Solidarität mit den Protesten gegen Tesla!

Jan Hektik, Infomail 1250, 3. April 2024

Der Wald in Grünheide ist besetzt und wird es wohl vorerst auch bleiben. Durch die Besetzung wollen Aktivist:innen den Ausbau der dort ansässigen Teslafabrik verhindern, um die Umwelt und die dort lebende Bevölkerung vor dem zerstörerischen Einfluss der „Gigafactory“ zu schützen. Die Kritik und Proteste gegen das Projekt kommen aus drei Richtungen. Sie beziehen sich auf den Schutz der Umwelt, der ansässigen Bevölkerung sowie der Arbeiter:Innen in der Fabrik. Zuletzt sabotierten sie hierfür einen Strommast, was zu Produktionsausfällen bei Tesla und einem verschärften Ton gegenüber den Aktivist:innen führte.

An dieser Stelle möchten wir einen Überblick über die Ausgangslage, die Protestformen gegen die Erweiterung der Teslafabrik sowie die Auswirkungen des Protestes geben, um anschließend eigene Schlussfolgerungen für den weiteren Kampf zu ziehen.

Warum ist die Tesla Fabrik so problematisch?

Doch bevor wir auf das Spezifische bei Tesla eingehen, zunächst einmal zum Grundproblem: E-Autos werden als umweltfreundliche Alternative zum Verbrennerauto dargestellt und vermarktet. Ignoriert wird dabei der immense Umweltschaden durch die Lithiumgewinnung, die Ineffizienz von Individualverkehr sowie die Frage der Stromerzeugung (CO2 aus dem Schornstein statt dem Auspuff). Zugleich gerät die eigentlich dringend notwendige Verkehrswende bei der Fokussierung auf die E-Mobilität aus dem Blick (Mehr dazu hier).

Bei Tesla kommt hinzu, dass der Ausbau der Fabrik die Rodung eines Waldes im Landschaftsschutzgebiet notwendig werden lässt. Es handelt sich hierbei um einen Mischwald, dessen Zerstörung erhebliche Auswirkungen auf das Ökosystem und die Umwelt haben könnte. Darüber hinaus befindet sich die Fabrik teilweise in einem Trinkwasserschutzgebiet. Nicht nur führt der enorm hohe Verbrauch der Fabrik schon jetzt zu Trinkwasserknappheit und zu Einschränkungen der Entnahme für die Bevölkerung. Auch die Qualität des Wassers leidet unter der umweltschädigenden Produktion angeblich „grüner“ Teslakarossen, was gesundheitsschädigende Folgen für die ansässige Bevölkerung mit sich bringen kann. Elon Musk hat all diese Probleme mit seinem ihm eigenen Charme bisher einfach abgetan – schließlich will er auch weiterhin Milliardengewinne einfahren. Umwelt- und Sicherheitsstandards stehen diesem Vorhaben nur im Weg.

Darüber hinaus gab es bereits etliche große „Pannen“ und Unfälle im Teslawerk Grünheide und einen besonders dreisten Umgang damit seitens der Firmenleitung, was dazu führte, dass auch Teile der bürgerlichen Presse sowie einige Sozialdemokrat:innen das Projekt kritisch betrachten. Bei einem Unfall im Jahr 2022 wurde Lack verschüttet, welcher vermutlich in die Kanalisation gelaufen ist. Darüber hinaus kam es im Werk auch schon zu mehreren Unfällen aufgrund der unzureichenden Sicherheitsvorkehrungen. Dabei wurden Arbeiter:innen wiederholt verletzt.

Weiterhin attestiert der Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) seinem Vertragspartner Tesla wiederholte und andauernde Grenzwertüberschreitungen bezüglich der  Schadstoffe im Abwasser der Fabrik. Teilweise würden die Grenzwerte um das Fünffache überschritten. Trotz mehrfacher Abmahnungen sei keine Besserung in Sicht. Kein Wunder also, dass sich bei derartigen Problemen Widerstand gegen den weiteren Ausbau der Fabrik regt.

Widerstand

Protest gegen diese Verhältnisse kommt vor allem von drei Seiten: einer Bürger:innenitiative in Grünheide, der IG Metall sowie von ungefähr 90 Umweltaktivist:Innen, die den Wald besetzt haben, der gerodet werden soll.

Der Schutz des Trinkwassers steht dabei im Fokus der Besetzung und der Bürger:innenitiative der Gemeinde Grünheide, die sich in einer Abstimmung bei 76 % Wahlbeteiligung mit 57 % gegen eine Erweiterung ausgesprochen hat. Der darauffolgende Vorschlag der Gemeinde, angesichts des Ergebnisses gegebenenfalls nur den halben Wald zu roden, ist ein Hohn und ein Schlag ins Gesicht der Bürger:inneninitiative sowie der ansässigen Bevölkerung.

Auch die Situation der Arbeiter:innen bei Tesla ist kritikwürdig. Betriebsunfälle häufen sich und führen zu schweren Verletzungen bei der überwiegend aus dem Ausland (hauptsächlich Polen) stammenden Belegschaft. Gleichzeitig liegt die Bezahlung 15 – 20 Prozent unter dem Branchendurchschnitt und die Verträge beinhalten rechtlich umstrittene Knebelklauseln.

Die Situation bei Tesla entspricht somit einer Bilderbuchkritik des Marxismus am Kapitalismus: Auf Kosten von Natur, Anwohner:Innen und Arbeiter:Innen werden die Profite der Unternehmen mit staatlichen Mitteln geschützt und durchgesetzt.

Das Protestcamp

Um den Ausbau der Fabrik zu verhindern, haben Aktivist:innen ein Protestcamp im Wald nahe der Fabrik errichtet. Nachdem die Besetzer:Innen des Waldes zunächst Auflagen der Polizei erhalten hatten, welche die Erweiterung des Camps untersagte, den Abriss der Baumhäuser vorschrieb und das Camp bis zum 15.03.2024 begrenzte, wandten sich die Besetzer:innen mit einer Klage an das Verwaltungsgericht Potsdam. Offensichtlich haben sie aus den Erfahrungen der Waldbesetzungen im Hambi und Dani gelernt, da unter anderem ein Baugutachten von den Aktivist:innen beauftragt wurde. Das Gericht hat nun die Auflagen für unwirksam erklärt, sodass das Camp zunächst unbefristet bleiben darf. Wie weitere Instanzen ggf. entscheiden werden, bleibt abzuwarten. Wir erinnern uns, dass auch bei der Besetzung des Hambacher Forsts das Verwaltungsgericht Köln zunächst positiv für das Camp entschied und die Entscheidung dann später von höherer Instanz gekippt und die Räumung für rechtmäßig erklärt wurden. Gleichzeitig ist die öffentliche Unterstützung für das Camp, besonders in der Umgebung von Grünheide, sehr hoch. Der Ruf von Tesla ist hingegen sehr schlecht. Gute Bedingungen also, um die Besetzung möglichst lange aufrechtzuerhalten.

Auch von den Forderungen und politischen Aussagen her, die auf den Transparenten im Camp zu lesen sind, scheinen die Besetzer:innen die progressivste Kraft darzustellen. Wir lesen hier Solidaritätsbekundungen mit Palästina, Verbindungen internationaler Kämpfe wie bspw. in Chile gegen die Ausbeutung und Umweltzerstörung im Zusammenhang mit der dortigen Lithiumgewinnung sowie Kritik am Konzept des Individualverkehrs, wie wir sie oben ebenfalls dargelegt haben.

Zudem scheinen die Besetzer:Innen diejenigen zu sein, die sich am stärksten darum bemühen, die Proteste gegen die Gigafactory zu verbinden. Sie beziehen sich positiv auf die Bürger:innenitiative und haben ihre Besetzung kurz nach der Abstimmung gegen die geplante Erweiterung begonnen. Auch versuchen sie, Kontakte und Verbindungen zu den Arbeiter:innen bei Tesla herzustellen, was sich jedoch aufgrund der Knebelverträge und Drohungen von Kündigungen schwierig gestaltet.

Zudem haben sie es bei Tesla mit einem Betriebsrat zu tun, der fest an der Seite der Bosse steht und öffentlich für deren Interessen Stellung bezieht. So erklärte er sich nach den Anschlägen auf die Stromversorgung nicht nur solidarisch mit der Firmenleitung. Die Betriebsratsvorsitzende entblödete sich darüber hinaus auch nicht, die Teslageschäftsführung für ihre Ankündigung zu loben, die Löhne der Beschäftigten während des erzwungenen zweiwöchigen Stillstands weiter zu zahlen – also etwas umzusetzen, wozu Tesla ohnehin gesetzlich verpflichtet ist.

Der Brandanschlag und seine Folgen

Der Brandanschlag auf den Strommast, der zum Produktionsstillstand führte, wurde begangen, um die Teslaproduktion lahmzulegen. Allerdings kam es auch zu Stromausfällen in der umliegenden Wohngegend. Das war natürlich ein gefundenes Fressen für die bürgerlichen Medien und Politiker:innen, um die Sabotage und Besetzung zu verurteilen und dadurch vom eigentlichen Skandal abzulenken – der umweltzerstörerischen und menschenfeindlichen Produktion ressourcenverschlingender Luxuskarossen gegen den Willen der dort lebenden Bevölkerung.

Anstatt daher die Verurteilung der Aktivist:innen zu fordern, sollten wir uns fragen, wo die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Körperverletzung aufgrund der Vergiftung des Trinkwassers bleiben? Oder die Schadensersatzansprüche gegen Tesla wegen der Trinkwasserknappheit? Oder die Ermittlungen wegen massenweisen Betrugs gegenüber den mit rechtswidrigen Knebelverträgen gebeutelten Arbeiter:innen?

Stattdessen haben sich Medien und Politiker:innen aber auf die Aktivist:innen eingeschossen. Wir aber stellen uns gegen jede Verfolgung und Verurteilung dieser Menschen. Zwar lehnen auch wir die Anschläge ab, da sie nur zur Isolation gegenüber den Massen und zur stärkeren Repression durch den Staat führen. Dennoch erklären wir uns solidarisch mit denjenigen, die in ihrer Verzweiflung angesichts der Lage zu solchen Mitteln der direkten Aktion greifen. Wir erklären uns auch solidarisch mit den Besetzer:innen, die ihrerseits betonen, dass der Anschlag auf den Strommast nicht aus ihren eigenen Reihen erfolgte.

Perspektive

Wir sind solidarisch mit allen Formen des Protestes gegen die Erweiterung des Werkes, ohne dabei vor taktischer Kritik zurückzuschrecken. Weniger klar ist die Sache bei der IG Metall, die bei den Betriebsratswahlen Ende März 2024 stärkste Kraft wurde. Ihre Kritik an Tesla beschränkt sich weitgehend auf die schlechten Arbeitsbedingungen. Trotz des Geredes von der Transformation der Wirtschaft wird von ihr die Sinnhaftigkeit der Produktion von E-Autos nicht grundsätzlich infrage gestellt.  Im Gegenteil: Auf der IG-Metall-Website wird der IG-Metall-Bezirksleiter  mit den Worten zitiert: „Die IG Metall ist die Gewerkschaft aller Beschäftigten in der Autoindustrie in Deutschland. Für uns ist völlig selbstverständlich, dass wir den Aufbau und auch den Ausbau des Werkes in Grünheide befürworten. Wir sind für ein Tesla in Grünheide, das den Beschäftigten die in der Branche üblichen guten Arbeitsbedingungen bietet.“

Es geht aber bei Tesla nicht nur um die Frage von längeren Taktzeiten und angemessenen Bandpausen, sondern darüber hinaus um Fragen von Trinkwassergefährdung, Umweltzerstörung und der Unvereinbarkeit von kapitalistischer Produktionsweise und nachhaltiger Entwicklung. Die Probleme, die Tesla durch die Produktion von Elektroautos verursacht, reichen weit über den Betrieb in Grünheide hinaus – im Gegensatz zu der beschränkten Perspektive der Gewerkschaftsfunktionär:innen, die nicht fähig sind, über den Tellerrand des einzelnen Betriebes hinauszublicken.

Gewerkschaften müssen handeln – im Interesse der gesamten Klasse!

Bei diesen grundlegenden Fragen dürfen sich die Gewerkschaften aber nicht einfach wegducken, in der Hoffnung, dass „die Politik“ schon die richtigen Entscheidungen auf überbetrieblicher Ebene treffen und für eine „grüne Transformation“ sorgen wird. Gerade sie wären in der Lage, hier für Verbesserungen zu kämpfen – und zwar auf gesamtgesellschaftlicher Ebene, nicht nur im einzelnen Betrieb. Die Bürger:inneninitiative und die Besetzer:innen des Waldes jedenfalls scheinen für einen Schulterschluss mit den Gewerkschaften bereit zu sein. Das Bündnis „Wir fahren zusammen“ von FFF und ver.di ist trotz vieler Probleme ein positives Beispiel für diese Art von Allianz zwischen Gewerkschaften und Umweltbewegung.

Da die Führungen der Gewerkschaften aber nach wie vor eine sozialpartnerschaftliche Politik der Klassenkollaboration verfolgen und einen bornierten, einzelbetrieblichen Blick auf die Probleme an den Tag legen, ist es an uns Mitgliedern, innerhalb der Gewerkschaften dafür zu kämpfen, dass diesen Kräften aus der Umweltbewegung die Hand gereicht, ein Ausbau des Werks verhindert und ein gemeinsamer Kampf für eine Verkehrswende im Interesse der arbeitenden und konsumierenden Massen geführt wird.

Weiterhin muss die IG Metall nicht nur Kritik an den Verträgen und Arbeitsbedingungen üben, sondern auch effektiven Widerstand dagegen organisieren. Wo sind die Kundgebungen gegen die Arbeitsbedingungen, die Streiks gegen die vergleichsweise niedrigen Löhne? Wo bleibt die Klage vor dem Arbeitsgericht zur rechtlichen Überprüfung der Schweigeklauseln? Diese Fragen gilt es zu verbinden mit einer darüber hinausgehenden gesellschaftlichen Perspektive.

Als GAM sind wir Teil der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG), die versucht, über Gewerkschaftsgrenzen hinweg kämpferische Kolleg:innen zu vernetzen und einen gemeinsamen Kampf für demokratische und klassenkämpferische Gewerkschaften zu führen.

