Klimastreik am 25. März: Auch der Hauptfeind des Klimas steht im eigenen Land

Arbeiter:innenmacht-Flugblatt, Infomail 1182, 25. März 2022

Um die schlimmsten Klimafolgen abzuwenden, müsste der globale CO2-Ausstoß bis 2030 um 45 % reduziert werden – aber aktuell zeigt er eine steigende Tendenz. Das legt der aktuelle IPCC-Bericht Nr. 6 akribisch dar. Die Prognosen sind düster und werden konkreter, vergangene Vorhersagen zu Ausmaß und Folgen der Erderwärmung werden von der Realität überboten. Die Diskrepanz zwischen einem für die Menschheit zerstörerischen Eingriff in unseren planetaren Lebensraum und dem Fehlen angemessener Maßnahmen zur Abschwächung der Schäden ist offenkundig, sie verweist auf einen grundlegenden gesellschaftlichen Widerspruch: Die Kapitaleigentümer:innen und ihre Regierungen sind nicht fähig und willens, eine Politik zu verfolgen, die mit den natürlichen Lebensvoraussetzungen der Menschheit kompatibel ist.

Drohende Katastrophe

Die drohende Klimakatastrophe ist nur eine Facette eines kaputten und krisenhaften Systems; nur eine der von Menschen entfesselten Gewalten gegen Menschen. Das haben auch viele Klimaaktivist:innen in den letzten Wochen zum Ausdruck gebracht, indem sie die Proteste gegen den russischen Einmarsch unterstützt haben. Auch FFF verbindet den heutigen Klimastreik mit dem Antikriegsprotest.

Die Ampel-Koalition dagegen nimmt den Krieg zum Anlass, das größte Aufrüstungsprogramm der Geschichte der BRD durchzusetzen und nutzt die Klimakrise zynisch, um ihre Kriegsvorbereitung als Wohltat für die Menschheit zu präsentieren. Die bislang uneingelösten Versprechungen einer grünen Transformation erhalten nun einen neuen Zweck, indem gesagt wird, die Abkehr von russischen Energieträgern diene nicht nur der „nationalen Sicherheit“, sondern auch dem Klimaschutz. Grün ist das neue Patriotisch. Gas aus Russland fließt allerdings erstmal weiter – nur mit der Dankbarkeit dafür ist es vorbei.

Krieg, Profit, Imperialismus

Öl und Gas aus Nicht-Russland ist dagegen plötzlich gefragter denn je. Die OPEC erhöht die Förderquoten, und das liegt nicht daran, dass Katar, Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate ein Gütesiegel für Demokratie und Frieden besäßen, sondern dass Marktanteile neu zu verteilen sind und der Preissprung an den Ölbörsen dabei auch hohe Gewinne verspricht. All das bedeutet nicht, dass russisches Öl im Boden bleiben muss – es findet zu erheblichen Preisnachlässen neue Abnehmer u. a. in Indien und China.

100 % (erneuerbare) Energie aus Deutschland geht nicht von heute auf morgen. Daher geht es der Regierung auch nicht darum, wie wir rasch auf Öl und Gas verzichten können. Vorgeblich soll dreckiges, blutiges und klimaschädliches Diktatorengas aus Russland durch grünes Demokratiegas mit Menschenrechtssiegel ersetzt werden, das vorzugsweise aus Nahost oder auch in den USA importiert wird. Eigentlich geht es also darum, die Handelsbeziehungen des deutschen und europäischen Kapitals der neuen Realität anzupassen, in der Russland eine feindliche Militärmacht ist. Gas soll weiterhin verlässlich zu uns strömen, und nicht versiegen, etwa wenn der Feind uns im ungünstigsten Moment den Hahn zudreht. Außenministerin Baerbock erwägt sogar einen späteren Kohleausstieg, weil das der Preis sei, den „wir“ für Putins Krieg bezahlen müssten.

Autokratisch oder demokratisch ist nicht das Erdgas, sondern höchstens der Staat jener Kapitalist:innenklasse, die es fördert. Das Gas ist vor allem eine Ware, die Profit verspricht. Zur Zeit wird es auch zum Instrument der Machtausübung, also zur Waffe im Kampf um die Neuaufteilung der Welt – der Rest ist moralische Reinwaschung imperialistischer Machtpolitik. Die von FFF Deutschland aufgestellte Forderung nach einem Handelsboykott entspricht daher der Logik zwischenstaatlicher imperialistischer Konflikte, indem sie voraussetzt, auf der „richtigen“ Seite des Konflikts zu stehen. Damit werden die Ziele der Bewegung den Interessen des deutschen Kapitals untergeordnet und ein gemeinsamer Kampf in West und Ost gegen Krieg und Klimakrise verhindert.

Das Problem kommt daher, dass in der bürgerlichen Strömung der Klimabewegung die Vorstellung vorherrschend ist, dass richtige Klimapolitik nur die Frage richtiger Einsicht und konsequenten Handelns sei. Die Vorstellung einer „objektiv vernünftigen“ Klimapolitik führt jedoch weg von Klimastreik und Kampfaktionen, die die Systemlogik von Kapital und Regierung in Frage stellen. Dabei bräuchten wir gerade diese – und keinen Schulterschluss mit den Klimakiller:innen und Kriegstreiber:innen der Ampel-Koalition.

Klimakampf bedeutet Kampf gegen das Kapital – gegen den Hauptfeind im eigenen Land:

  • Entschädigungslose Verstaatlichung der Energie- und Rüstungsindustrie unter Kontrolle der Arbeiter:innenklasse!
  • Gesamtgesellschaftlich geplante Transformation zu gesellschaftlich nützlichen und klimaneutralen Produkten!
  • Nein zu Putins Angriffskrieg, Nein zur NATO-Intervention! Nein zu Sanktionen, Nein zur Aufrüstung der Bundeswehr!
  • Streiks und Blockadeaktionen zur Verhinderung von russischen wie auch NATO-Waffentransporten in die Ukraine oder an die NATO-Ostgrenze!



Afghanistan: Der Sieg der Taliban und seine internationale Bedeutung

Internationales Sekretariat der Liga für die Fünfte Internationale, 18.8.2021, Infomail 1159, 20. August 2021

Der Sieg der Taliban und der Sturz der Regierung Ghani sind eine demütigende Niederlage von globaler Bedeutung für die USA und ihre westlichen Verbündeten. Das Bild der Hubschrauber, die fliehende DiplomatInnen vom Dach der US-Botschaft heben, erinnert stark an den Fall von Saigon im Jahr 1975. Aber der Unterschied ist noch wichtiger. Damals war die einzige globale Rivalin der USA, die Sowjetunion, selbst schon eine schwindende Macht. Heute ist China ein kräftiger Imperialismus, der durch sein eigenes Wachstum veranlasst ist, seine Macht und seinen Einflussbereich auf Kosten der USA auszuweiten.

Trumps Entscheidung, den Rückzug der USA mit den Taliban in Doha zu vereinbaren, ohne auch nur den Anschein zu erwecken, die Regierung in Kabul zu konsultieren, war nicht nur eine persönliche Laune eines exzentrischen Präsidenten. Sie war Ausdruck der zunehmenden Erkenntnis, dass dieser Krieg nicht zu gewinnen und es besser ist, sich zurückzuziehen und zu verschwinden. Diese Schlussfolgerung wurde nicht nur von vielen Mitgliedern der Republikanischen Partei geteilt, sondern auch von Joe Biden, der sich als Vizepräsident gegen Obamas „Eingriff“ ausgesprochen hatte.

In Doha stimmte eine neue Generation von Taliban-Führern, die von jenen Teilen des pakistanischen Staates, die sie im Exil unterstützt hatten, beraten, wenn nicht gar gelenkt wurden, taktisch einem Abkommen zu, das eine Art Machtteilung in einer künftigen Regierung vorsah. Während dies für die USA gesichtswahrend war, wussten die Taliban, dass sich die sozialen Verhältnisse im größten Teil ihres Heimatlandes nicht geändert hatten und das gesamte Regime vollständig von der US-Präsenz abhängig war. Eine fortschrittliche wirtschaftliche und soziale Entwicklung hätte den Sturz der landbesitzenden Klasse erfordert, was unter den USA oder ihren HandlangerInnen in Kabul niemals geschehen würde.

Die Taliban haben vielleicht nicht mit der außergewöhnlichen Geschwindigkeit gerechnet, mit der sie das ganze Land erobert haben, aber sie waren immer zuversichtlich, dass das Regime und seine Truppen zusammenbrechen würden, sobald die imperialistischen Besatzungstruppen abgezogen sind, was die harte Wahrheit ans Licht bringt, dass die Regierung keine wirklichen sozialen Wurzeln in der afghanischen Gesellschaft hatte.

Nach 20 Jahren Besatzung, Hunderttausenden von Toten und 7 Millionen Flüchtlingen, die der lange asymmetrischen Krieg hervorgebracht hat, wurde das Land von seinen BesatzerInnen in einem Zustand der Verwüstung zurückgelassen. Rund 80 Prozent der Bevölkerung sind arbeitslos oder unterbeschäftigt, und 60 Prozent der Kinder leiden an Hunger und Unterernährung.

Die Kombination aus Armut und Krieg trieb nicht nur Millionen von Menschen aus dem Land, die oft von den Taliban rekrutiert wurden, sondern auch in die Städte. Hier haben sich die sozialen Beziehungen verändert, vor allem für die Frauen, aber auch in Bezug auf Arbeitsplätze und ein gewisses Maß an politischer Demokratie. Wie das Regime selbst sind jedoch auch diese stark von den Ressourcen abhängig, die von den USA und ihren Verbündeten bereitgestellt werden.

Pakistan

Die Tatsache, dass die Taliban in der Lage waren, nicht nur gegen den mächtigsten Staat der Welt zu überleben, sondern auch so weit zu wachsen und sich zu entwickeln, dass sie innerhalb weniger Wochen das ganze Land übernehmen konnten, hing offensichtlich nicht nur von der Rekrutierung verarmter Flüchtlinge ab. Der Schlüssel dazu war die Unterstützung Pakistans, insbesondere des Geheimdienstes ISI, der Afghanistan seit langem als potenziellen Faktor in seiner Fehde mit Indien ansieht.

Nach der sowjetischen Invasion in Afghanistan, als das halbkoloniale Pakistan ein williger Verbündeter der USA war, spielte der ISI eine wichtige Rolle beim Aufbau der reaktionären Mudschahidin-Guerilla und sammelte wertvolle Erfahrungen und Fachkenntnisse bei der Kanalisierung der US-Hilfe für ihre GuerillakämpferInnen. Doch die Zeiten ändern sich, und mit ihnen die Loyalitäten. Die zwanzig Jahre der US-Besatzung Afghanistans waren auch die Jahre des Aufstiegs Chinas, das heute die wichtigste Quelle wirtschaftlicher Hilfe für Pakistan verkörpert und für das letzteres im Rahmen von Pekings Neuer Seidenstraße eine strategische Bedeutung einnimmt. Zweifellos gibt es im pakistanischen Staatsapparat immer noch prowestliche Elemente, aber die Geschwindigkeit, mit der Premierminister Imran Khan den Sieg der Taliban begrüßt hat, deutet darauf hin, dass die prochinesische Fraktion jetzt die Oberhand gewonnen hat.

Die globale, vielleicht historische Bedeutung des Sieges der Taliban liegt darin, dass die US-Invasion, wie auch die anschließende im Irak, nicht nur der Demonstration der US-Macht diente, sondern auch der Konsolidierung dieser Macht, indem sie den gesamten Nahen und Mittleren Osten unter ihre Kontrolle brachte. Damit sollte der Boden für das neue amerikanische Jahrhundert bereitet werden, das durch den Zusammenbruch der Sowjetunion und die Globalisierung eingeläutet wurde.

Der barbarische und reaktionäre Angriff auf die Zwillingstürme in New York diente als Vorwand, als Rechtfertigung für den „Krieg gegen den Terror“, in dem Washington das Recht beanspruchte, überall dort militärisch zu intervenieren, wo es seine Interessen bedroht sah. Heute, nach den militärischen Niederlagen im Irak und in Afghanistan und der Wirtschaftskrise von 2008/9, steht diese ganze Weltsicht in Frage. Die USA stellen zweifelsohne immer noch einen sehr mächtigen Staat dar, aber sie sind kein unangefochtener Hegemon mehr.

Das veränderte Kräftegleichgewicht wird nicht nur die rivalisierenden Imperialismen China und Russland, sondern auch regionale Mächte wie Pakistan, Iran, die Türkei und Indien dazu ermutigen, die Situation zu ihrem Vorteil zu nutzen. Auch Länder, die die Unterstützung der USA als selbstverständlich angesehen haben, wie Taiwan, müssen sich fragen, was die Zukunft bringt. Selbst EU-Imperialismen wie Deutschland und Frankreich werden abwägen, wie weit sie von den Prioritäten der USA abweichen sollen.

In Afghanistan selbst wird die Wiedereinsetzung einer Taliban-Regierung eindeutig nicht den Weg zu Frieden und Wohlstand eröffnen. Zwanzig Jahre Exil in Pakistan und den Golfstaaten, die Entwicklung neuer Führungspersönlichkeiten, die Herausforderung, ein Regierungssystem in einem stark veränderten Land zu bilden, und die Möglichkeit von Spannungen zwischen den zurückkehrenden ExilantInnen und denjenigen, die die Organisation im Land unter der Besatzung aufrechterhalten haben, werden wahrscheinlich zu internen Spannungen führen, denn der Sieg trennt immer die SiegerInnen.

Taliban-Regime

Auf seiner ersten Pressekonferenz verkündete der Vertreter des neuen Regimes eine Generalamnestie für alle, die für die vorherige Regierung gearbeitet hatten, und versicherte den Frauen, dass ihre Rechte auf Bildung, Arbeit und Teilnahme am öffentlichen Leben garantiert würden, sofern die islamischen Normen eingehalten würden. Es wurde betont, dass die Taliban keine Rache wollen und sich bemühen werden, andere in die Verwaltung des geplanten theokratischen Emirats einzubeziehen. Es erging eine Aufforderung, wieder normal an die Arbeit zurückzukehren.

Zweifellos ist ein solch pragmatischer Ansatz für eine Bewegung, die über keinen eigenen zivilen Verwaltungsapparat verfügt, praktisch sinnvoll und war der Ratschlag ihrer potenziellen internationalen UnterstützerInnen. Die Zeit wird zeigen, ob dies von Dauer sein wird oder die reaktionärsten Strömungen im Lande bereit sind, solche Zugeständnisse zu tolerieren, nachdem sie zwanzig Jahre lang für die Rückkehr zu den von ihnen bevorzugten Normen gekämpft haben. Klar ist, dass es derzeit keine Kräfte wie politische Parteien oder Gewerkschaften gibt, die mobilisieren könnten, um einen Rückschritt zu verhindern.

Auf internationaler Ebene sollten die VerfechterInnen der demokratischen Rechte der Ausgebeuteten und Unterdrückten in Afghanistan alles in ihrer Macht Stehende tun, um Racheakte der besiegten ImperialistInnen zu verhindern. Alle Versuche, Sanktionen zu verhängen oder der jetzigen De-facto-Regierung des Landes die Anerkennung zu verweigern, müssen abgelehnt werden, da sie das bereits erlittene Elend und die Armut nur noch vergrößern können.

Für die Massen in Afghanistan brechen dunkle Zeiten an. Der Sieg der Taliban wird alle demokratischen, Frauenorganisationen, Gewerkschaften und sozialistischen oder kommunistischen Kräfte in die Illegalität treiben. Gleichzeitig werden aber, wie in allen theokratischen Regimen zu beobachten, die sozialen Widersprüche keineswegs verschwinden. Klassengegensätze und andere soziale Konflikte sind früher oder später unvermeidlich. Die Jugendproteste in Dschalalabad sind ein erstes Anzeichen dafür. Darauf müssen sich die RevolutionärInnen in Afghanistan organisatorisch, politisch und programmatisch unter den Bedingungen der Illegalität, der konspirativen Arbeit vorbereiten.

Partei

Zwei Lehren werden von zentraler Bedeutung sein: Erstens, im Kampf für demokratische und soziale Forderungen kann man sich auf keine der imperialistischen Mächte oder ihre regionalen VertreterInnen verlassen, politische Unabhängigkeit wird entscheidend sein. Wirkliche Verbündete werden sich nur unter den Kräften in der Region und darüber hinaus finden, die ihre Unabhängigkeit von „ihren“ Regierungen bewiesen haben. Zweitens müssen die afghanischen RevolutionärInnen eine neue Parteiorganisation aufbauen, die sich auf ein Programm stützt, das die unvermeidlichen sozialen und politischen Kämpfe mit dem Aufbau von Organisationen der ArbeiterInnenklasse und der Bauern und Bäuerinnen verbindet, die mit der Zeit zu TrägerInnen des Sturzes des bestehenden Regimes und seiner Ersetzung durch eine ArbeiterInnen- und BäuerInnenregierung geraten können, mit anderen Worten: die Strategie der permanenten Revolution.

Der Aufbau einer solchen Organisation ist zweifelsohne eine langfristige Angelegenheit. Unmittelbar sind Millionen Menschen von brutaler politischer Unterdrückung bedroht. Andere versuchen, in Nachbarländer oder nach Europa zu fliehen. Die Linke und die internationale ArbeiterInnenbewegung müssen einen gemeinsamen Kampf für die bedingungslose Öffnung der Grenzen führen und sich für die Beschaffung materieller Mittel für die Flüchtlinge einsetzen, die in den Nachbarländern Afghanistans bleiben.

Die dramatischen Ereignisse in Afghanistan bestätigen, dass wir in einer Zeit zunehmender zwischenimperialistischer Rivalität leben, einer Zeit, in der ökonomische Konkurrenz zu Handelskriegen führen kann, Sanktionen zu Blockaden werden und regionale Konflikte zu größeren Kriegen führen können. Die für das zwanzigste Jahrhundert typischen wirtschaftlichen und territorialen Reibungen entfalten sich nun im Kontext der sich entwickelnden Klimakatastrophe, die naturgemäß die Notwendigkeit einer internationalen Lösung bestätigt. Voraussetzung dafür ist eine internationale Organisation, eine internationale Partei – das ist die Hauptaufgabe der RevolutionärInnen in aller Welt, der Aufbau einer Fünften Internationale!




Freiheit für Kaschmir!

Gruppe ArbeiterInnenmacht, Infomail 1064, 9. August 2019

Am 5. August führten die indische rechte Regierung von Narendra Modi und seine Bharatiya Janata Party (Indische Volkspartei; BJP) einen atemberaubenden Schlag gegen die Demokratie und das Recht auf Selbstbestimmung. Die Einführung des „Jammu-und-Kaschmir-Reorganisationsgesetzes“ 2019 ist nicht nur moralisch empörend, sondern auch verfassungswidrig.

Die formal teilautonome Provinz, die schon zuvor zu den am meisten militarisierten Regionen der Welt zählte, wurde vollständig von der Außenwelt abgeschnitten. Internet, Mobilfunk- und Festnetze wurden abgeschaltet. Selbst die lokale Polizei wurde entwaffnet. Stattdessen wurden mehr als zehntausend neue Spezialeinheiten in die Provinz geschickt. Die kaschmirischen PolitikerInnen, die bisher mit Indien zusammengearbeitet haben, wurden unter Hausarrest gestellt. Jene, die mehr Autonomie oder Unabhängigkeit wollen, wurden hinter Gitter gebracht. Öffentliche Einrichtungen und Schulen wurden geschlossen und eine Ausgangssperre verhängt.

Jugendliche und StudentInnen aus Jammu und Kaschmir, die in anderen Teilen Indiens oder in anderen Ländern arbeiten, leben und studieren, wurden von ihren FreundInnen und Familien in Kaschmir abgeschnitten.

Die Aufhebung des Artikels 370 der indischen Verfassung durch das Ober- und Unterhaus am 5. August bedeutet nichts anderes als eine vollständige Annexion von Jammu und Kaschmir. Es ist eindeutig eine Besetzung des Landes und seiner Ressourcen, bei der jedeR indische BürgerIn nun die Möglichkeit hat, Grundstücke im Staat zu kaufen, was zu einer Vertreibung der indigenen Kaschmiris führen kann. Darüber hinaus hat die Regierung die Teilung von Jammu und Kaschmir in zwei Unionsterritorien beschlossen – Jammu und Kaschmir einerseits und Ladakh andererseits.

Damit mobilisiert und stärkt sie die reaktionärsten und sektiererischen Teile der Gesellschaft. Wenn die BJP damit erfolgreich sein sollte, wird sich das sofort auf ganz Indien auswirken. Ein Tornado aus reaktionärer Propaganda, der durch das Land fegt, könnte bald Pogrome gegen ethnische und religiöse Minderheiten, insbesondere MuslimInnen, ermutigen. Tatsächlich kann davon ausgegangen werden, dass die indische Regierung diese Karte in der Hoffnung spielt, dass dies den Kampf der ArbeiterInnenklasse angesichts zunehmender wirtschaftlicher Probleme wie auch den der StudentInnen- und Frauenbewegung für demokratische Rechte schwächt, wenn nicht bricht. Die Implementierung einer Diktatur in Jammu und Kaschmir würde so zu einer Blaupause für Notstandsgesetze und militärische Sonderrechte in anderen Teilen des Landes werden.

Gleichzeitig befindet sich die indische Regierung in einer offenen Konfrontation mit Pakistan. Nicht nur ein weiterer Krieg droht, sondern, im schlimmsten Fall, ein nuklearer Vernichtungsschlag von einer oder beiden Seiten. Dies geschieht zu einem Zeitpunkt, wo der Handelskrieg zwischen China und den USA neue Höhen erreicht. In den Kampf um Kaschmir wie in jenen um die Kontrolle ganz Südasiens sind beide imperialistischen Mächte stark involviert.

Als SozialistInnen und KommunistInnen von beiden Seiten der Grenze, aus Pakistan und Indien, und innerhalb Deutschlands fordern wir die ArbeiterInnenbewegungen zur größtmöglichen Unterstützung ihrer indischen Klassengeschwister im Kampf gegen die reaktionäre Modi-Regierung und zur Unterstützung des kaschmirischen Volkes im Kampf gegen dessen Unterdrückung auf. Wir sind der
Meinung, dass eine solche Unterstützung folgende Forderungen umfassen sollte:

  • Rücknahme des Gesetzes zur Reorganisation Jammus und Kashmirs und Rücknahme der Aufhebung von Artikel 370 durch Parlamente und Regierung!
  • Abzug aller nicht-staatlichen, paramilitärischen und militärischen Besatzungstruppen aus Kaschmir – auf beiden Seiten der Grenze!
  • Sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen! Sofortige Aufhebung aller Einschränkungen demokratischer Rechte und Freiheiten!
  • Für das Recht auf Selbstbestimmung des kaschmirischen Volkes und für eine verfassunggebende Versammlung für ganz Kaschmir, die über das Schicksal des Landes entscheidet!
  • Keine Unterstützung für die reaktionären Regime von Imran Khan und Narendra Modi! Schluss mit den Waffengeschäften mit den beiden Ländern! Materielle und politische Unterstützung für die ArbeiterInnenbewegung in Kaschmir, Indien und Pakistan!

Informationen über Solidaritätsaktionen: Stand with Kashmir

Berlin: Solidaritätskundgebung, Samstag, 10. August, 14.00, Brandenburger Tor




Die Krise der Europäischen Union

Die Krise der Europäischen Union, Liga für die Fünfte Internationale, Kapitel 1: Einleitung, Broschüre der Gruppe ArbeiterInnenmacht, April 2019

Auf ihrem Sondergipfel in Lissabon im März
2000 verpflichteten sich die Staats- und RegierungschefInnen der Europäischen
Union auf Initiative ihrer dominierenden Mächte Deutschland und Frankreich,
„Europa bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten
Wirtschaftsraum der Welt zu machen“. Zwei Jahrzehnte später ist die Europäische
Union stattdessen das „schwächste Glied“ in der imperialistischen Weltordnung
geworden. Tatsächlich wäre „Unordnung“ ein besserer Begriff für eine Welt
rivalisierender Mächte, die in Handelskriege, neue kalte und heiße Kriege
verwickelt sind und die sich weigern, irgendetwas Ernsthaftes zur Verhinderung
einer Klimakatastrophe und globaler Konflikte zu tun. Innerhalb der Union
selbst sind offene Kämpfe um die Art und Zukunft ihrer Verfasstheit
ausgebrochen, einschließlich des Versuchs der drittgrößten Volkswirtschaft
auszutreten.

Nur die ArbeiterInnenklasse, die soziale
Kraft, die heute weltweit größer ist als je zuvor, kann die drohenden
gesellschaftlichen, politischen, militärischen und ökologischen Katastrophen
stoppen – durch eine revolutionäre Machteroberung und einen sozialistischen
Produktionsplan. Doch die Führungen ihrer Massenorganisationen, der politischen
wie gewerkschaftlichen, haben sich wiederholt als unfähig erwiesen, sich diesen
Aufgaben überhaupt zu stellen, geschweige sie zu erfüllen.

Mit der Einführung des Euro um die
Jahrhundertwende und dem Lissabon-Vertrag im Jahr 2009 sollte der schon damals
größte Markt der Welt zu einem gemeinsamen europäischen Kapitalblock werden.
Das würde nichts Geringeres bedeuten als die politische und militärische
Vereinigung des Kontinents unter deutscher und französischer Herrschaft. Seine
führenden PolitikerInnen erklärten, wenn auch vorsichtig, dass sie zu den USA
aufschließen und sie weltweit herausfordern wollten.

Sie verabschiedeten eine Reihe von
Maßnahmen zur wirtschaftlichen Vereinheitlichung der EU:

  • die vollständige Umsetzung einer europaweiten, neoliberalen Agenda, die es den großen Monopolen ermöglichen sollte, alles zu übernehmen, was noch nicht privatisiert und kommerzialisiert worden war;
  • mehr „Reformen“ auf dem Arbeitsmarkt und in den Sozialsystemen durchzuführen, d. h. ein Programm zum Abbau der Arbeits- und Gewerkschaftsrechte, zur Erhöhung der Ausbeutung und zur Verringerung der Leistungen der Sozialversicherung und der „Lohnnebenkosten“, wodurch die Arbeitskraft sowohl in den wichtigsten imperialistischen Ländern als auch in den schwächeren halbkolonialen Staaten Ost- und Südeuropas massiv verbilligt werden sollte;
  • weitere Expansion der EU und der Eurozone unter der direkten Führung Deutschlands und der anderen führenden imerialistischen Mächte  mit dem Ziel, neu eintretende Länder zu einem halb-kolonialen Raum unter ihrer direkten Kontrolle zu machen.
  • das gesamte europäische Finanzsystem und die Finanz- und Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten einer stärkeren Kontrolle durch die Europäische Zentralbank (EZB) durch Europa-Abkommen und europäische Institutionen unterzuordnen, die ihrerseits von den großen und wettbewerbsfähigsten Mächten des Kontinents dominiert werden;
  • die Schaffung von „europäischen Champions“, also  großen Monopolen, die über die bestehenden nationalen Kapitalstrukturen hinausgehen und so Banken, Industrie- und Dienstleistungskonzerne bilden, die mit US-amerikanischen,  japanischen und chinesischen WettbewerberInnen konkurrieren können;
  • die Vereinheitlichung der europäischen Forschung und Entwicklung sowie der Bildungssysteme im Sinne des Ziels, den größten „wissensbasierten Wirtschaftsraum“ zu schaffen;
  • die Vereinheitlichung der Sicherheitsorgane, die Bildung europäischer Kampfverbände und verschiedene Schritte zur Bildung einer europäischen Armee;   
  • Ausweitung des freien Finanz-, Waren- und Arbeitskräfteverkehrs innerhalb der EU bei gleichzeitiger Versiegelung ihrer Grenzen durch gemeinsame Abkommen (Schengen, Dublin,…), um die so genannte Festung Europa zu schaffen.

All dies erforderte eine ideologische
Rechtfertigung wie die Schaffung eines Raums der „Demokratie“ und des
„Friedens“, des Fortschritts, des sozialen Wohlstands, der Menschenrechte und
in jüngster Zeit der weltweiten Führungsrolle bei der Bewältigung der
Umweltkrise.

Diese Ansprüche waren immer falsch. Vom
Vertrag von Rom bis zu den heutigen rassistischen Grenzkontrollen waren die EU
und ihre Vorgängerinnen stets Projekte der großen imperialistischen Mächte des
Kontinents, zunächst in enger Zusammenarbeit mit den USA, später aber in einem
zunehmend  konkurrenzorientierten
Verhältnis.

In den 1990er Jahren und sogar Anfang der
2000er Jahre war die EU eindeutig auf dem Vormarsch. Der Sieg des Westens im
Kalten Krieg öffnete Osteuropa für das europäische Großkapital, wobei der
deutsche Imperialismus eine Vorreiterrolle spielte. Die Wiedervereinigung
machte ihn zur mit Abstand stärksten Macht des Kontinents, weit vor seinen
französischen, britischen oder italienischen Partnern und Rivalen.

Der Aufstieg der EU war von der Allianz des
deutschen und französischen Imperialismus vorangetrieben worden, verkörpert in
der engen Zusammenarbeit zwischen Helmut Kohl und François Mitterrand, dann
zwischen Jacques Chirac und Gerhard Schröder. Sie verkörperten auch eine
europaweite Koalition zwischen Konservativen und SozialdemokratInnen, um das
europäische Projekt voranzutreiben.




Die Zauberlehrlinge

Die Krise der Europäischen Union, , Liga für die Fünfte Internationale, Kapitel 3, Broschüre der Gruppe ArbeiterInnenmacht, April 2019

Während die europäischen Staats- und
Regierungschefs in den 1990er und frühen 2000er Jahren die EU als ein schnell
voranschreitendes Projekt präsentierten, das die Bevölkerung mit „großen
Visionen“ bombardierte, sind diese Visionen in letzter Zeit verblasst und durch
Albträume von nationalen Gegensätzen, neu errichteten Grenzzäunen und der
Gefahr, dass andere Austritte dem Brexit folgen könnten, ersetzt worden.

Nur der französische Präsident Emmanuel
Macron präsentiert noch regelmäßig große „Pläne für Europa“, die aber bewusst
vage sind, wenn es um die Frage geht, wer diese Reformen finanziert und wie.
Deutschland weigert sich eindeutig, dies zu unterschreiben und für sie zu
bezahlen. Der Präsident der Kommission, Jean-Claude Juncker, Präsident Macron
und die immer noch zentrale Figur der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel
sind wie Zauberlehrlinge, die die Geister, die sie riefen, nicht mehr
loswerden. Indem sie die GriechInnen „mit gutem Beispiel vorangetrieben“ haben,
indem sie eine Reihe von Ländern, die so genannten PIIGS (Portugal, Irland,
Italien, Griechenland, Spanien), zu Sparpolitik zwangen und den in Wahlen und
Referenden zum Ausdruck gebrachten Volkswillen ignorierten, haben sie die
schlafenden Hunde des nationalen Chauvinismus und Rassismus geweckt.

Die RassistInnen und RechtspopulistInnen
wie der italienische Innenminister Matteo Salvini oder die führende
französische Oppositionspolitikerin Marine Le Pen sehen die Zeit gekommen, der
EU ihre rechtsgerichtete Agenda aufzuzwingen, eine Agenda, bei der sie außer
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wenig verbindet. Die nächste
Wirtschaftskrise, die Frage, wer die italienischen Schulden bezahlt, wird die
Einheit der verschiedenen NationalistInnen in Frage stellen. Jeden Tag zeigen
die EU-Institutionen, wessen „Kind“ sie sind, wessen Interessen sie bedienen
und vertreten, sicherlich nicht die der 512 Millionen EU-BürgerInnen, sondern
die Interessen des Kapitals.

Für die ArbeiterInnen dieses Kontinents,
die RentnerInnen, die Studierenden, die LandwirtInnen und die Arbeitslosen
haben der Binnenmarkt und die EU-Institutionen den Wettbewerb intensiviert, die
Löhne gedrückt, die Preise erhöht, die Sozialsysteme ruiniert und sie sind
somit voll verantwortlich für den Rechtsruck.

Für die großen Konzerne, die Banken und die
Reichen hat sich die EU ausgezahlt. Die Gewinne sind gestiegen, die Märkte und
alle wirtschaftlich Tätigen wurden wie nie zuvor ausgebeutet. Aber auch für das
Kapital brachte dies die Unterordnung der schwächeren Formationen unter die
wettbewerbsfähigeren oder deren Zusammenbruch.

Während sich das Großkapital wirtschaftlich
durch die EU deutlich stärken konnte, mussten die Ambitionen, eine Weltmacht zu
werden, fallen gelassen werden. Selbst gegen den krisengeschüttelten und
schwächer werdenden Welthegemon, den US-Imperialismus, kann sich die EU trotz
Trumps Beleidigungen und Drohungen nicht behaupten. Schwankende Schritte in
Richtung einer gemeinsamen Außenpolitik werden täglich durch die nationale
kapitalistische Realität der EU gestoppt, so dass sich die „Außenpolitik“ der
EU heute auf die Diplomatie unter ihren fraktionierten Mitgliedern beschränkt,
während diese unterschiedlichen kapitalistischen Interessen nach außen hin
einfach nicht vereint auftreten können.

Im Jahr 2019 hegen die meisten führenden
bürgerlichen PolitikerInnen keine „Visionen“ mehr für die EU. Nur die
Verteidigung eines bedrohten Status quo scheint als gemeinsames Ziel denkbar.
Als Ergebnis eines Jahrzehnts von Spar- und Krisenpolitik haben sich trotz der
Errungenschaften des gemeinsamen Binnenmarkts seit 2001 kapitalistische
Widersprüche angesammelt und eine Krise auf Leben und Tod für die Europäische
Union eröffnet.

Die Europawahlen 2019 werden diese
Widersprüche noch einmal deutlich machen und die verschiedenen bürgerlichen und
kleinbürgerlichen Kräfte werden aufzeigen, dass sie entweder keine Antwort auf
die Krise der EU geben können oder dass ihre „Antworten“ die EU in eine
reaktionäre Richtung zerreißen würden.

Die konservativen, liberalen und grünen
Parteien unterscheiden sich durch gegensätzliche Bindungen an die „europäische“
Einheit und an nationale Interessen, aber sie eint das Ziel, eine
kapitalistische Agenda mit leeren Reformversprechen zu verbinden. Sie
versuchen, sich als „demokratisches“ Bollwerk gegen die Rechte zu präsentieren
und bauen ihre eigene Politik auf den undemokratischen Institutionen der EU
auf.

Die Rechte, die bereits bei den EU-Wahlen
2014 massive Gewinne erzielte, ist das deutlichste Zeichen für bürgerlichen
Verfall und Zerfall. Verschiedene kleinbürgerliche Kräfte und auch Sektoren des
Großkapitals präsentieren Nationalismus, Chauvinismus und Rassismus als die
wichtigsten Antworten auf die wachsende imperialistische Krise. Der Rückzug auf
den nationalen Markt, den Staat und eine „ethnisch homogene“ oder „identitäre“
Vorstellung vom „Volk“ befeuern eine offene und aggressive Form des
Nationalismus. Aber jede herrschende Klasse, unabhängig von ihren
internationalen (imperialistischen) Interessen, muss auf den Nationalismus zurückgreifen,
um die Nation für ihr eigenes Interesse zu „vereinen“. Selbst die
faschistischen Gruppen kommen gestärkt aus ihren Löchern, bereit zu jeder noch
so schmutzigen Gewalt gegen die ArbeiterInnen, MigrantInnen und unterdrückten
Schichten, wenn sich die Krise verschärft.

In einer solchen Zeit können nur die
ArbeiterInnenklasse und die Unterdrückten die Einheit der arbeitenden Menschen
auf dem ganzen Kontinent gegen die RassistInnen und diejenigen, die bewusst
Spaltung und zukünftige Konflikte säen, bewahren und erweitern.

Dazu bedarf es einer international
koordinierten Politik und eines Aktionsprogramms gegen die anhaltenden Angriffe
und einer Antwort der ArbeiterInnenklasse auf die europäische Krise. Die
offiziellen FührerInnen der ArbeiterInnenbewegung scheuen davor zurück und
kokettieren sogar mit Nationalismus und Populismus. In der Vergangenheit haben
sie es versäumt, die Verteidigung gegen die Sparpakete zu organisieren und zu
generalisieren. Stattdessen haben sie den Konkurrenzbedürfnissen des nationalen
Kapitals und der „Sozialpartnerschaft“ nachgegeben. Vor den EU-Wahlen 2019
können wir beobachten, dass die sozialdemokratischen und Labour-Parteien
zwischen einer vorgetäuschten Form des europaweiten Sozialreformismus und einem
Schwenk zur nationalistischen Anpassung oszillieren. Die „Linksparteien“ sind
zwischen linkem Reformismus und Linkspopulismus gespalten. Dieses Versagen wird
von der „radikalen“, sozialistischen, kommunistischen Linken nicht
aufgegriffen. Im Gegenteil, einige versuchen, die Auflösung der EU von links
(Lexit) zu unterstützen, wie beim „Brexit“. Das Problem wird auch nicht durch
den kosmopolitischen paneuropäischen Populismus von Yanis Varoufakis
beantwortet. Was völlig fehlt, ist eine Perspektive des europäischen
Klassenkampfes, wie die EU mit Hilfe des Klassenkampfes bekämpft werden kann
und wie ein Europa ohne EU, Kapitalismus und den Rechtsruck aussehen könnte.




Europäisches Aktionsprogramm

Die Krise der Europäischen Union, Liga für die Fünfte Internationale, Kapitel 9, Broschüre der Gruppe ArbeiterInnenmacht, April 2019

Gegen Arbeitslosigkeit
und prekäre Beschäftigung

  • Für Massenstreiks bis hin zu Generalstreiks, um zu verhindern, dass Unternehmen und Regierungen uns den Preis für ihre Krise durch Massenentlassungen zahlen lassen.
  • Gegen alle Ausgliederungen und das Verdrängen von Vollzeitstellen durch Subunternehmen und Leiharbeit. Keine Lohnkürzung durch Kurzarbeit oder erzwungene Teilzeit!
  • Für ein massives Sofortprogramm gesellschaftlich nützlicher öffentlicher Arbeiten zur Schaffung von Vollbeschäftigung, Entwicklung der wirtschaftlichen und sozialen Infrastruktur und zur Wiederherstellung einer lebenswerten Umwelt. Die EinwohnerInnen der ArbeiterInnenbezirke, die mit akutem Mangel an sozialem Wohnraum, mit baufälligem Wohnungsbestand, heruntergekommenen Schulen, Mangel an Kindergärten, Arztpraxen und Kliniken konfrontiert sind, sollen eine Liste ihrer sozialen Forderungen erstellen, die ein solches Programm erfüllen soll.
  • Die öffentlichen Arbeiten sollen Teil eines demokratisch entwickelten Produktionsplans unter ArbeiterInnenkontrolle sein. Die Pläne sollten von den Beschäftigten dieser Sektoren zusammen mit denen der Bau-, Rohstoff- und Zulieferindustrie ausgearbeitet werden. Demokratisch gewählte GewerkschaftsvertreterInnen sollten für die Aufnahme von Arbeitslosen oder SchulabgängerInnen in das Programm verantwortlich sein und gemeinsam einen existenzsichernden Lohn durchsetzen. Die Kosten müssen die Banken und Unternehmen, die die Krise verursacht haben, tragen. Das Programm muss durch eine massive Steuererhöhung auf Einkommen und Vermögen der Reichen finanziert werden.
  • In Betrieben, in denen die Bosse versuchen, einen Teil der Belegschaft zu entlassen, fordern wir eine gleitende Skala der Arbeitszeit (Verkürzung der Arbeitsdauer, angepasst an das Ziel Vollbeschäftigung): Die Arbeit soll auf alle aufgeteilt werden, ohne Lohnausfall.

Die Unternehmen nutzen
die Krise, um die Reallöhne zu senken und die prekären Arbeitsbedingungen
auszuweiten. Millionen wurden bereits in Armut und Unsicherheit getrieben, was
unsere kollektive Stärke untergrub. Davon werden in der nächsten Krise mehr
Menschen bedroht sein. Wir fordern:

  • Ein von der ArbeiterInnenbewegung jeweils national festgelegter Mindestlohn auf einem Niveau, das die LohnempfängerInnen vor Armut schützt und das über der europäischen Mindestlohngrenze liegt.
  • Eine gleitende Lohnskala (fortlaufende Anpassung an die Preise) zum Schutz des Lohns vor Inflation.
  • Die Gewerkschaften müssen einen grenzüberschreitenden Kampf beginnen, um das Lohnniveau in allen Ländern auf höherem Niveau anzugleichen. Das ist die Antwort der ArbeiterInnenklasse auf den „Wettlauf nach unten“: ein Wettlauf nach oben, der auf internationaler Solidarität basiert, und nicht Versuche, „ausländische“ Werktätige zu vertreiben oder StaatsbürgerInnen gegenüber MigrantInnen zu privilegieren.
  • Für eine 30-Stunden- und eine 4-Tage-Woche jetzt, als gesetzlich vorgeschriebenes Maximum ohne Lohnausfall.
  • Gegen alle Zwangsarbeitssysteme für Arbeitslose oder Regeln, nach denen niedrigere Löhne gezahlt werden können und die einen geringeren Rechtsschutz für dort Angestellte bieten. Echte Jobs für Arbeitslose, nicht Arbeitsmodelle, die arm machen.
  • Alle Beschäftigten in Leiharbeit, erzwungener Teilzeit, Werksverträgen und auslernende Auszubildende sollen einen unbefristeten Vertrag zu vollen Tarifbedingungen erhalten.
  • Für die Verstaatlichung bankrotter Unternehmen statt staatlicher Rettungsaktionen. Anstelle der Billionen-Euro-Beihilfen für Banken und Unternehmen sollten die Banken, die Großkonzerne und alle Unternehmen, die Entlassungen ankündigen, ohne Entschädigung und unter ArbeiterInnenkontrolle verstaatlicht werden.

Vom heutigen Kampf der
Frauen bis zur vollständigen Befreiung

Das Patriarchat und die
Dominanz der Männer im politischen, wirtschaftlichen, familiären und privaten
Leben macht Männer, einschließlich derjenigen der ausgebeuteten Klassen, zu
Begünstigten und Agenten der Frauenunterdrückung. Männlicher Sexismus ist
jedoch gleichzeitig den Interessen der Männer der ArbeiterInnenklasse
abträglich und behindert den täglichen Klassenkampf und das Ziel des
Sozialismus. Es kann keinen Sozialismus ohne Frauenbefreiung geben.

Zugleich wird nur die
Abschaffung des Kapitalismus, der letzten Form der Klassengesellschaft, die
Frauen endlich befreien. Diese gemeinsame Aufgabe ist die der gesamten
ArbeiterInnenklasse und all jener, die sich aus anderen Klassen für ihre Sache
einsetzen. Deshalb können wir den Ausschluss von Frauen, auch durch Passivität
und Ignoranz, von jedem Aspekt des Klassenkampfes nicht tolerieren. Heute
müssen und können wir, als Frauen und Männer gemeinsam, Millionen Menschen im
Kampf gegen die vielen Formen der Frauenunterdrückung, in Staat, Wirtschaft und
in den Organisationen der ArbeiterInnenklasse mobilisieren.

In den letzten zehn
Jahren haben die Regierungen den Bankiers riesige Subventionen verschafft und
dann massive Kürzungen bei den sozialen Leitungen vorgenommen. Diese trafen die
Arbeiterinnen doppelt hart: erstens als Mehrheit der Beschäftigten in Bildung
und Erziehung von Kindern,  in der
Betreuung von Kleinkindern, Kranken und Älteren; zweitens in der Familie, wo
sie die unbezahlte Arbeit der Betreuung von Menschen übernehmen müssen, deren
Pflege der Staat aufgegeben hat.

Millionen von Frauen in
Europa wird nach wie vor die Möglichkeit einer gut bezahlten Lohnarbeit
verwehrt. Diejenigen, die in die Arbeitswelt eintreten können, werden oft in
die am schlechtesten bezahlten Berufe gezwungen und leiden weiterhin unter
Diskriminierung bei der Bezahlung, wobei sie oft wesentlich weniger für genau
die gleiche Arbeit verdienen als Männer. Arbeitsunterbrechungen durch
Schwangerschaften und Kinderbetreuung in den ersten Jahren werden genutzt, um
Löhne, Gehälter und Renten von Frauen zu drücken.

In jeder Rezession und
Krise erhöhen Armut und die Verzweiflung über Massenarbeitslosigkeit den
körperlichen und geistigen Missbrauch von Frauen, einschließlich Vergewaltigung
und häuslicher Gewalt. Auch hier sind die Mittel zur Bewältigung dieser
Probleme, wie z. B. Frauenhäuser, Opfer von Sparmaßnahmen geworden. Aber mit
zunehmender Unterdrückung wächst auch der Widerstand der Frauen. Die
#Me-Too-Bewegung in den USA verbreitete sich weltweit, auch in Europa, und
machte das allgegenwärtige Ausmaß der sexuellen Belästigung deutlich, unter der
Frauen am Arbeitsplatz und im öffentlichen Leben leiden. Wichtige Teile der
vermeintlich revolutionären Linken haben sich als davon nicht immun erwiesen,
bei all ihren Bekundungen zur Unterstützung des Feminismus und der Frauenbefreiung.

Frauen der
ArbeiterInnenklasse sind nicht nur mit einer Verschlechterung ihrer
Lebensbedingungen konfrontiert, sondern auch mit einer Propagandaoffensive der
Rechten, die verkünden, dass der Platz einer „Frau im Haus“ sei. Dies geht Hand
in Hand mit Maßnahmen zur Einschränkung der reproduktiven Rechte von Frauen. In
einigen Staaten der Europäischen Union, wie Polen, wo die Kirche noch immer
einen enormen Einfluss auf Bildung und Gesundheit hat, sind Abtreibungen für
die überwiegende Mehrheit der Frauen schwierig bis unmöglich.

Der erdrutschartige Sieg
des irischen Referendums (zur Abtreibung) im Mai 2018 und Polens „Schwarzer
Montag“, die Mobilisierungen von Frauen im Jahr 2016, zeigen jedoch, dass
Massenkampagnen sich der tief verwurzelten Macht der Kirchen und anderer
ReaktionärInnen widersetzen und sie sogar brechen können.

