Zur politischen Ökonomie der Reproduktionsarbeit

Aventina Holzer / Martin Suchanek, Fight! Revolutionäre Frauenzeitung 11, März 2023

Die gegenwärtige Krise ist auch eine der sozialen Reproduktion. Die Angriffe auf das Gesundheitswesen, Erziehung, Bildung und Altersvorsorge und die damit verbundene Ausdehnung privater, nach wie vor allem von Frauen geleisteter privater Hausarbeit rücken auch ins Zentrum des Klassenkampfes. Beschäftige in den Krankenhäusern, Erzieher:innen und Lehrer:innen streiken, spielen eine größere, mitunter sogar eine Vorreiter:innenrolle im Klassenkampf. Millionen gehen gegen Angriffe auf die Renten auf die Straße. Die Frauen*streiks der letzten Jahre thematisieren die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung. Kein Wunder also, dass die Frage nach dem Verhältnis von Produktion und Reproduktion, von kapitalistischer Mehrwertproduktion und Reproduktionsarbeit auch wieder ins Zentrum theoretischer Diskussion und Theoriebildung gerückt ist. Im Folgenden wollen wir grundlegende Momente einer marxistischen Analyse darlegen.

Das Verhältnis von Produktion und Reproduktion wird vom radikalen wie auch sozialistischen Feminismus als wunder Punkt der Marx’schen Theorie angesehen. Marx und Engels hätten dazu allenfalls Ansätze geliefert, wären aber letztlich blind für die  Unterdrückung der Frauen sowie andere Unterdrückungsverhältnisse gewesen. Seit der zweiten Welle des Feminismus beschäftigen sich verschiedene Theoretiker:innen mit der Reproduktionssphäre und sie versuchen dabei, Alternativen aufzuzeigen, die Marx vernachlässigt hätte.

Feministische Kritiken

So bestimmen Mariarosa Dalla Costa und Selma James das Verhältnis der proletarischen Frau zum proletarischen Mann als Ausbeutungsverhältnis. Die unbezahlte Arbeit im Haushalt betrachten sie als produktive Arbeit, als Produktion von Mehrwert, womit sie auch ihre Forderung nach Lohn für Hausarbeit begründen.

An Rosa Luxemburgs Imperialismustheorie anknüpfend, betrachteten die Autorinnen der Bielefelder Schule (Maria Mies, Veronika Bennholdt-Thomsen und Claudia von Werlhof) Haus- und Subsistenzarbeit als fortdauerndes Äußeres der kapitalistischen Produktionsweise. Die Ausbeutung der Hausfrauen und Bäuerinnen wird für sie zur Voraussetzung für die Kapitalakkumulation selbst. Daher erscheinen nicht die Lohnarbeiter:innen, sondern die in diesen „Produktionsweisen“ Tätigen, die Opfer einer permanenten ursprünglichen Akkumulation, als das revolutionäre Subjekt. Bis heute fließt diese Vorstellung in die feministische Diskussion ein, z. B. bei Silvia Federici, die einen Teil ihrer theoretischen Grundlagen aus dieser Tradition, vor allem von Maria Mies, übernimmt.

Diese Konzeptionen blieben innerhalb der marxistisch orientierten Frauenforschung und selbst im sozialistischen Feminismus keineswegs unwidersprochen. So weisen z. B. Ursula Beer in „Geschlecht, Struktur, Geschichte“ oder Lise Vogel in „Marxismus und Frauenunterdrückung“ nach, dass viele der radikal- und sozialistisch feministischen Kritiken den Marx’schen Kategorien einen anderen Sinn unterschieben – und diesen dann kritisieren – oder überhaupt nicht erst versuchen, an der Kritik der politischen Ökonomie begrifflich anzuknüpfen.

Autor:innen wie Lise Vogel versuchen hingegen, eine „einheitliche Theorie“ der Produktion und Reproduktion zu entwickeln. Sie gehen dabei mit Marx davon aus, dass in der kapitalistischen Produktionsweise geschichtlich wie logisch die Produktion die Reproduktion bestimmen muss. Ihre Theorie scheitert dabei nicht am Bezug auf Marx, wohl aber an ihrer strukturalistischen Lesart des Marxismus und damit einhergehend an Zugeständnissen an die Vorstellung einer klassenübergreifenden Bewegung aller Frauen, der proletarischen, kleinbürgerlichen und auch bürgerlichen.

Die von Vogel mitbegründete Social Reproduction Theory (Theorie der sozialen Reproduktion) stellt heute einen wichtigen Begründungszusammenhang für den linken Flügel des Feminismus dar, wie z. B. die Autorinnen von „Feminismus der 99 %“ (Cinzia Arruzza, Tithi Bhattacharya, Nancy Fraser). Im Vergleich zu Vogel leisten sie auf theoretischem Gebiet allerdings Rückschrittliches. Wie frühere Autor:innen werfen sie dem Marxismus vor, die Bedeutung der Reproduktion zu unterschätzen.

Ihm wird ein angeblich verkürzter Klassenbegriff unterschoben. Zugleich wird die Sphäre der Reproduktion (im Gegensatz zu Vogel) faktisch als eigene Produktionsweise begriffen, die als gleichwertig oder sogar übergeordnet zum Verhältnis Kapital – Arbeit aufgefasst wird. Wie schon bei früheren feministischen Kritiken fällt diese begrifflich oft sehr unpräzise und moralisierend aus (z. B. wenn es um die Bestimmung von notwendiger und Mehrarbeit oder produktiver und unproduktiver Arbeit geht).

In früheren Beiträgen in der Zeitschrift Fight und im Revolutionären Marxismus haben wir uns mit oben genanten Theorien beschäftigt. Im Folgenden wollen wir, an Marx anknüpfend, das Verhältnis von Produktion und Reproduktion analysieren, seine historische Entwicklung nachzeichnen und auf die aktuellen krisenhaften Tendenzen der Reproduktion eingehen.

1. Wert- und gebrauchswertseitige Vermittlung der Reproduktionsarbeit

Insbesondere in den Kapiteln über den Akkumulationsprozess im Kapital Band I verweist Marx darauf, dass in jeder Gesellschaftsformation Produktion und Reproduktion eng verzahnt sind, sie im Gesamtzusammenhang betrachtet werden müssen.

„Die Bedingungen der Produktion sind zugleich die Bedingungen der Reproduktion. Keine Gesellschaft kann fortwährend produzieren, d. h. reproduzieren, ohne fortwährend einen Teil ihrer Produkte in Produktionsmittel oder Elemente der Neuproduktion rückzuverwandeln. Unter sonst gleichbleibenden Umständen kann sie ihren Reichtum nur auf derselben Stufenleiter reproduzieren oder erhalten, indem sie die, während des Jahres z. B., verbrauchten Produktionsmittel, d. h. Arbeitsmittel, Rohmateriale und Hilfsstoffe, in natura durch ein gleiches Quantum neuer Exemplare ersetzt, welches von der jährlichen Produktenmasse abgeschieden und von neuem dem Produktionsprozeß einverleibt wird.“ (Marx, Das Kapital, Band I, MEW 23, S. 591)

Marx bestimmt hier einerseits grundlegende Bedingungen der Reproduktion, die für alle Gesellschaftsformationen gelten, nämlich dass Arbeit verrichtet werden muss, um Produktionsmittel (PM) zu erneuern und die Arbeitskraft (AK) wiederherzustellen. Wollen wir jedoch die jeweiligen Beziehungen zwischen Produktion und Reproduktion verstehen, reicht es nicht, bei dieser abstrakten, allgemeinen Vorstellung zu verbleiben, sondern es muss das Verhältnis betrachtet werden, das diese beiden Sphären in unterschiedlichen Gesellschaftsformationen annehmen. Marx betrachtet Reproduktion dabei von zwei Seiten:

a) Reproduktion des Kapitals (Kapitalkreislauf)

Alle Bedingungen der Produktion (PM und AK) müssen als Waren gekauft werden.

Im Produktionsprozess P werden sie genutzt, um neue Ware (W‘) herzustellen. Dabei übertragen die PM einen Wertanteil an das Produkt, die Arbeitskraft konsumiert die PM, indem es sie in Bewegung setzt und umformt. Sie verrichtet Arbeit und überträgt dabei nicht nur Neuwert auf das Produkt, das dem Wert der Ware AK entspricht, sondern zusätzlichen Wert – Mehrwert –, den sich der/die Kapitalist:in aneignet. Die AK produziert und reproduziert also im Akkumulationsprozesses das Kapital.

In der von Marx zuerst betrachteten einfachen Reproduktion eignet sich der/die Kapitalist:in den Mehrwert zur Gänze an und verausgabt ihn für seine/ihre eigenen Bedürfnisse, also unproduktiv, weil er nicht zur Vermehrung das Kapitals verwendet wird.

Der eigentlich typische Fall für den kapitalistischen Produktionsprozess ist natürlich, dass möglichst viel Mehrwert angeeignet wird, um als zusätzliches Kapital verwertet zu werden, die sog. erweiterte Reproduktion. Dieser Prozess kann als Kreislauf des Kapitals dargestellt werden, als dessen Produktions- und Reproduktionsprozess, weil am Ende das in Geldform G in den Prozess eingetretene Kapital diesen erneut und auf erweiterter Stufenleiter, als G’, durchlaufen kann:

G – W (PM/AK) – P – W‘ – G‘

Legende: AK: Arbeitskraft; PM: Produktionsmittel; W: Ware; W´: Neue, im Produktionsprozess geschaffene Ware; C: Kapital (konstantes + variables); M: Mehrwert; P: Produktion bzw. Produktionsprozess, G: Geld

Arbeit, die in einem solchen Prozess verwertet wird, also einen Mehrwert fürs Kapital schafft, nennt Marx produktive Arbeit (im Gegensatz zur unproduktiven). Sie ist produktiv, weil sie nicht nur bestehenden Wert ersetzt, sondern Mehrwert für ein Kapital schafft, also zu einer erweiterten Reproduktion beiträgt.

b) Doppelte Art der Konsumtion der Arbeitskraft

Marx verdeutlicht, dass das Kapital im Produktionsprozess die Arbeitskraft konsumiert. Dabei wird das Kapital beständig reproduziert als Produkt der entfremdeten, vom Kapitalist angeeigneten Arbeit. Zugleich wird so beständig auch die Arbeitskraft produziert.

„Der Arbeiter selbst produziert daher beständig den objektiven Reichtum als Kapital, ihm fremde, ihn beherrschende und ausbeutende Macht, und der Kapitalist produziert ebenso beständig die Arbeitskraft als subjektive, von ihren eignen Vergegenständlichungs- und Verwirklichungsmitteln getrennte, abstrakte, in der bloßen Leiblichkeit des Arbeiters existierende Reichtumsquelle, kurz den Arbeiter als Lohnarbeiter.“ (MEW 23, S. 596)

Mit anderen Worten: Sobald sich die kapitalistische Produktionsweise durchgesetzt hat, müssen die Lohnarbeiter:innen ihre Arbeitskraft verkaufen, um überhaupt die Mittel für ihre Reproduktion kaufen zu können. Geschichtlich geht dem ein gewaltsamer, blutiger Prozess der ursprünglichen Akkumulation voraus, indem Verhältnisse durchgesetzt werden, die den Lohnsklav:innen jede andere Form der Sicherung ihrer Existenz verunmöglichen. Doch einmal etabliert, bringt das Kapitalverhältnis auch die spezifisch kapitalistische Form der Reproduktion der Arbeiter:innenklasse hervor, während Männer wie Frauen der herrschenden Klasse von der Ausbeutung der Arbeit anderer leben. Daher unterscheidet sich auch ihre Reproduktion grundlegend von der der lohnabhängigen Klasse. Die Reproduktionsarbeit für die herrschende Klasse muss nicht von den Frauen dieser Klasse erledigt werden, sondern wird von Frauen (oder auch Männern) aus der Arbeiter:innenklasse verrichtet.

Jedenfalls ist die Konsumtion des/der Lohnarbeiter:in doppelter Art:

1. Produktive Konsumtion

Der/die Arbeiter:in konsumiert im Produktionsprozess Produktionsmittel und produziert so Mehrwert, vermehrt das Kapital.

2. Individuelle Konsumtion

Der/die Arbeiter:in konsumiert Lebensmittel, die mit dem Arbeitslohn gekauft werden.