Wir fordern:

  • Solidarisierung der Gewerkschaften mit der Besetzung des Waldes und Unterstützung der Bürger:inneninitiative!
  • Schluss mit Knebelverträgen, Zeitarbeit und untertariflicher Bezahlung!
  • Stopp der Teslaerweiterung und erneute Überprüfung der umweltschädigenden Aspekte der bestehenden Produktion unter Einbeziehung von Expert:innen und unter Kontrolle der Gewerkschaften!
  • Produktionsstopp der Teslafabrik bis zur Klärung der obigen Frage bei vollständiger Lohnfortzahlung für die Beschäftigten!
  • Verstaatlichung der Automobilindustrie, Beschäftigungsgarantie, Weiterführung und Umstellung der Produktion in Richtung echter Wende des Massenverkehrs unter Kontrolle der Beschäftigten!
  • Für die Erarbeitung und Durchsetzung eines Umweltnotplanes durch die Organisationen der Arbeiter:innenbewegung!



USA: Automobilarbeiter:innen gegen die 3 Autoriesen

Andy Yorke, Infomail 1234, 16. Oktober 2023

Am 14. September 2023 liefen die Vertragsverhandlungen zwischen der Gewerkschaft der Vereinigten Automobilarbeiter:innen (UAW) und den traditionellen großen drei amerikanischen Automobilherstellern (General Motors, Stellantis und Ford Motor Company) aus. Dreizehntausend Arbeiter:innen aus drei großen Fabriken, jeweils eine von den Großen Drei, legten die Arbeit nieder – das GM-Montagewerk in Wentzville, Missouri, das Ford-Montagewerk in Michigan außerhalb der alten „Motor City“ Detroit und der Montagekomplex von Stellantis in Toledo (Ohio) wurden bestreikt. Am 22. September schlossen sich weitere 5.600 Beschäftigte in 38 Vertriebszentren für Ersatzteile von Stellantis und General Motors in 20 Bundesstaaten an.

UAW-Präsident Shawn Fain, der sein Amt im März dieses Jahres antrat, schwor den Beschäftigten, dass „die UAW vor keinem Kampf zurückschreckt und wir bereit sind, alles zu tun, was nötig ist, um mit allen Mitteln für Gerechtigkeit zu sorgen“. Bei den auf Bundesebene angeordneten Direktwahlen kam eine von Fains Reformbewegung UAW Members United unterstützte Liste in den ersten demokratischen Wahlen seit Jahrzehnten an die Spitze und verdrängte den früheren Präsidenten Ray Curry und die alte korrupte Führung, die den Kampf der Automobilarbeiter:innen im Laufe der Jahrzehnte wiederholt verraten (oder unter Wert verkauft) hatte.

Die Kehrtwende in der Streikstrategie beweist, wie stark die Gewerkschaftsbürokratie den Kampf behindern und dass selbst eine begrenzte Demokratisierung dazu beitragen kann, den Gewerkschaften die Hände zu befreien. Um den Kampf aufrechtzuerhalten, müssen die Arbeiter:innen jedoch sicherstellen, dass diese Demokratisierung viel weiter und tiefer geht.

Lage in der US-Autoindustrie

Die Situation in der US-Automobilindustrie ist eine bekannte Geschichte. In den zehn Jahren von 2013 – 2022 haben sich die Gewinne der Großen Drei auf 250 Milliarden US-Dollar summiert, rund doppelt so viel wie in den 10 Jahren zuvor. Die Bosse sagen, dass sie es sich nicht leisten können, den Arbeiter:innen eine Lohnerhöhung von 40 % zu geben, weil sie massiv in den Übergang zu Elektrofahrzeugen investieren müssen. Aber das hat sie nicht davon abgehalten, fast ein Drittel ihres Gewinns als Dividenden für reiche Aktionär:innen, Aktienrückkäufe für Wall-Street-Investor:innen und millionenschwere Jahresgehälter für die Vorstandsvorsitzenden auszuschütten.

Die Gehälter der Vorstandsvorsitzenden der Großen Drei stiegen zwischen 2013 und 2022 um 40 %. Letztes Jahr verdiente GM-Chefin Mary Barra fast 29 Millionen US-Dollar, das 362-fache eines/r typischen GM-Arbeiter:in. Ford-Boss Jim Farley erhielt insgesamt 21 Millionen US-Dollar und Stellantis-Chef Carlos Tavares 24,8 Millionen US-Dollar, also das 281- bzw. 365-Fache des entsprechenden Durchschnittslohns eines/r Arbeiters/in. Diese Leute haben die Frechheit, den Arbeiter:innen zu sagen, dass sie für ihre Expansionspläne Opfer bringen sollen!

Die Lohnabhängigen haben den Preis für diese Gier der Unternehmen mit ihren Löhnen und Arbeitsbedingungen bezahlt, denn die Löhne der Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe sind seit 2008 um fast 20 % gesunken. Laut Fain stiegen die Autopreise in den letzten vier Jahren um 34 %, während die Löhne der Beschäftigten nur um 6 % zulegten. Um die Verluste der Vergangenheit auszugleichen, fordert die UAW allgemeine Lohnerhöhungen von 40 % über einen Zeitraum von vier Jahren, die Wiederherstellung des Lebenshaltungskostenanstiegs, Rentenerhöhungen für Rentner:innen, die seit einem Jahrzehnt keine erhalten haben, eine/n bessere/n Gesundheitsversorgung und Urlaub sowie ein Gewinnbeteiligungssystem.

Die Gewerkschaft fordert auch das Recht, gegen Werksschließungen zu streiken, da Stellantis vor dem Streik angedroht hatte, bis zu 20 Werke zu schließen und Umstrukturierungen aufgrund der Produktion von Elektrofahrzeugen vorzunehmen. Daher ist es wichtig, dass es keine Zugeständnisse bei den Streikverbotsbestimmungen gibt.

Strategie

Die „Stand Up (Aufstehen)“-Streikstrategie der Fain-Führung hat jedoch bisher den Großteil der 146.000 UAW-Mitglieder in Bereitschaft gehalten und damit sowohl den Streik als auch das Ausmaß seines möglichen Erfolgs begrenzt. Als am 29. September nach einer Woche Verhandlungen die Zeit für eine erneute Eskalation gekommen war, kündigte Fain an, dass nur zwei weitere Werke bestreikt würden: das Ford-Montagewerk in Chicago und das GM-Montagewerk in Lansing (Michigan) Delta Township, womit die Zahl der Streikenden auf 25.000 anstieg, was einem/r von sechs Beschäftigten entspricht.

Am 6. Oktober wurde dann die Eskalation in zwei weiteren Werken, darunter das riesige und äußerst profitable GM-Werk in Arlington (Texas) in letzter Minute zurückgezogen, weil die Bosse sich bereiterklärten, die Elektrofahrzeug-Beschäftigten in Tarifverhandlungen einzubeziehen und einige Zugeständnisse bei Zeitarbeit und Lohntarifen zu machen. Fain behauptet, dies beweise, dass seine Strategie funktioniere – „Es geht nicht immer darum, die große Panzerfaust zu zücken“ –, aber in Wirklichkeit begräbt er die Lohnforderung, bei der es keine Bewegung gegeben hat.

Fain bezeichnet dies als eine „intelligente Streikstrategie“, bei der Streikmittel (die für drei Monate Dauer angespart wurden) geschont und die großen Automobilhersteller gegeneinander ausgespielt werden: Ausgewählte Gewerkschaftsgliederungen (Ortsgruppen) streiken in ausgewählten Werken, bis zum 6. Oktober sich ausweitend mit jeder Frist für Vertragsverhandlungen, die überschritten wird, und argumentieren gleichzeitig für ein Überstundenverbot: „8 Stunden und Skaten!“

„Ich sehe, dass die Leute sofort streiken wollen“, sagte Fain, „das ist immer noch eine Option … Wir könnten alle drei großen Unternehmen auf einmal bestreiken“. Aber ein solcher flächendeckender Streik scheint weiter entfernt denn je, da das Aufstehen zum Stillstand gekommen ist. Ein ernsthafter, eskalierender Streik braucht einen starken Impuls, sonst verfehlt er, wie in Großbritannien, sein Ziel.

Es gibt noch andere, weniger sichtbare, aber dennoch gefährliche Grenzen dieser Strategie. Sie zielt darauf ab, dass der Streik die Profite der Automonopole so wenig wie möglich schmälert, wobei diese als Grenzen für die bestmögliche Lösung akzeptiert werden. Fain ist auch darauf aus, die liberale Presse zumindest neutral zu halten und Präsident Biden im Countdown zu den Parlamentswahlen 2024 keinen Schaden zuzufügen. Obwohl die UAW Biden noch nicht unterstützt hat, traf Fain ihn am Flughafen und reiste mit ihm zu einer sorgfältig inszenierten Streikpostenkundgebung.

Fain behauptet: „Der Stand Up-Streik ist die Antwort unserer Generation auf die Bewegung, die unsere Gewerkschaft aufgebaut hat, die Sitzstreiks von 1937“. Aber in Wirklichkeit hat diese vorsichtige Strategie nichts mit dieser von linken Aktivist:innen von unten geführten Aktion gemein. Wie er zugibt, geht es darum, „unseren nationalen Verhandlungsführer:innen ein Maximum an Einfluss und Flexibilität zu geben, um einen Rekordvertrag zu erzielen“, anstatt die Bosse durch die Bedrohung ihres Reichtums zum Einlenken zu zwingen.

Streiken, um zu gewinnen

Die Streikstrategie sollten die Beschäftigten nicht nur den Gewerkschaftsführer:innen überlassen, sondern an den Streikposten, auf Massenversammlungen der Streikenden und in den Kantinen der meisten noch arbeitenden Betriebe diskutieren. Sie müssen rote Linien festlegen (z. B. die vollständige Abschaffung der Zweiklassenbelegschaft) und eine härtere Strategie organisieren, um den Streik schnell zu steigern bis hin zu einem Vollstreik, wenn die Unternehmen nicht einlenken, um alle ihre Forderungen durchzusetzen.

Diese Hinwendung sogar nur zu einem begrenzten Streik ist zwar zu begrüßen, aber die Rentabilität der Großen Drei und die Regierung Biden als notwendige Unterstützung für höhere Löhne zu akzeptieren, würde bedeuten, dass dem Streik reale Grenzen gesetzt und daher wahrscheinlich nicht alle Forderungen der Streikenden erreicht werden. Die Arbeiter:innen sollten sich auf ihre eigene Kraft verlassen. Ihre Forderungen zielen nur auf die Wiederherstellung dessen ab, was verlorengegangen ist, und alle sind absolut notwendig. Den UAW-Beschäftigten steht ein noch größerer Kampf bevor, um die andere, wachsende Hälfte ihrer Branche zu organisieren und sicherzustellen, dass der dringend benötigte Übergang zum emissionsfreien Verkehr von der Arbeiter:innenklasse und nicht von den Bossen inszeniert wird.

Die US-Branchenriesen stehen auf dem Markt für Elektroautos unter starkem Druck von wendigeren Unternehmen wie dem schnell expandierenden Tesla und ausländischen Wettbewerber:innen, insbesondere aus China. Während sie mit Fain sprechen, verlagern sie die Produktion weiter in den nicht gewerkschaftlich organisierten Süden, wo 51 % der Elektroautoinvestitionen seit 2020 getätigt wurden, während nur 31 % in den alten Produktionskern im Mittleren Westen flossen – und damit in den der UAW-Mitgliedschaft. Die Umstellung auf Elektrofahrzeuge birgt eine zweite, organische Bedrohung, da für die Montage eines Autos nur halb so viele Arbeiter:innen benötigt werden wie für die alten Verbrennungsfahrzeuge.

Daher können keine dauerhaften Erfolge erzielt werden, es sei denn, die Gewerkschaft kämpft um die Kontrolle über diese Elektroumstellung und organisiert die Beschäftigten in den südlichen Bundesstaaten mit „Recht auf Arbeit“ und in den nicht organisierten Werken ausländischer Autofirmen, indem sie die Anerkennung der Gewerkschaft durch Streiks, einschließlich fliegender Streikposten und Mitgliederwerbung, durchsetzt. Darüber hinaus sollten die Gewerkschaften das stark gewerkschaftsfeindliche, aber schnell expandierende Unternehmen Tesla in Kalifornien und Nevada ins Visier nehmen. Das wird einen viel härteren Kampf erfordern.

Netto null

Angesichts der Dringlichkeit der Klimakrise liegt die Verringerung der Kohlendioxidemissionen im Interesse aller arbeitenden Menschen. Ein entscheidender Teil davon ist der Kampf für einen gerechten Übergang für die Arbeiter:innenschaft in den umweltverschmutzenden Industrien. Die Beschäftigten in der Automobilindustrie sollten eine kostenlose Umschulung in ähnlich qualifizierte Positionen erhalten, zusammen mit Garantien, dass keine Arbeitsplätze oder Anlagen abgebaut werden und die Wochenarbeitszeit, falls erforderlich, verkürzt wird. Dies muss mit der Abschaffung des Zweiklassensystems und der geforderten Lohnerhöhung von 40 % einhergehen.

Wenn die Bosse behaupten, dass sie sich das nicht leisten können, sollten die Arbeiter:innen verlangen, dass sie ihre Geschäftsunterlagen zur Überprüfung durch die Gewerkschaften öffnen. Wenn diese hochprofitablen Unternehmen versuchen, ihnen weiszumachen, sie seien zahlungsunfähig, müssen die Arbeiter:innen für eine Übernahme des gesamten Sektors unter demokratischer Kontrolle der Beschäftigten und Verbraucher:innen kämpfen. Sie müssen sich allen Versuchen widersetzen, die Bosse zu retten, wie es 2009 geschehen ist.

Auch wenn Bidens Versprechen, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, angesichts des Ausmaßes der Krise völlig unzureichend ist, besteht in Wirklichkeit die einzige Möglichkeit, selbst dieses begrenzte Ziel zu erreichen, darin, den Flaschenhals des Profits zu beseitigen und die Industrie unter die Kontrolle der Arbeiter:innen und Konsument:innen zu stellen. Die Verstaatlichung der Automobilindustrie unter der Arbeiter:innenkontrolle  und ohne jegliche Entschädigung der Kapitalist:innen mit dem Ziel, die Klimakatastrophe zu verhindern, würde einen massiven Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel und jede Menge Arbeit als Ersatz für die niedergehende Autoproduktion ermöglichen.

