Pakistan: Auf dem Weg in eine Verfassungskrise?

Minerwa Tahir, Infomail 1222, 12. Mai 2023

Die Verhaftung und anschließende Freilassung von Imran Khan, dem ehemaligen Premierminister und Vorsitzenden der Partei Pakistan Tehreek Insaf (PTI), verdeutlicht die tiefe Spaltung der herrschenden Klasse und der staatlichen Institutionen des Landes. Khan, der seit Monaten mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert ist, wurde nicht von der Polizei, sondern von den paramilitärischen Punjab Rangers festgenommen.

In vielen Städten brachen sofort Proteste aus. In Peshawar wurden acht Menschen getötet und mehr als 2.000 weitere verhaftet. Andere Parteiführer:innen wie Asad Umar, Shah Mehmood Qureshi, Fawad Chaudhry, Jamshed Iqbal Cheema, Falaknaz Chitrali, Musarrat Jamshed Cheema und Maleeka Bokhari wurden ebenfalls in Gewahrsam genommen. Ungewöhnlich ist, dass Demonstrant:innen in vielen Bezirken Einrichtungen der Armee angriffen.

Worum geht es?

Bewaffnete Kräfte wurden in Punjab, Khyber Pakhtunkhwa, Belutschistan und Islamabad eingesetzt. In Sindh erließen die Behörden eine Anordnung nach Section 144, die bis auf Weiteres alle Versammlungen von mehr als vier Personen sowie alle Proteste, Demonstrationen, Kundgebungen und Sitzstreiks in der Provinz verbietet. Die Medienabteilung der Armee (ISPR) gab eine Pressemitteilung heraus, in der sie davor warnte, dass jeder weitere Angriff auf die Armee, die Strafverfolgungsbehörden, militärische oder staatliche Einrichtungen und Besitztümer schwere Vergeltungsmaßnahmen nach sich ziehen würde.

Seit seiner Absetzung als Premierminister im vergangenen Jahr durch ein Misstrauensvotum des Parlaments, das nach weit verbreiteter Ansicht von der Armee inszeniert worden war, hat Khan das Land bereist und sich im Vorfeld der bevorstehenden Wahlen eine starke Unterstützung in der Bevölkerung erworben. Obwohl er offiziell wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet wurde, liegt es auf der Hand, dass der Grund dafür politischer Natur war. Sowohl die Regierung von Shehbaz Sharif als auch zumindest Teile des Militärs und des Staatsapparats wollen ihn als potenziellen Herausforderer ihrer Herrschaft vollständig beseitigen.

Der Beschluss des Obersten Gerichtshofs, ihn freizulassen, weil seine Verhaftung an sich rechtswidrig war, wird wahrscheinlich nicht das letzte Kapitel in dieser Geschichte bleiben. Tatsächlich bedeutete dies nicht einmal, dass Khan seine Freiheit wiedererlangte, da das Gericht ihn aufforderte, „zu seiner eigenen Sicherheit“ in dem Gebäude zu bleiben, das als vorläufiger Gerichtssaal diente. Eine erneute Verhaftung unter Anwendung korrekter rechtlicher Verfahren ist nach wie vor möglich, und selbst ein hartes Durchgreifen gegen die PTI als Ganzes und ein Verbot der Partei sind nicht ausgeschlossen. Premierminister Sharif hat die Proteste der Partei bereits als terroristische Akte gebrandmarkt. Das Ziel seiner Gegner:innen ist nach wie vor, Khan als Kandidaten auszuschalten, und eine Verurteilung wegen eines der Korruptionsvorwürfe würde dies sicherstellen.

Selbst dann könnten die Krise der pakistanischen Gesellschaft, die verzweifelte Lage der Millionen Menschen, die bei den Überschwemmungen des letzten Jahres alles verloren haben, die Auswirkungen der Auflagen des Internationalen Währungsfonds für die finanzielle Unterstützung sowie die Wut der Anhänger:innen Khans die sehr fragilen demokratischen Institutionen des Landes erschüttern. Die derzeitige Regierung der Pakistan Muslim League (Nawaz), die nach der Absetzung Khans eingesetzt wurde, stellte immer nur eine Übergangslösung dar. Zweifellos existieren in der Armee bereits Elemente, die in einem Militärputsch den einzigen Weg zur „Wiederherstellung der Ordnung“ sehen.

Wenn Khan seine Freiheit wiedererlangt, wird er natürlich wieder in den Wahlkampf ziehen und seine Anhänger:innen angesichts der unrechtmäßigen Art und Weise seiner Verhaftung aufstacheln. Die PTI stützt sich weitgehend auf die „Mittelschicht“, hat aber, was für eine populistische Partei nicht überrascht, auch an die verarmten Massen appelliert. Die aktuellen Umstände werden diese Wendung noch verstärken, da Khan die mangelnde Unterstützung für Obdach- und Arbeitslose anprangert und die Verbrechen der Reichen und die Unterdrückung durch die Sicherheitskräfte angreift. Dies ist jedoch alles Demagogie. Seine Differenzen mit anderen Fraktionen der herrschenden Klasse und des Staatsapparats haben eher mit der Außenpolitik Pakistans zu tun, die sich an China und Russland anlehnen oder zu den USA und „dem Westen“ zurückkehren soll.

Krise

Angesichts einer sich entwickelnden Verfassungskrise muss man feststellen, dass die Arbeiter:innenklasse Pakistans schlecht darauf vorbereitet ist, ihre Interessen und Rechte zu verteidigen. Obwohl Imran Khan keine politische Unterstützung gewährt werden sollte, gab es allen Grund, gegen das barbarische Verhalten der Sicherheitskräfte, die ihn verhaftet haben, zu protestieren.

Darüber hinaus sind sich alle Fraktionen der herrschenden Klasse einig, dass die brutalen Bedingungen des IWF-Abkommens umgesetzt werden müssen und allen Versuchen, die Löhne gegen die Inflation und die Arbeitsplätze gegen Kürzungen und Privatisierungen zu verteidigen, widerstanden werden muss.

In dieser Situation ist es umso notwendiger, dass die Kräfte der pakistanischen Linken, die Frauenbewegung und die Bewegungen der nationalen Minderheiten mobilisieren und eine aktive Alternative bieten. Wir rufen die Labour-Qaumi-Bewegung (LQM), andere Gewerkschaften, linke, feministische, Jugend- und andere fortschrittliche Organisationen sowie die unterdrückten Nationalitäten und anderer sozialer Gruppen auf, sich gegen die zunehmende autoritäre Herrschaft und die steigende Inflation zusammenzuschließen. Die wichtigsten Themen und Forderungen sollten sein:

  • Ein Mindestlohn, der für ein besseres Leben der Lohnabhängigen ausreicht. Die Löhne sollten an die Preisinflation für lebenswichtige Güter gekoppelt werden. Für jeden Anstieg der Inflationsrate um ein Prozent sollten die Löhne um ein Prozent steigen.

  • Alle privatisierten Konzerne sollten unter Arbeiter:innenkontrolle wieder verstaatlicht werden.

  • Anstatt Arbeitsplätze abzubauen, sollte die Arbeitszeit ohne Lohneinbußen verkürzt werden, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden.

  • Aufstockung der Bildungs- und Gesundheitsbudgets durch Einführung einer Vermögenssteuer für Kapitalist:innen, Großgrundbesitzer:innen, multinationale Unternehmen und andere reiche Teile der Gesellschaft.

  • Abschaffung aller Privilegien und Steuervergünstigungen für Großgrundbesitz und Kapital.

  • Massive Subventionen sollten in der Landwirtschaft eingeführt werden. Außerdem sollte das Land den Großgrundbesitzer:innen weggenommen und den Bäuer:innen und Landarbeiter:nnen übergeben werden.

  • Die Mittel für Entwicklungsprojekte sollten massiv aufgestockt werden, damit soziale Einrichtungen und Wohnungen für die Arbeiter:innenklasse und die Armen auf dem Land und in der Stadt gebaut werden können.

  • Verstaatlichung der Stromerzeugungsunternehmen unter demokratischer Kontrolle durch die Arbeiter:innenklasse.

  • Ablehnung des IWF-Programms. Weigerung, die Schulden der internationalen Wirtschaftsinstitutionen zu bezahlen.

Der Kampf für solche Forderungen erfordert Organisation. Wo es Gewerkschaften gibt, sollten sie diese Forderungen aufstellen, aber wo dies nicht der Fall ist, muss die Priorität auf dem Aufbau demokratischer Betriebsorganisationen liegen, in erster Linie, um den Ausbeuter:innen entgegenzutreten, aber auch als Schritt zum Aufbau dauerhafter Industriegewerkschaften. In den proletarischen Bezirken sollten sich Sozialist:innen für die Bildung lokaler Räte einsetzen, die sich aus Delegiert:innen dieser betrieblichen Organisationen und Gewerkschaften zusammensetzen, um die Organisation zu verbreiten, Solidarität zu organisieren und eine Politik zu formulieren, die der Entwicklung der Ereignisse entspricht.

Sollte das Oberkommando der Armee beschließen, die gegenwärtige politische Krise durch einen Militärputsch selbst zu lösen, wie es das in der Vergangenheit getan hat, sollten Sozialist:innen zu einem Generalstreik aufrufen, für den von den bestehenden Gewerkschaften und betrieblichen Organisationen mobilisiert wird. Anders als die Massendemonstrationen der letzten Tage beinhaltet ein Generalstreik das Potenzial, das Land zum Stillstand zu bringen und die Frage aufzuwerfen, wer regieren soll, das Volk oder die Militärspitze?

Auch ohne Putsch ist es immer wahrscheinlicher, dass sich das Land auf eine Verfassungskrise zubewegt, die die gleiche Frage aufwirft. Unsere Antwort darauf sollte der Ruf nach einer verfassunggebenden Versammlung sein, einem demokratischen Forum, in dem genau das entschieden werden soll: Wer soll regieren? Eine solche Versammlung kann ihren Zweck nicht erfüllen, wenn sie von den bestehenden Eliten und ihren Parteien kontrolliert und einberufen wird. Ihre Wahl und Einberufung muss von Komitees der Arbeiter:innen, Bäuer:innen sowie Armen kontrolliert werden.

In einer verfassunggebenden Versammlung werden Sozialist:innen nicht nur das volle demokratische Programm gleicher Rechte für alle Bürger:innen und die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts nationaler Minderheiten fordern, sondern auch die zentralen Forderungen der Arbeiter:innenklasse, die notwendig sind, um mit dem Aufbau des Sozialismus zu beginnen: die Enteignung des Großkapitals, die Vergesellschaftung des Bodens und der natürlichen Ressourcen, die Beschlagnahmung des imperialistischen Vermögens, die Ablehnung von Schulden bei imperialistischen Institutionen und die Einführung von Planung.

Ein solches Programm kann nur durch Massenkämpfe verwirklicht werden, an deren Ende eine Arbeiter:innen- und Bäuer:innenregierung steht, eine Regierung, die sich auf ihre eigenen Organisationen stützt, um die derzeitige katastrophale Situation zu bewältigen und die Interessen der großen Mehrheit der Bevölkerung zu verteidigen. Alle, die sich einer solchen Strategie verschreiben, sollten sich zu einer revolutionären Partei der Arbeiter:innenklasse zusammenschließen.




USA: Republikaner stoppen! Für queere Selbstbestimmung kämpfen!

Jaqueline Katherina Singh, Neue Internationale 273, Mai 2023

Schon im letzten Wahlkampf nahm die Frage nach trans Rechten eine verstärkte Rolle ein. Während Biden klar Stellung bezog und auf die Selbstbestimmung pochte, griffen die Republikaner:innen ihn dafür an. Eine der ersten Amtshandlungen des US-Präsidenten Biden war die Unterzeichnung der „Prävention und Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund von Geschlechtsidentität oder sexueller Orientierung“ im Jahr 2021.

Der Gegenwind der Konservativen ist seitdem stärker geworden. Denn während man seit Mitte April diesen Jahres Reisepässe mit der Möglichkeit, statt männlich/weiblich ein „X“ anzugeben, beantragen kann , zählt die Amerikanische Bürgerrechtsorganisation ACLU mittlerweile 467 Gesetzesentwürfe, die sich gegen die Rechte von LGBTIA+ richten. Somit sind in den ersten vier Monaten 2023 mehr Anti-LGBTIA+ Gesetzesentwürfe gestellt worden als in den letzten 5 Jahren.

Was genau passiert?

Die Gesetzesentwürfe beinhalten massive Einschränkungen und bestätigen die Worte des rechten Kommentators Michael Knowles, der auf der Bühne der Conservative Political Action Conference sagte „Trans muss aus dem öffentlichen Leben vollständig ausradiert werden.“ Da ist es nur ein kleiner Trost, dass von den über 400 Entwürfen 85 abgelehnt wurden. Denn auf der anderen Seite wurden 35 angenommen. Die meisten davon in Arkansas (7), Utah (6) und North Dakota (4). Der Großteil bezieht sich thematisch auf medizinische Behandlungen, aber auch weitere Bereiche werden versucht einzuschränken.

In Texas, Nebraska und über einem Dutzend weiterer Staaten soll jegliche medizinische Unterstützung für Kinder und Jugendliche verboten werden, die ihre Geschlechtsidentität infrage stellen. Eltern droht teils der Entzug des Sorgerechts, wenn sie die Behandlung ihrer Kinder nach gängigen psychotherapeutischen und medizinischen Standards ermöglichen, obwohl dies das Suizidrisiko von trans Jugendlichen um bis zu 70% senkt. Staaten wie Oklahoma wollen sogar noch weiter gehen wie das Neue Deutschland in dem Artikel „Trans-Rechte in den USA: Strikt normiert“ berichtet.

Hier ist ein Gesetz geplant, das einem Verbot der Behandlung aller Personen mit trans Identität, also selbst von Erwachsenen, nach anerkannten Standards nachkommen könnte. Sämtlichen öffentlichen Einrichtungen, die Gelder der Krankenkasse Medicaid für Menschen mit geringem Einkommen oder andere öffentliche Subventionen erhalten, soll dies verboten werden, von Apotheken bis zu Krankenhäusern. Damit würde es für trans Personen praktisch unmöglich, Zugang zu medizinischer Versorgung zu bekommen. Doch die Entwürfe bleiben nicht nur bei trans Personen stehen.

Es scheint fast wie eine Generalabrechnung mit allem, was auch nur wagt das binäre Geschlechtersystem infrage zu stellen. In 9 Bundesstaaten wie Arkansas, Kansas, Oklahoma oder Tennessee sollen Drag Performances und generell das Tragen »nicht geschlechtskonformer Kleidung« außerhalb von explizit an Erwachsene gerichtete Etablissements verboten werden. Das hat nicht nur zur Folge, dass Drag auf Pride-Paraden unterbunden wird, sondern dass Polizeirepression und Gewalt gegen trans Menschen und queere Community, die auf der Straße als solche erkannt werden, juristisch legitimiert werden. Darüber hinaus öffnet es auch die Debatte, was überhaupt „geschlechtskonforme“ Kleidung an dieser Stelle sein soll.

Situation von trans Menschen

Dabei ist die Situation von trans Menschen in den USA schon jetzt mehr als problematisch. Dies zeigte die „US Transgender Survey“ (USTS), die 2015 vom National Center for Transgender Equality (NCTE) durchgeführt wurde. Bei der Umfrage handelte sich um eine der umfangreichsten und umfassendsten  in den USA, bei der sich über 27.000 trans Personen beteiligten. Die Studie zeigt unter anderem auf, dass 2015 29% der trans Personen in Armut lebten, also wesentlich mehr verglichen mit den 14% der allgemeinen US-Bevölkerung. Ebenso ging aus der Umfrage hervor, dass 30% der befragten trans Personen in ihrem Leben mindestens einmal obdachlos waren, verglichen mit 6% der allgemeinen US-Bevölkerung. Ebenso besitzen 30% der Befragten ein Einkommen von weniger als $10,000, verglichen mit 12% der US-Bevölkerung.

Kurzum: Trans Personen leben überdurchschnittlich oft in Armut und erleben verstärkt Diskriminierungsowie Gewalt. So ist es kaum verwunderlich, dass ebenfalls die mentale Gesundheit wesentlich schlechter ist als beim Durchschnitt der US-Bevölkerung, denn 40% der befragten trans Personen gaben an, im Laufe ihres Lebens einen Suizidversuch unternommen zu haben, verglichen mit 4,6% der allgemeinen US-Bevölkerung. Besonders stark betroffen sind Jugendliche und People of Color. Letztere verdienen meist noch weniger und haben deswegen so gut wie keine Möglichkeit, in einen Bundesstaat zu ziehen der ihnen mehr Spielraum gibt. Jugendliche erleben durch ihre ökonomische und rechtliche Abhängigkeit von der Familie oftmals noch fundamentalere Einschnitte, was sich unter anderem auch darin ausdrückt, dass 20% der Befragten im Laufe ihres Lebens obdachlos gewesen sind – der Durchschnitt liegt bei cis-Jugendlichen bei 3%.

Es gilt dabei nicht zu vergessen, dass diese Daten vor der Pandemie erfasst wurden. In der Zwischenzeit gab es wenig gezielte Unterstützung, um diese Situation zu verbessern. Zu den wenigen Initiativen zählt der Affordable Care Act (ACA), der 2016 umgesetzt wurde und Diskriminierung aufgrund von Geschlechtsidentität im Gesundheitswesen verbietet. Dies bedeutet konkret, dass Versicherer medizinische Behandlungen für trans Personen abdecken müssen, ohne sie aufgrund ihrer Geschlechtsidentität abzulehnen oder höhere Prämien zu verlangen. Auch relevant ist die in der Einleitung erwähnte Executive Order von Präsident Biden. Diese formalisiert die rechtliche Gleichstellung auf Basis des Civil Right Acts von 1964 – aber nur in Bundesbehörden, nicht in der Privatwirtschaft und sollte darüber hinaus Diskriminierung aufgrund von Geschlechtsidentität verbieten. Das steht im Kontrast zur Realität der Gesetzesinitiativen seitens der Konservativen und den Erkenntnissen einer neuen Studie des Williams Institute an der UCLA School of Law aus dem Jahr 2022. Hieraus geht hervor, dass trans Personen mehr als viermal häufiger Opfer von Gewalttaten wie Vergewaltigung, sexueller Nötigung und einfacher bzw. schwerer Körperverletzung sind als cis-Personen.

Warum passiert das?