In der Analyse betont Marx zuerst die Verschiedenheit der beiden Prozesse. Betrachten wir nämlich die beiden Formen der Konsumtion als individuelle Verhältnisse zwischen Arbeiter:in und Kapitalist:in, so scheint es sich um sehr verschiedene, voneinander getrennte Bereiche zu handeln:

„In der ersten handelt er (der Arbeiter; Anm. der Redaktion) als bewegende Kraft des Kapitals und gehört dem Kapitalisten; in der zweiten gehört er sich selbst und verrichtet Lebensfunktionen außerhalb des Produktionsprozesses. Das Resultat der einen ist das Leben des Kapitalisten, das der andern ist das Leben des Arbeiters selbst.“ (MEW 23, S. 596 f.)

Marx geht aber weiter. Die Sache sieht sehr viel anders aus, wenn wir nicht einzelne Kapitalist:innen – Arbeiter:innen, sondern das Klassenverhältnis von Kapital und Arbeit betrachten.

Betrachten wir die individuelle Konsumtion vom Standpunkt Einzelner, so erscheint diese als gänzlich verschieden von der produktiven Konsumtion. In der Produktion muss die Arbeitskraft für andere schuften, im privaten Bereich, der individuellen Konsumtion, kann sie frei über ihr Geld verfügen, scheinbar kaufen, was sie will. Es herrscht Freiheit. Dies wird durch die Geldform des Arbeitslohns, im Grunde durch den Geldfetisch, noch zusätzlich verstärkt, weil es so scheint, als ob’s eine beliebige, freie Entscheidung des einzelnen Arbeiter/der einzelnen Arbeiterin wäre, ob er/sie dies oder jenes für sein/ihr Entgelt kauft.

Betrachten wir jedoch den Gesamtprozesse, so erweist sich dies als Ideologie, als Fiktion, wenn auch eine sehr wirkmächtige Apologie der verallgemeinerten Warenproduktion.

In Wirklichkeit reproduziert jene Freiheit selbst noch das Kapitalverhältnis. Betrachten wir nämlich die individuelle Konsumtion in ihrer Gesamtheit, also als Klassenverhältnis von Kapital und Arbeit, so erweist sich die Reproduktion der Arbeitskraft als sich ständig reproduzierender Teil des Gesamtprozesses der Produktion und Reproduktion des Kapitals.

Dies ist unvermeidlich, weil Letztere immer über den Kauf/Verkauf von Waren vermittelt und so an den Akkumulationsprozess des Kapitals gebunden und diesem untergeordnet bleiben muss.

„Innerhalb der Grenzen des absolut Notwendigen ist daher die individuelle Konsumtion der Arbeiterklasse Rückverwandlung der vom Kapital gegen Arbeitskraft veräußerten Lebensmittel in vom Kapital neu exploitierbare Arbeitskraft. Sie ist Produktion und Reproduktion des dem Kapitalisten unentbehrlichsten Produktionsmittels, des Arbeiters selbst. Die individuelle Konsumtion des Arbeiters bleibt also ein Moment der Produktion und Reproduktion des Kapitals, ob sie innerhalb oder außerhalb der Werkstatt, Fabrik usw., innerhalb oder außerhalb des Arbeitsprozesses vorgeht, ganz wie die Reinigung der Maschine, ob sie während des Arbeitsprozesses oder bestimmter Pausen desselben geschieht.“ (MEW 23, S. 597)

Ferner: „Die beständige Erhaltung und Reproduktion der Arbeiterklasse bleibt beständige Bedingung für die Reproduktion des Kapitals. Der Kapitalist kann ihre Erfüllung getrost dem Selbsterhaltungs- und Fortpflanzungstrieb der Arbeiter überlassen.“ (MEW 23, S. 597 f.)

An dieser Stelle setzt die feministische Kritik ein, weil Marx diesen Aspekt nicht weiter ausgeführt hätte. Das stimmt zwar zu einem gewissen Grad. Die Kritik verkennt jedoch, dass Marx hier nicht etwas abbricht, sondern vielmehr zu einer Schlussfolgerung kommt, die sich aus dem Obigen und den Reproduktionsbedingungen der Ware Arbeitskraft ableitet.

Die Arbeiter:innen sind zur eigenen Reproduktion gezwungen, weil sie selbst Lohnarbeiter:innen sind, ihre Arbeitskraft aus „Selbsterhaltungstrieb“ verkaufen müssen. Das Kapital kann daher getrost die Sorge um die Reproduktion der Arbeitskraft externalisieren.

Die Reproduktion kann als „frei“ erscheinen, was durch die „freie“ Arbeit, Arbeitskontrakt usw. bestärkt wird. In Wirklichkeit ist diese Freiheit jedoch gesellschaftlicher Schein, Ideologie. Oder in Marx’ Worten:

„Von gesellschaftlichem Standpunkt ist also die Arbeiterklasse, auch außerhalb des unmittelbaren Arbeitsprozesses, ebenso Zubehör des Kapitals als das tote Arbeitsinstrument.“ (MEW 23, S. 598)

Es ist also ein Fehler, dabei stehen zu bleiben, die produktive und individuelle Konsumption nur aus individueller und nicht aus gesellschaftlicher Sicht zu betrachten. Das führt nämlich unweigerlich zu einer mechanischen, unvermittelten Aufspaltung zwischen produktiver und reproduktiver Sphäre, die so nicht existiert.

c) Produktions- und Reproduktionskreislauf

Die Unterordnung von Konsum/Reproduktionskreislauf der Arbeitskraft unter den des Kapitals wird auch deutlich, wenn wir diese einander gegenüberstellen. Erinnern wir uns zuerst an den Produktionskreislauf des Kapitals:

G – W (PM, AK) – P – W‘ – G‘

Dieser stellt das Wesen, weil Zweck der Produktion im Kapitalismus dar. Es findet also Anhäufung von Kapital, von kapitalistischem Reichtum statt; der Zweck der Produktion besteht in der Produktion von Mehrwert.

Die Reproduktion der Arbeitskraft lässt sich knapp so darstellen:

G (Arbeitslohn in Geldform) – W (Konsumgüter) – Reproduktion – W’ (AK) – G

Der Arbeitslohn, den die Arbeitskraft als Geld erhält, muss in Waren W (Konsumgüter, Mittel zum Lebensunterhalt ausgegeben werden). Es wird sodann konsumiert, verzehrt (inkl. stofflicher Umwandlung durch Hausarbeit wie Kochen, … ). Am Ende wird die Ware W’ (Arbeitskraft) reproduziert, die wieder zu ihrem Wert/Preis verkauft wird.

Es entsteht hier kein zusätzlicher Wert, sondern es werden nur Wertbestandteile reproduziert. Die Arbeitskraft geht durch den Reproduktionsprozess und verlässt ihn so, wie sie in ihn hineintritt, um wieder ihre Haut zu Markte tragen zu können, um also erneut die Summe G, die ihren Reproduktionskosten entspricht, erhalten zu können. Die Reproduktionsarbeit (ob nun private Hausarbeit oder öffentliche Arbeit wie an Schulen) erhält nur die Arbeitskraft, sie schafft aber unter diesen Bedingungen keinen Mehrwert.

Das trifft auch auf die Arbeiter:innenklasse insgesamt zu, denn der gesamte Lohnfonds (Gesamtsumme aller Löhne wie auch aller staatlichen oder sozialversicherungsrechtlichen Lohnersatzleistungen, des „Soziallohns“, usw.) entspricht im Grunde nur den Reproduktionskosten der Gesamtklasse, also aller ihrer Mitglieder (lohnarbeitende Männer und Frauen, Teilbeschäftigte, im Haushalt Tätige, Kinder, Rentner:innen, Kranke, … ).

Bei der Bestimmung des Werts der Ware Arbeitskraft betrachtet Marx auch alle diese Personen als Teil der Gesamtklasse. Allein das zeigt, wie albern die Kritik an ihm ist, dass er nur die produktiven Arbeiter:innen in der Fabrik betrachten würde. Der gesamte Lohnfonds inkludiert wie die Preisbestimmung der Ware Arbeitskraft selbst (im Unterschied zu anderen Waren) auch eine historische, „moralische“ Komponente, die selbst vom Klassenkampf modifiziert wird.

Wichtig ist aber, dass der größte Teil der Reproduktionsarbeit/-kosten dazu da ist, die Arbeitskraft zu erhalten (gesamtes Gesundheitswesen, Kosten, Wohnung, Heizung, … ). Während diese relativ konstant bleiben, so erhöhen sich mit Entwicklung des Kapitalismus die Bildungskosten, also Kosten zur Erhöhung des Arbeitsvermögens der Arbeitskraft, so dass diese statt Träger einfacher gesellschaftlicher Arbeit zu sein, auch solche zusammengesetzter, komplizierter wird.

Arbeiten im öffentlichen Reproduktionsbereich gehen natürlich in den Durchschnittswert der Ware Arbeitskraft ein. Die Kosten für Gebäude, Arbeitsmittel usw. sowie für die Bezahlung der Arbeitskräfte in diesem Bereich führen zu einer Erhöhung oder Senkung des Durchschnittswerts der Ware Arbeitskraft (z. B. wenn die Kosten für Erziehung, Bildung, Lebensmittel usw.) steigen oder fallen. Aber im staatlich/öffentlich organisierten Reproduktionssektor wird keine Mehrarbeit verrichtet, die sich das Kapital in Form von Mehrwert aneignet. Erst recht findet das nicht in der privaten Hausarbeit statt.

Anders verhält es sich, wenn Teile des Reproduktionsprozesses privatkapitalistisch organisiert werden, beispielsweise wenn Krankenhäuser oder Schulen privatisiert und zum Zweck der Profitmaximierung, als stinknormales Geschäft betrieben werden. Lassen wir einmal die Probleme beiseite, den Wert der Waren genau zu bestimmen, festzulegen, wie verschiedene „Produkte“ im Gesundheitsbereich oder im Bildungssektor vergleichbar und bepreist werden können, so besteht nun der entscheidende Zweck der Reproduktionsarbeit für den/die Kapitalist;in darin, Profit zu erwirtschaften, was, wie wir alle aus Erfahrung wissen, bis zu einem gewissen Grad im Widerspruch zur Reproduktion der Arbeitkraft (z. B. von Patient:innen) steht.

Doch zurück zur Wertbildung der Arbeitskraft und zu deren Reproduktion.

Jede Arbeitskraft, die im privaten Haushalt oder im staatlichen Caresektor reproduktiv tätig wird, muss ihrerseits reproduziert, erhalten werden. Das heißt, diese Kosten gehen wie die zur Herstellung jeder anderen Arbeit in den Wert der Arbeitskraft ein.

D. h., auf die private Hausarbeit bezogen, geht diese im gesellschaftlichen Durchschnitt in den Wert der Ware Arbeitskraft ein (resp. auch in den Wert zukünftiger Arbeitskraft und die Reproduktion des gesamten Haushaltes).

Die Erhaltungskosten zur Reproduktion gehen ebenso in die Reproduktionskosten der Arbeitskraft ein wie die Kosten der Lebensmittel, der Haushaltsgeräte usw. Das heißt umgekehrt auch, die Reproduktionskosten für die Hausarbeit (ob nun mehr oder minder gerecht verteilt oder auf die Frau abgewälzt) müssen bestritten werden. Ebenso trifft das auch auf die (noch) nicht arbeitenden Familienmitglieder zu.

Der entscheidende Unterschied zum Kapitalkreislauf besteht darin, dass hier kein Mehrprodukt, damit auch kein Mehrwert geschaffen wird, den sich jemand außerhalb der Familie aneignen würde.

Im Grunde trifft das auch zu, wenn größer werdende Teile der Reproduktionsarbeit staatlich oder gesellschaftlich organisiert werden („Soziallohn“), also für staatliche Schulen, Kitas, Unis, Krankenhäuser, Altersheime. Solange die für diese Tätigkeiten aufgewandten Mittel nicht als Kapital fungieren, also nicht investiert werden, um Profit abzuschöpfen, sondern als staatlicher/sozialer Dienst, werden sie aus Lohnbestandteilen (z. B. Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung) oder über Steuern (mit historisch wechselnden Anteilen verschiedener Klassen), also staatlich finanziert.

Dem Kapital erscheint daher diese gesellschaftlich notwendige Arbeit immer als faux frais, als überschüssige Kosten der Produktion, als Abzug vom Gesamtprofit. Sie können nie knapp genug bemessen sein. Genau genommen ist dies der Standpunkt des konkurrierenden Einzelkapitals.