Die Wahl von Donald
Trump, berüchtigt wegen seiner Frauenfeindlichkeit und seiner Übergriffe, und
Jair Bolsonaro zum Präsident Brasiliens hat ReaktionärInnen in ganz Europa ermutigt.
Die Welle des Massenwiderstandes in Nord- und Südamerika hat jedoch die Idee
und Praxis gleichzeitiger globaler Mobilisierungen wie den Internationalen
Frauenstreik gefördert.

  • Verteidigt das Recht der Frauen auf Arbeit!
  • Verteidigung der sozialen Leistungen gegen Kürzungen in Kindergärten und bei der Kinderbetreuung und Kampf gegen die Schließung von Zufluchtsorten vor Vergewaltigung und häuslicher Gewalt. Für eine angemessene Unterstützung für die Pflege älterer und gebrechlicher Menschen im Haushalt!
  • Wiederverstaatlichung privatisierter Dienstleistungen, einschließlich kostenloser Kinderbetreuung, Zugang zu Gesundheit und Bildung für alle unter ArbeiterInnenkontrolle!
  • Für volle Lohngleichheit zwischen Männern und Frauen, mit erhöhtem Mutterschafts- (oder Vaterschafts-) Urlaub ohne Verlust von Lohnerhöhungen oder Rentenansprüchen!
  • In jedem europäischen Land fordern wir den uneingeschränkten Zugang aller Frauen zu freier Empfängnisverhütung und Abtreibung auf Verlangen. Der Ausschluss des Einflusses der Kirche auf diese Sphären bleibt in vielen Ländern eine wesentliche demokratische Forderung, ebenso wie die kollektive Kontrolle über die Einrichtungen zur Geburtenkontrolle durch ihre Nutzerinnen und die ArbeiterInnenorganisationen.
  • Verteidigung, Wiederherstellung und Ausbau der Sozialdienste und -leistungen, keine Rückkehr in die häusliche Isolation!
  • Für eine Massenmobilisierung unter dem Motto: Die Frauen werden für die soziale Krise des Kapitalismus nicht bezahlen!
  • Eine radikale Veränderung der Art und Weise, wie das Polizei- und Justizsystem mit Opfern von Vergewaltigung und häuslicher Gewalt umgeht, bei der nicht die Betroffenen vor Gericht stehen, sondern die Täter.
  • Eine Kampagne, um die Anstachelung von Gewalt und Diskriminierung gegen Frauen zu stoppen. Öffentliches Anprangern von allen Formen der Erniedrigung, die von der Millionärspresse oder den Social- und Online-Medien kommen.
  • Ausweitung der Frauenausschüsse in den Gewerkschaften und Parteien der ArbeiterInnenklasse sowie Stärkung derer Rechte. Durchsetzung der gleichberechtigten Beteiligung von Frauen an der Führung. Bekämpfung sexistischer Praktiken und jedes Missbrauchs.
  • Unser Ziel, untrennbar mit dem Sturz der kapitalistischen Herrschaft verbunden, ist die vollständige Vergesellschaftung von Kinderbetreuung und Hausarbeit, die volle Gleichstellung der Geschlechter und das Absterben auch der letzten Spuren des Patriarchats.

Jugendliche an der Spitze
der Kämpfe

Die Wurzel der
Unterdrückung der Jugend liegt in der Familie. In der bürgerlichen Familie ist
das Kind fast völlig rechtlos und dem Diktat der Eltern unterworfen, eine
Situation, die die Beziehungen zwischen Kindern und Eltern vergiftet.
Jugendliche, die ihre eigenen persönlichen und sexuellen Beziehungen aufbauen,
ihre eigenen Interessen verfolgen und irgendwann ihr eigenes Leben gestalten
wollen, müssen die Autorität von Eltern, Schule und Polizei in Frage stellen.

Infolgedessen stehen
junge Menschen an vorderster Front im Kampf um die Freiheit, und die ersten Jahrzehnte
des neuen Jahrtausends haben viele eindrucksvolle Beispiele dafür erlebt. Sie
bildeten die Massenbasis der antikapitalistischen und Antikriegsbewegungen in
den frühen 2000er Jahren. Der Selbstmord eines jungen tunesischen
Straßenhändlers, der gegen Erpressung und Schikanen der Polizei protestierte,
löste 2010/2011 eine Revolution aus, die den autoritären Führer des Landes
vertrieb und den Arabischen Frühling in Ägypten, Libyen, Jemen, Bahrain und
Syrien einleitete. Mit Hilfe der so genannten sozialen Medien organisierten
Jugendliche eine Welle von Straßenmobilisierungen und Platzbesetzungen, die
sich auf Europa und Nordamerika ausbreitete.

Die Besetzung des
Tahrir-Platzes in Kairo wurde von 2010 bis 2015 von den Indignados in Spanien
und in Italien, Portugal und Griechenland kopiert. Im Jahr 2010 motivierten
Kürzungen in der Bildung als Teil der neoliberalen kapitalistischen
Sparmaßnahmen Universitäts- und CollegestudentInnen, das Parlament in
Großbritannien zu belagern. In vielen Generalstreiks standen junge Menschen an
vorderster Front, um sich den Sparpaketen zu widersetzen, die in der Spitze
dazu führten, dass die Jugendarbeitslosigkeit fast 50 Prozent betrug.

Im Jahr 2018
organisierten junge PalästinenserInnen den Rückkehrmarsch in Gaza, bei dem 200
unbewaffnete DemonstrantInnen von israelischen ScharfschützInnen erschossen
wurden. Schulstreiks, die von der 16-jährigen schwedischen Klimaaktivistin
Greta Thunberg initiiert wurden, lösten 2019 in Deutschland und Großbritannien
direkte Massenaktionen und eine sich weltweit ausbreitende Bewegung aus. Im
Jahr 2019 kam es auch zu Massendemonstrationen junger Menschen in Algerien, die
die 20-jährige Herrschaft von Abd al-Aziz Bouteflika beendeten, gefolgt von
einem Massenaufstand im Sudan, bei dem sich junge Menschen, Frauen und
GewerkschafterInnen zusammenschlossen, um das Ende des gesamten
militärisch-bürokratischen Regimes zu fordern.

Fast ein Jahrzehnt nach
der großen Krise ist die Arbeitslosigkeit, trotz der anhaltenden
wirtschaftlichen Erholung, für die 15- bis 24-Jährigen hoch: in Griechenland
39,9 Prozent, in Italien 32,2 Prozent, in Spanien 34,4 Prozent und  in Frankreich 20,8 Prozent.

Die Mehrheit der
Erwerbstätigen ist in prekären Arbeitsverhältnissen tätig, mit befristeten
Verträgen, Null-Stunden oder erzwungenen Teilzeitverträgen, und mit einem
deutlich schwächeren rechtlichen Schutz als andere Beschäftigte. Firmen wie
Amazon, Deliveroo und Uber beuten junge ArbeiterInnen übermäßig aus. Staatliche
Ausbildungsprogramme zahlen Hungerlöhne und garantieren am Ende keinen
Arbeitsplatz. Auf der Straße werden junge Menschen von der Polizei aufgegriffen
und belästigt.

In den Schulen werden die
Ungleichheiten und Machtstrukturen der Gesellschaft reproduziert und
gerechtfertigt, denn dieses „Lernen fürs Leben“ bedeutet im Kapitalismus,
jungen Menschen das Recht auf Teilnahme an der Entscheidungsfindung zu
verweigern und sie einer willkürlichen Disziplin zu unterwerfen.

Wir sind gegen jede
religiöse oder private Kontrolle des Schulwesens und kämpfen für eine säkulare,
staatlich finanzierte Bildung. Die Lehrpläne sollen von den LehrerInnen, Eltern
und SchülerInnen selbst festgelegt und die Schulen demokratisch verwaltet
werden. Junge Frauen müssen Zugang zur Geburtenkontrolle und das Recht haben,
unerwünschte Schwangerschaften abzubrechen. Wir brauchen Jugend-, Sport-
und  Kulturzentren und den Zugang
zu angemessenen Wohnungen, die vom Staat finanziert werden und unter der
demokratischen Kontrolle der NutzerInnen und der dort beschäftigten
ArbeiterInnen stehen.

  • Kostenlose Bildung für alle, Stipendium, Abschaffung der Studierendendarlehen für einheimische und ausländische Studierende.
  • Ein Ende jeder Trennung und Diskriminierung in der Schule aufgrund von Geschlecht, Rasse oder Religion! Nein zu religiösen Schulen! Für Bildung, keine Indoktrination!
  • Verstaatlichung aller Privatschulen ohne Entschädigung, werft die ProfiteurInnen raus!
  • Demokratisierung der Schulen, Hochschulen und Universitäten unter Beteiligung von SchülerInnen-, Studierenden-, Eltern-, LehrerInnen- und Hilfskräftekomitees zur Planung von Bildung und Verwaltung! Für SchülerInnen- und Studierendengewerkschaften in Schulen und Hochschulen!
  • Sozialzentren für junge Menschen unter der demokratischen Kontrolle derjenigen, die sie nutzen und in ihnen arbeiten!
  • Für einen Lebensunterhalt, Verpflegung und Unterkunft für alle SchülerInnen und Studierenden.

Die demokratischen Rechte
junger Menschen müssen gestärkt werden, mit dem Recht, mit 16 oder früher zu
wählen, wenn sie arbeiten. Diejenigen, die alt genug sind, um zu arbeiten, sind
alt genug, um zu wählen! Keine Zwangsrekrutierung junger Menschen in
kapitalistische Armeen, aber die Ausbildung im Umgang mit Waffen soll für alle
zugänglich sein.

  • Nulltoleranz gegenüber Kindes-, sexuellem oder körperlichem Missbrauch, harte Strafen für Prügel und Grausamkeiten! Abschaffung der Gesetze gegen einvernehmlichen Sex zwischen jungen Menschen!
  • Sexualaufklärung im Kampf gegen Frauenfeindlichkeit, Lesben-/Schwulenhass und Transphobie!
  • Volle StaatsbürgerInnenschaftsrechte mit 16 Jahren, einschließlich des Wahlrechts!
  • Für das Recht auf Arbeit! Schafft Arbeitsplätze, indem die Stunden verkürzt werden, mit vollem Lohnausgleich!

Wo immer reformistische
ParlamentarierInnen oder GewerkschaftsfunktionärInnen es für notwendig halten,
junge Menschen zu organisieren, in angegliederten Jugendorganisationen oder
-bewegungen, versuchen sie immer zu verhindern, dass sie ihre eigenen
Forderungen äußern. Aufgrund der spezifischen Situation der Jugendlichen und
des Charakters ihrer Unterdrückung wird eine wirklich revolutionäre Partei die
Jugendorganisation niemals als untergeordnete Jugend-Abteilung unter der
Vormundschaft erwachsener „FührerInnen“ behandeln. Stattdessen muss sie sich
für die organisatorische und politische Unabhängigkeit der Jugendbewegung
einsetzen, die in der Lage ist, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, ihre
eigene Tätigkeit zu bestimmen, über ihre eigene Politik zu diskutieren und
entscheiden und gegebenenfalls die „erwachsene“ Partei zu kritisieren, die
wiederum das Recht hat, sie zu kritisieren. Nur so können junge Menschen sowohl
aus ihren Fehlern als auch aus ihren Erfolgen lernen.

Kämpfe für Umwelt,
Ressourcen, Nahrung und Klima!

Der Kapitalismus selbst
hat jene Sitation geschafffen, die zu einer globalen Umweltkatastrophe zu
führen droht. Die Wiederbelebung der akuten inter-imperialistischen Rivalität,
der verschärfte Wettbewerb und die 
Handelskriege machen praktisch unmöglich, dass die kapitalistischen
Staaten in der aktuellen Periode die Gefahr einer globalen Klimakatastrophe
angehen oder gar lösen können. Um unsere natürliche Umwelt vor Verschmutzung,
Überschwemmungen, Waldbränden, Wüstenbildung, Hungersnöten und dem Verlust der
biologischen Vielfalt zu schützen, muss die Produktion von der Geißel des
Profits und der Anarchie des Marktes befreit werden. An ihrer Stelle muss eine
nachhaltige Produktion von Energie, Nahrung, Rohstoffen und Verkehr auf
lokaler, regionaler und internationaler Ebene geplant werden.

Ohne schnelles und
entschlossenes Handeln wird der Klimawandel die Reproduktion der Menschheit
selbst gefährden. Während sich die europäischen herrschenden Klassen als „grün“
präsentieren und empört sind über Trump und seinen Ausstieg aus den „Pariser
Klimaabkommen“, wollen sie selbst nur, dass andere für ihr Versagen bei der
Bewältigung der aktuellen Krise bezahlen. Sie verteidigen nicht die Umwelt und
die Zukunft der Menschheit, sondern die Gewinne der Großindustrie, der Monopole
im Automobil-, Öl-, Transport- und Energiesektor. Während sie gegenüber den von
Katastrophen, Überschwemmungen, Wüsten und Wasserknappheit bedrohten
halbkolonialen Ländern Lippenbekenntnisse ablegen, wollen sie eigentlich die
Kosten des Klimawandels auf die Armen, die ausgebeuteten Länder, die
Bauern-/Bäuerinnenschaft und die ArbeiterInnenklasse abwälzen.

Gleichzeitig beginnen
Millionen von Menschen zu erkennen, dass wir einen Systemwechsel brauchen, um
den Klimawandel zu stoppen. Die grünen, bürgerlichen, kleinbürgerlichen
und  reformistischen FührerInnen der
Bewegung verstehen jedoch nicht den Charakter des Systems, des Kapitalismus,
und damit des Mittels, ihn zu stürzen, den Klassenkampf. Um die Umweltfrage
anzugehen, sind sofortige und entschlossene Maßnahmen auf nationaler,
europäischer und globaler Ebene erforderlich.

  • Schnellstmöglicher, geplanter Ausstieg aus nuklearen und fossilen Brennstoffen in der Energieerzeugung; für massive Investitionen in erneuerbare Energien, um die Probleme der Energiespeicherung zu lösen!
  • Für massive Investitionen in ein öffentliches Verkehrssystem auf europäischer Ebene, um den Individualverkehr zu ersetzen und gleichzeitig die Verkehrssysteme in den Gemeinden, in der Stadt und auf dem Land, auf nationaler und europäischer Ebene zu erhalten und zu verbessern!
  • Verstaatlichung ohne Entschädigung aller großen Monopole im Energie- und Verkehrssektor. Verstaatlichung der Forschung und ihre Neuausrichtung auf die Bedürfnisse der Massen und eine nachhaltige Umwelt!
  • Ein Investitionsplan für die Umweltreparatur, Energieeinsparung in Wohnen und Produktion.
  • Lasst die KapitalistInnen für den ökologischen Wandel bezahlen! Keine „grünen“ indirekten Massensteuern, sondern eine massive Besteuerung von Gewinnen und Vermögen!

Verteidigt
gewerkschaftliche, bürgerliche und demokratische Rechte

Der Kampf gegen den
Terrorismus wurde als Vorwand benutzt, um unsere demokratischen Rechte
anzugreifen, einschließlich einer längeren Untersuchungs- oder Schutzhaft von
Verdächtigen („GefährderInnen“) ohne Beistand von AnwältInnen oder Erscheinen vor
HaftrichterInnen. Die polizeiliche Überwachung der Bevölkerung unter dem
Vorwand der Sicherheit wurde enorm verstärkt, da alle Formen der Kommunikation
jetzt offen für Spionage sind. Das Recht auf Versammlungs- und
Demonstrationsfreiheit wurde eingeschränkt, und die Polizeikräfte haben neue
Gesetze erhalten, um gegen protestierende ArbeiterInnen und migrantische
Bevölkerungsgruppen vorzugehen.

  • Aufhebung aller so genannten Anti-Terror-Gesetze und polizeilichen Befugnisse, um die rechtlichen Aktivitäten der BürgerInnen zu überwachen.
  • Keine Inhaftierung ohne Prozess.
  • In den meisten europäischen Ländern leiden die Gewerkschaften unter schweren rechtlichen Fesseln, die den Widerstand der ArbeiterInnen behindern. Schwerfällige Abstimmungssysteme, Abkühlungsfristen oder Zwangsschlichtungen verzögern eine sofortige Reaktion auf Arbeitsplatzabbau oder Massenentlassungen. Politische Streiks, d. h. Streiks gegen die Regierungspolitik, sind in den meisten Ländern verboten, und in Italien und Frankreich droht die Einführung von Streikverboten in „wesentlichen Diensten“.
  • Aufhebung aller Gesetze, die das Streik- und Organisationsrecht einschränken. Für das Streikrecht.
  • Gesetzlich durchsetzbares Recht auf Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft: für die sofortige Wiedereingliederung und Entschädigung von ArbeiterInnen, die wegen der Ausübung dieses Rechts entlassen wurden.

Kampf dem Rassismus und Faschismus!

Das Wachstum der
Massenarbeitslosigkeit und der Verzicht auf Widerstand führen zu rassistischer
Sündenböckensuche in Gestalt von Minderheiten und zur Zunahme des Faschismus.
Gegen das Wachstum der rassistischen Rechten und der FaschistInnen! Kämpfen wir
für:

  • Aufhebung aller Beschränkungen des Rechts der ArbeiterInnen, sich auf der Suche nach Arbeit durch Europa zu bewegen! Gegen alle Einreisekontrollen. Nieder mit dem Schengener Abkommen, mit Frontex und der EU-Polizei im Mittelmeerraum! Annullierung des Abkommens mit der Türkei, das Flüchtlinge davon abhalten soll, nach Europa zu kommen! Für volle StaatsbürgerInnenrechte für, einschließlich der gleichen Berechtigung auf Arbeit, des gleichen Aufenthaltsrechts, des gleichen Zugangs zu Sozialleistungen, der Gesundheitsversorgung, der Bildung, der vollen politischen Rechte, einschließlich des Wahlrechts! Für offene Grenzen: für das uneingeschränkte Recht auf politisches Asyl und auf Arbeit!
  • Massenaktionen, um die Verbreitung der Hass-Propaganda von FaschistInnen und rassistischen PopulistInnen zu unterbinden, und zur Bekämpfung und Beendigung gewalttätiger Angriffe auf MigrantInnen und ethnische Minderheiten. Die ArbeiterInnenbewegung sollte alle unterstützen, die sich gegen Pogrome, rassistische und faschistische Gewalt verteidigen, und die Führung bei der Organisation einer ArbeiterInnen- und Volksverteidigungsmiliz übernehmen. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass die Polizeikräfte und Justizsysteme des kapitalistischen Staates dies tun, denn ihre oberste Priorität ist die Verteidigung der Klasseninteressen der Herrschenden.
  • Obwohl der Faschismus heute wächst, indem er sich als „respektable“ demokratische Partei ausgibt, greift er in vielen Ländern immer noch zu Straßenmärschen und gewalttätigen Provokationen, um MigrantInnen, Roma, Muslima/e, nationale Minderheiten, schwarze und asiatische Gemeinschaften und Juden/Jüdinnen einzuschüchtern. Dies sind zudem auch vorbereitende Manöver, um der KapitalistInnenklasse seine Fähigkeit zum Bürgerkrieg gegen die organisierte ArbeiterInnenklasse, seinen Nutzen beim Streikbruch und Einschüchtern der Linken zu zeigen, genau wie Mussolinis Schwarzhemden und die Nazi-SA in den 1920er und 30er Jahren. Das oberste Ziel des Faschismus ist die Atomisierung der ArbeiterInnenbewegung. Wir müssen jetzt für eine massenhaft vereinte Aktion der ArbeiterInnenklasse kämpfen, um die faschistischen Organisationen zu zerschlagen, bevor sie dazu umgekehrt in der Lage sind.
  • Gleichzeitig senden wir den Massen – entlassenen ArbeiterInnen, der Jugend ohne Arbeit, den Familien ohne Sozialwohnung – eine Botschaft des Kampfes, die sich nicht gegen Sündenböcke richtet, sondern gegen die wahren UrheberInnen ihrer Entbehrungen, die KapitalistInnen. Wir antworten auf die konterrevolutionäre Verzweiflung von Rassismus und Faschismus mit der revolutionären Hoffnung auf den Kampf für den Sozialismus.
  • Für gleiche Rechte bei der Verwendung von Sprachen: keine obligatorischen Amtssprachen. MigrantInnenkinder sollten, wo immer möglich, ihre Muttersprache in den Schulen verwenden und die Sprache des Gastlandes erlernen können. Der Unterricht in Schulen und Universitäten sollte in den Sprachen der in der Region lebenden Menschen erfolgen; ebenso sollten sie in den öffentlichen Institutionen ihre Sprache verwenden können. Für eine massive Einstellung von LehrerInnen und ArbeiterInnen im öffentlichen Dienst mit Migrationshintergrund und mit entsprechenden Sprachkenntnissen, um dies zu ermöglichen.
  • Für die Integration von MigrantInnen in die ArbeiterInnenbewegung, sowohl in Gewerkschaften als auch in politische Parteien, auf der Grundlage der Gleichberechtigung und in Kampagnen gegen ihre Unterdrückung und Ausbeutung. Für die Schaffung einer gemeinsamen Kampfkultur, die auf Internationalismus, Unabhängigkeit der ArbeiterInnenklasse und Solidarität beruht.

Nein zu einem
imperialistischen Superstaat!

Das Ende der Hegemonie
der Vereinigten Staaten als Weltwirtschaftsmacht sowie ihre Entschlossenheit,
keine echten Herausforderungen ihrer absoluten militärischen Dominanz durch
China und Russland zu dulden, hat zu einer zunehmenden Rivalität zwischen
Amerika, der Europäischen Union, Russland und China geführt. Die europäischen
ArbeiterInnen, die sich zwar gegen die von den USA geführten Aktionen wie die
Invasion und Besetzung Afghanistans und des Irak, ihre begrenzten
Interventionen in Syrien oder ihre Drohungen gegen den Iran stellen, dürfen
nicht in einen europäischen Patriotismus hineingezogen werden, in das Projekt
des Aufbaus eines vereinten europäischen imperialistischen Staates, mit seiner
eigenen Armee und seinem eigenen Projekt der Dominanz von Einflussbereichen in
der ganzen Welt.

Die Propaganda der EU
behauptet, dass eine solche neue europäische Supermacht eine friedlichere,
demokratischere oder „sozialere“ Weltmacht wäre als ihre RivalInnen. Das ist
eine völlige Täuschung, die SozialdemokratInnen, Labour, die Linksparteien und
die Gewerkschaften gemeinsam mit den Bossen verbreitet haben.

Ein europäischer
Superstaat wäre eine imperialistische Macht, die das Ziel der europäischen
KapitalistInnen zur Neuaufteilung der Märkte und Ressourcen der Welt verfolgt.
Eine solche Neuaufteilung mag mit einem verschärften Wettbewerb um den Handel
und gegenseitigen Vorwürfen des „Protektionismus“ beginnen, aber das zwanzigste
Jahrhundert hat gezeigt, wie dies endet – in ungemein zerstörerischen
Weltkriegen. Wir müssen unsere Ablehnung dieser schrecklichen Perspektive jetzt
beginnen, indem wir uns gegen die Schaffung einer Militärmacht der Europäischen
Union aussprechen, auch wenn sie bisher nur in embryonaler Form existiert.
Aktuell gibt es die unter dem NATO-Dach nach Afghanistan entsandten
Streitkräfte und die verschiedenen „humanitären Kräfte“, die für Interventionen
in Afrika aufgestellt wurden.

Die ArbeiterInnenbewegung
sollte sich ihnen allen widersetzen. Aber wir sollten uns auch gegen die
Ausweitung „unserer“ nationalen Streitkräfte und gegen die Rekrutierung von
Jugendlichen an Schulen wenden, unter denen, die eine allgemeine und berufliche
Bildung, Vollzeitarbeit suchen oder einfach nur die „Welt sehen wollen“. Kurz
gesagt, allen, denen diese Ziele im Alltag des Kapitalismus missgönnt werden.
Wir fordern den sofortigen Abzug aller im Ausland stationierten Streitkräfte
und aller Ausgaben für die imperialistischen Streitkräfte. Wir wiederholen den
alten sozialistischen Slogan, der immer noch ein Leitfaden dafür ist, wie man
auf Forderungen zur Verteidigung des kapitalistischen Vaterlandes reagieren
kann: keinen Cent, keine Person für die Verteidigung dieses Systems.

Wir unterstützen den
Widerstandskampf der Völker auf der ganzen Welt gegen die europäischen
Besatzungstruppen, zum Beispiel in Afghanistan und im Tschad. Die Niederlage
der EU-Truppen in diesen Ländern wäre ein Sieg für die ArbeiterInnen und
Volksmassen der Welt, ein Schlag gegen den Imperialismus. Wir fordern den
sofortigen Rückzug aller europäischen Truppen und die Schließung der
Militärbasen aller europäischen Mächte in Übersee.

  • Rückzug aller europäischen Streitkräfte aus Afghanistan und aus Mali zurück – Nato auflösen!

Transformation der
Wirtschaft

Die Berge von „toxischen“
Schulden, die von MilliardärInnen angesammelt wurden, dürfen nicht den
SteuerzahlerInnen der ArbeiterInnenklasse aufgehalst werden. Die Unternehmen,
die in Produktion und Verteilung operieren oder nützliche Dienstleistungen
erbringen, deren EigentümerInnen sie in den Ruin getrieben haben, müssen durch
die entschädigungslose Übernahme in Staatseigentum „gerettet“ werden. Ihre
Bilanzen müssen veröffentlicht, das Geschäftsgeheimnis gegenüber ArbeiterInnen
und VerbraucherInnen abgeschafft und die Buchführung, Bilanzen und
Unternehmenspläne vollständig offengelegt werden.

  • Nein zu den Bankenrettungsaktionen. Nein zu Rettungsaktionen der Industriemonopole auf der Grundlage von Rationalisierungen und Schließungen. Übernehmt alle Banken ohne Entschädigung und verschmelzt sie zu einer einzigen Staatsbank! Anstelle von Subventionen für Unternehmen fordern wir die entschädigungslose Enteignung der Großindustrie, der Kommunikationssysteme und der Medien, der industriellen Landwirtschaft und der Einzelhandelskonzerne. Die Rentenfonds der KleinsparerInnen und ArbeiterInnen sollten durch Staatsanleihen oder die Konsolidierung zu einem sicheren, lebensfähigen Einkommen über das staatliche Rentensystem gesichert werden.
  • Für einen europaweiten Produktionsplan, der auf einem System integrierter Pläne auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene basiert. Alles sollte demokratisch von ArbeiterInnen und VerbraucherInnen ausgearbeitet und beschlossen und unter der Leitung der ArbeiterInnen in Produktion und Vertrieb umgesetzt werden.
  • Ein Ende der geschäftlichen und bürokratischen Geheimhaltung. Die Banken hielten ihre dubiosen Geschäfte im Dunkeln und ruinierten viele ihrer KundInnen und KleinsparerInnen, aber dann ließen sie uns den Preis für die Rettungsaktion zahlen. Öffnet die Konten und die Bilanzen der Banken, Unternehmen, des Staates und der EU-BürokratInnen zur Einsichtnahme durch die ArbeiterInnen und die Öffentlichkeit!

Eine Planwirtschaft
könnte systematisch die Ungleichheiten in ganz Europa beseitigen, Ressourcen
und Reichtum transferieren, um das Niveau der Länder im Osten zu erhöhen, die
sich über Jahrzehnte in der Unterentwicklung befanden, und so den Boden
untergraben, auf dem Nationalismus und Reaktion gedeihen können.

Nein zur
imperialistischen EU! Für Vereinigte Sozialistische Staaten von Europa!

Selbst wenn die heutige
Europäische Union in der Lage wäre, große Schritte in Richtung eines föderalen
imperialistischen Superstaates zu verwirklichen, wäre dies kein Gewinn für die
ArbeiterInnen und Unterdrückten innerhalb Europas, geschweige denn für unsere
Klassenschwestern und -brüder außerhalb der Mauern der „Festung
Europa“.

Daher sollten sich die
Bewegungen der ArbeiterInnenklassen des Kontinents gegen die Europäische Union
als eine Vereinigung stellen, die versucht, den deutschen und französischen
Imperialismus in ihrem wirtschaftlichen Wettbewerb und ihrer militärischen
Schlagkraft gegenüber anderen imperialistischen Mächten, den USA, China,
Russland, Japan zu stärken – und somit und ihre Fähigkeit, die ArbeiterInnen
der ganzen Welt auszubeuten.

Wir stehen zu den Worten
des Kommunistischen Manifests, dass die ArbeiterInnenklasse kein Vaterland  hat und, wie wir hinzufügen können,
auch keinen Kontinent. Die Politik unserer Klasse muss konsequent international
ausgerichtet sein, auf weltweiter Ebene, sonst wird sie nichts anderes sein als
ein Werkzeug verschiedener Flügel ihrer AusbeuterInnen.

Gleichzeitig müssen wir
die Argumente jener „Anti-EuropäerInnen“ ablehnen, die sich aus
fremdenfeindlichen und nationalistischen Gründen gegen die EU stellen. Diese
Kräfte und ihre sozialchauvinistische Politik, die sich in den Gewerkschaften
und reformistischen Parteien widerspiegelt, stellen eine Sackgasse für die
ArbeiterInnenklasse und die Unterdrückten dar. Sie zielen darauf ab, unsere
Bewegung nach nationalen und rassischen Gesichtspunkten zu spalten und uns
„unseren“ nationalen HerrscherInnen unterzuordnen.

Obwohl wir für die
Verteidigung dieser wenigen fortschrittlichen Errungenschaften kämpfen, die
sich aus dem EU-Prozess ergeben haben, z. B. die Abschaffung der
Grenzkontrollen innerhalb der EU, sind wir gegen ihre Strukturen und ihre
Wirtschaftsagenda, die nun dazu genutzt werden, frühere Sozialreformen und in
früheren Perioden erworbene Arbeitsrechte abzubauen. Wir sind auch gegen die
Behinderung des Rechts auf Selbstbestimmung von Völkern wie den KatalanInnen
und IrInnen durch die EU gemeinsam mit den nationalen Regierungen. Für uns sind
die Grenzen der bestehenden Staaten nicht heilig und über den demokratischen
Wünschen der Nationen.

  • Nieder mit dem EU-Parlament, der EU-Kommission, dem Europäischen Gerichtshof! Abbau der europäischen Superstaatsstrukturen!
  • Nein zur Lissabon-Agenda und zum Bologna-Prozess, nein zu allem Neoliberalismus und der Mentalität des Dumpingwettlaufs der Europäischen Union!
  • Für die Wahl einer souveränen Europäischen verfassunggebenden Versammlung durch alle, die über 16 Jahre alt sind und ihren ständigen Wohnsitz in den teilnehmenden Staaten haben. Der EuGH und alle anderen Gerichte sollten durch gewählte Organe ersetzt werden.

Heute sollten wir für
Folgendes kämpfen.

  • Ein sofortiges Ende der Sparpolitik auf dem gesamten Kontinent und ein Kampf, um die Macht in die Hände von Regierungen der Werktätigen zu bringen. Der nächsten bevorstehenden kapitalistischen Krise darf nicht mit Sparpolitik, sondern muss mit der Sozialisierung aller Unternehmen begegnet werden, die Entlassungen verkünden oder Konkurs anmelden.
  • Gemeinsame Maßnahmen gegen Rationalisierung, Werksschließungen und Arbeitsplatzverluste, die von den großen Automobil- und Zulieferfabriken in ganz Europa geplant sind, darunter Ford, Jaguar Land Rover, Michelin und andere. Ziel ist es, die Automobil-, Bus- und Nutzfahrzeugindustrie zu sozialisieren und ihre Transformation auf einer umweltverträglichen Basis zu beginnen.
  • Wir brauchen mehr als die zaghaften Versprechen von Labour im Vereinigten Königreich, die InhaberInnen von Eisenbahnlizenzunternehmen nach Ablauf ihrer Verträge wieder zu verstaatlichen oder dafür Entschädigungen an GroßaktionärInnen zu zahlen! Kampf für ein verstaatlichtes paneuropäisches Eisenbahnnetz!
  • Sozialisiert die riesigen Stromkonzerne Enel, EDF, EON, Siemens, RWE, deren ArbeiterInnen einen massiven Wechsel von fossilen Brennstoffen und Kernspaltungsenergie zu erneuerbaren Energien planen können!
  • Erhöhung der Löhne und Verbesserung der Sozialsysteme des gesamten Kontinents auf das Niveau der besten Beispiele und Praktiken als Beginn einer weiteren Verbesserung!
  • Aufhebung des Vertrags von Lissabon und aller neoliberalen Politiken, die die Erhaltung und Ausweitung des öffentlichen Eigentums an Industrien, Verkehr, Sozialdiensten und Versorgungseinrichtungen behindern! Ersatz der „Entsenderichtlinie“ und der Urteile des Europäischen Gerichtshofs in den Fällen Laval, Viking und Rueffert (Angriff auf das Streikrecht und europaweite Nivellierung der industriellen Beziehungen) nicht, um „ausländische“ Beschäftigte auszuschließen, sondern um sicherzustellen, dass sie für die gleichen Löhne, den gleichen Zugang zu sozialen Dienstleistungen und mit den gleichen gewerkschaftlichen Rechten beschäftigt sind wie Beschäftigte in den Aufnahmeländern!
  • Der Euro muss unter die Kontrolle eines europaweiten, von den Arbeitenden kontrollierten staatlichen Bankensystems gebracht werden, das dabei HSBC, BNP Paribas, Deutsche Bank, Santander usw. vergesellschaftet. Dieses System wäre eine wesentliche Grundlage für die Schaffung eines europaweiten Planungssystems, dessen Ziele wären:
  • i)     Entwicklung sozialer Gleichheit durch Anhebung der Bildungs-, Sozial- und Beschäftigungsniveaus sowie durch Überwindung der nationalen und regionalen Ungleichheiten, die die europäischen Staaten plagen. Beseitigung der Ungleichheiten zwischen Stadt und Land!
  • ii)    Bekämpfung der globalen Erwärmung und Wiederherstellung der Umwelt, die durch die gedankenlose Plünderung der Natur durch das Kapital verwüstet wird!
  • (iii) Um dies zu erreichen, bedarf es der Kontrolle durch die Bankangestellten, als Voraussetzung für die demokratische Verwaltung durch die Werktätigen.
  • Brecht die Mauern der Festung Europa und  reißt die Stacheldrahtzäune  zwischen den Staaten nieder! Öffnet die Grenzen für Flüchtlinge und Arbeitssuchende! Volle StaatsbürgerInnenschaft und soziale Rechte für diejenigen, die bleiben wollen!
  • Rückzug der europäischen Streitkräfte aus den von ihnen besetzten Ländern in Asien und Afrika! Unterstützung des Widerstandskampfs der Völker auf der ganzen Welt gegen den Imperialismus. Wir fordern die sofortige Schließung der Militärbasen aller europäischen Mächte in Übersee und die Auflösung der NATO. Keinen Cent für die Verteidigung kapitalistischer Vaterländer. Ersetzung der stehenden Armeen durch Milizen der Werktätigen.
  • Die Organisationen, die wir brauchen, um uns heute gegen Sparmaßnahmen und Kürzungen zu wehren, können morgen zu den Instrumenten unserer Herrschaft werden. Gemeinsame Komitees und branchenübergreifende Koordinationen von ArbeiterInnen und Jugendlichen in jeder Stadt und Gemeinde, die mit Selbstverteidigungsgruppen gegen Angriffe der Polizei und der FaschistInnen verbunden sind, können zu mächtigen Räten aus ArbeiterInnendelegierten werden, die in der Lage sind, die Gesellschaft zu regieren, wie es die Sowjets im revolutionären Russland 1917 taten. Die organisierte Selbstverteidigung, die die ArbeiterInnen und Jugendlichen gegen polizeiliche Repression und faschistische Angriffe aufbauen müssen, kann zum Instrument werden, um den kapitalistischen Staat zu bekämpfen und zu überwinden.
  • Nur ArbeiterInnenregierungen, die auf den Organisationen der Klasse basieren, können die Macht der KapitalistInnen brechen und systematisch ihr Eigentum übernehmen und eine sozialistische Planwirtschaft aufbauen.

ArbeiterInnenregierungen und die europäische Revolution

Ein vereinter
Klassenkampf in Europa oder in bedeutenden Ländern wird schnell die Frage nach
der politischen Macht aufwerfen, die Frage, welche Klasse in einem bestimmten
Land oder auf dem Kontinent insgesamt herrscht. Die derzeitige Krise Europas
kann nicht auf nationaler Ebene gelöst werden. Jede wichtige Frage wird die
Notwendigkeit einer Transformation des gesamten Kontinents aufwerfen.

Eine sozialistische
Föderation in Europa, die „Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa“,
sind die Lösung für die drängenden Probleme künftiger Generationen. Wenn wir Rechtsruck,
Rassismus, Nationalismus und Faschismus bekämpfen wollen, brauchen wir eine
internationalistische und antikapitalistische Alternative zur derzeitigen EU.

Jede große politische
Krise in der EU, ihre langfristige Stagnation und eine bevorstehende Wirtschaftskrise
betreffen die ArbeiterInnenklasse des gesamten Kontinents ebenso wie die
Kleinbauern/-bäuerinnen und die untere Mittelschicht. Die Angriffe seitens der
KapitalistInnen und bürgerlichen Regierungen wiederum erzeugen große soziale
Widerstandsbewegungen und weisen auf die Notwendigkeit einer gemeinsamen
Gegenwehr hin.

Natürlich entwickeln sich
solche Kämpfe ungleichmäßig, und vorrevolutionäre oder revolutionäre
Situationen werden nicht in allen Ländern gleichzeitig auftreten. Daher muss
der Kampf für eine sozialistische Revolution in Europa Hand in Hand gehen mit
dem für den Sturz des Kapitalismus und die Schaffung von ArbeiterInnen- und
BäuernInnenregierungen, wo immer sich dazu die Möglichkeit ergibt.

So wie der Slogan für die
Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa einen Übergangscharakter trägt,
so auch die Forderung nach ArbeiterInnenregierungen oder Regierungen der
ArbeiterInnen und  BäuerInnen in
einzelnen Ländern. Unter solchen Regierungen verstehen wir nicht „linke“
sozialdemokratische oder Labour-Regierungen, geschweige denn solche in
Koalition mit den offenen bürgerlichen Parteien, wie die Syriza-ANEL-Regierung
in Griechenland. Sie haben nicht wirklich mit der KapitalistInnenklasse
gebrochen und operieren immer noch in der Zwangsjacke der bürgerlichen
Staatsmaschine. Wir fordern sie auf, diesen Bruch zu vollziehen. Unter
Bedingungen des massenhaften Widerstands gegen Sparmaßnahmen und Kürzungen des
Sozialwesens oder einer neuen Rezession werden sie vor der Wahl stehen, ob sie
wie Syriza kapitulieren oder den Weg gehen wollen, echte
ArbeiterInnenregierungen zu werden, indem sie die ArbeiterInnenklasse zu
Millionen mobilisieren. Unser Ziel muss es sein, sie zu verpflichten, ihre
AnhängerInnen aus der ArbeiterInnenklasse nicht zu verraten, sondern den
letztgenannten Weg einzuschlagen.

Um solche Regierungen
dazu zu bringen, echte Schritte in Richtung einer sozialistischen
Transformation zu unternehmen, sie zu Übergangsregierungen in Richtung der
demokratischen Herrschaft der ArbeiterInnenklasse, also der Diktatur des
Proletariats, zu gestalten, müssen sie unwiderruflich mit den bürgerlichen
Parteien brechen, echte Schritte unternehmen, um großes Kapital unter
ArbeiterInnenkontrolle zu enteignen und einen ArbeiterInnenplan zur Reorganisation
der Wirtschaft zu entwerfen. Und sie dürfen ihre Macht nicht auf die
bürokratischen und repressiven Institutionen des bürgerlichen Staatsapparates,
des Militärs, der Polizei, der Spezialeinheiten und der Verwaltungsbürokratien
stützen, sondern auf die ArbeiterInnen- und BäuerInnenräte und die bewaffnete
ArbeiterInnenklasse.

Solche Regierungen
könnten nicht nur als wichtiges Mittel für einen revolutionären Umsturz in
einem Land dienen. Sie müssen von der gesamten europäischen ArbeiterInnenklasse
gegen die unvermeidlichen konterrevolutionären Machenschaften der nationalen
Bourgeoisie, der europäischen oder anderer imperialistischer Mächte verteidigt
werden. Letztendlich werden sie nur überleben und ihr volles revolutionäres
Potenzial ausschöpfen können, wenn sie nicht nur die Macht „ihrer“ nationalen
KapitalistInnenklasse brechen, sondern auch darauf abzielen, die Revolution auf
dem europäischen Kontinent zu verbreiten und die Grundlage für Vereinigte
Sozialistische Staaten von Europa zu schaffen. Für eine solche Übergangszeit,
einen revolutionären Kampf auf dem gesamten Kontinent, bleibt ein europäisches
Aktionsprogramm, das demokratische, soziale und Übergangsforderungen
kombiniert, uneingeschränkt gültig.

Darüber hinaus muss ein
sozialistisches Europa seine Beziehungen zu den umliegenden Regionen der Welt
auf Solidarität, Gleichheit und Internationalismus gründen. Dann könnten die
Ursachen für Migration durch Armut, Kriege, Klimawandel wirklich verändert
werden. Das kann keine kapitalistische EU. Ein sozialistisches Europa kann die
Rechte der MigrantInnen umsetzen, ihnen volle BürgerInnenrechte garantieren und
den Rechtsruck, die Bedrohung durch Rassismus, beenden. Ein sozialistisches
Europa würde die Massenarbeitslosigkeit beenden, gleiche und gerechte Lebensbedingungen
schaffen, die Bourgeoisie enteignen und die in Europa geschaffenen menschlichen
Fähigkeiten und materiellen Reichtümer sinnvoll nutzen. Ein solches Europa
müsste auf einer demokratischen Planwirtschaft beruhen, die die Mittel für eine
echte Bewältigung der Umwelt- und Klimaprobleme bereitstellt.

All dies ist viel
„realistischer“, als zu hoffen, dass die heutige EU einfach reformiert werden
könnte oder der Klassenkampf in einzelnen „unabhängigen“ Ländern zu einem
Sozialismus führen könnte.

Wie wir gezeigt haben,
können die bestehenden Massenparteien der ArbeiterInnenklasse – seien es
traditionelle reformistische, neue „linke“ populistische Parteien wie Podemos
oder La France Insoumise oder solche, die zwischen Reform und Revolution
schwanken, keine Antwort auf die dringenden Fragen der Zukunft geben.

Nur neue revolutionäre
ArbeiterInnenparteien und eine neue revolutionäre Internationale können eine
solche Perspektive bieten und dem Kampf eine Führung geben. Unsere
internationale Strömung, die Liga für die Fünfte Internationale, kämpft für ein
solches Programm des internationalen Klassenkampfes, für einen revolutionären
Marxismus des 21. Jahrhunderts, für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von
Europa.




Pakistan: Asad Umars Rücktritt ebnet den Weg zu einer großen Wirtschaftsoffensive

Shahzad Arshad, Revolutionary Socialist Movement, Infomail 1054, 13. Mai 2019

Zu den wichtigsten Entwicklungen bei der
Umbildung des pakistanischen Kabinetts am 18. April gehörten der Rücktritt Asad
Umars als Finanzminister und die Ernennung des pensionierten Brigadegenerals
Ijaz Shah zum Bundesminister für Inneres. Asad Umar war das Aushängeschild von
Imran Khans Partei Pakistan Tehreek-e-Insaf (Pakistanische Bewegung für
Gerechtigkeit, PTI). Die PTI präsentierte ihn als frischen Wind in der Politik
und Premierminister Imran Khan behauptete gar, dass Asad Umar die Lösung für
die Wirtschaftskrise in Pakistan verkörpere.

Asad Umar wurde schon vor Bildung der
PTI-geführten Regierung im Schattenkabinett als Finanzminister gehandelt. Jetzt
wurde er durch Abdul Hafeez Shaikh ersetzt, der das Privatisierungsressort
unter dem Regime des Militärdiktators Pervez Musharraf leitete und auch unter
Asif Ali Zardari bereits Finanzminister war.

Das „ehrenwerte Gesicht“ …

Imran Khan erklärte, dass gute
Regierungsführung und ein Ende der Korruption alle Probleme Pakistans lösen
könnten. Sein Team sei so hoch qualifiziert, dass es diese Versprechen,
insbesondere im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise, einhalten könne. Asad
Umar war das ehrenwerte Gesicht dieses „Naya Pakistan“ (neues
Wirtschaftsprogramm) und seiner Versprechen, 10 Millionen Arbeitsplätze zu
schaffen und 5 Millionen Häuser zu bauen. Viele weitere
solch ambitionierter Ziele wurden formuliert. Tatsache ist jedoch, dass Umar
trotz der unsicheren Situation und noch, bevor die PTI an die Macht kam und er
das Amt des Finanzministers übernahm, angekündigt hatte, dass er zum
Internationalen Währungsfonds (IWF) gehen würde.

Nachdem die von der PTI geführte
Regierung die Macht übernommen hatte, wurde schnell klar, dass Imran Khans
Beharren auf Einfachheit und Opferbereitschaft dazu führen sollte, die Kosten
der Systemkrise von der herrschenden Klasse auf die Schultern der
ArbeiterInnenklasse abzuwälzen. Vorgeblich zum Schutz der Interessen der
Volkswirtschaft wurden brutale Angriffe auf die einfachen Leute verübt. Sie
waren es, die durch steigende Inflation und Arbeitslosigkeit am meisten
belastet wurden. Der Wert der Rupie wurde um 35 % gesenkt,
Steuerbefreiungen in Milliardenhöhe wurden KapitalistInnen gewährt, während
Entwicklungsprojekte weitgehend gestoppt wurden. Die Privatisierungspolitik
wurde in „Vermögensfonds“ umbenannt, unter dem mehr als 200 Institute
privatisiert werden sollen. Im Rahmen des gleichen Fonds wurde auch
beschlossen, Zehntausenden von ArbeiterInnen ihre Stellen zu streichen. Es
wurden Instruktionen erteilt, TagelöhnerInnen zu feuern.

Dennoch ist es der Regierung nicht
gelungen, ihre Politik umzusetzen, da sich Tausende von ArbeiterInnen wehrten.
Ihre brillante Demonstration von Widerstand gegen Entlassungen in den
Versorgungsbetrieben und Privatisierung zwang die Regierung, vorerst davon
Abstand zu nehmen. Obwohl Asad Umar und die von der PTI geführte Regierung den
IWF vor der Machtübernahme abgelehnt haben, waren sie nun gezwungen, auf dessen
Politik einzugehen.