Ja, nicht alle Gesetze kommen durch. Doch es ist falsch das Ganze nur als Kampagne der Konservativen abzutun. Die Gesetzesverschärfungen gehen einher mit den Einschränkungen der Abtreibungsrechte 2022, sowie des Rechtsrucks in den USA der letzten Jahre. Auch wenn die  Republikaner:innen das Thema nutzen, um zu polarisieren und beispielsweise ihre evangelikalen Wähler:innen nicht zu verlieren, hat diese Kampagne reale Konsequenzen.  Denn auch wenn die Begründungen mehr als schlecht scheinen, so erzeugen sie vor allem Druck auf die queere Existenz an sich. LGBTIA+ Rechte – und insbesondere die Rechte von trans Personen – sind nichts, was sich Jahrzehnte lang etabliert hat*, sondern umkämpftes Feld innerhalb unserer Gesellschaft. Es scheint, dass sobald ein kleiner Platz im Rahmen der breiteren öffentlichen Wahrnehmung erkämpft wurde, wieder versucht wird ihn wegzustreichen und zwar mit aller Gewalt.

Somit ist das Ganze nicht nur die Ausgeburt des Schwachsinns christlicher Fundamentalist:innen, sondern auch Erbe Trumps populistischer Politik. Der selbsternante Anwalt „der kleinen Leute“ mit seinem Kabinett von Milliardär:innen und Manager:innen hat es während seiner Amtszeit geschafft, die Polarisierung in den USA voranzutreiben. Das bedeutet, dass weite Teile des Kleinbürger:innentums spürbar nach rechts gerückt sind und ihr Irrationalismus stärkt letztendlich den Flügel der Republikaner. Diese stecken massiv Geld in die Kampagne. So hat das American Principles Project vor den vergangenen Kongresswahlen fast 16 Millionen Dollar für Kampagnen gegen trans Themen im Gesundheits- und Bildungsbereich ausgegeben. Gut investiertes Geld, denn auf der einen Seite wird das tradierte Familienbild gewahrt, auf der anderen Seite sind die Verbote und Einschränkungen gegen trans Personen günstiger als Versprechungen, die die soziale Lage der Wähler:innenschaft verbessern würden.

Die Wurzeln der Unterdrückung

Doch bei der Debatte sollte man sich nicht täuschen lassen: Die Frage der LGBTIA+ Diskriminierung ist nicht nur eine Entscheidung zwischen Republikaner:innen und Demokrat:innen, sondern ist fest im Kapitalismus verwurzelt. Somit löst sich das Problem auch nicht auf, wenn man alleinig gegen die Angriffe der Republikaner:innen kämpft. Doch wie kann ein effektiver Kampf aussehen? Bevor wir dazu kommen, wollen wir kurz den Ursprung der LGBTIA+ Unterdrückung skizzieren und dies führt uns wie nicht anders zu erwarten zur Familie. Das Bild der Familie, die glücklich in ihrem Eigenheim Zeit verbringt und wo der Mann arbeiten geht, die Frau tagtäglich und unermüdlich die Hausarbeit verrichtet, sowie sich um die Kinder kümmert, wurde jahrzehntelang propagiert und als Ideal verbreitet. Es ist aber nicht nur ein Ideal, weil es schön in Werbungen aussieht und sich auf Milchpackungen so gut macht, sondern weil die bürgerliche Familie für den Kapitalismus einen zentralen Standpfeiler darstellt. Die historische Entwicklung dahin sparen wir an dieser Stelle aus und konzentrieren uns auf das wesentliche: Für die herrschende Klasse regelt die Familie die Erbschaftsverhältnisse und spart ebenso extrem viele Kosten. Wie? Dadurch das Kindererziehung, kochen, Waschen, häusliche Pflege und andere Tätigkeiten nicht gesamtgesellschaftlich organisiert, sondern individuell pro Haushalt erledigt werden.  Denn für die Arbeiter:innenklasse ist die Familie der Ort, in dem im Privaten unbezahlte Reproduktionsarbeit stattfindet (oder eher stattfinden muss). Und das Ideal der Familie, was uns vermittelt wird, festigt eben genau diesen Zustand, zusätzlich zu der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung.

Somit stellen LGBTIA+ eine Gefahr für den ideologischen Unterbau der Familie da, denn mit ihrer bloßen Existenz stellen sie mehrere Punkte infrage: a) Sexualität dient nur der bloßen menschlichen Reproduktion  b) die geschlechtliche Arbeitsteilung innerhalb der Familie und ihre Unveränderbarkeit und c) das Konzept der Familie im klassischen Sinne selbst. Letztenendes könnte man zu dem Schluss kommen, dass die heterosexuelle, monogame Zweierbeziehung nicht das absolute Lebensziel eines jeden Individuums auf dieser Erde sein könnte und es Alternativen dazu gibt. Dazu soll angemerkt werden, dass diese Erklärung sehr zugespitzt ist. Denn die letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass auch Liberalisierung möglich ist. Dennoch ist diese nicht bedingungslos und geht letztenendes nie besonders weit, wenn man bedenkt wie stark das „Recht auf Ehe“ und selbst die meisten Gesetze zur „Ehe für Alle“ in den imperialistischen Staaten verankert ist. Das führt uns zu dem nächsten Punkt:

Reine Sichtbarkeit reicht nicht

Auch wenn die Demokraten das Thema für sich entdeckt haben, so muss es klar sein, dass ihre Verbesserungen und ihr Schutz alleine nicht ausreichen. Ja, es ist ein Schritt nach vorne, dass trans Frauen wie Rachel Levine Staatssekretärin werden können. Doch es wird nicht helfen, die Lage von trans Menschen grundlegend zu verändern. Deswegen reicht es auch nicht aus, sich nur an den Angriffen der Republikaner:innen abzuarbeiten und Sichtbarkeit sowie rechtliche Gleichstellung zu verteidigen. Wer Erfolg haben will, muss in die Offensive gehen. Statt also um die reine Existenzberechtigung zu verhandeln, braucht es eine Bewegung, die auch aktiv Verbesserungen für trans Menschen erkämpft. Dabei ist es essentiell den Schulterschluss mit den Gewerkschaften, sowie anderen sozialen Bewegungen, zu suchen und sich nicht auf Spaltungsversuche seitens Rechts einzulassen. Das heißt in der Praxis, dass Aktivist:innen sozialer Bewegungen offen Gewerkschaften auffordern sollten, sich den Protesten anzuschließen, während Gewerkschafter:innen in den Gewerkschaften nicht nur für Solidaritätsstatements, sondern auch Mobilisierungen eintreten müssen. Dies ist wichtig herauszustreichen, denn der Protest kann letztenendes nur erfolgreich werden, wenn die Arbeiter:innenklasse diese mit Streiks unterstützt. Gleichzeitig kann es nicht alleinig die Aufgabe von Aktivist:innen sozialer Bewegungen sein, zu versuchen in den Strukturen Gehör zu finden. Dies ist jedoch keine Unmöglichkeit: Denn schaut man genauer hin, sind erstaunlich viele Fragen, die die Situation von trans Menschen verbessern, nicht explizit nur trans Personen betreffend:

  • Nein zu allen Angriffen auf LGBTIA+ Rechte! Aufhebung aller diskriminierenden Gesetze gegen Schutz vor Diskriminierung am Arbeitsplatz und im öffentlichen Leben!

  • Gesetzliche Krankenversicherung für Alle! Kostenlose medizinische Beratung und Geschlechtsangleichung, auch für Jugendliche!

  • Schluss mit Gewalt: Für demokratisch organisierte Selbstverteidigungskomitees zusammen mit der Arbeiter:innenklasse! Nein zu allen Polizeikontrollen!

  • Für ein Mindesteinkommen für alle, angepasst an die Inflation, sowie einen höheren Mindestlohn!

  • Für die Selbstbestimmung über den eigenen Körper: Für die Möglichkeit, das eigene Geschlecht in staatlichen Dokumenten anzupassen oder nicht angeben zu müssen!

  • Für den Ausbau von geschlechtsneutralen öffentlichen Sanitäranlagen, sowie flächendeckend vorhandenen Schutzhäusern für trans Menschen!

Es bietet sich an zentrale Aktionstage auszurufen, die sich auf die Gesetzesinitiativen beziehen. Im Rahmen dessen sollte an Schulen, Universitäten und Betrieben versucht werden, Vollversammlungen einzuberufen, um über die Situation und Lage von trans Rechten zu informieren. Zusätzlich sollten Aktionskomitees gebildet werden, die zu den Aktionstagen mobilisieren. Gleichzeitig müssen dabei Lehren aus der Vergangenheit gezogen werden. Sowohl #blacklivesmatter, der Womens March oder die Proteste gegen die Abtreibungen haben gezeigt, dass eine Bewegung alleine zwar das Bewusstsein Vieler erreichen kann – aber auch immer wieder verebbt. Auf der anderen Seite zeigte der Zuspruch zu Bernie Sanders oder der DSA auch, dass es genügend Potenzial und Zulauf gäbe, eine Partei im Interesse der Arbeiter:innenklasse aufzubauen.

Denn die Vergangenheit hat gezeigt, dass man sich weder den Demokrat:innen unterordnen sollte, noch Hoffnungen in ihre Konsequenz zu setzen. Die Aktivist:innen in den USA stehen also vor mehreren Aufgaben gleichzeitig: zum einen eine Kampagne gegen die Angriffe auf die trans Rechte zu organisieren, anderseits dabei nicht stehen zu bleiben und den Kampf weiter zu tragen durch den Aufbau einer Partei, die es sich selbst zur Aufgabe setzt nicht nur für Verbesserungen im Hier und Jetzt zu kämpfen, sondern diese mit dem Kampf der Zerschlagung des kapitalistischen Systems zu verbinden. Dabei muss klar sein: eine solche Partei muss aus den Kämpfen der sozialen Bewegung und der Arbeiter:innenklasse entstehen und die Verbindung dieser beiden aktiv suchen.

Endnote

* Wie beispielsweise Frauenwahlrechte. Jedoch sollte man auch hier vorsichtig sein, diese als festgeschriebene Gesetze zu betrachten, die nicht rückgängig gemacht werden können. Nur wäre der Widerstand wahrscheinlich größer.




Alles Querfront?

Martin Suchanek, Neue Internationale 272, April 2023

Der Querfrontvorwurf erlebt Konjunktur in der Linken. Einmal erhoben, bedarf er keiner weiteren Begründung. Jede Diskussion erledigt sich damit von selbst. Schließlich will ja auch niemand in Verdacht geraten, Querfrontler:innen zu verteidigen, mit ihnen zusammenzuarbeiten oder auch nur zu reden.

Längst ist das Wort zum Kampfbegriff geworden. Worum es sich bei den einzelnen wirklichen oder vermeintlichen Querfronten handelt, bedarf oft kaum einer weiteren Betrachtung. Kein Wunder also, dass unterschiedliche politische Phänomene darunter verstanden und einsortiert werden.

So gelten als Querfronten nicht nur Bündnisse und Bewegungen zwischen Linken und Rechten bis hin zu protofaschistischen Gruppierungen, die zu Recht politisch geächtet werden. Auch der Vorwurf ähnlicher Ziele (z. B. in der Kriegsfrage) reicht, um aus dieser Gemeinsamkeit eine Querfront zu konstruieren. Dieser trifft nicht nur den „Aufstand für den Frieden“ vom 25. Februar, zu dem Wagenknecht und Schwarzer aufriefen. Auch gegenüber der Demonstration der Linkspartei gegen die Krisenpolitik der Bundesregierung am 4. September 2022 wurde der Querfrontvorwurf laut, weil die Linken mit 4.000 Menschen durch die Stadt zogen, statt sich auf die Blockade einer deutlich kleineren rechten Kundgebung zu konzentrieren.

Schließlich gilt mitunter schon als Querfront eine Zusammenarbeit mit Gruppen, die unter Querfrontverdacht stehen. Die Problematik einer solchen Herangehensweise zeigt sich nicht nur bei großen Friedensdemonstrationen wie am 25. Februar, sondern auch im Umgang mit Coronaskeptiker:innen und Impfgegner:innen. Zweifellos stellten z. B. die Querdenkerdemos eine reaktionäre Massenbewegung dar – sowohl wegen des Einflusses Rechter wie auch wegen ihres eigentlichen Zieles, das sich gegen einen Gesundheitsschutz für die Bevölkerung richtete.

Aber das erklärt natürlich nicht, warum diese Demonstrationen auch reale und berechtigte Ängste vor den Auswirkungen der Coronakrise und nachvollziehbare Vorbehalte gegen staatliche Maßnahmen mit einem reaktionären Ziel verbinden konnten – und wie dem hätte entgegengewirkt werden können. Indem die Teilnehmer:innen dieser Demos allesamt für immer als „Querfrontler:innen“ gebrandmarkt werden, haben wir politisch noch nichts gewonnen. Es braucht auch eine Politik, wie alle jene, die keine Nazis oder unverbesserliche Irrationalist:innen sind, von den Rechten weggebrochen werden können. Bevor wir uns aber diesen Fragen widmen, müssen wir uns mit dem Begriff, dem Wesen und verschiedenen Formen von „Querfront“ beschäftigen. Das erscheint leider unumgänglich, weil die Häufigkeit und Selbstverständlichkeit, mit der dieser Vorwurf erhoben wird, in einem krassen Missverhältnis zur Unklarheit und Erklärungsbedürftigkeit des Begriffs steht.

Querfront als Bündnis

Der Terminus „Querfront“ tauchte erstmals am Beginn der 1930er Jahre in der Weimarer Republik auf. Die ökonomische Krise, die damit verbundene Polarisierung und politische Unmöglichkeit, eine stabile parlamentarische Mehrheit zu bilden, führte zur Einsetzung (halb)bonapartistischer Regierungen unter Brüning, Papen und von Schleicher, die ihrerseits nach einer gesellschaftlichen Stütze suchten.

Der Reichswehrgeneral von Schleicher entwickelte dabei die Vorstellung, seine Herrschaft auf ein Bündnis von Reichswehr, „linker“ NSDAP (dem Strasser-Flügel) und dem Gewerkschaftsbund ADGB zu gründen. Da die anvisierte Allianz „quer“ zur traditionellen Rechts-links-Polarisierung lag, wurde das Vorhaben als „Querfront“ bezeichnet.

Als Grundlage eines Bündnisses, das ihn an die Spitze einer „Regierung alle Volkskreise“ und einer Präsidialdiktatur bringen sollte, schlug von Schleicher eine etatistische Wirtschaftspolitik, staatliche Regulierung und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sowie Besteuerung von Reichen vor, womit er an Forderungen der Gewerkschaften, aber auch am kleinbürgerlich-reaktionären „Antikapitalismus“ der Strassers anknüpfte. So weit zum Ursprung des Begriffs. Bekanntlich wurde von Schleichers Vorhaben nie realisiert und sein eigenes Regime erwies sich letztlich als Übergang zur faschistischen Diktatur.

Klassenpolitischer Kern

Ihrem Wesen nach ist die Querfront jedenfalls ein Bündnis zwischen verschiedenen Klassenkräften, das sowohl Teile der bürgerlich-reformistischen Arbeiter:innenbewegung wie auch der extremen (faschistischen oder halbfaschistischen) Rechten einschließt. Solche Konstellationen entstehen fast immer in Krisenperioden des Kapitalismus, wenn die „normale“ bürgerlich-parlamentarische Herrschaftsform, die in relativ stabilen Phasen das eigentliche Betätigungsfeld des Reformismus, linkspopulistischer und linker kleinbürgerliche Kräfte darstellt, selbst nicht mehr die Ordnung sichern kann.

Von Seiten der „linken“ Kräfte geht es bei der Querfront um eine ähnliche Zielsetzung wie bei der Volksfront, also um ein Bündnis mit offen bürgerlichen Kräften, um den Kapitalismus in der Krise zu stabilisieren. Ideologisch rückt jeder Anklang an Klassenpolitik in den Hintergrund oder wird entsorgt zugunsten der vermeintlich gemeinsamen Interessen „des Volkes“ auf Basis eines (zeitweilig) regulierten Kapitalismus.

Dies wird grundsätzlich dadurch möglich, dass Reformismus, Populismus und andere Spielarten kleinbürgerlicher Politik letztlich immer auf dem Boden bürgerlicher Verhältnisse stehen. Es ist daher nur naheliegend, dass sie diese, wenn auch mit eigenen Brosamen für die Massen retten wollen. Da Querfront wie Volksfront auf einem Bündnis antagonistischer Klassenkräfte beruhen, brauchen sie aber auch eine/n „oberste/n Vermittler:in“, die/der scheinbar über den antagonistischen Kräften steht und das „Volksganze“ verkörpert. Daher die innere Tendenz zum Bonapartismus.

Auch wenn das Vorhaben von Schleichers nicht umgesetzt wurde, so fanden dennoch einigermaßen ernste, teilweise geheime Unterredungen im Jahr 1932 statt, bis NSDAP- und  SPD-Führung dem Vorhaben einen Riegel vorschoben. Eine Reihe anderer Abkommen und Regierungsbündnisse offenbart freilich die Nähe von Volks- und Querfront, so der Eintritt der KPI in die „antifaschistische“ italienische Regierung unter Badoglio (einem ehemaligen General Mussolinis, der mit ihm gebrochen hatte, als sich die Niederlage Italiens abzeichnete) im März 1944, so die Volksfront Allendes unter Einschluss von Pinochet, so die Syriza-Anel-Regierung in Griechenland.

Das deklarierte Ziel dieser Regierungen bestand auf Seiten der Reformist:innen darin, „Schlimmeres“ zu verhindern wie eine Machtübernahme der Rechten in Chile, die offen faschistische Diktatur in Deutschland. In Wirklichkeit bestand und besteht die Funktion dieser Bündnisse darin, eine konterrevolutionäre Stabilisierung des Kapitalismus gegen den möglichen Ansturm der Arbeiter:innenklasse herbeizuführen. Gelingt dies, so kann diese wie in Griechenland oder Italien eine „demokratische“ Form annehmen. Gelingt es nicht wie in Chile, so wird „Schlimmeres“ (Militärputsch in Chile, Faschismus in Deutschland) nicht verhindert, sondern diesem der Boden bereitet.

Der konterrevolutionären Wesenskern der Quer- wie Volksfront und deren gemeinsame Funktion spielen in der aktuellen Debatte jedoch so gut wie keine Rolle. Und das aus gutem Grund. Schließlich haben die meisten Kräfte, die unter Querfrontverdacht stehen, wie auch deren Kritiker:innen gegen die Volksfront nichts einzuwenden – und sind damit ihrerseits daran interessiert, die Ähnlichkeiten der beiden nicht weiter zu beleuchten.

Querfront und rechte Ideologie

Der Begriff Querfront umfasst allerdings auch einen anderen Aspekt, den wir schon im und nach dem Ersten Weltkrieg als politisches Phänomen beobachten können. Die Niederlage im Krieg, die ökonomische Zerrüttung und die politische Krise führten auf der Rechten zur Entstehung pseudoradikaler Strömungen in der Intelligenz (und davon beeinflusst auch von völkischen, rechtsextremen bis hin zu faschistischen Kräften).