Vom Standpunkt der Gesamtkapitals und seiner Reproduktionsbedingungen sind sie keineswegs unnütz, ja essentiell. Das wissen auch einzelne Kapitalist:innen, wenn ausnahmsweise die Arbeiter:innen in einer günstigen Position sind oder wenn Mangel an Arbeitskraft droht. Dann wird nach Maßnahmen zur Überwindung solcher Arbeitsmarktkrisen gerufen.

In jedem Fall sind die Reproduktionskosten der Gesamtklasse bei einem bestimmten Entwicklungsstadium des Kapitalismus für ein bestimmtes gesellschaftliches Gesamtkapital mehr oder weniger gegeben.

d) Erweiterte Reproduktion

Ihre Entwicklung ist grundsätzlich bestimmt von der Akkumulationsbewegung des Kapitals.

Diese beinhaltet aber nicht nur eine Bestimmung für eine Phase der Entwicklung, sondern auch ein dynamisches Element.

Die erweiterte Reproduktion des Kapitals bedeutet schließlich nicht einfach eine quantitative Erweiterung, sondern geht, vermittelt über die Konkurrenz, mit einer stetigen Erneuerung des Produktionsapparates, eine Revolutionierung der technischen Basis der Produktion einher. Diese führt nicht nur zu einer wachsenden organischen Zusammensetzung des Kapitals und zu einem tendenziellen Fall der Profitrate.

Die erweiterte Reproduktion des Kapitals wirkt auch auf die Reproduktion der Arbeitskraft zurück, sobald und sofern der Wert der Konsumgüter der Arbeiter:innenklasse infolge von Produktivitätssteigerungen sinkt. Die Industrialisierung der Landwirtschaft, die industrielle Massenproduktion von Lebensmitteln oder Haushaltsgeräten und anderen Gegenständen des täglichen Bedarfs (Elektronik), die Verringerung von Transportkosten oder Massenverkehrsmitteln führen zur Reduktion des Werts der Ware Arbeitskraft. Infolge von Wertsenkungen der Konsumgüter ermöglichen sie in bestimmten Perioden der kapitalistischen Entwicklung (z. B. im sog. langen Boom), dass die Menge der Gebrauchswerte/Güter, die die Arbeiter:innen konsumieren können, konstant bleibt oder sogar zunimmt, obwohl der Wert der Ware Arbeitskraft sinkt.

Diese Form der Erhöhung des (relativen) Mehrwerts und ihre Verstrickung mit den Reproduktionskosten verdeutlichen, dass die Bestimmung der Reproduktion durch die Produktion nicht nur ein grundlegendes Merkmal des Kapitalismus darstellt, sondern diese im Zuge der kapitalistischen Entwicklung auch immer mehr um sich greift, immer totaler wird.

Zugleich führt diese Verbindung dazu, dass, historisch betrachtet, auch die Reproduktionsarbeit immer mehr vergesellschaftet wird, wenn auch für private, bornierte Zwecke. In Krisen gestaltet sich dieser Prozess insofern prekärer, als erreichte Stadien von Vergesellschaftung selbst in Frage gestellt werden, also sich eine Tendenz zur Regression manifestiert.

e) Reproduktion und geschlechtliche Ungleichheit

Die geschlechtlich ungleiche Verteilung der Reproduktionsarbeit kann dabei nicht nur aus biologischen Faktoren erklärt werden. Sie muss grundsätzlich aus der historischen Entwicklung begriffen werden, wo die kapitalistische Produktion ihr vorausgehende Formen der Unterdrückung der Frau aufgreift und funktional, dem Wertgesetz unterworfen, umformt.

Dabei ist die Entstehung der Frauenunterdrückung natürlich mit der Gebärfähigkeit der Frauen verbunden, also dem biologischen Fakt, dass nur sie Kinder auf die Welt bringen können. Damit entsteht auf der einen Seite eine Form der Reproduktionsarbeit, die nicht auslagerbar oder auf Männer übertragbar ist, andererseits schafft es auch einen Widerspruch. Schwanger sein ist notwendig für die Reproduktion der Menschheit, hat aber auch den Nachteil, dass die Arbeitsfähigkeit für andere Tätigkeiten phasenweise eingeschränkt wird. Speziell im Kapitalismus mit seinem Fokus auf Profitmaximierung mündet das in sehr bestimmten Arten der Organisierung von reproduktiver Arbeit und reproduziert diese.

Für die kapitalistische Produktionsweise folgt grundsätzlich die Scheidung von produktiver Konsumtion und individueller Konsumtion der Arbeiter:innenklasse aus der Scheidung von Arbeitsprodukt und Arbeitenden, der Trennung von Arbeitskraft und Produktionsmitteln (Eigentumsmonopol des Kapitals). Das Verhältnis von Produktion und (privater) Reproduktion nimmt eine neue, historisch spezifische Form an. Hier sieht man auch den Unterschied zur feudalen Ausbeutung, die Marx hervorhebt, in der Produktion und Reproduktion wesentlich weniger getrennt waren. Es gab zu dieser Zeit eine viel stärkere Einheit im bäuerlichen Haushalt, wo Produktion und Reproduktion zugleich stattfanden und die Familie genauso Produktions- wie Lebenseinheit war.

Die vorgefundene Unterdrückung der Frau führt zur Herausbildung und Durchsetzung einer geschlechtlichen Arbeitsteilung, in der der Mann als „Oberhaupt“ und Ernährer tätig, die Frau für die Hausarbeit zuständig ist (sofern sich ein proletarischer Haushalt überhaupt herausbilden kann).

Im Lohn der männlichen Arbeitskraft werden daher die Reproduktionskosten des Haushalts mit gesetzt, daher die höhere  Bezahlung der männlichen Arbeitskraft (es gibt daraus resultierend auch eine historisch-moralische Einwirkung auf den Arbeitslohn).

Im privaten Haushalt wird dadurch eine vorgefundene geschlechtsspezifische Arbeitsteilung reproduziert und produziert. Die historisch moralischen Einwirkungen sind unter anderem struktureller Sexismus, der abseits von dieser besseren Entlohnung für Männer auch ideologisiert, dass die Arbeit von Frauen generell weniger wert ist als die von Männern.

Die bürgerliche Familie entspricht diesem Reproduktionszusammenhang, sie erscheint als Reich der „Freiheit“, des Rückzugs, des privaten Glücks und der Selbstbestimmung gegenüber der Fabrik, der Ausbeutung der Arbeitskraft unter der Despotie des Kapitals.

Individuell betrachtet, scheint sich der Mensch in der Privatsphäre zu verwirklichen, auch wenn diese, wie Marx zeigt, letztlich vom Kapital bestimmt ist. Aber der/die Warenbesitzer:in der AK scheint hier wirklich sich zu gehören (resp. auch seine/ihre Familie).

Die Familie, Partnerschaft (selbst in ihrer patriarchalen Form) scheint daher ein Rückzugsraum, eine sicherer Hafen vor der Unbill der Arbeit in der Fabrik, im Produktionsprozess. Aber dies ist weitgehend Fiktion, wie Marx hervorhebt:

„Hat die Produktion kapitalistische Form, so die Reproduktion. Wie in der kapitalistischen Produktionsweise der Arbeitsprozeß nur als ein Mittel für den Verwertungsprozeß erscheint, so die Reproduktion nur als ein Mittel, den vorgeschoßnen Wert als Kapital zu reproduzieren, d. h. als sich verwertenden Wert.“ (MEW 23, S. 591)

2. Historische Entwicklungsdynamik der Reproduktionsarbeit

Nachdem wir Grundzüge des Verhältnisses von Produktion und Reproduktion umrissen haben, wollen wir uns dessen historischer Entwicklung zuwenden. So wie das Lohnarbeitsverhältnis keineswegs „rein“ hervortritt, sondern geschichtliche Modifikationen durchläuft wie auch aufgrund der imperialistischen Weltordnung sehr verschieden in imperialistischen und halbkolonialen oder kolonialen Ländern in Erscheinung tritt, so durchläuft auch die kapitalistische Form der Reproduktion der Arbeitskraft Entwicklungsstufen. Diese dürfen dabei keineswegs als strenge Abfolge betrachtet werden, die für alle Länder gleichermaßen gelten würde. Vielmehr gilt auch dafür das Gesetz der ungleichzeitigen und kombinierten Entwicklung, wo im Rahmen einer reaktionären imperialistischen Ordnung relativ weit vergesellschaftete Formen der Produktion und Reproduktion gleichzeitig und verwoben mit extrem rückständigen auftreten, ja diese im Rahmen eines globalen Ausbeutungsverhältnisses sogar immer wieder hervorbringen.

Im Folgenden wollen wir grob einige Entwicklungsphasen skizzieren – und wir sehen dabei auch, dass Formen, die zuerst im Frühkapitalismus entstehen, heute noch in extrem ausgebeuteten Ökonomien weit verbreitet, ja prägend sein können.

a) Übergang, Entstehung des Kapitalismus

Die Fesselung der Frau an den Haushalt hat der Kapitalismus nicht erfunden, wohl aber die Trennung von Produktion und Reproduktion. Um kapitalistische Verhältnisse auch in der Reproduktion zu erzwingen, muss also einerseits die Fesselung an den Haushalt aufrechterhalten, andererseits dieser als Produktionseinheit (die die Güter ihrer eigenen Reproduktion ganz oder in wesentlichen Teilen herstellt) zerschlagen werden.

D. h. die Arbeiter:innenklasse muss gezwungen werden, ihre Lebensmittel als Waren bei Dritten (kapitalistischen Produzent:innen oder Händler:innen) gegen Geld (Arbeitslohn) zu kaufen.

Dies ist funktional wichtig und muss gewaltsam hergestellt werden, weil, ansonsten die Arbeitskraft selbst nicht in vollem Maß zum Verkauf als Ware gezwungen wäre.

Hier zeigt sich zugleich, dass es – trotz einiger Gemeinsamkeiten mit der Subsistenz- und der kleinen Warenproduktion – im Grunde irreführend ist, die private Hausarbeit als eine eigene Produktionsweise zu bestimmen. Dies verschleiert vielmehr den spezifisch kapitalistischen Charakter der Reproduktion der Arbeiter:innenklasse. Wir haben es bei der (privaten) Reproduktion im Haushalt nicht mit einer oder gar mehreren Produktionsweisen außerhalb des Kapitals zu tun, sondern mit einer – so unsere These – spezifisch kapitalistischen Form der Reproduktion im Kapitalismus.

Gerade in ihrer Bestimmtheit durch die Produktion liegt ihr Wesenskern. Dass dies leicht anders erscheinen mag, hängt mit verschiedenen Faktoren, die zu einer ideologischen Fetischisierung führen, zusammen.

1. Erscheint der Haushalt, die Privatsphäre als Gegenteil der betrieblichen, sachlichen Despotie (selbst die Despotie des Haustyrannen ist unterschieden, weil wesentlich persönlich, patriarchal, Herrschaft des Vaters, im engen Wortsinn).

2.  Kapitalistische Reproduktion existiert nicht rein, sondern in mehr oder weniger krassen Hybridformen.

Davon einige wichtige:

  • Die Haushaltsformen des Kleinbürgertums (z. B. der Bauern-/Bäuerinnenschaft) setzen die Einheit von Produktion und Reproduktion fort.

  • In den halbkolonialen Ländern dauert der Prozess der ursprünglichen Akkumulation an. Dies führt zur Bildung von wichtigen, prekären Formen der Reproduktion für beachtliche Teile der Bevölkerung des globalen Südens.

  • Für die Mehrheit der Arbeiter:innenklasse ist, global betrachtet, bis heute eine „normale“ Reproduktion in der Familie nicht oder nur bedingt möglich. Die Ausweitung der Teile der Klasse, die unter ihren Reproduktionskosten Lohnarbeit verrichten müssen, bedeutet auch, dass der proletarische Haushalt seine Reproduktionsfunktion nicht oder jedenfalls nicht voll erfüllen kann.

  • Umgekehrt wird aber der „Rückzug“ zu einer vorkapitalistisch funktionierenden Form der Reproduktion verunmöglicht.

  • Umso stärker wird die Tendenz zur Barbarisierung der Verhältnisse im Haushalt (Hunger, Armut, Aufteilung des Mangels, aber auch Gewalt gegen Frauen und Kinder).

Für die frühe kapitalistische Entwicklung wie auch für bedeutende Teile der Arbeiter:innenklasse stellt die Familie keineswegs eine historische Selbstverständlichkeit dar. Im Gegenteil! Die Überausbeutung verunmöglichte diese weitgehend für die neue entstehende Klasse (siehe auch urspr. Akkumulation, Ausdehnung des Arbeitstages, Sklaverei, … ).

