen geostrategischen, politischen und ökonomischen Interessen im Kampf um die Neuaufteilung der Welt zwischen den USA, der EU auf der einen und den imperialistischen Gegenmächten Russland und China auf der anderen Seite durchzusetzen.

Imperialistisches Kräftemessen

Vordergründig geht es um die Ukraine. Aber anders als 2013/14, als zwar auch USA, EU und Russland ihre Finger, ihr Geld und ihren Einfluss dort drin hatten, sich aber ein Bürgerkrieg entwickelte, der die Massen, die Klassen und alle politischen Kräfte des Landes in Bewegung und zum Handeln trieb, geht diesmal die Initiative ausschließlich von den imperialistischen Ländern aus. Die Kräfte vor Ort sind zu Puppen in einem Spiel degradiert, das droht, auf Kosten der Lohnabhängigen ausgetragen zu werden.

Die ukrainische Regierung ist zwar eine recht aggressive Büttelin der USA/ NATO, aber letztlich völlig von diesen abhängig. Die Führungen der Donbassrepublik wiederum haben keine andere Wahl, als zu schlucken, was Putin ihnen gibt oder vorgibt.

Auch wenn keine der beiden Seiten zur Zeit einen direkten bewaffneten Konflikt zwischen Russland und NATO austragen will, so ist die Kriegsgefahr durchaus real, gerade weil es wesentlich ein innerimperialistischer Konflikt ist, der sich weiter zuzuspitzen droht. Erstens könnte ein Stellvertreterkrieg in der Ukraine das Land weiter in den Abgrund reißen. Zweitens besteht die Gefahr von massiven Sanktionen gegenüber Russland, die natürlich ihrerseits zu Gegenreaktionen führen, die vor allem in Europa ausgetragen werden. Drittens kann ein solcher Konflikt zwischen den stärksten Nuklearmächten der Welt, gerade weil es um die Aufteilung der Welt geht, auch weiter eskalieren, als es die beiden Seiten ursprünglich wollten. Auch wenn beide mit Drohungen, Aufmärschen, Waffenlieferungen, den Gegner „eigentlich“ nur zum Einlenken, also zum diplomatisch-politischen Nachgeben bringen wollen, so ist die nächste Eskalation vorprogrammiert, wenn die Gegenseite nicht darauf einsteigt.

Genau an einem solchen Punkt stehen wir zur Zeit. Die Kriegsgefahr ist daher real. Das wechselseitige Aufrüsten, die innere Mobilmachung, die insb. auch ideologisch, nationalistisch, „demokratisch“ funktioniert, tragen ihre eigene Logik, die den Konflikt verschärft. Die sog „Friedensgespräche“ entpuppten sich als reine Farce, als bloße Wiederholung der jeweiligen Standpunkte.

Was tun?

Für revolutionäre KommunistInnen ist es in einem drohenden Krieg zwischen zwei imperialistischen Mächtegruppen zweitrangig, wer mehr lügt oder das kleinere von zwei imperialistischen Übeln ist. Es ist auch nicht entscheidend, wer zuerst angegriffen hat oder angreift. Für uns ist klar, dass in einer kapitalistischen Welt auch die Beziehungen zwischen Staaten auf Ausbeutung und Unterdrückung beruhen und die Konkurrenz zwischen den imperialistischen Ländern auch mit Kriegen ausgetragen wird. Deshalb appellieren wir nicht an die Hyänen, zu Vegetarierinnen zu werden.

Entscheidend ist vielmehr, erstens den Charakter des Konfliktes und drohenden Kriegs zu bestimmen, zu entlarven. Zum Zweiten müssen wir uns gegen jedwede Unterstützung der ImperialistInnen wenden. Es geht darum, den Kampf gegen die Kriegstreiberei beider Seiten mit den Mitteln der Klassenauseinandersetzung zu führen – und das bedeutet als RevolutionärInnen in Deutschland vor allem, die reaktionären Ziele des „eigenen“ Imperialismus zu bekämpfen. Denn für die Lohnabhängigen ist der Hauptfeind die eigene herrschende Klasse, ihre Regierung und Staatsmacht. Daher gilt es, alles zu tun, um zu verhindern, dass aus dem neuen Kalten Krieg ein heißer wird. Dazu gehören folgende Aufgaben:

  • Entlarvung des Charakters des Konflikts!
  • Entlarvung der Kriegsziele insbesondere des „eigenen“ Imperialismus bzw. des eigenen Lagers, d. h. hierzulande des deutschen!
  • Ablehnung jeder militärischen Unterstützung des „eigenen Lagers“, keinen Cent für die Ukraine, nein zu allen Waffenlieferungen. Rückzug aller deutschen Truppen, Austritt aus der NATO und deren Auflösung (ganz so wie die ArbeiterInnenklasse in Russland für die Auflösung der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit, kurz: OVKS, eintreten muss)!
  • Abzug aller NATO-Truppen und -Waffen aus Polen, den baltischen Ländern und Norwegen, Abzug aller russischen Truppen aus den Grenzgebieten!
  • Nein zu allen wirtschaftlichen Sanktionen und Drohungen damit!

Der Kampf gegen den „eigenen“ Imperialismus ist mehrfach wichtig. Erstens stellt er den Hauptfeind der ArbeiterInnenklasse dar. Um den Widerstand gegen die eigenen KriegstreiberInnen voranzubringen, treten wir für den Aufbau einer Antikriegsbewegung ein, die auch Aktionen des Klassenkampfes setzt (z. B. Blockade von Rüstungstransporten, Streiks gegen Unterstützung der Kriegsmaschine, … ).

Zweitens kann eine solche Bewegung gegen die eigene Bourgeoisie auch den ArbeiterInnen anderer Länder deutlich machen, dass sich die ArbeiterInnenklasse dem nationalen Taumel, den chauvinistischen und „demokratischen“ Lügen widersetzt. Sie trägt somit praktisch zum Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung bei und zum Aufbau einer neuen Internationale, die für eine Welt ohne Krieg und Ausbeutung kämpft.