Autoren wie Oswald Spengler, Arthur Moeller van den Bruck oder Carl Schmitt stehen beispielhaft für diese präfaschistischen Ideologien, die bis heute gern von Rechten als angeblich vom Faschismus getrennter „radikaler“ Konservativismus und Nationalismus zurechtgebogen werden. Paradigmatisch dafür steht die sog. „konservative Revolution“.

Anders als der traditionelle bürgerliche Konservatismus griffen diese Intellektuellen die Krisenmomente der imperialistischen Ordnung so auf, dass sie ihre reaktionäre, autoritäre und diktatorische Antwort mit einem pseudoradikalen kleinbürgerlichen Antikapitalismus,  Kritik an der bürgerlichen Demokratie und Dekadenz verbanden. Sie erschienen daher als „revolutionär“, inszenierten sich als Vertreter:innen des „Volkes“, der Nation, der „Rasse“, deren echte Gemeinschaft keine Klasse mehr kennt. Ihr „Sozialismus“ nahm zwar auch Anleihen bei der revolutionären Linken, einzelnen Begriffen, Konzepten oder Aktionsformen, war aber zugleich von Beginn an strikt gegen den Marxismus gerichtet, um der „Volksgemeinschaft“ den Weg zu bereiten, und eng verbunden mit Antisemitismus und -liberalismus.

Die Krise des Kapitalismus und der Kampf um die Vorherrschaft im Rahmen der Weltordnung bildeten den Hintergrund und den Nährboden dafür, dass diese Ideologien einen Resonanzboden beim vom Untergang bedrohten Kleinbürgertum und unter der Intelligenz finden konnten. Anstelle des „verrotteten“ Parlamentarismus und Liberalismus sollte eine „echte“ Volksordnung ohne Parteien treten. So sollte den inneren Kämpfen der Nation – und das heißt vor allem dem Klassenkampf – ein Ende bereitet werden, samt aller inneren und äußeren Feind:innen. So sollte die Nation wieder fit gemacht werden für den „natürlichen“ Kampf zwischen den Völkern und „Rassen“. Auch wenn nicht alle diese Autor:innen in der Weimarer Republik (oder der heutigen „neuen Rechten“) dem Faschismus direkt zuzurechnen sind, so gehen sie in eine ähnliche, aggressive imperialistische Richtung. Mit dem Faschismus teilen sie außerdem, dass sie der äußersten Reaktion einen aktivistischen, pseudorevolutionären, antibürgerlichen Anstrich geben.

Als Bewegung fand dieser demagogische „Antikapitalismus“ seinen extremsten Ausdruck im Faschismus. Dieser stellt dabei nicht einfach eine besonders reaktionäre Partei oder Ideologie dar, sondern sein Wesen besteht gerade darin, das „wild gewordene Kleinbürgertum“ als Rammbock zur Zerschlagung der Arbeiter:innenbewegung zusammenzufassen. Einmal an der Macht, verliert der Faschismus seinen Bewegungscharakter, entledigt sich seines „linken“ Randes wie z. B. beim sog. Röhmputsch und gerät zu einer extremen Form der kapitalistischen, imperialistischen Diktatur.

Um ihre Rolle als demagogische, scheinbar antibürgerliche oder gar „sozialrevolutionäre“ Kraft spielen zu können, müssen die rechten Intellektuellen wie auch bürgerlichen oder kleinbürgerlichen Kräfte demagogische Anleihen bei der wirklichen, gegen das Kapital gerichteten Arbeiter:innenbewegung aufnehmen. Daher stellt das demagogische, entstellende Ausschlachten von Symbolen, Versatzstücken, Begriffen und Aktionsformen fortschrittlicher Bewegung oder auch des Marxismus einen Zug aller diese alt- wie neurechten Gruppierungen und Ideolog:innen dar.

Natürlich sind solche „Übernahmen“ von Begriffen, Symbolen, Dresscodes unangenehm und irritierend. Daher ist es wichtig zu verstehen, warum dies stattfindet – und man muss sich auch ihre Grenzen vor Augen halten. In jedem Fall stellen diese Phänomene keine „Querfront“ zwischen Linken und Rechten dar, sondern eher das Gegenteil. Wenn man den Begriff dafür verwenden will, so besteht die „Querfront“ in der Übernahme von Symbolen oder bestimmter Termini, deren Sinn zudem oft entstellt wird und die immer in einen politischen und ideellen Gesamtkontext so eingefügt werden, dass sie eine gänzlich andere Bedeutung als in einem klassenpolitischen oder gar marxistischen Kontext annehmen. Der Rekurs auf Begriffe, Konzepte, Themen der Arbeiter:innenbewegung oder Linken ist kein Zufall und auch kein originelles „neues“ Konzept rechter Ideolog:innen, sondern ergibt sich vielmehr aus ihrem Ziel, auch die „unteren“ Klassen, also rückständige Schichten des Proletariats und Teile des Kleinbürger:innentums zu einer rechten, reaktionären Bewegung zu formieren, die in Scheinopposition zum Kapital steht, letztlich aber nur für eine andere Ausrichtung der Nation in der Konkurrenz zu anderen eintritt. Der Populismus, der positive Bezug zum von den Klassen gereinigten „Volk“ stellt daher eine Grundideologie aller rechten „Querfrontler:innen“ dar.

Die Linke und rechter Pseudoradikalismus

Die Entstehung von rechten, populistischen, völkischen bis hin zu faschistischen Bewegungen samt ihrer pseudoradikalen, „antielitären“ Ideologie stellt an sich eine Gefahr für die Arbeiter:innenklasse und die Linke dar. Das trifft insbesondere zu, sobald sich aufgrund von krisenhaften Verwerfungen populistische, pseudoradikale Bewegungen mit Massencharakter bilden, die auch Teile des Kleinbürger:innentums und der Arbeiter:innenschaft zu mobilisieren vermögen.

Natürlich muss eine revolutionäre Linke dabei nach Wegen suchen, wie rückständige Schichten der Arbeiter:innen, die von solchen Bewegungen angezogen werden oder sich diesen gar anschließen, für die Klasse (zurück)gewonnen werden können. Die Geschichte der Weimarer Republik liefert dabei etliche Beispiele, wie es sicher nicht geht – nämlich durch ideologische Anpassung.

Der Nationalbolschewismus, die Schlageterrede Radeks, Ruth Fischers Zugeständnisse an den Antisemitismus, das KPD-Programm der „nationalen und sozialen Befreiung“, aber auch die Sozialfaschismustheorie gehören zu diesen schweren politischen Fehlern.

Hinter all dem steckt eine Verkennung und Unterschätzung des aggressiv-reaktionären Charakters populistischer, nationalistischer, völkischer oder gar faschistischer „Bewegungen“. Dies rührt daher, dass sich die „oppositionelle“ Rechte scheinbar gegen die bürgerliche Klasse, gegen den Liberalismus oder sogar gegen den Imperialismus – natürlich nur den der anderen Mächte – richtet.

Die Anhänger:innen dieser Bewegungen erscheinen daher als irregeleitete, von den Verhältnissen bedrückte Menschen, die sich eigentlich gegen den/die vermeintlich gemeinsame/n Gegner:in – die dekadente, bürgerliche „Mitte“, Liberalismus, Zentrum, Reformismus und Gewerkschaftsbürokratie – zu richten scheinen. Diese Sicht gewinnt an Plausibilität dadurch, dass diese tatsächlich die bestehenden Verhältnisse in der Krise verteidigen, verwalten oder im Fall der Sozialdemokratie als „Arzt am Krankenbett des Kapitalismus“ fungieren.

Wird der wahre, reaktionäre Kern des demagogischen rechten Pseudoradikalismus nicht richtig begriffen, so droht eine Politik der Anpassung an einen kämpferischen, mit der herrschenden Ordnung scheinbar in Konflikt geratenen Rechtspopulismus.

So biedert sich Radek in der Schlageterrede, die allerdings von Lenin scharf kritisiert wurde, dem Nationalsozialisten Schlageter als „Märtyrer des deutschen Nationalismus“ an. Im Nationalbolschewismus wird der Nationalismus des geschlagenen deutschen Reiches zu einem „Befreiungsnationalismus“ mythologisiert. Im Programm der „nationalen und sozialen Befreiung“ versucht die stalinisierte KPD, der NSDAP den Nationalismus streitig zu machen, und die Sozialfaschismustheorie ging oft auch noch damit einher, dass die Kommunist:innen ihr „Hauptfeuer“ gegen die Sozialdemokratie richten sollten, statt eine Einheitsfront mit ihr gegen die Nazis zu bilden.

Auch wenn diese politischen Positionen zu wenig realen gemeinsamen Fronten oder wenigstens Absprachen von KPD und Rechten oder Nazis führten, so beinhalteten sie eine fatale politische Konsequenz. Sie verschleierten den eigentlichen Klassencharakter der pseudoradikalen, reaktionären Intelligenz und reaktionärer kleinbürgerlicher Bewegungen (inklusive der realen Gefahr, die der Faschismus darstellte).

Dies umfasste sowohl fatale taktische Fehler (insbesondere Sektierertum gegenüber sozialdemokratischen Arbeiter:innen und den Gewerkschaften), aber auch eine Anpassung an die reaktionäre rechte Ideologie – z. B. an den Nationalismus oder auch Verharmlosungen des Antisemitismus. Dies spielte, wie Trotzki zu Recht am KPD-Programm der „nationalen und sozialen Befreiung“ kritisierte, den Rechten in die Hände. Die Anpassung an den deutschen Nationalismus, das Kokettieren mit der Idee, dass Deutschland aufgrund der Versailler Verträge zu einer unterdrückten Nation geworden wäre, trug natürlich nicht dazu bei, dass sich nationalistisch geprägte Kleinbürger:innen oder rückständige Arbeiter:innen der KPD zuwandten. Im Gegenteil, die Nazis und andere Rechte griffen diese Anpassung auf, indem sie darauf verwiesen, dass die KPD nur selbst die zentrale Bedeutung der Nation, das Primat des Volkes vor der Klasse anerkennen müsse.

Die allgemeine, grundlegende Schlussfolgerung aus diesen geschichtlichen Fehlern lautet: Gegenüber dem Kleinbürger:innentum (wie generell gegenüber allen nicht ausbeutenden Klassen und Schichten) müssen Kommunist:innen Forderungen und ein Programm zur Lösung ihrer realen existenziellen Probleme (z. B. Verschuldung, Not) entwickeln. Sie dürfen jedoch keinerlei Zugeständnisse an reaktionären Ideologien und rückständiges Bewusstsein machen, schon gar nicht, wenn dies in Bewegungsform auftritt.

Linkspopulismus heute

Genau hier, in der Anpassung an rückständiges Bewusstsein liegt in der aktuellen Lage das eigentliche politische Problem. Natürlich gibt es auch reales Mitschwimmen von Menschen oder Gruppierungen, die der politischen Linken zuzurechnen sind, bei aktuellen rechtspopulistischen oder rechten Mobilisierungen. So beteiligten sich die sog. Freie Linke oder der sog. Demokratische Widerstand an der reaktionären Querdenker:innenbewegung und demonstrierten dabei auch gemeinsam mit Nazis oder rechtsradikalen Gruppen.

Aber diese Gruppierungen stellen politisch eine Randerscheinung dar. Der größte Teil der Linken lehnte eine Beteiligung an den Querdenker:innendemos und jedes Bündnis mit diesen ab, selbst wenn sie nur eine verharmlosende Position zur Pandemie und ihren Gefahren vertraten.

Auch wenn Sahra Wagenknecht von rechten Magazinen wie Compact oder von der AfD gelegentlich gelobt wird, so besteht keine organisierte Zusammenarbeit. Man mag ihr, dem ihr nahestehenden Flügel der Linkspartei, Aufstehen oder auch Teilen der Friedensbewegung vorwerfen, dass sie sich nicht ausreichend von rechten Mitläufer:innen auf ihren Aktionen abgrenzen. Aber selbst wo das zutreffen mag, ist das etwas anderes als eine Zusammenarbeit.

Das politische Problem liegt in Wirklichkeit woanders. Sahra Wagenknecht, Gruppierungen wie Aufstehen und eine ganze Reihe andere Linker haben in den letzten Jahren einen politischen Schwenk zum Linkspopulismus vollzogen. Anstelle eines, wenn auch bloß reformistischen Bezugs zur Klasse als zentralem Referenzpunkt der eigenen Politik trat das „Volk“. Die Lohnabhängigen operieren dabei nicht mehr als besondere Klasse, sondern nur als Teil einer Mehrheitsbevölkerung, die verschiedene Klassen umfasst, Arbeiter:innen, Kleinbürger:innen und auch „hart arbeitende“ Unternehmer:innen. In ihren Büchern hat die einstige Stalinistin längst der Marx’schen Kapitalismuskritik entsagt.

Ihr Ziel ist nicht die Umwälzung der Verhältnisse, sondern eine regulierte, soziale Marktwirtschaft – daher auch ihr positiver Bezug auf die Sozialdemokratie der Nachkriegszeit und selbst auf Ludwig Erhard.

Ihre „linke“ Politik läuft letztlich darauf hinaus, die Menschen für ein nationales, sozialstaatliches Programm zu gewinnen, das seinerseits eine bessere Stellung für alle Deutschen bringen soll. So wie Wagenknecht den Kapitalismus als gegeben betrachtet, so nimmt sie auch konservative, nationalistische, rückständige Bewusstseinsformen als gegeben. Dass Menschen an reaktionären Geschlechterstereotypen hängen, heimatverbunden und auf „ihre“ Nation stolz sind, erscheint ihr einfach als „natürlich“.

Daher richtet sich Wagenknecht – dem rechten Diskurs in der Tat nicht ganz unähnlich – gegen „Kosmopolitismus“, „offene Grenzen“, „Genderwahn“. Sie verknüpft ein sozialstaatliches Versorgungsversprechen mit einer reaktionären Kritik am bürgerlichen Liberalismus und „Kosmopolitismus“.

Am Liberalismus kritisieren Marxist:innen seinen bürgerlichen Charakter. Sie kritisieren, dass seine Freiheitsversprechen letztlich immer auf halbem Wege steckenbleiben müssen, weil die formale, rechtliche Gleichheit immer Makulatur bleiben muss, wenn die kapitalistischen Verhältnisse selbst nicht in Frage gestellt, ja verteidigt werden. Das Problem des „Kosmopolitismus“ besteht nicht in seinem universalen, den Nationalstaat transzendierenden Versprechen, sondern darin, dass es auf dem Boden einer imperialistischen, auf kapitalistischer Ausbeutung basierenden Weltordnung für die Masse immer unerfüllbar bleiben muss. Wirkliche Freiheit und Gleichheit kann es allenfalls als formale geben – und selbst dies ist, wie wir bei der Entrechtung von Migrant:innen und Geflüchteten wie überhaupt der Bevölkerung der meisten vom Imperialismus beherrschten Länder sehen können, für Milliarden Menschen nicht der Fall. Daher treten wir für einen proletarischen Internationalismus ein, für eine Politik des revolutionären Klassenkampfes, die dem historisch überholten Nationalstaat und der imperialistischen Ordnung wirklich die Totenglocken läuten kann.

Dass Wagenknecht und generell der Linkspopulismus „anschlussfähig“ an die Rechte sind, ist also nicht Folge einer bündnispolitischen Ausrichtung. Es ist vielmehr Resultat einer Ideologie, die selbst einen klassenübergreifenden Charakter trägt, die daher notwendigerweise den Klassenkampf hintanstellen muss und vorhandene, rückständige Bewusstseinsformen als „Band“ zwischen verschiedenen Klassen verwendet. Es ist dabei kein Zufall, dass dazu eifrig vor allem auf Bejahung der Nation oder „fortschrittlichen“ Patriotismus gemacht werden muss, weil der Nationalismus selbst eine quasi natürliche Kernideologie im imperialistischen Staat darstellt.

Eine gewisse Ironie besteht natürlich darin, dass auch das „Establishment“, die politische Kaste, die Elite, also das politische Personal des deutschen Imperialismus und die herrschende Klasse auch auf Nationalismus und Patriotismus setzen – sich also ihrerseits die „nationale Einheit“ auf die Fahnen geschrieben haben. Wenn also von Seiten der Regierung, der SPD, der Grünen, des SPIEGEL, der taz oder anderer linksbürgerlicher Medien an Wagenknecht der Vorwurf kommt, sie spiele zu viel mit nationalen, rückwärtsgewandten Ressentiments, so entbehrt dies nicht einer gewissen Komik angesichts des nationalen, liberaldemokratischen Schulterschlusses zur Aufrüstung für „unsere“ NATO. Die Querfrontvorwürfe gegen Wagenknecht und Schwarzer, die von dieser Seite kommen, sind im Grunde nichts als politische Nebelkerzen, um die eigene imperialistische Politik zu rechtfertigen.

Das ändert natürlich nichts daran, dass linkspopulistische Theorie und Politik von Marxist:innen einer scharfen Kritik unterzogen werden müssen, weil sie, setzen sie sich durch, zu einer Stärkung bürgerlicher Ideologie und weiteren Zersetzung des Klassenbewusstseins führen müssen.

Das bedeutet jedoch keineswegs, dass Revolutionär:innen im Kampf gegen soziale Angriffe oder Kriegstreiberei mit solchen Kräften nicht zusammenarbeiten dürfen. Im Gegenteil. Wo sie fortschrittliche und reale Sorgen und Nöte der Massen aufgreifen, müssen Linke in die Mobilisierungen intervenieren, freilich ohne ihre Kritik am Populismus zurückzustellen, sondern um für eine revolutionäre Klassenpolitik einzutreten.




Indiens reaktionäres Regime und die Lage von Frauen

Jonathan Frühling, Fight! Revolutionäre Frauenzeitung, März 2023

1,4 Milliarden Menschen zählt die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt. Laut Prognosen des IWF könnte Indien bereits im Jahr 2027 auf Rang vier aufzurücken – und damit Deutschland überholen. Doch Größe allein bedeutet nicht Reichtum. Indien ist ein Land voller Widersprüche, ein extremes Beispiel für die kombinierte und ungleichzeitige Entwicklung im Rahmen des imperialistischen Weltsystems. So entsteht das Bild einer aufstrebenden Macht, die zwischen Hightechindustrie und massiver Armut der Bevölkerung hin- und herpendelt. Im Folgenden wollen wir uns dabei die Lage von Frauen genauer anschauen. Doch bevor wir dazu kommen, wollen wir eine kurze Skizze der aktuellen Regierung und ihres Regimes geben.