Für deren unterste Schichten nimmt soziale Vorsorge – sofern vorhanden – die Form des Armenhauses, von Waisenhäusern samt despotischem Regime an. Die Kriminalisierung anderer Einkommensarten (Betteln, Verbot des Zugriffs auf vormaliges Gemeineigentum) stellen unerlässliche Mittel dar, den Zwang zur Lohnarbeit durchzusetzen. Dieses Regime muss gewährleisten, dass die „Armenversorgung“ unter dem Niveau des extrem geringen Arbeitslohns liegt. Daher auch die fast ungebrochene Tendenz zur absoluten Verelendung im Frühkapitalismus – eine Tendenz, die wir in der halbkolonialen Welt, teilweise sogar unter den marginalisierten (oftmals zugleich migrantischen und/oder rassistisch unterdrückten) Schichten der Klasse auch in den imperialistischen Zentren vorfinden.

b) Entstehung und Durchsetzung der proletarischen Familie

Die „klassische“ bürgerliche Familie (Vater als Ernährer, Frau als Hausfrau, Kinder) ist in der Arbeiter:innenklasse auch immer ein zwiespältiges historisches Produkt. Ihre Verwirklichung ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Der Arbeitslohn des Mannes muss die Reproduktionskosten der gesamten Familie real abdecken können (Frau, Kinder, Alte), damit die Frau Hausfrau sein kann, die Kinder nicht gegen Lohn arbeiten müssen und die Alten versorgt werden können. Daher müssen auch der Ausbeutung gewisse Schranken gesetzt werden, also Grenzen der absoluten Mehrwertabpressung durchgesetzt werden. Um diese Reproduktionsfähigkeit der Familien überhaupt herzustellen, müssen die Löhne dem Wert der Arbeitskraft (A) entsprechen, muss der Arbeitstag begrenzt werden, müssen Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie Beschränkungen der Kinder- und Frauenarbeit und staatliche Sozialleistungen durchgesetzt werden.

Dies ist nur möglich auf Basis von gewerkschaftlichen und politischen Kämpfen, die reale Errungenschaften durchsetzen (z. B. den 10-Stundentag). Diese werden oft auch begünstigt dadurch, dass ein Teil der herrschenden Klasse (bzw. deren politischen Personals) erkennt, dass eine gewisse Grenze der Ausbeutung notwendig ist, um die Reproduktion des Ausbeutungsmaterials zu sichern (ob dies aus Einsicht oder Furcht vor Radikalisierung der Arbeiter:innenklasse erfolgt, ist hier zweitrangig).

Die Bildung der proletarischen Familie setzt also eine gewisse materielle Besserstellung der Klasse voraus. Wenigstens signifikante Teile müssen in der Lage sein, den Verkauf ihrer Arbeitskraft zu oder über ihren Reproduktionskosten durchzusetzen.

Dies stellt gegenüber dem Frühkapitalismus oder extremen Formen der Ausbeutung eine Errungenschaft der gesamten Klasse, von Mann und Frau dar. Aber sie geht zugleich einher mit einer Festigung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung in der Arbeiter:innenklasse. Die Frau kann jetzt auch „nur“ Hausfrau, der Mann kann real alleiniger „Ernährer“ der Familie sein. Für die Frau bedeutet dies aber zugleich eine Fessel, eine Befestigung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, den Zwang, die Hausarbeit zu leisten, die keinen Mehrwert generiert, die Festigung der Abhängigkeit vom Mann (als Einkommensquelle) und ihrer Vereinzelung und Unterdrückung. Damit einher geht auch die Entstehung des proletarischen Haushaltes (eigene, kleine Mietwohnung, eigener Herd, … ).

Die Festigung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung verstärkt darüber hinaus durch rechtliche Ungleichheit und reaktionäre Ideologien und Chauvinismus in der Arbeiter:innenklasse die soziale Unterdrückung.

Ökonomisch wird diese zusätzlich befestigt, indem der Lohn des Mannes als Familienlohn gesetzt ist. Der Wert der Arbeitskraft ist wesentlich der der männlichen. Der Wert der weiblichen Arbeitskraft wird so auf einen Bruchteil der männlichen fixiert, da ihre Reproduktionskosten in diesem System geringer sind, weil das Lohneinkommen der Familienmitglieder vom Mann, nicht der Frau bestritten werden soll/muss.

Wir haben es hier also mit einer systematischen Ungleichheit des Werts der Arbeitskraft zu tun, die das spezifisch kapitalistische System der Reproduktion schafft bzw. von diesem geschaffen wird.

Dies drückt sich einerseits in der Last der Hausarbeit aus, die den Frauen aufgebürdet wird. Zweitens aber auch in einer beruflichen Arbeitsteilung. Frauen werden aus industriellen Branchen verdrängt (oder erst gar nicht reingelassen), auf zeitweilige, schlechter bezahlte Tätigkeiten verwiesen.

Dieses „Modell“ wird zum vorherrschenden in den kapitalistischen Zentren mit Expansion des Kapitalismus in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts und der imperialistischen Epoche bis nach dem Zweiten Weltkrieg. Es wird auch auf Halbkolonien mit der Expansion des Kapitalverhältnisses und der Entstehung einer, wenn auch kleineren Arbeiter:innenaristokratie ausgeweitet, aber verbleibt dort bis heute eine Form, die nie die gesamte Klasse umfasst.

Nicht minder wichtig ist, dass dieses Modell bis heute, wenn auch modifiziert und, was die Frage der Lohndifferenzen betrifft, etwas gerechter die vorherrschende ideologischen Form darstellt.

Bei den erzreaktionären bürgerlichen Kräften tritt das ganz klar und unverhüllt hervor. Aber auch dem Liberalismus, dem Mainstreamfeminismus und dem Reformismus liegt dieses Modell zugrunde. Es wird jedoch seiner „unschönen“ Seiten bereinigt. Die gleiche Verteilung der Hausarbeit und gleiche Löhne/Einkommen werden propagiert. Ein mehr oder weniger großer privater, quasi familiär organisierter Teil der Reproduktionsarbeit wird aber als erstrebenswert oder unverzichtbar und eigentlich menschlich betrachtet. (Dies kann natürlich auch auf gleichgeschlechtliche oder Transpartner:innenschaften erweitert werden, gewissermaßen als flexiblere, anpassungsfähigere Formen der bürgerlichen Familie).

Die zunehmende Vergesellschaftung der Produktion gerät aber mit dieser engen Form der kapitalistischen Reproduktionsarbeit in Widerspruch bzw. Letztere stellt auch eine Schranke für die Expansion des Kapitals ab einer bestimmten Stufe dar.

c) Ausdehnung der Lohnarbeit der proletarischen Frauen

Das zeigte sich zuerst im Ersten Weltkrieg. Aber die Ausdehnung der Frauenarbeit in der Produktion für diesen Krieg war nur vorübergehend, nicht zuletzt aufgrund der ökonomischen Verwerfungen in der Zwischenkriegszeit, der Zerrüttung des Weltmarktes, der Massenarbeitslosigkeit und der ungelösten Probleme der globalen Vorherrschaft unter den imperialistischen Mächten.

Anders im und nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Frauen kehren nicht in den Haushalt zurück. Dies hat zwar auch historisch spezifische Gründe in manchen Ländern (Mangel an männlicher Arbeitskraft wegen Kriegsgefangenschaft und toter Soldaten). Vor allem aber erfordern die veränderten, günstigen Akkumulationsbedingungen (Zerstörung und Ersetzung von Kapital, massive Ausdehnung der Produktion und hohe Profitraten, Ablösung des Kolonialsystems und Ausdehnung des Weltmarktes, USA als Demiurgin des Weltmarktes, Dollar als Weltgeld, Erhöhung des relativen Mehrwerts erlaubt hohe Profite und gleichzeitige Ausdehnung des Konsumfonds der Arbeiter:innenklasse) auch eine massive Expansion der weiblichen Lohnarbeit.

Proletarische Frauen (wie die gesamte Klasse) werden als Konsumentinnen wie als Lohnarbeiterinnen wichtiger. Die Expansion weiblicher Lohnarbeit wird außerdem am Beginn durch Lohndifferenz zwischen den Geschlechtern begünstigt. Frauen werden als billigere, oft nur „vorübergehende“ Arbeitskraft in bestimmen Sektoren massenhaft beschäftigt. Männer gelten am Beginn weiter als Vollzeitarbeiter. Dies entspricht einem geschlechtlich extrem segregierten Arbeitsmarkt, auf dem in der ersten Phase der Nachkriegsperiode Männer- und Frauenberufe klar getrennt sind.

In dieser ersten Phase der Expansion geht diese noch ohne große Erschütterung der proletarischen Familien wie des Oberhaupts der Familienform mit ihrer ideologisierten Selbstverständlichkeit einher. Diese wird am Beginn sogar eher stabilisiert, auch weil das Proletariat ab Mitte der 1950er Jahre stetige ökonomische Verbesserungen verspüren kann. Politisch-ideologisch sind die 1950er und frühen 1960er Jahre restaurativ, extrem miefig, reaktionär. Es ist daher auch kein Wunder, dass von einer rechtlichen Gleichstellung der Frauen in den meisten Ländern nicht die Rede sein kann.

Zugleich entwickeln sich jedoch die inneren und gesellschaftlichen Widersprüche.

Die Expansion weiblicher Lohnarbeit, die Ausdehnung des Bedarfs an qualifizierter Arbeitskraft und höhere Lebenserwartung erfordern auch eine Ausdehnung der Reproduktion, die gesellschaftlich geleistet wird und nicht privat. Das wiederum bedarf eines Ausbaus des Bildungswesens und sozialstaatlicher Leistungen (Gesundheitssystem, Altersvorsorge) sowie von Einrichtungen, die Frauen Vollzeitarbeit ermöglichen (Kitas, Ganztagsschulen, Pflegeheime).

Mit der Expansion geht außerdem auch eine Ausdehnung weiblicher Lohnarbeit im Bereich Bildung und Gesundheit einher.

Die Expansion macht aber auch die fest etablierte Ungleichheit, die patriarchalen Verhältnisse in Ehe und Familie immer fragwürdiger, ja unhaltbarer. Ihre gesellschaftliche Legitimation erodiert zusehends.

All das legt auch die Grundlage für die 2. Welle der Frauenbewegung der 1960er/1970er Jahre. Das Auftreten des radikalen und sozialistischen Feminismus führt dazu, dass Forderungen der Bewegung von der Gesellschaft insgesamt aufgegriffen oder jedenfalls zu einem Kampffeld für Millionen Menschen werden.

Es ist auch kein Zufall, dass die Frage der Hausarbeit/Reproduktion und der politischen Ökonomie mehr Beachtung findet in dieser Zeit und zu einem wichtigen Gegenstand der Diskussion in der Linken und Frauenbewegung gerät.

Die Expansion weiblicher Lohnarbeit ist in praktisch allen Ländern enorm, v. a. in imperialistischen Staaten, oft noch mehr in den degenerierten Arbeiter:innenstaaten, aber auch in vielen Halbkolonien.

Mit der Ausdehnung einer gesellschaftlich organisierter Reproduktionssphäre, die über Steuern, Sozialabgaben, also über Lohnbestandteile oder die Revenue des Kapitals finanziert wird, verringert sich tendenziell das reale Lohndifferential zwischen Männern und Frauen, zwischen besser und schlechter bezahlten Teilen der Arbeiter:innenklasse. Ein größerer Bestandteil des Lohnfonds insgesamt wird über staatliche Leistungen oder Sozialversicherungen umverteilt und kommt so als Anspruch auch weniger hohe Steuern oder Beiträge zahlenden Lohnabhängigen zugute.

Das Lohndifferential (Gender Pay Gap) sowie die geschlechtsspezifische Struktur der Arbeitswelt verlieren ihre offizielle gesellschaftliche Legimitation, werden ihres scheinbar natürlichen Charakters entkleidet.

Dennoch wirken sie massiv fort, ebenso die ungleiche Verteilung der privaten Hausarbeit und der überproportionale Anteil von Frauen an der Reproduktionsarbeit.

Die Ausdehnung des Soziallohns sowie der Druck der Frauen- und Arbeiter:innenbewegung wirken bei aller Zähigkeit auf eine Angleichung der Löhne/Entgelte von männlicher und weiblicher Lohnarbeit.

Die Ausdehnung der weiblichen Lohnarbeit, also direkte Beteiligung der Frau an wenn auch indirekter, „blinder“ vergesellschafteter Produktion drängt auch auf eine Vergesellschaftung der Reproduktionsarbeit.