Für den Aufbau eines solchen politischen Kampfes ist mehr erforderlich als eine weitere reformorientierte Gewerkschaftsführung mit 160.000 US-Dollar im Jahr. Es braucht eine starke betriebliche Organisation mit regelmäßigen Massenversammlungen und gewählten Streikkomitees sowie eine Basisbewegung, die die Kämpfer :innen und Aktivist:innen unabhängig von der Bürokratie organisiert. In jedem Betrieb sollten Streikausschüsse eingerichtet werden.

Für die Streikenden sollten solche Ausschüsse organisiert werden, um Streikbruch zu verhindern und sie vor Angriffen und Einschüchterung zu schützen. Sie sollten die lokale Gewerkschaftsbewegung und Gemeinde auffordern, die notwendige Unterstützung und Solidarität zu leisten. Für diejenigen, die sich noch nicht im Streik befinden, können diese Ausschüsse Solidarität mit den Betrieben organisieren, die sich im Streik befinden, und Provokationen der Unternehmensleitungen mit Arbeitsniederlegungen oder Sitzstreiks entgegentreten.

Eine solche Bewegung sollte jede positive Initiative ihrer Führung unterstützen, aber auch bereit sein, die Initiative zu ergreifen, wenn sie wirksame Maßnahmen zurückhalten oder behindern – keine Aussetzung von Streiks mehr. Das bedeutet, jeden Fortschritt von Fain und der UAW-Bürokratie zu unterstützen und gleichzeitig die Basisorganisation aufzubauen, die notwendig ist, um sie zu zwingen, weiter zu gehen, als sie wollen. Sie sollte auch das Ziel erörtern, die überbezahlten und übermächtigen hauptamtlichen Funktionär:innen durch eine Führung zu ersetzen, die von den einfachen Mitgliedern gewählt und abwählbar ist.

Um erfolgreich zu sein, müssen Gewerkschaftsaktivist:innen eine klassenbasierte Analyse und ein sozialistisches politisches Ziel für die Gewerkschaften annehmen und dafür kämpfen, sie aus der Unterwerfung unter eine der beiden Parteien der Bosse zu lösen. Wenn diese Strategie erfolgreich ist, kann sie letztlich zu einer neuen, klassenkämpferischen Führung der Gewerkschaften führen, die auf Arbeiter:innendemokratie basiert. Das bedeutet, dass die weitsichtigsten politischen Aktivist:innen, die für diesen Streik mobilisiert haben, mit ihren kämpferischen Kolleginnen und Kollegen in den Teamsters, in den Eisenbahn- und Pflegegewerkschaften zusammenarbeiten müssen, um eine Bewegung für eine neue Arbeiter:innenpartei zu entwickeln, die sich entschieden von der Demokratischen Partei löst.




Autokrise am Beispiel Boschs: Transformation ins Aus

Mattis Molde, Neue Internationale 260, November 2021

Überall werden Jobs in der Autoindustrie abgebaut. Laut einer Studie des Verbandes der Automobilindustrie, VDA, erwartet dieser den Wegfall von mindestens 178.000 Arbeitsplätzen bis 2025. Das müsse aus Sicht dieser ArbeitsplatzvernichterInnen auch so sein, weil „die unter den aktuellen Bedingungen nicht neu geschaffen werden können.“ Denn, so heißt es in einer Presseerklärung: „Bedingt durch hohe Steuern und Abgaben, hohe Energiekosten und mangelnde Investitionen in Bildung fällt Deutschland im internationalen Standortwettbewerb immer weiter zurück.“ Mit anderen Worten, die Autokonzerne wollen weniger Steuern zahlen, weniger Löhne, dafür Subventionen erhalten und neue Werke auf grüne Wiesen oder anderswo hinsetzen.

Der Angriff auf die Arbeitsplätze in der Autoindustrie beginnt nicht erst heute. In den letzten 3 Jahren wurden bereits zehntausende vernichtet, deren Höchststand der letzten Jahre rund 850.000 betrug. Wie lief das ab? Was haben wir in Zukunft zu erwarten und was können die Betroffenen tun?

Bei den Großbetrieben der Endhersteller geschieht der Personalabbau selten durch Entlassungen. Es gibt großzügige Abfindungen und jede Menge Altersteilzeit. Die MalocherInnen in der Produktion werden einfach heimgeschickt. Dort arbeiten schon seit Jahren LeiharbeiterInnen oder WerkvertraglerInnen in einem Ausmaß, welches einen Abbau von 20 – 30 % komplett geräuschlos ermöglicht. Auch die Praxis, ganze Produktionsbereiche als „Vertragslogistik“ zu beschreiben und an andere Firmen fremdzuvergeben, ermöglicht dann eine spätere Arbeitsplatzzerstörung ohne Sozialplan, ohne Verhandlungen und meist ohne Proteste.

Anders sieht es bei den Zulieferern aus. Auch wenn Bosch, ZF, Conti und Mahle globale Konzerne sind, sind ihre Werke überwiegend kleiner und dafür zahlreicher. So hat Bosch nach eigenen Angaben über 100 Werke in Deutschland, von denen allerdings nicht alle zum größten Geschäftsbereich Kfz-Technik („Mobility-Solutions“) gehören.

Das Beispiel Bosch

Der Stand des Kahlschlags dort sieht derzeit so aus – ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

  • In den großen Werken Stuttgart-Feuerbach und Schwieberdingen wurden schon etwa 1.600 Stellen abgebaut, rund 500 in den Reutlinger Werken.
  • In Schwäbisch Gmünd wurde schon 2017 mit dem Betriebsrat vereinbart, bis 2019 760 von rund 5.000 Stellen abzubauen. 2019 wurden von der Konzernleitung noch mal 1.000 mehr gestrichen, die bis 2023 abgebaut werden sollen.
  • In den Werken Bühl und Bühlertal sollen in den nächsten 2 Jahren 700 Vollzeitstellen wegfallen. Die IG Metall rechnet mit weiteren 400 Teilzeit- und Leiharbeitsstellen. Derzeit sind dort 3.700 Menschen beschäftigt, 400 wurden schon abgebaut.
  • In München steht ein ganzes Werk vor dem Aus, die Produktion soll ins Ausland verlagert werden.
  • Gleiches gilt für Bietigheim-Bissingen, wo noch 290 Menschen arbeiten.
  • Auch drei Gießereien sollen dichtgemacht oder verkauft werden. Das Werk in Göttingen wurde schon veräußert.

Welche Antwort gaben IG Metall, die Betriebsräte und die Belegschaften auf diesen Kahlschlag?

In Bühl oder Gmünd versuchten die Betriebsräte, den Abbau sozialverträglich zu gestalten, und auch bei den Beschäftigten überwiegt die Hoffnung, nicht betroffen zu sein. Die IG Metall spielt dieselbe Flöte. So bezeichnet der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Offenburg, Ahmet Karademir, die Ansage beim Abbau in Bühl als „Märchen“: „Das Märchen vom Vermeiden betriebsbedingter Kündigungen glaube ich nicht.“ Das heißt aber nicht, dass dagegen Widerstand organisiert werden soll, sondern Kollege Karademir will nur, dass dieses Märchen von der entlassungsfreien Entsorgung wahr wird. Und das reicht ihm wie dem Großteil der BürokratInnen in der IGM denn auch.

Ähnlich ist es in Stuttgart gelaufen. Es gab Anfang 2019 eine Protestkundgebung, dann wurde der Abbau gestaltet. In den großen Werken ist offensichtlich der Spielraum für eine „sozialverträgliche“ Lösung zwar nicht so groß wie bei Mercedes, aber groß genug, dass sich Betriebsräte und eine Mehrheit der Belegschaft damit arrangieren. Anders sieht es für kleinere Werke wie Bietigheim und München aus. Eine komplette Werksschließung lässt keinen Spielraum für das, was gerne „Sozialverträglichkeit“ genannt wird. Das Einzige, was im Bosch-Konzern hier geboten wird, ist die Möglichkeit, sich in anderen Werken zu bewerben. Das muss aber zu Konditionen des aufnehmenden Werkes geschehen, ist also eigentlich immer mit Lohnverlust und längeren Fahrtzeiten verbunden.

Belegschaften wie in München und Bietigheim müssen also kämpfen, wenn sie sich nicht abschlachten lassen wollen. München hat da aus dem Stand heraus einiges Neues ins Rollen gebracht. Bietigheim hat eine jahrzehntelange Tradition.

Kampfbetrieb Bietigheim

Die Belegschaft und ihr Betriebsrat haben die Kampfansage der Konzernführung im September 2020, also vor gut einem Jahr, mit einer Protestkundgebung beantwortet. Alle standen draußen, Delegationen von Mann+Hummel, Mahle Mühlacker, Bosch Waiblingen, LEAR Corporation, Elring Klinger, Porsche Zuffenhausen, Valeo und anderen zeigten ihre Solidarität. Der Erste Bevollmächtigte, Matthias Fuchs, forderte eine Zukunft für den Produktionsstandort, der lokale SPD-Vorsitzende auch und Bernd Riexinger von der LINKEN ein Vetorecht der Belegschaften gegen Verlagerungen und stellte fest: „Die angedrohte Schließung hat nicht mit Corona und sehr wenig mit Transformation zu tun.“ Überall Plakate der IG Metall: Solidarität gewinnt!

Schon in der folgenden Woche beteiligten sich die BoschlerInnen an einem ähnlichen Protest bei Mahle Mühlacker. Sie wurden fast ein Jahr nicht müde, ein Netz der Solidarität zu knüpfen mit allen bedrohten Betrieben. In der Stadt Bietigheim wurden 60 Plakate aufgehängt, die den Kampf öffentlich machten.

Auch die Tarifrunde im Frühjahr 2021 wurde zur Mobilisierung genutzt. Aber schon brechen andere Betriebe weg: Bei Mann+Hummel wie im Mahle-Konzern wurde der Personalabbau samt Werksschließungen von den (Gesamt)-Betriebsräten und der IG Metall akzeptiert. Die Chance, im Tarifkampf Streiks organisieren zu können, wurde von der IG Metall-Führung nicht genutzt, ja noch nicht einmal in den Strukturen diskutiert.

Die Konzernführung von Bosch aber ließ nicht locker. In den Verhandlungen am 9. Oktober 2020 erklärte sie, eine Einigungsstelle anrufen zu wollen, obwohl reguläre Verhandlungstermine bis einschließlich Ende November vereinbart waren. Das empörte die IG Metall: „Mit dieser Vorgehensweise und seiner Presseerklärung vom 9. Oktober 2020 manifestiert der Arbeitgeber den Bruch des laufenden Sozialtarifvertrages“. Der Betriebsrat kommentierte: „Es ging dem Arbeitgeber nur darum, eine Zustimmung zur Werksschließung zu erhalten.“

In dieser Situation schlug der IG Metall- Bevollmächtigte vor, für einen Zukunftstarifvertrag zu kämpfen. Bei einer Umfrage stimmten 93 % der IG Metallmitglieder dafür und 81,5 % erklärten sich bereit, dafür auch in den Streik zu gehen.

Der Streit um eine Einigungsstelle kam vor das Landesarbeitsgericht und dort eine dreitägige Mediation als Kompromiss heraus. Die IG Metall hatte den Vorschlag gemacht. Die Mediation scheiterte und so ging es im April zu Einigungsstelle. Unter dem Vorsitz eines Richters wurde verhandelt. Die Schließung als solche konnte damit nicht mehr in Frage gestellt, sondern es durfte nur über die Bedingungen dieser verhandelt werden.

Die Beschäftigten und der Betriebsrat fühlten sich verschaukelt. Einige erwarteten, dass die IG Metall ja immer noch die rote Karte „Streik“ ziehen könnte. Aber der Bezirksleiter Zitzelsberger winkte ab: „Wozu noch für einen Sozialtarifvertrag streiken, ihr habt doch einen super Sozialplan ausgehandelt?!“

Warum die Niederlage?

Viele im Werk einschließlich vieler Betriebsräte wollen sich noch immer nicht damit abfinden. Die Belegschaft und der Betriebsrat haben alles getan, was für sie im Bereich des Möglichen war:

  • Den Widerstand im Betrieb organisiert, und zwar rechtzeitig;
  • Streikfähigkeit hergestellt;
  • die Solidarität in der Region organisiert, mit Unterstützung der IG Metall, aber ausgehend von ihrer eigenen Initiative;
  • andere Belegschaften, Parteien und Organisationen eingebunden;
  • die Tarifrunde genutzt, um erneut den Schulterschluss mit anderen Belegschaften und Hunderttausenden anderen Metallerinnen und Metallern zu suchen.

Die Frage geht also an die IG Metall, die Bezirksleitung Stuttgart und den Vorstand in Frankfurt: Warum wollte die IG Metall keinen Streik? Dieser wäre im Rahmen der Tarifrunde rechtlich unangreifbar gewesen, wenn er im ganzen Tarifgebiet ausgerufen worden wäre. Die Frage der Arbeitsplätze war übrigens von der IGM selbst schon zum Thema der Tarifrunde gemacht worden.

Auch die Möglichkeit eines Streiks um einen Sozialtarifvertrag wurde von der IG Metall einfach fallengelassen. Der Sozialtarifvertrag ist eine zweischneidige Sache: Offiziell geht es um die Abwicklung des Betriebes, aber mit Streik kann natürlich mehr Druck entfaltet werden. Die Streikenden kämpfen eigentlich für ihre Arbeitsplätze und die Zusagen der IG Metall-Zuständigen, dass man dort noch mal den Erhalt des Werkes fordern könne, werden in den Verhandlungen dann immer schnell fallen gelassen und die Streikenden fühlen sich genauso verkauft wie jetzt die Bietigheimer BoschlerInnen. Bei Voith in Sonthofen wurde das 2019 beispielhaft durchgespielt. Um den Streik um einen Sozialtarifvertrag wirklich als Kampf zur Verteidigung eines Werkes zu führen, muss er also mit anderen Maßnahmen und Forderungen verbunden werden.