Das Regime der BJP

Seit 2014 wird das Land von der Bharatiya Janata Party (Indische Volkspartei; BJP), einer der rechtesten Regierungsparteien der Welt, regiert. Die BJP hängt einer Ideologie an, die als Hindutva (hinduistischer Nationalismus, kurz Hindunationalismus) bezeichnet wird. Der Hinduismus wird als einzig legitime Kultur im indischen Staat angesehen. Alle anderen Kulturen, Religionen, Nationalitäten, Indigene und untere Kasten gelten als feindliche und schädliche oder jedenfalls als untergeordnete Elemente, die oder deren Widerstand bekämpft werden müssen. Das betrifft vor allem Muslim:innen, Kashmiri, Sikhs, Dalits (unterste Kaste) und Adivasi (Indigene).

Sowohl die Innen- als auch die Außenpolitik werden als Kulturkampf inszeniert. Nach außen werden die Kulturen anderer Staaten als Gefahr angesehen, im Inneren werden die anderen Religionen, d. h. vor allem der Islam, Ziel der Hetze des Hindunationalismus. Die Funktion dieser Ideologie besteht darin, Feindbilder zu schaffen, um gleiche Hindu verschiedener Klassen bzw. Kasten an den Staat und seine kapitalistische und neoliberale Politik zu binden.

Denn es ist gerade die neoliberale Politik, die den Premierminister Narendra Modi Zustimmung unter den Kapitalist:innen einbringt. Während wichtige Teile des indischen Großkapitals lange in der Kongresspartei ihre politische Vertretung sahen, schwenkten in den letzten 10 – 15 Jahren fast alle Großkonzerne zur BJP um. Und diese agiert ganz in deren Interesse.

So erfolgten während der ersten Amtszeit Modis massive Angriffe auf die Gewerkschaften und Arbeitsschutzgesetze wie die Aufhebung des Rechtsschutzes für Festanstellungen und von Arbeitszeitbeschränkungen. Doch das ist nicht alles. Im Zuge von Modis Amtszeit hat sich das politisch-gesellschaftliche Klima extrem nach rechts verschoben.

Aufrufe zum Mord an Menschen muslimischen Glaubens durch hohe hinduistische Kleriker waren nur die Spitze des Eisberges an Volksverhetzung. Diese politische Stimmung hat auch bereits schon zu Pogromen geführt, wie z. B. 2020 in Delhi. Damals griff ein hinduistischer Mob muslimische Viertel an, um Protest gegen ein antimuslimisches Gesetz zu verhindern. Es starben dabei 26 Muslim:innen und 15 Hindus.

Bei der BJP handelt es sich zwar nicht um eine genuin faschistische Organisation, aber sie stützt sich sehr wohl auf rechte faschistoide Milizen wie die Bajrang Dal (Brigade Hanuman; Jugendflügel der Vishva Hindu Parishad; VHP. Diese ist wiederum auf dem rechten Flügel der Sammlungsbewegung Sangh Parivar angesiedelt) und die Rashtriya Swayamsevak Sangh (Nationale Freiwilligenorganisation; RSS). Die RSS ist eine paramilitärische, rechtsgerichtete hindunationalistische Gruppe, die über 50.000 Zweigstellen und Waffenausbildungslager besitzt. Sie wurde in den 1920er Jahren als antibritische, aber auch streng hinduistische und antimuslimische Organisation gegründet. Stark von Mussolini und Hitler beeinflusst, soll sie heute zwischen 5 bis 6 Millionen Mitglieder zählen. Sangh Parivar (Familie der Verbände) ist der Oberbegriff für eine Vielzahl von Hinduorganisationen, die von der RSS hervorgebracht wurden, wobei die Regierungspartei BJP eng mit ihr verbunden ist, sich auf sie stützt und ihre Agenda bedient.

Anders als ein faschistisches Regime kamen Modi und die BJP nicht infolge der Machteroberung einer kleinbürgerlich-reaktionären Massenbewegung an die Regierung. Sie zerschlugen auch nicht die organisierte Arbeiter:innenbewegung. Aber unter Modi etablierten sie einen parlamentarisch-demokratisch legitimierten Bonapartismus. Die rechten Verbände wie die RSS stellen zwar nicht den Kern der Regierungsmacht und des Staatsapparates dar, wohl aber organisierte kleinbürgerliche Hilfstruppen, vor allem gegen religiöse und nationale Minderheiten.

Während Modis Regime den großen Kapitalen enorme Zugewinne brachte und versucht, Indien in deren Interesse als Machtfaktor zu etablieren, so ist seine Regierung auch für die Masse der Frauen in Indien eine Kampfansage.

Die Lage von Frauen

Die widersprüchliche Situation innerhalb Indiens wird deutlich, wenn man die Lage von Frauen betrachtet. Aus dem Artikel „Why Indian women may lead the tech world of tomorrow“, von  Times of India am 4. Mai 2020 veröffentlicht, geht hervor, dass Frauen fast 50 % aller Studierenden im MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik)-Bereich umfassen und Indien mit 42 % den höchsten Anteil an weiblichen MINT-Absolvent:innen auf der ganzen Welt hat.

Ihr Anteil an den Beschäftigten in Wissenschaft, Technik und technologischen Forschungsinstituten liegt aber bei nur 14 % und zeigt damit ein zentrales Problem des Landes auf. Denn sieben Jahrzehnte nach der Unabhängigkeit ist die Erwerbsbeteiligung der Frauen in Indien noch immer gering, teilweise sogar rückläufig.

1990 waren noch 35 % aller Frauen beschäftigt. Heute sind es nur noch 25 %, womit Indien auf Platz 145 von 153 Ländern liegt. Hierbei ist anzumerken, dass diese Zahl vor allem so gering ist, da Frauen wesentlich häufiger im informellen Sektor arbeiten, also keine offiziellen Verträge (und damit einhergehenden Arbeitsschutz) haben. Interessant ist jedoch, dass der Anteil der Frauen, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen, in den Städten geringer ist als in den ländlichen Gebieten, obwohl es dort eigentlich mehr Beschäftigungsmöglichkeiten und höhere Löhne gibt. Der entscheidende Grund dafür ist aber, dass die Familien von Kleinbauern/-bäuerinnen und Arbeiter:innen in diesen Regionen ohne weibliche Erwerbsarbeit nicht überleben könnten.

Ein ähnliches Szenario ist auch bei den alphabetisierten Frauen zu beobachten. 35,5 % aller Frauen sind Analphabetinnen (und nur 19,1 % aller Männer). Obwohl die Alphabetisierung die Erwerbstätigkeit von Frauen fördert, ist in den meisten Bundesstaaten nur ein geringer Anteil der gebildeten Frauen in der Stadt erwerbstätig. Auf der anderen Seite ist der Anteil der alphabetisierten Frauen auf dem Lande in verschiedenen Bereichen der bezahlten Arbeit viel höher als in den Städten.

Auch wenn keine offiziellen Zahlen verfügbar sind, so ist davon auszugehen, dass die Coronapandemie die Situation nochmal drastisch verschlechtert hat. Mit einem Minus von 7,7 % hat die Wirtschaft in Indien deutlichere Einbußen hinnehmen müssen als in anderen Ländern. Allein der Tourismusbereich ist um rund 58 % eingebrochen. Die Arbeitslosenquote stieg von 5,3 auf 8,0 %. Die Inflationsrate ist von zuvor 3,7 auf nun 6,6 % angestiegen und extrem viele Jobs im informellen Sektor sind weggefallen.

Das zeigt schon mal eines: Frauen in Indien sind keine homogene Masse, sondern ihre Situation ist stark von ihrer Herkunft geprägt, von ihrer Klassen- und Kastenzugehörigkeit, ihrer Nationalität oder Religion. Dies kann man auch an der Frage der häuslichen Gewalt nachvollziehen. Laut Regierungsumfragen ist jede dritte Frau häuslicher Gewalt ausgesetzt. Besonders betroffen sind dabei Dalitfrauen, die ungefähr 16 % aller Frauen ausmachen. Sie haben beispielsweise einen sehr eingeschränkten Zugang zur Justiz und in Fällen, in denen der Täter einer dominanten Kaste angehört, herrscht für diesen weitgehende Straffreiheit. Dalitfrauen gelten daher als leichte Zielscheibe für sexuelle Gewalt und andere Verbrechen, da die Täter fast immer ungestraft davonkommen. So zeigen beispielsweise Studien, dass in Indien die Verurteilungsquote bei Vergewaltigungen von Dalitfrauen unter 2 % liegt, während sie bei Vergewaltigungen aller Frauen in Indien 25 % beträgt.

Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer Probleme: Frauen und besonders Mädchen leiden auch deutlich öfter an Mangelernährung, da es üblich ist, dass Frauen erst nach den männlichen Teilen der Familie essen und für diese oft nicht mehr genug übrig bleibt. Frauen werden massiv für ihre Menstruation diskriminiert, die als unrein angesehen wird und zum Teil sogar dazu führt, Tempel nicht mehr betreten zu können. Die Folge dieses Tabus und natürlich der Armut ist eine katastrophale Menstruationshygiene, auf die 70 % aller Unterleibserkrankungen bei Frauen zurückzuführen sind. Nur ca. 18 % aller Menstruierenden haben ausreichend Zugang zu Hygieneprodukten.

Arrangierte Ehen sind bis heute die Regel in Indien. Manche Quellen gehen von bis zu 90 % aus. Arrangiert werden die Heiraten traditionell von den Familien und Angehörigen, in den letzten Jahren aber auch zunehmend von Daitingseiten (im Auftrag beider Partner:innen), um so eine standes- und statusgemäße Heirat zu erzielen. So sind Hochzeiten von Angehörigen verschiedener Kasten bis heute mit nur rund 5 % eine Rarität, Heiraten über religiöse Grenzen hinaus sind mit nur 2 % noch seltener.

Die Lage unter der BJP

Trotz gesetzlicher Verbote wird die Gabe einer Mitgift (Geld und/oder teure Geschenke, die die Familie der Braut an die Familie des Bräutigams zahlen muss) bei der Verheiratung einer Frau gesellschaftlich erwartet. Wird die Mitgift als zu niedrig angesehen, läuft die Braut Gefahr, ermordet zu werden. Ca. 25.000 Mädchen und Frauen erleiden jedes Jahr dieses Schicksal. Die Geburt vieler Mädchen kann deshalb eine Familie finanziell ruinieren. Zum Teil müssen die Frauen auch selbst jahrelang arbeiten, um die Mitgift an die Familie des Mannes selbst bezahlen zu können.

Die Folge dieses Umstandes ist, dass Mädchen häufig abgetrieben oder geborene getötet werden. 52,1 % aller Kinder zwischen 0 und 6 Jahren sind Jungen. Dieses Problem versuchte die Modi-Regierung, seit 2015 mit der Kampagne „Beti Bachao, Beti Padhao“ (Rettet die Tochter, erzieht die Tochter) zu adressieren. Dass dies jedoch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist, zeigen die Daten der Regierung selber. Mehr als 56 % der Gelder wurden von 2014/15 bis 2018/19 für „medienbezogene Aktivitäten“ ausgegeben. Im Gegensatz dazu wurden weniger als 25 % der Mittel an die Bezirke und Staaten ausgezahlt und über 19 % von der Regierung gar nicht erst freigegeben.

Dies fasst die Politik der BJP recht gut zusammen. Auf den ersten Blick wirkt es so, als ob in Modis Regime Frauen einen Platz haben. So wurden in seiner Amtszeit auch teilweise Gesetze verabschiedet, die ihre Situation punktuell verbessern. 2021 wurde das Gesetz über den medizinischen Schwangerschaftsabbruch (MTP) abgeändert. Zwar sind Abtreibungen in Indien seit 1971 legal, allerdings nur unter bestimmten Vorraussetzungen. Diese wurden im Rahmen der Reform abgeändert. Beispielsweise ist es nun auch für unverheiratete Frauen möglich, legal abzutreiben. Ebenso wurden die Beratungsbedingungen angepasst, sodass es nun möglich wäre, dass Frauen statt nur bis zur 20. bis zur 24. Schwangerschaftswoche abtreiben können. 2017 hat das Parlament ein Gesetz verabschiedet, das den bezahlten Mutterschaftsurlaub von 12 auf 26 Wochen für Beschäftigte aller Unternehmen, die mehr als 10 Mitarbeiter:innen beschäftigen, verlängert. Dies gilt jedoch nur für die ersten beiden Kinder, danach verkürzt sich die Elternzeit wieder auf 12 Wochen.

Doch fundamental verbessern diese Gesetze die Situation von Frauen nicht. Anrecht auf Kinderbetreuung haben beispielsweise nur Frauen, die in Betrieben mit 50 oder mehr Beschäftigten arbeiten. In einem Land, in dem ein großer Teil der weiblichen Erwerbstätigen entweder selbstständig ist oder im informellen Sektor arbeitet, führen diese Bedingungen zwangsläufig dazu, dass viele Frauen von den Leistungen (wie auch bei MBAA, der Reform zum Mutterschaftsurlaub) ausgeschlossen werden.

In der Praxis führt das jedoch dazu, dass laut einer Umfrage von India Today-Axis My India (das Meinungsforschungsinstitut, das die Ergebnisse der nationalen Wahlen im Mai 2019 am genauesten vorhersagte) 46 % der Frauen für die BJP und ihre Verbündeten stimmten, 27 % für den Kongress und seine Verbündeten und 27 % für andere Parteien. Im Vergleich dazu stimmten 44 % der Männer für die BJP und ihre Verbündeten. Bei der letzten Wahl stimmten also mehr Frauen als Männer für die BJP, auch wenn es nur 2 % waren.

Die BJP inszeniert sich also bewusst als „frauenfreundliche“ Kraft, macht Zugeständnisse, wo sie kann, und schafft es so, Wählerinnen zu mobilisieren. Gleichzeitig macht sie aber nicht Politik im Interesse „aller“ Frauen, sondern konzentriert sich überwiegend (nicht ausschließlich) auf wachsende Mittelschichten und agiert im Interesse der herrschenden Klasse.

Vor allem aber wendet sich das Modi-Regime an die Frau als Hindu. Ideologisch bezieht sie sich auf das tradierte Bild der Hindufrau als Mutter, Fürsorgerin und Göttin. So forderte beispielsweise der BJP-Abgeordnete Sakshi Maharaj im Jahr 2015 alle Hindufrauen auf, mindestens vier Kinder zu gebären, um die hinduistische Religion zu schützen (India Today, 2015). Mehrere Bundesstaaten haben auch Antikonversionsgesetze verabschiedet, die auf den so genannten „Liebesdschihad“ abzielen und die Angst schüren, dass muslimische Männer die Ehe nutzen, um Hindufrauen zum Islam zu bekehren, wodurch interreligiöse Ehen kriminalisiert werden. Darüber hinaus sind Parteiführer häufig wegen frauenfeindlicher Äußerungen in den Schlagzeilen und einige ihrer Landesregierungen haben wegen der schlechten Behandlung von Vergewaltigungsfällen weltweit Schlagzeilen gemacht.

Veränderung ist möglich

Trotz aller Hindernisse sind Frauen in Indien eine wesentliche Kraft bei Protesten. 2019 wurde bei einem symbolischen Protest eine 620 km lange Menschenkette gebildet, an der mehrere Millionen Frauen teilnahmen oder beispielsweise beim Kampf um sauberes Trinkwasser oder bei den Protesten gegen das CAA (neues Staatsbürgerschaftsgesetz), bei dem vor allem muslimische Frauen präsent waren.

Dabei muss klar sein: Gesetze und Urteile von Gerichten können Aufmerksamkeit schaffen, ändern werden sie die Situation von Frauen aber nur marginal, wenn der bürgerliche Staat sich weigert, die Gesetze umzusetzen oder schlichtweg nicht das Interesse hat, die Wurzel der Frauenunterdrückung anzugreifen. Frauen schützen, patriarchale Strukturen vernichten und eine reale Verbesserung erzwingen können wir nur, wenn wir uns gemeinsam organisieren: auf der Straße, in den Betrieben, an den Schulen, Unis und auch im Haushalt! Gegen die massive Gewalt gegen Frauen bedarf es des Aufbaus einer Bewegung, die beispielsweise auch für demokratisch-organisierte Selbstverteidigungskomitees eintritt. Sie muss in den Betrieben und Stadtteilen verankert sein und auch die Gewerkschaften zur Organisierung und Unterstützung auffordern.

Eine erfolgreiche Bewegung muss auf den Interessen der Arbeiter:innenklasse basieren und darf sich nicht der herrschende Klasse und deren Parteien unterordnen – natürlich nicht der BJP, aber auch nicht der Kongresspartei.

Das bedeutet auch, offen für die Rechte von Unterdrückten wie Muslim:innen, Dalits, Kaschmiris oder LGBTIA-Personen einzustehen und gemeinsame Kämpfe zu organisieren. Besonders braucht es aber auch einen gewerkschaftlichen Kampf gegen die miserablen Arbeitsbedingungen im informellen Sektor. Frauen können hier eine wichtige Rolle spielen und so ihre Situation verbessern und außerdem Mut und Motivation für weitere Kämpfe erlangen.

All dies erfordert nicht nur den Aufbau einer proletarischen Frauenbewegung, sondern auch eine politischen Alternative zum Reformismus der Communist Party of India (CPI): eine revolutionäre Arbeiter:innenpartei.




Brasilien: Der gescheiterte Putsch – eine Warnung an die Arbeiter:innenklasse

Martin Suchanek, Infomail 1209, 10. Januar 2023

Tausende Anhänger:innen des abgewählten rechten Expräsidenten Bolsonaro stürmten am 8. Januar Kongress, Senat und Präsidentenpalast in Brasilia. Über Stunden hielt der Mob die Gebäude besetzt. Die Forderung war so einfach wie klar: der Sturz der Regierung Lula/Alckmin und die Machtübernahme durch einen Putsch.

Reaktionärer Spuk

Der reaktionäre Spuk war allerdings nach eigenen Stunden vorbei, nachdem regierungstreue Kräfte der Bundes- und Militärpolizei die Gebäude räumten und über tausend Möchtegernputschist:innen festsetzten.

Der missratene Sturm hatte wohl nie Aussicht auf Erfolg. Von Beginn an war nicht klar, wer eigentlich die Macht übernehmen sollte. Weder Bolsonaro noch irgendein namhafter Militär wollte sich an die Spitze einer Aktion stellen, von deren Aussichtslosigkeit sie von Beginn an überzeugt waren.