Dieser Prozess stößt aber im Kapitalismus an innere Grenzen wegen des Warencharakter der Arbeitskraft, der inneren Anarchie der Produktionsweise und der bornierten, kapitalistischen Zwecke der Produktion. Zugleich bleibt die Familie weiter ein wichtiges bürgerliches Integrations- und Herrschaftsinstrument, so dass sie aus gutem Grund von konservativer und reaktionärer Seite auch dann besonders eifrig verteidigt wird, wenn sie eigentlich gesellschaftlich ersetzbar wäre. Hinzu kommt, dass sie gerade während und wegen ökonomischer Krisen weiter eine wichtige Rolle spielt: Denn gesellschaftliche Reproduktion ist wesentlich unproduktive Arbeit fürs Einzelkapital, daher Abzug von seinem Profit, tritt als unnötige Kosten in Erscheinung, die möglichst reduziert werden müssen.

3. Krise, Klassenkampf, Vergesellschaftung

Mit dem Ende des langen Booms und Einsetzen der chronischen Überakkumulation des Kapitals, die die Weltwirtschaft in verschiedenen Formen seit den 1970er Jahren mit prägt, wird auch diese Widersprüchlichkeit deutlicher. Die Sphäre der Reproduktion stürzt selbst in eine tiefe Krise.

Deren Hintergrund und Ursache bildet die strukturelle Überakkumulation. Das Kapital stößt zunehmend auf Schwierigkeiten, eine ausreichend hohe Profitrate aufrechtzuerhalten, weil die organische Zusammensetzung des Kapitals steigt und der Mehrwert schaffende Teil des Kapitals (also das variable Kapital im Verhältnis zum konstanten) immer kleiner wird. Es gibt also nicht nur einen Drang dazu, sich andere Anlagesphären (und -gebiete) zu suchen, sondern auch, die Ausbeutungsrate zu erhöhen (also die Kosten fürs variable Kapital zu senken). Das bedeutet auf der einen Seite, dass es zu mehr Privatisierungen des Caresektors kommt, um neue Bereiche zu erschließen. Es heißt aber auf der anderen auch, dass Menschen (vor allem Frauen), die stark in die Reproduktionsarbeit eingebunden sind, zusätzlich auch wieder stärker in die Lohnarbeit gedrängt werden, ohne sie von der Zusatzarbeit zuhause zu entlasten.

Vor allem in imperialistischen Ländern ist viel Reproduktionsarbeit staatlich geregelt. Sie stellt zwar einen essenziellen Beitrag zum Erhalt des Systems dar, wird aber aufgrund ihrer nicht Mehrwert schaffenden Rolle immer stärker eingespart. Viele der Probleme in unseren jetzigen Gesundheitssystemen ergeben sich aus Rentabilitätskalkülen. Nachdem ein System niedergespart wurde, kommt oft ein guter Moment für Privatisierungswellen. Die organische Zusammensetzung in diesen Bereichen liegt oft unter dem Durchschnitt und es gibt einen leichten Eintritt in den Markt, wenn die Leistungen des öffentlichen Sektors nicht mehr mithalten können (solange staatlich keine Regelungen dagegen getroffen werden). Damit wird also die vorher „nichtproduktive“ (nicht Mehrwert schaffende) zu profitmaximierender Arbeit oder zumindest darauf vorbereitet.

Je teurer dann aber wiederum privatisierte Institutionen werden und je mehr an Löhnen in krisenhaften Situationen gespart wird, umso mehr werden Leistungen der Reproduktionsarbeit (Kindergarten, Krankenhäuser usw.) unbezahlbar für die Arbeiter:innenklasse oder jedenfalls für die schlechter entlohnten Teile. Das wiederum drängt Leute wieder zurück in die Familie, um reproduktive Aufgaben vermehrt selbst zu übernehmen. Dieses Phänomen gibt es natürlich nicht nur bei Privatisierungen, sondern auch staatlichen Angeboten, die nicht kostenlos oder an viele Bedingungen geknüpft sind (z. B. Staatsbürger:innenschaft) oder eine bestimmte Familienkonstellation). Es nimmt aber nicht dasselbe Ausmaß an. Speziell trifft diese Dynamik auf Halbkolonien zu.

Kürzungen beim Soziallohn, also dem Anteil an Sozialabgaben und damit der Finanzierung von reproduktiven Leistungen, bedeuten auch einen Rückgang im gesamten Lohnfonds. Diese Unterfinanzierung steht für mehr soziale Ungleichheit und führt damit zu immer reaktionäreren Tendenzen. Mit zusammenbrechenden Sozialsystemen, verschärfter Ungleichheit und einem Zurückdrängen von reproduktiven Arbeiten in Familie und Haushalt erfolgt eigentlich ein gesellschaftlicher Rückschritt. Obwohl die technischen und organisatorischen Möglichkeiten da wären und auch das Kapital davon profitiert, über Arbeiter:innen zu verfügen, die voll ausbeutbar sind, führen inhärente Tendenzen des Kapitalismus zu einer barbarischen Situation. Diese zementieren auch die bürgerliche Kleinfamilie und ketten sowohl Frauen als auch Kinder und alte Menschen noch heftiger an sie als ohnehin schon.

Doch diese Entwicklungen passieren nicht ohne Widersprüche. Streiks in Bereichen, wo vor allem Frauen beschäftigt sind (Pflege, Kindergarten, etc.), handeln immer wieder neu aus, wie die Reproduktionsarbeit organisiert wird, und in vielen Ländern bilden sich dabei auch neue kämpferische Sektoren der Arbeiter:innenklasse.

Die krisenhaften Entwicklungen im Reproduktionsbereich dürfen jedoch nicht damit verwechselt werden, dass es nur eine Tendenz weg von der wenn auch naturwüchsigen Vergesellschaftung hin zur privaten Hausarbeit gebe.

Im Gegenteil, für bedeutende Sektoren der lohnabhängigen Mittelschichten wie auch der Arbeiter:innenklasse können wir ein Fortschreiten einer wenn auch privatkapitalistisch organisierten Vergesellschaftung der Hausarbeit konstatieren.

Wir wollen das am Beispiel der sog. Plattformökonomie verdeutlichen. In den letzten Jahren erleben wir eine große Ausbreitung von Dienstleistungen, die über solche Onlinedienste Teile von Reproduktionstätigkeiten anbieten. Das umfasst Lieferdienste für Essen und Nahrungsmittel, die mittlerweile von fast allen Schichten der Arbeiter:innenklasse zumindest gelegentlich genutzt werden.

Für größere Teile der Lohnabhängigen werden diese zum Standard für ihre Reproduktion. Der entscheidende Grund dafür besteht darin, dass die ständige Intensivierung der Arbeit, deren Verdichtung, die durch Homeoffice oft noch einen neuen Schub erhält, die Menschen während der Arbeit so sehr auslaugt, dass sie kaum noch die Kraft haben, für sich selbst zu kochen oder zu putzen.

Daher bietet die Plattformökonomie längst mehr als Mahlzeiten oder Fertiggerichte. Darüber werden auch Reinigungskräfte, Pfleger:innen oder Kinderbetreuung vermittelt.

Diese Inanspruchnahme von privat angebotenen und über größere Kapitale organisierten Diensten, die nun auch Teil der produktiven, Mehrwert schaffenden Arbeit werden, ist natürlich nicht für die gesamte Arbeiter:innenklasse möglich und erfordert, um unter den gegenwärtigen Konkurrenzbedingungen profitabel funktionieren zu können, dass die Beschäftigten der über die Plattformökonomie organisierten Lieferdienst oder Caresektoren selbst für geringe, unterdurchschnittliche Löhne und unter ungesicherten Arbeitsbedingungen tätig sind. Pointiert könnte man sagen, dass bei diesen Unternehmen vor allem jene Arbeiter:innen angestellt werden, die sich diese Dienste nicht oder nur gelegentlich leisten können. Hinzu kommt, dass, solange diese Dienste vergleichsweise billig angeboten werden, sie auch zu einer Erhöhung des relativen Mehrwerts führen.

Natürlich gibt es ähnliche Phänomene auch im bislang ganz oder halbstaatlich organisierten Reproduktionsbereich – bei Krankenhäusern, Schulen, Kitas, … Diese sind bereits, wenn auch zum Zweck der Reproduktion des Gesamtkapitals, vergesellschaftet. Nun werden bereits gesellschaftlich organisierte Bereiche der Reproduktion zerlegt, privatisiert oder im ersten Schritt einer privaten, profitorientierten Kostenrechnung und Kalkulation unterworfen.

Neben Tendenzen zur Privatisierung finden wir also auch in der aktuellen Krise solche zur Vergesellschaftung. Doch diese folgen keinem bewussten gesamtgesellschaftlichen Plan, sondern finden auf privater Basis oder durch den Staat statt. Das Zurückdrängen der Hausarbeit in die Familien und Abwälzen auf die Frauen bildet also nur eine Tendenz in der aktuellen Krisenperiode. Diese wird durch eine andere, nämlich die Ausdehnung privat organisierter Reproduktionstätigkeit ergänzt.

Während in der Phase der Ausdehnung des Reproduktionssektors in den 1960er und 1970er Jahren diese mit einem weitgehend allgemeinen Zugang zu Grundleistungen einherging, so geht die aktuelle Kommodifizierung der Reproduktionsarbeit damit einher, dass verschiedene Schichten der Arbeiter:innenklasse weit unterschiedlicheren Zugang zu diesen haben als bisher.

So wie die inneren Differenzen der Klasse in einem Land und erst recht international zunehmen, wie die Unterschiede in Einkommens- und Lebensverhältnissen zwischen Arbeiter:innenaristokratie, der Masse der Klasse und der wachsenden Schicht der prekär Beschäftigten größer werden – und dies noch viel mehr auf globaler Ebene – , so werden auch die Reproduktionsbedingungen unterschiedlicher, vergrößert sich die Kluft innerhalb der Arbeiter:innenklasse.

Ein zentraler Aspekt ist dabei, dass diese Tendenzen die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung vertiefen, so dass Frauen von der Krise des Reproduktionssektors besonders stark betroffen sind.

Wir können aus all diesen Gründen ihre „Lösung“ nicht dem bürgerlichen Staat oder dem Markt überlassen. Der Kampf um die Verteidigung bestehender Errungenschaften um die Reorganisation der Reproduktionsarbeit bildet zugleich ein zentrales Feld des Klassenkampfes in der gegenwärtigen Periode. Die widersprüchlichen Tendenzen zur Vergesellschaftung, zur Privatisierung und zur Ausdehnung der privaten Hausarbeit sind im Kapitalismus letztlich unlösbar, zumal die Erhöhung der Mehrwertrate ein zentrales Element der Krisenbewältigungsstrategien der herrschenden Klasse bildet, ja bilden muss.

Im Sinne eines Programms von Übergangsforderungen gilt es, an bestehenden Kämpfen anzusetzen und diese mit dem für eine planmäßige Vergesellschaftung der Reproduktionsarbeit unter Arbeiter:innenkontrolle zu verbinden:

  • Ausbau und Einführung von Großkantinen und Restaurants unter Arbeiter:innenkontrolle als Alternative zu isolierter Hausarbeit. Entschädigungslose Enteignung der großen Handelsketten und Lieferdienste unter Arbeiter:innenkontrolle.

  • Kommunalisierung aller Kindergärten und Schulen. Diese müssen kostenlos und für alle zugänglich sein. Für ein massives Investitionsprogramm zur Erneuerung und zum Ausbau und zur Einstellung fehlender Erzieher:innen, Lehrer:innen, Sozialarbeiter:innen und anderer Beschäftigter zu vollen tariflichen Löhnen. Kontrolle über die Einrichtungen durch Ausschüsse von Beschäftigten, Schüler:innen und Eltern!

  • Enteignung von Wohnungskonzernen und von Grund und Boden. Kontrolle der Mieten durch Ausschüsse der Mieter:innen und Gewerkschaften.

  • Verstaatlichung und Ausbau des gesamten Caresektors unter Kontrolle der Beschäftigten, Patient:innen, und Gewerkschaften, finanziert durch die Besteuerung des Kapitals und der Reichen!

  • Kampf für Reduzierung der Arbeitszeit für die gesamte Arbeiter:innenklasse auf 30 Stunden pro Arbeitswoche bei vollem Lohn- und Personalausgleich, damit die Reproduktionsarbeit auf beide Geschlechter verteilt werden kann und den Frauen die Teilnahme am politischen und gesellschaftlichen Leben erleichtert wird!