Es muss ernst gemacht werden mit der Verteidigung des Werkes. Am besten durch eine Besetzung, verbunden mit einem Streik oder gegebenenfalls mit der Fortführung der Produktion unter Kontrolle der Arbeitenden – insbesondere, wenn die produzierten Güter ein Druckmittel darstellen. Natürlich muss der besetzte Betrieb rund um die Uhr geschützt werden. Ein wichtiges Faustpfand ist auch die Bereitschaft anderer Belegschaften des Konzerns oder der Region, sofort Solidaritätsstreiks zu organisieren, wenn die Firma eine Räumung anstrebt.

So eine Besetzung ist auch ein guter Schritt, in Richtung für die entschädigungslose Enteignung des Betriebes zu kämpfen, den die KapitalistInnen stilllegen wollen. Statt Milliarden an die Unternehmen für eine angebliche „Transformation“ zu zahlen und es diesen völlig unkontrolliert zu überlassen, was sie damit anstellen, könnten diese Beträge an die Belegschaft des Werkes gehen, zur Entwicklung und Produktion der Verkehrsmittel, die für eine Verkehrswende nötig sind. Das Geld wäre unter Kontrolle der Belegschaft, in die Entscheidungen über Entwicklung und Produktion kann diese mit der Klimabewegung, aber auch anderen verstaatlichten Betrieben kooperieren.

Was will der IG Metall-Vorstand?

Warum ist der gemeinsame Kampf in der Auto- und Zulieferindustrie kein Thema für die IG Metall? Warum gibt es keine Branchenkonferenz der Betriebe, die bedroht sind? Warum keine Konferenz aller Bosch-Belegschaften, die mit Abbau konfrontiert sind? Warum noch nicht mal eine Übersicht über die Angriffe auf die Arbeitsplätze auf den Webseiten der IG Metall?

Wozu gibt es eigentlich Gesamtbetriebsräte bei Bosch und was koordinieren die, wenn sie die Verteidigung der Arbeitsplätze NICHT koordinieren? Was tut die IG Metall eigentlich im Aufsichtsrat, mit Jörg Hofmann an der Spitze? Stimmen die solchem Abbau und den Werksschließungen zu?

Wenn das eine Strategie sein soll, nach der der IGM-Vorstand sein Vorgehen bestimmt, dann kann diese Mischung aus Widerstand zulassen, aber nicht fördern und notfalls ins Leere laufen lassen nur bedeuten, dass die ganze Umstrukturierung, die hier die Konzerne vorantreiben, mit der unausgesprochenen Zustimmung des Vorstandes geschieht. Das würde bedeuten, dass er die Ziele der Unternehmen teilt: Gewinne hoch, Arbeitsplätze streichen oder verlagern, Kosten reduzieren. VDA-Chefin Müller sagt das so: „Unsere Unternehmen treiben die Transformation – mit Überzeugung und mit Kreativität.“ Und die IG Metall lässt sie treiben.

Das ist nur so zu erklären, dass sich die oberste Spitze der IG Metall-Bürokratie so sehr dazu verpflichtet sieht, die deutschen Autokonzerne im Kampf um den Weltmarkt mit allen Mitteln zu unterstützen, dass sie bereit ist, die Arbeitsplätze von Hunderttausenden, vor allem auch in der Zulieferindustrie, zu opfern. Dass dies keineswegs abwegig ist, belegt die Tatsache, dass diese IGM-Spitze auch bereit war, die Leiharbeit in der Autoindustrie zu akzeptieren – in der Spitze arbeiteten bis zu 100.000 Leute in Leiharbeit in den Autofirmen –, den Abgasbetrug zu decken wie auch die unsinnigen Abgasvorschriften in Brüssel durchzusetzen, dass sie den Angriff auf das Streikrecht mit der „Tarifeinheit“ durchsetzte.

Dieses Vorgehen von Hofmann und Co ist verheerend. Statt in einzelnen Betrieben mit guten Voraussetzungen zu Siegen zu kommen und mit diesen Leuchttürmen die IG Metall wieder voranzubringen, werden diese geschleift.

Wie Solidarität siegen kann

Aus der Aufzählung oben, was die IG Metall alles hätte tun können, bei Bosch, in der Region und in der Branche, wird klar, wofür alle die kämpfen müssen, die die Talfahrt der Gewerkschaft aufhalten, Arbeitsplätze Löhne verteidigen wollen.

Es gibt aber noch darüber hinaus die Chance der Transformation: Es werden ja Transportmittel gebraucht! Und zwar solche mit geringerem Energieverbrauch, mit nachhaltiger Energie betrieben, mit weniger Platzverbrauch für die Städte und Anschlussfähigkeit zwischen Stand und Land. Neue Lösungen sind nötig, neue Entwicklungen und kombinierte Mobilität!

Hier rächt sich, dass die IG Metall 2 Jahrzehnte keine Debatte über Klima und neue Technologien geführt hat, bis sie vor 3 – 4 Jahren unvorbereitet dem Kommando der Autokonzerne, alles auf das (batteriegetriebene) E-Auto zu werfen, gefolgt ist. Eigene Kompetenz der IG Metall wurde nicht entwickelt, eigene Ideen gibt es nicht. Es wird brav hinter den Konzernen und der Politik hergetrottet, der man dann immer noch die Schuld am Arbeitsplatzabbau zuschieben kann.

Bosch München

Die Belegschaft von Bosch in München hat gemeinsam mit AktivistInnen aus der Klimabewegung und linken GewerkschafterInnen den Ball selbst auf das Spielfeld geworfen. Sie fordern:

„Es gibt eine große Palette an Produkten, die hier im Werk hergestellt werden könnten und die für eine klimafreundliche Zukunft nützlich wären. In den letzten Jahren haben wir immer wieder Vorschläge für eine Transformation der Produktion hin zu klimafreundlichen Produkten unterbreitet. Diese wurden von Seiten der Geschäftsführung stets abgeblockt. Wir fordern hiermit den Erhalt des Werkes und eine Umstellung der Produktion hin zu klimafreundlichen Produkten. Durch den jahrelangen Verzicht auf Teile unseres Gehaltes und die oft jahrzehntelange Arbeit im Betrieb haben wir ein Anrecht auf dieses Werk erhalten. Wir fordern hiermit Bosch auf, das Werk zu erhalten und uns die Möglichkeit zu geben, die Produktion umzustellen.“

Auch diese Initiative von unten zeigt, was möglich ist: Anstatt die Klimakrise oder gar die Klimabewegung zu Sündenböcken für den Verlust des Arbeitsplatzes zu machen – was auch der VDA gerne tut – sehen die InitiatorInnen, dass die Geschäftsführung die Schuldigen sind und KlimaaktivistInnen Verbündete werden können. Gerade auch weil die massenhaft stattfindende Verlagerung von Produktion diese mitnichten sauberer macht.

Und: Die Klimabewegung ist derzeit die stärkste und mobilisierungsfähigste in Deutschland – eine ideale Bündnispartnerin für eine Gewerkschaft, wenn sie denn Verbündete gegen die Kapitalinteressen suchte.

Eine Gewerkschaft wie die IG Metall könnte in ein solches Bündnis noch Kraft einbringen, die die Klimabewegung nicht so einfach mobilisieren kann: die Kraft, das Kapital genau dort zu treffen, wo es ihm wehtut – in der Produktion bzw. derem Stopp durch Streik! Sie könnte die Betriebe, die Bosch schließen will, auch besetzen. In der IGM-Satzung steht die Forderung nach der Überführung von Schlüsselindustrien in Gemeineigentum. Wann, wenn nicht heute, hat diese Forderung überhaupt einen Zweck?

Ihre Umsetzung müsste natürlich diskutiert werden: Was heißt „Gemeineigentum“

eigentlich heute? Nachdem sowohl mit BRD- wie mit DDR-Staatsbetrieben nicht die besten Erfahrungen gemacht worden sind? Aber Betriebe, die ein Konzern schließen will, könnten enteignet werden. Die Regierungsmilliarden für Transformation der Autoindustrie könnten genau dort eingesetzt werden. Die Entwicklung und Produktion in einem Verbund solcher Werke soll von Beschäftigten demokratisch organisiert und kontrolliert werden in Verbindungen mit ExpertInnen für Klima und Mobilität aus der Bewegung. Das Management wird eingespart: „ArbeiterInnenkontrolle“ in Zeiten der Klimakatastrophe!

Was tun?

Vieles! Einerseits muss eine solche Diskussion in Gewerkschaften und Klimabewegung, welche ja ihrerseits sehr gegenüber der IndustriearbeiterInnenschaft fremdelt, eingebracht werden.

Andererseits können wir nicht zusehen, wie eine (Kampf)-Belegschaft nach der anderen liquidiert wird und die KapitalistInnen ihr Ziel der Vernichtung von 178.000 Jobs bis in 4 Jahren erreichen.

Wir müssen da, wo wir können, selbst den Widerstand organisieren! Zum Beispiel eine Kundgebung vor Bosch in Stuttgart Feuerbach aus allen Werken – auch ohne IG Metall, wenn diese sich weigert. Auch eine kleinere Aktion dieser Art könnte ein Zeichen setzen, anderen Belegschaften Hoffnung machen und die Diskussion in der IG Metall, in der Branche, aber auch in der Klimabewegung beflügeln.

Ein guter Ansatzpunkt in diesem Sinne war die Aktion am 19.10.2021 vor Mahle-Behr in Feuerbach.

Wir könnten ein bundesweites „Solidaritätsnetz Auto“ bilden, das alle Kämpfe unterstützt und Belegschaften berät, bevor sie im Stich gelassen werden. Von den bitteren Erfahrungen von Bosch-Bietigheim sollten wenigstens andere profitieren.




Mahle: Durchmarsch der Geschäftsführung – wie können wir ihn stoppen?

MAHLE- SOLIDARITÄT Nr. 12, zuerst veröffentlicht auf vernetzung.org, Infomail 1157, 28. Juli 2021

Stratmann wurde vom Platz gestellt. Das große Stühlerücken in der Geschäftsführung (GF) geht weiter. Jetzt ist Frick an der Spitze, der zwei Ziele verfolgt: Finanzen und Profitmaximierung. Also die Ausbeutung der Arbeitenden verschärfen, alles verlagern, abstoßen und stilllegen, was zu wenig Profit verspricht. Für die alte Leier mancher Betriebsräte, dass Mahle doch ein Stiftungsunternehmen ist und dem Wohl auch der Belegschaft verpflichtet, hat er nur ein müdes Lächeln übrig. Oder er verhöhnt sie noch und erzählt ihnen, dass genau deshalb die Beschäftigten Opfer zu bringen haben, damit das Stiftungsunternehmen am Markt besteht.

Wird er bleiben? Wird er, wie angekündigt, ersetzt? Das hängt vor allem am Aufsichtsratschef Junker, der genauso erbarmungslos für Profit steht – aber in einer Zeit Chef war, als der Glanz des Aufbaus dominierte und das Zerstörungswerk in Alzenau, Colmar und vielen dazugekauften Betrieben überstrahlte.

Dieser Personalwechsel zeigt, dass wir Beschäftigte nicht auf einen Wechsel in der Firmenspitze zu hoffen brauchen. Es ist auch sinnlos, wenn Betriebsräte eine „bessere“ Unternehmenspolitik fordern. Die Forderung des GBR-Chefs nach „mehr Digitalisierung“ ist nicht die Lösung: sie bringt kurzfristig Beschäftigung, aber langfristig mehr Abbau. Ein Blick über den Tellerrand zeigt: Alle Auto- und Zulieferkonzerne entlassen und verlagern. Völlig egal, welche Produkte sie wie herstellen. Ist das ein Grund alles über sich ergehen zu lassen und die GF machen zu lassen?

Nein! Es ist ein Grund zu überlegen, was wir als Beschäftigte und die Betriebsräte besser machen können! Es stehen schon wieder neue Angriffe an. Wer gehofft hatte, das Kahlschlagprogramm vom September 2020 wäre zwar hart, aber damit das Ende des Tunnels erreicht, hat sich getäuscht! Zustimmen und resignieren hilft da nichts!

Neue Angriffe stehen an – warum?

Seit September sind die Modalitäten für die Schließung von Gaildorf und Freiberg verhandelt worden. Der Sozialplan für den Konzern steht. Scheibchenweise werden Bereiche und Abteilungen über die Details der Zerstörung informiert. Jetzt kommen schon neue, zusätzliche Grausamkeiten auf den Tisch und weitere werden folgen. Natürlich wollen auch die Chefs diktieren, wer geht. Sie konfrontieren Beschäftigte mit den Organigrammen, auf denen diese Personen und ihre Funktionen nicht mehr auftauchen, und machen Druck in Richtung Aufhebungsvertrag.

Für diese schändlichen Angriffe gibt es keine akuten wirtschaftlichen Gründe in dem Sinne, dass es dem Betrieb schlecht ginge. Im Grunde ist fast überall genug Arbeit da. In manchen Bereichen, vor allem in Mühlacker, werden Überstunden und Sonderschichten bis zum Anschlag gefahren und zig Leute befristet eingestellt. Und jetzt buhlt Mahle, einem Zeitungsbericht zufolge, um einen milliardenschweren Mehrheitsanteil an seinem südkoreanischen Konkurrenten Hanon Systems. Anscheinend steht ihnen das Geld bis zum Hals!

Den Widerstand in den Sand gesetzt

Hauptgrund für das freche Vorgehen der GF ist, dass IG Metall und Gesamtbetriebsrat (GBR) alle hoffnungsvollen Ansätze für Widerstand vergeigt haben. Wo Leute aktiv wurden, z.B. in Feuerbach und Gaildorf, durften sie das tun. Aber der Widerstand wurde  nicht vereint und gebündelt. Mahle ist kein  Kleinbetrieb, den man mit einem Fackelzug und markigen Worten zur Umkehr zwingt. Um einen Weltkonzern zu schlagen, muss aller Widerstand zusammengefasst und zögernde Belegschaften mit dem Vorbild der kämpfenden Betriebe ermutigt werden.

Dort wo Überzeit und Sonderschichten gefordert werden, wo also auch wirtschaftlich Druck gemacht werden kann, müssen diese von den Betriebsräten verweigert werden. Das können nicht die einzelnen Kolleginnen und Kollegen, die einzelnen Vertrauensleute oder Betriebsratsmitglieder tun. Nur ein geschlossenes Vorgehen hat Aussicht auf Erfolg und die IG Metall und der GBR sind dazu da, dieses zu organisieren. Und sie müssen sich daran messen lassen, was sie für die Belegschaft geleistet haben!