Bolsonaro verurteilte sogar die Angriffe, die gegen die „Regeln der Demokratie“ verstoßen hätten – freilich nicht, ohne auch gleich die Lüge aufzutischen, dass unter seiner Präsidentschaft Lula und seine Anhänger:innen ähnlich vorgegangen wären. Die über Twitter verbreitete Distanzierung darf außerdem nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Ziel des Expräsidenten, der sich nach der verlorenen Wahl ins „Exil“ nach Florida zurückgezogen hat, weiterhin der Sturz der Lula-Regierung bleibt. Täglich empfängt er dort weiter Unterstützer:innen, darunter Abgeordnete und Gouverneur:innen. Erst vor kurzem erhielt er auch Besuch vom ehemaligen Sicherheitschef Brasilias, der über Stunden die Putischist:innen gewähren ließ und gegen den jetzt ermittelt wird.

Seit der Wahlniederlage des Expräsidenten, die die Bolsonaristas ohnedies für einen „Fake“ halten, demonstrierten diese „friedlich“ vor Kasernen und forderten einen Putsch. Im November organisierten sie Autobahnblockaden, die von rechtsgerichteten Unternehmer:innen finanziert wurden. Wie beim gescheiterten Putsch kommen viele dieser Kapitalist:innen aus dem Agrarsektor. Ende Dezember, also wenige Tage vor der Vereidigung Lulas, wurde in Brasilia ein Bombenanschlag vereitelt, der Chaos verursachen und eine Intervention des Militärs provozieren sollte.

Der Sturm auf die Parlaments- und Präsidentengebäude stellt einen weiteren Höhepunkt dieser Mobilisierungen dar, aber sicher nicht das Ende dieser Umtriebe.

Staatsapparat

Noch deutlicher als andere Aktionen belegte der missratene Putsch jedoch auch die mehr oder weniger offene Sympathie mit den Bolsonaristas im Polizei- und Staatsapparat. Die lokalen Einsatzkräfte waren nicht „überrumpelt“ worden oder nur „inkompetent“, sondern ließen den Mob gewähren. Polizeikräfte hießen die anreisenden Rechten willkommen , machten Selfies mit den Demonstrant:innen und drehten Videos, in denen ihre Sympathie zum Ausdruck kommt. Kein Wunder also, dass der Mob Kongress, Senat und Präsidentschaftspalast mühelos stürmen und verwüsten konnte.

Und natürlich handelt es sich dabei auch nicht bloß um das „Versagen“ von unteren Rängen, sondern die Anhänger:innen des Expräsidenten finden sich an der Spitze des Polizeiapparates. Der Sicherheitschef von Brasilia, Anderson Torres, war unter Bolsonaro Justizminister. Dieser ignorierte, Medien zufolge, Forderungen aus dem Senat, zusätzliche Sicherheitskräfte zu schicken, nachdem dort die Pläne der in einer Telegramgruppe organisierten Demonstrant:innen bekanntgeworden waren.

Noch am 8. Januar wurde Torres entlassen und die öffentliche Sicherheit der Hauptstadt wurde per Dekret Lulas unter Bundesaufsicht gestellt. Darüber hinaus wurde auch der Gouverneur der Hauptstadtregion von einem Bundesgericht für 90 Tage seines Amts enthoben.

Auch wenn der Spuk beendet wurde: Unterschätzt werden darf die Gefahr, die von der Rechten ausgeht, keineswegs. Im Gegenteil. Dass nur einige Tausend Hardcorereaktionär:innen ausreichten, um in die Parlaments- und Regierungsgebäude einzudringen, zeigt, was droht, wenn sich die soziale Lage weiter verschlechtert, die Klassenkonfrontation verschärft und Lula und die PT mit einer prokapitalistischen Politik ihre eigenen Wähler:innen enttäuschen.

Zur Zeit setzen nicht nur die Arbeiter:innen, die städtische und ländliche Armut, die rassistisch Unterdrückten und Indigenen, die Frauen- und Umweltbewegung auf eine Regierung Lula, sondern auch wichtige Sektoren der brasilianischen Bourgeoisie, die Vizepräsident Alckmin in der PT-geführten Regierung repräsentiert. Das ist der eigentliche Grund, warum der Putschversuch nie Aussicht auf Erfolg hatte. Doch diese Allianz gegensätzlicher Klassenkräfte und Interessen stellt keine Garantie gegen weitere Putschversuche dar, sondern eine Gefahr für die Zukunft.

Angesichts der rechten Gefahr setzen Lula und die PT wie schon im Wahlkampf auf ein Bündnis mit der „demokratischen“ Bourgeoisie, die den Putsch gegen Dilma mitorganisierte, aus dem Bolsonaro hervorging. Lula und die PT setzen angesichts der rechten Gefahr und der Aktionen der Bolsonsaristas auf jenen Militär- und Polizeiapparat, dem der Expräsident entstammt und der Lula nur solange stützen wird, wie er die Interessen des brasilianischen Kapitals verteidigt und die Arbeiter:innenklasse und die Unterdrückten ruhig zu halten vermag.

Dies gilt auch für die Spitzen des westlichen, demokratischen Imperialismus. US-Präsident Joe Biden, der deutsche Kanzler Olaf Scholz und EU-Ratspräsident Charles Michel stellten sich ebenso auf die Seite von Lula/Alckmin wie die Staatschefs von Mexiko, Obrador, und Argentinien, Fernández. Mit scharfen Worten verurteilten sie den „Angriff auf die Demokratie“. Dabei vergaßen sie freilich zu erwähnen, dass sie solche von ihren Verbündeten in Israel, Saudi-Arabien oder der Türkei wenig kümmern. Sie vergaßen vor allem zu erwähnen, dass sie Lula/Alckmin vorrangig nicht wegen „Rechtsstaat“ und „Demokratie“ verteidigen, sondern weil sie sich von der neuen Regierung engere und friktionsfreiere Beziehungen zur USA und EU erhoffen als unter Bolsonaro.

Lehren

1. Die Anhänger:innen Bolsonaros werden sich formieren und radikalisieren. Auch wenn sie unmittelbar nicht über den Rückhalt verfügen, die Regierung zu stürzen, so werden sie weiter eine radikale, kleinbürgerlich-reaktionäre Bewegung aufbauen, die sich im Zuge der gesellschaftlichen Polarisierung zu einer faschistischen Massenbewegung entwickeln kann. Auch wenn sie sich demagogisch als Kraft gibt, die gegen das Establishment mobilisiert, so richtet sie sich vor allem gegen die Arbeiter:innenbewegung, deren Parteien und Gewerkschaften, die sie als „Elite“ und „Parasiten“ imaginiert. Auf dieser Grundlage steht sie als Reserve des Kapitals zu Verfügung, eine Funktion, die sie im Agrobusiness schon heute ausübt.

2. Auch wenn die Militärpolizei und die Spitzen von Armee und anderen staatlichen Institutionen zur Zeit die Regierung verteidigen, so stellt das nur eine Momentaufnahme dar. Dass Bolsonaro und seine Partei im Repressionsapparat und bei Militärs viel Unterstützung fanden und finden, ist kein Zufall. Schließlich agierten die Repressionskräfte seit Jahren – einschließlich der Regierungszeiten von Lula und Dilma – als brutale Vertreter:innen der herrschenden Klasse. Die indigenen Gemeinden und die Favelas wurden und werden regelmäßig von diesen angegriffen – bis hin zum Mord.

3. Alle Verbindungen von Polizei, Militärpolizei und Streitkräften mit dem Sturm auf das Parlament und den Präsidentenpalast müssen öffentlich gemacht und untersucht werden. Das darf aber nicht Militärgerichten, korrupten Berufsrichter:innen oder einem Parlament überlassen werden, in dem die Bolsonaristas die größte Fraktion stellen. Dazu müssen nicht nur alle Akten öffentlich gemacht, sondern auch Arbeiter:innentribunale eingerichtet werden, die die Verwicklung des Staats- und Repressionsapparates in die rechten Aktionen, aber auch in die Angriffe auf Indigene und Favelas sowie deren Zusammenarbeit untersuchen und aburteilen.

4. Indem Lula und die PT weiter auf den bestehenden Staatsapparat im Kampf gegen die rechte Gefahr setzen, machen sie sich selbst von diesem abhängig, zu deren Geisel für den Fall größerer Klassenkämpfe. Angesichts der Inflation, der ökonomischen Stagnation, des Terrorismus der Großgrundbesitzer:innen gegen Indigene und die Umwelt – um nur einige zu nennen – sind diese unvermeidlich, wenn die Unterdrückten nicht die ganze Last der Misere tragen sollen.

5. Gegen die rechten Umtriebe wie gegen die Polizeigewalt dürften wir uns nicht auf den Repressionsapparat verlassen. Es reicht nicht, den Apparat von kriminellen und putschistischen Beamt:innen zu säubern. Die Gewerkschaften, die MST, die MTST, die PT, die PSOL, PSTU, PCO und andere linke Organisationen müssen vielmehr selbst Selbstverteidigungseinheiten der Lohnabhängigen und unterdrückten Massen aufbauen, die ihre Stadtviertel schützen, gegen etwaige Putschist:innen, Paramilitärs und kriminelle Banden vorgehen. Von Lula und der PT müssen wir fordern, diese aktiv voranzutreiben und die reaktionären Einheiten zu entwaffnen. In den Streitkräften müssen demokratische Soldat:innenkomitess aufgebaut werden, die die Kommandogewalt der Offizier:innen brechen.

6. Bei seinem Amtsantritt versprach Lula eine ganze Reihe von Reformen, darunter die Beendigung der Rodung des Regenwaldes, die Stärkung der Rechte der indigenen Bevölkerung, die Rücknahme neoliberaler Konterreformen der Bolsonaro-Regierung bezüglich Renten, Arbeitszeit, Mindestlohn sowie gewerkschaftsfeindlicher Gesetze. Deren Bekämpfung wurde zu einem Hauptziel seiner Regierung erklärt. Doch diese Reformen werden angesichts einer massiv gestiegenen Staatsverschuldung, ökonomischer Stagnation und der Stärke der Rechten im Staatsapparat und Parlament und der Abhängigkeit von bürgerlichen Koalitionspartner:innen an der Regierung mit parlamentarischen Mitteln nicht durchsetzbar sein.

7. Ein solches Programm kann ebenso wie die Entwaffnung reaktionärer Kräfte nur umgesetzt werden, wenn es mit einer Massenmobilisierung der Gewerkschaften und sozialen Bewegungen verbunden wird. Die aktuelle Massenunterstützung gegen die Putschist:innen muss für eine solche Offensive zur sofortigen Umsetzung aller Reformversprechen von Lula und der PT sowie eines Sofortprogramms gegen Inflation, Armut, Krise genutzt werden.

8. Es kann nur verwirklicht werden, wenn wir die Privilegien der herrschenden Klasse, deren Privateigentum in Frage stellen. Es ist unmöglich ohne Streichung der Auslandschulden, ohne massive Besteuerung der Reichen, ohne entschädigungslose Enteignung des Agrobusiness, der großen Industriekonzerne und Finanzinstitutionen. Ohne die Bündelung der Ressourcen des Landes unter Arbeiter:innenkontrolle kann ein Notfallplan im Interesse der lohnabhängigen Massen, der Landlosen und Indigenen sowie der Umwelt nicht durchgesetzt werden.

9. So wie Polizei und Armee als Garanten des Privateigentums im Staatsapparat fungieren, so fungieren Alckmin und andere offen bürgerlichen Kräfte als Garanten des Privateigentums, der herrschenden Klasse und des Imperialismus in der Regierung. In einer Koalition mit Alckmin wird ein Notprogramm für die Massen ebenso wenig  umsetzbar sein wie die Bewaffnung von Selbstverteidigungseinheiten der Unterdrückten. Wir fordern daher von Lula und PT einen Bruch mit den bürgerlichen Minister:innen und die Bildung einer PT/PSOL/CUT-Regierung, die sich auf die Arbeiter:innenklasse stützt und ein Notprogramm durchsetzt. Eine solche Regierung muss mit allen Mitteln gegen jeden Putschversuch – sei es eines Bolsonaro und seine wild gewordenen Anhänger:innen, sei es gegen andere bürgerliche Kräfte verteidigt werden.

10. Lula und die PT-Führung (und wohl auch Teile der PSOL- und CUT-Führung) werden zweifellos einen Bruch mit Alckmin und dem bürgerlichen Staatsapparat mit allen Mitteln zu vermeiden versuchen – ganz wie sie schon im Wahlkampf auf eine Volksfront mit dem Kapital setzten. Es reicht jedoch nicht, diese Politik zu kritisieren und vor ihren fatalen Folgen zu warnen. Revolutionär:innen müssen auch Mittel und Taktiken propagieren, die es den Massen, die heute Lula und der PT folgen, die „ihren“ Präsidenten gegen den Putsch verteidigen, ermöglichen, sich von den Illusionen in Lula und seine Politik zu befreien. Dazu ist es nötig, Lula und die PT dazu zu zwingen, dazu aufzufordern, weiter zu gehen als sie wollen – also den Aufbau von Selbstverteidigungsorganen voranzutreiben und zu unterstützen und mit der Bourgeoisie zu brechen.

11. Natürlich ist es unwahrscheinlich, dass Lula und die PT-Führung diesen Schritt gehen, so erlauben solche Forderungen, einen gemeinsamen Kampf mit seinen Anhänger:innen gegen die Rechte und die Reaktion aufzunehmen, sie erlauben es, den Widerspruch zwischen der klassenversöhnlerischen Kompromisspolitik der bürokratischen Führungen von PT und CUT einerseits und den Klasseninteressen der Masse ihrer Anhänger:innen nutzbar zu machen. Einerseits, indem diese Führungen praktisch auf die Probe gestellt werden können, andererseits, indem die Klasse auf die zukünftigen Kämpfe vorbereitet und, wo möglich, der Aufbau von Kampforganen in Angriff genommen wird.

12. Um eine solche Politik praktisch werden zu lassen, muss eine systematische Einheitsfrontpolitik gegenüber PT und CUT mit dem Kampf für eine neuen, revolutionären Arbeiter:innenpartei verbunden werden.




Rechte Umsturzpläne: Ein Menetekel an der Wand

Martin Suchanek, Infomail 1206, 9. Dezember 2022

3.000 Polizeibeamte und Spezialkräfte mobilisierte die Bundesanwaltschaft am 7. Dezember beim größten Antiterroreinsatz in der Geschichte der Bundesrepublik.

In einer koordinierten Aktion wurden 150 Objekte durchsucht, Materialen und ganze Waffenlager beschlagnahmt. Mindestens 50 Personen, die der „Patriotischen Union“ oder deren Umfeld zugerechnet werden, wird die Bildung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Gegen 25 wurde Haftbefehl erlassen. 19 sitzen seither in Untersuchungshaft, weitere dürften folgen.

Das erklärte Ziel der ominösen Gruppe von Verschwörer:innen aus dem Milieu der Reichsbürger:innen ist hinlänglich bekannt: der Sturz der Regierung und die Errichtung einer „Übergangsregierung“ zur Wiederherstellung des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1871.

An den mörderischen Absichten der „Patriotischen Union“ besteht kein Zweifel, auch wenn dem Netzwerk um Heinrich Prinz Reuß, der aus einer Thüringer Adelsfamilie stammt und als Heinrich XIII. nach gelungener Machtübernahme zum König von Deutschland ernannt hätte werden sollen, etwas unfreiwillig Clowneskes anhaftet.

Irrationalismus ist nicht harmlos

Dies darf jedoch kein Grund zur Entwarnung oder Verharmlosung sein. Betrachtet man die Äußerungen und Ideologie rechter Putschist:innen und Verschwörer:innen, enthalten diese immer jede Menge Obskurantismus, Wahnwitz, Entrückung und Irrationales. Darin bildet die Truppe um Heinrich XIII. keine Ausnahme. Ihr „Weltbild“, ihre Geisteshaltung erinnert an viele, die am 6. Januar 2021 das US-Capitol stürmten. Verschwörungstheorien wie jene von QAnon begeisterten schließlich auch etliche Mitglieder des „Schattenkabinetts“ des Möchtegernregenten.

Darin liegt nichts Zufälliges. Die gesamte Ideologie solcher Verschwörer:innen stellt eine wilde Mischung aus reaktionären, völkischen, antisemitischen Ideologien, Rückgriffen auf Mystik und Esoterik dar, kombiniert mit übersteigertem Wahn von der vorgeblichen Bedrohung und gleichzeitigen Überlegenheit der eigenen Nation und „Rasse“. Was sie so gefährlich macht, ist die Bereitschaft, für die reaktionäre Sache gewaltsam vorzugehen, weil „ihre“ Nation nur so der Herrschaft „dunkler“ Mächte entrissen werden könne.

Gerade die bekannteren, aus der angeblichen Elite der bürgerlichen Gesellschaft stammenden Führungsfiguren der „Patriotischen Union“ waren vom QAnon-Netzwerk nicht nur inspiriert. Sie waren nicht nur Anhänger:innen der Ideologie von sog. Reichsbürger:innen und Selbstverwalter:innen, denen zufolge die Bundesrepublik eigentlich nicht existiere, sondern nur eine „Firma“ unter Kommando der Alliierten und/oder des „Weltjudentums“ darstelle.

Sie waren wie der Adelige Heinrich Reuß nicht bloß Gutsbesitzer und, wenn auch nur mäßig erfolgreicher, Immobilienmakler, sondern auch aktive geistige Brandstifter:innen. So verbreitet er seit Jahren das Märchen, der Erste Weltkrieg sei Resultat einer Verschwörung der Freimaurer:innen und Juden/Jüdinnen gewesen und die Monarchie bestehe daher noch.

Die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin Birgit Malsack-Winkemann, selbst als Innenministerin vorgesehen, hetzt seit Jahren gegen Migrant:innen und Geflüchtete und radikalisierte sich weiter mit den sog. Querdenker:innen und reaktionären Impfgegner:innen.

Reuß und Malsack-Winkemann stehen exemplarisch für einen Teil der „Patriotischen Union“. Dieser stammt aus den sog. gebildeten Schichten Deutschlands, aus einer „Elite“, die den Bestand „ihres“ Staates so weit gefährdet sieht, dass sie sich gegen Regierung und staatliche Institutionen verschwört, den Putsch zur patriotischen „Notwehr“ stilisiert.

Den anderen großen Teil der Verschwörung bilden ehemalige Offizier:innen der Bundeswehr, insbesondere von Spezialeinheiten wie dem KSK, sowie einige alte NVA-Leute, also Menschen aus dem Offizierskorps des deutschen Imperialismus, dessen patriotische Tugenden von „liberalen“ Politiker:innen und „verweichlichten“ Vaterlandsverräter:innen zerstört würden.