  • Für die Vergesellschaftung der Haus- und Reproduktionsarbeit. Gleichmäßige Aufteilung der übrig bleibenden privaten Tätigkeiten unter Männern und Frauen!

Die Vergesellschaftung der Hausarbeit kann im Kapitalismus nie vollständig erreicht werden, ganz so, wie die planmäßige und bewusste Verteilung der gesellschaftlichen Gesamtarbeit nicht durchgeführt werden kann, solange das Privateigentum an den Produktionsmitteln die Gesellschaft prägt. Daher ist der Kampf um sie mit dem für die Enteignung des Kapitals, mit der sozialistischen Revolution untrennbar verbunden.




Grundlagen: Schafft Reproduktionsarbeit Mehrwert?

Clay Ikarus, Fight! Revolutionärer Frauenzeitung, März 2023

Zur Reproduktionsarbeit gehört alle Arbeit, die dazu da ist, die Arbeitskraft wiederherzustellen. Dabei geht es nicht nur um die tägliche Erneuerung der gegenwärtigen Arbeitskraft, für die man einkaufen, kochen, putzen sowie sich um bedürftige Angehörige kümmern muss. Es geht dabei auch um die Arbeitskraft der nächsten Generation. Also gehören auch Bildung, Kindererziehung und der Gesundheitssektor im Allgemeinen dazu.

Ein großer Teil der Reproduktionsarbeit findet im Haushalt statt und wird, zumindest in Europa, auch heute noch zum großen Teil von Frauen übernommen. Eine beispielhafte Zahl: Laut Eurostat liegt der Anteil der Frauen, die täglich Hausarbeit verrichten, bei 79 %, bei Männern bei 34 %. Die Reproduktionsarbeit im Privaten ist dabei unbezahlt und taucht dementsprechend auch in keiner kapitalistischen Buchführung auf. Sie wird deshalb als „unsichtbare Arbeit“ bezeichnet: Mehrwert wird innerhalb der Reproduktionssphäre nicht produziert. Es gibt keinen Gewinn, auch wenn die Arbeit existenziell für alle Menschen ist. Der Lohn wird verwendet, die Mittel zur Befriedung der Bedürfnisse der Lohnabhängigen zu kaufen, sodass man essen und sich kleiden kann sowie weitere Bedürfnisse erfüllt werden können, um die Arbeitskraft zu reproduzieren, zu leben. Doch am Ende wird der Wert der Arbeitskraft nur wiederhergestellt.

Es gibt jedoch auch öffentliche Sektoren, in denen Reproduktionsarbeit stattfindet: Kindererziehung in Schulen und Kindergärten, um neue Arbeiter:innen auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Pflegekräfte versorgen im größeren Umfang bedürftige Menschen in Krankenhäusern, Altersheimen oder Jugendeinrichtungen. Doch nicht umsonst sind diese öffentlichen Sektoren meist staatlich finanziert, denn auch wenn die Kapitalist:innen auf gesunde und ausgebildete Arbeitskräfte angewiesen sind, wollen sie ungern selber dafür aufkommen. Meist arbeiten in diesen Careberufen Frauen in Positionen, die schlecht bezahlt sind. Doch was ist mit privaten Kliniken und Schulen? Hier wird Kapital investiert und keine Steuergelder und das, um Mehrwert zu erzielen. Doch das ist trotz der hohen Gelder, die verlangt werden, und der zusätzlichen staatlichen Unterstützung nicht so einfach, da die Möglichkeiten, den Mehrwert zu steigern, schnell an ihre Grenzen kommen.

Nicht umsonst zerbrechen Gesundheits- und Bildungssektor an der Privatisierung, denn die Gewinne gehen aus und es wurde sich verzockt auf Kosten der Kranken und Kinder. Es handelt sich also gleichzeitig um Produktion (Kapitalvermehrung) und Reproduktion (der Arbeitskraft). An diesem Beispiel sieht man gut, dass es nicht um die Arbeitstätigkeiten selbst geht, sondern ob sie dem Ziel dienen, Kapital zu vermehren oder nicht, wenn man der Frage auf die Spur kommen will, ob etwas Mehrwert produziert.

Was ist überhaupt Mehrwert und wieso spielt dieser eine Rolle?

Man spricht von Mehrwert, wenn das Kapital durch die Produktion wächst, vermehrt wird, wenn es also „mehr wert“ ist, als es vorher war. Ein Verständnis dessen ist unerlässlich, denn das Kapital strebt einzig und allein danach, den eigenen Wert zu vergrößern. Alles andere ist zweitrangig.

Nach Marx bilden die menschliche Arbeit und die Natur die beiden Quellen jeden Reichtums. Aber nicht jede Arbeit schafft Wert oder Mehrwert. Mehrwertproduktion findet nur unter bestimmten, genauer unter kapitalistischen Verhältnissen statt.

Die Arbeitskraft wird durch die Einführung der Lohnarbeit im Kapitalismus zu einer Ware gemacht. Der Wert einer Ware entspricht dem Arbeitsaufwand, der zu ihrer Produktion notwendig ist. Auf dem Markt kauft das Kapital jedoch nicht die Arbeit, sondern die Arbeitskraft, das Arbeitsvermögen der Lohnabhängigen. Der Wert diese Ware wird, wie der Wert jeder anderen, durch ihre Reproduktionskosten bestimmt – also die Summe aller Waren, die zu ihrer Bildung, ihrem Erhalt und ihrer Reproduktion nötig sind.

Wurde die Arbeitskraft einmal gekauft, so gehört sie für die Zeit der Produktion dem Kapital, gerät zu seinem Bestandteil. Das Produkt gehört dem/r Kapitalist:in.

Im Produktionsprozess sind die Lohnabhängigen jedoch dazu in der Lage, mehr durch ihre Arbeit zu schaffen, als dem Wert der Ware Arbeitskraft entspricht. Der Wert, der zusätzlich geschaffen wird, ist der Mehrwert. Seine Aneignung durch das Kapital bezeichnet man im marxistischen Sinne als Ausbeutung.

Wenn jetzt in der gleichen Arbeitszeit noch mehr produziert werden soll oder der Lohn gekürzt wird, kann der Mehrwert sogar noch gesteigert werden. Als Marxist:innen ist es wichtig, uns die Verhältnisse der Menschen in der Produktion der Klassengesellschaft anzuschauen, um die materielle Grundlage von Ausbeutung und Unterdrückung zu erkennen und bekämpfen. Viele feministische Strömungen lassen dies außen vor und sehen den Kampf für die Befreiung der Frau unabhängig vom Klassenkampf.

Doch wozu sind diese Erkenntnisse und Einteilungen nun wichtig?

Die Reproduktions- ist mit der Produktionssphäre untrennbar verbunden, da sie die nötige Arbeitskraft aufrechterhält. Doch die Reproduktion schafft unmittelbar keinen Mehrwert. Das kapitalistische System baut aber auf der Mehrwertproduktion auf. Die Mehrwertproduktion ist das Ziel jeder Produktion und die Quelle des Reichtums für die Kapitalist:innen sowie der Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeiter:innenklasse.

Ein Streik bei der Hausarbeit hat daher nicht den gleichen Effekt wie einer in der Produktionssphäre. Es wird dabei nicht zuerst das System, sondern werden die Arbeiter:innen selbst getroffen. Ein Streik in der Produktionssphäre hält die Mehrwertproduktion dagegen sofort an und trifft unmittelbar, sofort die Kapitalist:innen. Für die Befreiung der Frau benötigt es eine Vergesellschaftung der Reproduktionsarbeit und eine Produktion, die nicht länger auf eine Mehrwertsteigerung ausgerichtet ist, sondern auf die Bedürfnisse von Mensch und Natur.




Care-Sektor: Warum die, die uns am Leben erhalten trotzdem so schlecht bezahlt werden

Sani Meier (REVOLUTION, Deutschland), Fight! Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 10, März 2022

Spätestens seit Beginn der Corona-Krise wurde uns allen noch einmal mehr verdeutlicht, wie sehr wir auf die Arbeiter_Innen im Gesundheitssektor angewiesen sind und wie schlimm es eigentlich um diesen ganzen Bereich steht: Überstunden, viel zu niedrige Löhne, privatisierte Kliniken und mangelndes Personal sind hier nur ein paar der unzähligen Baustellen. Doch warum werden gerade die Menschen, die uns buchstäblich am Leben erhalten so schlecht bezahlt?

Was ist Care-Arbeit eigentlich?

Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir uns zunächst einmal anschauen, was genau Care-, oder Sorgearbeit, eigentlich ist, denn hierzu zählt noch viel mehr als die Arbeit in Krankenhäusern. Generell fällt hierunter alles, was dem Erhalt menschlichen Lebens dient. Das ist also auch die Versorgung und Erziehung von Kindern, alten Menschen sowie Pflege- und Haushaltstätigkeiten wie u. a. Kochen, Putzen, Waschen und emotionale Fürsorge. Hier findet zudem eine Unterscheidung zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit statt. In Kliniken, Schulen, Kindergärten, Altersheimen oder ambulanten Pflegediensten wird gegen Lohn gearbeitet, während der größte Anteil unbezahlt und mehrheitlich von Frauen im Haushalt geleistet wird. Weltweit werden ungefähr 2/3 dieser unbezahlten Sorgearbeit von Frauen getragen, durchschnittlich verbringen Frauen 3,2-mal mehr Zeit damit. Care-Arbeit im privaten Haushalt wird also nicht mal wirklich als Arbeit angesehen, während in öffentlichen oder privaten Einrichtungen die Ausbeutung der Arbeiter_Innen kontinuierlich wächst. Somit stellt die Tatsache, dass man überhaupt für bestimmte Care-Tätigkeiten entlohnt wird, oft nur eine minimale Verbesserung für die Beschäftigten dar.

Der Charakter von Care-Arbeit im Kapitalismus

Die Entscheidung über Löhne und Arbeitsbedingungen ist dabei aber keine moralische, sondern basiert auf den Funktionsweisen des Kapitalismus. Alle Menschen, die selbst nicht das Kapital besitzen, um Produktionsmittel wie Fabriken, Maschinen etc. zu kaufen (Arbeiter_Innen), müssen ihre Arbeitskraft gegen Lohn an diejenigen verkaufen, die über dieses verfügen (Kapitalist_Innen). Letztere kaufen Arbeitskraft für einen gewissen Zeitraum mit der Absicht, das Produkt bzw. die Dienstleistung zu einem höheren Preis zu verkaufen als deren Kosten einschließlich der zur Reproduktion der benötigten Arbeitskraft. Diese Differenz nennen wir Mehrwert (Profit( für die Kapitalist_Innen. Dieser entsteht dadurch, dass Arbeiter_Innen nicht dann Feierabend machen können, wenn sie den Gegenwert ihres Lohnes erzeugt haben, sondern darüber hinaus weiterarbeiten müssen. Ab diesem Zeitpunkt wird unbezahlte Mehrarbeit geleistet, deren Wert sich die Kapitalist_Innen aneignen. Um diesen Profit möglichst effektiv zu maximieren, versuchen sie natürlich, die Lohnkosten so gering wie möglich zu halten. Da die Löhne aber dennoch hoch genug sein müssen, um die Arbeiter_Innen am Leben zu halten und den weiteren Verkauf ihrer Arbeitskraft zu sichern, wird ein Großteil der dafür benötigten Tätigkeiten (Reproduktionsarbeit) in die private und unbezahlte Sphäre in der „Freizeit“ der Beschäftigten ausgelagert. Warum manche reproduktive Arbeiten in öffentliche und private Hand gegeben werden, hat unterschiedliche Gründe. Auf der einen Seite profitieren Kapitalist_Innen auch davon, weibliche Arbeitskraft ausbeuten zu können, und Dinge wie eine einheitliche (Aus-)Bildung sind auch für manche Wirtschaftsbereiche notwendig. Das ist nicht immer besonders profitabel. Deshalb schreitet der Staat ein, um für das Kapital bestimmte Dinge umzusetzen, wo sich Unternehmen keinen (großen) Profit erhoffen können. Aber auch in Kriegssituationen kommt es oft zu einer Verstaatlichung der meisten reproduktiven Aufgaben, da die Arbeitskräfte fehlen und entlastet werden müssen. Andererseits wurden auch viele Fortschritte in Klassenkämpfen errungen. Im Care-Sektor (also Kinderbetreuung, Krankenhäuser u. ä.) haben von Beginn an hauptsächlich Frauen gearbeitet und da man erwartet hatte, dass ihre Beschäftigung mit Beginn der Ehe enden oder lediglich Nebeneinkommen zu dem des Mannes erwirtschaften würde, wurden Frauen von Anfang an schlechter bezahlt und ein Aufstieg in besser bezahlte Positionen (z. B. von der Krankpflegerin zur Ärztin) war lange nicht denkbar.