Ein Beispiel: In Feuerbach haben 100 Beschäftigte aus den Werkstätten gegen die Absetzung einer Versammlung protestiert, wo es um ihre Zukunft ging. Sie sind zur Personalabteilung marschiert und haben dort so lange gewartet, bis eine Versammlung stattgefunden hat. Das hat Mut gemacht! Auf der Kundgebung in der Tarifrunde war dieser Bereich super vertreten!

Auf der Homepage der IG Metall Stuttgart findet sich dazu kein Wort. Der GBR hielt es nie für nötig dieses Beispiel überall zu propagieren. Betriebsrat und Vertrauensleute in Cannstatt haben diese Aktion nicht genutzt, um die entsprechenden Abteilungen in Werk 1 und 2 zu mobilisieren. Sie haben nichts getan, dass der Funke überspringt. Vielleicht wurden sie auch vom GBR daran gehindert. Dieser Verdacht ist berechtigt, denn nach der Tarifrunde hat der GBR sofort die Vereinbarung mit allen Forderungen der GF akzeptiert. Ausgehandelt wurde das vermutlich schon vorher. Der Betriebsrat in Feuerbach, der vorher nicht bereit war der Kapitulationslinie des GBRs zu folgen, wurde genötigt diesem Abkommen zuzustimmen. Es sieht vor, dass etliche Betriebe noch länger in Kurzarbeit gehen und die Entlassungen nur bis 30.05.2022 bzw. 31.08.2022 aufgeschoben werden. Für diesen „Erfolg“ hat der GBR den Widerstand ins Leere laufen lassen und eine Verbreiterung der Aktionen, eine Fortsetzung über die Tarifrunde hinaus, verhindert.

Wie hat sich die IG Metall-Führung verhalten?

Eine Tarifrunde vereinigt automatisch die Mitglieder aus den verschiedensten Betrieben. Diese Tarifrunde hat Belegschaften besonders beflügelt, für die Verteidigung ihrer Arbeitsplätze auf die Straße zu ge-hen. Viele Belegschaften haben begonnen, gemeinsam das Thema Verteidigung der Arbeitsplätze anzugehen. Bosch Bietigheim hat die Initiative zu einer gemeinsamen Aktion ergriffen, an denen sich über 400 Personen beteiligt haben. In Feuerbach war es Mahle-Behr, die gemeinsam mit Coperion, KBA, Bosch, Daimler und weiteren Betrieben eine groß-artige Aktion am 02.03.2021 organisiert hat. Es waren auch Betriebe beteiligt wie Porsche, wo Abbau kein Thema ist, die für Tariferhöhungen auf die Straße gingen. So wurden Kräfte gebündelt.

Nach dem Tarifabschluss hat die IG Metall in Baden-Württemberg jede weitere gemeinsame Aktion abgeblasen. Es liegt auf der Hand, wie es hätte weitergehen müssen: alle kämpfenden Belegschaften zusammen zu bringen, gemeinsame Planung weiterer Aktionen, gegenseitige Unterstützung und Einbeziehung weiterer Belegschaften, z. B. durch eine Konferenz.

Stattdessen werden die kämpferischen Belegschaften mit Hilfe der IGM-Spitzen abgewickelt: Sozialpläne, Transfergesellschaften. Statt dass Belegschaften wie zum Beispiel Bosch Bietigheim zum Erfolg geführt werden, macht die Bezirksleitung sie zum Exempel, dass Kämpfen nichts bringt. Sie schüttet Wasser auf die Mühlen aller derer, die behaupten, dass Kämpfen nichts bringt. Seien es kleine Feiglinge in der Abteilung oder große Verhinderer in den GBRs. Die IG Metall-Führung untergräbt mit diesem Vorgehen ihre eigene Solidaritäts-Kampagne „Solidarität gewinnt“ und damit die Kampfbereitschaft und die Glaubwürdigkeit der Gewerkschaft. Sie produziert so die massenhaften Gewerkschaftsaustritte.

Widerstand gegen das Kapital – Veränderung der Gewerkschaft!

Wir als aktive MetallerInnen, die in verschiedenen Mahle-Werken arbeiten, sind natürlich auch von den vergebenen Chancen zum Widerstand enttäuscht. IG Metall und GBR sind für diese schwere Niederlage verantwortlich. Deshalb ist eine wirkliche Wende in der IG Metall notwendig.

Wie kann sie kommen? Es ist nötig die Dominanz von „FunktionärInnen“ zu bekämpfen, die in den Betrieben den gewerkschaftlichen Kampf sabotieren. Es hat sich gezeigt, dass dort, wo unter den Beschäftigten, den Vertrauensleuten und Betriebsräten eigene Initiativen ergriffen werden, wie in Feuerbach, die Dinge in Bewegung kommen! Das dürfen aber keine Einzelfälle bleiben, sonst werden die Hoffnungen wieder verkümmern.

Wir haben beschlossen, diese Ausgabe der MAHLE-Soli dafür zu nutzen, um zu informieren, was eigentlich an welchem Standort los ist.

  • Wir rufen weiter dazu auf, jeden neuen Angriff zu bekämpfen und den Widerstand zu verbreitern. Die Perspektive der GF ist Zerstörung von Arbeitsplätzen, verschärfte Ausbeutung, Verlagerung und Entrechtung. Wir wollen eine Zukunft!
  • Wir unterstützen die Forderung in der IG Metall und an die IG Metall, die bedrohten Belegschaften zu vereinen. Eine Konferenz aller kämpfenden Belegschaften, Planung weiterer Aktionen, gegenseitige Unterstützung, Einbeziehung weiterer Belegschaften!
  • Als Mahle-Soli unterstützen wir Kolleginnen und Kollegen von anderen Betrieben bereits. Wir bauen Verbindungen auf und sind am METALLERTREFF und der VERNETZUNG FÜR KÄMPFERISCHE GEWERKSCHAFTEN beteiligt.

Die komplette Betriebszeitung findet ihr hier:

Mahle Soli Nr 12

https://www.vernetzung.org/wp-content/uploads/2021/07/Mahle-Soli-Nr-12.pdf




Werkschließung MAN: Der Kampf um die Krisenlast beginnt in Steyr

Mo Sedlak, Infomail 1149, 6. Mai 2021

Bei MAN in Steyr wird vorentschieden, wer die Krise bezahlen muss. Das Autowerk mit 2.400 Beschäftigten steht im (gar nicht so) Kleinen für einen Konflikt der sich durch ganz Europa zieht. Dass die Belegschaft gegen den Übernahmeplan mit Massenkündigungen und Lohnkürzungen gestimmt hat, zeigt das Potential für Widerstand gegen eine Krisenlösung auf Kosten der ArbeiterInnenklasse. Dass der Konzern als Reaktion die Schließung beschleunigt und 250 LeiharbeiterInnen gekündigt hat, zeigt aber auch, dass die Kapitalseite mit scharfer Munition schießt. Echte Solidarität und eine Diskussion über eine Krisenbewältigung im Sinne der ArbeiterInnen sind notwendig, damit dieser mutige Schrei nicht verhallt.

Schrittweise Eskalation in Steyr

Im Herbst 2020 hatte der MAN-Konzern angekündigt, das Werk in Steyr zu schließen. Dort sind 2.400 ArbeiterInnen, Angestellte und LeiharbeiterInnen beschäftigt, rund ein Drittel der regionalen Autoproduktion. Die Schließung war Teil eines Sparplans für den ganzen Konzern, inklusive angedrohten Massenkündigungen in deutschen Werken.

Sowohl MAN als auch deren Eltern-Holding Traton sowie auch deren Eigentümerin VW waren trotz der Pandemie (und trotz der Entschädigungszahlungen im Diesel-Abgasskandal) immer profitabel. Die Münchner Konzernzentrale will die Produktion auch nicht einstellen, sondern hauptsächlich nach Osteuropa verlagern, wo die Löhne niedriger sind.

Deshalb gingen die MANlerInnen im Oktober selbstbewusst in den Warnstreik. Zusammen mit tausenden UnterstützerInnen forderten sie einen Erhalt des Werks und Unterstützung durch die Landes- und Bundesregierung.

Im Frühling 2021 machte der ehemalige Magna-Manager (und Multimillionär) Siegfried Wolf ein Übernahmeangebot: Er wollte das Werk fürs Zuliefern für den russischen GAZ-Konzern verwenden. Sein Angebot enthielt die Kündigung von ungefähr einem Drittel der Belegschaft und empfindliche Lohnkürzungen für den Rest. So wie MAN im Schatten der Pandemie Lohnkosten sparen will, versucht Wolf den drohenden Arbeitsplatzverlust zur Erpressung zu verwenden. In einer Abstimmung erteilte die MAN-Belegschaft dem aber mit 64 % eine klare Absage.

In Oberösterreich wird 2021 gewählt, Steyr ist ein wichtiger Industriestandort. Gleichzeitig erkennt die IndustriearbeiterInnengewerkschaft PRO-GE, dass die Ereignisse bei MAN in zig anderen Betrieben nachgemacht werden könnten. Aus diesen Gründen hat die drohende Werkschließung es bis in den Nationalrat geschafft.

Dort fordert die Sozialdemokratie von der Oppositionsbank, dass die staatliche Beteiligungsgesellschaft ÖBAG einen Minderheitenanteil der MAN übernehmen soll, um das Werk für InvestorInnen attraktiv abzusichern. Die ÖBAG hält sich, zumindest offiziell, mit strategischen Überlegungen bei ihren Beteiligungen heraus, bei der OMV verfolgt sie zum Beispiel überhaupt keinen Kurs zur Emissionsreduzierung. Die türkisgrüne Regierung und besonders die ÖVP lehnt aber sogar eine solche  ab, der Kanzler behauptet im Geheimen mit InvestorInnen über eine privatwirtschaftliche Lösung zu verhandeln. Der Arbeitsminister Kocher schließlich ist ehrlich genug um zu sagen, dass er genau nichts für die ArbeiterInnen tun wird, sondern das AMS Oberösterreich auf viele neue „KundInnen“ vorbereitet.

Keine Lösungsvorschläge vom BürgerInnenblock

Die ÖVP ist nicht prinzipiell dagegen, den Industriestandort zu erhalten: Zu einem funktionierenden Kapitalismus gehört die Ausbeutung von möglichst vielen ArbeiterInnen (und ein paar Erwerbslose, um den Rest unter Druck zu setzen). Die Bürgerlichen verachten zwar Erwerbslose und wollen deren Existenz durch immer weitere Kürzungen zur Hölle machen, aber nicht zwangsläufig neue schaffen.

Trotzdem werden die neue und die alte ÖVP den Teufel tun und die ArbeiterInnen in Steyr unterstützen: Dafür ist das Prinzip zu wichtig, dass staatliche Hilfen in der Krise an die Unternehmen gehen, und die ArbeiterInnen zur Kasse gebeten werden. Die Türkisen haben verstanden, dass bei MAN im Kleinen verhandelt wird, wer für die Krise zahlt (und wer sogar von ihr profitiert). Besonders der Plan von Sigi Wolf, die Situation für eine radikale Senkung des Lohnniveaus zu nutzen, passt ihnen gut.

Vielen ÖkonomInnen ist das zu Nichtstuerisch. Auch die Vorschläge von SPÖ und Grünen kommen aus derselben Richtung: Sie fordern ein Wiederaufleben der Industriepolitik. Das bedeutet im Prinzip, staatliche Investitionen als Strategie zu fahren, mit der der freie Markt zu langfristig profitablen oder anderweitig wünschenswerten (zum Beispiel nicht extrem umweltschädlichen) Entscheidungen „motiviert“ wird.

Ein Beispiel dafür ist die Geschichte der „Verstaatlichten“ in Österreich. Weil das heimische Kapital nach dem Zweiten Weltkrieg sehr schwach war, wurden eine Stahlindustrie im Staatsbesitz aufgebaut (die VOEST). Um die herum sollten private Kapitale sich als weniger kapitalintensive ZulieferInnen und WeiterverarbeiterInnen aufbauen. In der Verstaatlichten selber waren dafür die Löhne, Arbeitsbedingungen und Mitspracherechte vergleichsweise gut, was wiederum Auswirkungen auf den gesamten Arbeitsmarkt hatte. In den Neunzigern war diese Strategie (die auch die soziale Basis für die österreichische SozialpartnerInnenschaft bildete) abgeschlossen, die VOEST und andere Staatsbetriebe wurden „sanft“ privatisiert.

Sie schlagen also vor, die Krise mit staatlichen Investitionen zu durchtauchen um den Machtanspruch des Kapitals langfristig abzusichern, eine klassische keynesianische Politik. Die linkeren Teile von SPÖ und Grünen wollen das in einen sozial-ökologischen „Transformationsfonds“ einbetten, der die Kosten für eine klimafreundliche Umrüstung übernimmt und diese dann dem Markt zur Verfügung stellt. Auch die Forderung der SPÖ, die MAN durch eine ÖBAG-Beteiligung abzusichern, um profitorientierten InvestorInnen Appetit zu machen, hat denselben Hintergrund. Dass auch diese InvestorInnen bei der nächsten Gelegenheit das gute Lohnniveau in der Fahrzeugindustrie ins Visier nehmen werden, wissen und ignorieren sie.

Besonders zynische Grüne wollen die Werkschließung sogar als kapitalistische Lösung der Klimakrise sehen: Wenn weniger Autos hergestellt werden, wäre das doch gut für die Emissionen. Das ignoriert, dass die Produktion ja verlagert werden soll (aus den Augen aus dem Sinn?). Es ist aber auch dieser Zynismus, der es schwierig macht, die ArbeiterInnenbewegung für den notwendigen Kampf gegen die Klimakrise zu gewinnen, wenn den Arbeitenden nicht nur abgesprochen wird dabei mitzureden (das überlassen die Bürgerlichen gut bezahlten WissenschaftlerInnen) sondern ihre Existenzen auch als willkommenes Opfer verhandelt werden.