… und die Krise

Die Blamage, mit der die Regierung
derzeit konfrontiert ist, ist jedoch auch auf das imperialistische Tauziehen
zwischen den USA und China zurückzuführen. Mit der zunehmenden Macht Chinas übt
es immer mehr Einfluss aus, was aufgrund der bisherigen Verbindungen Pakistans
zu den USA und ihrem militärischen Sicherheitsapparat zu Spannungen innerhalb
der herrschenden Klasse des Landes führt. Diese internen Konflikte werden noch
verschärft durch die Notwendigkeit, vom IWF ein Rettungspaket erbitten zu
müssen. So zahlen die Armen und die ArbeiterInnenklasse Pakistans den Preis der
globalen Finanzkrise und ihrer Widersprüche.

Die Wirtschaftskrise Pakistans beruht
daher nicht nur auf dem Unvermögen der herrschenden Klasse des Landes. Sie
wurzelt auch in der sich verschärfenden Krise des globalen Kapitalismus und der
Position Pakistans als Halbkolonie, die das Land in den Bankrott geführt hat.
Nach Angaben des IWF wird die Wachstumsrate Pakistans im nächsten Jahr auf
2,4 % sinken, während in diesem Jahr 1 Million Menschen ihren Arbeitsplatz
verloren haben und weitere 4 Millionen gezwungen sind, unterhalb der
Armutsgrenze zu leben.

Aus diesem Grund nimmt die Popularität
der PTI unter den einfachen Leuten ab, während die Widersprüche innerhalb der
kapitalistischen Klasse in Bezug auf wirtschaftliche und politische
Entscheidungsfindung zunehmen. In diesem Szenario offenbart der Rücktritt von
Asad Umar zum einen die Verschärfung der Regierungskrise. Andererseits zeigen
die Ernennungen von Abdul Hafeez Shaikh und dem pensionierten Brigadier Ijaz
Shah deutlich die Einmischung des Repressions- und Beamtenapparates in die
Regierungsgeschäfte. Diese fordern noch strengere Maßnahmen. Die Aufnahme von
nicht gewählten BeraterInnen und TechnokratInnen in das Kabinett ist ein
Schritt in Richtung eines noch autoritäreren Systems. Erhöhte Befugnisse für
den Regierungschef erlauben es ihm, jede/n seiner Wahl zum/r MinisterIn oder
BeraterIn zu ernennen. Dies zeigt, dass die herrschende Klasse die
Wirtschaftskrise nun für derart bedrohlich hält, dass sie nur durch
diktatorische Maßnahmen gelöst werden kann.

Das ist sicherlich das, was Hafeez Shaikh
meint, wenn er verlangt, dass ihm „freie Hand“ gewährt wird. Die PTI-geführte
Regierung hatte diesen Prozess bereits eingeleitet, aber es gibt Widersprüche
bei der Umsetzung. Wirtschaftlich befürwortet sie die gleiche Lösung, die IWF
und Weltbank in den letzten drei Jahrzehnten vorgeschlagen haben: neoliberale Reformen,
die bereits umgesetzt werden. Ihr Zweck ist es, optimale Rahmenbedingungen für
die globalen kapitalistischen Klassen zu schaffen, die Ressourcen der
halbkolonialen Staaten auszuplündern, wobei der lokalen herrschenden Klasse
einige Brosamen zugestanden werden.

Dennoch bröckelt Pakistans Wirtschaft
weiter, anstatt aus der Krise herauszukommen. In den letzten drei Jahrzehnten
waren verschiedene AkteurInnen an diesem großen Spiel beteiligt. Alle paar
Jahre wird im Namen der Volkswirtschaft das gleiche Spiel wieder aufgenommen
und VerliererInnen sind abermals die ArbeiterInnen wie die Armen in Stadt
und  Land. Unabhängig davon, was
die offiziellen Zahlen sagen, ändert sich für die ArbeiterInnenklasse und die einfachen
Menschen nichts zum Besseren, im Gegenteil wird für die meisten Menschen das
Leben noch schwieriger.

Die bürgerlich-populistische Regierung
der PTI versprach, wie auch schon alle früheren Regierungen, die
wirtschaftliche, soziale und politische Krise des Landes zu überwinden, für
Wachstum und Investitionen zu sorgen und hoffte, die Widersprüche innerhalb der
herrschenden Klasse einzudämmen. Obwohl dieses Ergebnis alles andere als sicher
ist, wie die jüngsten Regierungswechsel zeigen, ist klar, dass Angriffe auf
ArbeiterInnen sowie auf demokratische Rechte einen wesentlichen Teil ihrer
Politik ausmachen werden.

Die letzten Wochen haben bereits gezeigt,
wie die Regierung und die herrschende Elite dies tun wollen. Die Pashtun
Tahafuz Movement (PTM, Bewegung zur Verteidigung der PaschtunInnen) ist zum
Ziel von Drohungen der Behörden geworden. Ihr wurde mit Eingreifen gedroht,
falls sie ihre Kampagnen nicht beendet. Die verleumderischen Anschuldigungen,
dass die PTM im Namen afghanischer und indischer GeldgeberInnen handelt, sollen
den Boden für ein Durchgreifen im Namen der „Landesverteidigung“ bereiten und
die nationalistische und chauvinistische Unterstützung dafür schüren.

Deshalb müssen die Linke und die
ArbeiterInnenklasse zwar einen Plan für den Widerstand gegen die Politik Hafeez
Shaikhs aufstellen, sie müssen sich aber gleichzeitig mit der Bewegung für
demokratische Rechte zusammenschließen und einen gemeinsamen Kampf führen,
damit die anstehenden Herausforderungen bewältigt werden können. Das bedeutet,
dass der Kampf gegen imperialistische Widersprüche sowie die Krisen der
pakistanischen herrschenden Klasse mit dem Kampf der ArbeiterInnenklasse gegen
Inflation, Arbeitslosigkeit und Privatisierung verbunden werden müssen.




Gegen Aufrüstung, Krieg und Konkurrenz – internationaler Klassenkampf!

ArbeiterInnenmacht-Aufruf zur den Protesten gegen die Münchner Sicherheitskonferenz, Infomail 1041, 3. Februar 2019

„Die Zukunft der transatlantischen Beziehungen, die
Selbstbehauptung der EU und die Gefahr eskalierender Großmachtrivalitäten“
stehen lt. Cheforganisator Ischinger im Mittelpunkt der 55. Auflage der alljährlich
tagenden „Münchner Sicherheitskonferenz“ (SiKo). Vom 15. bis 17. Februar trifft
sich eine illustre Runde von VertreterInnen aus Politik, Wirtschaft und
bürgerlicher Wissenschaft in München. Verhandelt wird nicht weniger als die zunehmende
Rivalität unter den alten und „neuen“ Großmächten.

Auch die Herrschenden können längst nicht mehr die Augen
davor verschließen, dass wir in einer Periode des weltgeschichtlichen Umbruchs
leben, einer des Kampfes um die Neuaufteilung der Welt.

So stellte Trump z. B. gleich zu Beginn seiner Amtszeit
die gesamte NATO in Frage und bezeichnete diese als „obsolet“, nur um wenige
Monate später diese Behauptung zurückzuziehen und die Wichtigkeit dieses
Kriegsbündnisses zu betonen. Während Putin medial hofiert wurde, wird der neue
Kalte Krieg unvermindert fortgesetzt – einschließlich neuer
Aufrüstungsprogramme oder der Konkurrenz um Einfluss in Osteuropa oder im Nahen
Osten.

Wenn die Herrschenden der Welt von „Sicherheit“ sprechen, so
meinen sie damit vor allem die ihrer eigenen ökonomischen und geo-strategischen
Interessen – egal ob es sich um die USA, um deren neuen Hauptrivalen China,
Russland oder die führenden Nationen der EU handelt.

Die Gefährdung durch „Terrorattacken“, „unkontrollierte“
Flüchtlingsströme oder Islamismus dient einerseits zur rassistischen Hetze und
Legitimation, zum anderen zur Begründung einer „aktiven Außenpolitik“. Daher
gibt auch jede Macht der Welt vor, dass es einer neuen Strategie bedürfe, die
„Welt sicherer“ zu machen und „unsere Demokratie“ zu schützen. Das sind
vorgeschobene Ziele, die darüber hinwegtäuschen sollen, dass durch die sich
weiter zuspitzende politische und ökonomische Krise weltweit neue Wege gefunden
werden müssen, um den Laden zusammenzuhalten und die eigenen Interessen
durchzusetzen.

Der angekündigte Rückzug der US-Truppen aus Syrien wird
nicht nur im Land keinen „Frieden“ bringen. Er bedeutet allenfalls, dass der
US-Imperialismus seine Schwerpunkte auf andere Konflikte legen wird,
vordergründig auf die Auseinandersetzungen mit dem chinesischen Imperialismus
im Südchinesischen Meer sowie in der Pazifikregion. Hier geht es darum,
einerseits wichtige Handelsrouten zu kontrollieren, andererseits aber auch um
dort vorhandene Rohstoffe und deren Ausbeutung. Nicht zuletzt der Handelskrieg
zwischen den USA und China zeigt, dass der US-Imperialismus sich einem seiner
größten Widersacher um die Neuaufteilung der Welt und letzten Endes um die
Hegemonialmacht stellen muss.

Angesichts dieser Konflikte und der zunehmenden Krisenhaftigkeit
legt die SiKo ein Schwergewicht auf die „Selbstbehauptung der EU“ und des
deutschen Imperialismus. Hiesige ExpertInnen für internationale Politik, die
Medien und auch die Regierung treibt natürlich vor allem das drohende
Zurückbleiben in der globalen Konkurrenz um.

Für uns gilt hingegen: Im Kampf zwischen den Großmächten und
jenen, die es gern sein wollen, kennen wir keine „fortschrittliche“ Seite.
Unser Widerstand richtet sich gegen jede imperialistische Intervention und
Politik, gegen den Imperialismus als globales System!

Der Hauptfeind steht im eigenen Land!

Die weitere Zunahme an Unsicherheiten und Zuspitzungen von
Konflikten der unterschiedlichen Mächte 
gehen mit zunehmender Militarisierung einher. In diesem Kontext muss der
Druck Donald Trumps auf die insgesamt 29 NATO-Staaten betrachtet werden, mind.
2 % ihres BIPs in Militärausgaben zu stecken. Auch außerhalb der NATO
steigen weltweit die Kriegshaushalte und in der EU wird wieder laut über eine
europäische Armee nachgedacht bzw. werden Schritte zu einer
EU-Verteidigungsunion mit dem Namen PESCO eingeleitet. Der deutsche
Imperialismus und seine Verbündeten begründen ihre eigenen
Rüstungsanstrengungen, ihre „gestiegene Verantwortung“ in der Welt, um die
Durchsetzung ihrer eigenen Interessen als Wohltat für die Menschheit, als
geradezu selbstlosen humanitären Akt zu verklären.

Die Realität dieses „Humanismus“ ist mit den Leichen der
Geflüchteten gepflastert, die auf dem Weg nach Europa schon längst mit Frontex
und deren „humanitären Kämpfen gegen Schlepperbanden“ tödliche Erfahrungen
sammeln müssen. Ideologisch wird dies mit vorgeblich wachsender Bedrohung durch
TerroristInnen und die Ausbreitung des Islam und anderer „undemokratischer“
Kräfte begründet.

Aber nicht nur nach außen rüsten die Staaten, darunter auch
die Bundesrepublik, massiv auf, um sich für die kommenden Konflikte besser zu
wappnen. Damit einher geht auch eine gezielte Förderung der eigenen
Rüstungsindustrie, insbesondere die strategische Zusammenarbeit mit Frankreich,
um „europäische Champions“ auf diesem Gebiet zu schaffen. Hier geht es nicht
nur um Exporte, sondern auch um Unabhängigkeit von den Waffensystemen der
Konkurrenz, darunter auch denen der USA.

Gleichzeitig nimmt die innere Militarisierung weiter zu.
Ausnahmezustände wie in Frankreich oder der Türkei dienen dazu, die
Repressionsschrauben anzuziehen und den Staat auch nach innen „wehrhaft“ zu
machen. Der Krieg gegen unterdrückte Nationen wie die KurdInnen oder die
PalästinenserInnen wird brutal geführt – mit offener oder versteckter Duldung
und Unterstützung durch die Großmächte.

Auch hierzulande werden verschärfte Gesetze in letzter
Instanz gegen uns und die ArbeiterInnenbewegung eingesetzt, um kommende Proteste
oder Widerstand zu unterdrücken und zu kriminalisieren. Über Jahrzehnte hinweg
richtete sich diese übliche Reaktion bürgerlicher Staaten gegen die
Befreiungsbewegungen der KurdInnen oder PalästinenserInnen. Heute sehen sich diese
einer vermehrten Welle der Repression gegenüber genauso wie Refugees auf ihrem Weg
nach Europa, die  immer mehr durch
Militäreinsätze davon abgehalten werden, unseren Kontinent über das Mittelmeer
oder den Landweg zu erreichen.

Dieser Angriff auf demokratische Rechte darf uns als Linke
nicht egal sein. Das zeigen schon allein die neuen „Polizeiaufgabengesetze“,
welche im vergangenen Jahr teilweise trotz großer Proteste wie in Bayern
durchgesetzt wurden. Nicht nur die Aufrüstung der diversen Polizeieinheiten
wird darin geregelt (z. B. durch die Erlaubnis des Einsatzes von
Handgranaten und Maschinengewehren bei „Aufständen“), sondern auch die
Befugnisse der einzelnen Polizeibehörden werden ausgeweitet. So reicht allein
schon der bloße Anfangsverdacht, dass jemand eine Straftat begehen könnte, aus,
um diese Person, ohne weitere Beweise vorlegen zu müssen, für drei Monate in
Untersuchungshaft zu stecken.

Widerstand aufbauen!

Obwohl in den letzten Jahren Militarisierung sowie
Kriegsbemühungen zugenommen haben und die Kriegsgefahr weiter steigt, wurden
die Proteste gegen die SiKo in den letzten Jahren kleiner. Das hat vor allem
politische Ursachen.

Sozialdemokratie und Gewerkschaftsführungen trugen und
tragen die Politik der deutschen Regierung mit und fungieren als TrägerInnen
oder UnterstützerInnen der Großen Koalition, als VermittlerInnen von
Kapitalinteressen innerhalb der ArbeiterInnenbewegung. Auch Teile der
Friedensbewegung gingen in den letzten Jahren nach rechts: Manche betrachten
den russischen Imperialismus als willkommenen Ausgleich zum Westen oder führen
mit wehenden Fahnen des Pazifismus die Bewegung in eine Sackgasse. Während ein
Teil der radikalen Linken imperialistische Kräfte wie Russland und China in Ländern
wie Syrien unterstützt oder deren Rolle herunterspielt, sind andere gar ins
Lager der angeblich „progressiven“ Imperialismen wie dem der USA im „Kampf
gegen den islamistischen Terror“ übergelaufen.

Unser Widerstand muss auf Grundlage internationaler
Solidarität organisiert werden. Nur so können wir den KriegstreiberInnen
wirkungsvoll entgegentreten.

Der einzige Weg, um Schluss zu machen mit Krieg, Ausbeutung
und Zerstörung, besteht im Aufbau eines effektiven Kampfes gegen die
VerursacherInnen! Dazu ist es auch nötig, die ArbeiterInnenklasse und ihre
Organisationen für diesen Widerstand zu gewinnen und diesen mit einer antikapitalistischen
Ausrichtung zu verbinden. Militärische Absicherung der Absatzmärkte und
Ressourcen, Kriegstreiberei, Rassismus, Nationalismus und Angriffe auf die
demokratischen und sozialen Errungenschaften der Lohnabhängigen stellen nur
verschiedene Seiten des Imperialismus und Kapitalismus in der Krise dar. Der
Kampf gegen Ausbeutung, Billiglohn, Lohnverzicht und Spaltung entlang
nationaler und rassistischer Linien ist untrennbar mit dem Kampf gegen
Imperialismus und Militarismus verbunden.

  • Beteiligt euch an den Aktionen und Demonstrationen gegen die Münchner Sicherheitskonferenz!
  • Demonstration gegen die SiKo: Samstag, 16. Februar, 13.00 Uhr, Stachus



Dritter Anlauf um den Platz an der Sonne. Der deutsche Imperialismus

Tobias Hansen, Revolutionärer Marxismus 47, September 2015

A Einleitung

Alle Versprechen, welche das imperialistische System nach dem Sieg über die stalinistischen ArbeiterInnenstaaten des Warschauer Paktes gegeben hatte, sind Schall und Rauch. Die Etappe der „Globalisierung“, die nichts anderes war als die Ausbreitung der imperialistischen Wertschöpfungsketten über den gesamten Erdball, brachte nicht Millionen Menschen den Wohlstand, sondern Milliarden Menschen das Diktat der imperialistischen Ausbeutung und Unterdrückung.

2003 und 2007 veröffentlichten wir Artikel im „Revolutionären Marxismus“ (1) über die damaligen Herausforderungen des deutschen Imperialismus. Der EURO war damals seit zwei Jahren als neue Weltwährung etabliert und der deutsche Imperialismus stand vor der Herausforderung, die EU unter sich „zwangszuvereinigen“ und diesen Block gegenüber dem imperialen Hegemon, den USA, in Stellung zu bringen. Daran hat sich nichts Grundlegendes geändert – aber die inneren Widersprüche des Kapitalismus treten viel deutlicher hervor, der Kampf um die Neuaufteilung der Welt hat sich dramatisch verschärft.

Dabei tritt der deutsche Imperialismus historisch zum dritten Mal in die globale Konkurrenz ein, zum dritten Mal soll am „deutschen Wesen die Welt genesen“, der „Platz an der Sonne“ für das deutsche Kapital gesichert werden. Diese Aussprüche des deutschen Kaisers vor dem Ersten Weltkrieg  sind bekannt, weniger die Analyse des Nachfolgers Max von Baden zu Ende des Ersten Weltkriegs. Dieser stellte für das künftige Weltmachtstreben Deutschlands fest, dass Deutschland nicht mehr militärisch seine Rolle einnehmen kann, sondern es eine zivile, politische Führung in Europa übernehmen muss. Der Zweite Weltkrieg war dann der erneute Versuch, Europa militärisch (diesmal unter der Knute des deutschen Faschismus) zu beherrschen, welcher jedoch die Spaltung Deutschlands zur Folge hatte.

In der von der rot-grünen Bundesregierung so genannten „Berliner Republik“ versucht das deutsche Kapital erneut, eine Weltmachtposition zu erringen, dies v.a. über die Beherrschung des EURO-Raums und der EU. Dieser dritte Anlauf um den Platz an der Sonne kommt bislang ohne offene Kriegsführung in Europa aus, wie auch die militärische Komponente des deutschen Imperialismus heute nicht vergleichbar ist mit den Anstrengungen vor den beiden Weltkriegen. Heute dominiert das deutsche Großkapital ökonomisch und politisch die EU, verfügt mit dem EURO-Raum über einen eigenen „Hinterhof“, einen von ihm beherrschten Binnenmarkt und unterworfene Kapitalfraktionen, wie auch eine beherrschte deutsche und europäische ArbeiterInnenklasse. Von dort aus tritt das deutsche Kapital heute in Konkurrenz zu den USA, zu Japan und zu China, wie es auch gleichzeitig mit ihnen kooperiert – in einer Phase der neuen Bündnisse und Blockbildungen.

Die EU unter deutsch/französischer Führung soll der größte Binnenmarkt werden, hier soll die höchste Produktivität und Profitabilität entstehen und die meisten Investitionen angelockt und getätigt werden. Somit war die „Agenda von Lissabon“, die diese Ziele für die EU festschrieb, eine Erklärung des deutschen Imperialismus, diese EU soll die globale Wirtschaftsmacht Nr. 1 werden,  eine unverhohlene Kampfansage an den engen Verbündeten USA.

Imperialismus auf tönernen Füßen

Die tiefe Krise von 2007- 2009 brachte das imperialistische Weltsystem ins Wanken, Billionen von US-Dollar und EURO galten als „verspekuliert“, Großbanken wie Lehman Brothers gingen pleite, während andere wie Citibank oder die Hypo Real Estate durch die Staaten entschuldet wurden. Die Verluste der Finanzmärkte, des Finanzkapitals und dahinter der globalen Bourgeoisie wurden sozialisiert. Dafür entstand gleich die nächste Spekulationsblase, die der Staatsanleihen. Die Zentralbanken der imperialistischen Mächte (FED, EZB, Japan) haben Massen von Kreditgeld in die Märkte gepumpt, die Geldmenge nach der Krise nochmals drastisch erhöht. Diese Nullzinspolitik (Leitzinsen), die verschiedenen „Rettungsschirme“ und Fonds, ein „quantitative easing“ der „global player“ – dies sind Triebfedern und das Kanonenfutter der aktuellen imperialistischen Konkurrenz.

Diese Krise führte zu einem Einbruch der internationalen Börsen. Millionen Beschäftigte wurden entlassen, weitere Millionen haben seitdem prekarisierte Arbeitsverhältnisse, Hungerrevolten breiteten sich 2009 aus, der Arabische Frühling schuf letztlich für eine ganze Weltregion eine revolutionäre Periode. Doch diese Aufstände und Bewegungen stießen an ihre Grenzen, wurden durch den Vormarsch der Konterrevolution abgelöst. Gleichzeitig sind die imperialistischen Mächte bis heute weit davon entfernt, eine neue, relativ stabile Ordnung im Nahen Osten und Nordafrika zu etablieren.

Das liegt auch daran, dass diese Weltregion zum Schlachtfeld um die Neuordnung der Welt geworden ist. Der Arabische Frühling ist einem konterrevolutionären „Herbst“ gewichen: in Ägypten hat die kleptokratische Militärjunta den Staat wieder in Besitz genommen, Präsident al-Sisi empfiehlt sich als Statthalter des Imperialismus. Die libysche Revolution ist heute ein permanenter Bürgerkrieg, die NATO-Intervention von Frankreich und Großbritannien hinterließ einen so genannten „failed state“. Der syrische Bürgerkrieg hat inzwischen Hunderttausende getötet und Millionen zu Flüchtlingen gemacht und den Aufstieg des IS zu einer dschihadistischen Freiwilligenarmee erlebt. Der IS gründete sich auf den Trümmern der US-Besatzung des Irak. Diese war die Grundlage für zehntausende Freiwillige, welche mit erbeutetem Kriegsmaterial ihren reaktionären „heiligen Krieg“ starteten.

Der Nahe und Mittlere Osten waren Stützpunkte des US-Imperialismus. Hier begründeten sich auch nach 1990 die globale Dominanz und der globale Führungsanspruch der USA. Unter Georg W. Bush wurden Afghanistan und Irak angegriffen und besetzt. Der Krieg gegen den Terrorismus teilte die Welt in „gut und böse“. Für Cheney, Rumsfeld (Vizepräsident und Verteidigungsminister), Exxon und Lockheed Martin (Öl- und Rüstungskonzerne) lag hier der Schlüssel zur Festigung der US-Vorherrschaft.

Zwar konnten die Konzerne und Börsen des US-Imperialismus diese Feldzüge erfolgreich nutzen, die irakischen Ölfelder unter Kontrolle bringen und enorme Kreditgelder in Rüstung, Armee und Märkte pumpen. Jedoch muss heute festgestellt werden, dass die Besatzung eine Niederlage der USA darstellte. Weder politisch noch sozial wurde der Irak stabilisiert. Stattdessen wurde die Grundlage für Bürgerkrieg, Terrorismus und den Aufstieg des IS gelegt. Nach den Versprechungen von Freiheit, Demokratie und Wohlstand führt die imperiale Besatzung de facto zur Zerschlagung des irakischen Staates, zu hunderttausenden Toten und ebenso vielen Freiwilligen für den Dschihadismus.

Die treuen Vasallen des US-Imperialismus und der NATO in dieser Region fangen nun an, eigene imperiale Interessen zu vertreten. Die Türkei, Saudi-Arabien und Katar wollen ihren Status als Regionalmächte erhöhen und sehen sich als Nutznießer der schwindenden US-Dominanz. Dies sind Folgen der Krise von 2007/08 und der gescheiterten US-Politik im Nahen und Mittleren Osten.

Konkurrenz und Neuaufteilung

Die alten imperialistischen Mächte USA, Japan, BRD, Großbritannien und Frankreich standen vor dem Scherbenhaufen ihrer Ordnung. Neue Herausforderer wie China kamen in den Kreis der  Großmächte. Ein neuer Wettlauf der imperialistischen Akteure ist die Folge.

In dieser Periode der Neuaufteilung der Welt tritt die Konkurrenz zwischen den imperialistischen Staaten noch offener auf. Jeder Marktzugang, jede Direktinvestition und jedes Handelsabkommen ist umkämpft, was den Kampf der jeweiligen (nationalen) Kapitalfraktionen gegeneinander aufzeigt.

Der Aufstieg der BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) oder als neuer „Kategorie“ der MINT-Staaten (Mexiko, Indonesien, Nigeria, Türkei) zeigt auf, dass es weiterhin nationale Kapitalfraktionen gibt, die in ihrer Rolle im imperialistischen System nicht endgültig festgelegt sind, sondern als Herausforderer, als Zukunftsmärkte, als „Partner“ o.ä. in dieser Periode der Neuaufteilung neue Rollen einnehmen können. Dass Finanzkapital, Monopolbildung u.a. Elemente der Leninschen Imperialismustheorie gerade heute wirksam sind, werden wir noch am Beispiel des deutschen Imperialismus darstellen. Hier soll festgehalten werden, dass trotz aller Vernetzung und gegenseitigen Beteiligung es natürlich weiter nationale Kapitalfraktionen und nationale Interessen gibt, dies ist gerade bei den aufsteigenden Nationalökonomien sichtbar.

Und so treten die „stellvertretenden“ Nationalstaaten für das und mit dem jeweiligen imperialistischen Kapital international in Konkurrenz zueinander, vertreten mit ihren politischen, juristischen und letztlich auch militärischen Apparaten die nationalen Kapitalinteressen auf globaler Ebene.

Die Kontrolle der Rohstoffversorgung, der Handelswege, der Ausbeutung der Arbeitskräfte und die Sicherung der jeweiligen Profite, wie auch der Marktzugang und der freie Kapitalverkehr (Direktinvestitionen) – das sind die wichtigen Ziele der imperialistischen Staaten und der jeweiligen Kapitalfraktionen.

Dies führt dann ebenso zu einer militärischen Aufrüstung der jeweiligen Nationalstaaten und Blöcke. Wenn heute ein Teil der „radikalen“ Linken Imperialismus auf Militarismus, Nationalismus und Krieg beschränkt wie auch historisch eher den Zeiten der Weltkriege zuordnet, so ist ihnen nicht klar, dass letztere in der imperialistischen Epoche zwangsläufig sind. Diese Epoche beginnt Ende des 19. Jahrhunderts, führte zu zwei Weltkriegen – und führt seit der Krise 2007/08 zur verschärften Konkurrenz, wovon militärische Aufrüstung, Bürgerkrieg und Krieg die logische Folge sind. Nur eine letztlich kriegerische „Lösung“ kann die entstandene imperialistische Konkurrenz um die Neuaufteilung der Welt beenden, wie schon zweimal in der Geschichte geschehen – dann ist zumindest mittelfristig wieder ein „Sieger“ gefunden, welcher dann die Märkte, Arbeitskräfte, Rohstoffe und die Profite der unterlegenen imperialistischen Kapitalfraktionen auf dem Weltmarkt übernimmt.

Aktuelle Konflikte

Wie schnell sich das imperialistische Gefüge ändern kann, zeigte der Konflikt um die Ukraine. So reduzierte sich auch die Teilnehmerzahl der „G 8“ auf „G 7“, kündigt die NATO die seit 1990 stattfindenden Abrüstungsgespräche mit Russland, und Putin wird im Wochentakt mit Hitler verglichen – so schnell kann’s gehen in der Konkurrenz der Weltmächte. Im Streben um die Vorherrschaft in der Ukraine waren USA und EU auf der einen und Russland auf der anderen Seite aufeinander gestoßen. Beide „Blöcke“ wollen die Ukraine als Markt integrieren und der „Westen“ hatte seit 2013 intensiv auf eine neue Regierung in der Ukraine hingearbeitet. Als Präsident Janukowitsch zwischen EU-Assoziierungsabkommen und Krediten aus Russland schwankte, machten USA und EU klar, dass ein Schwanken nicht akzeptiert wird. Gestützt auf Teile der ukrainischen Bourgeoisie und faschistische Fußtruppen wurde eine neue Regierung an die Macht geputscht und ein Bürgerkrieg gegen die BewohnerInnen der Ostukraine begonnen, welche sich gegen diesen Putsch und die faschistischen Milizen zur Wehr setzen.

So wurde ein Bürgerkrieg an der EU/NATO-Ostgrenze angezettelt, welcher kurzfristig einen neuen „Kalten Krieg“ mit Russland hervorruft. Dies geht einher mit gesteigerten Rüstungsanstrengungen: die NATO-Ostgrenze wird verstärkt, ein Raketenabwehrschirm wurde bereits installiert und nun werden die militärischen Kontingente aufgestockt. Dadurch wird mittel- und langfristig eine Blockbildung vorangetrieben werden. So entstehen neue Bündnisse, wie es derzeit zwischen Russland und China eine Annäherungen gibt.

Auf den globalen Märkten stehen sich die imperialistischen Kapitalfraktionen gegenüber, durch neue Bündnisse und alte Blöcke entstehen neue Fronten. Der deutsche Imperialismus hat in dieser Epoche immer zur Expansion gedrängt, mindestens die Unterwerfung Europas war immer das strategische Ziel des deutschen Kapitals. Davon ist abhängig, inwieweit der deutsche Imperialismus einen „Platz an der Sonne“ erobern kann.

B Stellung des deutschen Imperialismus in der globalen Konkurrenz

Die EU als „Hinterhof“?

Die Beherrschung der EU und des EURO-Raums ist die Voraussetzung für die globalen Ambitionen des deutschen Imperialismus. Die Bezeichnung „Hinterhof“ kennzeichnete den Aufstieg des US-Kapitalismus und die strategische Orientierung auf Lateinamerika. Dort sollte jeglicher europäische Einfluss unterbunden werden, natürlich mit dem „Hintergedanken“, dass somit die USA die vorherrschende Macht auf beiden Kontinenten werden sollten – „Amerika den Amerikanern“ galt als verkürztes Schlagwort dieser Politik.

Vom Gesichtspunkt des deutschen Imperialismus aus könnte heute der Slogan auf „Europa den Deutschen“ oder auch „Die EU muss deutscher werden“ lauten. Dabei ist die Bildung der EU, der gemeinsamen Währung EURO, des gemeinsamen Binnenmarktes und des Aufbaus einer EU-Bürokratie ein einmaliger Vorgang in dieser imperialistischen Epoche.

Verschiedene imperialistische Mächte und Kapitalfraktionen haben sich in dieser Epoche noch nie „friedlich“ geeinigt bzw. eine gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik gestaltet, erst recht nicht in Europa. Die Ansammlung imperialistischer Staaten in Europa war im Gegenteil zweimal in dieser Epoche Ausgangspunkt mörderischer imperialer Feldzüge.

Mit der Lissabon-Agenda von 2000 legten diese europäischen Kapitalfraktionen ein gemeinsames Programm gegen die ArbeiterInnenklasse Europas vor und eine Kampfansage an die imperialistischen Konkurrenten. In den Bereichen von Investitionen, Profitabilität und Umsatz soll die EU der führende Block des Globus werden, inklusive der Breite der beteiligten nationalen Kapitalfraktionen ein bisher einmaliges Experiment in der Geschichte des Imperialismus.

Seit der Schaffung des gemeinsamen Währungs- und Wirtschaftsraums ist das Bündnis des deutschen mit dem französischen Imperialismus elementar für die Stabilität der EU. So gibt es eine Tendenz zur Verbindung der beiden größten nationalen Industriekapitalfraktionen der EU inklusive ihrer politischen Marionetten zur herrschenden Kraft – sie tun dies aber gleichzeitig in einer Form, die nicht zur Herausbildung eines „supra-nationalen“ Kapitals führt, sondern in der Regel mit der Vorherrschaft eines nationalen Kapitals verbunden ist. Diese Verbindung bedeutet keine Verschmelzung des Kapitals, wenn auch einige strategische Sektoren dies getan haben, wie in der Pharma- und in der Luftfahrtbranche und teilweise in der Rüstungsindustrie, sondern die Kombination der strategischen Eigenschaften von Deutschland und Frankreich. In diesem Bündnis trifft die geballte industrielle Marktmacht des deutschen Kapitals mit den militärischen Fähigkeiten der Atommacht Frankreich zusammen. Dadurch lässt sich ein Binnenmarkt und teilweise eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik organisieren. Dieser Block ist hegemonial gegenüber den anderen Konkurrenten im EURO-Raum. Gemeinsam verfügen das deutsche und französische Kapital über die größten Monopolkonzerne und Großbanken; letztere sind eine weitere Stärke des französischen Imperialismus. Dieses strategische Bündnis ist auch eine Herausforderung innerhalb des westlichen Blocks, gerade gegenüber den USA und Großbritannien.

Andererseits sind es gerade die deutsch-französischen Beziehungen, die die größte Sprengkraft für die weitere Formierung der EU beinhalten, weil sie aufgrund des ökonomischen Übergewichts Deutschlands letztlich zu einer Unterordnung Frankreichs, als zweiter Führungsmacht der EU, also zur Unterordnung einer historisch gewachsenen imperialistischen Bourgeoisie führen müssen.

Als größter Konkurrent nicht im EURO-Raum, aber bis mindestens 2017 noch in der EU, verbleibt Großbritannien. 2017 wird es ein Referendum über die Mitgliedschaft in der EU geben, dies wird für das britische Kapital zur „Stunde der Wahrheit“. Ein Ausscheiden aus der EU würde einschneidende Konsequenzen haben, der britische Imperialismus wäre vom Kontinent zunächst abgekoppelt.

Diese Widersprüche begleiten die EU seit der Gründung des gemeinsamen Binnenmarktes und der Einführung der neuen Währung und haben sich in der „Schuldenkrise“ seit 2010 weiter zugespitzt. Dabei konnte der deutsche Imperialismus seine ökonomisch und politisch führende Rolle während der Krise behaupten und weiter ausbauen – auf Kosten der europäischen ArbeiterInnenklasse, aber auch auf Kosten der konkurrierenden Kapitale (inklusive des französischen und italienischen Imperialismus). Unter deutscher Führung wurden durch die „Achse“ Berlin-Paris-Brüssel massive Sozialangriffe durchgeführt, wie auch die EU-Bürokratie in diesem Sinne weiter ausgebaut wurde. So war es möglich, neue Regierungen im Interesse des Kapitals in Griechenland (2011) und Italien (2011 – 2013) zu installieren, welche von EZB- und EU-Spitzentechnokraten geführt wurden (Papademos und Monti). Dieses Schicksal widerfuhr auch der Syriza/ANEL-Regierung. Das letzte Memorandum hat Griechenland praktisch zu einem EU-Protektorat gemacht. Hier hat die EU-Bürokratie einen qualitativen „Sprung nach vorn“ gemacht.

Die deutsche Dominanz in der EU birgt in sich aber ebenso auch die Möglichkeit des Scheiterns dieses imperialistischen Projekts.

Krisenhafte Zuspitzung – welche Zukunft für die EU?

Ein Phänomen der aktuellen Krise ist der Aufstieg nationalistischer Kräfte in der EU; ebenso wie die Schuldenkrise ist dieser ein Beispiel für die innere Krise dieses imperialistischen Projektes.

Die Stärkung rechter/faschistischer und/oder populistischer Parteien in der EU ist einerseits der ökonomischen Krise der EU zu verdanken, ist aber auch eine Antwort der nationalen Kapitalfraktionen auf die Dominanz des deutschen Kapitals und seiner Regierung. Dass die Front National in Frankreich oder UKIP in Großbritannien stärkste Parteien bei den Europawahlen 2014 wurden, zeigt, dass Teile der jeweiligen Bourgeoisie wie auch radikalisierte Teile des Kleinbürgertums offen für nationalistische, rassistische und faschistische Antworten sind.

So gemeinsam die Interessen gegenüber der ArbeiterInnenklasse was die Kürzung von Löhnen, Sozialleistungen und Arbeitsrechten angeht, auch sein mögen, so unterschiedlich sind jedoch die immanenten Interessen jeder nationalen Kapitalfraktion in der EU, speziell der mit imperialistischem Anspruch. Dies begründet z.B. den strikt „antieuropäischen“ Kurs von FN und UKIP. Beide haben zuallererst den Fortbestand des eigenen Imperialismus im Sinn. Neben rassistischer Politik gegenüber Flüchtlingen zeichnet beide ein Schutzprogramm für das jeweilige Kapital aus. Der FN will den französischen Markt gegenüber der europäischen und US-Konkurrenz abschotten, somit speziell das kleine und mittlere Kapital schützen wie z.B. die französische Landwirtschaft.

Je stärker der Konkurrenzdruck und die Überlegenheit des deutschen Imperialismus werden, was z.B. 2013 fast zur Übernahme von Alstom durch Siemens geführt und damit den Verlust eines Trusts/Monopolunternehmens bedeutet hätte, desto stärker die nationalen Tendenzen des französischen Kapitals. Hier liegt der Knackpunkt für den Bestand von EURO und EU: in der strategischen Partnerschaft und letztlich ökonomischen Unterordnung des französischen unter den deutschen Imperialismus. Die französische Bourgeoisie hegte stets einen kontinentalen und afrikanisch-arabischen Führungsanspruch als europäische Großmacht. Historisch kollidierte dies zweimal mit dem deutschen Imperialismus. Nun stellt sich die Frage, inwieweit die Bourgeoisie der „Grande Nation“ von selbst darauf verzichtet.

Geschieht dies nicht freiwillig, liegt hier der Wendepunkt der deutschen Dominanz verankert. Dann würden das „Kerneuropa“ zerbrechen und zugleich neue Bündnisse und Blöcke in ökonomischer und politischer Konfrontation sich gegenüberstehen wie schon zweimal zuvor in der imperialistischen Epoche. Dann würden Konflikte wie heute in Mazedonien zu einer wiederholten Balkankrise führen, wie schon vor dem 1. Weltkrieg. Verschiedene europäische Bündnisse würden um die Vorherrschaft auf dem Kontinent ringen, Bürgerkrieg und Krieg Tür und Tor öffnen, wie auch schon die Zerstückelung Jugoslawiens nach 1990 die damalige Ausbreitung des deutschen Imperialismus inklusive der EG einleitete.

Gegenüber den konkurrierenden Kapitalfraktionen in der EU ist die aktuelle ökonomische Krise, welche zwischen Stagnation und Rezession für den EURO-Raum schwankt, der maßgebliche Standortvorteil des deutschen Kapitals. In dieser Lage ist es weder für das französische, italienische, spanische und erst recht nicht für das griechische Kapital verlockend, mit EURO, Binnenmarkt und EZB zu brechen. All dies, wie auch die EU-Austeritätsprogramme sind auch Standortvorteile dieser nationalen Kapitalfraktionen, wie auch der Zugang zum Weltmarkt mit der EU sich einfacher gestaltet.

In diesem Hinterhof sorgt die Krise für die Fortsetzung der Dominanz des deutschen Kapitals, welches selbst diesen Krisenzustand und die Schwächung der Konkurrenz benötigt, um die Führung zu behalten und die EU als Sprungbrett für die globalen Ambitionen zu benutzen.

Dieses scheinbar widersprüchliche Verhältnis innerhalb der EU und des EURO-Raums ist ein Spiegelbild der aktuellen Periode, der Neuaufteilung der Welt und die dadurch neu entfachte innerimperialistische Konkurrenz: entweder der aktuelle Hegemon stellt die Hackordnung zukünftig sicher oder die Konkurrenz bricht offen und letztlich kriegerisch aus.

Dabei muss der deutsche Imperialismus letztlich die Konfrontation mit den USA suchen, ein Unterfangen, was sowohl militärisch als auch ökonomisch ein enormes Risiko darstellt. Die globalen Ambitionen und Zwänge des deutschen Imperialismus müssen zwangsläufig auch das Verhältnis zum aktuellen Hegemon in Frage stellen und diesen auf den globalen Märkten herausfordern. Dies stellt auch das deutsche Kapital vor eine innere Zerreißprobe. Während auf der einen Seite das transatlantische Bündnis via TTIP (Transatlantisches Freihandelsabkommen), TISA (Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen) etc. ebenfalls Vorteile für das Großkapital bringt und via NATO das „westliche“ Militärbündnis weltweite Dominanz durchsetzen kann, so hemmt es auf der anderen Seite den expansiven Charakter des deutschen Imperialismus. Über die Beherrschung des EU-Binnenmarktes hinaus sind es nämlich die Märkte Zentral- und Ostasiens, welche in der nächsten Dekade die höchsten Profite versprechen und hier will das deutsche Großkapital eine entscheidende Rolle einnehmen.

Dies wiederum ist nur möglich, wenn die EU unter deutsch/französischer Führung mit anderen Partnern in Asien kooperiert und damit auch in Konkurrenz zum US-Imperialismus tritt. Ein Schritt in diese Richtung ist die Beteiligung an der Entwicklungsbank der BRIC-Staaten, welche von den USA richtigerweise als Konkurrenzorganisation zum IWF verstanden wird.

Die USA wiederum sind bemüht, ihren Einfluss in der EU und die EU als „Juniorpartner“ innerhalb von NATO, IWF, Weltbank und UNO zu halten. Dabei übernehmen Großbritannien, Polen und die baltischen Staaten ökonomisch und politisch die Rolle von „Stützpunkten“ der USA in der EU. Gerade in Polen und den baltischen Staaten ist diese Position aber stark umkämpft, das deutsche Monopolkapital ist sehr bemüht, diese Staaten und Märkte zu kontrollieren und dort den Einfluss der USA und Großbritanniens zu brechen bzw. zu schwächen.

Zum einen könnten diese Staaten den Ansatzpunkt eines „antideutschen“ Blocks in der EU darstellen, zum anderen direkt die politischen, militärischen und ökonomischen Interessen der USA in den EU-Gremien vertreten. Für den US-Imperialismus wäre es daher nicht günstig, wenn mit Großbritannien der engste Verbündete 2017 die EU verlässt, v.a. wenn Großbritannien allein austritt. Sollte es aber an der Spitze einer Koalition verschiedener austrittswilliger Staaten stehen, dann wäre das Projekt EU unter deutscher Führung gescheitert; der Schlüssel dazu liegt in Frankreich und Italien.

Sollten diese beiden Staaten und Kapitalfraktionen nicht mehr dem „deutschen Weg“ folgen, dann wäre eine Koalition mit Großbritannien das sicherste Ende dieser EU – Europa würde in ein Mosaik verschiedener Bündnisse und Blöcke zerbrechen, wie schon zuvor historisch geschehen.

Je mehr der deutsche Imperialismus die Unterwerfung der anderen nationalen Kapitale forciert, desto eher ist deren Ausscheren aus der EU zu erwarten. Die inneren Kräfte des deutschen Kapitals zwingen dieses, bei Strafe des Untergangs der EU genau diese Situation herbeizuführen. Dies kann durch das Erstarken nationalistischer und faschistischer Teile des Bürgertums geschehen, welche sich dann als Schutzpatrone der jeweiligen Bourgeoisie aufspielen und ihren nationalen Markt und ihre Wertschöpfungsketten vor dem deutschen Imperialismus schützen wollen.

Andererseits haben die fast 15 Jahre EURO-Raum unter deutsch/französischer Führung zur Expansion des EU-Binnenmarktes geführt und ein stabiles imperiales Regime via EU-Bürokratie aufgebaut. Die EU bleibt somit ein einmaliges Projekt in der Epoche des Imperialismus: die inneren Widersprüche und Gegensätze zeigen den Weg der Spaltung, die Realität des letzten Jahrzehnts wiederum bezeugt den Aufstieg des deutschen Imperialismus auf globaler Ebene.

Die EU – schwächstes Glied der Global Player

Das 1. Quartal des Jahres 2015 brachte zwar für die nach der BRD größten Volkswirtschaften ein Wachstum (Frankreich: 0,7%, Italien 0,1%, Spanien 2,6%), was sich aber relativiert, wenn man steigende Staatsverschuldung und ihr langfristiges Niveau berücksichtigt. Die EU-Kommission prognostiziert für Frankreich einen Anstieg der Bruttostaatsschulden für das laufende Jahr um 2,6% (74 Mrd. US-Dollar) bei nur 1% BIP-Wachstum (30 Mrd. US-Dollar). Im 1. Quartal 2015 legte das italienische BIP um mickrige 470 Mio. EURO zu, der gesamtstaatliche Schuldenberg aber um 65 Mrd. EURO. Im Mai 2015 belief sich der Bruttostaatsschuldenstand auf 2,22 Billionen EURO, also 137% der jährlichen Wirtschaftsleistung. Die industriellen Zuwächse der spanischen Volkswirtschaft beschränkten sich fast ausschließlich auf die Sparte Kraftfahrzeugproduktion – SEAT ist eine VW-Tochter. Alle anderen Bereiche stagnieren praktisch. Der Einbruch der spanischen industriellen Erzeugung von 2007 bis heute liegt bei 27%. Dieses Wachstum reicht nicht zum Schuldenabbau. Die EU-Kommission rechnet bis 2016 mit einem Anstieg der Staatsverschuldung auf 102% des BIP. Insgesamt schafften alle Länder der Eurozone 2014 eine Wachstumsrate von 0,8%, obwohl die EZB mittels einer sintflutartiger Geldschwemme die Zinsen auf einem historischen Tief hielt. Der EURO und die Energiepreise schwächelten, die Industrieproduktion vieler Euroländer bleibt weit unter ihren Höchstständen verharrt. Das homöopathische Wachstum dürfte sich ins Negative verkehren, wenn das weltwirtschaftliche konjunkturelle Umfeld, insbesondere der Volkswirtschaften der USA und  Chinas, sich weiter abschwächt. Im Juli 2015 brach der chinesische Export um 8,3% ein – schlimmer, als die Experten erwartet hatten.

Ohne die niedrigen Zinsen wären die Staatsschulden stärker gestiegen und die Exportchancen schlechter – die durch den niedrigen Außenwert des EURO begünstigt wurden. Die Niedrigzinspolitik begünstigt höhere Einkommensschichten, die von Aktienkursgewinnen und niedrigen Hypothekendarlehen profitieren, Ersparnisse und Lebensversicherungen des „Kleinen Mannes“ für die Altersvorsorge verlieren dagegen tendenziell an Wert.