Doch obwohl Frauen heute fast selbstverständlich erwerbstätig sind, auch wenn sie heiraten, und es immer mehr Ärztinnen gibt, hat sich an der schlechten Bezahlung und den miserablen Arbeitsbedingungen wenig geändert. Wie kann das sein?

Die Ursache liegt im grundlegenden Verhältnis dieser Arbeit zum Kapital. Solange Reproduktionsarbeit (wozu private Kindererziehung ebenso zählt wie die Betreuung in der Kita) in staatlichen Einrichtungen geleistet wird, entsteht durch sie kein Mehrwert für das Kapital. Wenn es sich also nicht vermeiden lässt, diese Arbeiten außerhalb der Familie und des privaten Haushaltes zu verrichten, muss es eine andere Möglichkeit geben, damit Profit zu generieren: Privatisierung!

Privatisierung und Prekarisierung

Spätestens seit Einführung der Fallpauschale 2004 in Deutschland, welche für jedes Krankheitsbild eine durchschnittliche Bezahlung für die Behandlung festlegt, womit alles, was darüber hinausgeht, ein Defizit für die Klinik oder enormen Bürokratieaufwand bedeutet, sahen sich viele Kommunen gezwungen, ihre Kliniken an private Unternehmen zu verkaufen. Seit 1991 ist die Zahl der privaten Klinken um 70 % gestiegen und über 320 % mehr privatisierte Betten sind seitdem entstanden. Das führt dazu, dass vor allem die Behandlungen durchgeführt werden, die am meisten Profit bringen und im Gegenzug möglichst viel Geld beim Personal eingespart wird, um konkurrenzfähig zu bleiben. Kein Wunder also, dass allein zwischen 2002 und 2006, also rund um die Einführung der Fallpauschalen und den Beginn der Privatisierungswelle, circa 33.000 Vollzeitstellen in der Pflege wegfielen. Aktuell fehlen rund 100.000 Vollzeitstellen. Pflegekräfte arbeiten momentan rund 10 Jahre lang in ihrem Beruf, bevor sie wegen Überlastung eine neue Beschäftigung suchen.

Was tun?

Es ist also vor allem der Druck, Profit im Care-Sektor zu generieren, welcher letztendlich sowohl den Beschäftigten schadet als auch den Patient_Innen und damit der gesamten Bevölkerung. Wir fordern deshalb, dass der Care-Sektor nach den Bedürfnissen derer ausgerichtet werden muss, die er versorgt und die darin arbeiten. Dazu braucht es auf der einen Seite die Entprivatisierung und Neuorganisierung öffentlicher Einrichtungen unter Arbeiter_Innenkontrolle wie auch die Vergesellschaftung der privaten Reproduktionsarbeit in Form von öffentlichen Wäschereien, Küchen, Kitas etc. Diese Forderungen können aber letztendlich nicht vollständig im Rahmen des kapitalistischen Systems realisiert und müssen deshalb immer als Teil einer revolutionären gesellschaftlichen Umwälzung gesehen werden, die das Ziel hat, den Kapitalismus zu überwinden. Bis dahin muss es aber auch unsere Aufgabe sein, für konkrete Verbesserungen im Hier und Jetzt zu kämpfen wie zum Beispiel: Die Offenlegung aller Geschäftsbücher und damit volle Einsicht der Beschäftigten in Kosten und Einnahmen ihrer Betriebe!

  • Die Verstaatlichung und den Ausbau des gesamten Care-Sektors unter Kontrolle der Beschäftigten, Patient_Innen, Gewerkschaften und Arbeiter_Innen, finanziert durch die Besteuerung der Reichen!
  • Mehr Planungssicherheit und Wertschätzung für Care-Berufe! Das heißt: höhere Löhne, verringerte Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich und mehr Personal in sämtlichen Pflegebereichen!
  • Das Ende der Fallpauschalen! Für eine Behandlung, die an der Gesundheit und den Bedürfnissen der Patient_Innen ausgerichtet ist und nicht am Profit privater Konzerne!

Quellen

https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/—dgreports/—dcomm/—publ/documents/publication/wcms_633166.pdf




Corona, Krise und doppelte Belastung der Frauen

Jaqueline Katherina Singh, Fight! Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 9

Seit mehr als einem Jahr stellt die Pandemie unser Leben auf den Kopf. Rund 110 Millionen Menschen sind (Stand: Mitte Februar 2021) offiziell am Corona-Virus erkrankt, beinahe 2,5 Millionen sind verstorben. Ausgangsbeschränkungen, Atemschutzmasken, Arbeitslosigkeit – die Liste mit Dingen, die nun zu unserem Alltag gehören, ist lang. Angst um Freund_Innen, Familie, die eigene Existenz. Gerade Letzteres stellt sich für viele Arbeitende.

Denn das Corona-Virus hat eine Wirtschaftskrise, die sich bereits vorher abzeichnete, ausgelöst und massiv verschärft. Unter anderem, da – anders als bei der Finanzkrise 2007/08 – fast alle Länder gleichzeitig erfasst wurden. Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht in einem Bericht davon aus, dass die Pandemie alle Fortschritte in der Bekämpfung der globalen Armut seit den 1990er Jahren zunichtegemacht hat. Die soziale Ungleichheit hat sich 2020 drastisch weiter verstärkt. Das bedeutet, dass jene, die schon vorher am Existenzminimum gelebt haben, noch weniger besitzen sowie kleinere Verbesserungen, die in den letzten Jahren errungen werden konnten, verschwinden.

Die Krise heißt Kapitalismus

Als Ergebnis der Finanzkrise 2007/08 konnten wir in den letzten Jahren eine stetige Zuspitzung von imperialistischen Konflikten wahrnehmen – ob durch Interventionen in der Ukraine, Syrien, die stetigen Drohungen gegen den Iran oder den Handelskrieg zwischen den USA und China. Gerade Letzterer stellt eine direktere Konfrontation zwischen zwei imperialistischen Mächten dar, bei der es nicht nur um ein bloßes Kräftemessen geht. Vielmehr ist es die Zuspitzung der Frage, welche Kraft den Weltmarkt in ihrem Interesse neu gestaltet – die niedergehende, über Jahrzehnte vorherrschenden USA oder China als neue, aufstrebende Macht. Die jetzige Krise wird die Verteilungskrise und den existierenden Machtkampf massiv verstärken. Die Frage der Verfügbarkeit medizinischer Versorgung, insbesondere des Impfstoffes, ist in mehrfacher Weise mit dem Kampf um die Neuaufteilung der Welt verbunden.

Zum Ersten sichern sich alle imperialistischen Mächte einen privilegierten Zugang zu den Impfstoffen und räumen den Markt faktisch leer. Hinzu kommt, dass die großen Konzerne, die fast ausschließlich in den kapitalistischen Zentren angesiedelt sind, für Jahre enorme Monopolprofite wittern, auf Patentrechten und damit dem Ausschluss von Milliarden Menschen vom bezahlbaren Zugang zu den Impfstoffen beharren. Während die Bevölkerung der imperialistischen Staaten bis Ende 2021 geimpft werden kann, sollen in vielen Ländern Afrikas, Lateinamerikas und Asiens selbst „optimistischen“ Vorhersagen zufolge nur 20 % diesen Schutz erhalten.

Die dramatisch wachsende globale Verschuldung verschärft die Ungleichheit noch weiter. Während die USA, China oder auch die EU mit Milliardenausgaben die unmittelbaren Wirkungen der Krise kurzfristig mildern und Konjunkturprogramme auf den Weg bringen können, ist dieser Weg den meisten Ländern des globalen Südens verschlossen. Sie können allenfalls auf eine kurzfristige Aussetzung des Schuldendienstes für über den IWF oder andere Institutionen vermittelte Kredite hoffen. Diese Last wird sie noch mehr von den Zentren der Weltwirtschaft und des Finanzkapitals abhängig machen – mit extremen Folgen für Milliarden Lohnabhängige, Bauern und Bäuerinnen.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass selbst wenn die imperialistischen Zentren durch Impfungen wieder versuchen, zum Regelbetrieb zurückzukehren, die Lage sich nicht von alleine entspannen wird. Während die nationalen Regierungen für größere Konzerne Rettungspakete schnüren, wird versucht werden, die entstandenen Kost auf die Arbeiter_Innenklasse abzuwälzen: Massenentlassungen, Einsparungen im sozialen Bereich neben der stetigen Gefahr von Mutationen des Virus, die gegen den Impfstoff resistent sind. Es stellt sich also die Frage: Wer zahlt für die Kosten der Krise und die Folgen der Pandemie? Und während der Machtkampf unter den Kapitalfraktionen noch läuft, ist zugleich klar, dass sie alle versuchen werden, die Kosten auf die Arbeiter_Innenklasse abzuwälzen. Im Folgenden wollen wir einen Überblick darüber geben, wie die Belastung für Frauen aus der ArbeiterInnenklasse seit Ausbruch der Pandemie zugenommen hat, welchen Problemen sie sich verschärft gegenübersehen, um dann auf die Ursachen der Unterdrückung und die Frage des Kampfes dagegen einzugehen. Schließlich stellen sie einen maßgeblichen Teil der Arbeiter_Innenklasse dar und haben aufgrund ihrer sozialen Unterdrückung mit spezifischen Angriffen zu kämpfen.

Frauen sind in vielen der am stärksten von Covid-19 betroffenen Branchen überrepräsentiert, z. B. in der Gastronomie, im Einzelhandel und in der Unterhaltungsbranche. So arbeiten 40 Prozent aller erwerbstätigen Frauen – 510 Millionen weltweit – in den am stärksten betroffenen Branchen, verglichen mit 36,6 Prozent der erwerbstätigen Männer. International stellen Frauen 70 % des Personals in sozialen und Pflegeberufen.

Kurzarbeit und Entlassungen

Auch die ersten großen Entlassungswellen betrafen vor allem Sektoren, in denen Frauen überrepräsentiert sind wie Einzelhandel, Gastgewerbe und Tourismus. Eine statistische Erhebung aus den USA zeigt, dass Frauen in verschiedenen Branchen stärker vom Arbeitsplatzverlust betroffen sind als Männer. Im Freizeit- und Gastgewerbe waren vor der Pandemie 52 % der Beschäftigten Frauen, aber 54 % der Entlassenen sind weiblich. Im Bildungs- und Gesundheitswesen stellten Frauen 77 % der Arbeitskräfte, aber 83 % der Entlassenen; im Einzelhandel 48 % der Beschäftigten, 61 % der Arbeitsplatzverluste; in den Kommunal- und Landesverwaltungen schließlich 58 % der Belegschaften, aber 63 % der Freigesetzten.

Laut Zahlen der ILO verdienten 2018 61 % der globalen Erwerbsbevölkerung (2 Milliarden Menschen) ihren Lebensunterhalt in der informellen Wirtschaft, davon sind rund 50 % Frauen. Für diese Menschen bedeutet das, dass sie über keinen einklagbaren Arbeitsvertrag, keine Arbeitslosenversicherung oder damit vergleichbare Absicherung verfügen.

Frauen stellen zwar die Hälfte der Menschen im informellen Sektor, sie sind aber vor allem im globalen Süden überrepräsentiert. So arbeiten in Südasien über 80 % aller Frauen außerhalb der Landwirtschaft im informellen Sektor, in den Ländern südlich der Sahara 74 %, in Lateinamerika und der Karibik 54 %.

Besonders betroffen von der Krise sind oft WanderarbeiterInnen. So haben in Indien mindestens 40 Millionen ArbeitsmigrantInnen von heute auf morgen ihren Job und ihre Unterkunft verloren. Sie müssen 100 – 1.000 Kilometer zurück zu ihren Familien reisen, denen sie meistens selbst Geld schicken, also die sie eigentlich finanzieren. Schätzungen gehen davon aus, dass 660.000 bis 1,5 Millionen MigrantInnen in Lagern untergebracht wurden, wo sie minimale Essensrationen erhielten.