Gegen KrisenprofiteurInnen und alten Wein in neuen Schläuchen

Die Grundlage der Krise bei MAN ist nicht die scheinbar aus dem Nichts über uns hereingebrochene Pandemie, sondern das strategische Interesse von Konzernen, ihre Profite zu erhöhen. Die Lösung ist es nicht, das noch einfacher zu machen, oder grün anzumalen. Die Beschäftigten bei MAN kämpfen im Kleinen für alle ArbeiterInnen in Österreich und diesen konkreten Kampf müssen Linke und GewerkschafterInnen solidarisch unterstützen.

Das bedeutet, kein Arbeitsplatzverlust und keine Verschlechterung sind hinnehmbar. Wir müssen von der untätigen Regierung und ihren zynischen  BeifallsklatscherInnen fordern, die milliardenschweren Coronahilfen in die Hand zu nehmen und die Arbeitseinkommen bei MAN zu retten. Das bedeutet das Werk zu verstaatlichen, und zwar entschädigungslos – keine Unterstützung für einen Konzern, der die ArbeiterInnen frontal angreift. Es gilt ganz generell zu fordern, dass die Milliarden an Corona-Maßnahmen ausschließlich für ArbeiterInnen, Erwerbslose und anders auf Unterstützung angewiesene Personen ausgegeben werden, statt UnternehmenseignerInnen zugeschoben zu werden!

Es ist kurzsichtig, keine Forderungen an den bürgerlichen Staat zu richten. Der Hinweis darauf, dass auch arbeiterInnenfreundliche Maßnahmen dazu dienen den Kapitalismus zu stabilisieren, ist zwar richtig, aber sinnlos. Das gilt für alle bürgerlichen Regierungen, trotzdem macht es Sinn um objektive Verbesserungen zu kämpfen. Und wenn jeder Mensch weiß, dass der Staat das Werk retten könnte bedeutet es, sich vom konkreten Kampf selbst zu isolieren, wenn man sich weigert an einer Strategie mitzuarbeiten, die funktionieren kann.

Gleichzeitig wäre es genauso verantwortungslos, so zu tun als wäre eine Verstaatlichung eine nachhaltige Lösung. Besonders die Geschichte der Verstaatlichten in Österreich, bei der überbezahlte Manager-BürokratInnen sich genauso aufgeführt haben wie in Privatkonzernen, zeigt dass ein BesitzerInnenwechsel nicht die grundlegende Herrschaft des Kapitals über die ArbeiterInnen außer Kraft setzt, noch dem Klima nützt. Und dass diese Herrschaft notwendigerweise zu Verschlechterung auf Kosten unserer Klasse geht.

Statt das zu ignorieren, müssen konkrete Lösungen her: Gemeinsame Entscheidungen über die Produktion durch Beschäftigte und Bevölkerung (Vergesellschaftung statt nur Verstaatlichung). Schrittweise Reduzierung der Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich um die Erwerbslosigkeit zu bekämpfen. Und schließlich einen Erfolg im Arbeitskampf als Ausgangspunkt für gemeinsamen Klassenkampf gegen den Kapitalismus an sich zu nehmen.

Sozialistisch-Ökologische Transformation

Ein Umbau der Produktion und des Nahverkehrs ist unvermeidbar um die Klimakatastrophe einzudämmen. Die zunehmende Produktion und Verwendung von Diesel-LKWs, wie sie in Steyr zusammengebaut sind, sind hier Teil des Problems. Gleichzeitig kann eine Reduzierung des Autoverkehrs nur durch einen Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel, vor allem am Land, funktionieren. Die MAN selber stellen Überland- und Stadtverkehrbusse her. Durch Umstellungen in der Produktion und ordentliche Ankäufe der Produkte durch Gemeinden könnte das Werk also vom Teil des Problems zum Teil der Lösung werden.

Der bedingungslose Kampf um die Arbeitsplätze kann also mit einer Klimastrategie von unten verwoben werden, wenn ArbeiterInnen und solidarische Linke vertrauensvoll zusammen kämpfen. Das meinen wir vom ArbeiterInnenstandpunkt, wenn wir (zum Beispiel in unserem Grundsatzpapier „Methoden und Grundsätze“) von der Fusion der KommunistInnen mit der ArbeiterInnenbewegung sprechen. Nämlich die Lösungen für die konkreten Probleme der Klasse mit den Lösungen für das allgemeine Problem der Klasse, den Kapitalismus, praktisch zu vereinigen.

Die konkreten Vorschläge müssen aber im Detail diskutiert werden. Ein Genossenschaftsmodell für den Betrieb zum Beispiel gibt den beteiligten ArbeiterInnen mehr Mitsprache und Absicherung. Gleichzeitig schafft es aber (wie beim „Vorzeigebeispiel“ Mondragon in Spanien) zwei Klassen von Beschäftigten, den GenossenschafterInnen und später Dazugekommenen die sich einen Anteil entweder teuer kaufen müssen, oder genauso ausgebeutet werden wie in einem Privatbetrieb.

Die Forderung nach ArbeiterInnenkontrolle über die Produktion ist eine radikale Alternative. Aber wie der russische Revolutionär Leo Trotzki in einem Brief von 1932 erklärte, ist diese Forderung mehr als nur ein Absichern von Mitsprache. In Privatunternehmen ist sie ein strategischer Schritt, um die UnternehmerInnen zu entmachten, sozusagen das betriebliche Äquivalent zur gesellschaftlichen Doppelmacht, wo die ArbeiterInnen dem bürgerlichen Parlament ihre Räte entgegensetzen. Sie ist keine stabile Klassenzusammenarbeit, sondern radikaler Klassenkampf.

Wir unterstützen deshalb konkrete Kämpfe, Streiks und Besetzungen solidarisch und schlagen die Vergesellschaftung, also staatliches Eigentum und Verwaltung durch ArbeiterInnen und Bevölkerung, vor. Der sozial-ökologischen Transformation der ReformistInnen, angeführt durch PolitikwissenschafterInnen und Politik, stellen wir die sozialistisch-ökologische Transformation als klassenkämpferische Strategie entgegen.

Vom Mittelfinger zur Faust

Die Mehrheitsabstimmung gegen Wolfs „Sanierungsvorschlag“ war ein Mittelfinger an einen Industriemillionär, der dachte er kann angesichts der Werkschließung zu einer billigeren Produktion kommen. Die MAN ist das zentrale Industriewerk in Steyr, die Beschäftigten können sich auf die Bevölkerung ebenso verlassen wie auf Aufmerksamkeit aus Politik und Medien. Sie zeigen also nicht nur Wolf den Mittelfinger, sondern auch allen Unternehmen, die jetzt glauben, dass sie in der Krise ein paar KollegInnen loswerden können.

Vergleichbare Kämpfe, wie im Lokomotivenwerk in Bellinzona (Schweiz) gegen die Schließung 2008, haben es geschafft Streiks mit Betriebsbesetzungen und solidarischen Demonstrationen durch die lokale Bevölkerung zu verbinden. So kann gleichzeitig politischer und wirtschaftlicher Druck aufgebaut werden.

Auch um die Kampfbereitschaft der ArbeiterInnen hochzuhalten, ist eine Solidaritätsbewegung wirklich wichtig. Gleichzeitig muss sichergestellt sein, dass wir auch für das Richtige kämpfen. Dafür müssen die Verhandlungen transparent sein, alle entscheidenden Schritte in Betriebsversammlungen diskutiert und abgestimmt werden. Gerade wenn die Position des Konzerns so klar arbeiterInnenfeindlich ist, sind Hinterzimmerdeals und „vertrauliche“ Verhandlungen ein echtes Problem. Wenn sie offen geführt werden, kann die Diskussion über die Verhandlungen auch mit einer über Forderungen an die Regierung und eine Umstellung der Produktion verbunden werden.

Also: Solidarisieren, Organisieren, Kämpfen!

Der Kampf um die MAN ist wichtig und bedeutend: Es geht um 2.400 Existenzen. Aber sie ist auch der Auftakt um die Verteilungskämpfe in dieser Krise. Das ist eine strategische Auseinandersetzung, ein zentraler Klassenkampf. Das ist ein Auftrag an alle GewerkschafterInnen und jede/n Linke/n.

Es ist jetzt notwendig, zu zeigen, dass die Beschäftigten nicht alleine stehen: Solidarische Aktionen, wie sie LINKS zum Beispiel Ende April in Wien organisiert hat, und Resolutionen von Gewerkschaftsgruppen sind ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn die Kämpfe sich zuspitzen geht es um Großdemonstrationen in Steyr und Wien, Delegationen zu Streikposten und wenn es notwendig ist, Blockaden gegen Maschinenabstransporte.

Das dürfen wir nicht allein machen, sondern müssen den Druck auf SPÖ und Gewerkschaftsspitze erhöhen, gemeinsam auf die Straße zu gehen, auch wenn die das Geschehen mit zahmen Forderungen vereinnahmen. Sich bewusst vom Klassenkampf und seiner (falschen weil reformistischen) Führung zu isolieren bringt den Sozialismus bestimmt nicht näher. Gleichzeitig muss man halbgaren Kompromissen ein konsequentes Kampfprogramm entgegensetzen und versuchen, eine Mehrheit der ArbeiterInnen dafür zu gewinnen.

Es muss uns auch gelingen, die Argumente der Herrschenden, von „der Markt regelt das“ bis zu „Anreize schaffen und AMS-Qualifizierung ausbauen“ auseinanderzunehmen. Auch und insbesondere, wenn der Ressentiments gegenüber der Klasse grünlackiert sind und die Existenzzerstörung als notwendiger Schritt in einen umweltfreundlichen Kapitalismus verkauft wird. In den nächsten Monaten wird die Regierung noch mehr Geld in die Hand nehmen und Unternehmen zustecken: Wir fordern stattdessen, dass 100 % der Coronahilfen an die ArbeiterInnen gehen.

In Steyr geht es um die Zukunft: Um tausende Arbeitsplätze und darum, wer für die Krise bezahlt. Diesen Klassenkampf müssen wir jetzt führen und gewinnen.




MetallerInnen demonstrieren gegen Schließung des Daimler-Werks in Berlin

Martin Suchanek, Infomail 1129, 10. Dezember 2020

2.500 Arbeiterinnen und Arbeitern droht das Aus. So viele arbeiten – noch – am Berliner Daimler-Standort Marienfelde, viele seit ihrer Ausbildung. Nun steht er auf der Kippe und droht dem globalen Spar- und Rationalisierungskurs der KonzernchefInnen zum Opfer zu fallen. Auch wenn es keinen formellen finalen Schließungsbeschluss gibt, zeichnet sich das Ende der Produktion ab. In Verbrennungsmotoren, deren Komponenten bislang in Berlin gefertigt wurden, soll nicht weiter investiert werden. Von einer Umstellung der Produktion ist bislang nichts bekannt.

So stellt auch der Ruf nach Informationen eine der unmittelbaren Forderungen der Beschäftigten, der Betriebsräte, Vertrauensleute und der IG Metall dar.

Demonstration und Betriebsversammlung

Wie an vielen anderen Daimler-Standorten rief die Gewerkschaft, die noch im Juli dem letzten Sparprogramm zugestimmt hatte, um betriebsbedingte Kündigungen bis 2030 in Deutschland zu verhindern, zu Demonstrationen und Betriebsversammlungen auf.

Am heutigen 9. Dezember wenigstens stehen die Bänder in Berlin-Marienfelde endlich einmal still. Wie schon im November beteiligt sich ein großer Teil der Belegschaft, weit über 1.000 Menschen, an der Demonstration, die vom Werkstor durch den Stadtteil und zurück führt. Anschließend findet eine Online-Betriebsversammlung statt, von der Tausende wenigstens mehr Klarheit erhoffen.

Für die KollegInnen ist es nicht die erste und, wollen sie ihre Arbeitsplätze verteidigen, sicher auch nicht die letzte Aktion. Auf der Homepage der Berliner IG Metall gibt sich der Betriebsratsvorsitzende Michael Rahmel entschlossen: „Wir Daimler-Beschäftigte werden am Mittwoch nicht arbeiten. Wir nehmen uns diesen Tag, um dem Vorstand klar zu zeigen, dass wir uns von ihm nicht abwracken lassen.“

Die vergleichsweise radikale Rhetorik in der Pressemeldung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die IG Metall keine Kampfstrategie zur Verteidigung der Arbeitsplätze hat. Die Forderung nach einem Bekenntnis zur Zukunft des Standortes darf uns nicht weismachen, dass Gewerkschaftsapparat und Betriebsratsspitze durchaus bereit sind, über weitere „Opfer“ zu verhandeln, dem Konzern „entgegenzukommen“. So erklärt Jan Otto, der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Berlin, in derselben Meldung: „Wir erwarten auf der Betriebsversammlung eine klare Ansage des Vorstandes, dass er zumindest Teile des Stilllegungsbeschlusses zurücknimmt, wir mehr Zeit und die Zusage bekommen, dass hier nicht Teile dieses Werkes rasiert werden.“

Mit anderen Worten: Wenn sich der Konzern zum sozialpartnerschaftlichen Ausgleich bereit erklärt, sichern wir den Weihnachtsfrieden in der schönen Daimler-Welt. Schließlich wäre es nicht der erste „sozialverträgliche Umbau“, den Betriebsräte und IG Metall „mit“gestaltet hätten.

Damit, so erinnern die GewerkschaftsrednerInnen auf der Kundgebung die Bosse, wäre Daimler schließlich immer gut gefahren. Irene Schulz, Hauptrednerin auf der Zwischenkundgebung und Mitglied des IG-Metall-Vorstandes, verdeutlich dabei die Taktik der Bürokratie. Einerseits appelliert sie an die KollegInnen, lobt ihren Einsatz, ihre Arbeit und auch ihren Widerstandswillen. Der Konzern müsse wissen, dass er mit deren Kampfkraft zu rechnen hätte.

Andererseits erinnert sie den Konzern daran, dass die Gewerkschaft durchaus Verständnis für die schwere Lage „unseres“ Unternehmens hätte – ganz als würde Daimler irgendwie auch den Beschäftigten oder wenigstens der IG Metall gehören. Diese hätte sich jedenfalls für KurzarbeiterInnengeld und Milliardensubventionen eingesetzt, die Daimler wie der Autoindustrie zugutekamen. Da wäre es doch nur anständig, fair und gerecht, dass der Konzern auch den Standort erhalten würde.