Der auch von vielen linkskeynesianischen Ökonomen erhoffte Effekt des Kredithebels – die Ankurbelung von Erweiterungsinvestitionen – blieb aber aus. Zum einen geht die Angst vor einer neuen Rezession um, zum anderen haben Banken an Vertrauen verloren. Unternehmen suchen verstärkt nach alternativen Finanzierungswegen, die von den Zentralbanken indirekt gepuscht werden. Das billige Geld fließt in vermeintlich sichere Vermögenswerte wie Staatsanleihen, Aktien und Immobilien. Große Konzerne besorgen sich über neue Aktien Geld, das sie aber nicht real investieren, sondern als Finanzanlage nutzen.

Rudolf Hickel, einer der „alternativen“ Wirtschaftsweisen, fordert eine „deutliche Zinswende“. Höhere Zinssätze belasteten nicht die davon relativ unabhängige Kreditaufnahme der Wirtschaft. Vielmehr sei eine aktive Finanzpolitik mit staatlichen Ausgaben im Bereich der Investitionen und der Infrastruktur erforderlich. Wenn der Gaul der „aktiven Nachfragestimulierung“ totgeritten ist, muss der nächste aufgesattelt werden. Die Staatsschulden lassen Hickels Investitionsförderträume grüßen! Was dem Professor der Arbeitsgruppe „Alternative Wirtschaftspolitik“ (Memorandum-Gruppe) wie dem gesamten akademischen Halbmarxismus der linken SchülerInnen Keynes‘ entgeht: Geldpolitik und Zins sind nicht die Triebfedern kapitalistischen Wachstums, sie sind abgeleitete Phänomene der Mehrwertproduktion. Wenn in der Krise die Zinsen stärker fallen, als sie in der Erholung danach angehoben werden, wenn dies zudem über Jahre so bleibt, dann handelt es sich um eine ganze Periode verschärfter Überakkumulation. Im „Revolutionären Marxismus 39“ (2) haben wir diesen Zusammenhang ausführlich dargelegt. Die Eurozonenkrise ist ein schlagender Beweis dafür (3).

Sicher ist die EU weit von einer bürgerlichen Vereinigung Europas entfernt – ohne Russland, die Türkei, Schweiz u.a. Länder. Doch immerhin gehören 4 G7-Staaten (noch) zur EU, 3 sogar zur Eurozone. Nach dem 2. Weltkrieg war die Achse Deutschland-Frankreich Motor dieser kapitalistischen Einigung. Seit Beginn des imperialistischen Zeitalters bis zum Ende des 2. Weltkrieges waren beide Länder erbitterte Konkurrenten; die stabile imperialistische Achse in Europa bildete sich um Frankreich und Großbritannien. Die NAFTA ist zwar auch ein Wirtschaftsblock, den der US-amerikanische und kanadische Imperialismus dominieren. Aber die EU umfasst 28 Staaten, die Eurozone 19. Einen gemeinsamen Binnenmarkt, geschweige eine gemeinsame Währung, gibt es zudem nicht in der NAFTA.

Der EURO verkörpert einen historischen Kompromiss: Frankreich und Italien opferten Franc und Lira, weil sie attraktivere Standorte für Geldkapital wurden, das jetzt ohne Aufschlag für Währungsverlustrisiken ins Land gelockt oder dort gehalten werden konnte. Dafür sicherte sich im Gegenzug die BRD-Exportindustrie einen besseren Zugang zu deren Märkten aufgrund der wegfallenden Verteuerung der D-Mark im Vergleich zu Franc und Lira. Im Moment der EURO-Krise wird dieser Pakt brüchig. Frankreich und Italien sowie zahlreiche andere EURO-Länder geraten in strukturelle, chronische und v.a. unaufhaltsame Zahlungsbilanzdefizite. Die günstige Kapitalrefinanzierung, der Hauptvorteil für sie bei der Währungsunion (siehe oben), verliert ihren zündenden Effekt für diese Volkswirtschaften. Die BRD indes profitiert weiter vom im Vergleich zur „härteren“ D-Mark billigen EURO; ihre Industrie drückt ihre unmittelbaren Konkurrenten an die Wand. Dies ist der ökonomische Hintergrund der oben beschriebenen Zerreißprobe. Weil sich im gemeinsamen EURO-Währungsraum die Zahlungsungleichgewichte auf Seiten der unterlegenen Konkurrenten viel eher und direkter als bei der Dazwischenkunft sich ständig verändernder, gleitender Wechselkurse im steigenden Staatsdefizit niederschlagen, versteift sich die Bundesregierung auf die Bedienung derselben. Es ist diese sich öffnende Schere zwischen dem deutschen Hegemon und dem Rest, die dieser Periode des EURO-Gebiets ihren Stempel aufdrückt.

Während die allermeisten Linken darin nur eine zugespitzte staatliche Fiskalkrise sehen, für die die Troika zuständig ist (und das entspricht auch der Wahrheit, aber eben nur zum Teil), erkennen wir ihre Hauptkomponente darin, dass die Bedienung der Staatsschuld eine Fütterung des BRD-Exportgroßkapitals darstellt. Diese Quasi-Subvention erhält den EURO-Zone-Kapitalmahlstrom aufrecht. Die Drohung mit dem Grexit ist der zugespitzte Ausdruck dessen. Am wenigsten will Deutschland die Schwächung des Zusammenhalts innerhalb der Währungsunion. Aber das mag an einem gewissen Punkt das kleinere Übel sein als ein Schuldenschnitt, der andere Wackelkandidaten wie Spanien oder Italien mit in den Strudel reißen könnte.

Was wie Harakiri aussieht, ist also kalkulierte Politik des deutschen Imperialismus. Diese wird aber früher oder später an die Wand fahren, spätestens wenn Italien oder Frankreich in Griechenlands Fußstapfen treten. Als imperialistische, nationale Gesamtkapitale würden sie sich dem Druck einer gemeinsamen Währung mit ihm entziehen müssen – auf Gedeih und Verderb. Und der deutsche Imperialismus? Seine Widersprüche würden den gleichen Siedepunkt erreichen wie schon zweimal in der Geschichte. Er würde neue Allianzen v.a. außerhalb Europas schmieden und die globale „Ordnung“ durcheinanderwirbeln.

Das Beispiel Griechenland

Die Verhandlungen mit der Syriza/ANEL-Regierung haben gezeigt, was sich der deutsche Imperialismus unter einer Hackordnung in Europa vorstellt. Letztlich wurden gegenüber der griechischen Regierung alle Vorgaben der bestehenden Spardiktate durchgesetzt und weitere durch das jetzt vorgesehene 3. Kreditprogramm unter dem ESM (Europäischer Stabilitäts-Mechanismus) aufgedrückt.

Diese Verhandlungen und die Reaktionen aus Berlin und Brüssel auf die neue griechische Regierung zeigen, wie sich das deutsche Kapital Europa vorstellt. So hält es derzeit weiter den Finger am Abzug Richtung „Grexit“. Stellvertretend dürfen dies Schäuble und Teile der CDU/CSU-Fraktion tun, allein um zu beweisen, dass das deutsche Kapital sich in allem durchsetzen kann und dabei selbst den Rausschmiss eines Staates aus seinem EU-„Protektorat“ in Kauf nimmt.

Es ist eine eindeutige Kriegserklärung an das europäische Proletariat, an die europäischen Volksmassen, die hier vom deutschen Imperialismus und seinen Handlangern Merkel und Schäuble ausgesprochen und umgesetzt wurde. Egal, welche Regierung gewählt wird, egal welche anderen Konzepte diese umzusetzen beabsichtigt oder welche Volksabstimmungen diese abhält – am Ende diktiert Berlin via Brüssel die Bedingungen.

Im Fall Griechenlands ging die Bundesregierung sogar das Risiko eines Konflikts mit Frankreich ein, welches wie der IWF einen Schuldenschnitt wenn auch nicht gefordert, so doch zumindest angeboten hätte. In den Verhandlungen zeigte sich auch, dass die „deutschen Verbündeten“ in Skandinavien, Benelux und Osteuropa sitzen, welche vehement für Berlin instrumentalisiert wurden und den Grexit forderten.

Hinter der Wahl von Tsipras und erst recht mit dem OXI vom 5. Juli verbanden große Teile der griechischen ArbeiterInnenklasse die Hoffnung, die Spardiktate der EU abzulehnen und die schlimmsten Verwerfungen der letzten 5 Jahre vielleicht rückgängig zu machen. Manche sozialdemokratischen und reformistischen Träumer in der griechischen Regierung, allen voran Tsipras selbst, waren sogar der Ansicht, das Paradigma des Sparens in der EU-Politik zu ändern oder zumindest für Griechenland einen dementsprechenden Deal herausholen zu können. Ihnen allen wurde gezeigt, was das deutsche Kapital davon hält. Eine Änderung der aggressiven Spardiktate, der Ausplünderung der Sozialkassen und der Privatisierung der öffentlichen Unternehmen und Aufgaben ist nicht das Ziel des deutschen Kapitals wie auch der anderen europäischen Kapitalfraktionen – dies musste schon 2011 auch der französische Präsident Hollande  feststellen.

Für keynesianische Politik der Umverteilung gibt es in diesem Europa keinen Platz. Mehr Geld und Investitionen fließen nur in die Finanzmärkte oder dienen zur Sicherung der Absatzmärkte des Monopolkapitals – sie fließen aber nicht in Infrastruktur und öffentliche Arbeiten und schon gar nicht in Löhne und Kaufkraft.

Es ist das Ziel des deutschen Imperialismus, der europäischen ArbeiterInnenklasse eine strategische Niederlage zuzufügen. Dabei stehen natürlich die jeweiligen nationalen Kapitalfraktionen „Gewehr bei Fuß“, solange es darum geht, weitere Sozialangriffe gegen das Proletariat durchzusetzen.

Dieser deutsche Imperialismus wird nicht durch sozialdemokratische, reformistische, bürgerliche Regierungen und/oder (Arbeiter-) Parteien gestoppt. Diese dienen letztlich nur als Vollstrecker der aufgezwungenen Maßnahmen, wie jetzt auch die Syriza/ANEL-Regierung in Griechenland. Dieser Imperialismus kann nur durch den massenhaften Widerstand der europäischen ArbeiterInnenklasse gestoppt werden, und dazu brauchen wir speziell in Deutschland eine Belebung, eine Aktivierung klassenkämpferischer Politik gegen Kapital und Staat.

Es werden uns auch keine Beteuerungen der europäischen „Demokratie“ oder angeblicher „europäischer Werte“ helfen: diese Demokratie ist und bleibt eine Klassenherrschaft. Schon bei den technokratischen Regierungen von Papadimos und Monti in Griechenland und Italien hat der deutsche Imperialismus via EU-Bürokratie massiv eingewirkt und einen „regime change“ relativ geräuschlos veranstaltet.

Gegen den deutschen Imperialismus und dessen Rolle brauchen wir keine Beschwörungen der europäischen Demokratie und deren „Werte“ (also Kapital, Profit und Ausbeutung), sondern eine revolutionäre Klassenpolitik gegen Kapital, Staat und die reformistisch, bürgerliche Führung der Klasse. Wenn dies nicht geschieht, kann auch anderen Staaten und ArbeiterInnenklassen Europas das „griechische“ Schicksal drohen, nämlich als EU-Protektorat unter deutscher Knute. Das ist auch, was Schäuble mit „Kerneuropa“ und/oder „Europa der zwei Geschwindigkeiten“ formuliert: Kerneuropa bestimmt und verwandelt die „Ränder“ zu Sonderwirtschaftszonen unter Kontrolle der deutsch/französischen Führung und deren Kapitale.

C Entwicklung des BRD-Imperialismus

Die Leninsche Definition

Die Krise 2007/08 und die nachfolgende Politik der imperialistischen Staaten zeigt, dass wir es mit dem Imperialismus gemäß der Definition durch Lenin und Trotzki zu tun haben, nicht mit einem postmodernen „Empire“ à la Hardt/Negri, das an frühere „Ultraimperialismus“-Theorien von Kautsky und Hilferding anknüpft. In diesem Zusammenhang war auch die Globalisierung „nur“ eine Etappe des Imperialismus, seiner Ausbreitung im globalen Maßstab. Das „Fit-Machen für die Globalisierung“ in der BRD war die Vorbereitung des deutschen Großkapitals auf globale Aufgaben, auf die globale Konkurrenz gegen andere Kapitalfraktionen. Diese Ausbreitung war möglich und nötig geworden durch die Beseitigung eines bis 1990 bestehenden Hindernisses für den Imperialismus, des „Ostblocks“, der Staaten des Warschauer Paktes. Hier war eine ganze Weltregion nicht dem kapitalistischen Wertgesetz unterworfen und konnte nicht unter den imperialistischen Fraktionen aufgeteilt werden. Dies geschah dann in den 90er Jahren mit der „Globalisierung“.

Wenn von einem Großteil der heutigen Linken der Imperialismus zumeist in die Zeit der Weltkriege verlegt oder/und mit der Kolonialzeit verbunden wird, so wird keine aktuelle Analyse betrieben über die Zusammenhänge zwischen Kapitalen und seinen Erscheinungsformen. Bekannt dürfte dagegen einigen noch die Definition Lenins sein, welche wir hier kurz zitieren:

„Doch sind allzu kurze Definitionen zwar bequem, denn sie fassen das Wichtigste zusammen, aber dennoch unzulänglich, sobald aus ihnen speziell die wesentlichen Züge der zu definierenden Erscheinung abgeleitet werden sollen. Deshalb muß man – ohne zu vergessen, daß alle Definitionen überhaupt nur bedingte und relative Bedeutung haben, da eine Definition niemals die allseitigen Zusammenhänge einer Erscheinung in ihrer vollen Entfaltung umfassen kann – eine solche Definition des Imperialismus geben, die folgende fünf seiner grundlegenden Merkmale enthalten würde: 1. Konzentration der Produktion und des Kapitals, die eine so hohe Entwicklungsstufe erreicht hat, daß sie Monopole schafft, die im Wirtschaftsleben die entscheidende Rolle spielen; 2. Verschmelzung des Bankkapitals mit dem Industriekapital und Entstehung einer Finanzoligarchie auf der Basis dieses „Finanzkapitals“; 3. der Kapitalexport, zum Unterschied vom Warenexport, gewinnt besonders wichtige Bedeutung; 4. es bilden sich internationale monopolistische Kapitalistenverbände, die die Welt unter sich teilen, und 5. die territoriale Aufteilung der Erde unter die kapitalistischen Großmächte ist beendet. Der Imperialismus ist der Kapitalismus auf jener Entwicklungsstufe, wo die Herrschaft der Monopole und des Finanzkapitals sich herausgebildet, der Kapitalexport hervorragende Bedeutung gewonnen, die Aufteilung der Welt durch die internationalen Trusts begonnen hat und die Aufteilung des gesamten Territoriums der Erde durch die größten kapitalistischen Länder abgeschlossen ist.“ (4)

Wie im Zitat ersichtlich haben Definitionen und Zustandsbeschreibungen immer einen relativen, von den allgemeinen Entwicklungstendenzen abhängigen Charakter. Ein zentrales Merkmal der  imperialistischen Epoche ist, dass die Welt unter den Großkapitalen und Großmächten aufgeteilt ist, dass eine Änderung ihres Kräfteverhältnisses und ihrer Entwicklungsdynamik früher oder später notwendig zu einem Kampf um die Neuaufteilung der Welt führen müssen. Die Überakkumulationskrise verschärft diese Tendenz nur.

Neue Konkurrenten fordern den imperialen Hegemon USA heraus, speziell China und die EU treten global in Konkurrenz zum US-Kapital. Viel Missverständliches wurde mit dem Begriff Monopolkapital betrieben, zumeist mit einer sehr engen sprachlichen Definition von Monopol. Wenn heute von Großkonzernen und deren Bedeutung und Stellung auf dem Weltmarkt gesprochen wird, so schließt dies direkt an die leninsche Definition an, wenn auch meist „unbewusst“. Es sind eben „monopolistische Kapitalistenverbände“, welche die zentralen Wirtschaftssektoren (Energie, Pharma, Rüstung, Automobil, Maschinenbau, Luftfahrt, Handel) unter sich aufgeteilt haben und den Markt bestimmen. Allein die 10 größten aufgeführten Konzerne der Welt (5) haben einen vergleichbaren Umsatz wie das BIP der BRD, ungefähr 3,5 Billionen EURO – dies ist konzentrierte Kapitalmacht.

Zum Monopolbegriff noch dies: die Studie über die internationale Kapitalverflechtung und Zugehörigkeit von der ETH Zürich (6) geht davon aus, dass letztlich 43.000 Unternehmen als internationale Großkonzerne identifiziert werden, darunter gibt es 1.318 Unternehmen, welche über Beteiligungen 80% dieser Großkonzerne kontrollieren. Innerhalb dieser 1.318 Megakonzerne existiert wiederum eine Konzentration des Kapitals, in der 147 Gigakonzerne – zumeist Banken, Versicherungen und Fonds – die Kontrolle über 40% aller weltweiten Großkonzerne ausüben: in dieser Größenordnung ist Monopolisierung zu verstehen. So ist auch der Begriff Finanzkapital zu verstehen, sicherlich einer der heute sehr verfälscht benutzten Begriffe aus der leninschen Definition.

Als Finanzkapital bezeichnete Lenin das „Verschmelzen“ von Industrie- und Bankkapital, die Entstehung einer „herrschenden Abteilung“ des Kapitals. Dort ballen sich die angehäuften Profite verschiedener Kapitalfraktionen inklusiv der aktuell angeworbenen Kredite – um als herrschende Abteilung die Geschicke des globalen Kapitalismus zu ordnen. Dabei kommt Banken und Versicherungen eine wichtige Rolle zu, schließlich bündeln hier oft die verschiedenen Kapitalfraktionen ihre Profite, Interessen und nächsten Unternehmungen, aber sie allein sind nicht das Finanzkapital. Dazu gehören z.B. auch die weltweit agierenden Fonds, welche teils „unabhängig“, teils in Kooperation mit den Großbanken agieren. Diese verwalten 2014 weltweit aktuell in den offiziellen Hegdefonds eine Summe von ca. 2,5 Bill. US-Dollar (7).

Der führende Fonds, die US-Gesellschaft Black Rock, wird als eine „Schattenbank“ bezeichnet (wikipedia), welche höchstwahrscheinlich allein Vermögenswerte von ca. 2 Billionen US-Dollar verwaltet, investiert und damit spekuliert – ein gutes Beispiel für einen Bestandteil der „herrschenden Abteilung“, für das real existierende Finanzkapital.

In Deutschland finden sich 2014 Vermögenswerte von 2,4 Billionen EURO in Hegdefonds, wovon 1,7 Bill. EURO von institutionellen Anlegern kommen (zumeist Banken und Konzerne), die restlichen 700 Mrd. EURO aber von privaten Anlegern investiert wurden. Jede nationale Kapitalfraktion und erst recht jedes imperialistisch agierende Kapital bildet diese Abteilungen seiner Wertschöpfung heraus, um im globalen Maßstab konkurrenzfähig zu sein.

Der von Lenin erwähnte „Couponschneiderkapitalismus“, welcher parasitäre Züge zeigt und auf den Niedergang dieser Phase des Kapitalismus hinweist, dieser „faulende Kapitalismus“ (Lenin) hat sich auf höherer Entwicklungsstufe etabliert. Nur reicht „faulend“ als Adjektiv für Kredite nicht mehr aus: diese sind seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2007/08 zu „toxischen“ Papieren und Krediten geworden, auch hier quasi eine quantitative und qualitative „Steigerung“ dieses letzten Stadiums des Kapitalismus.

Das deutsche Großkapital

In der traditionellen Zusammensetzung des deutschen Großkapitals gibt es bezüglich der Akteure eine große Kontinuität, es muss aber auch eine Formveränderung der „Deutschland AG“ verzeichnet werden. Als „Deutschland AG“ wurde die enge Vernetzung und gegenseitige Beteiligung der deutschen Großkonzerne bezeichnet: fast alle Sektoren und größeren Monopole standen untereinander in Verbindung, zumeist via Allianz-Versicherung und Deutsche Bank.

Grafik 1: Verflechtungen des deutschen Großkapitals 2006

Diese Verflechtung des deutschen Großkapitals hatte zum einen eine Schutzfunktion gegenüber Übernahmen durch andere Großkonzerne, zum anderen bereitete es die deutschen Konzerne auf die globale Konkurrenz vor. Fusionen wurden untereinander betrieben, wie der Aufbau von E.ON oder die Übernahme der Dresdner Bank durch die Allianz-Versicherung oder die Fusion von Porsche und VW. Dies war eine Epoche der Monopolisierung innerhalb des deutschen Großkapitals, dessen Elemente dann in der Globalisierung und heute während der Neuaufteilung der Märkte auf globalen Beutezug gegangen sind.

Im Vergleich zu 2006 fällt auf, dass sich die Sektoren des Großkapitals neu vernetzt haben, dass sowohl das Industrie- wie das Kredit-/Versicherungskapital sich untereinander neu aufgestellt haben. Weiterhin eine „Zentrale“ des deutschen Großkapitals bleibt die Allianz als größter Versicherungskonzern der Welt mit gestreuten Beteiligungen an verschiedenen Sektoren des Großkapitals.

Grafik 2: Deutschland AG 2010

Diese teilweise Aufsplittung des „Deutschland AG Netzwerks“ erleichterte den Monopolkonzernen, sich ungehindert auf dem Markt zu entfalten und zu expandieren. Gut gerüstet zogen Monopole wie VW, Telekom, Post und Siemens auf die internationalen Märkte und bauten ihre Stellung aus. Zu Zeiten der tieferen Vernetzung der Deutschland AG gab es dementsprechend auch mehr Entscheider auf Kapitalseite, was zwar vor feindlicher Übernahme besser schützen konnte, aber in expansiven Zeiten eben auch hinderlich sein kann. In Zeiten der tieferen Vernetzung erfüllte die Deutschland AG vor allem eine Schutzfunktion für die deutschen Monopole, die sich unter dem Netzwerk weiter zentralisiert haben, um dann „gestärkter“ in die internationale Konkurrenz eingreifen zu können.

Diese konzentrierte Marktmacht des Großkapitals lässt sich auch gegenüber dem deutschen Mittelstand darstellen. Dieser „Mittelstand“ ist eine besondere Entwicklungsstufe innerhalb des deutschen Industriekapitals, welche selbst Weltmarktführer und Unternehmen mit Milliardenumsätzen als Mittelstand bezeichnet, wobei speziell diese größeren mittelständischen Unternehmen immer eine starke Verbindung zu den jeweiligen Monopolkonzernen des Wirtschaftssektors haben. Die fünf größten deutschen Monopole (VW, Daimler, E.ON, Siemens, Metro) haben gemeinsam einen höheren Umsatz als alle 3,2 Millionen Kleinunternehmen zusammen.

Fügen wir den Kleinunternehmen noch die umsatzstärksten mittelständischen Unternehmen hinzu, so entspricht ihr Gesamtumsatz von über 2 Billionen Euro gerade den 100 größten Konzernen. (8) Die Deutsche Bank als größtes Finanzmonopol des deutschen Kapitals schaffte es 2014 mit einer Bilanzsumme von 2,078 Billionen US-Dollar auf Platz 12 der globalen Rangliste, innerhalb der EU reichte es für die Top 5.

Wir sehen aktuell auch eine Zunahme der Fusionen in Milliardenhöhe mit deutscher Beteiligung. 2014 war das Rekordjahr von Fusionen seit der Einführung des EURO. Insgesamt stehen 1.633 Fusionen und Übernahmen mit deutscher Beteiligung zu Buche, davon 934 (57%) mit Firmen aus dem Ausland. Der Wert der Fusionen stieg auf 237 Mrd. EURO, 20 Fusionen fanden in Milliardenhöhe statt. Innerhalb dieser „Mega-Fusionen“ war Bayer die Nr. 1, die vom US-Konzern Merck & Co. die Sparte rezeptfreier Medikamente erwarb und dafür 10,4 Mrd. EURO zahlte.

Auch weltweit war 2014 ein Jahr der Mega-Fusionen. Deren Gesamtsumme übertraf das bisherige Rekordjahr 2007 deutlich, mit 3,2 gegenüber 2,6 Bill. US-Dollar. Die Höchststände der Börsen, die Milliarden und Billionen billigen Geldes via „quantitive easing“ haben das Monopolkapital wieder „phantasievoll“ gemacht, wie es im Börsenjargon heißt. So günstig kam man selten an das fiktive Kapital und so gewinnbringend konnte selten verkauft werden in den letzten Jahren – ein neuer Run der Monopolisierung und Kapitalkonzentration ist im Gang. (9) All das ist auch ein eindrucksvoller Beleg für die Bedeutung des Kapitalexportes in der imperialistischen Epoche.

Marktmacht in Europa

In der EU verfügen die deutschen Monopole über eine dominante Stellung. Unter den Top-100-Gesellschaften Europas finden wir 18 deutsche Monopole, fast ein Fünftel des EU-Großkapitals ist unter „deutscher Flagge“ unterwegs. (10) Unter den Top 21 sieht es noch deutlicher aus: hier rangieren 7 deutsche Monopole, ein Drittel des europäischen Großkapitals steht also unter deutscher Kontrolle. Darunter finden sich viele „alte“ Bekannte, die seit der imperialistischen Epoche aktiv sind und daher auf diesem Sektor eine Konstante darstellen, unabhängig von der jeweiligen Staatsform.

Grafik 3 bietet eine Darstellung der Top 10 in Deutschland 2013. Europaweit müssen diese Konzerne noch um Bayer, Thyssen-Krupp, RWE, Continental, Lufthansa, Hochtief, Celesio und EnBw ergänzt werden. Hiermit haben wir den Kern des industriellen Exportkapitals benannt. Gemeinsam mit der Deutschen Bank, der Münchner Rück und dem Allianz-Konzern bilden sie das Herzstück des deutschen Finanzkapitals.

Diese konzentrierte Marktmacht sorgt auch für die stetigen Handelsbilanzüber-schüsse, welche seit der EURO-Einführung und des EU-Binnenmarktes massiv gestiegen sind und das Rückgrat des deutschen Imperialismus stellen.

Für 2013 und 2014 sind die Überschüsse mit 195 Mrd. EURO und 217 Mrd. EURO zu ergänzen (11), womit sich diese Kennziffer des deutschen Kapitals in den letzten 15 Jahren fast vervierfacht hat, während die Gesamtheit der Exporte (2013: 1.093 Mrd. EURO, 2014: 1.134 Mrd. EURO) sich „nur“ verdoppelt hat.

Grafik 3: Top Ten des deutschen Großkapitals

Grafik 4: Entwicklung des Außenhandels

Hier liegen die Basis für die ökonomische Beherrschung der EU wie das Risiko des Zerfalls nah beieinander. Zum einen kann die dominante deutsche Kapitalfraktion weiter in der EU die gegnerischen Kapitalfraktionen schwächen, einbinden oder aufkaufen – zum anderen liegt hierin aber auch der Schlüssel für einen möglichen Zerfall der EU, wenn nämlich die konkurrierenden Kapitalfraktionen das nicht mit sich machen lassen.

Diese Struktur ist auch der Grundstock dafür, was Lenin als „Extraprofit“ bezeichnet, „Extra“ in der Hinsicht, dass dieser über die Beherrschung und Infiltration internationaler Märkte angesammelt wird, das „heimische“ Großkapital stärkt und die Existenz der Arbeiteraristokratie begründet, für welche dann aus diesen Extraprofiten auch höhere Löhne und eine höhere soziale Stellung innerhalb der Klasse abfallen.

Aber dieser Extraprofit ist natürlich nicht allein für die deutschen Beschäftigten der Exportindustrie vorhanden, sondern in erster Linie für die besitzende Klasse. Und so wurde 2014 eine Rekorddividende der DAX-Konzerne in Höhe von 30,3 Mrd. EURO ausgeschüttet, welche 2015 die 40 Mrd.-Grenze sprengen wird, wie auch die Top-30 der börsennotierten Unternehmen einen Rekordgewinn von 109 Mrd. EURO einstrichen. Begleitet wurde dies auch von einem Börsenrun in den letzten Jahren: allein zwischen dem Krisenjahr 2009 und dem Endstand des DAX 2014 liegt ein Plus von 173% (12). Der DAX konnte sich bis 2015 zum Ausbruch der Griechenlandkrise halten und sogar auf neue Rekordstände klettern, ohne dass es einen signifikanten Aufschwung der Produktion gegeben hätte. Diese liegt erst seit 2012 wieder auf Vorkrisenniveau und wuchs seitdem nur langsam.

Allerdings konnte das deutsche Industriekapital seine Stellung auf Kosten der europäischen Konkurrenten ausbauen. Während in Frankreich, Italien und Großbritannien der Anteil der Industrie an der gesamten Wertschöpfung von 2003 bis 2013 gesunken ist, konnte das deutsche Industriekapital seinen Anteil von 24,5 auf 25,5% ausbauen. (13)

Über die Beherrschung der industriellen Wertschöpfungsketten im EU-Binnenmarkt kann das deutsche Finanzkapital vom Binnenmarkt aus globale Ambitionen umsetzen. Darüber gelingt es, ADI (Auslandsdirektinvestitionen) und damit einhergehend neue Wertschöpfungsketten global zu platzieren, speziell in den Märkten der zwei Hauptkonkurrenten USA und China.

D Prekarisierung und Umstrukturierung in der Klasse

Während in den südeuropäischen Staaten die Massenverarmung sehr zügig mit den Spardiktaten aus Brüssel und Berlin anstieg, können wir in der BRD eine Verarmung seit der Agenda 2010 und deren Einfluss auf den Arbeitsmarkt sowie seit den Auswirkungen der Krise 2007/08 feststellen. Während offiziell die Höchstbeschäftigung seit dem Anschluss der DDR mit 40 Millionen registrierter Beschäftigter bekanntgegeben wird, hat sich doch die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden nur unwesentlich verändert. Im Vergleich zum Jahr 2000 sind 2,75 Millionen neue Erwerbstätige registriert, aber mit 0,9% nur unwesentlich mehr Arbeitsstunden geleistet worden. Dies ist Folge einer „Prekarisierung“ neuer Schichten der Klasse, wie wir sie bereits im Revolutionären Marxismus 44 (14) dargestellt haben.

Zeit- und Leiharbeit, die „geringfügig Beschäftigten“, Mini-Selbstständige in siebenstelliger Anzahl und verschiedene befristete und begrenzte Jobs prägen heute den Arbeitsalltag vieler Beschäftigter in Deutschland. Die Agenda 2010 schuf die Grundlage für staatliche Zwangsarbeit via 1-EURO-Job, mit gleichzeitigem Aufbau der Zeit- und Leiharbeitsfirmen und deren formaler Berechtigung, Beschäftigte anzuheuern und auszuleihen, die moderne Form von Handel mit Arbeitskraft. Nach dem Einbruch während der Krise 2007/08 wurden fast 2 Mill. Beschäftigte in die Kurzarbeit transferiert. Die wenigsten von ihnen bekamen ihre alte Stelle und ihren vorherigen Lohn wieder. Die meisten wurden in die Frühverrentung mit gleichzeitigen Abschlägen und/oder in die Zeit- und Leiharbeit transferiert.

Grafik 5: Entwicklung der Teilzeitbeschäftigung

Diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass der Standort Deutschland in zwei Kategorien Spitzenreiter auf Kosten der Beschäftigten geworden ist. Kaum ein anderer Industriestandort konnte so erfolgreich die Lohn„neben“kosten senken, die Reallöhne auf dem Niveau von 2000 fast einfrieren (ein Plus der Kaufkraft von 1,2%) und gleichzeitig die durchschnittliche Produktivität seit dem Jahr 2000 um 14% steigern.

Wie die Spaltung in Voll- und Teilzeitstellen oder die 27,5 Stunden-Stellen speziell im Handel aufzeigen, ist es dem deutschen Kapital gelungen, die gleiche Arbeit auf mehr Hände und Köpfe zu weniger Lohn zu verteilen und damit auch die Konkurrenz innerhalb der Klasse weiter zu erhöhen.

So werden heute 42,6 Mill. Menschen als Beschäftigte aufgeführt, wovon allerdings nur noch 30,5 Millionen als „sozialversicherungspflichtig Beschäftigte“ geführt werden, also ein gutes Viertel der Beschäftigten keinen, wenig oder einen eingeschränkten Zugang zum Sozialversicherungssystem überhaupt hat. Selbst in den geschönten Statistiken der Bundesagentur werden über 7 Millionen als „atypisch Beschäftigte“ registriert, worunter dann auch „Mini-Jobber“, Aufstocker und v.a. junge und weibliche Teilzeitbeschäftigte aufgeführt sind. Dieser hohe Anteil des Niedriglohnsektors wird dann ergänzt um mehrere Ausgliederungen in die „Scheinselbstständigkeit“, welche von der AltenpflegerIn bis zum KurierfahrerIn für DHL oder zur ProgrammiererIn, den „FreelancerInnen“, reicht.

Diese Entwicklung hat im letzten Jahrzehnt zu einer Verarmung breiter Teile der Beschäftigten, aber auch zur weiteren Verarmung der Arbeitslosen geführt. 7,4 Millionen Menschen beziehen heute „soziale Leistungen“ – von Hartz IV und den Bedarfsgemeinschaften bis zur Sozialrente und ca. 1,4 Millionen „Aufstockern“. Diese Gruppe, welche unter direkter Armut leidet, wird ergänzt durch ca. 3,1 Millionen Beschäftigte, welche nicht von ihrer Arbeit leben können und als „working poor“ bezeichnet werden. Nach den Berechnungen der EU gelten Menschen in Deutschland als arm, wenn sie mit weniger als 60% des Median-Einkommens (eine Art Durchschnittseinkommen) auskommen müssen. Dieser Wert liegt bei 1-Personen-Haushalten bei 979 Euro brutto monatlich. Danach werden heute 16,4 Millionen Menschen (20,3% der Bevölkerung) als von Armut und/oder sozialer Ausgrenzung Betroffene in dieser Statistik geführt.

Während weitere Schichten der ArbeiterInnenklasse in Prekarität und Armut gedrängt werden, mästet sich auf der anderen Seite die deutsche Bourgeoisie. Über 1 Million Einkommensmillionäre, 126 aufgeführte Milliardäre und 12 milliardenschwere Familienclans verfügen zusammen mit den restlichen oberen 10% über 66,6% des gesamten Vermögens in Deutschland. Das reichste Prozent darunter verfügt über 36% des Gesamtvermögens (inkl. Aktien und Immobilien) und 45% des Geldvermögens.

Hier werden Kapitalismus und Bourgeoisie ganz real greifbar: auch wenn „antideutsche“ Strömungen dies als verkürzte Kapitalismuskritik hinstellen, ist es soziale Realität. Der Burda-Clan hinter Bertelsmann, Familie Springer mit dem gleichnamigen Verlag, die Quandts, die Mohns, Albrechts, Schwarz‘ etc. bestimmen hierzulande Industrie, Medien und Politik – das ist die Wahrheit hinter der demokratischen Fassade. Und so sollten auch „Linksradikale“ und Co. wissen, was die Bourgeoisie ist, wer dazu gehört und was somit auch Kapitalmacht bedeutet. Das ist nicht verkürzt, das ist Klassenanalyse.

Bis 2016 (Bund) und 2019 (Länder und Kommunen) gilt überall die so genannte Schuldenbremse, welche von CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen 2009 verabschiedet wurde. Danach ist es allen staatlichen Gliederungen verboten, neue Schulden aufzunehmen, was speziell für die Kommunen eine Katastrophe bedeutet. Schon heute sind hunderte Kommunen unter Zwangsverwaltung, dort bekommt die Kommune quasi vom Land ihre eigene kleine „Troika“. Das Hauptaugenmerk liegt dann auf dem Ausverkauf der öffentlichen Güter, Unternehmen und Dienstleistungen, welche dem deutschen Kapital geliefert werden sollen. So hat die Bertelsmann-Gruppe mit der Tochterfirma Arvato schon eine Firma für die öffentliche Verwaltung gegründet. Diese steht bereit, die kommunalen Rathäuser zu übernehmen. Dort wird ein Markt von 20 Mrd. EURO erwartet. Bertelsmann hat, wie auch die Beraterfirma Ernst & Young, umfassende Studien zum Ausverkauf des öffentlichen Dienstes und öffentlicher Leistungen veröffentlicht. Hier wird nach neoliberalem Duktus der Ausverkauf organisiert.

Agenda 2010: ein wichtiger Sieg des deutschen Kapitals

Mit der 2. Legislaturperiode der Schröder/Fischer-Regierung stellten Staat und Kapital sich der Herausforderung, Deutschland „fit für die Globalisierung“ zu machen. Für die Initiatoren der „Agenda 2010“, dem Arbeit„geber“verband Gesamtmetall und der ISM (Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft) lag der Fokus auf der Zerschlagung der bisherigen Sozialsysteme, wie sie die so genannte „Soziale Marktwirtschaft“ hervorgebracht hatte. In der ISM fanden sich Vertreter aller Kapitalfraktionen, welche gemeinsam die erneute rot-grüne Bundesregierung auf Kurs brachten. Zwar hatte sich Kanzler Schröder vom Parteivorsitzenden und Finanzminister Lafontaine in der ersten Legislatur getrennt; jetzt sollten aber Taten im Sinne des deutschen Großkapitals folgen.

Vor dem Hintergrund einer relativ sichtbaren Massenarbeitslosigkeit, offiziell über 4 Millionen, wurde der schwerste Angriff auf die Rechte und Ansprüche der deutschen ArbeiterInnenklasse in der Geschichte der BRD gestartet.

Im „Revolutionärer Marxismus“ 44 haben wir fast die gesamte Ausgabe dem 10jährigen „Jubiläum“ von Agenda 2010 und Hartz IV gewidmet, diesen RM legen wir auch allen LeserInnen ans Herz für dieses spezifische Thema.

Hier müssen wir zusammenfassen, inwieweit die Agenda 2010 für den deutschen Imperialismus ein wichtiges Instrument war, welche Auswirkungen bis heute das deutsche Kapital stärken und welche Schlussfolgerungen daraus für die ArbeiterInnenbewegung, ihre Organisationen und ihre Kampfmittel und Fähigkeiten zu ziehen sind.

Für das deutsche Kapital ist die Agenda 2010 der strategische Erfolg der letzten Periode. Neben massiven Kürzungen des Arbeitslosengeldes, der faktischen Abschaffung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe bzw. deren Zusammenlegung als Arbeitslosengeld II wurde ein massiver sozialer Kahlschlag von der Schröder/Fischer-Regierung exekutiert. Die Zumutbarkeitsregelungen für Arbeitslose wurden abgeschafft, seitdem werden Arbeitslose unabhängig von ihrer Qualifikation zum Verkauf ihrer Arbeitskraft gezwungen.

„Fördern und Fordern“ hieß damals die Zauberformel, unter der SPD-Fraktionschef Müntefering diese Agenda der Partei und den WählerInnen vermittelte. Auch Formeln à la „sozial ist, was Arbeit schafft“ oder „wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ begleiteten diesen Sozialangriff. Hier wurde der schwerste soziale Angriff in der Geschichte der BRD durchgeführt, den das deutsche Kapital der Vorgängerregierung unter Kohl nicht mehr zugetraut hatte.

Gleichzeitig wurde eine massive ideologische Offensive von Kapital und Staat gestartet, welche seitdem in vielen Bereichen anhält. Die Arbeitslosen und Hartz IV-EmpfängerInnen wurden einer neoliberalen Propaganda ausgesetzt, welche das Primat der Verwertbarkeit in Boulevard- oder „seriösen“ Medien auf die Titelseiten brachte. Speziell die Arbeitslosen werden seitdem einem generellen Missbrauchsverdacht ausgesetzt. Sind sie dann noch MigrantInnen oder Flüchtlinge, fallen soziale und rassistische Hetze in eins.

Dies hat die soziale und ideologische Spaltung der deutschen ArbeiterInnenklasse vertieft. Speziell zwischen den unteren Schichten der Klasse und den Arbeitslosen wie auch den MigrantInnen und Flüchtlingen ist ein Nährboden für ein rassistisches Bewusstsein entstanden.

Niedriglohnbereich wird installiert

Dieser Sozialangriff hatte zur Folge, dass ein Niedriglohnbereich in der BRD entstand, welcher heute fast ein Viertel (ca. 10 Millionen) aller Beschäftigten umfasst. Über den 1-EURO-Job per Hartz IV und die Zeit- und Leiharbeitssektoren, welche vom Staat zugelassen und gefördert wurden stieg dieser Niedriglohnbereich kontinuierlich an. Als Folge dessen gab es fast 10 Jahre lang keinen Reallohnzuwachs für die deutschen Beschäftigten, wie auch die Lohnnebenkosten fürs Kapital geringer ausfielen und ihre Beiträge zur Sozialversicherung (z.B. Krankenversicherung) festgeschrieben wurden. Das Gleiche gilt auch für die begonnene Privatisierung der staatlichen und betrieblichen Rente, welche vom ehemaligen Arbeitsminister Riester (SPD) speziell für die industriellen Kernbelegschaften vorgelegt wurde.

Die Losung „fit für die Globalisierung“ wurde vom deutschen Großkapital umgesetzt. Nach diesem Sozialangriff waren die Lohnstückkosten der deutschen Industrie wieder mit Abstand die niedrigsten im Vergleich zu den europäischen Konkurrenten (siehe Grafik „Lohnstückkosten“) und im Mittelfeld der OECD-Staaten angesiedelt. Hier wurde die Basis für die Beherrschung des EURO-Marktes, für einen stetig steigenden Handelsbilanzüberschuss (speziell gegenüber dem EURO-Raum) gelegt.

Grafik 6: Erwerbstätige Hartz-IV-BezieherInnen

Grafik 7: Lohnstückkosten im Vergleich

Der Einstieg in den (Massen-)Niedriglohnbereich wirkte auf das gesamte Lohnniveau des deutschen Arbeitsmarkts. Der 1-EURO-Job wurde im EURO-Raum zur niedrigsten Messlatte zur Wiederbeschäftigung von Arbeitslosen, und die Möglichkeit zur kompletten Kürzung der Sozialleistungen war einmalig in der Geschichte der BRD nach dem 2. Weltkrieg.

So sehr dieser Sozialangriff den Interessen des deutschen Kapitals entsprach, seine globalen Ambitionen verstärkter wahrnehmen zu können, so sehr schwächte es auch die sozialdemokratischen Organisationen der ArbeiterInnenbewegung in Deutschland. Die SPD als bürgerliche Arbeiterpartei, die v.a. über die DGB-Gewerkschaften in der Klasse verankert ist, setzte bürgerliche Politik nicht nur um, sondern „verübte“ den schwersten Angriff auf die sozialen Errungenschaften eben dieser Klasse. Ein Resultat davon war der Austritt von Teilen der DGB-Gewerkschaftsmitglieder und einfacher bis mittlerer FunktionärInnen aus der SPD, was zur Gründung der WASG und später infolge der Fusion mit der PDS zur Linkspartei führte.

In den 7 Jahren der Regierung Schröder/Fischer verlor die SPD fast die Hälfte ihrer Mitglieder (ca. 500.000) und ist seitdem nur noch als „Juniorpartner“ der CDU/CSU in „Großen Koalitionen“ vorstellbar.

Ihre Verankerung in der ArbeiterInnenklasse hat schwerere Schäden erlitten, der eigene Anspruch einer „linken Volkspartei“ ist kaum noch vermittelbar. Verankert ist die SPD heute über die DGB-Gewerkschaften, über jene Teile der Stammbelegschaften des deutschen Großkapitals, welche nicht direkt mittels Agenda 2010 und Hartz IV angegriffen wurden.

Die SPD als bürgerliche Arbeiterpartei, welche die Ideologie und Programmatik des Kapitals in der ArbeiterInnenklasse vertritt, hatte mit der Agenda 2010 ihren Dienst am „Standort Deutschland“ geleistet. Das Credo „fit machen für die Globalisierung“ zeigte genau ihre Funktion als bürgerliche ArbeiterInnenpartei auf. Die Ideologie des Sozialabbaus, die weitergehende Spaltung der Klasse wurde durch die SPD und die DGB-Gewerkschaften in die Klasse getragen. Damit wurden die wenigen Proteste und Solidaritätsaktionen innerhalb der Klasse untergraben, der Widerstand letztlich eingestellt, kam die bürgerliche Arbeiterpartei ihrer Hauptaufgabe im Sinne des deutschen Kapitals nach.

Standortvorteil DGB-Gewerkschaften

Ihre Rolle als „Co-Management“ haben die DGB-Gewerkschaften historisch bewiesen: als „verlängerter“ Arm der Interessen des Großkapitals hat die SPD-dominierte Gewerkschaftsbürokratie Ideologie und Praxis der Standortpartnerschaft und des Sozialchauvinismus ins Bewusstsein der Klasse eingehämmert. So geschehen auch bei der Verabschiedung der Agenda 2010 und bei den Folgen der Weltwirtschaftskrise 2007/08.

Die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze wurden unter Mitwirkung der DGB-Spitzen verabschiedet. Der damalige IGM-Chef Zwickel genehmigte als Aufsichtsratsmitglied bei VW das 5000 x 5000-Modell, welches mit dem damaligen VW-Personalchef Hartz ausgearbeitet wurde und einen Einbruch ins Tarifgefüge darstellte. Als Kanzler Schröder seine „Ruck“-Rede im Bundestag hielt und der schwerste Angriff auf die Sozialsysteme der BRD bevorstand, waren es v.a. die Gewerkschaftsspitzen, die die „Genossen“ Schröder, Clement und Müntefering – und damit diese Bundesregierung – gegen den Wählerwillen schützten.

Es waren „Montagsdemos“, welche zunächst im Osten Deutschlands bis zu Hunderttausende auf die Straßen brachten, es waren Gliederungen der Vertrauensleute der Betriebe und die mittleren Ebenen in den Gewerkschaften und viele politische Akteure, die im November 2003 100.000 Demonstrierende in Berlin gegen diesen Angriff mobilisierten. Als dann aber auch in zahlreichen westdeutschen Städten die Mobilisierung anwuchs, distanzierten sich die DGB-Gewerkschaften per Vorstandsbeschluss von diesem Widerstand gegen die Agenda 2010. Als Begründung durfte eine mögliche Beteiligung von Nazis an den Montagsdemos herhalten. Dies zeigt zwar auch, wie sich DGB-Gewerkschaften den antifaschistischen Kampf vorstellen, genügte aber als „Argument“ für den Rückzug. Danach durften gewerkschaftlich Aktive nur noch als Privatpersonen an den Montagsdemos teilnehmen und nicht in ihrer Organisationsfunktion.