Wie weit die Planungen zu einem bewaffneten Umsturz wirklich gediehen waren, ist zwar bislang unklar. Es besteht jedoch kein Zweifel, dass die Vorbereitungen zur „Machtübernahme“ eindeutig über das Stadium allgemeiner Absichtserklärung und Wunschvorstellungen hinausgegangen waren. So hatte der Kreis einen leitenden „Rat“, ein „Schattenkabinett“ samt Regenten und zukünftigen Minister:innen sowie Verantwortliche für den Aufbau eigener bewaffneter Einheiten bestimmt. Auch wenn die Verschwörung zu keinem Zeitpunkt Aussicht auf eine erfolgreiche Machtübernahme hatte, so enthielt sie offenbar Pläne zur Entführung des Gesundheitsministers Lauterbach sowie „Neutralisierung“, also Ermordung seines Personenschutzes. Mit der „Patriotischen Union“ bildete sich eine rechtsterroristische Verschwörung, die es in dieser Form seit Jahrzehnten in Deutschland nicht mehr gegeben hat. Allein dies belegt einen massiven Radikalisierungsprozess, der weit über diese Gruppierung hinausgeht.

Bodensatz

Mögen sie als Einzelne noch so obskure Figuren darstellen, so stehen sie für die Entfremdung viel breiterer kleinbürgerlicher und bürgerlicher Schichten vom politischen System. Die ökonomischen, sozialen und politischen Krisen seit 2008 unterminieren deren gesellschaftliche Stellung. Diese Entwicklung wird jedoch subjektiv als Werk fremder Mächte gefasst – als Verschwörung, die zur „Umvolkung“ durch Migrant:innen, zur „Ausblutung“ Deutschlands durch Euro und EU, zur „Durchimpfung“ zwecks Sterilisierung der Weißen, zur Unterjochung des Landes durch die USA und eine „jüdische Weltverschwörung“ führt, in deren Dienst Genderwahn, Feminismus, Antirassismus, Kosmopolitismus usw. stünden.

Der reaktionäre Wahn inklusive einer großen Portion Antisemitismus hat in den letzten Jahren breitere Schichten der Bevölkerung erfasst – im Grunde seit Beginn des Rechtsrucks und der Ausbreitung des Rassismus gegen die Geflüchteten.

Der Aufstieg der AfD, die reaktionäre Bewegung der Querdenker:innen, der deutschen Spielart der Impfgegner:innen, haben den gesellschaftlichen Boden bereitet, auf dem Gruppierungen wie die „Patriotische Union“ und andere Formen des rechten, gewaltbereiten Terrorismus und militante Verschwörungstruppen entstehen.

Sie stützen sich auf verschiedene rechte Milieus und Bewegungen wie jene der Impfgegner:innen, die AfD oder, im extremsten Fall, direkten militanten Naziorganisationen. Die „Patriotische Union“ selbst stand in enger Verbindung mit den sog. Reichsbürger:innen, die während der Pandemie Zulauf erhielten und lt. Verfassungsschutz auf 21.000 angewachsen sein sollen.

Sie bewegen sich selbst zwischen Obskurantismus und Terrorismus. So erklären selbsternannte, rabiate Kämpen ihre Häuser und Gartenlauben zu „unabhängigen Staaten“ oder gar Fürstentümern. Ein Teil der Reichsbürger:innen möchte die Monarchie wiedererrichten, andere träumen von esoterisch-germanischen Landkommunen, die als Selbstversorgerinnen dahinvegetieren, andere wiederum sind Teil der Naziszene oder eng mit dieser verbunden.

Gemeinsam ist dieser Szene, dass sie sich weiter radikalisiert – sei es in immer extremeren Verschwörungstheorien, sei es in völkisch-esoterischen Ideologien oder direkt beim Faschismus.

Der Begriff Szene darf dabei nicht als isolierte, randständige Gruppe verstanden werden. Gerade während der Pandemie haben Irrationalismus und kleinbürgerliche Radikalisierung deutlich zugenommen und auch Teile der Arbeiter:innenklasse erfasst. Vor allem aber drücken sie sich bei den Mittelschichten und im Kleinbürger:innentum aus – und nicht zuletzt im „demokratischen“ Staatsapparat. Es ist kein Zufall, dass die AfD  überdurchschnittlich von Polizeibeamt:innen gewählt wird. Es ist kein Zufall, dass sich in der Bundeswehr trotz ihrer ständigen Beschwörung als demokratisch-humanitärer Truppe rechte Umtriebe mehren. Regelmäßig fliegen bei den bewaffneten Kräften rechte Chatgruppen auf. Doch diese Skandale stellen nur die Spitze des Eisbergs dar. Im Zuge der Krise, aber auch der realen Umstellung der Armee auf verstärkte, wenn auch humanitär verbrämte imperialistische Intervention tendieren Offizierscorps, Berufsoldat:innen wie auch Polizeikräfte überdurchschnittlich nach rechts. Der/Die Berufssoldat:in, der/die zur Verteidigung „unserer“ Werte, also „unserer“ Profite und geostrategischen Ziele an den NATO-Grenzen, in Mali oder am Horn von Afrika rekrutiert wird, muss zuerst „Patriot:in“ sein, bereit, für den deutschen Imperialismus notfalls zu sterben, vorzugsweise aber zu töten.

Heuchelei

Es gehört zur üblichen, üblen Heuchelei und Doppelmoral der bürgerlich-demokratischen Parteien, insbesondere der Grünen und der reformistischen SPD, dass sie nicht sehen wollen, dass die kapitalistische Krise und ihre kapitalkonforme Politik gerade jenen Nährboden schaffen, auf denen Rechtspopulismus, Verschwörungstruppen und letztlich auch der Faschismus gedeihen. Sie wollen nicht erkennen, dass nicht demokratische Heuchelei, sondern der imperialistische Kurs der BRD genau jene Leute im Sicherheitsapparat prägt und erzieht, die für rechte und extrem imperialistische Ideologie besonders empfänglich sind.

Die „Patriotische Union“ darf daher keineswegs als clowneske Truppe verharmlost werden. Sie ist vielmehr ein Menetekel an der Wand, ein Vorbote, eine Warnung vor dem, was noch zu kommen droht. Doch anders als in der biblischen Erzählung ist dieses Menetekel nicht übernatürlichen Ursprungs, sondern vielmehr Resultat menschlichen Handelns, genauer versäumten menschlichen Tuns.

Dass die rechten verschiedener Façon und der Irrationalismus in dieser Gesellschaft solche Wurzeln schlagen können, eine rechte Terrorgruppe zur Vorbotin einer viel gefährlicheren rechten Bewegung werden kann, ist auch auf das Versagen der Arbeiter:innenbewegung, genauer ihrer Führung in der Krise, während der Pandemie und angesichts des Krieges zurückzuführen.

Nicht die Beschwörung der bürgerlichen Demokratie – und erst recht nicht von Polizei oder Staatsanwaltschaft – werden uns im Kampf gegen die rechte Gefahr helfen. Notwendig ist vielmehr, dass die Linke, die Gewerkschaften, alle Parteien der Arbeiter:innenbewegung mit dieser Politik der Unterordnung unter das Kapital brechen und gemeinsam den Kampf gegen Krise, Umweltzerstörung und Krieg aufnehmen, um so den Rechten ihren gesellschaftlichen Nährboden zu entziehen.




Der Aufstieg der extremen Rechten und des Faschismus

Markus Lehner, Neue Internationale 270, Dezember 2022/Januar 2023

Die Polarisierung zwischen einem „autoritären“, konservativen und einem „demokratischen“ bürgerlichen Lager kennzeichnet die Situation in vielen imperialistischen wie auch halbkolonialen Ländern. Die aktuelle kapitalistische Krise selbst befördert diese Polarisierung und die Tendenz zum Populismus, zur Radikalisierung im bürgerlichen Lager, dem ein vorgeblich demokratisches gegenübersteht.

Letzteres versucht, sich als „fortschrittliche Alternative“ zu präsentieren, und reicht von der liberalen Bourgeoisie (einschließlich Teilen der Konservativen) über die Grünen bis hin zur Sozialdemokratie und Teilen der Linksparteien und des Linkspopulismus.

Scheinalternative

Politisch steht es für Elemente der staatlichen Intervention, des Korporatismus, der Einbeziehung von Unternehmer:innen und Gewerkschaften oder anderen Vertretungsorganen der Lohnarbeit in die Sozialpartner:innenschaft.

Ökologische und ökonomische Versprechen wie der Green (New) Deal, begrenzte Sozialreformen, formale demokratische Verbesserungen für Frauen oder rassisch Unterdrückte sollen die Masse der Lohnabhängigen und Unterdrückten bei der Stange halten, ohne jedoch die Akzeptanz des Finanzkapitals und eine Erneuerung des Kapitalstocks in den jeweiligen Ländern in Frage zu stellen. All dies wird mit einer demokratisch verbrämten imperialistischen Außenpolitik kombiniert.

Es ist kein Zufall, dass eine solche Politik vor allem in den reicheren imperialistischen Ländern mit einer relativ großen Arbeiter:innenaristokratie und umfangreichen lohnabhängigen Mittelschichten eine gewisse Grundlage finden kann. In den Halbkolonien, aber auch in den bonapartistischen imperialistischen Regimen, muss die „Demokratie“ durch nationalistische und chauvinistische Ideologie ersetzt werden. Die populistisch organisierte Massenunterstützung muss dort auf solche Ideologien zurückgreifen, wie z. B. den zunehmenden völkisch konnotierten Nationalismus in Russland oder den Hinduchauvinismus in Indien.

Die Polarisierung im bürgerlichen Lager ist jedoch auch das Ergebnis der inneren Krise der Bourgeoisie und der veränderten Lage der Mittelschichten und des Kleinbürgertums. Die Krise untergräbt nämlich ihre Stellung in der Gesellschaft und drückt ihre wirtschaftlich aktiven Teile an die Wand. Die Kombination aus internen Konflikten in der Bourgeoisie und der Führungskrise der Arbeiter:innenklasse führt dazu, dass die Mittelschichten und das Kleinbürgertum, enttäuscht von den Hauptklassen der Gesellschaft, eine scheinbar unabhängige Kraft hervorbringen – sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite, zusammen mit einer Reihe von Schwankungen zwischen den Polen.

Vor diesem Hintergrund präsentieren sich rechtspopulistische, scheinbar gegen das Establishment gerichtete Parteien und Organisationen als Scheinalternative des „kleinen Mannes“, der „normalen“ Menschen.

Faschismus

Neben dem bedrohlichen Anstieg rechtspopulistischer, rassistischer und rechtsextremer Organisierung darf die faschistische Gefahr in ihren verschiedenen Gestalten nicht vergessen werden. Nachdem die Linke lange Zeit in allen möglichen politischen Tendenzen und Verschärfungen staatlicher Repression bereits den „Faschismus“ ante portas (vor den Toren zur Machtergreifung) sah, stand sie lange Zeit fassungslos dem wachsenden populären Massenanhang für Antimigrationsmobilisierungen, Protesten gegen liberale Gesetzgebungen in Gender- oder Antidiskriminierungsfragen, Klimaschutzregeln, Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung gegenüber. Die Konfrontation mit diesen rechten Massenphänomenen war für die sogenannte „antifaschistische“ Linke viel schwieriger als das Stoppen kleiner Neonaziaufmärsche oder -aktionen der Vergangenheit. Dabei können sich gerade Faschist:innen im Windschatten dieser Bewegungen in viel wirksamerer Weise aufbauen als früher.

Der Faschismus ist nicht bloß eine bestimmte, besonders reaktionäre ideologische Strömung innerhalb bürgerlicher Politik. Er stellt vielmehr die äußerste Form des konterrevolutionären Bürgerkriegs gegen die Gefahr der sozialen Revolution in Zeiten zugespitzter sozialer Krisen dar. In den 1920er/-30er Jahren war er das letzte Mittel der Bourgeoisie, um durch Massenmobilisierung die revolutionäre Arbeiter:innenbewegung zu zerschlagen. Normalerweise vertraut bürgerliche Politik auf die Integration der Massen durch politisch-demokratische Institutionen, die bürgerliche Öffentlichkeit („Zivilgesellschaft“) und repressive Mittel des Staatsapparates. Darüber hinaus sollen radikalere Klassenkämpfe und damit verbundene reformistische und gewerkschaftliche Organisationen auch durch Mittel des Bonapartismus im Zaum gehalten werden – und sei es, um „Schlimmeres zu verhindern“.

Doch ab einem gewissen Punkt der Zuspitzung des Klassenkampfs bedarf die Wiederherstellung der bürgerlichen Ordnung radikalerer Mittel, die auf die Zerschlagung nicht nur der sich selbst organisierenden und revolutionären Bewegungen der Klasse und Unterdrückten, sondern der gesamten organisierten Arbeiter:innenbewegung zielen. Der Zweck der organisierten und militanten Massenbewegung des Faschismus besteht dabei darin, über die staatliche Repression hinaus eine politische Atomisierung der Arbeiter:innen und Unterdrückten herbeizuführen. Für die faschistische Herrschaft ist nicht einfach die Übernahme der Machtpositionen im bestehenden Staat entscheidend, sondern auch die Bewegung hin zur Machtübernahme, die die Unterklassen durchdringt und jeglichen Widerstand im Keim erstickt. Es ist daher für den Faschismus charakteristisch, dass er als Bewegung des rabiaten Kleinbürger:innentums samt demoralisiertem Anhang in anderen Klassen beginnt und diese gesellschaftliche Kraft zu einer Bewegung, einem Rammbock gegen die Arbeiter:innenbewegung – und oft zuerst gegen deren unterdrückteste Teile – zusammenschweißt.

Eine solche totalitäre Form des Kampfes um die Macht erfordert eine organisierte Massenbewegung, die sich auf verzweifelte, von Aggression und Irrationalismus getriebene Teile von Unterklassen stützt, die in der sozialen und ökonomischen Krise aus ihrer bisherigen „bürgerlichen“ Scheinwelt entwurzelt wurden. Traditionell waren dies Teile des Kleinbürger:Innentums und des Lumpenproletariats. Mit der sich seit einigen Jahrzehnten entwickelnden Krise der Arbeiter:innenklasse selbst, ihrer größer werdenden Differenzierung und Spaltung sind es auch vermehrt Schichten der von der Krise betroffenen Lohnabhängigen, die, vom Reformismus enttäuscht, sich den rechten Rattenfänger:innen anschließen. So z. B. die Teile der Arbeiter:innenaristokratie, die vom Abstieg durch Veränderungen des Produktionsprozesses ins Abseits geschoben wurden. Umgekehrt können der Faschismus – und als Vorstufe der Rechtspopulismus – eine Anziehungskraft für deklassierte, marginalisierte Teile der Lohnabhängigen, die aus tariflich gebundenen Arbeitsverhältnissen ausgeschlossen sind und von den Gewerkschaften nicht organisiert werden, verkörpern. Für diese Schichten erscheinen reformistische Teile der Arbeiter:innenbewegung als die „Krisengewinner:innen“ in der Klasse, die sich mit den Mittelschichtsgrünen arrangieren, als besondere Verräter:innen ihrer Interessen und damit neben den Migrant:innen als primäre Ziele ihres gesellschaftlichen Hasses.

Diese Formen der Entwurzelung, des Aufbaus von Ersatzhassobjekten, des Weltbildes von Verschwörungen eines „volksfremden“ Establishments gegen die eigentlich gute „bürgerliche“ Gesellschaft führen zu extrem aggressiven Formen von Massenmobilisierungen, die sich letztlich auch in bewaffneten Organen, von „Bürgerwehren“ bis hin zu Milizen, bündeln lassen. Zumeist besteht auch eine Nähe zum Personal der bewaffneten Kräfte des „normalen“ bürgerlichen Staatsapparates, wo es einen überdurchschnittlichen Anteil an Sympathien für rechte politische Strömungen gibt. So baut sich mit der Zeit ein Netzwerk von Waffenarsenalen, rechtem Terror und schließlich bewaffneten Organisationen auf, das zum Kampf um die Macht bereit ist.

Diese Form kam vielen Linken gerade in den westlichen Demokratien lange als Relikt der Vergangenheit vor und über Jahrzehnte hinweg bestand in vielen Ländern auch nicht die gesellschaftliche Basis für eine faschistische Massenbewegung (auch wenn es durchaus bedeutsame Ausnahmen gibt).

Faschistische Frontorganisationen

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren faschistische Parteien in Europa und Nordamerika nach den Erfahrungen des Nazi- und italienischen Faschismus außerdem weitgehend diskreditiert. Die überlebenden faschistischen Kräfte hatten daher drei Optionen: erstens das Überleben als mehr oder weniger unauffälliges Netzwerk in bürgerlich-parlamentarischen Parteien; zweitens als kleine, sektenartige Randgruppen; drittens aber auch durch den Aufbau von faschistischen Frontorganisationen. Insbesondere in Italien wurde mit der MSI (Movimento Sociale Italiano) eine Organisation gebildet, die weiterhin einen faschistischen Kern und entsprechende Ideologien enthielt, aber darüber hinaus als „normale“ Partei im parlamentarischen Rahmen agierte. MSI und später in Frankreich der FN (Front National) des Jean-Marie Le Pens konnten beschränkte Massenwirksamkeit erreichen, ohne die eigentlichen faschistischen Formen des Kampfes einzusetzen. Ihre respektable bürgerliche Fassade, ihr gewöhnlicher Rechtspopulismus konnten trotzdem faschistische Kerne an sich binden, die diese Form der Frontorganisation als Mittel ihres langfristigen Aufbaus für den eigentlichen militanten Kampf sahen.

Faschistische Frontorganisationen tragen somit wesentlich widersprüchliche Tendenzen in sich. Zwischen reinem Verbreiten „faschistischer Ideologie“ (die letztlich immer einen Mischmasch verschiedener, schon vorgefundener extrem reaktionärer Ideen darstellt) und dem tatsächlichem Kampf des Faschismus um die Macht besteht ein weites Feld. Sofern solche Fronten dann tatsächlich Funktionen im bürgerlichen Staat übernehmen ohne die entsprechenden Formen der faschistischen Machtergreifung, transformieren sich Teile ihrer Führung schnell zu gewöhnlichen rechtspopulistischen oder rechtskonservativen Politiker:innen und die faschistischen Kräfte spalten sich ab. So geschehen in den 1990er Jahren in der ersten Regierung Berlusconi in Italien, als seine Partei zusammen mit der Lega Nord und der zur Alleanza Nazionale (AN) gewandelten MSI eine Koalition einging. Dies war natürlich keine „faschistische Machtübernahme“. Die Regierungsbeteiligung führte vielmehr zur „Verbürgerlichung“ eines Teils der MSI und der Abspaltung der „traditionellen Faschist:innen“, aus denen später die Fratelli d’Italia (FdI) entstand. Offenbar wiederholt sich gegenwärtig derselbe Prozess mit letzterer – auch wenn die faschistische Front diesmal sogar die stärkste Kraft in der Koalition ist. Der FN in Frankreich machte schon vor der möglichen Regierungsbeteiligung einen solchen Wandlungsprozess durch, in dem er sich in das Rassemblement National (RN) umbaute.