Natürlich weiß auch Schulz, dass es um Fairness und Gerechtigkeit nicht geht, und macht bei dieser Gelegenheit den Standort auch noch schmackhaft. Hier könne die Transformation zur E-Mobilität praktisch und in eine „Brückentechnologie“ investiert werden: den ökologischen Verbrennungsmotor, unfreiwillig doppeldeutig auch als „Umweltverbrenner“ angepriesen. Doch all das Co-Management hilft nichts, schließlich hat Daimler schon ein Management und auch eine Konzernstrategie.

Co-Management schadet

Im Kampf gegen alle Entlassungen und die konzernweite, globale Offensive der Bosse schadet das Co-Management. Das lehrt nicht nur die Erfahrung und jede einigermaßen nüchterne Einschätzung des Kapitalismus.

An diesem Tag wird es regelrecht spürbar. Kampfstimmung will bei den Beschäftigten nicht aufkommen. Sorgen und Existenzangst sind allgegenwärtig, fast noch mehr aber Pessimismus und Perspektivlosigkeit. Die Masse der Demonstrierenden folgt der IG Metall, fühlt sich von „ihrem“ Konzern verlassen und hofft doch darauf, weiter arbeiten zu dürfen.

Jahre des sozialpartnerschaftlichen Kurses, ständig neue Produktivitätsabkommen, Benchmarks (interne Leistungsvergleiche) und stetiges Zurückweichen haben Spuren hinterlassen in Gestalt einer relativ privilegierten Stellung der Kernschichten beim industriellen Exportkapital. Diese arbeiterInnenaristokratischen Schichen bildeten und bilden den Kern der SozialpartnerInnenschaft. Ihre Arbeit prägt einerseits extreme Arbeitsproduktivität, -intensität und damit eine sehr hohe Ausbeutungsrate. Andererseits erhalten sie vergleichsweise hohe Löhne, Sonderzahlungen und Boni. Letztere werden 2020 mit 1000 Euro wohl mager ausfallen im Vergleich mit den Vorjahren – doch die Hoffnung auf ein „gutes“, partnerschaftliches Ende stirbt viel zu langsam.

Die klassenkämpferischen Teile der Belegschaft sind vielmehr ausgedünnt – nicht nur wegen der Verhältnisse in dieser Produktionssphäre, sondern auch weil Betriebsratsbürokratie und IG-Metall-Apparat als politische Polizei, als Ordnungsfaktor für das Kapital wirken – und zwar seit Jahrzehnten. So hoffen die meisten Beschäftigten nicht viel anders als IG Metall und Betriebsrat auf ein Weihnachtswunder der SozialpartnerInnenschaft.

Letztlich flehen diese Apparate das Kapital an, irgendwie die soziale Regulation des Kapitalismus in Deutschland auch über die gegenwärtige Krise retten zu können. Dabei besteht das Neue gerade darin, dass die SozialpartnerInnenschaft und die damit verbundene Stillhaltepolitik auch große Teile der ArbeiterInnenaristokratie, darunter Belegschaften wie bei Daimler-Marienfelde, nicht integrieren, sondern in die Arbeitslosigkeit oder Leitarbeit führen werden.

Globale Offensive

Daimler wie die gesamte Autoindustrie steht vor einer grundlegenden Umstrukturierung, bei der es nicht bloß, ja nicht einmal in erster Linie um die Veränderung der Produktpalette und neue Antriebssysteme geht. Es dreht sich vor allem darum, den Konzern für einen globalen Vernichtungswettkampf mit konkurrierenden Unternehmen fit zu machen. Daher wird gekürzt, Personal abgebaut – und zwar nicht nur, wenn die Wirtschaft strauchelt, sondern selbst wenn Milliardengewinne eingefahren werden.

Die drohende Schließung in Marienfelde stellt selbst einen Teil einer globalen „Sparoffensive“ dar, die einmal mehr auf Kosten der Belegschaften gehen soll, die seit Jahren von einer Produktivitätssteigerung, von einer „Benchmark“ zur anderen getrieben werden.

Erfüllt wurden diese Programme alle – ausgezahlt haben sie sich vor allem für den Weltkonzern. Trotz Umsatzeinbrüchen im Corona-Jahr wartete Daimler lt. FAZ im 3. Quartal mit einer Gewinnerwartung von 3,7 Milliarden Euro vor Steuern auf – mehr als im Vergleichsquartal 2019. Ende 2020 soll sich dieser Trend fortsetzen.

Am milliardenschweren Kürzungsprogramm, dem rund 30.000 Beschäftigte, darunter die Berliner KollegInnen zum Opfer fallen sollen, hält der Konzern fest – „sozialverträglich“, wenn möglich, weniger sozialverträglich, wenn nötig. Offenherzig, wie es sich gegenüber der LeserInnenschaft der FAZ gehört, erklärt die Konzernspitze auch, warum das so ist: „Nicht Wachstum um des Wachstums willen sei das Gebot der Stunde, so betonte Daimler-Vorstandsvorsitzender Ola Källenius in dieser Woche in einer Journalistenrunde, sondern profitables Wachstum.“

Die Corona-Pandemie hat das Unternehmen gut überstanden, insbesondere wegen der raschen Erholung des chinesischen Marktes und der gestiegenen Nachfrage nach luxuriösen Autos. Vor der E-Mobilität soll der Verbrenner die Aktienkurse befeuern. Damit diese weiter steigen und das Wachstum profitabel bleibt, wird zugleich das nächste Kürzungsprogramm durch den Konzern getrieben und der Ruf nach staatlicher Unterstützung bei der Transformation zur E-Mobilität laut.

Welche Politik?

Das Daimler-Management reagiert damit auf die veränderten und verschärften Bedingungen der globalen Konkurrenz. Die sozialpartnerschaftliche Ausrichtung der IG Metall und die Politik des Co-Managements erweisen sich in dieser Lage nicht nur als arbeiterInnenfeindlich. Diese angeblich realistische Politik entpuppt sich als reinster Utopismus, als Beschwörung eines Klassenkompromisses, dessen ökonomische Grundlagen längst der Vergangenheit angehören.

Eine solche Politik demoralisiert, desorientiert und entpolitisiert die Lohnabhängigen. Sie führt zum Rückzug und zur Niederlage. Während die Apparate krampfhaft hoffen, die SozialpartnerInnenschaft und ihre Position als Mittler zwischen Lohnarbeit und Kapital zu halten, sollen die ArbeiterInnen auch noch die Folgen dieser Politik ausbaden.

In dieser Situation wird der Bruch mit der SozialpartnerInnenschaft, mit Co-Management und sozialdemokratischer Unterordnung zur Notwendigkeit, wenn Schließungen, Entlassungen, Flexibilisierung, Kürzung auf dem Rücken der Beschäftigten gestoppt und verhindert werden sollen. Ein solcher Schritt erfordert freilich auch den Bruch mit der Politik der Klassenzusammenarbeit und mit der ArbeiterInnenbürokratie in den Gewerkschaften und Großkonzernen, die diese verkörpert. Dafür ist der Aufbau einer klassenkämpferischen Basisbewegung nötig, um für eine Erneuerung der Gewerkschaften zu sorgen.

Dies mag vielen in weiter Ferne erscheinen – unrealistisch angesichts des Kräfteverhältnisses und vorherrschenden Bewusstseins der Klasse. Allein, der Schritt ist letztlich alternativlos. Wer eine klassenkämpferische Politik vertritt, kann sicherlich auch verlieren. Wer selbst den Kampf für diese ablehnt oder hinausschieben will, hat jedoch schon verloren.

Flugblatt der Gruppe ArbeiterInnenmacht zur Demonstration und zur Aktionswoche gegen drohende Schließungen und Entlassungen bei Daimler: Gegen alle Entlassungen und Schließungen! Stoppt die Angriffe!



Daimler: Gegen alle Entlassungen und Schließungen! Stoppt die Angriffe!

Gegenwehr! Betriebs- und Gewerkschaftsinfo der Gruppe ArbeiterInnenmacht, Infomail 1129, 8. Dezember 2020

Das Konzernmanagement stellt alles in Frage: Ganze Standorte sind in Gefahr, Zehntausende Arbeitsplätze sollen gestrichen werden, „Zukunftsverträge“ haben eine Verfallzeit von 2 Jahren und werden schlicht gebrochen, Erpressung wird Methode.

Die Bosse behaupten, es gehe um „Transformation“ zur E-Mobilität. Aber wie immer dreht es sich vorrangig um Profite. Die Verlegung von Konstruktion und Produktion von Motoren und Teilen für Verbrenner nach China hat nichts mit „E-Mobilität“ zu tun, zumal der Aufbau von Elektromotoren und Teilen dafür ebenfalls vorrangig im Ausland stattfinden soll.

Die Bosse behaupten, sie würden so handeln, um die Zukunft des Unternehmens zu sichern. Das haben sie auch gesagt, als sie am Verbrenner festhielten, obwohl klar war, dass die Klimakatastrophe die Zukunft der Menschheit gefährdet. Sie haben lieber bei der Abgasmessung betrogen.

Sie haben auch von der Zukunft des Unternehmens gesprochen, als sie wieder und wieder Opfer von den Belegschaften verlangt haben. Das Ergebnis ist, dass unsere Arbeitsplätze so bedroht sind wie noch nie. Wieso sollten wir heute ihren neuen Versprechungen glauben?

Vom Protest zum Widerstand

Zwei Dinge gilt es aus dieser Erfahrung zu lernen: Wir müssen unsere Interessen selber verteidigen und uns selbst um unsere Zukunft kümmern!

Es macht keinen Sinn, dass die Betriebsräte erneut über die Zumutungen der Bosse verhandeln und ihren Angriffen zuzustimmen, um im Gegenzug die schlimmsten sozialen Härten zu vermeiden oder wieder neue Versprechungen zu erhalten, die nicht eingehalten werden.

Die Daimler-Belegschaften haben in den letzten Wochen gezeigt, dass sie zu breiten Protesten fähig sind. Das ist ein gutes Zeichen! Das kann auch das Beispiel für andere ArbeiterInnen in der Auto- und Zulieferbranche sein! Das kann auch die IG Metall beleben, die das ganze Jahr wie scheintot gewirkt hat.

Es reicht aber nicht, mehr Postkarten auszufüllen oder Protestversammlungen zu organisieren. Wir müssen den Bossen klarmachen, dass wir die Macht haben, ihre Profitmaschine zu stoppen, ihre Umstrukturierungen, Kürzungen, Entlassungen und Schließungen zu blockieren oder ihre Entscheidungsmacht einzuschränken.

Dieser Widerstand muss konzernweit organisiert werden, alle Belegschaften müssen mitmachen. Am besten sollten auch die Werke in anderen Ländern einbezogen werden, wie im französischen Hambach, das jetzt abgestoßen werden soll, um letztlich dichtgemacht zu werden. Wenn alle Belegschaften gemeinsam handeln, können uns die Bosse nicht weiter gegeneinander ausspielen.

Natürlich müssen sich die Belegschaften koordinieren. Das können wir nicht nur den Betriebsräten Gesamtbetriebsräten und Gewerkschaftsführungen überlassen, die sehr tief in die „Partnerschaft“ mit den Bossen verstrickt sind. Das müssen also insbesondere auch die Gewerkschaftsmitglieder und Vertrauensleute tun. Dafür müssen sie auch Initiative und Ideen entwickeln. Vertrauensleute und Betriebsräte, die auf SozialpartnerInnenschaft und „Kompromisse“ mit den Bossen setzen, müssen letztlich durch klassenkämpferische KollegInnen ersetzt werden, die den Belegschaften verantwortlich sind.

Wir brauchen also:

  • Vollversammlungen in allen Betrieben und Werken, einschließlich der LeiharbeiterInnen
  • Aktionskomitees in allen Werken und Werksteilen, die von diesen gewählt, abwählbar und ihnen rechenschaftspflichtig sind
  • bundesweite und internationale Koordination
  • ein demokratisch beschlossenes Kampfprogramm gegen alle Angriffe: einschließlich Demonstrationen, Blockaden, Streiks und Besetzungen.

Die derzeitigen Angriffe finden nicht nur bei Daimler statt: Die ganze Autobranche, ja alle Sparten der Wirtschaft sind davon betroffen. Überall führen die „Lösungen“ der KonzernchefInnen zu neuen sozialen und ökologischen Katastrophen. So ist jetzt schon klar, dass das E-Auto keine Arbeitsplätze wirklich sichert und außerdem neue ökologische Probleme schafft.

Zukunft selbst in die Hand nehmen

IG Metall und Betriebsräte müssen also aufhören, immer die „Strategie“ der Konzerne mitzumachen: Sie haben am Verbrenner festgehalten, bis wir uns alle die Finger verbrannt haben. Sie haben zu Abgasbetrug geschwiegen und keine Umrüstung verlangt – alles zum Schaden der KäuferInnen. Sie waren für große Volumen statt Effizienz und Ressourcenersparnis. Und jetzt wieder die gleiche Gläubigkeit beim E-Auto!

Unsere Gewerkschaft müsste vielmehr endlich die Debatte starten, wie die Zukunft der Mobilität aussieht, wie Verkehrssysteme vernetzt, wie die verschiedenen Bedürfnisse auf dem Land und in den Metropolen ökologisch erfüllt werden können.

Die Entscheidung darüber können wir nicht dem Kapital überlassen. Solange die Profitmaximierung der Zweck der Produktion ist, werden Beschäftigte und Umwelt auf der Strecke bleiben. Daher muss die Kontrolle über die Produktion, über Forschung und Entwicklung den UnternehmerInnen entrissen werden, denn unsere Interessen als ArbeiterInnen und VerbraucherInnen sind grundsätzlich andere als jene der KapitalistInnen, ja diesen entgegengesetzt.

Um eine solche ArbeiterInnenkontrolle durchzusetzen, brauchen wir dauerhafte Macht in den Betrieben: das Recht, gegen gesundheitsgefährdende Produktion einzuschreiten, gegen Stilllegungen, Verlagerungen und Entlassungen (auch von LeiharbeiterInnen) vorzugehen. Betriebe oder Werksteile, die stillgelegt werden sollen, müssen entschädigungslos enteignet und unter ArbeiterInnenkontrolle verstaatlicht werden.