Offiziell hatte der DGB dann im April 2004 eine Großdemo in Berlin mit etwa 250.000 TeilnehmerInnen zum Ausklingen der Proteste benutzt. Danach gab es nur noch Unterschriftensammlungen.

Der DGB-Vorstand unterstützte die SPD-Spitzen beim schwersten Sozialangriff der BRD-Geschichte und bewies erneut das unzertrennliche Band zwischen diesen beiden reformistischen Schwergewichten der deutschen ArbeiterInnenbewegung. Die Gewerkschaften betrieben dabei eine ganz konkrete Spaltung, indem sie die Beschäftigten gegen die Arbeitslosen in Stellung brachten und sich nicht mehr für die Arbeitslosen zuständig sahen. So konnte der damalige „Superminister“ Clement jede Hetze gegen die „Sozialschmarotzer“ ungestraft durchs Land tragen, wie auch später Kurt Beck Hartz IV-EmpfängerInnen Empfehlungen zur Körperhygiene geben konnte oder der „ewige Sozialleistungsempfänger“ Sarrazin mit einem eigentlich faschistoiden Verständnis von Sozialpolitik weiter munter in der SPD wirken durfte. Von den Gewerkschaften hatte die SPD nichts zu befürchten, auch sie hatten ebenso den Arbeitslosen jegliche Solidarität aufgekündigt.

Aber auch mit Streikbewegungen zu dieser Zeit wurde keine Solidarität gezeigt. So wurde auch der Streik in Ostdeutschland für die 35-Std.-Woche von den westdeutschen Gewerkschaftsapparaten und Betriebsratsfürsten verraten. Nachdem der Streik auch den westdeutschen Standorten gefährlich wurde, also der eigentliche Sinn und Zweck des Streiks die gesamte Industrie, speziell die Automobilbranche, traf, kündigte die IGM-Spitze in Gewerkschaft und Betrieb die Solidarität auf.

Alte Binsenwahrheiten – neu aufgetischt in der Krise

Solange es „meiner“ Firma gut geht, geht’s mir auch gut und Arbeitsplatzsicherheit ist das Wichtigste bei den Tarifverhandlungen – so und ähnlich haben die DGB-Gewerkschaften das Bewusstsein ihrer Mitglieder geformt und in den letzten 10 Jahren diese reformistischen Leitsätze immer wieder erneuert. Beim Standort Deutschland trieb die angebliche Angst vor Firmenverlagerung die Betriebsräte und Gewerkschaftsspitzen in die Umsetzung der Agenda 2010 und dies wurde auch den Beschäftigten so vermittelt – teilweise auch über Tarifverträge, die die Produktivitätssteigerung schon im Abschluss stehen hatten (VW), damit auf alle Fälle die Konkurrenzfähigkeit erhalten blieb.

Dem Diktat der Sozialpartnerschaft folgten dann die DGB-Spitzen auch bei Ausbruch der Wirtschaftskrise 2007/08. Hier gingen die IGM und ver.di voran, indem sie in den Tarifverhandlungen erst gar keine Lohnforderungen aufstellten, sondern allein die mögliche Arbeitsplatzsicherheit in den Fokus rückten. Hiermit wurde den deutschen gewerkschaftlich organisierten Kernbelegschaften jedes Kampfmittel gegen die kapitalistische Krise aus den Händen genommen. Statt gegen Krise und Entlassungen zu kämpfen, haben die DGB-Gewerkschaften sich freiwillig den Diktaten des Kapitals unterworfen.

Speziell der damalige IGM-Vorsitzende Huber fungierte als Co-Manager der ersten Reihe. Die so genannte „Abwrackprämie/Umweltprämie“, welche vom IGM-Vorstand mit erdacht wurde, sicherte zunächst der deutschen Autoindustrie einen höheren Absatz im Heimatmarkt. Im größeren Maßstab wurde dann die KurzarbeiterInnenregelung zwischen Staat, Kapital und Gewerkschaft verabschiedet, welche zeitweise bis zu 1,5 Mill. Beschäftigte einschloss und die vormaligen 12 Mrd. EURO an Reserven der Arbeitslosenversicherung dafür plünderte.

Die staatlichen Sozialsysteme wurden für das Versagen der „Märkte“ angezapft, ein in der Krise oftmals erlebtes Verfahren, in Deutschland aber mit direkter Unterstützung und Billigung der DGB-Gewerkschaften. Die in die Kurzarbeit entlassenen Beschäftigten waren oftmals Ältere, welche nach 2009 nicht in das alte Arbeitsverhältnis übernommen und stattdessen in Leiharbeit und/oder Frührente abgeschoben wurden.

Dies war, wie auch die Agenda 2010, eine einschneidende Veränderung am deutschen Arbeitsmarkt zu Lasten der Beschäftigten. In beiden Fällen haben die DGB-Spitzen keinen Widerstand dagegen organisiert, sondern im Gegenteil den Verrat als „Sozialpartner“ noch mitgestaltet. Diese Umstrukturierungen der Arbeitsbeziehungen – die Implementierung des Niedriglohnbereichs, das Opfern der Arbeitslosenkassen für die Kurzarbeit – sind wichtige Stützpfeiler der Konkurrenzfähigkeit des deutschen Imperialismus des letzten Jahrzehntes gewesen.

Es soll hier nicht der Eindruck entstehen, als wäre dies ein entschiedener Schritt der DGB-Gewerkschaften nach „rechts“ gewesen, der sie endgültig und unwiderruflich in „gelbe“ Streikbrecherorganisationen, gehorsame Hofhunde der Unternehmerverbände verwandelt hätte. Er war, wie schon zuvor in der wechselvollen Geschichte der deutschen ArbeiterInnenbewegung, ein weiterer Ausdruck des Gehorsams, ein weiterer „Burgfrieden“ mit den Interessen des deutschen Imperialismus auf Grundlage reformistisch geführter Klassenorganisation der ArbeiterInnenschaft selbst.

Das Comeback der „NovemberverbrecherInnen“ ist immer möglich

Zweimal strebte der deutsche Imperialismus mit globalen Ambitionen in die Katastrophe. Die deutsche ArbeiterInnenklasse wurde in zwei Weltkriegen verheizt, von der reformistischen SPD für Imperialismus und Krieg mobilisiert, von der stalino-zentristischen KPD gegenüber Hitler politisch entwaffnet, in die kampflose Kapitulation geführt und schon gar nicht für den revolutionären Kampf gewappnet. Trotz alledem gelang es der deutschen ArbeiterInnenklasse im 1. Weltkrieg, mit Kapital und Kaiser zu brechen, deren Krieg zu beenden und das verrottete Regime zu stürzen. Es waren die Matrosen von Wilhelmshaven und Kiel und die deutschen MetallarbeiterInnen in Berlin, Sachsen und Bremen, welche den Befehl verweigerten, den Streik gegen Krieg, Rüstung und Hunger organisierten und somit den Weltkrieg beendeten.

Es war die relative Schwäche der revolutionären kommunistischen Bewegung, des Spartakusbundes, welche zur Niederlage gegenüber der Mehrheits-SPD führte. Diese stützte sich auf ein Bündnis mit der Bourgeoisie und in letzter Instanz den reaktionären Freikorps, die blutig die revolutionäre Bewegung zerschlugen. Die KPD verkörperte die organisatorische Fortsetzung der im Spartakusbund, in den Bremer und Braunschweiger Linksradikalen, der Berliner Lichtstrahlen-Gruppe u.ä. versammelten revolutionären Kräfte.

Die zweite Niederlage des deutschen Imperialismus im 2. Weltkrieg führte zur Bildung eines bürokratischen Arbeiterstaates auf dem Gebiet der DDR, welcher erstmals das Privateigentum an Produktionsmitteln und das kapitalistische Wertgesetz in Deutschland aufhob und somit einen qualitativen Bruch mit dem deutschen Imperialismus darstellte.

Dieser kurze Blick in die Geschichte zeigt, dass der Bruch mit dem Imperialismus und dessen Partei in der ArbeiterInnenklasse, der SPD, möglich war – auch in Deutschland – und dort die revolutionären Elemente der Klasse eine qualitative Entwicklung durchmachten und eine revolutionäre Partei und Programmatik entwickelten. Diese historischen Abschnitte sollen aber nicht nahelegen, dass wir etwa auf den nächsten Zusammenbruch zu warten hätten, um  revolutionäre Politik machen zu können.

Stattdessen müssen heute KommunistInnen, AntikapitalistInnen und alle, die subjektiv mit dem Kapitalismus brechen wollen, sich mit den Haupthindernissen innerhalb der Klasse und deren Bewegung auseinandersetzen, den programmatischen Kampf führen und den politischen Bruch herbeiführen. Dann können auch in „Friedenszeiten“ die NovemberverbrecherInnen dem deutschen Imperialismus den Kampf ansagen.

Kampf dem Reformismus!

Für jede revolutionäre Politik ist der politische Kampf gegen den Reformismus in Deutschland und dessen Organisationen die Grundvoraussetzung. Seit Januar 2005 gab es, nach Verabschiedung der Agenda 2010 durch die SPD/Grüne-Bundesregierung, die zweite Abspaltung in der langen Geschichte der SPD, die WASG – aus der nach deren Fusion mit der PDS 2007 schließlich die Linkspartei hervorging. Letztere hat gegen Agenda 2010 inklusiv Hartz IV, Auslandseinsätze der Bundeswehr und für die Besteuerung großer Vermögen Opposition von links in den Gewerkschaften organisiert, damit Teile ihrer Basis und der der SPD erreichen können und stellt heute einen weiteren reformistischen Faktor in der deutschen ArbeiterInnenbewegung dar.

Der politische Kampf gegen den Reformismus funktioniert nicht durch ablehnende Phrasen und/oder Verteufelung der DGB-Gewerkschaftspolitik. Dieses Kapitel der kommunistischen Bewegung hatte die KPD bis 1933 bis zum eigenen Ende und bis zum Ende einer organisierten Gegenwehr der deutschen ArbeiterInnenbe-wegung gegen den Faschismus exerziert.

Auch die Wende zur Arbeit innerhalb der DGB-Gewerkschaften bei einigen mao-stalinistischen „Parteien“ (Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD, MLPD) führte nicht zur Schwächung der SPD-geführten Gewerkschaftsbürokratie, sondern vielmehr zum „geduldeten“ Unterordnen dieser „Parteien“ unter dem Dach der „Einheitsgewerkschaft“. So sind heute die DKP und MLPD sicherlich nach SPD und Linkspartei die am stärksten verankerten Organisationen der Klasse innerhalb der DGB-Gewerkschaften. Im Fall der MLPD kommt noch der „Unvereinbarkeits-beschluss“ der IGM dazu, was die GenossInnen an der Ausübung höherer Funktionen im Gewerkschaftsapparat hindert.

Während die MLPD, wie bei Opel Bochum, eher isolierte Aktionen und Kämpfe bestreitet, ist die DKP mit ihrer Gewerkschaftspolitik ebenfalls weit davon entfernt, die Gewerkschaftsführung herauszufordern. Beide beteiligen sich kaum an den kleinen oppositionellen Strömungen wie der IVG (Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken), betreiben keine oppositionelle Politik in den Gewerkschaften und akzeptieren dadurch de facto die politische Gemengelage in den DGB-Gewerkschaften.

Hier liegt aber einer der zentralen Punkte im deutschen Klassenkampf: wenn der Reformismus, die Standortpolitik, die Führung der bürgerlichen Arbeiterpartei SPD in den DGB-Gewerkschaften nicht bekämpft werden, dann gelingt auch kein qualitativer Bruch mit dieser vorherrschenden Ideologie in der deutschen ArbeiterInnenklasse.

Wie ein solcher Kampf vonstatten gehen könnte, zeigen die Tarifrunden der Jahre 2014/15. Eine klassenkämpferische Basisopposition hätte in den DGB-Gewerkschaften für die Solidarität mit dem GdL-Streik eintreten und dabei den Widerstand gegen das „Tarifeinheitsgesetz“ in den eigenen Reihen stärken können. So wäre auch der Charakter der SPD-Regierungsbeteiligung aufzeigbar gewesen. „Gegen die Einschränkung des Streikrechts!“ wäre eine wichtige Kampagne gegen die SPD-geführte Gewerkschaftsführung gewesen.

So blieben die Proteste und öffentlichen Aktionen meist auf die Kreise beschränkt, die schon 2011 gegen die Tarifeinheit aktiv waren. Ihr Höhepunkt war eine politisch und gewerkschaftlich vielfältige Demo Mitte Mai mit ca. 500 TeilnehmerInnen.

Dies wäre ein gewerkschaftspolitisch sehr wichtiges Thema für eine Basisopposition in den DGB-Gewerkschaften, genau wie diese sich auch z.B. für gemeinsame Tarifrunden der öffentlich Bediensteten einsetzen könnte (um die Trennung zwischen Bund, Ländern und Kommunen zu überwinden) und in aktuellen Tarifrunden der führenden Bürokratie eine Alternative entgegenstellen würde. Dann wäre es möglich, die Ergebnisse der Tarifkommissionen und Vorstände nicht nur abzunicken, sondern entschlossenen Widerstand zu organisieren.

Diese Möglichkeiten können aber nur in die Tat umgesetzt werden, wenn gegenüber den DGB-Gewerkschaften eine Einheitsfronttaktik angewendet wird, welche nach außen die Kämpfe gegen Kapital und Staat voll unterstützt, sich dort auch gewerkschaftlich an vorderster Front einbringt, aber ebenso deutlich nach innen andere, weitergehende Kampfmaßnahmen trägt, die Basis eigenständig in Streikkomitees und Versammlungen organisiert und v.a. der SPD, aber auch der Linkspartei die Stirn bietet bei politischen Auseinandersetzungen.

Dann wäre es möglich, in den DGB-Gewerkschaften Diskussionen und Mobilisierungen anzuschieben, welche nicht automatisch von der Führung gedeckelt werden. Dann könnte zu den Refugees, der rassistischen EU-Grenzpolitik, zur EU-Krise und zu Griechenland mehr geschehen als wohlklingende Statements abzugeben, die dann meist zu keiner Aktion führen. Dies wären z.B. aktuelle Themen, an denen die bürgerliche Ideologie der Gewerkschaftsführungen bekämpft werden müsste und wo es real die Möglichkeit gäbe, mit der vorherrschenden Ideologie in den DGB-Gewerkschaften zu brechen.

Für eine revolutionäre Partei!

Eine revolutionäre kommunistische Partei wird nicht per Akklamation verabschiedet, sondern gründet sich auf programmatisch-methodische Klarheit in den aktuellen Klassenkämpfen, in denen dann neue Schichten des Proletariats für eine kommunistische Politik gewonnen werden können. Das Prinzip „Klarheit vor Einheit“ ist daher unerlässlich für eine revolutionär-kommunistische Politik und letztlich den Aufbau einer kommunistischen Partei in Deutschland. So einfach und banal es klingen mag, so schwer stellt es sich beim Zustand der radikalen, selbsternannten revolutionären Linken in der BRD dar.

Die größtmögliche Klarheit gibt es in der deutschen Linken, wenn Faschisten und Rassisten Demos organisieren. Da ist zumindest klar, dass es eine Demonstration gegen die „Nazis“ geben muss. Bei dem, was diese Demo aussagen soll, scheiden sich aber bereits die Geister der deutschen Linken und der ArbeiterInnenbewegung. Während die Reformisten, unterstützt von kleinbürgerlichen Akteuren wie den Grünen, Kirchen oder NGOs die Proteste gern im Gewand der Toleranz einlullen („bunt statt braun“ als Hauptparole), wollen die „radikalen AntifaschistInnen“ am liebsten gleich den Straßenkampf organisieren. Die Frage, wie die ArbeiterInnenbewegung sich gegen Faschismus und Rassismus bei zunehmender ökonomischer und sozialer Krise wappnen kann, bleibt dann oft auf der Strecke bzw. wird nur von wenigen AkteurInnen überhaupt erwähnt.

So stellt die heutige antifaschistische Praxis im Vergleich zum historischen Scheitern der deutschen ArbeiterInnenbewegung keinen qualitativen Fortschritt dar – sie bleibt weiterhin zwischen einer Hörigkeit gegenüber der bürgerlichen Demokratie auf der einen Seite und einer identitären, klandestinen „Radikalität“ auf der anderen Seite hängen. Zusammen können dann zwar größere Demos wie in Dresden in den Jahren 2009 – 2011 organisiert werden, aber keine in die ArbeiterInnenbewegung wirksam ausstrahlenden politischen Interventionen, die gegen Pegida und ähnliche rassistische Mobilisierungen vorgehen. Stattdessen überfallen die Faschisten 1. Mai-Kundgebungen wie dieses Jahr in Weimar, schaffen „national befreite Zonen“ und mobilisieren gegen Flüchtlingsunterkünfte. Während manche „antifaschistische“ Kreise dann wie in Tröglitz mit dem Leittransparent „Scheiß Drecksnest“ sicherlich nichts außer der eigenen Beweihräucherung zum antifaschistischen Kampf beitragen, sammeln sich die anderen Verdächtigen unter dem Schutzmantel von Staat und Demokratie.

Diese hier angerissenen Verhältnisse der „radikalen“ Linken wie der ArbeiterInnenbewegung lassen sich auf weitere Themenfelder beziehen. Methodisch kann weiterhin der Reformismus in verschiedenen Facetten die Aktivität und Ausrichtung bestimmen, während ein „integrierter“ Teil des radikaleren Spektrums nicht daran denkt, die reformistische Führung herauszufordern, sondern stattdessen einfach szenemäßig „revolutionär rüberkommen“ will. Dies ist dann aber nur eine Frage der Oberfläche, nicht des strategisch-taktischen Inhalts. Ein „Musterexemplar“ dieser postmodernen Rechtsentwicklung verkörpert die Interventionistische Linke (IL), ein „Netzwerk“ verschiedener, aus dem Autonomen-Milieu stammender linker Organisationen.

Am meisten wird dies sichtbar in der grassierenden Programmfeindlichkeit vieler Organisationen und Strömungen der Linken. Hier schlagen postmoderne, kleinbürgerlich-akademische Orientierungen voll durch, welchen allen gemein ist, sich von den „Traditionen“ und/oder Erkenntnissen der ArbeiterInnenbewegung fernzuhalten und dies als Fortschritt ihrer Klientel zu verkaufen.

Die Krankheiten sind Ergebnis einer kaum vorhandenen revolutionären kommunistischen Tradition in der BRD, einer kompletten Desorientierung nach dem Zusammenbruch des Ostblocks 1990 und einer „Globalisierungsideologie“ vom vermeintlichen „Ende der Geschichte“ innerhalb des linken kleinbürgerlichen Lagers. Begriffe wie „Imperialismus“, „Proletariat“ und „Partei“ gehören für diese Strömungen in die Mottenkiste der Geschichte, um im Gegenzug „Dekonstruktion“, „zivilgesellschaftliche Gegenhegemonie“ und „herrschaftsfreien Diskurs“ als „neue“ Symbole hervorzukramen.

Was dabei rauskommt, ist die Aufgabe jeglicher revolutionären Grundvoraussetzung für eine antikapitalistische kommunistische Politik und Organisation. Hier werden der Klassenstandpunkt, die Klassenanalyse und die Schlussfolgerungen für Programmatik und Organisationsaufbau fallen gelassen.

Aufgabe heutiger RevolutionärInnen muss es sein, die Klassenlinie und -politik dort zu vertreten, wo die Klasse durch reformistische und kleinbürgerliche Politik in die Irre geführt und an die Interessen des deutschen Kapitals gekettet wird. Eine Unterordnung unter diese Politik, ebenso wie ein passives Fernbleiben von der Auseinandersetzung mit dem Reformismus, wird kein revolutionäres Bewusstsein erzeugen, geschweige denn in der Praxis eine Alternative aufzeigen können.

Um Praxis und Programmatik geht es aber, wenn Kommunismus in Deutschland nicht ein historischer Begriff werden soll oder sich darauf beschränkt, die stalinistischen Staaten zu verteidigen, sondern aktiv in der Klasse wirkt, revolutionäres Bewusstsein erzeugt und einen Bruch mit den vorherrschenden Ideologien innerhalb der ArbeiterInnenbewegung herbeiführt.

Die Gruppe Arbeitermacht, gemeinsam mit unseren GenossInnen in der Liga für die 5. Internationale (LFI) tritt heute für die Verteidigung und Weiterentwicklung des revolutionären Marxismus und Kommunismus ein, wie dieser für uns mit Marx, Engels, Lenin, Trotzki, Luxemburg und Liebknecht repräsentiert wurde und der ArbeiterInnenbewegung weltweit ein reiches theoretisches und praktisches Erbe hinterlassen hat. Wir rufen alle sozialistischen, kommunistischen und antikapitalistischen Organisationen in Deutschland und weltweit auf, mit uns in Kontakt zu treten, gemeinsam Programmatik und Praxis zu entwickeln und eine neue revolutionäre kommunistische Partei und Internationale aufzubauen!

Dann wird es auch möglich sein, dem deutschen Imperialismus in den Rücken zu fallen, seinen dritten versuchten Aufstieg zu stoppen und Europa zu einem Europa der ArbeiterInnenklasse zu machen, den Vereinigten sozialistischen Staaten von Europa!

Endnoten

(1) Martin Suchanek, Deutscher Imperialismus heute, in: Revolutionärer Marxismus 33, Berlin 2003, S. 57 – 88 und Martin Suchanek, Der aufhaltsame Aufstieg des deutschen Imperialismus, in: Revolutionärer Marxismus 37, Berlin 2007, S. 55 – 71

(2) Revolutionärer Marxismus 39, Finanzmarktkrise und fallende Profitraten. Beiträge zur marxistischen Krisen- und Imperialismustheorie, Berlin 2008

(3) Neues Deutschland, 27.7. und 9.8.15

(4) Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, LW 22, Berlin-Ost, 1960, Kapitel 7, S. 270 – 271

(5) Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Fortune_Global_500#2014

(6) http://arxiv.org/PS_cache/arxiv/pdf/1107/1107.5728v1.pdf

(7) de.statista; mögliche Geschäfte dieser „Schattenbanken“ können dort nicht nachvollzogen werden

(8) Wem gehört Deutschland? Die wahren Machthaber und das Märchen vom Volksvermögen, Frankfurt/Main, 2014, Seite 79 ff.

(9) Zahlen und Fakten aus: Wirtschaftsbilanz 2014/15. Zahlen – Kommentare – Cartoons, isw-Wirtschaftsinfo 49, München, 9.3.15, S. 30

(10) http://tool.handelsblatt.com/tabelle/index.php?id=99&so=1a&pc=50&po=0

(11) www.destatis.de

(12) ISW Heft 49, Seite 17

(13) Hans-Böckler-Stiftung, Magazin Mitbestimmung, Ausgabe 06/2015, Düsseldorf, Juni 2015

(14) Tobi Hansen, Das „Prekariat“ – Klassenlage und Klassenkampf, in: Revolutionärer Marxismus 44, Berlin, November 2012




60 Jahre NATO – kein Grund zum Feiern! – Geschichte und Perspektiven einer imperialistischen Kriegsallianz

Peter Lenz/Theo Tiger, Revolutionärer Marxismus 40, März 2009

„Niemals gab es auf der Welt so viele Pazifisten wie heute, da sich in allen Ländern die Menschen gegenseitig töten. Jede historische Epoche bringt nicht nur ihre eigene Technik und ihre eigene politische Form hervor, sondern ebenso ihre spezifische Heuchelei. Früher töteten sich die Völker gegenseitig im Namen der christlichen Lehre von Liebe und Menschlichkeit. Heute beziehen sich darauf nur noch rückwärts gewandte Regierungen. Fortschrittliche Nationen ziehen sich gegenseitig das Fell im Namen des Pazifismus über die Ohren.“ (1)

In der bürgerlichen Geschichtsschreibung wird die Gründung der NATO 1949 als Reaktion auf das Erstarken der Sowjetunion dargestellt und die NATO zum „Verteidigungsbündnis“ verklärt; Verteidigung gegen eine aggressive Sowjetunion, die unvermindert aufgerüstet habe und ihr Einflussgebiet weiter zu vergrößern drohe. Die NATO als bewaffnetes „Friedensbündnis“. In diesem Sinn werden die Feiern zum 60. Jahrestag mit viel Propagandaaufwand betrieben werden.

Andererseits hat sich zum 60. Geburtstag der NATO europaweiter Widerstand gegen die militaristische Jubelfeier angekündigt. Dieser Widerstand ist mehr als berechtigt. Die NATO steht für eine Vielzahl von Kriegen, für atomare Rüstung, aber auch für eine reaktionäre Ausrichtung im Inneren. Die NATO dient seit 60 Jahren der Sicherung des globalen Kapitalismus. Sie steht für Kalten Krieg und imperialistische Globalisierung.

Wir wollen in diesem Beitrag die Ursachen und Ziele der NATO-Gründung, ihre Geschichte und ihre Perspektiven untersuchen. Wir wollen aber auch die Perspektive des Widerstands gegen die NATO-Politik und die programmatischen Fragen zur Zerschlagung dieser imperialistischen Terrororganisation entwickeln.

Der NATO-Gründung gingen mehrere Bündnisse, Erklärungen und Abkommen zwischen den USA, Britannien und der UdSSR voraus. Sie spiegeln in verschiedener Form die Interessenlagen, Stärken und Schwächen der Beteiligten und das globale Kräfteverhältnis wider und verweisen auf die internationalen politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen dafür, dass eine solche Allianz, die alle wichtigen imperialistischen Staaten umfasst, überhaupt ent- und Jahrzehnte weiterbestehen konnte.

Nach einer Darstellung der Gründung der NATO gehen wir auf ihre Rolle im Kalten Krieg ein, um noch einmal zu verdeutlichen, dass es sich hier keineswegs um ein „Verteidigungsbündnis“ handelt, sondern um eine imperialistische Allianz.

Nach dem Sieg im Kalten Krieg hatte für die NATO eine Periode scheinbar unumschränkter Stärke begonnen und die Allianz hat eine Neudefinition ihrer Rolle erfahren. Sie wurde zum globalen Interventionsinstrument unter US-Führung. Doch zugleich offenbaren sich auch zunehmende Risse in der Allianz.

Es ist kein Zufall, dass in der gegenwärtigen Periode, da die Vormachtstellung der USA durch die Wirtschaftskrise, durch die EU-Imperialisten, aber auch durch regionale Mächte wie Russland und China zunehmend in Frage gestellt wird, letztlich auch die Zukunft der NATO zur Disposition steht. Zweifellos mag sie noch für eine ganze Phase die Welt heimsuchen und den USA und ihren Verbündeten als Mittel zur Durchsetzung gemeinsamer Interessen dienen. Sie wird aber zunehmend auch zur Arena innerimperialistischer Gegensätze zwischen den großen NATO-Staaten.

Schließlich wollen wir uns am Ende des Artikels der Kritik kleinbürgerlicher und reformistischer NATO-Gegner widmen. Der Pazifismus von links- oder kleinbürgerlichen KriegsgegnerInnen, von reformistischen Bürokraten der Arbeiterbewegung war immer ein stumpfes Instrument im Kampf gegen Militarismus, Aufrüstung, Kriegstreiberei. Er ist schon im „Frieden“, also der Phase der Aufrüstung und Kriegsvorbereitung, eine Ideologie, welche die Arbeiterbewegung politisch entwaffnet. Der Pazifismus von gestern ist – siehe die Rolle der GRÜNEN im Balkankrieg, im Krieg gegen Afghanistan usw. – die Ideologie der Vaterlandsverteidiger von heute und morgen.

Nicht durch pazifistische, allgemein menschlich Phrasen, sondern nur durch den revolutionären Klassenkampf gegen Imperialismus und für die sozialistische Weltrevolution können Militarismus und reaktionäre Kriege gestoppt werden. Daher werden wir uns zum Schluss der revolutionären, proletarischen Antwort auf Imperialismus und Militarismus zuwenden.

1. Vom Zweiten Weltkrieg zur Gründung der NATO

1.1. Die USA: Aufstieg einer neuen Hegemonialmacht

Die Epoche der Durchsetzung des Kapitalismus als global vorherrschendes Produktionsverhältnis war bestimmt durch die Vorherrschaft Großbritanniens und seiner entwickelten Industrie auf den Weltmärkten. Diese ökonomische Vorherrschaft wurde begleitet durch ein Bündnissystem europäischer Großmächte unter Vorherrschaft Großbritanniens, das die Welt kolonial aufteilte.

Mit dem Niedergang der ökonomischen Vorherrschaft Britanniens und dem Aufstieg der neuen Wirtschaftsgroßmächte USA und Deutschland wurde dieses von Britannien hegemonisierte Weltsystem erschüttert. Nur auf dem Boden zweier blutige Weltkriege, von Millionen und Abermillionen Toten, blutigen Konterrevolutionen und gescheiterten Revolutionen konnte der Imperialismus als System gerettet werden und eine von einem neuen Hegemon bestimmte Weltordnung etablierte werden. Schon früh zeichnete sich ab, dass der Kandidat für diese Rolle die USA sein würden, die schon vor dem Ersten Weltkrieg zur stärksten und größten Industrienation aufgestiegen waren.

In seiner programmatischen Schritt „Der Krieg und die IV. Internationale“ charakterisierte Leo Trotzki diesen Sachverhalt treffend:

„Der Kapitalismus der Vereinigten Staaten ist dicht an die Aufgaben herangerückt, welche Deutschland 1914 auf den Kriegspfad drängten. Die Welt ist schon aufgeteilt? Soll man sie neu aufteilen! Für Deutschland galt es, ‚Europa zu organisieren‘. Den Vereinigten Staaten fällt es zu, ‚die Welt  zu organisieren‘. Die Geschichte treibt die Menschheit schnurstracks zum Vulkanausbruch des amerikanischen Imperialismus.“ (2)

Die Vierte Internationale veröffentlichte im Mai 1940 „Das Manifest zum Imperialistischen Krieg und zur proletarischen Weltrevolution“. Es analysiert die Rolle der Vereinigten Staaten, insbesondere deren Verhältnis zum britischen Imperialismus im Zusammenhang einer Kriegsallianz gegen Deutschland folgendermaßen:

„Mit einem x-beliebigen Vorwand und Wahlspruch werden die Vereinigten Staaten in die gewaltige Kollision intervenieren, um ihre Weltherrschaft aufrecht zu erhalten. (…) Ein Krieg im Atlantik würde ein Kampf um das Erbe Großbritanniens sein, auch wenn er sofort gegen Deutschland gerichtet würde.

Der potenzielle Sieg Deutschlands über die Alliierten liegt wie ein Alpdruck auf Washington, Deutschland würde – besonders in Verbindung mit Japan im Osten  – mit dem europäischen Kontinent und den Hilfsquellen seiner Kolonien als Rückhalt, mit all den europäischen Munitionsfabriken und Werften zu seiner Verfügung, eine tödliche Gefahr für den amerikanischer Imperialismus darstellen. Die gegenwärtigen titanenhaften Schlachten auf den Feldern Europas sind in diesem Sinn vorbereitende Episoden auf den Kampf zwischen Deutschland und Amerika.“ (3)

Die USA versuchten seit Ende des Ersten Weltkrieges, Großbritannien und Frankreich als Kolonialmächte zu schwächen. Das amerikanische Kapital sah in Hitler durchaus einen Faktor, den man sowohl gegen den Hauptfeind Sowjetunion als auch zur Schwächung der alten europäischen Imperialismen gebrauchen könne.

Der britische Premier Churchill kalkulierte mit einem Krieg Deutschlands gegen die Sowjetunion, gleichzeitig hatte Großbritannien als niedergehendes Kolonialimperium Angst um seine überseeischen Kolonien. Insofern war die Kriegsallianz zwischen den USA und den alten europäischen Kolonialmächten gegen Deutschland tatsächlich eine Kapitulationserklärung gegenüber den USA. Die Flucht unter den US-Schutzschirm wurde notwendigerweise erkauft durch Zusagen über Entkolonialisierung, d. h. die Öffnung der Kolonialreiche für das US-Kapital und seine politischen Kontrollinstrumente.

1.2. Die UdSSR in der Kriegsallianz

Beide Weltkriege waren ihrem Wesen nach Kriege zwischen großen imperialistischen Allianzen bzw. Mächten um die Neuaufteilung der Welt.

Anders als im Ersten Weltkrieg war dann jedoch mit der UdSSR ein Staat auf den Plan getreten, in dem die Kapitalistenklasse durch eine proletarische Revolution gestürzt worden war. Die frühe Sowjetunion unter Lenin und Trotzki betrieb eine Außenpolitik, die den Interessen der Verteidigung und Ausweitung der Revolution als Teil der Weltrevolution verpflichtet war.

In den 30iger Jahren hatte sich das grundlegend gewandelt (4). Die bürokratische Kaste hatte die politische Macht in der Sowjetunion erobert, die Kommunistische Partei ihres ursprünglichen politischen Inhalts beraubt, das Rätesystem zerstört, die politische Führung der Oktoberrevolution vernichtet und der Arbeiterklasse so aller Möglichkeiten der direkten Machtausübung genommen. Trotzdem nährte sich die Bürokratie – wie ein Schmarotzer von seinem Wirt – von den Errungenschaften der Oktoberrevolution.

Die Politik der herrschenden Kaste war nicht mehr auf die Interessen des internationalen Proletariats, sondern auf die eigene Machterhaltung und die Sicherung des „Sozialismus in einem Lande“ ausgerichtet. In den Moskauer Prozessen wurde alles eliminiert, was im entferntesten nach der Partei Lenins und Trotzki roch. Die bürokratische Oligarchie war nicht nur zu einem absoluten Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes geworden, sie hatte das Land auch einer großen Zahl fähiger Offiziere beraubt und sie durch stalintreue, aber schlecht ausgebildete ersetzt.

„Nach fünf Jahren des Kriechens vor den ‚Demokratien‘ stellte der Kreml eine zynische Verachtung des Weltproletariats zur Schau, indem er ein Bündnis mit Hitler schloss und ihm das polnische Volk zu unterdrücken half; am Vorabend der Invasion in Finnland prahlte er mit schändlichem Chauvinismus und offenbarte eine nicht weniger schändliche militärische Unfähigkeit im folgenden Kampf; er machte lauthals Versprechungen, das finnische Volk von den Kapitalisten zu ‚befreien‘ und kapitulierte dann feige vor Hitler – das war die Darbietung des stalinistischen Regimes in den kritischen Stunden der Geschichte.“ (5)

„Die Schwäche der von Stalin enthaupteten Roten Armee wurde offen vor der ganzen Welt demonstriert. Die zentrifugalen nationalistischen Tendenzen innerhalb der UdSSR haben sich verstärkt. Das Prestige der Kremlführung ist gesunken. Deutschland im Westen und Japan im Osten fühlen sich jetzt weitaus sicherer als vor dem finnischen Abenteuer des Kremls.“ (6)

Es war der Sowjetunion nur unter größten Opfern möglich, die faschistische Armee nach ihrem schnellen Vormarsch gegen eine unvorbereitete und geschwächte Rote Armee von der Einnahme Moskaus und Leningrads abzuhalten. Stalin musste viele Offiziere aus den Lagern zurückholen. Die ArbeiterInnen in den Industrien, die weit ins Landesinnere verlagert wurden, sorgten für notwendige Rüstungsgüter und die Partisanenverbände zermürbten die Wehrmacht. Mit der Schlacht von Stalingrad wendete sich das Blatt endgültig: die Rote Armee rückte westwärts vor und trieb die Faschisten vor sich her.

Erst der Vormarsch der Roten Armee veranlasste die US-Imperialisten zur Eröffnung der von Stalin lange geforderten „zweiten Front“ gegen Nazi-Deutschland. Die Gefahr bestand für sie darin, dass die Sowjetunion sich im Zuge ihres Vormarsches und einer revolutionären Entwicklung in Europa, aber auch anderen Teilen der Welt unbehelligt ausweiten könnte. Seit 1943 waren in vielen Ländern Widerstandsbewegungen gegen den Faschismus im Vormarsch. Die Stalinisten fürchteten aber auch, dass die Arbeiterklasse in der Sowjetunion diese Kämpfe zum Anlass nehmen könnte, ihr eigenes bürokratisches Joch abzuschütteln.

Die Sowjetunion hat das faschistische Deutschland besiegt, erlitt aber durch den Vernichtungsfeldzug der Faschisten hohe Verluste an Soldaten und Zivilisten. Die Niederlage des Faschismus war auch ein wichtiger Impuls für die Arbeiterklassen und die unterdrückten Völker, sich ihrer Kolonialherren zu entledigen.

„Doch letztlich ist das Überleben der Sowjetunion dem heldenhaften Widerstand der großen Masse der Sowjetbevölkerung – mit an die 20 Millionen Kriegstoten – angesichts des Angriffes des deutschen Imperialismus geschuldet. Der Widerstand des Volkes gegenüber dem Faschismus trotz der Tyrannei stalinistischer Herrschaft erklärt sich einerseits aus der ernüchternden Erfahrung mit der faschistischen Gewaltherrschaft im Westen der UdSSR, andererseits durch die relative Schwächung der bonapartistischen Staatsmaschine den Massen gegenüber, welche es ihnen erlaubte, ihre Selbstverteidigung gegen den deutschen Imperialismus verhältnismäßig frei von bürokratischer Unterdrückung (wie etwa in Leningrad) zu organisieren. Auch wenn sich die Eigentumsverhältnisse der UdSSR gegenüber den Attacken des Imperialismus als widerstandsfähig erwiesen haben, so richtete der Krieg dennoch unter den Produktivkräften der Sowjetunion schwere Verwüstungen an. Dies zeigte sich am dramatischsten in einer starken Verknappung der Akkumulation und einem absoluten Rückgang im Umfang der Produktivkräfte. Insgesamt wurden 31.850 Industriebetriebe zerstört, 65.000 Kilometer Eisenbahngleise, 15.800 Lokomotiven und eine halbe Million Güterwagen vernichtet. Die Kohle- und Stahlproduktion fiel in den Jahren 1942/43 um 40-50%. Sie erreichte erst 1946 wieder Vorkriegsniveau. Dazu kam noch die Zerstörung von 4,7 Millionen Häusern, 1.710 Städten und 70.000 Dörfern! In der Landwirtschaft war das Bild genauso düster. 98.000 Kolchosen und 1.876 Staatsgüter waren zerstört. Sieben Millionen Pferde und 20 Millionen Schweine (von insgesamt 23 Millionen!) waren verloren. Im von Nazi-Deutschland besetzten Russland waren lediglich 3% der Traktoren bei Kriegsende übrig geblieben.“ (7)

Ingesamt war die UdSSR für die USA als Alliierter im Kampf gegen die Hegemonieansprüche Deutschlands und Japans genauso wesentlich wie zur Eindämmung der Bedeutung der alten imperialistischen Mächte. Gleichzeitig war klar, dass die Verwüstungen und ökonomischen Probleme in der Sowjetunion und in den von ihr besetzten Gebieten das stalinsche Regime vor schier unlösbare Probleme stellen würden. Die „antifaschistische“ Kriegsallianz war damit der Vorbereiter einer Nachkriegsordnung, die auf dem Doppelspiel einer US-geführten „westlichen“ Allianz einerseits und der kontrollierten Einbindung der Sowjetunion in das weltweite US-bestimmte Machtgefüge andererseits beruhte. Diese Nachkriegsordnung wurde in den Konferenzen von Jalta und Potsdam vorbereitet.

1.3. Von Jalta nach Potsdam

Seit der Oktoberrevolution standen sich Sowjetunion und Weltimperialismus als unversöhnliche Feinde gegenüber. Das konnte auch die Stalinsche Volksfrontpolitik nicht aus der Welt schaffen, da sich die Gegnerschaft der Imperialisten nicht gegen ein bestimmtes Regime richtet, sondern gegen die von der Oktoberrevolution geschaffenen Eigentumsverhältnisse. Aber die Offensive gegen die UdSSR wurde einschränkt durch die inneren Gegensätze zwischen den Imperialisten, durch die generelle Instabilität der Weltordnung nach der Niederlage Deutschlands und Japans und die revolutionären und antikolonialen Kämpfe dieser Periode.

„Es war die Spaltung innerhalb des Weltimperialismus, die seine Fähigkeit zu einer Offensive gegen die UdSSR schwächte. Der Charakter des imperialistischen Krieges selbst – blutige Auseinandersetzungen über die Aufteilung der Weltmärkte – brachte die Alliierten, die so genannten ‚demokratischen‘ imperialistischen Nationen (vor allem Großbritannien und die USA), schließlich dazu, die stalinistische Bürokratie gegen die Achsenmächte zu unterstützen, um so ihre eigenen imperialistischen Ziele zu erreichen.“ (8)

Die Niederlage der deutschen Faschisten und der mit ihnen verbündeten Länder führte am Kriegsende zu breiten antikapitalistischen Mobilisierungen.

„Dies bestätigte das objektiv vorhandene Potential für einen revolutionären Ausgang des Krieges, wie ihn Trotzkis Prognose voraus sah. In den Ländern der Achsenmächte (Bulgarien, Rumänien und Ungarn) zeigten sich nach der Niederlage der deutschen Truppen diese Ausbrüche am deutlichsten. So bemerkte zum Beispiel “The Economist” am 7. Oktober 1944, dass in ganz Thrakien und Mazedonien ‚Soldatenräte gebildet worden sind. Offiziere abgesetzt, rote Fahnen aufgezogen und die Grußpflicht abgeschafft wurden‘. (…)

In Osteuropa trat die Arbeiterklasse in der Tschechoslowakei am stärksten in den Vordergrund, als Fabrikkomitees, Arbeiterräte und Milizen gegründet wurden. Eine Doppelmachtsituation existierte etliche Monate lang in den Jahren 1944 und 1945. Es dauerte ein ganzes Jahr, ehe die Regierung es wagte, die Arbeiterkontrolle in den Fabriken zu beschneiden. Auch in Deutschland gab es weit verbreitete Arbeitererhebungen, insbesondere in Magdeburg und Halle. Es ist – sogar bei bürgerlichen Historikern – mittlerweile zu einem Gemeinplatz geworden, dass die Niederlage Hitlers in Frankreich 1944 für die Arbeiterklasse äußerst günstige Bedingungen hervorgerufen hatte, um die Staatsmacht zu ergreifen.“ (9)

Insgesamt bestand also eine Situation, in der sich die imperialistischen Mächte in ihren Bestrebungen, ja in ihrer Existenz bedroht sahen.

Der imperialistische Block von USA und Britannien war als Sieger aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangen, doch er war zugleich nicht allein fähig, diese revolutionären Bewegungen zu zerschlagen. Vielmehr musste er dazu auf die Unterstützung des Stalinismus zurückgreifen.

„Der Imperialismus war gezwungen, sich auf den Kreml und seine bewaffneten Vertreter zu stützen, um die wachsende Zahl der Arbeiterkämpfe einzudämmen. Der Einsatz der Roten Armee zur gewaltsamen Beendigung der Arbeiterkontrolle in den Fabriken war allgemein verbreitet, insbesondere in Polen, Rumänien und Bulgarien. Im besiegten Deutschland und in Österreich litt die Arbeiterklasse noch viel schlimmer. So wurden viele Arbeiterbezirke terrorisiert; Wien wurde drei Tage hindurch geplündert und verwüstet.

Das Fortbestehen des Bündnisses hatte den Effekt, dass ein unmittelbarer Zusammenstoß zwischen Stalinismus und Weltimperialismus aufgeschoben wurde. Diese unheilige Allianz gegen die Arbeiterklasse nahm in Indochina ein besonders schlimmes Ausmaß an, als die Stalinisten in führender Position in den Reihen der Arbeiter und der Bauern mithalfen, deren Avantgarde abzuschlachten und ein politisch gebrochenes Proletariat dem Imperialismus auslieferten (…) In Griechenland machte sich die KP, in Übereinstimmung mit Stalins Anweisungen, eines ähnlichen Verrats schuldig. Die zwischen Stalin und Churchill in Moskau und von allen Alliierten in Jalta getroffenen Abkommen über “Einflusssphären” hatten Indochina und Griechenland dem Imperialismus überlassen und Stalin war entschlossen, diese Abkommen auch einzuhalten.“ (10)

Während der Jalta-Konferenz am 4. Februar 1945 befanden sich die Hitler-Armeen überall in der Defensive oder gar auf der Flucht. Die Sowjetarmee stand weniger als 100 Km vor Ber¬lin. In ganz Europa brachen die Staatsapparate zusammen, so in Rumänien, Frankreich, Ungarn, Italien. Sowohl die US-amerikanischen und britischen Imperialisten als auch die Stalinisten waren beunruhigt.

Die Alliierten waren daran interessiert, die politische Ordnung in Europa u.a. Teilen der Welt vertraglich festzuschreiben und sich ihre Interessensphären zuzuteilen. So kam es u.a. zum „Potsdamer Abkommen“. Roosevelt sah die Festlegungen des Vertrags durchaus positiv.  Für die Kremlbürokratie enthielt es die Verpflichtung, die vereinbarten Einflussgrenzen nicht zu überschreiten und in ihrem Einflussbereich für „Stabilität und Ruhe“ einzutreten.

Wesentlich wurde im Abkommen die Besetzung ganz Deutschlands durch die alliierten Armeen und die Aufteilung der von den faschistischen Armeen eroberten Gebiete beschlossen. Auf der Konferenz wurde eine Übereinkunft erzielt über die politischen und wirtschaftlichen Grundsätze der gleichgeschalteten Politik der Alliierten in Bezug auf das besiegte Deutschland in der Periode der alliierten Kontrolle.

Das Ziel dieser Übereinkunft bildet die Durchführung der „Krim-Deklaration“ über Deutschland. Der deutsche Militarismus und der Nazismus sollten ausgerottet und Maßnahmen ergriffen werden, die notwendig seien, damit Deutschland niemals mehr seine Nachbarn oder die Erhaltung des Friedens bedrohen könne.

„Es ist nicht die Absicht der Alliierten, das deutsche Volk zu vernichten oder zu versklaven. Die Alliierten wollen dem deutschen Volk die Möglichkeit geben, sich darauf vorzubereiten, sein Leben auf einer demokratischen und friedlichen Grundlage von neuem wieder aufzubauen. Wenn die eigenen Anstrengungen des deutschen Volkes unablässig auf die Erreichung dieses Zieles gerichtet sein werden, wird es ihm möglich sein, zu gegebener Zeit seinen Platz unter den freien und friedlichen Völkern der Welt einzunehmen.“ (11)

Das Abkommen war gleichzeitig ein Instrument gegen all jene, die mit der kapitalistischen Ordnung nach dem zweiten imperialistischen Krieg ein für alle Mal Schluss machen wollten.