Während der Globalisierungsperiode entwickelte sich ein breites Spektrum von rechtspopulistischen, rechtsextremen bis hin zu faschistischen Organisationen, die an diese Vorgeschichte anknüpften. War nationale Abschottung zwar angesichts der faktischen Gewalt der kapitalistischen Globalisierung kein realistisches Politikprojekt, so wurden nationalistische Scheinantworten auf die sozialen Folgen der Globalisierung immer verbreiteter. Dies betraf nicht nur Phänomene wie verstärkte Standortverlagerungen oder Arbeitsmigration, sondern auch wachsenden Verlust nationaler Gesetzgebungskompetenz angesichts der übermächtigen Kapitalströme. Mit dem Aufkommen verstärkter Krisentendenzen am Ende der Globalisierungsperiode haben irrationale nationalistische Alternativen zur Globalisierung immer mehr an politischem Gewicht gewonnen. Dies ist nicht nur in der völligen Überhöhung von Fragen der Migration oder von „Genderwahn“ & Co. zu sehen, sondern in Europa insbesondere an Fragen der EU-Integration. Letzteres führt im EU-Raum zu verschiedenen Formen von Austrittsbewegungen, zu Bewegungen oder Kampagnen gegen bestimmte EU-Vorgaben, an denen sich rechte und faschistische Kräfte aufrichten können. Die Rechte benutzt teilweise berechtigte EU-Kritik zur Selbstinszenierung als Antiestablishmentkämpferin gegen „Globalismus“, „EU-Establishment“, den „woken Totalitarismus“ etc.

Die AfD

Der Aufstieg der AfD muss im Rahmen dieser allgemeinen Tendenz betrachtet werden, auch wenn sich ihre Entstehung und Entwicklung deutlich von jener faschistischer Frontparteien unterscheidet. Gegründet wurde sie weitgehend von EU-kritischen rechten U-Booten in den etablierten konservativen Parteien (CDU, CSU, FDP), insbesondere aus der Ablehnung des Euro heraus. Massenwirksam wurde die AfD jedoch vor allem durch extrem rassistische Mobilisierung rund um Migrationsfragen. Dadurch konnten sich auch rechtsextreme Kreise in der Führung der AfD immer mehr durchsetzen. Einer Wählerschaft von 10 – 20 % in Deutschland sind angesichts der Wirkung von kritischer Demagogie bezüglich EU- und Migrationspolitik die offensichtlich rechtsextremen Figuren in verschiedenen Führungspositionen der Partei immer unwichtiger. Inzwischen wird die Partei durch den rechtsextremen „Flügel“ unter dem neuen „Führer“ Bernd Höcke dominiert. Er weist tatsächlich viele Merkmale einer faschistischen Frontorganisation auf, auch wenn sein Verhältnis zu offenen Naziorganisationen wie den „Freien Sachsen“ durchaus auch konfliktbehaftet ist. Gerade wo sich der AfD und auch den vom „Flügel“ geführten Organisationen parlamentarische Möglichkeiten eröffnen (z. B. bei parlamentarischen Manövern mit CDU und FDP in Thüringen), ist auch letzterer dem Spannungsverhältnis von bürgerlichem Politikbetrieb und offenem Faschismus ausgesetzt. Das Konstrukt der AfD erlaubt den faschistischen Kernen jedoch, sich genügend fern von der Diskreditierung durch etablierte bürgerliche Politik zu halten, aber gleichzeitig genügend nahe am bestehenden Politikbetrieb zu bleiben, um neue Anhängerschaft und Geldmittel zu rekrutieren. So bauen sie sich auf, als reale politische Kraft, die im Fall der Fälle für den Kampf um die politische Macht im faschistischen Sinn bereit steht. Auch wenn die AfD insgesamt als rechtspopulistische Partei charakterisiert werden muss, die ihre Klientel vor allem als Wähler:innen organisiert und weiter auf eine Koalition mit Konservativen und anderen Rechten abzielt, so enthält sie auch einen stärker werdenden inneren Teil, der eine faschistische Frontorganisation darstellt.

Anderswo in Europa gibt es verschiedene Formen ähnlicher „Konstrukte“, in denen sich Faschist:innen auf ihre zukünftige Rolle vorbereiten. Die „Schwedendemokraten“ entstanden direkt aus einer offen faschistischen Organisation, die sich ähnlich MSI/AN/FdI im letzten Jahrzehnt in eine rechtspopulistische Partei mit extrem rassistischen Positionen umwandelte. Erhalten blieben jedoch jeweils faschistische Kerne, die entsprechende Frontorganisationen innerhalb der „gemäßigten“ etablierten Partei bilden und sich oft auch auf eine breitere Unterstützung innerhalb der Mitgliedschaft dieser Organisationen stützen können. Bei Diskreditierung durch Teilnahme an Koalitionsregierungen oder deren Duldung besitzen die faschistischen Kerne genügend Spielraum, um weiterhin als „Opposition“ zu agieren oder eventuell auch Neugründungen anzustoßen. Auch hier wird mit diesen Konstrukten eine reale faschistische Machtalternative zumindest vorbereitet.

Halbkolonien

In Halbkolonien ist der Aufbau faschistischer Organisationen als Kampfmittel zur entsprechenden Machteroberung weiterhin schwieriger, da die entsprechenden vom Abstieg betroffenen Mittelschichten, die von reformistischen Organisationen enttäuscht sich nach alter nationaler Größe zurücksehnen, nicht so ausgeprägt sind wie in den imperialistischen Zentren. Solche faschistischen Kräfte treten daher eher in ökonomisch entwickelteren Halbkolonien wie Brasilien auf. In der islamischen Welt erfüllen extrem islamistische Kräfte oft die Rolle der Atomisierung und Zerschlagung von progressiver Organisierung der Arbeiter:innen und Unterklassen. Dabei rekrutierte z. B. der Islamische Staat (Daesch) seine Militanten tatsächlich sehr stark unter deklassierten Jugendlichen aus imperialistischen Ländern. Der Aufstieg Bolsonaros in Brasilien ist verbunden mit der Bildung verschiedener reaktionärer Organisationen z. B. rund um evangelikale Kirchen, bewaffnete Milizen von Agrarunternehmer:innen, Teile von Vereinigungen Angehöriger von Polizei und Armee, reaktionäre Transportunternehmer:innen und ihre Beschäftigten, offen rechtsextreme Organisationen (z. B. Movimento Direita in Minas Gerais) etc. Diesem Amalgam von bewaffneten Gruppierungen fehlte jedoch bisher die vereinigende politische Organisierung. Die reaktionäre Clownerie des Bolsonaro genügte zwar, um Wahlkämpfe zu führen und eine Welle von rechtem Terror auszulösen, aber nicht für eine faschistische Form der Machtübernahme – daher als (vorläufig) ultimative Losung der Aufruf zum Militärputsch. Ob die neuen Parteien des Bolsonarismus, die PL und die Republikaner:innen, faschistische Frontorganisation werden, hängt davon ab, ob sich jenseits der politischen Figuren im üblichen Politikbetrieb von Kongress, Einzelstaaten und Lokalverwaltungen tatsächliche faschistische Kader mit stabilen Organisationsstrukturen herausbilden, die in diesen Parteien eine wesentliche Rolle spielen können. Gerade bei Ex-Militärs und im Umfeld der Agrarbosse haben sich in den Mobilisierungen nach der Niederlage Bolsonaros bereits entsprechende Personen profiliert.

Auch wenn sich faschistische Kräfte heute vor allem im Windschatten reaktionärer rechter Parteien aufbauen, werden die Opfer der extremen Rechten immer zahlreicher. Zunächst bedeutet die allgemeine Rechtsverschiebung eine repressivere Politik gegenüber Migrant:innen und Minderheiten aller Art ebenso wie ein brutaleres Vorgehen rechtslastiger „Sicherheitskräfte“. Durch die Unterstützung von rechten Medienkonzernen oder die Kampagnen in den „sozialen Medien“ wird ein Klima der Angst und Hetze gegen Linke, unliebsame Journalist:innen und Lokalpolitiker:innen, Wissenschaftler:innen, Migrant:innen, Minderheiten etc. erzeugt, das sich auch über Drohungen hinaus bewegt. Verstärkt tritt rechter Terror nicht nur in Einzeltaten, sondern auch in geplanten Aktionen zutage. Es verwundert nicht, dass in diesen Gewaltakten auch der Antisemitismus wieder eine Rolle spielt. Rechte Parteien und ihre Sympatisant:innen im Polizeiapparat verharmlosen diesen Gewaltanstieg bzw. kriminalisieren den Widerstand dagegen.

Reformistische Irrwege

Die Reaktion der reformistischen Organisationen bzw. von progressiven Mittelschichtparteien wie den Grünen besteht zumeist in der Forderung nach Schulterschluss der „Demokratie“ zur Verhinderung der Machtbeteiligung der Rechtsextremen. Im Windschatten vertreten auch Teile der extremen Linken neue Varianten der Volksfrontpolitik in Form von „demokratischen Allianzen“ (wie jüngst bei der Wahl in Brasilien). Das Problem des Verbündens mit offen bürgerlichen Parteien, die noch nicht zur Zusammenarbeit mit der extremen Rechten bereit sind, liegt darin, dass sie die reformistischen Organisationen und die Linke zu noch mehr Zugeständnissen an die bürgerliche Krisenpolitik zwingen und sowieso viele Forderungen der extremen Rechten z. B. in der Migrationspolitik mit aufgegriffen werden. Die extreme Rechte kann so die Enttäuschung über den Reformismus noch weiter vorantreiben und sich als die „wahre Opposition“ des „kleinen Mannes“ gegenüber dem vereinigten Establishment der „Volksfeind:innen“ präsentieren. Wie schon in den 1930er Jahren geschehen, gerät die Volksfront so zur Wegbereiterin des Aufstiegs des Faschismus.

Gewisse Teile der bürgerlichen Öffentlichkeit und auch der Linken vertreten die Ansicht, dass sich die extremen Rechten am besten durch tatsächliche Regierungsbeteiligung entlarven ließen, in der sie demonstrieren müssten, dass sie für den Großteil ihrer ärmeren Wähler:innen nicht nur nichts bewirken würden, sondern sogar weitere Verschlechterungen betreiben. Dies verkennt den irrationalen Kern der Basis der extremen Rechten, die durch solche Tatsachen nur davon überzeugt werden, dass der „tiefe Staat“ und die Machthaber:innen „hinter den Kulissen“ die eigenen Führer:innen an der Durchsetzung ihrer Politik hindern würden. Auch dies führt letztlich nur zur weiteren Radikalisierung und Bildung neuer, noch rechterer Organisationen. So wurde die österreichische FPÖ bei ihren Regierungsbeteiligungen jedes Mal in fürchterlicher Weise entlarvt – um dann kurze Zeit später in neuem, weiter rechts stehendem Gewand in alter Stärke wiederaufzuerstehen. Auch das Debakel der „Dänischen Volkspartei“, die während ihrer Regierungstolerierung von 20 % auf heute unter 3 % abstürzte, brachte nur die noch rechtere Partei der „Dänendemokraten“ hervor, die von ihr die Führungsrolle übernahm.

Das dänische Beispiel zeigt auch ein weiteres ungeeignetes Modell: Hier übernahm die größte reformistische Partei, die Sozialdemokratie, wesentliche Teile des rassistischen Migrationsprogramms der Rechten, um es mit klassischer Sozialpolitik für die „eigenen“ Unterschichten zu verbinden. Dieses Modell einer rechtsnationalen Sozialdemokratie wurde tatsächlich für einige sozialdemokratische Parteien nicht nur in Skandinavien zu ihrem modernen Weg ernannt. Auch wenn es teilweise in Wahlen erfolgreich war, verhindert es nicht, dass sich dadurch der rechte Irrationalismus weiter bestärkt fühlt und letztlich doch wieder das „Original“ gewählt wird – insbesondere wenn die so nach rechts gewendete Sozialdemokratie dann doch wieder klassische bürgerliche Krisenpolitik betreibt. Ähnlich verfehlt ist die Strategie, links von der Sozialdemokratie linkspopulistische Organisationen aufzubauen, die ebenso eine offene Flanke gegenüber Rassismus und sozialchauvinistischer Migrationspolitik aufweisen. Auch wenn Mélenchon in Frankreich oder Wagenknecht in Deutschland zeitweise in der Lage sind, Wähler:innen von den Rechten in ihre Richtung zu lenken, so bestärken sie ihrerseits die gesellschaftlichen Spaltungen in den Unterschichten, die gerade zum Aufstieg der Rechten führen.

Kampf

Mit dem Faschismus gibt es letztlich keine „diskursive“ politische Auseinandersetzung. Faschistische Kader müssen je nach Kräfteverhältnis in direkter Aktion an ihrer politischen Aktivität gehindert werden. Ihnen darf keine öffentliche Plattform gestattet werden. Dies betrifft auch Faschist:innen am Arbeitsplatz oder in Gewerkschaften, wo wir für ihren Ausschluss eintreten. Auch ihr Antritt bei Wahlen muss mit gebotenen Mitteln ver- oder behindert werden. Dabei vertrauen wir nicht auf den bürgerlichen Staat oder seine Organe (da etwaige Verbote sowieso vor allem gegen Linke eingesetzt werden), sondern auf die Einheitsfront von Arbeiter:Innenorganisationen und Vereinigungen anderer gesellschaftlich Unterdrückter.

Bei den rechtspopulistischen Organisationen wie der AfD oder auch der breiteren Wähler:innenschaft von Frontorganisationen ist ein differenzierteres Vorgehen notwendig, da ihre Anhängerschaft nur zu einem gewissen Teil aus Faschist:innen besteht. Entscheidend ist aber auch hier die Einheitsfront, insbesondere die Forderung an die führenden reformistischen Organisationen,  mit der bürgerlichen Krisenpolitik (die mit den „demokratischen Allianzen“ noch verstärkt wird) zu brechen und sich in einen gemeinsamen Kampf gegen kapitalistische Angriffe und rechte Hetze einzureihen. Den Rechten darf der Krisenprotest nicht überlassen werden aus lauter Angst vor „Querfronten“. Dabei muss in solchen Einheitsfrontaktionen auf den Ausschluss rechter Kräfte und die Verteidigung der Aktionen gegen Unterwanderung durch Rechte gedrängt werden. Aktionen der rechten Frontorganisationen, in denen faschistische Kader eine wichtige Rolle spielen, z. B. Mobilisierungen gegen Geflüchtete müssen ähnlich wie direkt faschistische Aktionen konfrontiert werden. Politische Veranstaltungen der klassischen Art wie z. B. Wahlkundgebungen oder Diskussionsveranstaltungen können je nach Kräfteverhältnis rein propagandistisch angegriffen oder gestört werden. Dabei steht das Aufzeigen der politischen Alternative und die Schwäche der Rechten bei den entscheidenden Fragen gerade gegenüber unentschlossenen, verunsicherten Personen aus den sozial bedrängten Unterschichten im Vordergrund.

Die wichtigste Waffe gegen den Aufstieg der extremen Rechten und des Faschismus ist jedenfalls das konsequente Vorantreiben einer internationalistischen antikapitalistischen Alternative und das Aufzeigen des revolutionären Weges dahin. Nur dies kann die Scheinalternativen der nationalen Abschottung, des Vorantreibens gesellschaftlicher Spaltungen und des Aufbaus von Ersatzfeind:innen für den/die eigentliche/n Klassenfeind:in als Irrwege entlarven. Die Einheitsfront bildet ein zentrales Instrument zur Überwindung der gesellschaftlichen Spaltungen, wie sie von den Rechten benutzt werden. In der Einheitsfront erleben die Arbeiter:innen und Unterdrückten die Solidarität über Grenzen der nationalen Herkunft, Geschlechteridentitäten, Verdienst- und Bildungsunterschiede, kulturellen und schichtspezifischen Verschiedenheiten hinaus.

Sie ist aber vor allem auch ein wichtiges Instrument, um die weiterhin bestehende Mobilisierungsfähigkeit reformistischer Organisationen und der Gewerkschaften zu nutzen und ihre Führung vor den Massen dem Test der Praxis zu unterziehen. Trotzki wies 1932 in „Was nun?“ darauf hin, dass die Lage der Arbeiter:innenbewegung angesichts von Niederlagen, Krise und Aufstieg der Nazis aussichtslos zu sein schien, dass aber gerade die aus der Situation der Defensive entstehenden Kämpfe eine Perspektive der Offensive eröffnen würden: „Man darf nicht vergessen, dass die Einheitsfrontpolitik im Allgemeinen in der Defensive viel wirksamer als in der Offensive ist. Konservativere oder zurückgebliebenere Schichten des Proletariats lassen sich leichter in den Kampf ziehen, um das zu verteidigen, was sie bereits besitzen, als um Neues zu erobern.“

Bei einem klaren strategischen Plan der revolutionären Partei für den erfolgreichen Aufbau der Einheitsfront besteht die weitergehende Perspektive: „Der Widerstand der Arbeiter gegen die Offensive von Kapital und Staat wird unvermeidlich eine verstärkte Offensive des Faschismus hervorrufen. Wie bescheiden die ersten Verteidigungsschritte auch sein mögen, die Reaktion des Gegners wird unverzüglich die Reihen der Einheitsfront zusammenschließen, die Aufgaben erweitern, die Anwendung entschiedenerer Maßnahmen erforderlich machen, die reaktionären Schichten der Bürokratie von der Einheitsfront abschütteln, den Einfluss des Kommunismus steigern, die Barrieren innerhalb der Arbeiterschaft schwächen und damit den Übergang von der Defensive zur Offensive vorbereiten.“




Türkei: Erdogan-Regime instrumentalisiert Anschlag von Istanbul

Martin Suchanek, Infomail 1204, 15. November 2022

Das Erdogan-Regime in der Türkei handelt rasch, wenn es darum geht, einen Anschlag auf Zivilpersonen politischen Gegner:innen in die Schuhe zu schieben.

Am 13. November waren infolge einer Bombenexplosion in der Istanbuler Einkaufsstraße Istiklal 6 Personen getötet und 81 weitere verletzt worden. Doch fast so schnell, wie die Nachricht über den Anschlag auf unschuldige Zivilist:innen um die Welt ging, macht die türkische Regierung auch schon die Schuldigen aus.

Wurde am Beginn noch gemutmaßt, ob es sich um Anhänger:innen der Gülen-Bewegung oder der PKK (Kurdische Arbeiter:innenpartei) handele, so steht das Ergebnis für Innenminister Süleyman Soylu nunmehr fest: Eine Syrerin mit Verbindungen zur kurdischen Miliz YPG soll es gewesen sein, die in Nordsyrien ausgebildet wurde und ihre Befehle aus Kobanê erhalten hätte.