Letztlich ist eine ökologische Erneuerung des Verkehrswesens nur möglich, wenn die großen Konzerne unter Kontrolle der Beschäftigten verstaatlich werden, Forschung, Entwicklung wie überhaupt das gesamte Energie- und Transportwesen unter Kontrolle der ArbeiterInnen gestellt werden.

Dahin ist es sicher noch ein weiter Weg – aber der Kampf gegen Entlassungen, Kürzungen, Sparprogramme erfordert letztlich eine gesellschaftliche Antwort für die gesamte Autoindustrie, ja für die gesamte Wirtschaft.

Diese wird letztlich auch unserem Abwehrkampf zugutekommen, weil die Probleme, die sich für die Zukunft bei Daimler stellen, auch in den meisten anderen Betrieben und für die Gesellschaft existieren.

Wir rufen alle, die sich gegen die Angriffe der KapitalistInnen wehren wollen, auf, die Solidarität gegen diese mit der Arbeit an einer Zukunftsperspektive zu verbinden. Wir schlagen vor, ein Solidaritäts- und Aktionskomitee zu bilden, um den Abwehrkampf bei Daimler zu unterstützen.

Kontakt: gegenwehr@arbeitermacht.de




Mahle: Pandemie trifft Sparprogramm

Karl Kloß, Infomail 1101, 21. April 2020

Von der Ausbreitung des Corona-Virus ist auch der Zulieferer Mahle betroffen. Als global agierender Konzern auf fünf Kontinenten war es wenig verwunderlich, dass man von dieser Pandemie genauso erfasst wurde wie viele andere Konzerne aus der Autoindustrie. So gibt es alleine in der Stadt Wuhan, die am Anfang besonders stark betroffen war, zwei Werke. Darüber hinaus befinden sich drei weitere in der Provinz Hubei. Hier wurden von der Geschäftsführung (GF) nach dem erstmaligen Ausbruch recht schnell Reisewarnungen erlassen und an die Beschäftigten appelliert, nicht mehr in diese Region zu reisen und auf Videokonferenzen umzusteigen.

Schleppende Kommunikation

Nachdem sich jedoch das Virus immer weiter ausbreitete, war klar, dass es weitere Beschränkungen geben wird. Allerdings verlief hierbei die Kommunikation seitens der Geschäftsführung sehr schleppend. Man informierte die Beschäftigten zwar in regelmäßigen Abständen, allerdings erfolgte dies ausschließlich über eine Kommunikationsplattform im Intranet, auf die nicht jedeR Zugriff hat. Wer sich dort nicht angemeldet hat oder, wie es bei den allermeisten Beschäftigten in den Produktionswerken der Fall ist, erst gar keine Mailadresse für die Registrierung für diese Plattform besitzt, musste sich auf die Informationsbereitschaft des/r jeweiligen Vorgesetzten verlassen. Mehr als Aushänge mit den allgemeinen Verhaltens- und Hygieneregeln folgte zunächst nicht.

Erst als die ersten bestätigten Infektionsfälle mit dem Corona-Virus in der Konzernzentrale in Stuttgart und anderen Standorten in der Nähe der Landeshauptstadt auftraten, wurde dies geändert. Innerhalb eines Tages waren hier große Bereiche wie ausgestorben, da fast alle Beschäftigten ins Home Office bzw. mobil arbeiten gingen. Nach weiteren ca. 1,5 Wochen entschied der eigens eingerichtete Krisenstab, dass der Betrieb vom 23. März bis zunächst 5. April unterbrochen wird, ehe am 31. März Kurzarbeit mit dem Betriebsrat in Stuttgart vereinbart und beim Arbeitsamt angemeldet wurde. An den restlichen Standorten in Europa gilt weiterhin die Betriebsunterbrechung bis mindestens 19. April. Auch in Nord- und Südamerika, in Südafrika und Indien gilt seit dem 31. März eine Betriebsunterbrechung. In China hingegen wurden der Hauptsitz der Mahle Holding und das Forschungszentrum in Shanghai bereits ab dem 10. Februar wieder schrittweise geöffnet. Inzwischen hat rund die Hälfte aller chinesischen Werke wieder den Betrieb aufgenommen,  Ausnahmen bilden nur noch die in der Provinz Hubei. In Japan und auch in Südkorea wird ebenfalls wieder produziert, wenn auch unter eingeschränkten Bedingungen ähnlich wie in China.

Gleiches Recht für alle?

Doch nicht in allen Werken einigte man sich so schnell wie in der Konzernzentrale in Stuttgart. Dazu zwei Beispiele: Zwar gibt es etwa in den Werken in Lorch und Neustadt an der Donau ebenfalls Kurzarbeit, allerdings mit unterschiedlichen Zeiträumen und zu unterschiedlichen Bedingungen. Die Beschäftigten in Lorch erhalten zwar weiter die tariflichen Zahlungen (Aufzahlung auf das Kurzarbeitergeld bis 80,5 % vom Nettolohn), die Kurzarbeit wurde jedoch bis zum 31. März 2021 (!), also für ein ganzes Jahr, beim Arbeitsamt angemeldet.

Begründet wurde der extrem lange Zeitraum damit, dass man seit Jahresbeginn Beschäftigungsprobleme habe und durch die Pandemie nicht absehbar sei, welche Folgen daraus resultieren. Das Arbeitsamt argumentierte außerdem, dass es einfacher wäre, einmal für einen längeren Zeitraum als zweimal für kürzere Zeiträume Kurzarbeit zu beantragen. Das sind allerdings nur Scheinargumente. In Wirklichkeit geht es um etwas anderes. Die Geschäftsführung will einen so langen Zeitraum nutzen, um härtere Maßnahmen in aller Ruhe, also wenn die Beschäftigen nicht im Betrieb und vereinzelt sind, vorbereiten zu können.

In Neustadt an der Donau wiederum wurde Kurzarbeit vom 6. April bis 30. Juni angemeldet und hierbei der bayerische Tarifvertrag unterlaufen. Dort erhalten die Beschäftigten nur das gesetzliche Kurzarbeitergeld zwischen 60 und 67 % des Nettolohns ohne Aufzahlung, obwohl dies laut Tarifvertrag durchaus möglich wäre, da auch der IG Metallbezirk Bayern sowie der Arbeit„geber“Innenverband VBM diese Regelung in den Tarifvertrag aufgenommen haben. Angeblich hatte die dortige Personalleitung das so begründet: Hätte man statt Kurzarbeit 21 Tage Urlaub bzw. Überstunden für die Belegschaft für den Monat April zahlen müssen, wäre der Standort pleite gewesen. Das ist allerdings eine merkwürdige Behauptung, da Mahle als Konzern insgesamt über Kapital verfügt und nicht jeder einzelne Standort für sich. Jeder Standort muss für jede Ausgabe dies bei der Zentrale beantragen und dann wiederum alle Erträge abführen.

Doch längst nicht für alle gilt auch tatsächlich, dass sie zu 100 % in Kurzarbeit geschickt werden: Je nach dem, wie die/der jeweilige Vorgesetzte in Absprache mit dem Betriebsrat entscheidet, wird ein Teil der Belegschaft herangezogen, damit die Produktion weiter läuft und Umsatz gemacht wird. Zudem ist es möglich, dass Beschäftigte, die an wichtigen und zeitkritischen Kundenprojekten arbeiten, von eben dieser Kurzarbeit ebenfalls ausgenommen werden können (z. B. IngenieurInnen, technische ZeichnerInnen, Beschäftigte aus dem Controlling …). Diese werden dann als „Notbesetzung“ eingesetzt und arbeiten zumeist im Home Office.

Was kommt, wenn die Pandemie abflaut?

Was aber auf jeden Fall kommen wird, ist die Zeit, in der sowohl die Produktion wie auch der Verwaltungsbetrieb wieder anlaufen werden. Hierbei entscheidet die Geschäftsführung alleine, wie genau der Produktionsanlauf und die Wiederaufnahme des Verwaltungsbetriebs aussehen sollen. Das kann ein Problem werden.

Bei Mahle läuft seit dem Mai vergangenen Jahres ein Sparprogramm, bei dem global mehrere tausend Arbeitsplätze abgebaut werden sollen und etlichen Werken die Schließung droht. So sollen bis zum Ende diesen Jahres die Werke in Öhringen, Foetz (Luxemburg) und der Werksverbund La Loggia/Saluzzo (Italien) geschlossen werden. Telford (Großbritannien) wurde schon dichtgemacht. Auch außerhalb Europas werden Arbeitsplätze abgebaut, so etwa in Charleston (USA) oder auch in einigen brasilianischen Werken. Nicht zu vergessen die Ankündigung der Geschäftsführung, dass alle Werke des Geschäftsbereichs „Verbrennungsmotoren“ als „kritische Standorte“ gelten.

Der Vorsitzende der Geschäftsführung, Dr. Stratmann, behauptet zwar, sie handele aus Verantwortung für die Belegschaft und Gesellschaft, wenn alle Mitarbeitenden Abstand halten, Kontakte reduzieren und, wo immer möglich, ganz vermeiden. Allerdings sieht man bei den Werken, die fast in Komplettauslastung produzieren, dass es im entscheidenden Moment vor allem um eines geht: die Profite. Das merkt man vor allem dann, wenn er sagt, dass pro Woche Stillstand bei den AutoherstellerInnen eine Million weniger PKWs produziert und dies dann Umsatzverluste in Milliardenhöhe für Mahle bedeuten würde. Bei der Aufforderung, Abstand zu halten, und der Verpflichtung zum Tragen von Masken und Benutzen von Desinfektionsmitteln geht es letztlich nicht um die Gesundheit der Beschäftigten, sondern darum, diese möglichst rasch wieder voll arbeiten zu lassen, also ausbeuten zu können.

Nach dem der Produktionsstillstand in Europa anfangs nur auf zwei Wochen begrenzt war, wurde dieser inzwischen bis zum 19. April verlängert und die Geschäftsführung wird nun jedes einzelne Werk sehr genau unter die berühmte Lupe nehmen, sobald der Betrieb wieder aufgenommen werden soll. Sie wird vermutlich versuchen, manche ohnedies auf der Abschussliste stehende Werke oder Abteilungen gar nicht mehr in Betrieb zu nehmen.

Dafür kann sie die Kurzarbeit ausnutzen, wenn eine lange Laufzeit mit dem jeweiligen Betriebsrat vereinbart worden ist. Wenn das der Fall ist, müssen die Betriebsräte unbedingt sofort die Betriebsversammlungen nachholen, die ausgefallen sind, um die ganze Belegschaft in den Betrieb zu holen. Nicht nur um zu informieren, schon gar nicht um zu jammern, sondern um ein gemeinsames Verteidigungskonzept zu beschließen!

Ein ähnliches Szenario droht in den Stuttgarter Zentralen, wo letztes Jahr der Abbau von 385 Arbeitsplätzen angekündigt worden war. Die so genannten „weichen“ Maßnahmen wie Abfindungen und Altersteilzeit haben bei weitem nicht zu den Zielen der Vorgesetzten geführt. Daher ist zu befürchten, dass das Management in jeder Abteilung entscheidet, wer wieder arbeiten darf und wer nicht. Die einen werden gleich überlastet, die anderen rausgemobbt.

Dagegen hat sich der Betriebsrat in Feuerbach bei Stuttgart gewendet und durchgesetzt, dass die Verteilung der Kurzarbeit in den Abteilungen gleichmäßig sein soll und der Betriebsrat die Listen genehmigen muss. Das ist ein richtiger Schritt, der seitens der Personalleitung auf heftigen Widerstand stieß. Leider haben nur wenige Betriebsratsgremien so gehandelt. Offensichtlich wurde das auch nicht vom Gesamtbetriebsrat oder der IG Metall in diese Richtung koordiniert.

Aber eine echte Kontrolle kann nur funktionieren, wenn die Betriebsratsmitglieder nicht am grünen Tisch Listen bearbeiten, sondern die Abteilungen und deren Vertrauensleute einbeziehen und ihnen die Entscheidungen vorlegen. Auf dieser Grundlage müssen die Beschäftigten und die gewerkschaftlichen Vertrauensleute für die Betriebsräte bindende Beschlüsse fällen, denn letztlich wissen nur sie, was wirklich in jeder Abteilung gespielt wird und was hinter den Argumenten der jeweiligen Vorgesetzten steckt.

Aktiv für unsere Zukunft

In der Corona-Krise zeigt sich wieder einmal, dass die Geschäftsführung leichtes Spiel hat, wenn Betriebsräte jeder für sich handeln, wenn sie einfach der Geschäftsführung nachgeben oder gar verzichten wie in Neustadt.

Es führt aber auch nicht weiter, wenn die Beschäftigten passiv bleiben und höchstens etwas schimpfen. Bald wird die Epidemie vorbei sein und die schönen Appelle an Gemeinsamkeit werden verhallen. Dann wird es seitens der Geschäftsführung heißen, dass Opfer und Einschnitte nötig sind – bei uns.

Es gibt Alternativen zum ständigen Abbau. So ist plötzlich sogar möglich, dass Mahle Atemschutzmasken produziert! Dabei wurde noch letztes Jahr Öhringen verweigert, andere Produkte herzustellen. Dann kam das Signal zum Dichtmachen. Die KollegInnen, die die Idee für Schutzmasken hatten, haben sicher noch andere Ideen! Über solche müssen die Beschäftigten entscheiden, die Betriebsräte und Vertrauensleute – dann gibt es eine Zukunft für Öhringen und die anderen bedrohten Arbeitsplätze! Schluss mit dem Abbaukurs der Geschäftsführung!

Die Vertrauensleute, Betriebsräte und die IG Metall müssen in den arbeitenden Werken Abteilungs- und Belegschaftsversammlungen organisieren. In den Betrieben, die stillstehen, können diese auch online durchgeführt werden. Dabei muss darüber diskutiert werden, wie die laufenden und kommenden Angriffe, wie der drohende massive Personalabbau im gesamten Konzern – also nicht nur in Deutschland, sondern weltweit – bekämpft werden können. Angesichts des Kürzungsprogramms des Konzerns werden Besetzungen betroffener Werke und Solidaritätsstreiks in allen anderen notwendig werden. Darauf müssen die Beschäftigen vorbereitet werden, dafür müssen klassenkämpferische GewerkschafterInnen Druck machen.

Der einzige Ausweg ist, sich jetzt schon auf Widerstand vorzubereiten – bei Mahle und anderswo!