Es gab unter Roosevelt die Absicht, mit dem „Morgenthau-Plan“ Deutschland zu entwaffnen und zu deindustrialisieren. Damit wäre der deutsche Imperialismus dauerhaft ausgeschaltet worden. Nur einige Jahre später setzte Truman aber auf die Rekonstruktion des deutschen Imperialismus im europäischen Rahmen, mit Einbindung einer neuen deutschen Armee in die Bündnisstrukturen der USA. Das traf anfangs auf Skepsis bei den europäischen Imperialisten, insbesondere in Frankreich, während Großbritannien eine widersprüchliche Haltung einnahm.

Der Hauptgegner der USA, aber auch der anderen Imperialisten wurde nach der Stabilisierung des stalinistischen Machtbereichs eindeutig die Sowjetunion.

1.4. Die Gründung der UNO

Am 1. Januar 1942 wurde eine „Erklärung der Vereinten Nationen“ von den Vertretern des amerikanischen und des englischen Imperialismus und der Kremlbürokratie unterzeichnet. Die Erklärung wurde am 30.10.1943 in Moskau von den Außenministern derselben Länder bestätigt, die hiermit ihre Absicht bekundeten, „die internationale Sicherheit zu garantieren“.

Auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 beschlossen Roosevelt, Churchill und Stalin die Einberufung einer Konferenz der Vereinten Nationen über die „Weltorganisation“. Diese sollte im Juni des gleichen Jahres stattfinden. Der Sinn des Begriffes „internationale Sicherheit“ der zukünftigen Organisation der Vereinten Nationen, wurde in Jalta definiert.

Dort diskutierten Roosevelt, Churchill und Stalin über die „Wiederherstellung der Ordnung in Europa“, wie es im offiziellen Kommunique hieß.

Roosevelt und Churchill betrachteten die Einnahme von Polen, Bulgarien und Rumänien durch die  sowjetische Armee mit Misstrauen. Trotzdem wollten sie zusammen mit Stalin die „Stabilität“  in Europa und anderen Regionen herstellen.

Die Charta wurde zuerst von 50 Staaten unterzeichnet, später wurden etwa 100 weitere Staaten aufgenommen. Die fünf „ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates“  mussten die Neuunterzeichner als „friedlich“ beurteilen.

Heute sind 192 Staaten Mitglieder der UN-Vollversammlung. Wirklich zu sagen haben sie aber kaum etwas. Durch den Artikel 11 der UN-Charta ist ihnen untersagt, über Aktionen zu bestimmen, die sich auf die „Erhaltung des Friedens oder der Sicherheit“ beziehen. Nur der Sicherheitsrat selbst  kann mit einer Mehrheit von 9 Stimmen (von 15 Mitgliedern) bestimmen, ob es eine Friedensbedrohung, Friedensbruch oder aber eine Aggression gibt. Allein der Sicherheitsrat – unter der Bedingung, dass kein einziges ständiges Mitglied sein Veto einlegt – ist handlungsbefugt. Immer, wenn ein Mitglied seine Interessen oder die Interessen eines befreundeten Staates bedroht sah, hat es sofort von seinem Veto-Recht Gebrauch gemacht.

Die UNO ist von Anfang an ein internationaler Apparat, der von den imperialistischen Ländern, besonders von den USA, und auch von der Kremlbürokratie (und ihren Nachfolgern), beherrscht und eingesetzt wird, um ihre „Ordnung“ in der Welt aufrecht zu erhalten. Daran hat sich auch mit dem Sitz der VR China im Sicherheitsrat (ab 1971) nichts geändert. Seit Gründung der UNO ist ihr Hauptzweck, bewaffnete Interventionen auf den Kreis dieser wenigen Mächte zu beschränken, die niemand zur Rechenschaft ziehen kann, während sie sich in allen Ländern zu Richtern aufspielen können. Sie können ihren Kriegen „völkerrechtliche“ Weihen verleihen oder durch „UNO-Soldaten“ absichern lassen. Wenn notwendig, brauchen die USA nicht einmal das.

1.5. Bretton Woods, IWF und Weltbank

Parallel zu den politischen und militärischen Formierungen wurde die neue machtpolitische Konstellation auch auf ökonomischem Gebiet abgesichert. Das war anhand der Vorkriegsentwicklung und zur Absicherung der Hegemonie des US-Imperialismus notwendig geworden.

Das US-Kapital konnte in der Kriegswirtschaft gewaltige Profite realisieren. In den europäischen und japanischen Wirtschaftsräumen fand das amerikanische Kapital nach dem Krieg Anlagemärkte. Innerhalb eines Jahres, von 1945-1946, stiegen in den USA die privaten Investitionen von 10 auf 30 Mrd. Dollar.

Der Ausgang des Weltkrieges schuf die Bedingungen für einen wirtschaftlichen Aufschwung. Unter diesen Umständen gingen die siegreichen imperialistischen Länder daran, ein Währungssystem zu schaffen, das eine ökonomischen Wiederholung der Katastrophe der 1930er Jahre verhindern sollte.

In den frühen 1940er Jahren entwickelten Harry Dexter White in den USA und John Maynard Keynes in Britannien ähnliche Vorstellungen, um dieses Ziel zu erreichen. Sie wollten ein System schaffen, das die uneingeschränkte Austauschbarkeit einer Währung gegen eine andere sicherstellen sollte, den Wert jeder Währung klar und fest bestimmen sollte. Dieses System musste von einer neuen internationalen Institution überwacht werden.

Am 22. Juli 1944 wurde so auf der Konferenz von Bretton Woods von 44 Staaten noch während des Zweiten Weltkriegs ein neues Währungssystem beschlossen. Das System hatte bis zu seinem Zusammenbruch 1973 Bestand. Weltbank und IWF sollten später noch eine wesentlich wichtigere Rolle für den Imperialismus spielen.

Der in Bretton Woods gegründete Internationale Währungsfonds (IWF) nahm 1946 seine Arbeit auf. Hinter ihm stand in erster Linie der US-Imperialismus, der als eindeutiger Sieger aus dem Krieg hervorgegangen war. Der IWF hatte seinen Sitz in den USA, sein Personal bestand in erster Linie aus amerikanischen Ökonomen und dieses wurde regelmäßig mit dem US-amerikanischen Schatzamt ausgetauscht. Als größter Beitragszahler an den IWF hatten die USA auch die meisten Stimmen und in jedem Fall genug, um gegen jede Änderung der IWF-Satzung ihr Veto einzulegen. 1983 drückte US-Finanzminister Donald Regan das so aus: „Der IWF ist im wesentlichen eine nicht-politische Institution. (…) Aber das heißt nicht, dass die politischen und Sicherheitsinteressen der Vereinigten Staaten nicht vom IWF bedient würden.“ (12)

In Bretton Woods war das Tauschverhältnis zwischen Gold und Dollar mit einer Unze Gold gleich 35 Dollar fixiert worden. Die USA hatten sich verpflichtet, zu diesem Preis zu kaufen oder zu verkaufen. So lange die wirtschaftliche Vorherrschaft der USA absolut war und genug Goldreserven zur Verfügung standen, um dieser Verpflichtung nachzukommen, gab es wenig Grund für eine IWF-Intervention.

In den Jahren des langen Booms wurde die nahezu uneingeschränkte wirtschaftliche Dominanz der USA jedoch durch Japan und Europa unterminiert. Anfang der 1970er standen dem US-Schatzamt nicht mehr ausreichend Goldreserven zur Verfügung, um den Wert der Dollar-Bestände, die außerhalb der USA gehalten wurden, zu decken. 1971 gaben die USA einseitig ihre Verpflichtung auf, den fixen Wechselkurs zu halten – die Ära freier und von internationalen Institutionen gemanagter Wechselkurse begann.

Wie sollte unter diesen Bedingungen und angesichts zunehmender wirtschaftlicher Krisen eine Rückkehr zu den Entwertungswettläufen der 1930er Jahre verhindert werden? Es schlug die Stunde des IWF.

„Der IWF ist ein imperialistischer Gendarm. Seine Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass jede nationale Wirtschaftspolitik den freien Handel und Kapitalverkehr im Interesse der imperialistischen Länder fördert. Ein solches System des offenen Weltmarktes kann nur dazu dienen, den Reichtum und die Macht der Unternehmen in den imperialistischen Länder zu mehren, deren wirtschaftliche Produktivität, Kapitalkonzentration und technologische Überlegenheit es ermöglichen, jede Konkurrenz aus dem Feld zu schlagen, wenn es keine Barrieren für die Bewegung des Kapitals und von Gütern gibt. Der IWF existiert, um sicherzustellen, dass Länder, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten – und das sind immer die ärmeren Länder -, diese Hilfe mit der Beseitigung dieser Barrieren bezahlen.“ (13)

1.6. Beginn von Atombewaffnung und „Kaltem Krieg“

Am Ende des Zweiten Weltkriegs, im August 1945, warfen die US-Imperialisten Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki. Mit dem Kriegsausgang hatte dieses Kriegsverbrechen der USA wenig zu tun. Es war eine Drohung an die Sowjetunion, aber auch an die anschwellenden revolutionären und antikolonialen Bewegungen in aller Welt. Die vier Jahre, in denen die USA die einzige Atommacht waren, wurden für die Festigung ihrer Hegemonie genutzt. Ab 1949 verfügte jedoch auch die Sowjetunion über Atomwaffen.

In einer Rede im März 1946 in Fulton (Missouri) zeichnete Churchill (er war unmittelbar nach Kriegsende abgewählt worden) ein düsteres Bild von der politischen Lage in Europa und sprach vom „Eisernen Vorhang“:

„Ein Schatten ist auf die Erde gefallen, die erst vor kurzem durch den Sieg der Alliierten hell erleuchtet worden ist. Niemand weiß, was Sowjetrussland und die kommunistische internationale Organisation in der nächsten Zukunft zu tun gedenken oder was für Grenzen ihren expansionistischen und Bekehrungstendenzen gesetzt sind, wenn ihnen überhaupt Grenzen gesetzt sind. (…) Von Stettin an der Ostsee bis hinunter nach Triest an der Adria ist ein ‚Eiserner Vorhang‘ über den Kontinent gezogen.“ (14)

Mit der Niederschlagung der revolutionären und vorrevolutionärer Situationen in Frankreich, Griechenland, Italien und Osteuropa sowie der Befriedung in anderen Ländern in der unmittelbaren Nachkriegszeit hatten sich der imperialistische Block im Westen und der stalinistische Block im Osten Europas stabilisiert und standen sich mit ungeheurer Militär- und Vernichtungsmacht gegenüber.

Die Gefahr eines Dritten Weltkriegs wurde angesichts der atomaren Bedrohung mehr und mehr zum „Kalten Krieg“. Stalinistische Säuberungen auf der einen Seite und antikommunistische Offensive auf der anderen Seite – beides nur zu oft unter dem Vorwand der Bekämpfung der „Agenten“ der anderen Seite – führten zu einem Einfrieren der beiden Blöcke: ideologischen und militärisch, mit einer (fast) undurchlässigen Grenze am „Eisernen Vorhang“.

1947 wurde im US-Senat ein Gesetz verabschiedet, dass das Recht auf Organisierung und Streiks erheblich einschränkte. Eine der Vorschriften des „Taft-Hartly Act“ war, dass Streiks 60 Tage zuvor angekündigt werden mussten und per Gerichtsbeschluss für 80 Tage ausgesetzt werden konnten.

Die McCarthy-Ära (benannt nach dem Senator Joseph McCarthy) war durch einen hysterischen Antikommunismus geprägt. Von 1947 bis etwa 1956 verfolgte die US-Regierung die Kommunistische Partei der USA, ihre Führung, ihre Mitglieder und auch viele angebliche „Sympathisanten“. Sogar imperialistische Strategen wie der stellvertretende Finanzminister Harry Dexter White als auch der Ratgeber Franklin D. Roosevelts, Alger Hiss, wurden als sowjetische Agenten verdächtigt. Für Regierungsmitarbeiter und die Beschäftigten staatlicher Einrichtungen wurden Loyalitätstests eingeführt.

1.7. Die Truman-Doktrin

Der beginnende Kalte Krieg war auch mit der Etablierung einer Rechtfertigungsideologie und diversen Propagandalügen verbunden. Als Aufhänger für seine Doktrin führte der US-Präsident Truman „Hilferufe“ der Bourgeoisie aus Griechenland und der Türkei an. Durch den Befreiungskampf gegen den Hitlerfaschismus waren die bürgerlichen Herrschaftssysteme dort in Bedrängnis geraten.

Im  März 1947 ersuchte er den US-Kongress, der Türkei und Griechenland finanzielle Hilfe zu gewähren. Es ging ihm dabei aber nicht allein um die Stabilisierung der zwei Mittelmeerstaaten, sondern um eine umfassende politische Antwort auf die „Expansionsbestrebungen des Kommunismus“.

„Zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Weltgeschichte muss fast jede Nation zwischen alternativen Lebensformen wählen. Nur zu oft ist diese Wahl nicht frei. Die eine Lebensform gründet sich auf den Willen der Mehrheit und ist gekennzeichnet durch freie Institutionen, repräsentative Regierungsform, freie Wahlen, Garantien für die persönliche Freiheit von politischer Unterdrückung. Die andere Lebensform gründet sich auf den Willen einer Minderheit, den diese der Mehrheit gewaltsam aufzwingt. Sie stützt sich auf Terror und Unterdrückung, auf die Zensur von Presse und Rundfunk, auf manipulierte Wahlen und auf den Entzug der persönlichen Freiheiten. Ich glaube, es muss die Politik der Vereinigten Staaten sein, freien Völkern beizustehen, die sich der angestrebten Unterwerfung durch bewaffnete Minderheiten oder durch äußeren Druck widersetzen. Ich glaube, wir müssen allen freien Völkern helfen, damit sie die Geschichte auf ihre Weise selbst bestimmen können. Unter einem solchen Beistand verstehe ich vor allem wirtschaftliche und finanzielle Hilfe, die Grundlage für wirtschaftliche Stabilität und geordnete politische Verhältnisse bildet. Die Welt ist nicht statisch und der Status quo ist nicht heilig. Aber wir können keine Veränderungen des Status quo erlauben, die durch Zwangsmethoden oder Tricks wie der politischen Infiltration unter Verletzung der Charta der Vereinten Nationen erfolgen. Wenn sie freien und unabhängigen Nationen helfen, ihre Freiheit zu bewahren, verwirklichen die Vereinigten Staaten die Prinzipien der Vereinten Nationen.“ (15)

Dies ist der Kern der „Truman-Doktrin“. Die Stoßrichtung der US-Politik wurde klar erkennbar: die Sowjetunion sollte durch die Strategie des „Containment“ (Eindämmung) bekämpft werden, sie sollte kein Hindernis für die Ausdehnung der Herrschaft des US-Imperialismus darstellen.

Truman forderte, dass „jede Nation ihre Wahl in Bezug auf ihre Lebensweise (frei) treffen“ kann. Er sah den Kommunismus als „Verwirrung und Unordnung“ an und definiert ihn als eine „Lebensweise, (die sich) auf den Willen einer Minderheit, der der Mehrheit aufgezwungen wird“ gründet.

Stalin wurde für die „Verletzungen des Jalta-Abkommens in Polen, Rumänien und Bulgarien“ kritisiert, wo die sowjetische Besatzungsmacht „Volksdemokratien“ unter Führung von Kommunisten gebildet hatte. In Jalta sei festgelegt worden, dass jedes souveräne Land, sich ihre Regierung durch eine freie Abstimmung wählt.

Dass die Wirklichkeit ganz anders aussah, focht die Propaganda des Westens nicht an. So hatte die Sowjetunion unter Stalin – anders als die Imperialisten – die Aufteilung der Einflusssphären geradezu peinlich genau eingehalten. In Frankreich, Italien, aber vor allem in Griechenland lehnte der Kreml eine revolutionäre Politik, die zum Sturz der Kapitalistenklasse und zur Errichtung von Arbeiterstaaten hätte führen sollen, entschieden ab. In Italien und Frankreich unterstützten die KPen Volksfrontregierungen und halfen aktiv mit bei der Entwaffnung der Arbeiterklasse, die die Hauptlast im Partisanenkampf gegen den Faschismus getragen hatte. In Griechenland ließ der Kreml die kommunistisch geführten Aufständischen kläglich im Stich und lieferte sie der Konterrevolution der Bourgeoisie aus, die massiv von den Imperialisten unterstützt wurde.

Während der Kreml also seinen Verpflichtungen nachkam und bei der Bekämpfung der Revolution der Arbeiterklasse tatkräftig mithalf, verfolgten die US-Imperialisten und ihre Verbündeten konsequent ihre Klasseninteressen.

Aus dieser „Politik der Eindämmung“ folgte logisch die Gründung der NATO unter Führung des US-Imperialismus als eine Art gemeinsame „Zone der Demokratie“, die man gemeinsam verteidigen oder aber auch gemeinsam erweitern konnte, wenn man es für nötig hielt. Dafür wurde das Selbstbestimmungsrecht der Völker in der halbkolonialen Welt generell in Frage gestellt, wenn seine Regierungsform oder seine ökonomischen Maßnahmen den Interessen und Vorstellungen der „freien Welt“ nicht entsprachen.

Da für den Imperialismus politische Stabilität stabile wirtschaftliche Verhältnisse in Europa voraussetzte, forcierte die US-Regierung den Wiederaufbau Westeuropas. US-Außenminister George C. Marshall verkündete am 5. Juni 1947 seinen Plan für einen Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft. Auf Grundlage des „Marshall-Plans“ kam es zum europäischen Wiederaufbauprogramm (European Recovery Program, ERP).

Um die ökonomischen Maßnahmen zu koordinieren, gründeten die USA zusammen mit 16 „nicht-kommunistischen“ Staaten Europas am 16. April 1948 den Europäischen Wirtschaftsrat (Organization for European Economic Co-operation – OEEC -, 1961 abgelöst durch die Organization for Economic Co-operation and Development (OECD).

Die US-Regierung richtete ihr Angebot auch an die  UdSSR, die aus nahe liegenden Gründen ablehnte, ebenso die Staaten in ihrem Einflussbereich. Stattdessen initiierte die Sowjetunion im Januar des folgenden Jahres die Gründung des „Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe“ (RGW bzw. Council for Mutual Economic Assistance, COMECON), dem sich neben der UdSSR Bulgarien, Polen, Rumänien, die Tschechoslowakei und Ungarn anschlossen. Auch in ökonomischer Hinsicht verfestigten sich somit die Fronten zwischen Ost und West.

1.8. Der Nordatlantikvertrag vom 4. April 1949

Vertreter der USA, Kanadas, Großbritanniens, Frankreichs, Belgiens, der Niederlanden, Luxemburgs, Dänemarks, Islands, Italiens, Norwegens und Portugals unterzeichneten am 4. April 1949 in Washington den Nordatlantik-Vertrag. Er trat am 24. August 1949 in Kraft. Natürlich wurde diesem neuen Kriegsbündnis eine schwülstige Präambel vorangestellt:

„ DIE PARTEIEN DIESES VERTRAGS [2]

BEKRÄFTIGEN erneut ihren Glauben an die Ziele und Grundsätze der Satzung der Vereinten Nationen und ihren Wunsch, mit allen Völkern und allen Regierungen in Frieden zu leben.

SIE SIND ENTSCHLOSSEN, die Freiheit, das gemeinsame Erbe und die Zivilisation ihrer Völker, die auf den Grundsätzen der Demokratie, der Freiheit der Person und der Herrschaft des Rechts beruhen, zu gewährleisten.

SIE SIND BESTREBT, die innere Festigkeit und das Wohlergehen im nordatlantischen Gebiet zu fördern.

SIE SIND ENTSCHLOSSEN, ihre Bemühungen für die gemeinsame Verteidigung und für die Erhaltung des Friedens und der Sicherheit zu vereinigen.“

Dann kommt der Text zur Sache, wobei aber immer betont wird, dass die NATO ein „Verteidigungsbündnis“ sei:

„Art. 3

Um die Ziele dieses Vertrags besser zu verwirklichen, werden die Parteien einzeln und gemeinsam durch ständige und wirksame Selbsthilfe und gegenseitige Unterstützung die eigene und die gemeinsame Widerstandskraft gegen bewaffnete Angriffe erhalten und fortentwickeln.

Art. 4

Die Parteien werden einander konsultieren, wenn nach Auffassung einer von ihnen die Unversehrtheit des Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht sind. (…)

Art. 5

Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird; sie vereinbaren daher, dass im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen in Ausübung des in Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen anerkannten Rechts der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet, indem jede von ihnen unverzüglich für sich und im Zusammenwirken mit den anderen Parteien die Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten. Von jedem bewaffneten Angriff und allen daraufhin getroffenen Gegenmaßnahmen ist unverzüglich dem Sicherheitsrat Mitteilung zu machen. Die Maßnahmen sind einzustellen, sobald der Sicherheitsrat diejenigen Schritte unternommen hat, die notwendig sind, um den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit wiederherzustellen und zu erhalten.

Art. 6

Im Sinne des Artikels 5 gilt als bewaffneter Angriff auf eine oder mehrere der Parteien jeder bewaffnete Angriff

(i) auf das Gebiet eines dieser Staaten in Europa oder Nordamerika, auf die algerischen Departements Frankreichs, auf das Gebiet der Türkei oder auf die der Gebietshoheit einer der Parteien unterliegenden Inseln im nordatlantischen Gebiet nördlich des Wendekreises des Krebses;

(ii) auf die Streitkräfte, Schiffe oder Flugzeuge einer der Parteien, wenn sie sich in oder über diesen Gebieten oder irgendeinem anderen europäischen Gebiet, in dem eine der Parteien bei Inkrafttreten des Vertrags eine Besatzung unterhält, oder wenn sie sich im Mittelmeer oder im nordatlantischen Gebiet nördlich des Wendekreises des Krebses befinden.“ (16)

Mit diesem Vertrag wurden die drei Westzonen Deutschlands sowie die Westsektoren Berlins Teil des NATO-Verteidigungsgebiets. Auch Teile des Kolonialgebiets der europäischen Imperialisten, sowie die Türkei wurden einbezogen. Trotz aller „Verteidigung von Demokratie und Freiheit“ wurden von Anfang an Diktaturen, wie das Salazar-Regime Portugals problemlos in die „westliche Verteidigungsgemeinschaft“ integriert. Dies sollte sich später in Spanien, Griechenland und der Türkei fortsetzen. In Italien waren NATO-Strukturen offensichtlich in mögliche Putschvorbereitungen gegen nicht-genehme politische Freiheiten verwickelt.

Zwischenresümee 1

• Die NATO entstand als Resultat einer Neuaufteilung der Welt und der Etablierung der Nachkriegsordnung mit den USA als eindeutige imperialistische Führungsmacht.

• Ihre Konstituierung war aber nur durch die Niederlagen und Fehler der Arbeiterbewegung, insbesondere durch die konterrevolutionäre Politik von Stalinismus und Sozialdemokratie möglich.

• Dadurch wurden die revolutionären Möglichkeiten der Periode bis 1948 vertan und der Imperialismus konnte seine Nachkriegsordnung festigen.

• Die NATO dient seither zusammen mit anderen politischen und ökonomischen Institutionen (UN, Bretton Woods-Institutionen) der politischen und militärischen Sicherung dieser Ordnung.

2. Die NATO im Kalten Krieg

2.1. Der Korea-Krieg 1950-53

Der Korea-Krieg wird in der offiziellen Geschichtsschreibung als Beispiel für die aggressive Politik der Sowjetunion dargestellt. Dabei war dieser Krieg eine vollkommen gerechtfertige Reaktion der KoreanerInnen gegen die Unterdrückung durch den japanischen Imperialismus und die Teilung des Landes durch die imperialistische Nachkriegsordnung.

Ende des Zweiten Weltkrieges hatten sowjetische und US-Truppen Korea besetzt. Überall in Korea gab es “Committees of Preparation for National Independence”, überwiegend unter Führung der KP. Am 6. September 1945 wurde eine „Regierung der gesamtkoreanischen Volksrepublik“ ausgerufen.

Die USA verweigerten dieser die Anerkennung und installierten ihrerseits eine Regierung unter dem rechtsgerichteten, in der Bevölkerung verachteten Syngman Rhee. Im folgenden Konflikt kam es zum Krieg in Korea.

Die UNO übernahm die amerikanische Position, die Nordkorea der „Aggression“ gegen den Süden des Landes beschuldigte. Am 25. Juni 1950 forderte der UN-Sicherheitsrat die nordkoreanische Regierung  auf, ihre Armee bis zum 38. Breitengrad zurückzuziehen und verlangte von den Mitgliedsländern der UNO die volle Unterstützung der Resolution und verbot jegliche Hilfe an Nordkorea.

Der Sicherheitsrat empfahl „den Mitgliedern der UNO, der koreanischen Republik jegliche notwendige Hilfe zukommen zu lassen, um die Angreifer zurück zu schlagen und in dieser Region den Frieden und die internationale Sicherheit wiederherzustellen“. (17)

Am 6. Juli 1950 bevollmächtigte der Sicherheitsrat „das vereinte Oberkommando unter dem Vorsitz der USA, im Laufe der militärischen Aktionen gegen die Kräfte Nordkoreas die Fahne der Vereinten Nationen zu benutzen“. (18)

Diese Entscheidungen des Sicherheitsrates konnten gefasst werden, weil die Repräsentanten Stalins sich enthielten bzw. abwesend waren.

Um eine Revolution im gesamten Korea zu beenden, um direkt in dieser Weltregion Fuß zu fassen, aber auch, um der chinesischen Revolution entgegenzutreten, zettelte der US-Imperialismus den Koreakrieg an, der bis zum 27. Juli 1953 dauerte.

Bis dahin wurden 400.000 Tonnen Bomben allein über der Stadt Pjöngjang abgeworfen, die damals 400.000 Einwohner zählte. Die Angreifer verwendeten auch Napalm und bakteriologische Waffen.

Die USA wollten mit ihrer Kriegführung ein Zeichen setzen gegen alle Nationen und Nationalitäten, die das imperialistische Joch abstreifen wollten. Wäre es nach Generälen wie MacArthur gegangen, wären in Korea und auch gegen China Atomwaffen eingesetzt worden. Das aber wäre der direkte Einstieg in einen 3. Weltkrieg gewesen.

Insbesondere in Westdeutschland wurde der Korea-Krieg als Beweis für die „Aggressionspläne“ der Sowjetunion angeführt. Es kam zu einer Notbevorratungswelle, Ängste vor einem Dritten Weltkrieg wurden geschürt – und so Wiederbewaffnung und NATO-Beitritt legitimiert.

Die politische Bedeutung des Korea-Krieges ging also weit über den Waffengang selbst hinaus. Er diente auch massiv zur ideologischen, anti-kommunistischen Beeinflussung der Bevölkerung in den westlichen Staaten, die in den meisten Ländern auch aktiv von der Sozialdemokratie und der Gewerkschaftsbürokratie mitgetragen wurde. Die AFL-CIO in den USA oder der Britische TUC und die Labour Party hatten schon im Krieg aktiv die imperialistischen Ziele „ihrer“ Regierungen unterstützt, am Entwerfen der Nachkriegsordnung mitgewirkt und spielten in Westdeutschland, Japan, Italien u.a. Ländern eine aktive Rolle beim Wiederaufbau der Gewerkschaften und Sozialdemokratischen Parteien im Sinne der Westintegration. Sie halfen aktiv bei der Säuberung der Arbeiterorganisationen von „kommunistischen“ Elementen mit – ob nun Stalinisten oder unabhängige Linke.

Dieser Druck ging so weit, dass er sich nicht nur in der Sozialdemokratie bemerkbar machte (auf die die Volksfrontpolitik der Stalinisten keine Antwort zu geben vermochte), sondern auch in der Degeneration vieler vorgeblich revolutionärer Linker. So passten sich im Koreakrieg sogar vorgeblich trotzkistische Organisationen wie die Vorläufer der Socialist Workers Party (in Deutschland Marx21, in Österreich Linkswende) an den britischen und US-Imperialismus an, indem sie sich weigerten, Nordkorea und die Sowjetunion gegen die imperialistische Aggression zu verteidigen und für den Sieg Nordkoreas einzutreten.

2.2. Die Wiederbewaffnung der BRD

Nach Kriegsende 1945 zogen sich antimilitaristische und antikapitalistische Bekenntnisse durch die Programme und Reden selbst der bürgerlichen Parteien. Es gab trotz der grundlegenden Schwächung der Arbeiterbewegung an der Basis zahlreiche Initiativen, sowohl die Abrechnung mit den Nazis in die eigene Hand zu nehmen als auch in Betrieben und auf lokaler Ebene selbstständige Organe aufzubauen. Diese Bestrebungen gab es in allen Besatzungszonen. In allen Besatzungszonen wurden diese Bestrebungen verboten, bestehende Betriebsräte und Organisationen aufgelöst und durch den Besatzungsmächten genehme Gründungen ersetzt.

Die US-Imperialisten wollten jetzt möglichst schnell eine stabile kapitalistische Wirtschaft in ihrer Besatzungszone. Großbritannien und Frankreich schlossen sich dem an und bildeten die sogenannte „Trizone“. Sie führten eine Währungsreform durch und legten die Grundlage für die Bildung der Bundesrepublik 1949.

Adenauer beschreibt seine Vorstellung über die Sowjetunion auf einer CDU-Kundgebung wie folgt: „Die totalitären Staaten verneinen Recht und Gesetz. (…) Wir kennen ja aus unserer Vergangenheit in Deutschland das System der totalitären Staaten. Wir wissen, welche Gefahr ein großer totalitärer Staat für seine ganze Umgebung mit sich bringt. Die Sowjet-Union ist ein noch viel mächtigerer und viel totalitärer Staat, als es das nationalsozialistische Deutschland gewesen ist.“ (19)

Adenauer formulierte hier eine staatstragende „Totalitarismus-Theorie“, die einerseits am Antikommunismus der Nazis anknüpfte, gleichzeitig aber auch zur Legitimationstheorie der imperialistischen Demokratie wurde.

Alte Nazi-Eliten kamen wieder in Führungspositionen in Wirtschaft und Staatsapparat. Alte Wehrmachtsgeneräle bauten den Kern einer Armee der Bundesrepublik auf, die, eingebunden in die NATO-Strukturen, zur Frontarmee gegen die Sowjetunion aufgebaut werden sollte.

Ihre neue Rolle als „Juniorpartner“ der USA nahmen die deutschen Imperialisten dankbar an. Innerhalb kürzester Zeit lagen die Wirtschaftsstrukturen und ein großer Teil des nicht-militärischen Staatsapparates wieder in den Händen der deutschen Bourgeoisie, allerdings noch unter starker Kontrolle der Besatzungsmächte.

1948 wurde in den Westzonen Deutschlands eine separate Währungsreform durchgeführt. Am 14. August 1949 fanden die Wahlen zum 1. Bundestag statt. 1950 verabschiedete der NATO-Rat die „Vorwärtsstrategie“. Die USA verdreifachten ab August 1950 ihre in Großbritannien stationierten Bomberverbände. Am 7. Februar 1951 billigte die US-Regierung den „Pleven-Plan“ zur Aufstellung einer europäischen Armee.

Auf der vom 10.-14. September 1951 tagenden Außenministerkonferenz der USA, Frankreichs und Großbritanniens in Washington wurde die Aufstellung westdeutscher Streitkräfte geplant, die in eine europäische Armee eingegliedert werden sollten.

1952 beschloss der Nordatlantikrat die „Strategie der massiven Vergeltung“, die ab 1954 umgesetzt wurde.

Es stellt sich die Frage, warum es der Arbeiterklasse nach 1945 nicht gelungen war, die Wiederaufrüstung und den NATO-Beitritt der Bundesrepublik zu verhindern.

Viele ArbeiterInnen wie auch Kader der KPD in Deutschland wollten nach dem Krieg den Sozialismus. Während der Naziherrschaft und des Krieges waren diese Kader weitgehend abgeschnitten von der exilierten Parteiführung. Im Widerstand gegen Hitler hatten sie durchaus eigenständige Positionen entwickelt.

Doch nach 1945 wurde die Politik der KPD wieder durch die zurückgekehrte Auslandsführung (Gruppe Ulbricht) geleitet und war geprägt von einer Kette von Fehlern, die aus der strategischen, konterrevolutionären Grundkonzeption des Stalinismus folgten:

• Das „Vertrauen“ in die Westalliierten als Repräsentanten der „westlichen Demokratien“ ging einher mit dem Abwürgen selbstständiger Initiativen, die auch aus den Reihen der Basismitglieder gekommen waren. Daher lehnte die KPD 1945 auch den Sturz der kapitalistischen Gesellschaftsordnung als „verfrüht“ ab, weil die Arbeitklasse noch nicht reif genug wäre.

• Die KPD war geprägt durch Gehorsam gegen über Stalin und übernahm seine Volksfrontpolitik, die jeder revolutionären Politik diametral entgegenstand.

Diese falsche, gegenrevolutionäre Strategie erleichterte es den westlichen Imperialisten – unter Ausnutzung der Berlin-Blockade, der Zündung der ersten sowjetischen Atombombe am 23. September 1949 und durch die imperialistische Propaganda im Korea-Krieg -, die KPD in die Defensive zu drängen.

Die stalinistische Unterdrückung der Arbeiterklasse hatte sich natürlich auch im Westen herum gesprochen. Das schwächte auch den Widerstand gegen Remilitarisierung und die Wiederherstellung kapitalistischer Strukturen in den Westzonen.

Antikommunismus und Repression gegen alle Antimilitaristen durch die Adenauer Regierung und die Militärgerichtsbarkeit der Alliierten hatten so leichtes Spiel. In Kassel wurden z.B. Jugendliche –  Mitglieder der FDJ – zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, weil sie vorbereitete Sprengladungen der US-Armee an Brücken beseitigt hatten.

Weder Volksbefragung noch die „Ohne-Mich“-Bewegung konnten die Wiederaufrüstung entscheidend behindern.

SPD und DGB, anfangs noch strikt gegen Wiederbewaffnung und gegen die Wiederaufrichtung kapitalistischer Monopole, gaben ihren Widerstand mehr und mehr auf. So stand Mitte der 50er Jahre weder der Bundeswehr noch deren Eintritt in die NATO ein Widerstand entgegen, der dies ernsthaft hätte verhindern können.

2.3. Krisen und Kriege

Die Geschichte der NATO im Kalten Krieg ist geprägt von einer fortschreitenden Stärkung und Aufrüstung der Allianz. Sie fungierte schon damals als Unterstützerin für imperialistische Interventionen außerhalb des Mandatsgebietes. Hier ein kurzer Überblick:

Am 23. Oktober 1954 wurden die „Pariser Verträge“ unterzeichnet, die BRD wird zur Mitgliedschaft in der NATO eingeladen. Der Besatzungsstatus wird aufgehoben. Der NATO-Beitritt der Bundesrepublik erfolgt am 6. Mai 1955 durch die Ratifizierung der Verträge im Bundestag. 1956 wurde die KPD verboten, während fast zeitgleich die ersten Rekruten der Bundeswehr einrückten. Der Kalte Krieg verschärft sich.

Am 16. März 1955 kündigte US-Präsident Eisenhower für den Kriegsfall den Einsatz taktischer Nuklearwaffen gegen militärische Ziele an. Am 19. Mai 1955 wurde als Reaktion der Warschauer Pakt gegründet.

Das US-Hauptquartier in der Bundesrepublik gibt am 13. März 1957 bekannt, dass die US-Streitkräfte mit Nuklearwaffen ausgerüstet werden.

Am 19. September 1958 wurden die ersten US-Mittelstreckenraketen vom Typ Thor in Großbritannien aufgestellt.

Am 31. Oktober 1959 stimmte die Türkei der Aufstellung von US-Mittelstreckenraketen zu. Insgesamt wurde bis 1960 eine US-Staffel mit 26 Raketen aufgestellt. Weitere zwei Jupiter-Staffeln mit 25 Raketen stationierten die USA bis 1960 in Italien.

1956  intervenierten Frankreich und Großbritannien, um die Kontrolle über den Suez-Kanal zu erlangen, der kurz zuvor von Nasser verstaatlicht worden war. Die UdSSR drohte mit militärischen Gegenaktionen, worauf Großbritannien und Frankreich ihre Truppen zurückzogen. Durch die Bombardements musste der Suez-Kanal für den Schiffsverkehr gesperrt werden, er war durch 46 versenkte Schiffe auf unabsehbare Zeit unpassierbar geworden. Aber auch die USA übten Druck aus, da US-Präsident Eisenhower ein Notstandsprogramm in die Wege leiten musste, um die Ölversorgung Westeuropas zu gewährleisten.

Die NATO-Länder Frankreich und Großbritannien waren nach diesen Ereignissen in ihrem militärischen Einfluss weiter geschwächt worden. Die Suez-Krise verdeutlichte, dass die USA und auch die UdSSR die jeweiligen Einflusssphären respektierten.

In Reaktion auf die Politik der UdSSR im Nahen Osten verkündete der amerikanische Präsident 1957 die „Eisenhower-Doktrin“, eine Zusicherung amerikanischer Hilfe an die Staaten der Region  „gegen jedes Land, das vom internationalen Kommunismus kontrolliert wird.“ (20)

Nachdem 1959 die Batista-Regierung in Kuba gestürzt worden war, versuchten die USA durch eine Invasion und mehrere Mordversuche, Castro zu stürzen. 1962 stand die Welt durch die Kuba-Krise ein weiteres Mal kurz vor einem Dritten Weltkrieg. Nach dem Abzug der sowjetischen Atomraketen mussten die USA sich mit dem Status quo auf Kuba zufrieden geben. Das war eine erste schwere Niederlage des US-Imperialismus seit der Errichtung der Nachkriegsordnung, aber auch eine wirksame nukleare Erpressung gegenüber der Sowjetunion, die keinen Atomkrieg als Reaktion auf die Stationierung ihrer Raketen auf Kuba riskieren wollte.

1966 folgte eine Schwächung der NATO durch den zeitweiligen Rückzug der französischen Imperialisten aus den militärischen Strukturen der NATO. Sie beklagten die zu geringe Bedeutung Frankreichs in der Führung der NATO.

„Geografisch und organisatorisch war mit dem Austritt Frankreichs aus der militärischen Organisation eine riesige Lücke in die Verteidigungsstruktur gerissen worden. Eine Tiefe des Raumes, in dem eine flexible konventionelle Verteidigung hätte organisiert werden können, war nicht mehr gegeben. Die vielen Versorgungseinrichtungen, die die USA in Frankreich hatten, mussten zwangsläufig nach vorne, also näher an die potentielle Front verlegt werden. Die für die Verteidigung des Mittelabschnitts verantwortlichen NATO-Oberbefehlshaber konnten mit den französischen Ressourcen, insbesondere über das in Südwestdeutschland stationierte ehemalige französische NATO-Kontingent, nur sehr eingeschränkt disponieren. Die Kräfte konnten allenfalls noch als eine Art strategischer Reserve mit vielen Fragezeichen in die Planungen einbezogen werden.“ (21)

Durch den Austritt Frankreichs erhöhte sich die Bedeutung der BRD als Frontstaat, aber auch als zentrales NATO-Gebiet und verlässlicher US-Verbündeter.

2.4. Vietnam-Krieg und Krise der imperialistischen Nachkriegsordnung

Indochina befand sich Mitte der 60er Jahre seit über 20 Jahren in kriegerischen Auseinandersetzungen, zuerst mit der Kolonialmacht Frankreich (1946-54), dann zwischen dem Norden und dem Süden, von den USA protegiert wurde. 1965 traten die USA in den Krieg ein, wobei sie den von ihnen selbst provozierten „Zwischenfall im Golf von Tonking“ als Anlass nahmen. Der Krieg endete 1975 mit einer Niederlage der USA.

1995 gab die vietnamesische Regierung Zahlen über die Kriegsopfer frei. Demnach waren insgesamt eine Million vietnamesische KämpferInnen und vier Millionen ZivilistInnen auf beiden Seiten im Krieg getötet worden.

Die US-Imperialisten verzeichneten „58.193 Mann als Verluste. Fast 45.000 von ihnen wurde nicht älter als 25, ein knappes Drittel davon war zum Zeitpunkt ihres Ausfalls 20 Jahre alt. Direkt von Feindeinwirkung wie Beschuss, Verwundung, Vermisstenstatus waren 47.000 betroffen. Auf besonders starken Widerstand trafen die Streitkräfte der USA in den Jahren 1967 bis 1969, in denen 39.300 (…) Soldaten fielen. Insgesamt verloren die Vereinigten Staaten nach Kriegsende durch Spätfolgen über 60.000 weitere ehemalige Soldaten durch traumatisch bedingte Selbstmorde. Das bedeutet mehr Tote als im Krieg selbst. Über 40.000 Veteranen wurden während ihrer Dienstzeit in Vietnam heroinsüchtig, 330.000 wurden einerseits wegen der Demobilisierung, andererseits wegen der politischen Lage und der psychischen Spätfolgen, arbeitslos. 1972 saßen über 300.000 Veteranen in Gefängnissen ein, weil sie aus den genannten Gründen straffällig geworden waren und es ihnen nicht gelungen war, wieder in das zivile Leben zurückzufinden.“ (22)

Mit den Niederlagen auf Kuba und in Vietnam, der Schwächung der NATO-Strukturen, dem Einsetzen der Überakkumulationskrise in den 70er Jahren und der Krise des Bretton-Woods-Systems wurden die 1970er insgesamt zu einem Krisenjahrzehnt der US-Hegemonie. Weltweit entwickelten sich Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre revolutionäre oder vorrevolutionäre Situationen auch in NATO-Staaten oder deren Verbündeten (z.B. Portugal, Spanien, Griechenland, Frankreich). In dieser Situation wurden speziell die Sozialdemokraten zu einem wesentlichen Faktor der Stabilisierung des imperialistischen Systems und der konterrevolutionären Lösung dieser Krisen. Spätestens seit dieser Zeit sind sie stolz auf ihre Lakaienposten in den Fluren der NATO. Ihre „große Zeit“ kam in den 70er Jahren, als sie zu Brokern der „Entspannungspolitik“ werden sollten.

2.5. Wettrüsten, Abrüstung, Nachrüstung

Das Rückgrad der NATO im Kalten Krieg bildeten die Atomstreitkräfte der USA, in geringerem Maß auch die Britanniens und Frankreichs. In den 50er Jahren beruhte die NATO-Militärstrategie auf der „Option des atomaren Erstschlags“. Den vorgeblich zahlenmäßig überlegenen konventionellen Truppen des Warschauer Paktes sollte dieser Doktrin zufolge der Einsatz verheerender „taktischer“ Atomwaffen entgegengestellt werden, welche die UdSSR von einem weiteren Vormarsch abschrecken sollten. Tatsächlich diente diese „Erstschlagskapazität“ durchaus offensiven Zielen und wurde von der Sowjetunion mit Recht als unmittelbare Bedrohung gesehen.

Entsprechend antwortete die UdSSR mit der Entwicklung und Aufstellung eines großen Arsenals „strategischer“ Atomraketen. Dies waren zunächst Interkontinentalraketen, später vermehrt atomgetriebene U-Boote als Raketenabschussbasen. In den 1960ern entwickelte sich so ein gewaltiges „Wettrüsten“ auf der Ebene von atomaren Langstreckenwaffen. Der jeweilige Angreifer sollte selbst im Falle eines Erstschlags mit der Vergeltung durch die „totale Auslöschung“ seines Staatsgebietes rechnen müssen. Es gab Berechnungen, wie oft der gesamte Planet mit den vorhandenen Atomwaffen vernichtet werden könne.

Sowohl die ökonomisch-politischen Probleme von Imperialismus und Stalinismus, als auch die wachsende strategische Unsinnigkeit dieser Overkill-Kapazitäten zwangen NATO und Warschauer Pakt am Ende der 60er Jahre zu ersten „Abrüstungsverhandlungen“ (SALT-I zu strategischen Atomwaffen). Tatsächlich wurden Anfang der 70er Jahre gewisse Beschränkungen vereinbart und der ABM-Vertrag zum Verbot von Raketenabwehrsystemen unterzeichnet, der bezeichnenderweise 2002, also nach Ende des Kalten Krieges, von den USA gekündigt wurde.

Die ökonomischen Probleme im Ostblock, die dort in den 70er Jahren einsetzenden Marktreformen und Liberalisierungen wurden gleichzeitig genutzt, um eine allgemeine „Entspannungspolitik“ einzuleiten. Während die UdSSR im Rahmen der „friedlichen Koexistenz“ keinen Finger zur Unterstützung der Revolutionen in Chile oder Portugal rührte, konnte der Imperialismus über seine wirtschaftlichen Hebel in den osteuropäischen Ländern immer mehr an Einfluss gewinnen. Dies wurde gerade auch durch solche Instrumente der „Entspannung“ wie die „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (KSZE) auch auf ideologisch-politischer Ebene verstärkt (z.B. durch den „Helsinki-Prozess“).

Die sich verstärkenden zentrifugalen Tendenzen in den degenerierten Arbeiterstaaten führten Ende der 70er Jahre zum Gegensteuern durch den anti-restaurationistischen Flügel der Bürokratie. Deutlichstes Zeichen dafür war die Ersetzung der alten taktischen Mittelstreckenraketen in Osteuropa durch die moderneren SS 20-Raketen. Mit diesen Waffen konnten die taktischen Erstschlags-Raketenrampen der NATO in Westeuropa zielgenau präventiv zerstört werden. Dies wurde von den NATO-Strategen als direkte „Kriegserklärung“ angesehen. Genauso wurde der sowjetische Einmarsch 1979 in Afghanistan gesehen, der die dortige Volksfrontregierung retten sollte. Endgültig war der Kalte Krieg mit den Ereignissen in Polen Anfang der 80er Jahre wieder voll entbrannt, die „Entspannung“ war vorbei.

Auf der anderen Seite kamen mit Reagan und Thatcher in den USA und Britannien wieder die offenen Kalten Krieger ans Ruder. Längst hatte man auch in der NATO während der 70er Jahre einen Strategiewechsel, weg von der „Abschreckung durch wechselseitige Vernichtung“, geplant.

So entwickelte der Pentagon-Berater Colin S. Gray die Option eines „führbaren Atomkriegs“ unter dem Motto „Victory is possible“. Eine Kombination von modernen Lenkwaffensystemen, zielgenauen Mittelstreckenraketen und einem Raketenabwehrsystem (SDI) sollte den atomaren Überraschungsschlag möglich machen: mit der sogenannten „Enthauptungsstrategie“ (einem Vorläufer der späteren „chirurgischen Schläge“) sollten die Kommando- und Kommunikationsstruk-turen des Warschauer Pakts zerschlagen werden, um dann den Rest mit konventionellen Mitteln erledigen zu können. Grays Konzept nahm den Tod von Millionen Menschen, insbesondere in Europa, in Kauf.