Beweise wurden erst gar keine vorgelegt – ganz abgesehen davon, wie wenig vertrauenswürdig diese aus der Hand des türkischen Regimes auch aussehen sollen. Es gibt  keine Indizien dafür, dass der Anschlag von der PKK verübt wurde. Es fragt sich vielmehr, warum sie eigentlich unschuldige Menschen im Zentrum von Istanbul in die Luft sprengen sollte? Welchen politischen Sinn macht das für die türkische und syrische kurdische Bewegung, die die wenigen verbliebenen demokratischen Rechte in der Türkei zu verteidigen trachtet und sich der offenen Aggression der Türkei gegen Rojava erwehren muss?

In ersten Erklärungen PKK und YPG jede Beteiligung am Anschlag dementiert und diesen verurteilt. So heißt es in einer über die Nachrichtenagentur Firatnews veröffentlichten Erklärung: „Unser Volk und die demokratische Öffentlichkeit wissen genau, dass wir nichts mit diesem Vorfall zu tun haben, dass wir nicht direkt auf Zivilisten zielen und dass wir Aktionen nicht akzeptieren, die auf Zivilisten abzielen.“

Auch wenn man der politischen Strategie und Programmatik der PKK und YPG kritisch gegenübersteht, so gibt es gute Gründe, die Erklärung für stichhaltig zu betrachten. So veröffentlichen nationale Befreiungsbewegungen normalerweise Bekennerschreiben zu den Anschlägen, die sie selbst verüben. Schließlich wollen sie, dass die Öffentlichkeit weiß, warum und wozu sie eine solche Aktion verübt haben. Doch nichts dergleichen. Stattdessen verurteilen diese Organisationen den Anschlag. Allein dies kann schon als Beleg dafür gelten, dass PKK und YPG nicht für das Attentat von Istanbul verantwortlich sind, sondern es ihnen vielmehr untergeschoben werden soll. Dies wird umso klarer, wenn wir uns nach dem politischen Ziel der Aktion fragen.

Warum sollten PKK oder YPG einen Anschlag planen, von dem sie wissen, dass er von Erdogan sowohl innen- wie außenpolitisch gegen die kurdische Bewegung und ihre Organisationen ausgeschlachtet werden wird? Warum sollten sie einen Anschlag planen, mit dem Erdogan von der wirtschaftlichen Krise in der Türkei ablenken und die Unzufriedenheit mit nationalistischer Hetze gegen die Kurd:innen kanalisieren kann? Warum sollten sie ihm angesichts schlechter Umfragewerte für die Parlamentswahlen im Juni 2023 die Chance bieten, auf die nationalistisch Karte zu setzen, um die Anhänger:innen der AKP und ihrer Koalitionspartner zurückzuholen? Warum sollten sie einen Anschlag verüben, der als Vorwand zum militärischen „Vergeltungsschlag“ gegen Rojava genutzt werden kann? Kurzum, warum sollten PKK und YPG reaktionäre Aktionen durchführen, die ausschließlich den Zielen der türkischen Regierung dienen?

Derweil versucht die Regierung in Ankara, die Situation für sich zu nutzen. Die von der türkischen Rundregulierungsfunkbehörde RTÜK verhängte vorläufige Nachrichtensperre für die Medien und erschwerte Erreichbarkeit von Twitter und Co. sind dabei nur erste Schritte, um die öffentliche Meinung staatlich gelenkt zu manipulieren. So durften nach dem Anschlag nur Interviews mit Minister:innen ausgestrahlt werden.

Politisch wird das Regime den Anschlag zu einer nächsten Runde im Kampf gegen die kurdische Bewegung und ihre Organisationen in der Türkei und womöglich zu einem Militärschlag oder gar Vorstoß in Rojava nutzen. All das natürlich im Zeichen des Kampfes gegen den „Terrorismus“ der Kurd:innen – und diesmal womöglich mit westlicher Unterstützung. In jedem Fall wird die Türkei ihre Forderungen nach Auslieferung kurdischer politischer Flüchtlinge aus Schweden als Preis für dessen NATO-Mitgliedschaft forcierten. Während der türkische Innenminister Soylu den USA eine politischer Verantwortung für den Anschlag vorwirft, erklärte Karine Jean-Pierre, die Pressesprecherin von US-Präsident Biden: „Wir stehen im Kampf gegen Terrorismus Seite an Seite mit unserem NATO-Verbündeten Türkei.“ Annalena Baerbock und Olaf Scholz werden in dieser Situation Erdogan sicher keine Steine in den Weg legen, sollte er den Befehl zu Angriffen auf Rojava geben.

Umso wichtiger ist es, dass wir unsere Solidarität mit dem kurdischen Volk zum Ausdruck bringen. Unsere Anteilnahme gilt den 6 Opfern von Istanbul und den 81 Verletzten. Doch nicht minder deutlich müssen wir uns gegen das durchsichtige und reaktionäre Spiel des Erdogan-Regimes wenden, den Tod unschuldiger Zivilist:innen zur antikurdischen Hetze, zur Rechtfertigung von Repression und eines möglichen Militärschlages gegen Rojava zu missbrauchen.




Schweden nach den Wahlen: Rechte Kräfte müssen durch Massenkampf geschlagen werden

Arbetarmakt Schweden, Infomail 1202, 18. Oktober 2022

Das Wahlergebnis von 2022 bedeutet mehr als nur einen parlamentarischen Sieg der Rechten. Schweden wird nun eine Regierung haben, die sich auf den militanten Klassenkampf von oben konzentriert. Der Lebensstandard und die Rechte der arbeitenden Menschen werden angegriffen werden. Die parlamentarische Abhängigkeit von einer rassistischen rechtspopulistischen Partei mit nationalsozialistischem Hintergrund garantiert, dass einige der am stärksten unterdrückten Gruppen der Gesellschaft zur Zielscheibe werden. Die rassistische Hetze während des Wahlkampfes gibt einen Vorgeschmack auf das, was uns bevorsteht.

Der Sieg der rechten Kräfte ist größer, als die Medienberichterstattung vermuten lässt. Die Zentrumspartei ist nicht Teil eines linken Blocks, sie ist eine neoliberale, kapitalistische Partei mit massiven Kürzungen im Sozialbereich als zentralem Thema. Es ist gar nicht so unwahrscheinlich, dass sie sich den anderen Koalitionsparteien anschließen und den rechten Flügel im Parlament weiter stärken wird.

Entwicklung des Reformismus

Ein weiterer Aspekt des Sieges der Rechten ist die Art und Weise, wie es ihnen gelungen ist, die reformistischen bürgerlichen Arbeiter:innenparteien, die sozialdemokratische und die Linkspartei, nach rechts zu ziehen. Als viele Sozialist:innen und klassenbewusste Arbeiter:innen dachten, dass es für sie nicht möglich sei, weiter nach rechts zu gehen, taten ihre Führungen genau das. Die Sozialdemokraten übernahmen zentrale Elemente der rassistischen Rhetorik in der vergeblichen Hoffnung, den Zustrom von Stimmen zu den Schwedendemokraten (SD) zu stoppen. Die Linkspartei wiederum versuchte, sich als „verantwortungsbewusst“ zu profilieren, und scheiterte kläglich daran, bei der Mehrheit der Arbeiter:innen Fuß zu fassen, während sie einen Teil ihrer linken Wähler:innenschaft verlor.

Darüber hinaus hat die kürzlich gegründete Nuance-Partei, eine islamische, wertkonservative, rechtsgerichtete Partei, zwei kommunale Sitze errungen und damit die Sozialdemokratie in einigen Wahlbezirken mit hohem Migrant:innenanteil geschwächt. Auch dies ist Teil des Vormarsches der rechten Kräfte.

Wie immer ist das Bild nicht einheitlich. Einige Teile der Arbeiter:innenklasse und sicherlich auch andere Schichten erkannten die Gefahr von rechts und wandten sich der sozialdemokratischen und Linkspartei zu oder hielten an ihnen fest, um die Rechten abzulehnen. In einigen Gebieten, vor allem in Stockholm, wo die Mehrheit in der Kommune auf sie übergehen wird, haben diese Parteien sogar zugelegt.

Dass die beiden Parteien insgesamt auf dem Rückzug sind, ist jedoch kein Wunder. Ihre Basis ist die Arbeiter:innenklasse und ihr Einfluss hängt von ihrer Fähigkeit ab, die Bedingungen für diese Klasse zu verbessern und für fortschrittliche Ziele zu stehen. Wenn sie dies nicht tun, sondern im Gegenteil die Arbeiter:innenklasse angreifen, wie es insbesondere bei der Sozialdemokratischen Partei der Fall ist, sägen sie den Ast ab, auf dem sie selbst sitzen.

Jahrzehnte rechter Politik von Sozialdemokraten, gefolgt von der Linkspartei, haben beide geschwächt und auch große Teile der Arbeiter:innenklasse politisch und ideologisch desorientiert. Die Wahlergebnisse von 2022 sind eine Folge dieses Prozesses.

Vor diesem Hintergrund ist es absurd, davon zu sprechen, dass die Liberalen eine Art Verrat begehen, wenn sie mit den Schwedendemokraten zusammenarbeiten. Dieses Argument beruht auf der Illusion, dass es eine anständige Bourgeoisie gibt, und davon abgesetzt gibt es die Rechtsaußenpartei SD. Die Liberalen sind eine aggressive kapitalistische Partei, die alle Tendenzen in der Gesellschaft verstärken will, die objektiv die SD begünstigen.

Diejenigen in der Linken, die sagen, dass „der Liberalismus eine stolze Geschichte des Widerstands gegen den Faschismus aufweist“, lügen oder sind unwissend. Das wichtigste Beispiel sind die deutschen Liberalen, die im März 1933 für die Sondergesetze (Ermächtigungsgesetz) stimmten, die Hitler und den Nazis die uneingeschränkte Macht gaben. Die Liberalen waren und sind eine völlig unzuverlässige Kraft gegen Rassismus und Rechtsextremismus, was die schwedischen eindeutig bestätigen. Sie „verraten kein Erbe“, wenn sie die SD unterstützen. Das ist ihr Erbe, sie haben immer die Bourgeoisie und das Wohl des Kapitalismus an die erste Stelle gesetzt, selbst wenn das eine Zusammenarbeit mit der antiliberalen rechten Reaktion bedeutet.

Auf jeden Fall bedeutet der Erfolg der Schwedendemokraten nicht, dass wir in Schweden ein faschistisch dominiertes Regime erleben werden. Der Begriff Faschismus sollte nicht verwässert werden, er gilt nur für die gewalttätigste Form der bürgerlichen Reaktion wie das Dritte Reich, die Herrschaft Mussolinis oder den Aufstieg des Islamischen Staates. Als rassistisch-populistische Partei ist die SD natürlich extrem reaktionär, aber wir stehen nicht vor einer nahen Auflösung der liberalen bürgerlichen Demokratie. Auf der anderen Seite erwartet uns eine harte und repressive rechte Politik im Rahmen der bürgerlichen Demokratie, die auch in eine nichtliberale Richtung umgestaltet werden kann.

Bei aller Warnung vor dem kommenden Vormarsch rechter Kräfte sollten wir die Bedeutung eines Wahlergebnisses nicht überbewerten. Bei Parlamentswahlen in einem kapitalistischen Staat geht es im Grunde nur darum, welche politische Fraktion die Interessen der herrschenden Klasse verwalten darf. Die große Schlacht findet nun außerhalb des Parlaments statt, auf den Straßen, an den Arbeitsplätzen und in den Wohnvierteln.

Was tun?

Die vorrangige Aufgabe besteht darin, sich dort zu organisieren, wo sich die Arbeiter:innenklasse befindet, um gegen jeden kommenden Angriff mobilisieren zu können. Wenn es gelingt, außerhalb des Riksdag (schwedisches Parlament)  genügend Kräfte zu mobilisieren, spielt es keine Rolle, wer die Mehrheit hat. Keine parlamentarische Mehrheit kann dem Druck von Massendemonstrationen und Streiks standhalten – und das sind die Methoden, die in Zukunft gebraucht werden.

Die Führungen der Sozialdemokratie und der Linkspartei meiden den außerparlamentarischen Kampf wie die Pest. Sie können bestehende Protestbewegungen unterwandern und sie dann ablenken und neutralisieren. Für beide gerät die Unterstützung eines starken außerparlamentarischen Kampfes in Konflikt mit ihren strategischen Zielen. Beide werden immer dem Kapital und seinem Staat gegenüber loyal sein, wenn es wirklich darauf ankommt. Es handelt sich um reformistische Parteien, die von Bürokrat:innen geführt werden, die sich in entscheidenden Situationen als Klassenverräter:innen betätigt haben.

Der Kampf kann sich also nicht auf das beschränken, worauf sich diese beiden Parteien einigen können, denn dann wird nicht viel erreicht. Langfristig muss sich die Arbeiter:innenklasse in einer neuen Partei organisieren, um die rechten Kräfte grundlegend zurückzuschlagen.




AfD-Großdemonstration in Berlin – ein Alarmsignal für Arbeiter:innenklasse und Linke

Wilhelm Schulz, Infomail 1201, 9. Oktober 2022

Es war ein unheimlicher Aufmarsch. Am Samstag, den 8. Oktober, folgten etwa 10.000 Personen der AfD, die unter dem Motto „Energiesicherheit und Schutz vor Inflation – Unser Land zuerst“ zur Demonstration durch das Regierungsviertel aufgerufen hatte. Dem Ruf folgte eine schaurige Mischung aus wütenden Kleinbürger:innen, demoralisierten Lohnabhängigen und reaktionär-nationalistischen Vertreter:innen einer sog. „Elite“ wie die AfD-Spitze.

So versprachen Chrupalla und Weidel eine „Lösung“ der Krise durch Nationalismus, Rassismus und Freundschaft mit Putin – ein reaktionäres, alternatives imperialistisches Projekt zum gegenwärtigen Kurs der deutschen Regierung. Mag das dem deutschen Kapital heute nicht schmecken, präsentiert sich die AfD als Vertretung des „kleinen Mannes“, einer wilden Mischung aus rabiaten Kleinbürger:innen, frustrierten Kleinunternehmen und demoralisierten und politisch rückständigen Lohnabhängigen.

Was am 8. Oktober durch die Berliner Straßen zog, war zwar noch keine faschistische Bewegung, aber der schaurige Zug führt uns allen vor Augen, wie sehr es der Rechten gelungen ist, die Wut, die Angst und den Zorn über die Preissteigerungen, die kommende Rezession und den drohenden Ruin zu kanalisieren. Die AfD stellte nicht nur den bislang größten Protest gegen die Inflation und die Angriffe der Regierung auf die Beine – sie und andere Rechte bis hin zu faschistischen Kräften radikalisieren ihn auch in eine aggressive, kleinbürgerlich-reaktionäre Richtung.

Blamable Linke

Der Gegenprotest war kläglich, im Gegensatz zum letzten Versuch der AfD, groß nach Berlin zu mobilisieren. 2017 waren es knapp 5.000 AfD-Demonstrierende und 25.000, wenn nicht weit mehr Gegendemonstrat:innen. Dieses Mal beteiligten sich an den verschiedensten Kundgebungen, (Fahrrad-)Demonstrationen und Raves höchstens 2.500 Menschen. Woran liegt das?

Den Gegenprotest führte ein breites Bündnis, das so auch von der Ampelkoalition hätte eingesetzt werden können. Er beschränkte sich auf einen reinen bürgerlich-antifaschistischen Protest und stellte selbst keine eigenen Forderungen auf, um die realen Probleme der krisengebeutelten kleinen Unternehmer:innen, Handwerker:innen, Ladenbetreiber:innen und vor allem der Arbeiter:innen anzusprechen.

Dann hilft jedoch auch die durchaus richtige Kritik wenig weiter, dass die AfD selbst keineswegs sozial Schwache repräsentiert und vertritt. Auch der Verweis darauf, dass sie eine Partei des sozialen Kahlschlags ist, verpufft, wenn die Gegenmobilisierung selbst wie eine politische Verlängerung der Ampelkoalition auftritt. Und erst recht hilft es nichts, wenn diese Parteien und die Gewerkschaften ihre Mitglieder und Anhänger:innen nicht einmal für einen symbolischen Protest mobilisieren.

So müssen wir festhalten, dass die Rechte bisher stärker mobilisieren konnte angesichts der Mehrfachkrise im Schatten des Ukrainekrieges. Während SPD und Gewerkschaftsführungen die Regierung stellen oder deren Kurs mittragen, weiß DIE LINKE nicht, ob sie für oder gegen diese Politik sein soll. Die Spitzen der Arbeiter:innenbewegung verweigern, ja bekämpfen geradezu einen offensiven Kurs gegen „eigene“ Regierung und Kapital. Im Kriegsfall stehen sie der Nation nun doch treu zur Seite und überlassen den rechten Rattenfänger:innen das Feld.

Mit dem Titel „Wir stehen an Deiner Seite. Unser Land zuerst“ verbreitet die AfD die Lüge, dass sie die einzige Kraft sei, die auf der Seite der kleinen Leute stehe. Wir müssen diese reaktionäre Demagogie entlarven, aber auch ernst nehmen. Schlussendlich tun der DGB und seine Gewerkschaften kaum etwas, die Linkspartei streitet sich darüber, inwieweit die verschiedenen Flügel miteinander arbeiten, und einen koordinierten Protest links von der LINKEN über Stadtgrenzen hinaus vermissen wir bislang auch gänzlich.

Für uns macht dies die Dringlichkeit des Aufbaus einer Arbeiter:inneneinheitsfront noch deutlicher. „Genug ist genug“ in Anlehnung an die britische „Enough is enough“-Initiative scheint dafür einen breit unterstützenswerten Forderungskatalog aufgestellt zu haben, beschränkt sich jedoch aktuell noch auf eine Social-Media-Kampagne. Wir brauchen sowohl einen gemeinsamen Mobilisierungstermin, Aufforderungen an die passiven Massenorganisationen der Arbeiter:innenbewegung als auch eine Aktionskonferenz zwischen den verschiedenen existierenden Bündnissen. Ansonsten droht uns der Widerstand gegen die Regierung und die aktuellen Teuerungen nach rechts zu entgleiten.

Als nächsten Schritt beteiligen wir uns gemeinsam mit der VKG und Bündnissen wie „Heizung, Brot, Frieden“ bei den Aktionen von „Echt gerecht – solidarisch durch die Krise“, um dort für eine klassenkämpferische, antimilitaristische Politik gegen Krieg und Krise einzutreten. Nur wenn sich die Arbeiter:innenklasse zur führenden Kraft im Kampf gegen Preistreiberei und Aufrüstung aufschwingt, werden wir in der Lage sein, der sozialen Demagogie von AfD und Co. den Boden zu entziehen.