Als Kompromiss mit den „Entspannungspolitikern“ wurde die neue Strategie in die Form des „Doppelbeschlusses“ gefasst, der von der NATO am 12.12.1979 getroffen wurde. Einerseits wurden Verhandlungen zur Begrenzung der Mittelstrecken in Europa angeboten, andererseits wurde für den Fall des Scheiterns dieser Verhandlungen die Stationierung von Pershing II-Raketen und von Cruise Missiles angedroht. Wie nicht anders zu erwarten, scheiterten die Verhandlungen. Die NATO-Unterhändler hatten eine solches auch bewusst provoziert, z.B. sie darauf bestanden, die französischen und britischen Mittelstreckenraketen aus dem Verhandlungspaket heraus zu nehmen, also nicht als gegen den Warschauer Pakt gerichtete Waffen zu zählen.

In ganz Europa fanden Massenproteste gegen die offensichtlich immer aggressivere NATO-Strategie zur Führbarkeit von Atomkriegen statt. Der Höhepunkt in Deutschland war der Protest der 500.000 im Hofgarten in Bonn am 22.10.83. Insgesamt protestierten an diesem Tag 1,3 Millionen Menschen in der Bundesrepublik. Nur einen Monat später stimmte der Bundestag der Stationierung zu – bis Ende 1983 waren bereits 9 der 108 geplanten Pershing II u.a. in Mutlangen einsatzbereit.

Nur wenige Jahre danach zwangen die wachsenden ökonomischen Probleme der UdSSR den wieder auf „Entspannung“ getrimmten Gorbatschow zu einem Einknicken gegenüber dieser aggressiven NATO-Politik. Gorbatschow schlug bereits 1985 Verhandlungen zu den Mittelstreckenraketen in Europa vor. Wie in Afghanistan musste die UdSSR auch hier den Rückzug antreten. Am 8.12.1987 wurde mit dem INF-Vertrag der Abbau aller Mittelstreckenraketen in Europa zwischen der UdSSR und den USA vereinbart. Die Niederlage der UdSSR im Kalten Krieg begann sich eindeutig abzuzeichnen.

Doch auch das Ende des Kalten Krieges bedeutet mitnichten, dass die USA auf ihr gewaltiges Atomwaffenarsenal verzichteten. Bis heute wurde jegliche Initiative zur atomaren Abrüstung vom Pentagon brüsk abgewiesen. Stattdessen werden neue Atomstrategien ausgedacht: einerseits soll weiterhin mit Mininukes Atomkrieg im „taktischen“ Rahmen möglich sein; andererseits sollen durch „Raketenschirme“ andere Atommächte ihrer Abschreckungsmacht beraubt werden. Weiterhin ist es ein Hauptanliegen der US-Sicherheitspolitik, die unumschränkte Atommacht Nummer eins zu sein, die missliebige neue Atommächte mit allen Mitteln zu verhindern trachtet.

2.6. Zwischenresümee 2

• Der Kalte Krieg wie die Nachkriegsordnung sind untrennbar mit der Funktion der NATO zur Sicherung der imperialistischen Gesamtinteressen unter US-Vorherrschaft verbunden.

• Der Kalte Krieg und die Festigung des Stalinismus in Osteuropa, der Sowjetunion und China kosten zwar wichtiges Territorium für den kapitalistischen Weltmarkt. Die Rolle der herrschenden Bürokratenkasten bedeutet jedoch nicht nur eine Ausschaltung jeder Arbeiterdemokratie im Inneren und damit langfristig Stagnation, sondern aufgrund der Politik der „friedlichen Koexistenz“ eine Stabilisierung der Weltordnung durch die Anerkennung des „Status quo“ mit den Imperialisten.

• Die Sozialdemokratie und die Gewerkschaftsbürokratie verschmelzen eng mit dem bürgerlichen Staatsapparat und werden zu aktiven Verteidigern der NATO und der dahinter liegen imperialistischen Interessen im Namen der „Verteidigung der Demokratie“.

• Durch die Kubanische Revolution, den Vietnamkrieg und die antikapitalistischen und anti-imperialistischen Massenbewegungen wird diese Vorherrschaft des Imperialismus auch im Kalten Krieg massiv herausgefordert und mit der Niederlage in Vietnam und durch die Bewegungen nach 1968 in Frage gestellt. Die US-Vorherrschaft bekommt ökonomische wie auch politische Risse. Vietnam demonstriert, dass der Gigant besiegt werden kann.

• Für das Überleben der reaktionären Ordnung und ihrer Institutionen sind daher nicht nur die bis zur äußersten  Konsequenz getriebene reaktionäre und mörderische Praxis von NATO und anderen imperialistischen Institutionen zentral. Auch die internationale Rolle der bürgerlichen, imperialistischen Agenturen in der Arbeiterbewegung – Sozialdemokratie und Stalinismus – ist ein wichtiger Teil zur Verteidigung der globalen Ordnung gegen revolutionäre Kämpfe der Arbeiterklasse und der Befreiungsbewegungen.

• Nachdem diese ihre konterrevolutionäre Schuldigkeit getan haben, reagieren die Imperialisten durch eine geänderte NATO-Strategie unter Reagan – eine Offensive gegen die ökonomisch ohnedies angeschlagene Sowjetunion und die Arbeiterbewegung. Die Friedensbewegung und die von ihren Führungen geschürten pazifistischen Illusionen und die gesamte „Abrüstungspolitik“ erweisen sich als utopische Konstruktionen, die in die Niederlage führen und die Umsetzung der Hochrüstungspolitik nicht stoppen können.

3.1. Der Zusammenbruch des Stalinismus und die NATO

Der Verfall und der Zusammenbruch der stalinistischen Bürokratien Ende der 80er Jahre bedeutete auch das Ende des Warschauer Pakts. Dieser hatte der Bürokratie viele Jahrzehnte als atomarer Schutzschild gegen den US-Imperialismus gedient, wie auch als Mittel zur Unterdrückung sozialer und politischer Aufstände in der DDR 1953, in Ungarn 1956 und in der CSSR 1968. Die „gewendeten“ Regime Mittel- und Osteuropas suchten den Anschluss an den Westen, verließen den Warschauer Pakt, am Ende standen nur die Vertreter der GUS-Staaten mit dem Erbe der sowjetischen Rüstung und mehr als 20.000 Atomsprengköpfen.

Der Westen und somit auch die NATO standen als Sieger da, die stalinistische Bürokratie war durch die ArbeiterInnen Osteuropas besiegt worden, aber diesen mangelte es zugleich an einer politischen Führung, die die Klasse zu einer erfolgreichen politischen Revolution hätte führen können.

So konnte der Imperialismus im Bund mit den restaurationistischen Kräften innerhalb und außerhalb der Staatsbürokratie den Sieg davon tragen und bürgerlich restaurationistische Regierungen etablieren, die den Kapitalismus wieder einführten und die Länder in den kapitalistischen Weltmarkt reintegrierten. Die DDR wurde direkt ins Staatsgebiet der BRD inkorporiert.

Bezüglich der NATO-Mitgliedschaft eines „vereinigten“ Deutschlands gab Gorbatschow dem westdeutschen Imperialismus rasch freie Hand, 1990 war das erste ehemalige Mitglied des Warschauer Paktes in die NATO „eingetreten“. Die stalinistische Bürokratie ließ sich im Gegenzug den Abzug ihrer Truppen aus der DDR bezahlen, die Aufgabe der vormaligen Frontlinie brachte ihr 14 Mrd. D-Mark – ein Schnäppchen für die BRD und die NATO.

So rasch, wie der westdeutsche Imperialismus die DDR übernahm, so rasch zerfielen auch die UdSSR und später Jugoslawien.

Ähnlich wie in der DDR markiert das Jahr 1989 in ganz Osteuropa und der Sowjetunion die Todeskrise des Stalinismus, der Herrschaft der bürokratischen Kaste über die degenerierten Arbeiterstaaten.

Dahinter stand eine grundlegende ökonomische Krise der bürokratisch gelenken Planwirtschaften, die seit den 1970er Jahren in eine Periode der Stagnation eingetreten waren, als sich die Herrschaft der Bürokratie zunehmend als absolutes Hindernis für die Entwicklung der Produktivkräfte dieser Länder erwies. Planwirtschaft ohne politische Herrschaft der Arbeiterklasse, ohne demokratische und offene Diskussion über Prioritäten, Ziele, Organisation und Umstrukturierung der Produktion im Interesse der ProduzentInnen, also der Gesellschaft, ist letztlich zur Stagnation und zum Untergang verdammt.

Die Rezepte der Bürokratie, dieses Problem zu lösen, verschlimmerten die Situation mittel- und langfristig. Etliche Staaten verschuldeten sich zunehmend am Weltmarkt (z.B. Polen, Jugoslawien, Rumänien). Auch die DDR musste mehr und mehr für Devisenbeschaffung aufwenden. Andererseits öffneten die Bürokratien die Planung immer mehr „marktwirtschaftlichen Anreizen“ oder sicherten diese überhaupt nur indirekt über das Banken- und Kreditsystem (z.B. Jugoslawien). Umgekehrt waren auch die strikt „reformfeindlichen“ Bürokratien keineswegs in der Lage, eine Alternative zu bieten, sondern wirtschafteten gleichermaßen ab.

Die Herrschaft der Bürokratie erwies sich als gesellschaftliche Sackgasse. Die Einheit der Kaste selbst zerfiel entlang politischer, sozialer und nationaler Linien.

Zugleich erwies sich die Arbeiterbewegung als unfähig, selbst eine politische Alternative zur stalinistischen Planwirtschaft und zur kapitalistischen Restauration durchzusetzen – trotz heroischer Massenkämpfe wie in Jugoslawien in den 80er Jahren, in Rumänien oder bei den Massenbewegungen in vielen anderen Ländern.

Die antibürokratischen Massenbewegungen wurden daher rasch demobilisiert oder deren Führungen gemeinsam mit großen Teilen der Bürokratie in die kapitalistische Restauration inkorporiert.

Zugleich nahm in vielen Ländern der Nationalismus zu. Der westliche Imperialismus stürzte sich geeint auf die neuen Märkte, predigte überall Volk, Nation und Unabhängigkeit. Freiheit und Demokratie und Marktwirtschaft stand über allem – die Konterrevolution erfasste alle Staaten Mittel-, -Ost und Südosteuropas, wenn auch generell unter dem Banner der demokratischen Konterrevolution.

Dieser politisch-ökonomische Siegeszug des Westens wurde 1990 noch durch den ersten Irakkrieg unter US-amerikanischer Führung ergänzt. Offiziell wurde das Emirat Kuwait von der irakischen Besatzung sogar unter UN-Mandat befreit. Diktator Saddam Hussein hatte den Nachbarn aufgrund verkaufter Schuldscheine in Milliardenhöhe besetzt und hatte bis dahin – wie zuvor bei seinem siebenjährigen Krieg gegen den Iran – meist Rückendeckung durch den US-Imperialismus.

Die wichtigsten Truppensteller der imperialistischen Aggression waren NATO-Staaten, der größte Geldgeber war der NATO-Staat BRD. Hier konnte sich der westdeutsche Imperialismus noch ein letztes Mal von seinen militärischen Pflichten freikaufen.

US-Präsident Bush sen. brachte die Neuausrichtung des US-Imperialismus im Begriff „New World Order“ (NWO) zum Ausdruck – der neuen Epoche US-amerikanischer Herrschaft. Als neue Bedrohungen wurden damals die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen, „asymetrische Kriege“ in „failed states“ und der globale Terrorismus genannt, damals meist im Zusammenhang mit kolumbianischen Drogenbaronen. Gleichzeitig wurde den neu entstehenden osteuropäischen Staaten und der zerfallenden UdSSR deutlich gemacht, dass die NATO unter US-Führung die einzig verbliebene „Sicherheitsmacht“ auf dem Globus ist. Der US-Imperialismus wurde „Weltpolizist“ zur Durchsetzung seiner Interessen, dafür mussten auch die internationalen imperialistischen Institutionen verändert werden.

3.2. Osterweiterung und neue strategische Ausrichtung

Während der 90er Jahre veränderte sich der politische Charakter der NATO grundlegend vom „nord-atlantischen“ Verteidigungsbündnis zur global handelnden präventiven Eingreiftruppe des US-Imperialismus und seiner Verbündeten. Was als „New World Order“ begann, mündete in einer neuen strategischen Erklärung der NATO im Jahre 1997 in Madrid, in der die NATO von nun an die gesamte Welt als Einsatzgebiet betrachtet, diese Einsätze auch ohne UN-Mandat führen kann und sich für diese Einsätze den Einsatz von Nuklearwaffen vorbehält.

Als Bedrohungsszenarien wurden ethnische Konflikte benannt, der Zerfall staatlicher Strukturen (failed states) und die Notwendigkeit einer „asymetrischen“ Kriegführung. Dabei geht die NATO davon aus, das es immer weniger Kriege mit klar überschaubaren Fronten geben wird und sich die Kampfhandlungen eher in Städten und Regionen abspielen werden, wofür die NATO flexible und schnell einsetzbare Kampftruppen braucht. Natürlich widerspiegelt diese Argumentation eine gewisse imperialistische Logik. Die Zahl der Staaten, die einen konventionellen Krieg gegen die USA/NATO-Truppen führen könnten, war arg geschrumpft und der Widerstand gegen Imperialismus und Krieg wird viel eher in den Städten bekämpft werden können als in der Wüste.

In diesen Jahren waren es die Konflikte in Ex-Jugoslawien, um Nagorny Karabach zwischen Armenien und Aserbeidschan und die blutigen Kämpfe in Tschetschenien, welche von den imperialistischen Politikern gern als Beispiele heran gezogen wurden. Dort herrschte Bürgerkrieg, hierauf musste sich auch die NATO vorbereiten. Der gescheiterte UN-Einsatz von Somalia 1992 zeigte auf, welche Einsätze der UN u.a. imperialistischen Institutionen bevor standen, solche Einsätze sollten unter „robustem“ Mandat geführt werden – dies bedeutet Kampfeinsatz.

Den mittel- und osteuropäischen Staaten stand eine Phalanx imperialistischer Institutionen gegenüber. Die neuen Staaten wurden sofort anerkannt, bekamen Sitze in UNO und OSZE. IWF und Weltbank lockten mit Reformprogrammen, die NATO und die EU (EG) mit Mitgliedschaften. Bis 2008 sind Polen, Ungarn, Tschechien, Bulgarien, Rumänien, Lettland, Litauen, Estland, Slowakei und Slowenien NATO-Mitglieder geworden. Bis Frühjahr 2009 sollen Kroatien, Mazedonien und Albanien folgen, mittelfristig die Ukraine und Georgien.

Die NATO hat einen Großteil der ehemaligen Warschauer Pakt-Staaten und Staaten der ehemaligen UdSSR aufgenommen und dehnt das Einflussgebiet bis in den Kaukasus und Zentralasien aus. Dabei besteht eine enge Kooperation zwischen der USA und der EU, welche beide über die Einflusssphären der NATO ihre Interessen umsetzten, die USA mit der Einkreisung der militärischen Regionalmacht Russland und die EU außerdem zur politisch-ökonomischen Unterwerfung neuer EU Mitglieder. Beide Mächte haben gemeinsame Interesse an den ehemaligen sowjetischen zentralasiatischen Republiken und wollen dort die Vorherrschaft Russlands brechen.

Diese strategische Ausrichtung steht für den umfassenden NATO-Angriffskrieg, sobald eine Bedrohung benannt ist. Für diesen Krieg müssen alle NATO-Mitgliedsstaaten ihre militärischen Einheiten reformieren, die Truppen auf schnelle internationale Kriegseinsätze vorbereiten. Explizit geht es um die Fähigkeit, dass die NATO binnen fünf Tagen weltweit Truppen in Stärke von bis zu 60.000 Soldaten stationieren und diese mit Luft- und Marinekräften zu kombinieren.

Die „Nato Response Force“ (NRF) wurde endgültig 2003 beschlossen und mit ihr auch Aufrüstungsverpflichtungen für die NATO-Staaten. Mit IWF-Krediten konnten dann amerikanische Rüstungsgüter verkauft werden und auch die EU begann, eigene rüstungspolitische Entscheidungen zu treffen. Seit der Einführung des Euro 2002 und der EU-Osterweiterung tritt auch die EU als geopolitischer Akteur auf, gestützt auf den größten kapitalistischen Binnenmarkt unter deutsch-französischer Führung. Sowohl, was die militärischen Kräfte (Flottenverbände, Eingreiftruppen, Kommunikationsstrukturen, Waffensysteme) als auch, was die politische Entscheidungsfähigkeit betrifft, ist die EU aber gegenüber dem US-Imperialismus weiterhin klar unterlegen. Sicherheits- und außenpolitisch steckt der ökonomische Riese EU noch in den Kinderschuhen, wie insbesondere die Sezessionskriege des ehemaligen Jugoslawiens zeigten.

3.3. Jugoslawienkrieg und die Besetzung des Kosovo

Entgegen den Friedensversprechen der US-amerikanischen und europäischen Imperialisten folgten den „Ende der Block-Konfrontation“ Jahre des blutigen Bürgerkrieges im ehemaligen Jugoslawien. Am Ende wurden die Sezessionskriege durch einen offiziellen NATO-Angriffskrieg unter US Führung und mit deutscher Beteiligung beendet. Der Vielvölkerstaat löste sich auf in Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Montenegro und Serbien sowie dem besetzten Kosovo.

Nach der kapitalistischen Wiedervereinigung war die Regierung Kohl/Genscher auch beim Zerfall Jugoslawiens Vorreiter der westlichen imperialistischen Mächte mit der Anerkennung der Teilrepubliken Sloweniens und Kroatiens 1991. Ohne Absprache mit den Verbündeten war das Ende des Balkanstaates eingeläutet.

Deutsches und österreichisches Kapital standen bereit, um in die neuen Halbkolonien zu fließen und unterstützten die nationalistischen Regierungen im kurzen Kampf gegen die jugoslawische Armee. Die verschiedenen imperialistischen Staaten verfolgten hierbei keine einheitliche Strategie. Ein neuer Wettlauf um nicht erschlossene Märkte war entbrannt, die gewendeten Regime bekamen allerlei Zuwendungen der imperialistischen Staaten, je nachdem, wie viele Investitions- und Verwertungsmöglichkeiten das westliche Kapital in Aussicht hatte.

In Ex-Jugoslawien war die blutige Saat von Nationalismus und Rassismus nach 1990 voll aufgegangen. Ethnische Säuberungen durch Kroatien gegen die Serben in der Kraijna, Angriffe serbischer faschistischer Milizen auf muslimische Städte und Dörfer – die bürgerlichen Versprechungen von Demokratie, Freiheit und Wohlstand für alle nach 1990 zerplatzten in einem  blutigen Bürgerkrieg in der Mitte Europas.

Zur vollständigen Zerschlagung Jugoslawiens war der bosnische Bürgerkrieg nur ein Zwischenschritt, für die weitere Ausrichtung der NATO aber entscheidend. Der gescheiterte Einsatz der UN-Blauhelme in Bosnien-Herzegowina gehört zu den schändlichsten Kapiteln der heuchlerischen UN-Politik. Für lange Zeit wird der Name Srebrenica beispielhaft sein für gescheiterte UN-„Missionen“. Der Krieg richtete sich „unter Beobachtung der UN“ unbeeindruckt und verstärkt gegen die muslimischen Regionen, Kroatien und Serbien wollten Gebiete von Bosnien abspalten und hatten zum einen den Westen und zum anderen Russland im Rücken. Mitten in Europa wurde erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wieder ein offener Stellvertreterkrieg geführt. Der UN-Einsatz in Bosnien war gescheitert und täglich konnte die Weltöffentlichkeit die gewollte Ohnmacht der europäischen Staaten mitverfolgen, ebenso wie die Errichtung von Internierungslagern in Bosnien und das fortgesetzte Töten.

Im Abkommen von Dayton wurde schließlich die Teilung von Bosnien-Herzegowina festgeschrieben, Kroaten und Serben bekamen ihre autonomen Teilrepubliken, die seither eher den benachbarten Staaten Kroatien und Serbien unterstellt sind und nicht dem „souveränen“ Bosnien.

Mit dem US-geführten Angriffskrieg von 1999 hat die NATO ihre Transformation zur weltweit eingreifenden direkten Kampftruppe ohne UN-Mandat vollzogen, den Erklärungen und strategischen Bestimmungen folgte nun die Tat: der Krieg gegen Rest-Jugoslawien und die Besetzung des Kosovo.

Offiziell fügte sich die Rechtfertigung für den Angriff gut in die Rhetorik der 1990er. Die Unterdrückung der AlbanerInnen im Kosovo diente als Rechtfertigung zum Angriff der NATO-Staaten zur „Befreiung“ und schließlichen Besetzung des Landes, zuerst durch die NATO, später durch die EU.

Die albanische Untergrundarmee UCK, ursprünglich eine pro-albanische, hoxaistische Organisation, wurde von den USA u.a. Imperialisten zum Verbündeten und im Krieg und bei der folgenden Besatzung umgepolt. Auch solche Methoden gehören zur asymetrischen Kriegführung.

Wir wollen hier nicht auf die „Holocaust“ Argumentationen der damaligen rot-grünen Bundesregierung eingehen, sondern vielmehr auf den Begriff „humanitäre Intervention“. Unter diesem Begriff predigte Außenminister Joschka Fischer (GRÜNE) das Hohelied des ersten deutschen Angriffskrieges seit 1945 und auch zahlreiche NATO-Spitzen und Wissenschaftler begründeten diesen neuen Begriff als „friedenssichernden und -erzwingenden“ Einsatz. Krieg wurde neu definiert, und zwar als Beendigung einer Bedrohung, die festgestellt werden muss – um dann potenzielle Opfer vor dem potenziellen Krieg durch einen militärischen Einsatz zu schützen, eine Art vorsorgliche imperialistische Schutzhaft.

Der Einsatz in Ex-Jugoslawien wurde im Nachhinein von der UNO abgesegnet. Bis zum Krieg hatten Russland und China dies verhindert. Die NATO hatte ihren ersten Kampfeinsatz in Europa nach 1990 und zerschlug somit den letzten Teil des ehemaligen Vielvölkerstaates Jugoslawien.

Seit 1999 dient Kosovo neben Bosnien der NATO als Standbein auf ehemals jugoslawischem Staatsgebiet. Von Unabhängigkeit oder Selbstbestimmung der KosovarInnen kann keine Rede sein. Das Kosovo bleibt ein NATO- bzw. EU-Protektorat.

Speziell die deutsche Rhetorik beim Krieg von 1999, die „humanitäre Mission“ der Bundeswehr zum Schutz der unterdrückten Minderheit war die imperialistische Ideologie (nicht nur) der „Berliner Republik“, sondern auch der US-Außenpolitik unter Clinton. War die Regierungspartei Bündnis90/die Grünen noch mit dem Ziel der Abschaffung der NATO in den Bundestagswahlkampf 1998 gezogen, so sollte nun Deutschland „Verantwortung“ übernehmen und in einer „humanitären Intervention“ helfen – das ist „grüner“ Imperialismus.

In diese Zeit fällt auch der Startschuss für den Aufbau europäischer Sicherheitsstrukturen. Ohne die USA wäre ein Krieg auf dem Balkan nicht möglich gewesen. Nun setzte sich die EU das Ziel, solche Einsätze bald selbst durchführen zu können. Am Anfang wurde dies auch von den USA unterstützt, sie hofften auf Entlastung und keine weiteren Einsätze in Europa, damit die amerikanischen Truppen ausschließlich den globalen US-Interessen dienen könnten.

Doch der Jugoslawienkrieg ab 1990 zeigt die kommenden Perspektiven: Angriffskrieg nach selbst definierter Bedrohungslage, verschiedene Bündnispartner zur Durchsetzung imperialistischer Interessen, weitere Aufrüstung und Herausbildung zweier imperialistischer Blöcke, USA und EU.

Der Kosovo stellte 1999 den Abschluss der Kriege im Gefolge des Zusammenbruchs des Stalinismus dar. Seit dem 11.9. 2001 trat eine neue Rechtfertigungsideologie in den Vordergrund.

3.4. Die NATO und der „Krieg gegen den Terrorismus“

Mit den Anschlägen vom 11.9.2001 auf das WTC und das Pentagon trat der erste „Bündnisfall“ in der NATO-Geschichte ein. Die USA definierten drei abgestürzte Flugzeuge als feindlichen Angriff, als Krieg. Somit waren die NATO-Verbündeten zur Militärhilfe verpflichtet. In Art. 5 des Washingtoner Vertrags der NATO gilt der Bündnisfall, wenn ein Mitgliedsland von außen, d.h. von einer anderen, „fremden Armee“ angegriffen wird und Kampfhandlungen auf dem Territorium des Mitgliedsstaates stattfinden.

Nach dem 11.9. gelten nun abgestürzte Flugzeuge als militärische Kampfhandlung, die Toten wurden als „Kriegsopfer“ bezeichnet. Was fehlte, war ein „Gegner“. Dieser wurde in Person Bin Ladens und seiner Gruppe Al-Qaida nachgereicht. Sie wären eine „terroristische“ Vereinigung, welche sich in Afghanistan aufhalten würde und den Schutz der dortigen Machthaber, der „Taliban“ genießen würden.

Krieg gegen „Terrorismus“ ist keine neue Vokabel des US-Imperialismus, schon Bush sen. führte unter diesem Motto Krieg in Kolumbien. Damals sollten die Drogenkartelle von Medellin militärisch besiegt werden und Mittel für die Bekämpfung der FARC bereitgestellt werden. Das waren die „Terroristen“ der frühen 90er.

2001 war der Gegner nun der globale „islamistische Terrorismus“, welcher sich der Vernichtung aller christlichen „Kultur“ und des Staates Israel verschrieben hätte. Diese „Fundamentalisten“ würden die Selbstmordattentäter ausbilden, die dann als „Schläfer“ mitten unter uns sind – binnen kürzester Zeit wurde ein rassistisches Feindbild zusammen gebastelt. Dieses dient bis heute für jeden Krieg nach außen, genau wie für jede Repression nach innen als Legitimation.

Der US-Imperialismus rief den globalen „Krieg gegen den Terrorismus“ aus. Zur Bekämpfung dieser Gefahr müssten alle Mittel eingesetzt werden, vor allem alle militärischen Mittel. Bin Laden und Al Qaida passten dabei perfekt in das Bild der asymetrischen Kriegsführung und zu den neuen Anforderungen, auf die sich USA und NATO seit 1990 vorbereitet hatten. Al Qaida war eine international tätige terroristische Vereinigung, ihr Wirken konnte allen islamisch geprägten Staaten angehängt werden.

Der US-Imperialismus ließ nur eine Fragestellung zu – seid ihr mit oder gegen uns? Bush jun. präsentierte der Weltöffentlichkeit seine intimen Kenntnissen von „Gut und Böse“, die verbündeten imperialistischen Partner konnten nur ihre „bedingungslose Solidarität“ (Ex-Kanzler Schröder) erklären, Pakistan musste unter der Drohung, selbst in die „Steinzeit zurückgebombt zu werden“, schleunigst seinen Luftraum für die US-Luftwaffe öffnen. Zu diesem Zeitpunkt bekam der US-Imperialismus freie Hand. Ein Jahrzehnt Konterrevolution und Wirtschaftswachstum hatte die Weltmacht gestärkt. Nach Aussagen der US-Strategen Cheney und Wolfowitz war es nun Zeit für eine „Pax Americana“. Im „Cheney Report“ von 2000, eine generelle strategische Analyse für Präsident und Stab, wurden die wichtigsten Ziele zur Durchsetzung einer „Pax Americana“ genannt:

• Strategische Unterwerfung und Kontrolle aller Erdölregionen der Erde, d.h. des persischen Golfes, Zentralasiens und der Küsten Afrikas (speziell der Westküste);

• Dabei dienen alle US-kontrollierten Institutionen wie NATO und IWF, zur Durchsetzung eines globalen Regimes unter US-Führung;

• Weitere strategische Kontrolle über die imperialistischen Konkurrenten EU und Japan und Eindämmung und Kontrolle der Regionalmächte Russland, China und Indien.

Ideologisch begleitet wurde der imperialistische Feldzug durch allerlei rassistisches „Werte“-Geschwätz, hier die glitzernde Demokratie und Freiheit und dort die reaktionären Islamisten mit ihrer Unterdrückung und Armut. Von Huntingtons „Kampf der Kulturen“, der bürgerlichen „akademischen“ Hetzschrift zum Krieg gegen den islamischen Raum, bis zu „betroffenen“ ehemaligen Frauenrechtlerinnen wie Alice Schwarzer, die jeden Rassismus gegen den arabischen Mann unterstützt – brachten Bourgeoisie und Staat alles in Stellung für den „Krieg gegen den Terrorismus“.

Schon 2001 verkündete US-Präsident Bush, dass „niemand wisse, wie lange ein solcher Krieg gehen würde“ – der perfekte imperialistische Krieg, immer kann ein neuer Gegner in einem neuen Staat auftauchen. Waren es gestern die Taliban in Afghanistan und Saddam Hussein im Irak, so sind es heute die Hizbollah im Libanon oder die Hamas im Gaza-Streifen und morgen vielleicht der Iran oder der Nordwesten Pakistans.

Die erste NATO-Mission zum „Krieg gegen den Terrorismus“ heißt bis heute „Operation enduring freedom“. Dies soll soviel wie „einsetzende Freiheit“ heißen, hat aber seit 2001 das Gegenteil eingeläutet, nämlich permanenten Krieg mit wechselnden Gegnern. In die erste Mission des neuen Jahrtausends ging die imperialistische Allianz noch geschlossen: in den Krieg gegen Afghanistan, gefolgt bzw. begleitet von der bis heute andauernden NATO-Besatzung durch die ISAF-„Schutztruppe“.

Offizielles Ziel ist es, die Al Qaida-Führer zu töten oder zu verhaften, die islamistischen Taliban zu stürzen und dem Volk „Demokratie und Freiheit“ zu bringen. Die GRÜNEN-Fraktionsvorsitzende Roth meinte damals gar, der Krieg würde für die Frauenrechte geführt.

3.5. 2001: Angriffskrieg und Besetzung Afghanistans

Ähnlich dem vorhergehenden Angriffskrieg gegen Jugoslawien fand der US-Imperialismus willige örtliche Milizen. In Afghanistan war es die „Nordallianz“. Diese hatte bis 1993 in Kabul geherrscht, konnte sich bis 2001 aber nur noch in einigen entlegenen tadschikischen Provinzen halten. Ihr Führer war im August 2001 von den Taliban getötet worden, nachdem dieser erfolglos im Westen um finanzielle und militärische Unterstützung angefragt hatte. Binnen kürzester Zeit befand sich der afghanische Luftraum unter US- und britischer Kontrolle. Die Taliban hatten dem nichts entgegen zu setzen, nachdem Pakistan seinen Luftraum dem Imperialismuszur Verfügung gestellt hatte. Viele Jahre lang hatten wichtige Kreise in Pakistan, u.a. der Geheimdienst ISS die Taliban im Nachbarland unterstützt, und sich so auch die Kontrolle über den Nachbarn gesichert. Ebenfalls unterstützten die reaktionären islamisch-sunnitischen Gruppierungen Pakistans den Taliban-Staat und sahen diesen als Leitbild an – gerade auch gegenüber der schiitischen islamischen Republik Iran, die 2000 sogar Kriegsdrohungen aus Afghanistan erhielt.

Die Nordallianz, welche zumeist aus Tadschiken, Turkmenen und Usbeken bestand, wurde massiv aufgerüstet. Noch vor Ende des Jahres war Kabul von den Taliban „befreit“ und der US-Imperialismus feierte den ersten „Sieg“ gegen den Terrorismus. Während des Krieges wurden auch die beiden Spielarten des westlichen Imperialismus vorgeführt, die auch die nächsten Jahrzehnte bestimmen werden: einerseits der „gut oder böse“-Angriffskrieg mit einem Regierungswechsel als Zielvorgabe, andererseits der „humanitäre“ Einsatz zur Friedenssicherung mit gleichzeitiger Politikberatung und zivilem „Regime Change“ – „geschmückt“ mit Schulneubauten und der Einweihung von Brunnen.

Ganz praktisch besteht auch heute noch eine Spaltung der beiden Afghanistan-Einsätze, einmal der OEF-Kriegseinsatz von USA und GB besonders im Süden und Osten des Landes und der ISAF-Schutztruppeneinsatz anderer NATO-Staaten. Dabei kommt den ISAF-Truppen der Job einer militärisch-zivilen Pioniertruppe zu, zum einen mit Patrouillen-, Aufklärungs- und Kampfeinsätzen und zum anderen durch Ausbildung afghanischer Soldaten und der Aufrechterhaltung der staatlichen Ordnung in den Städten des Landes.

Besonders der deutsche Imperialismus rühmte seinen Afghanistan-Einsatz immer als „humanitäre“ Mission, bei der es um Wiederaufbau und Herstellung von Staatlichkeit und Infrastruktur gehe und weniger um einen direkten Kampfeinsatz. Diese Heuchelei wurde durch die Zunahme der Kämpfe im Jahr 2008 ad absurdum geführt. Inzwischen spricht selbst Kriegsminister Jung von einem „Kampfeinsatz“. Auch die Besatzungstruppen befinden sich im offenen Krieg gegen den afghanischen Widerstand.

Im Jahr 2008 starben in Afghanistan mehr US-Soldaten als im Irak. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn auch der neue US-Präsident Obama mehr Einsatz der Verbündeten in Afghanistan fordert. Gerade aufgrund der Nachbarstaaten Iran und Pakistan ist Afghanistan strategisch unverzichtbar für den US Imperialismus – in Pakistan herrscht in vielen Regionen schon heute Bürgerkrieg. Dieser US-Vasall droht im Bürgerkrieg zu versinken, schon heute gibt es gemeinsame Militäraktionen mit den USA speziell im Nordwesten Pakistans und in Waziristan.

Während die USA mit Pakistan einen wichtigen Stützpunkt in der Region verlieren könnten, bedrohen sie weiterhin die Regionalmacht Iran. Militärisch ist der Iran eingekreist: von US-Truppen in den Golfstaaten, im Irak und in Afghanistan.

Seit 2001 besetzt die NATO Afghanistan als Protektorat. Ein neuer Präsident wurde eingesetzt und die ISAF-Truppen sind in den wichtigsten Regionen und Städten stationiert. Sie schützen dort jene lokalen Autoritäten, die Präsident Karsai unterstützen, bilden eine neue afghanische Armee und Polizei aus und sichern den westlichen Unternehmen den Marktzugang. Ähnlich dem Kosovo übernehmen die Besatzungstruppen eine Reihe der staatlichen Aufgaben, wobei in einigen Apparaten Teile der örtlichen Elite mitwirken dürfen und somit alle „modernen“ Aspekte staatlicher Unterdrückung lernen sollen, neue Foltermethoden ebenso wie die steuerliche Erfassung der Bevölkerung.

Auch in den angrenzenden Staaten baut die NATO Stützpunkte, z.B. die Bundeswehr einen Flughafen in Usbekistan, also auf dem Territorium der ehemaligen UdSSR. Diese Staaten Zentralasiens liegen im Fokus des Imperialismus. Speziell die Förderung der Gas- und Ölreserven von Turkmenistan bringt die westlichen Staaten untereinander in Konkurrenz, aber vor allem gegenüber Russland und China. Dort tummeln sich NATO-Berater, OSZE-Teams oder EU-Gesandte, um diese Staaten dem Imperialismus unterzuordnen. Welch verheerende Auswirkungen das hat, zeigte zuletzt Georgien, als sein nationalistische Präsident Sakaschwilli mit Unterstützung der USA einen Angriffskrieg gegen die abtrünnigen Provinzen Süd-Ossetien und Abchasien führte.

Der Afghanistan-Einsatz ist heute wieder das wichtigste Schlachtfeld für den US-Imperialismus. Doch dieser erste „Sieg“ droht nun zu einer kompletten Niederlage zu werden. Sollte dies geschehen, wäre die Position der USA in Zentralasien entscheidend geschwächt. Damit wäre auch der NATO-Einsatz gescheitert, der erste Einsatz in Zentralasien. In Afghanistan sind die USA und die EU gezwungen, gemeinsam den Widerstand zu unterdrücken. Eine gemeinsame Niederlage wäre auch eine strategische Niederlage gegenüber den Regionalmächten Russland, China, Indien und Iran. Während in Afghanistan die beiden imperialistischen Blöcke aneinander gekettet sind, fand der zweite imperialistische Angriffskrieg seit 2001, der Irakkrieg 2003, in veränderter Formation statt. Diesen Krieg führte das imperialistische Bündnis, in der Form der NATO nicht gemeinsam; es kam zu einer ersten politischen Spaltung innerhalb der NATO.

Diese Geschehnisse sind Anfang einer neuen Entwicklung innerhalb der NATO: dem Aufstieg der EU (unter der Führung Berlin-Paris) als international konkurrierender imperialistischer Block gegenüber den USA.

3.6. Irakkrieg und politische Spaltung des Bündnisses

Für den 11.9.01 hatten die USA den „Bündnisfall“ für sich reklamiert und konnten danach Krieg und Besatzung Afghanistans organisieren. Im Falle des Iraks 2003 war die Situation komplizierter. Am Ende der monatelangen Kriegsdrohungen gegen das Regime von Saddam Hussein stand die „Koalition der Willigen“ unter Führung der USA und Großbritanniens, inklusive Italien, Spanien, Australien, Portugal, Polen, Südkorea oder auch El Salvador und Honduras – insgesamt ca. 40 Staaten.

Innerhalb der imperialistischen Staaten hatte es zuvor in UNO, NATO und EU starke politische Differenzen gegeben, an deren Ende sich eben die „Koalition der Willigen“ und andererseits die „Achse Paris – Berlin – Moskau – Peking“ gegenüber standen. Erinnert werden darf hier an die pazifistischen Wutreden eines Joschka Fischer auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2003 an die Adresse von Verteidigungsminister Rumsfeld und an den „Nein zum Irakkrieg“-Wahlkampf von Schröder 2002.

Gemeinsam mit Frankreich führte Deutschland einen kleinen imperialistischen Block, welcher zwar innerhalb von EU und NATO in der Minderheit war, aber durch das strategische Bündnis mit Russland und China die USA in der UNO blockieren und so auch die NATO lahmlegen konnte.

Das deutsche „Nein“ zum Irakkrieg war nur ein taktisches Nein, praktisch konnten die US-Truppen alle deutschen Stützpunkte für den Krieg nutzen, der Aufbau einer internationalen Allianz gegen den US-Angriffskrieg offenbarte jedoch eine Spaltung innerhalb der imperialistischen Staaten auf. Zwei NATO-Staaten scherten auch praktisch aus der militärischen Disziplin aus: Belgien sperrte seinen Hafen Antwerpen und die Türkei verweigerte die Eröffnung einer Front im Norden des Irak.

Die Geschichte dieses Krieges ist schnell erzählt. Nach vielen Tagen von „embedded“-Berichterstattung aus Panzern in der einsamen Wüste ist Bagdad erreicht, der Luftraum ist ab dem ersten Tag unter US-Kontrolle. Von Massenvernichtungswaffen, Elitesoldaten und Häuserkampf ist nichts zu sehen, stattdessen gibt es den Sturz eines Denkmals des Diktators und dessen Ende am Strick des Imperialismus. Jenseits dieses Glitzersieges entwickelte sich jedoch ein heftiger Widerstandskampf gegen die Besatzung, gepaart mit Bürgerkrieg – in bald sechs Jahren Krieg und Besatzung wurden mehr als 650.000 IrakerInnen getötet.

Aus der „Koalition der Willigen“ rekrutierten die USA Besatzungstruppen für den Irak. Am Anfang waren neben der USA und Großbritannien auch Polen, Italien und Südkorea beteiligt. Der irakische Staat wurde in Besatzungszonen aufgeteilt. In der US-Propaganda wurden Vergleiche zum Wiederaufbau Deutschlands und Japans nach dem 2. Weltkrieg gezogen, der Irak sollte in „Demokratie und Wohlstand“ geführt werden. Im Gegensatz zu den historischen Beispielen wurden im Irak die alten Eliten nicht übernommen. Die USA kooperierte mit den vormals politisch unterdrückten Bevölkerungsgruppen, den Schiiten im Süden und den Kurden im Norden. Schnell war die schiitische Bevölkerungsmehrheit auch politisch vorherrschend, verschiedene Organisationen mit der SCIRI an der Spitze erhoben Machtansprüche.

Während George Bush als „Kriegsgewinner“ seine zweite Wahl 2004 gewann, entwickelte sich im Irak zum einen ein Bürgerkrieg unter den Bevölkerungsgruppen und zum anderen der Widerstandskampf gegen die imperialistische Besatzung. Vom „Sieg“ der Invasoren 2003 war bereits 2005 nichts mehr zu sehen, die Besatzer verloren ganze Städte und Regionen an aufständische Milizen und führten nun innerhalb des Irak Krieg. Sowohl lokale sunnitische Milizen, wie auch schiitische Milizen (besonders die Al-Sadr Miliz) griffen offen die Stützpunkte der Besatzer an, führten untereinander Krieg und trieben die US-geführten Streitkräfte an den Rand  einer militärischen Niederlage.

Während dieser Zeit verließen die meisten anderen Besatzungsmächte, speziell die europäischen Staaten (Spanien, Italien, Polen) den Irak. Die USA mussten 2007 ihre Truppen um 35.000 SoldatInnen aufstocken, die USA veränderten auch ihre Besatzungstaktik. USA und Großbritannien zogen ihre Truppen aus den Städten und den umkämpften Regionen ab, verschanzten sich in hochgerüsteten Forts, Kampfhandlungen in Städten werden vermieden, stattdessen bombardiert die Luftwaffe aufständische Städte und Regionen. Großbritannien hat seinen Abzug für Ende des Jahres angekündigt, vom neuen US-Präsidenten Obama wird ebenfalls ein Abzugsplan erwartet, welcher dem US-Militär einen relativ friedlichen Abzug und Militärstützpunkte im Irak sichert.

3.7. Perspektiven für den Irak und Afghanistan

Nach fast einem Jahrzehnt des „Kriegs gegen den Terrorismus“ stellt sich die Lage für die beiden vom Imperialismus angegriffenen und besetzten Staaten höchst unterschiedlich dar. Während im Irak eine Allianz aus bürgerlichen schiitischen und kurdischen Eliten seit Jahren mit der Besatzungsmacht kollaboriert und jetzt gemeinsam mit Obama die „Machtübergabe“ zelebrieren wird – um als politisch, ökonomisch und militärisch US-kontrollierte Halbkolonie zu existieren -, findet in Afghanistan ein offener Krieg gegen die Besatzungsmächte statt, der sich in den letzten Jahren dramatisch verschärft hat und weiter verschärfen wird.

Seit geraumer Zeit drängt die USA die NATO-Verbündeten, mehr Aufgaben in Afghanistan zu übernehmen. So musste auch Deutschland sein Kontingent erhöhen und neue Einheiten wie die Tornado-Luftaufklärer in den Osten Afghanistan, an die iranische Grenze verlegen, aber auch Truppeneinheiten für die schnelle Einsatztruppe der ISAF stellen. Allerdings war es für die NATO-Verbündeten einfacher, Präsident Bush zu widersprechen. Innerhalb der EU setzte sich der Kurs von Deutschland und Frankreich zum Irakkrieg durch. Jetzt wird Obama von allen NATO-Staaten alle Konzentration auf diesen Einsatz fordern. In Afghanistan entscheidet sich der Krieg des US- Imperialismus im Mittleren Osten. Verlieren die USA die Kontrolle über Afghanistan, könnte dies den Anfang weiterer Niederlagen in dieser Region einläuten.

Somit stehen auch die europäischen NATO-Staaten in der imperialistischen Pflicht. Eine Niederlage der US-geführten Invasion wäre auch das Ende der „ISAF-Schutztruppe“ und des Marionettenregimes mit Präsident Karsai an der Spitze. Es liegt daher im Interesse von USA und EU, Afghanistan weiter besetzt zu halten – zum einen, um dort einen Stützpunkt in Zentralasien zu haben; zum anderen, um den immer währenden „Krieg gegen den Terrorismus“ weiter führen zu können.

Die Lage in Afghanistan wird auch entscheidend sein für weitere imperialistische Angriffskriege in der Region. Eine Niederlage in Afghanistan erschwert mögliche Angriffe gegen den Iran und trägt zur weiteren Destabilisierung Pakistans bei.

Bei diesen Aufgaben befindet sich das imperialistische Bündnis in einer tiefen Krise. Seit dem Irakkrieg ist der – wenn auch hürdenreiche – Aufstieg des EU-Imperialismus unter der Führung Deutschlands und Frankreichs eine geostrategische Tatsache. Die EU formiert sich als global handelnder imperialistischer Akteur – nicht mehr nur auf ökonomischem Gebiet, sondern auch in der Außen- und Kriegspolitik. Gleichzeitig steuert das imperialistische Bündnis in die schwerste Weltwirtschaftskrise seit den 30er Jahren zu. Die Situation 2009 ist Ergebnis des ungebremsten Imperialismus seit 1990. Auf Konterrevolution folgten Krieg und Neuordnung der Welt, neue innerimperialistische Konkurrenz, Aufrüstung, Ausbeutung und Unterdrückung der halbkolonialen Staaten und Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit.

3.8. Konflikte innerhalb der NATO und Aufstieg des EU-Imperialismus

Natürlich gab es in der Geschichte der NATO auch schon Konflikte vor dem Irakkrieg 2003, zum Beispiel im Rahmen des zeitweiligen Austritts Frankreichs aus der Allianz. Für die aktuelle Situation sind aber speziell die Entwicklungen der letzten 10-20 Jahre entscheidend, insbesondere der Aufstieg des EU-Imperialismus.

Wie bereits erwähnt, führte die „Nein“-Kampagne von Deutschland und Frankreich 2003 zur politischen Spaltung der NATO. Gemeinsam mit Belgien und Luxemburg widersetzten sich Deutschland und Frankreich dem Willen der USA, deren Kontrolle über die NATO wurde erstmals  herausgefordert.

Dieser, sich gern als „Kerneuropa“ betitelnde Block, stimmte auch in der UNO gegen die Vorhaben der USA und bildete mit Russland und China einen gemeinsamen Block. Dieser Konflikt brachte auch die politischen Unterschiede in der EU deutlich zu Tage: unter der Führung von Großbritannien und Italien formierten sich die US-treuen EU-Mitglieder, welche die politische Führung durch Deutschland und Frankreich ablehnten. Viele dieser Staaten haben bilaterale Abkommen mit den USA in den Bereichen Sicherheitspolitik und Rüstung und sind wie Britannien ökonomisch von US-Investoren und dem US-Markt abhängig. Das Scheitern im Irak und der wachsende Widerstand in diesen Ländern (Spanien, Italien) gegen Krieg und Besatzung ließ diesen Block zerbröckeln. Selbst der „höfische“ Verbündete Großbritannien übte offen Kritik am Irakeinsatz, räumt seine Besatzungszonen (Basra) und kündigte den Abzug an.

Trotz dieser offenen Konflikte innerhalb der EU konnten Deutschland und Frankreich ihren Kurs einer imperialistischen EU fortsetzen, konnten mit Euro-Einführung und gemeinsamer Militär -und Rüstungspolitik wichtige Schritte für den EU-Imperialismus durchsetzen.

Die EU hat ihre imperialistischen Ziele in der Agenda von Lissabon klar formuliert. Ziel ist es, bis 2010 der profitabelste Wirtschaftsraum der Welt zu sein, attraktiv für ausländisches Kapital und mit der höchsten Ausbeutungsquote der imperialistischen Blöcke. Auch wenn dieses Ziel nur in Ansätzen erreicht wurde, so war und ist es eine klare Kampfansage an die bisherige Hegemonialmacht USA.

Die EU hat sich durch verschiedene Erweiterungsrunden bis an die Grenzen Russlands ausgeweitet. Osteuropa und die Balkanstaaten sind heute ökonomisch unterworfene halbkoloniale Staaten innerhalb der EU. Während der ökonomische Prozess den Euro als Konkurrenzwährung zum US-Dollar weltweit positioniert hat und europäische Großkonzerne und deren Interessen in Konkurrenz zur USA in Zentralasien, Afrika und Nahen und Mittlerem Osten auftreten, ist der politische Prozess einer imperialistischen EU mehrfach ins Stocken geraten. Dazu trugen neben den Sonderinteressen der nationalen Bourgeoisien auch der Widerstand der französischen, niederländischen und zuletzt der irischen Arbeiterklasse und Jugend gegen eine neoliberale und imperialistische EU bei.

Aktuell ist auch der „Reformvertrag“ – die Verfassung durch die Hintertür – durch das „Nein“ Irlands gescheitert. In Erinnerung sind noch die Hasstiraden der europäischen politischen Elite auf das Abstimmungsergebnis, welches die EU erneut lähmt. Ziel dieser Verträge ist die imperialistische Ausrichtung der EU, sowohl in der politischen Zielrichtung, wie auch in der politischen institutionellen Struktur.

Der Aufbau einer gemeinsamen europäischen Rüstungspolitik in den Kernbereichen Luftwaffe, Marine und Aufklärung (Satellitensystem) ist eine klare Kampfansage an die vorherrschenden anglo-amerikanischen Konzerne. Die Konkurrenz von Boeing und Airbus ist dafür beispielhaft. Die EU definiert stellvertretend für deren dominierende imperialistische Staaten geo-politische Ziele. Dazu gehört vor allem die politisch-ökonomische Unterwerfung der angrenzenden Regionen und Kontinente. An erster Stelle steht der Mittelmeerraum. Wer denkt, dass die EU sich hier nur Gedanken über Fischfangquoten macht, wird überrascht sein. Der Mittelmeerraum ist der geostrategische Zugang zur Welt, insbesondere die angrenzenden „Regionen“ Afrika und Vorderasien sind das Hauptinteresse der EU. Es geht um die beste Ausbeutung der natürlichen Ressourcen Afrikas in Konkurrenz zu den USA und China. Diese imperialistische Tradition muss von der EU gesichert werden, daher sind auch „sichere Seewege“ (Stichwort: Kampf gegen Piraten) ein taktisches Ziel der EU-„Verteidigungs“politik. Die EU hat die ganze Welt zu ihrem Einsatzgebiet erklärt.

Noch im Jugoslawienkrieg waren die europäischen Mächte nicht in der Lage, gemeinsame Kontingente aufzustellen, sie waren abhängig von der NATO-Führungsmacht USA. Zu dieser Zeit gab es auch Kreise in den USA, die eine begrenzte gemeinsame europäische Militärpolitik befürworteten, um die USA zu entlasten. Als Konsequenz des Jugoslawienkriegs beschlossen die führenden EU-Staaten die Aufstellung gemeinsamer Truppen. Somit sollte die EU in der Lage sein, Konflikte in Europa in ihrem Interesse zu beenden. Ergebnis ist eine EU-Interventionstruppe (ERF), die bis zu 60.000 SoldatInnen innerhalb von 20 Tagen weltweit in den Krieg schicken kann. Davon sind aktuell einige Unterstufen erreicht – gemeinsame Truppenteile von Deutschland, Frankreich, Belgien, Niederlande, Dänemark u.a. in der Größenordnung von ca. 10.000 SoldatInnen.

Die EU hat auch die ersten Einsätze in Europa und in Afrika hinter sich, neben den Protektoratsaufgaben in Mazedonien auch die „Wahlbeobachtungs-Mission“ im Kongo. Ebenso nimmt sie eine führende Rolle bei den „UNO“-Einsätzen im Libanon und im Tschad ein. Die Interventionen der EU im Georgienkrieg, die aktuellen Verhandlungen im Gaskonflikt zwischen Russland und der Ukraine unter EU-Aufsicht und die massiven politischen Interventionen von Frankreich und Deutschland im Gaza-Krieg zeigen heute sowohl das gestiegene Gewicht der EU gegenüber den USA, wie auch die fortwährenden Schwächen des europäischen Bündnisses. Die sehr aktive Rolle der EU 2008 war auch einer aktiven imperialistischen Macht Frankreich geschuldet, die offen ihren Führungsanspruch aufzeigte. Obwohl die französische Ratspräsidentschaft durch das irische Nein keine institutionellen Erfolge verbuchen konnte, gelang es ihr, verstärkt als geopolitischer Akteur aufzutreten, speziell in Afrika und in Vorder- und Zentralasien.

Im Gaza-Krieg 2009 betrieben dann auch Frankreich und Deutschland keine gemeinsame Intervention, was sich auch in der EU-Position widerspiegelte. Weiterhin geschwächt bleibt die EU-Kommission gegenüber dem Ministerrat und deren Präsidentschaft. Der Außenbeauftragte Solana ist bei weitem kein EU-Außenminister, sondern vielmehr davon abhängig, ob er mit Sarkozy und Merkel Außenpolitik machen darf.

Während sich die EU ökonomisch in vielen Aspekten auf Augenhöhe mit den USA befindet und die anstehende Weltwirtschaftskrise speziell für die USA eine Bedrohung ihrer Führung bedeutet, ist die EU institutionell und militärisch noch weit entfernt von einem „gemeinsamen“ Imperialismus. Jede Stufe zur Formierung des EU Imperialismus bedeutet eine weitere Unterwerfung unter die deutsch-französische Führung, Unterwerfung unter die Profitinteressen und die Marktbeherrschung der deutschen und französischen Multis und einen weiteren Ausbau einer EU Bürokratie. Diese Bürokratie dient natürlich den verschiedenen nationalen Bourgeoisien zur Durchsetzung ihrer gemeinsamen Interessen gegen die europäische Arbeiterklasse, zu Sozialabbau, Privatisierung, Repression und Militarisierung in der EU. Aber diese Bürokratie ist eben nur Spiegelbild verschiedener nationaler Interessen. So dient sie sowohl zur Kompromissfindung der verschiedenen bourgeoisen Interessen, wie auch zur direkten Durchsetzung der Führungsmächte.

Nach verschiedenen Abstimmungsniederlagen waren die Agitatoren des EU-Imperialismus schnell mit dem Begriff eines „Kerneuropas“ unterwegs. Dieses sollte entschlossen voran gehen und wenn kleinere Nationen dies nicht wollten, müssten sie auch nicht länger Mitglied sein, die Führung der EU durch ein „Kerneuropa“ soll auch institutionell abgesichert werden. Das Konsensprinzip im Ministerrat wird zugunsten einer Mehrheit der bevölkerungsstärksten Staaten abgeschafft; praktisch bedeutet dies, ohne Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien geht nichts in der EU. Sollten diese zentralen institutionellen Vorhaben der EU nicht durchgesetzt werden, droht dem Projekt EU-Imperialismus ein jähes Ende, die EU-Institutionen blieben gegenüber den Nationalstaaten zurück, die Formierung einer imperialistischen EU wäre gescheitert.

Die Aufstellung eigener Truppen der EU hat die NATO geschwächt. Die EU betreibt in diesen Bereichen Militärpolitik ohne direkte Kontrolle der USA und bietet der UNO Einheiten für Einsätze wie im Libanon oder gegen die „Piraterie“ an – die EU, so scheint es, braucht die NATO nicht mehr. So kam es innerhalb der letzten Jahre auch immer wieder zu innerimperialistischen Kontroversen über die Ressourcenverteilung zwischen NATO und EU, über die Höhe der Rüstungsetats und mögliche „notwendige“ Aufrüstung der verschiedenen nationalen Streitkräfte.

Die EU hat durch Rüstungsprojekte in allen Militärsektoren erste Schritte zum Aufbau eines militärisch-industriellen Komplexes unter europäischer Führung begonnen, mit gemeinsamer Ausrüstung, einer gemeinsamen „Armee“ und vor allem einem gemeinsamen Interesse: nämlich die Vorherrschaft der USA und Großbritanniens in diesem Bereich anzugreifen und zu brechen.

Innerhalb der EU haben sich die imperialistischen Interessen von Frankreich und Deutschland durchgesetzt. Auch wenn diese wie bei der „Mittelmeerunion“ aufeinander prallen, gibt es doch derzeit keinen Herausforderer innerhalb der EU, um die Vorherrschaft von Paris und Berlin zu brechen; ökonomisch wäre dazu auch kein Staat in der Lage und die politischen Repräsentanten der anderen EU Staaten haben sich zumindest alle auf Verfassung und Reformvertrag eingeschworen und haben keine politische Alternative zum Aufbau eines EU-Imperialismus.

Im Fall einer weiteren Stärkung der EU wird das den Charakter der NATO grundlegend ändern. Die NATO wäre nicht mehr das einzige westliche imperialistische Militärbündnis, die EU würde als vollwertiger Konkurrent global auftreten. Über Frankreich verfügt die EU schon heute über eine atomare Bewaffnung sowie Flugzeugträger als entscheidende Systeme imperialistischer Kriegführung. Schon heute tritt die EU innerhalb der UNO als Truppensteller auf, im Tschad und im Libanon – auch dort in Konkurrenz zur NATO. Während die NATO nach dem Irakkrieg politisch geschwächt war, konnte die EU durch Schwächung des transatlantischen Bündnisses eigene globale Machtansprüche anmelden, meist durch die Repräsentanten der Führungsmächte Deutschland und Frankreich. So ist die EU heute als Repräsentant im „Nahostquartett“ vertreten, ebenso in den Verhandlungen mit Nordkorea und auch ein ständiger Sitz für die EU im UN-Sicherheitsrat wurde gefordert.

Die NATO wird ihren Charakter verändern, aber deswegen nicht ihre zentrale Rolle als imperialistische Agentur verlieren, schließlich verabreden hier die USA und die EU als imperialistische Blöcke zum einen ihre gemeinsamen Interessen zur ökonomischen und militärischen Unterwerfung der Halbkolonien, sowie auch gegen aufstrebende Regionalmächte wie China, Russland und Indien; aber genauso treten hier auch die offenen innerimperialistischen Widersprüche zu Tage. In der NATO bricht schon heute die Konkurrenz der Blöcke auf, gerade wenn es um die Staaten Zentralasiens geht. Hier besteht ein Wettbewerb zwischen EU und USA, der sozusagen unter der Schutzhülle der NATO ausgetragen wird. Dies war sehr gut beim Georgienkrieg zu beobachten, bei dem sich USA und die EU gleichermaßen aufdrängten und die EU am Ende den Zuschlag zur imperialistischen „Beobachtung und Sicherung“ bekam.

Die zunehmende Konkurrenz zwischen den USA und der EU zeigt sich auch in anderen internationalen imperialistischen Agenturen, wie der UNO, der Weltbank oder dem IWF. Gerade unter den Auswirkungen der kommenden Weltwirtschaftskrise wird das imperialistische Bündnis vor Konflikten stehen, in denen zum einen die imperialistischen Staaten vereint antreten müssen, in denen die widerstreitenden Interessen der Bündnispartner jedoch zugleich deutlicher hervortreten werden. Die Geschichte zweier imperialistischer Weltkriege ist Zeugnis dieser wechselhaften „Allianzbildung“ in der imperialistischen Epoche.

Immer deutlicher wird, dass die NATO keine Agentur eines einheitlichen „Super-Imperialismus“ oder eines „Empire“ ist, sondern eine widersprüchliche Bündnisstruktur, die einmal gemeinsam handeln kann, in deren Rahmen sich Konflikte noch auf politischer Ebene austragen lassen, die jedoch auch zunehmend mit der Eindämmung ihrer inneren Widersprüche überfordert ist.

4. Das Scheitern der kleinbürgerlichen Kämpfe gegen die NATO und ihre Ursachen

Die Geschichte der NATO ist auch eine Geschichte des Widerstandes gegen diese imperialistische Allianz. In vielen westlichen Ländern – insbesondere auch in der Bundesrepublik – haben sich riesige Massenbewegungen gegen die westliche Allianz gebildet. Trotz der Mobilisierung Hunderttausender, wenn nicht von Millionen, sind sie jedoch gescheitert.

Die Bewegung gegen die Wiederbewaffnung nach dem 2. Weltkrieg hat es nicht geschafft, die Aufstellung von „Streitkräften“ der Bundeswehr oder den Beitritt zur NATO zu verhindern.

Ende der 50er Jahre formierte sich die Bewegung gegen die Atombewaffnung und es entstand die Ostermarschbewegung, die bis heute mehr oder weniger ritualisiert Jahr für Jahr ihre Demos abhält. Aber schon in den 50er und 60er Jahren blieb diese Bewegung trotz einer wachsenden Teilnehmerzahl politisch schwach und isoliert.

Wurden diese Aktionen am Beginn noch von der SPD führend mitgetragen, so verdeutlicht die Hinwendung der Godesberg-SPD zur Akzeptanz der NATO als „Verteidiger von Freiheit und Demokratie“ die Niederlage dieser Bewegung. Erst mit dieser Wende machte sich die SPD „regierungsfähig“. Eine ähnliche Wende zu dieser Form des „Internationalismus“ wird heute auch von DER LINKEN als Vorbedingung zur Regierungsfähigkeit auf Bundesebene verlangt. Ironischerweise bezeichnen ja SPD-Vertreter heute die formelle Ablehnung der NATO durch die Linkspartei als „Nationalismus“.

Die Ostermärsche wurden zum politisch harmlosen Ritual, in dem sich die reformistischen „Friedensfreude“ aus der SPD-Linken und den Gewerkschaften (seit den 70er und 80er Jahren auch aus der DKP) folgenlos betätigen konnten.

Erst der Widerstand gegen die Notstandsgesetzgebung und die Solidarität mit Vietnam führte zu einer Protestbewegung, die weit in Gewerkschaften und SPD hinein reichte. Es war der Krieg des NATO-Landes USA, der viele junge Menschen veranlasste, sich politisch zu betätigen.

Zahlreiche neue Gruppierungen entstanden, in denen sich Tausende organisierten. Die Staats- und NATO-tragende Rolle der SPD eröffnete den Raum für eine Anti-Kriegsbewegung, die nicht nur Jugendliche, sondern auch Teile der Arbeiterklasse in Opposition zum Imperialismus brachten.

4.1. Die verhängnisvolle Rolle des linken Stalinismus

Ganz richtig erfassten viele in dieser Bewegung aktiv Gewordene die Notwendigkeit des Aufbaus revolutionärer Organisationen, um diesem System wirksamen Widerstand entgegensetzen zu können.

Aber die Organisationen, die auf „marxistisch-leninistische“ Politik, in Deutschland zumeist den Maoismus, sprich eine scheinbar radikalere, linkere Spielart des Stalinismus bauten, haben dabei kläglich versagt.

Vieler ihre Führer sind heute im bürgerlichen Sumpf versackt und gehören teilweise zu den reaktionärsten Apologeten von Angriffskriegen des Imperialismus und unterscheiden sich nur in Nuancen von der Kriegstreiberei der „antideutschen“ Strömungen.

In den siebziger Jahren haben die maoistischen Führer die chinesische Außenpolitik zur Anleitung  ihres Handelns gemacht. Die Sowjetunion sei demnach ein „staatsmonopolistischer Kapitalismus“, Sozialimperialismus und „sozialfaschistisch“ gewesen. Wurde anfangs noch von zwei Supermächten ausgegangen, deklarierte man schließlich die Sowjetunion als „Hauptfeind der Völker“. Folglich sollten sich auch die Staaten der „Zweiten Welt“ gegen sie verbünden. Die schlimmsten Auswüchse dieser Theorie verlangten gar einen Burgfrieden zwischen Proletariat und Bourgeoisie in der „Zweiten Welt“ und das Bündnis mit den USA.

Der Kommunistische Bund Westdeutschlands (KBW) forderte im Endstadium seines Verfalls ein „blockfreies Europa“ und stellt schließlich 1981 fest: „In Deutschland gibt es zwar Finanzkapital und dessen Herrschaft, es gibt auch Kapitalexport, aber einen deutschen Imperialismus gibt es nicht“ (H.G. Schmierer in: Kommunismus und Klassenkampf 6/81, S.29).

Zurecht sind diese Organisationen weitestgehend zerfallen. Allerdings haben sie in fast ebenso verheerender Form wie die herrschenden stalinistischen Bürokratien die revolutionären Antworten des Marxismus auf die imperialistische Bedrohung diskreditiert. Antiimperialistische Politik muss sich heute auch von diesen Karikaturen des „Anti-Imp“-Populismus distanzieren.

4.2. Bellizismus und Menschenrechtsimperialismus der GRÜNEN

Die GRÜNEN, entstanden aus Teilen der Umweltbewegung, Alternativen Listen und Teilen der maoistischen Organisationen, gaben sich ein „Anti-Kriegs“-Image (besonders durch die Gründungsmitglieder Bastian und Kelly). Es dauerte aber kaum ein Jahrzehnt, bis diese Partei, einhergehend mit heftigen Fraktionskämpfen, zu einem ideologischen und auch personellen Eckpfeiler der militärpolitischen Bestrebungen des BRD-Imperialismus und der NATO wurde.

Wesentliche Merkmale dieser Entwicklung sind:

• Aggressionskriege aus „humanitären Gründen“, sogenannte „humanitäre Interventionen“ seien erlaubt, ja sogar notwendig. Dieser „Menschenrechts-Imperialismus“ spielte eine wesentliche Rolle in der Begründung des Jugoslawien-Krieges.

• Eingeschränkte Souveränität von halbkolonialen Staaten; zunächst wurde hier der Begriff der „Failed states“ benutzt, der eine zentrale Rolle auch im „Krieg gegen den Terrorismus“ spielt;

• Heute haben wir es mit einer Art „vorgelagerter Vaterlandsverteidigung“  zu tun, die im Namen der Verteidigung von „Werten“ der „abendländischen Zivilisation“ agiert. Erinnern wir uns an Truman, der im Namen der „freien Welt“ den Kampf gegen die „kommunistische Bedrohung“ führte. Bei den Protagonisten des Imperialismus ist dies nichts Neues.

Mit  den GRÜNEN gelang es, einen Großteil der kleinbürgerlichen Oppositionsschichten wieder ins bürgerliche Lager zu ziehen, um dann als mitregierender Partner eine treibende Rolle für den Bellizismus der rot/grünen Regierungen zu spielen.

4.4. DGB und DIE LINKE

Seit dem Zweiten Weltkrieg haben der DGB und seine Einzelgewerkschaften aufgrund der Dominanz der SPD immer wieder deren Pro-NATO-Kurs mitgetragen oder jedenfalls die Kritik auf SPD-verträgliches Niveau begrenzt.

Hinzu kommt, dass die DGB-Gewerkschaften und zuvorderst die IG-Metall zur Rüstungsindustrie eine zwiespältige Haltung einnehmen. Neben pazifistisch geprägten Erklärungen und Aufrufen der Gesamtorganisation wird gegenüber der Rüstungsindustrie selbst ein „weicher Kurs“ gefahren. Wenn es um die eigentliche Produktion geht, fordern auch IGM-Betriebsräte in Rüstungsbetrieben mehr Aufträge.

Zugleich gibt es aber es durchaus Beschlüsse, Unterschriftensammlungen, Teilnahme an Demonstrationen, die sich gegen Kriegseinsätze, Aufrüstung der Bundeswehr o.a. militaristische Projekte richten. Was fehlt, sind Aktionen gegen den Krieg oder die Bereitschaft, das Mittel des politischen Streiks gegen Kriege einzusetzen. Das war so gegen die Remilitarisierung, gegen die Nachrüstungsbeschlüsse, gegen den Jugoslawien-Krieg, gegen den Afghanistan-Krieg.

Im seinem Grundsatzprogramm führt der Deutschen Gewerkschaftsbund 1996 an:

„Die Gewerkschaftsbewegung setzt sich dafür ein, dass die Menschenrechte universelle Geltung gewinnen. Soziale, ökonomische und ökologische Konflikte müssen auf zivilem Wege ohne militärische Gewalt gelöst werden.“ (23)

Ganz ähnlich argumentiert die Partei DIE LINKE. Die Ablehnung von Kriegs- und Bundeswehreinsätzen im Ausland, die Forderung nach „Auflösung der NATO“ unterscheidet DIE LINKE – wie ihre Vorläufer WASG und PDS – von allen anderen Bundestagsfraktionen. Es ist gerade diese Haltung, die sie in den Augen der herrschenden Klasse trotz aller Bekenntnisse zur Marktwirtschaft, zum Grundgesetz und ihrer Umsetzung neoliberaler Angriffe in Landesregierungen ungeeignet macht, auf nationaler Ebene mitzuregieren.

Bekanntlich gibt es durchaus gewichtige Teile der Linkspartei, die durch ihr Bekenntnis zur „Solidarität mit Israel“ oder „Nachdenken“ über UN-mandatierte „Friedensmissionen“ wie in Darfur auch diese Position schleifen wollen. Die Mehrheit der Parteiführung und der Parlamentsfraktion hält jedoch noch an einem, wenn auch durch und durch pazifistischen, „Friedenskurs“ bei.

„Die Linke ist der Meinung, dass das Militärbündnis NATO überwunden werden muss, um Frieden zu schaffen. Um dieses Ziel zu erreichen, sind heute zwei Wege in der öffentlichen Debatte: Entweder die NATO wird aufgelöst – wie es die Linke vorschlägt – und durch ein regionales, nichtmilitärisches Sicherheitssystem ersetzt, oder die NATO wandelt sich selbst in einem tief gehenden Prozess in eine echte, ebenfalls nichtmilitärische Sicherheitsorganisation um. Davon ist sie heute weit entfernt. Der globale Machtanspruch der NATO ist abzulehnen. Die globalen ordnungspolitischen Vorstellungen und Ziele der NATO laufen auf Ausbau und Sicherung der westlichen Hegemonie hinaus, um deren Interessen auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen. Einseitige Interessendurchsetzung anstelle eines Interessenausgleichs schafft Spannungen, permanente Instabilitäten, Konflikte und Kriege – gerade die jüngste Eskalation im Kaukasus-Konflikt zeigt das. (…)

Die Linke setzt sich dafür ein, der UNO als einzigem globalen System kollektiver Sicherheit endlich die zentrale Funktion einzuräumen, die sie laut UNO-Charta haben müßte: die materielle Ausübung des globalen Gewaltmonopols. (…)

Wie die UNO dieses Recht wahrnehmen und welche Fähigkeiten sie dafür benötigen wird, darüber ist zu diskutieren. Wer eine gestärkte UNO will, kann sich dieser Auseinandersetzung nicht entziehen. Auch wenn das UNO-System viele Widersprüche birgt, ist es für die friedliche Lösung alter und neuer globaler Fragen alternativlos.

Das bedeutet auch, sich für eine institutionelle Reform der UNO einzusetzen. Im Mittelpunkt muß der UN-Sicherheitsrat stehen. Er ist deutlicher Ausdruck der strukturellen Machtasymmetrie innerhalb der UN-Strukturen, die beseitigt werden muß, um die Autorität und Glaubwürdigkeit der UNO wiederherzustellen.“ (24)

Ganz ähnlich argumentiert auch die „Friedensbewegung“, deren politische Hauptbestandteile links-sozialdemokratische Gewerkschafter, Linkspartei und DKP sind:

„Um unsere Vision einer friedlichen Welt zu erreichen, lehnen wir militärische Antworten auf globale und regionale Krisen ab – sie sind Teil des Problems und nicht der Lösung. Wir weigern uns, unter dem Terror von Atomwaffen zu leben, und widersetzen uns einem neuen Rüstungswettlauf. Wir müssen die Militärausgaben reduzieren und die dadurch frei werdenden Ressourcen zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse einsetzen. Alle ausländischen Militärstützpunkte sind zu schließen. Wir lehnen alle militärischen Strukturen ab, die für Militärinterventionen genutzt werden. Wir müssen die Beziehungen zwischen den Völkern demokratisieren und demilitarisieren und neue Formen der friedlichen Zusammenarbeit einrichten, um eine sicherere und gerechtere Welt zu schaffen. (…) Wir glauben daran, daß eine friedliche Welt möglich ist.“ (25)

In diesen Aufrufen finden sich einige wesentliche Grundfehler des Reformismus und der von ihr geführten „Friedensbewegung“ wieder.

a) wird ohne jede Analyse, ja oft wider eigene Beschreibungen und besseres Wissen der innere Zusammenhang von militärischen Strukturen, Bündnissen, Allianzen und den ökonomischen und politischen Interessen der kapitalistischen Staaten und der dortigen Kapitale getrennt. So wird dem „militärischen Einsatz“ gern eine nicht näher definierte „zivile Konfliktlösung“ entgegengestellt, ohne dass die Klasseninteressen der Konfliktparteien zur Kenntnis genommen werden. Daher kann in solchen Aufrufen auch immer wieder die UNO als angebliche „zivile“ Alternative zur NATO oder gar zur Politik der Großmächte ins Feld geführt werden.

Dabei wissen die AutorInnen solcher Texte sehr genau, dass die UNO imperialistische Krieg offen proklamiert hat, dass sie Embargos gegen halbkoloniale Staaten wie den Irak verhängte, die zum Tod 100.000er führten, um nur einige Verbrechen dieser imperialistischen Institution zu nennen. DIE LINKE geht hier im „Reformeifer“ gar so weit, nahezulegen, dass die NATO allen Ernstes zu einer „echten nicht-militärischen Sicherheitsorganisation“ werden könne.

In den pazifistischen Aufrufen wird zwar nicht unbedingt die ökonomische Grundlage von imperialistischen Interventionen, von Bündnissen wir der NATO geleugnet. Es wird aber unterstellt, dass auf dieser Grundlage – des kapitalistischen Weltsystems zumal in seinem imperialistischen Stadium – eine andere, nicht von Interessen der Großmächte geprägte Politik, eine Politik, die nicht auf die Durchsetzung ihrer Interessen mit Waffengewalt, Militärbündnissen (unter welchem Vorwand auch immer) möglich wäre.

Hier liegt der erste Betrug und analytische Fehler, der – teils aus „echter“ Überzeugung von bürgerlichen Theorien, teils sogar wider besseres Wissen – proklamiert wird.

Dabei ist es genau diese Sicht, die es den Reformisten und Pazifisten im Ernstfall ganz einfach ermöglicht, von der „Friedensposition“ und vom Pazifismus zur Vaterlandsverteidigung oder zum Unterstützer imperialistischer Kriegszüge umzuschwenken.

Im obigen Zitat der Linken (und auch der Gewerkschaften) ist das schon angelegt. So setzen sich die Gewerkschaften für die „universelle Geltung der Menschenrechte“ ein. DIE LINKE will „Interessensausgleich“ statt „einseitiger“ Durchsetzung. Doch was passiert, wenn sich ein Staat partout weigert, die „Menschenrechte zur Geltung“ bringen zu lassen? Was passiert, wenn sich einer dem „Interessensausgleich“ widersetzt?!

DIE LINKE setzt sich dafür ein, „der UNO als einzigem globalen System kollektiver Sicherheit endlich die zentrale Funktion einzuräumen, die sie laut UNO-Charta haben müßte: die materielle Ausübung des globalen Gewaltmonopols.“ Damit hat sie schon eine Brücke zu den „humanitären“ Begründungen der jüngsten Kriege gebaut, von der sie sich vorgeblich absetzen wollte.

Wer vom Klassencharakter der jeweiligen Kriege nicht reden will, landet also flugs dabei, den Klassencharakter der imperialistischen Institutionen wie der UNO zu verklären, diese als „alternativlos“ hinzustellen und ansonsten steif und fest zu behaupten, dass „Krieg kein Mittel der Politik“ sein dürfe.

b) Gewerkschaftsbürokratie, DIE LINKE, DKP und die pazifistische Friedensbewegung haben nicht nur eine falsche Analyse, die eine Brücke zum Übergang zur Unterstützung imperialistischer Kriege bietet.

Auch wenn sie „hart“ bleiben, also „humanitäre“ Interventionen ablehnen, so macht sich das Fehlen jeder Klassenanalyse darin bemerkbar, dass als Alternative zur militärischen Intervention nicht die Unterstützung des Widerstandes, der Klassenkampf gegen die militärischen, politischen und wirtschaftlichen Kriegsziele des Imperialismus vorgeschlagen wird.

Vielmehr basteln die reformistischen Führungen der Friedensbewegung dann an allerlei „Konfliktlösungsmodellen“, Ideen zur Verbreitung der „Zivilisation“ und der Handels- und sonstigen Wirtschaftsinteressen „unserer“ Wirtschaft herum, die die herrschende Klasse, oder jedenfalls einen Teil davon überzeugen sollen, dass sich „Frieden“ für die Verfolgung ihrer Geschäftsinteressen mehr auszahlt als „kostspielige“ Kriege.

Daher wird die politische Harmlosigkeit vieler Aufrufe der „Friedensbewegung“ auch dadurch gerechtfertigt, dass so auch „liberale“ Pfarrer, ja selbst „kritische“ Offiziere der Bundeswehr mitmachen könnten.

Kurzum, die reformistische Friedensbewegung will keine Klassenpolitik, keine Mobilisierung der Arbeiterklasse und der Jugend gegen den Imperialismus, sondern eine Volksfront, eine klassenübergreifende Front aller Klassen, die sich aus „Vernunftgründen“ und nicht aufgrund ihres Klasseninteressens dem gemeinsamen Anliegen anschließen sollen.

c) Die bürgerliche, reine „Friedenspolitik“ ist daher regelmäßig Betrug und zudem unwirksam. Um die avisierten, wenn auch selten wirklich überzeugbaren „bürgerlichen Partner“ zu finden, verzichtet die reformistische Bewegung erstens auf die Solidarität mit den Befreiungsbewegungen, mit dem Widerstand gegen die imperialistischen Besatzer. Zweitens verzichtet sie auch gern auf klare Minimalforderungen, um die Druck aufgebaut werden könnte. So finden sich z.B. in fast allen Aufrufen die Forderung nach „Abschaffung der NATO“. Zweifellos ein richtiges Ziel. Doch wer soll das tun? Ein offensichtlicher Weg dazu, der noch gar keine große revolutionäre Überzeugung verlangt, wäre der Austritt auf dem Bündnis (wie aus allen anderen militärischen Pakten). An einer solchen unmittelbaren Forderung, die sich direkt an und gegen die Bundesregierung richten würde, an der alle ParlamentarierInnen der Linkspartei oder der SPD sofort gemessen werden könnten, für die sofort eine konkrete Kampagne initiiert werden könnte, wollen aber weder Linkspartei noch linke Gewerkschaftsbürokratie oder die von ihnen ausgehaltenen, selbsternannten „Sprecher“ der Friedensbewegung wie der „Kasseler Ratschlag“.

Drittens lehnt die „Friedensbewegung“ Klassenkampfmethoden gegen die NATO, gegen die Bundeswehr – politische Streiks, Blockaden usw. usf. – ab. Das Problem zeigt sich dann aber regelmäßig, wenn es große politische Demonstrationen gibt, wie z.B. gegen den NATO-Doppelbeschluss. Über eine Million demonstrierten – die Raketen wurden trotzdem stationiert, weil sich die imperialistische Bourgeoisie durch Proteste, die letztlich nur symbolisch sind, von keinem zentralen politischen Ziel abbringen lässt. Die Friedensbewegung hatte aber mit friedlichen Massendemos ihr taktisches Arsenal ausgeschöpft und war aufgrund ihrer Führung nicht bereit, weiter zu gehen.

Viertens kann die NATO, kann jede Form imperialistischer Kriegspolitik, von Aufrüstung bis zum Vernichtungskrieg nur durch den Klassenkampf gegen die eigenen, herrschende Klasse bekämpft werden. Es gibt daher – anders als die Friedensbewegung durch ihre Trennung von Politik und Militär/Krieg – keinen vom Klassenkampf getrennten, „separaten“ Friedenskampf. Unser  Friedenskampf heißt Klassenkampf, heißt Kampf gegen das kapitalistische, imperialistische Weltsystem. Dieser Kampf kennt eine Alternative zur lächerlichen Hoffnung auf „Reformen“ der UNO oder gar der NATO, er kennt eine Alternative zum Beschwören eines „friedlichen Zusammenlebens“, ohne die Klassen- und Herrschaftsverhältnisse zu bekämpfen, die den Krieg erst hervorbringen.

Diese Alternative ist der revolutionären Sturz des bestehenden Systems und die Errichtung der Herrschaft der Arbeiterklasse: die proletarische Weltrevolution!

5. Revolutionäre Strategie im Kampf gegen die NATO!

Eine revolutionäre Strategie im Kampf gegen die NATO darf nicht, wie die Reformisten und Pazifisten von Illusionen oder falschen Hoffnungen auf „friedfertige“ Fraktionen der herrschenden Klasse ausgehen. Sie muss von einem Verständnis der imperialistischen Weltsystems als politischer und ökonomischer (und damit auch militärischer) Gesamtheit ausgehen.

Es reicht dabei natürlich nicht, sich damit zu begnügen, nur das Wesen des Imperialismus und des Kapitalismus darzustellen. Es ist auch notwendig, die Hauptcharakteristika der gegenwärtigen Periode zum Ausgangspunkt zu machen.

Die aktuelle Lage markiert einen Wendepunkt in der historischen Entwicklung. Wir haben es nicht nur mit einer historischen Krise der Globalisierung, der letzten Periode der imperialistischen Entwicklung zu tun, sondern überhaupt mit einer historischen Krise des Kapitalismus. Die beginnende Weltwirtschaftskrise prägt die gesamte Weltlage.

Ein für das Verständnis der Entwicklung der NATO und damit auch der imperialistischen Mitglieder zentraler Aspekt ist, dass wir – neben einer fortgesetzten Kooperation gegen gemeinsame Rivalen und die unterdrückten, halbkolonialen Länder und Nationen – einer Periode zunehmender Rivalität, verschärfter Gegensätze zwischen den imperialistischen Staaten und sich formierenden Blöcken entgegengehen.

Wir gehen einer Periode entgegen, die die Frage von Krieg, Konterrevolution und proletarischer Revolution, von Sozialismus oder Barbarei direkt aufwerfen wird.

Das ist der Grund, warum allen Hoffnungen auf „Friedensprogramme“, die UNO, „Abrüstungskonferenzen“, allen „Friedensbeschwörungen“ der imperialistischen Staaten eine klare Absage erteilt werden muss.

• Gegen alle imperialistischen Allianzen! Gegen den deutschen, österreichischen und den EU-Imperialismus!

RevolutionärInnen treten für den gemeinsamen Kampf aller Kräfte der Arbeiterbewegung und der Unterdrückten gegen alle imperialistischen Allianzen und Bündnisse – ob NATO, WEU, Shanghai-Club – ein. Für die Auflösung von NATO und WEU! In Deutschland und allen anderen Ländern, die Mitglied in NATO oder WEU sind, treten wir für den sofortigen Austritt aus diesen Bündnissen ein! Für den Austritt Österreichs aus der NATO-Initiative Partnership for Peace!

• Abzug aller imperialistischen Kriegs- und Besatzungstruppen und ihrer Verbündeten!

Wir bekämpfen alle Interventionen, Kriege, Truppenstationierungen der BRD, der NATO, der EU, der USA, Russlands oder sonstiger imperialistischer Staaten – egal, ob mit oder ohne Rückendeckung der UNO. Wir treten für den sofortigen Abzug aller im Ausland stationierten Truppen ein! Wir lehnen alle Kriegseinsätze wie in Afghanistan, aber auch alle anderen imperialistischen Intervention sei es zur „Friedenssicherung“, zur „Überwachung“ von „Friedensabkommen“ oder Wahlen, (wie im Libanon oder in Afrika) oder unter dem Vorwand der Bekämpfung der Piraterie (wie am Horn von Afrika) ab.

• Solidarität mit dem Kampf der unterdrückten Nationen und Völker gegen NATO-Krieg und Besatzung!

Anders als die Pazifisten und Reformisten gehen wir davon aus, dass der Kampf gegen imperialistische Intervention – einschließlich des Bürgerkriegs, des bewaffneten Aufstandes oder nationalen Verteidigungskrieges – legitime Formen des Kampfs unterdrückter Nationen oder halb-kolonialer Staaten sind. Diese verdienen die Solidarität und Unterstützung der Arbeiterklasse aller Länder, v.a. der imperialistischen, einen reaktionären Krieg führenden Staaten. Daher treten wir z.B. in Afghanistan für die Niederlage der NATO und der Bundeswehr in Afghanistan und den Sieg des Widerstandes ein, auch wenn wir mit den Taliban und vielen anderen islamistischen oder nationalistischen Widerstandsgruppen politisch nichts gemein haben und diese auf politischer Ebene bekämpfen. Das gleiche gilt im Konfliktfall zwischen den EU-Truppen – inklusive den österreichischen Soldaten – und der Rebellenbewegung im Tschad.

Neben der Solidarität mit dem Widerstand ist der Kampf gegen die Kriminalisierung des Widerstands hier eine zentrale Aufgabe jeder Anti-Kriegsbewegung, die diesen Namen verdient! Weg mit dem Verbot von Befreiungsbewegungen und aller Organisationen, die Widerstand gegen den Imperialismus leisten! Weg mit den EU-Terrorlisten, weg mit allen Paragraphen zur Kriminalisierung des Widerstandes wie 129 a/b in der Bundesrepublik!

• Keinen Menschen, keinen Cent für die Bundeswehr! Kampf dem zunehmenden Militarismus!

Die Bundeswehr ist nicht nur Teil der NATO, sie ist eine imperialistische Armee. Wir bekämpfen deren Umstrukturierung zur Eingreiftruppe. Wir lehnen jede Zustimmung zum Verteidigungshaushalt und zur Finanzierung der Bundeswehr ab. Alle Abgeordneten der Arbeiterbewegung müssen ihre Zustimmung dazu verweigern! Wir lehnen auch halbherzige und illusorische Losungen wie Rückführung der Bundeswehr auf Verteidigungsaufgaben ab, weil sei suggerieren, dass es so etwas wie „gerechtfertige“ Verteidigungsvorhaben des deutschen Imperialismus geben könnte. Gleiches gilt natürlich auch für das Bundesheer in Österreich

Aber wir haben auch nicht die Illusion, dass die Bundeswehr einfach „abgeschafft“ werden könne. Sie muss – wie der bürgerliche Staatsapparat insgesamt – zerbrochen, zerschlagen werden.

Auch wenn wir das Recht auf Wehrdienstverweigerung verteidigen, so lehnen wir dieses als Mittel zur Bekämpfung des Militarismus ab. Vielmehr ist es notwendig, auch in der Armee den Kampf gegen die bürgerliche Disziplin und das Kommando zu führen – durch die Organisierung der Grundwehrdienstleistenden und einfachen Soldaten, um so die Kommandostruktur zu schwächen und zu unterminieren.

Am dem Schulen und Unis, in der Öffentlichkeit sind Propaganda, Aufklärung und Aktionen zur Entlarvung der „Friedensabsichten“ der Bundeswehr, die Organisierung der Jugend in einer anti-militaristischen, revolutionären Jugendbewegung notwendig!

Wir fordern außerdem die entschädigungslose Enteignung der Rüstungsindustrie unter Arbeiterkontrolle und die Umstellung auf zivile Produktion ohne jede Entlassung und bei Umschulung der Beschäftigten bei vollen Bezügen.

• Methoden des Klassenkampfes gegen imperialistischen Krieg, NATO und Militarismus!

Großdemonstrationen sind wichtige Sammlungspunkte des Widerstandes und der Solidarität im Kampf. Aber allein sind sie eine sehr eingeschränkte Waffe, die letztlich kein Projekt der Herrschenden stoppen wird.

Wir treten für den Aufbau einer Massenbewegung der Arbeiterklasse und der Jugend ein, die Methoden des Klassenkampfes Streiks, Blockaden, Besetzungen anwendet – sei es zur Verhinderung des Nachschubs für Auslandstruppen oder gegen die Propagandaoffensive der Bundeswehr an Schulen.

Vor allem aber heißt das, dass der Kampf gegen NATO, Imperialismus und Militarismus nur im Rahmen einer Gesamtstrategie des proletarischen Klassenkampfes im Rahmen eines revolutionären Programms von Übergangsforderungen, das eine Brücke weist von den aktuellen Verteidigungskämpfen zum Kampf für die sozialistische Revolution, möglich und effektiv ist.

Die Rezession wird die Konkurrenz um Profite, Ressourcen und Märkte weiter verschärfen, die immensen Verluste der nationalen Bourgeoisien lassen verstärkte Angriffe von Staat und Kapital auf die Arbeiterklasse und die Jugend für die nächsten Jahre erwarten, wie auch den weiteren Zusammenbruch kompletter Volkswirtschaften.

Innerhalb der imperialistischen Mächte ist schon heute der Wettlauf entbrannt, wer die Hauptlasten der Krise tragen muss und wie sie am besten auf die Halbkolonien abgewälzt werden können und natürlich auch, wer am meisten von der Krise profitieren könnte. Es stellt sich die Frage des Endes der US-amerikanischen Vorherrschaft und des Aufstiegs der EU zur Weltmacht.

Gemeinsam werden USA und EU ihre Institutionen zur politischen, ökonomischen und militärischen Unterdrückung gegen alle Ausgebeuteten und Unterdrückten einsetzen: ob NATO, IWF oder Weltbank. Gemeinsam werden sie vielleicht eine neue „Weltfinanzagentur“ zur Knebelung und Kontrolle aller Schuldner ausarbeiten, genau wie sie gemeinsam Angriffskriege und Sanktionen mithilfe von NATO, UNO und EU beschließen können.

Dieser internationalen imperialistischen Zuspitzung müssen alle InternationalistInnen und AntiimperialistInnen weltweit ihren Widerstand entgegen setzen! Wir müssen diese Krise und die mögliche militärische Niederlage des „Kriegs gegen den Terrorismus“ in einen Sieg über den Imperialismus umwandeln, in einen Sieg über Krieg, Hunger, Unterdrückung und Ausbeutung. Anstelle der imperialistischen „Anarchie“ der Konkurrenz um Weltmacht müssen wir die „Gesellschaft der freien Produzenten“, die Gesellschaft gleicher und freier Menschen aufbauen. Für diesen Kampf brauchen wir eine revolutionäre antiimperialistische internationale Organisation – eine neue Weltpartei der sozialistischen Revolution, eine neue Fünfte Internationale, welche gemeinsam mit den unterdrückten halbkolonialen Völkern und der Arbeiterklasse in den kapitalistischen Staaten die Herrschaft der Bourgeoisie bricht und damit die Menschheit vor einer neuen Epoche imperialistischer Kriege bewahrt.

Fußnoten

(1) Leo Trotzki 1917: Der Pazifismus – Wasserträger des Imperialismus

(2) Trotzki

(3) Trotzki

(4) Zu unserer Analyse der bürokratischen Konterrevolution und ihren Ursachen vergleiche: Revolutionärer Marxismus 32, 2001

(5) “Manifest der IV. Internationale zum imperialistischen Krieg und zur proletarischen Weltrevolution)

(6) Manifest der IV. Internationale zum imperialistischen Krieg und zur proletarischen Weltrevolution).

(7) „Die Expansion des Stalinismus nach 1945“, RM 32, 2001

(8) Ebenda

(9) Ebenda

(10) Die Expansion des Stalinismus nach 1945“, RM 36, 2001

(11) Quelle: Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland. Ergänzungsblatt Nr. 1, S. 13-20

(12)    http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/ Nachkriegsjahre_vertragPots-damerAbkommen/index.html

(13) RM 30, IWF-Krisenverwalter für den Imperialismus

(14) Churchill

(15) Rede von US-Präsident Harry S. Truman am 12. März 1947 vor beiden Häusern des Kongresses

(16) http://www.staatsvertraege.de/natov49.htm

(17) http://www.un.org/documents/sc/res/1950/scres50.htm

(18) Ebenda

(19) Zitiert nach: http://de.wikipedia.org/wiki/Wiederbewaffnungsdiskussion

(20) Boesch, Joseph, Schläpfer, Rudolf, Weltgeschichte 2, Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart, Orell Füssli Verlag, Zürich 1997, S. 257 )

(21) „Geschichte der NATO“, http://www.gerline.de/wb/pages/1970–1980.php)

(22) Angaben nach Wikipedia

(23) Gewerkschaftsbeschlüsse zitiert nach: Friedensbewegung und 11.September- Friedensbewegung und Gewerkschaften – Teamwork gegen Kriegseinsätze-Gewerkschafter gegen Krieg von Anne Rieger,

http://www.frieden-und-zukunft.de/netzwerk/IGM/Artikel-Rieger-Friedensforum-03-02.htm.

(24) Diskussionspapier zu den Themen NATO und Militäreinsätze von der Bundestagsfraktion der Linkspartei im November 2008)

(25) Aufruf: Nein zum Krieg – Nein zur NATO- Aufruf wurde am 5. Oktober 2008 auf einer internationalen Konferenz der Friedensbewegung in Stuttgart beschlossen