Frauen sind jedoch nicht nur als überausgebeutete Lohnarbeiterinnen betroffen. In vielen Ländern der halbkolonialen Welt waren sie im Zuge von „Entwicklungshilfe“ oft auch Empfängerinnen sog. Mikrokredite. In Jordanien beispielsweise erhielten rund 70 % der Frauen solche. Unter den Bedingungen von Corona und der Krise können viele ihre Raten nicht mehr tilgen, sind nicht zahlungsfähig, was in manchen Ländern mit Gefängnisstrafe geahndet werden kann.

Wir sehen anhand dieser Beispiele, dass arbeitende Frauen auch ökonomisch besonders stark von der Krise betroffen sind – und diese wird so schnell nicht nachlassen.

Gesundheit

Aufgrund der Pandemie liegt der Fokus des Gesundheitssystems auf der Bekämpfung der Krankheit. Dies ist an sich sinnvoll. Aber da es ohnedies schon einen Mangel an medizinischem Personal und Einrichtungen gibt, bedeutet das auch, dass diese anderswo fehlen. So können wir aktuell in vielen Ländern einen Anstieg der Mütter- und Kindersterblichkeit beobachten.

Der Zugang zu hygienischen Produkten und Verhütungsmitteln wird durch Verdienstausfälle erschwert, deren Produktion teilweise ausgesetzt. In Indien wurden während der ersten Wochen des Lockdowns Binden nicht als essentiell betrachtet. Mädchen hatten aufgrund der Schließung von Schulen keinen Zugang. NGOs und Hilfsorganisationen schätzen, dass allein in Indien mindestens 121 Millionen Frauen keinen Zugriff auf Güter zur Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse hatten, wobei ländliche Regionen und Kleinstädte besonders betroffen waren.

Zusätzlich wird der ohnedies schon eingeschränkte Zugang zu Abtreibungen weiter erschwert. UN-Schätzungen zufolge könnte die Corona-Krise zu 7 Millionen ungewollten Schwangerschaften führen. Zum einen, da der Zugang zu Verhütungsmitteln erschwert ist, zum anderen, da die sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen massiv zugenommen hat und sie noch mehr an die Familie und damit an Ehemänner gebunden sind. Dort, wo Schwangerschaftsabbrüche legal sind, wurde der Zugang zu Beratungsgesprächen massiv eingeschränkt, da viele Praxen und Familienplanungszentren ihr Angebot reduzierten. In 8 US-Bundesstaaten liefen während des ersten Lockdowns Verfahren, da Abtreibungen auf die Liste der „nicht dringlichen“ medizinischen Behandlungen gesetzt worden sind.

Gewalt gegen Frauen

Zugleich verschärft sich die Lage der Frauen in Familien und Beziehungen. Der Bevölkerungsfonds der UN (United Nations Population Fund, bis 1987: United Nations Fund for Population Activities; UNFPA) rechnet mit 31 Millionen zusätzlichen Fällen von häuslicher Gewalt in 6 Monaten des Lockdowns. Wir haben es hier mit einem globalen, keinesfalls mit einem regionalen Problem zu tun.

In Frankreich nahmen mit der Ausgangssperre 2020 die Fälle häuslicher Gewalt um 30 Prozent zu. Die französische Regierung kündigte zudem an, bis zu 20.000 Zimmern in Hotels für Betroffene zu reservieren, in französischen Einkaufszentren wurden 20 Beratungsstellen eingerichtet.

Allein in den ersten beiden Aprilwochen 2020 gab es im Vergleich zum Vorjahreszeitraum einen 47 %igen Anstieg der Anrufe bei der spanischen Hotline für häusliche Gewalt. Die Zahl der Frauen, die sich per E-Mail oder über soziale Medien an die von der Regierung als wesentlich eingestuften Unterstützungsdienste wandten, soll um bis zu 700 % gestiegen sein. Sichtbar wird das Ausmaß des Problems, wenn man die bestehende Infrastruktur für von Gewalt betroffene Frauen betrachtet.

So mangelt es in Deutschland seit Jahren an Plätzen in Frauenhäusern. Bis heute stehen rund 6.800 Plätze zur Verfügung, obwohl sich Deutschland schon 2017 verpflichtet hat, mindestens 21.400 zu schaffen. Kurzfristig hätte hier durch Nutzung leerstehenden Wohnraums, wegen der Pandemie nicht belegter Hotels und Ferienwohnungen etwas Abhilfe geschaffen werden können – doch Fehlanzeige. Hinzu erschweren die soziale Isolierung und Quarantäne die Lage der Frauen. Mit Tätern eingeschlossen, kannst du nicht einfach verschwinden und dich um die Kinder kümmern, die ebenfalls krasser Gewalt ausgesetzt sind.

Homeoffice und unbezahlte Hausarbeit

Grundsätzlich leisten Frauen nach wie vor weit mehr unbezahlte Hausarbeit als Männer. Im Zuge von Corona wurden Schulen und Kindergärten geschlossen, ist Pflegeunterstützung im Haus oft weggefallen oder reduziert.

Hinzu kommt, dass Homeoffice und Kinderbetreuung nur schwer vereinbar sind. Das zeigt sich in Deutschland daran, dass 40 % der Personen mit Kindern unter 14 Jahren die Tätigkeit im Homeoffice als äußerst oder stark belastend einschätzen gegenüber 28 Prozent der Befragten ohne Kinder. 1,5 Millionen Alleinerziehende – davon sind 90 % Frauen – sind noch mal stärker betroffen.

Ein Teufelskreis

Viele Frauen arbeiten im Caresektor und in sog. systemrelevanten Berufen. Sie sind oft einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt, gleichzeitig aber auch von Entlassungen am stärksten betroffen. Das bindet sie ökonomisch stärker an die Familie, macht sie schutzloser gegenüber häuslicher Gewalt. Zusätzlich steigt die reproduktive Arbeit, die im Haushalt getätigt werden muss, was die Doppelbelastung der Frauen erhöht. Sie werden also unter Bedingungen einer kapitalistischen Krise, die durch die Pandemie verstärkt wird, mehr in die klassische, reaktionäre Geschlechterrolle gedrängt. Auch wenn jetzt die Kontaktverbote gelockert werden, wird es keine Rückkehr zur ohnedies zweifelhaften „Normalität“ geben. Vielmehr drohen im Zuge der Wirtschaftskrise mehr Entlassungen und massive Sozialkürzungen.

Warum ist das so?

Um die aktuelle Situation zu verändern, ist es essentiell zu verstehen, warum Corona sowie die Wirtschaftskrise Frauenunterdrückung verstärken und woher diese überhaupt kommt. Dazu gibt es zahlreiche theoretische Ansätze und diverse Lösungen von verschieden feministischen Strömungen, auf die wir an dieser Stelle nicht eingehen können. Stattdessen beschäftigen wir uns mit der Position von Revolutionär_Innen.

Frauenunterdrückung existierte schon lange vor dem Kapitalismus und nahm in allen Klassengesellschaften eine systematische Form an. So war z. B. die bäuerliche Familie im Feudalismus Produktions- und Reproduktionseinheit. Für den Kapitalismus ist freilich typisch, dass sich die Funktion von Haushalt und Familie für die unterdrückte Klasse gegenüber früheren Klassengesellschaften ändert. Im Kapitalismus werden Produktion und Reproduktion getrennt und natürlich hat die Familie/PartnerInnenschaft für die ArbeiterInnenklasse und für die besitzenden Klassen auch eine unterschiedliche Funktion. Für Erstere dient sie in erster Linie zur Reproduktion der Ware Arbeitskraft, während sie für KapitalistInnen essentiell für die Vererbung der Produktionsmittel ist.

Auch wenn dieses „Ideal“ der ArbeiterInnenfamilie global betrachtet oft gar nicht der Realität entspricht, so übernimmt der Kapitalismus eine schon vorher existierende geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, die dadurch, dass der Lohn des Mannes als „Familienlohn“ gesetzt wird, während die Frau nur „dazuverdient“, selbst befestigt und reproduziert wird. Die bürgerliche Familie, die auch als Norm in der ArbeiterInnenklasse ideologisch und repressiv durchgesetzt wird gegenüber anderen Formen, reproduziert die geschlechtliche Arbeitsteilung und diese verfestigt wiederum die Familie als scheinbar „natürliche“ Form des Zusammenlebens.

Warum sind Frauen stärker betroffen?

Diese Form der geschlechtlichen Arbeitsteilung bedeutet auch, dass Frauen oft von Krisen besonders stark betroffen sind. Gerade in solchen Perioden wird die Reproduktionsarbeit im Kapitalismus systematisch ins Private gedrängt. Kosten für v. a. öffentliche Kindererziehung, Kranken- und Altenpflege erscheinen als unnütze, unproduktive Arbeit, da sie oft keinen Mehrwert für ein Kapital schaffen. Das heißt nicht, dass es nicht nützliche Arbeiten sind. Aber da sie sich nicht im gleichen Maßstab wie andere, z. B. industrielle, verwerten lassen, erscheint z. B. Carearbeit im öffentlichen Krankenhaus oder die Arbeit der Erzieherin in einer Kita nur als Kostenfaktor, der gefälligst reduziert oder ganz eingespart werden soll.

Daher verbleibt auch die individuelle Kindererziehung, Pflege von Alten in der Familie – und es erziehen und pflegen dabei in erste Linie Frauen. Dabei kann diese Operation durchaus widersprüchlich sein, weil eigentlich auch das gesellschaftliche Gesamtkapital unter bestimmten Bedingungen mehr weibliche Arbeitskraft und damit auch eine teilweise Vergesellschaftung der Hausarbeit (z. B. durch mehr Kindergärten, bessere Kantinen …) braucht.

In Krisenzeiten müssen aber Kosten gespart werden durch Absenkung der Löhne, Verlängerung der Arbeitszeit, Kurzarbeit, Entlassungen, aber auch und vor allem durch Kürzungen im sozialen Bereich insgesamt. Frauen fungieren so als „flexible“ Aufstockerinnen, besonders leicht verschiebbarer Teil der industriellen Reservearmee, die zuerst ins Private gedrängt werden und sich eher um Familie kümmern, aber bei besserer Konjunktur auch wieder leicht und schlechter bezahlt einsetzbar sind.

Wir sehen hier also auch, woher der Gender Pay Gap (geschlechtsspezifischer Lohn- und Gehaltsunterschied) kommt. Der Lohn des Mannes wird historisch als Familienlohn gesetzt (der auch die Kosten zur Reproduktion der Familie einschließt). Die Arbeit der Frau erscheint dabei nur als „Zuschuss“, als „Aufstocken“. Das Ganze bildet einen Elendskreislauf, der sich in einem gewissen Maß selbst reproduziert: Basierend auf der geschlechtlichen Arbeitsteilung geht der Mann arbeiten, weil er mehr verdient – und weil der Mann mehr verdient, bleibt die Frau zu Hause. Somit reproduziert sich die geschlechtliche Arbeitsteilung gleich mit.

Kämpfe der ArbeiterInnen- und der Frauenbewegung haben zwar wichtige Verbesserungen errungen, aber eine wirkliche Gleichheit konnte nie erreicht werden, weil die unterschiedlichen Löhne in der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und im privaten Charakter der Hausarbeit wurzeln. Gerade in Krisen stehen wir immer wieder vor der Gefahr eines Rollbacks.

Forderungen

Auch wenn sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Frauen in den verschiedenen Ländern und Regionen sehr unterschiedlich darstellen, so gibt es doch einige gemeinsame Forderungspunkte, die für eine internationale Bewegung von großer Bedeutung sind:

Gesundheitsschutz für alle!

Kostenloser Zugang für alle, insbesondere auch Frauen aus dem „globalen Süden“, zu Gesundheitsversorgung sowie zu Corona-Impfstoffen und -Tests. Die Produktion und Verteilung der Impfstoffe muss der Kontrolle der privaten Konzerne entzogen werden. Nein zum Impfstoff-Nationalismus der imperialistischen Staaten, für die Aufhebung der Patente und einen internationalen Plan zu raschen Produktion und Verteilung. Streichung der Schulden der Länder der „Dritten Welt“ und Finanzierung der Gesundheitsversorgung und der Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung (inklusive der Versorgung bei Quarantänemaßnahmen) durch einen internationalen Plan, finanziert von den reichen Ländern und durch die Besteuerung von Vermögen und Kapital!

Gleiche Arbeit, gleicher Lohn!

Dies beinhaltet auch Forderungen wie jene nach einem Mindestlohn oder nach Abschaffung aller Formen informeller, prekärer Arbeit durch tarifliche Löhne und Gehälter, verknüpft mit der nach Kontrolle dieser Maßnahmen durch Komitees der ArbeiterInnenklasse, insbesondere der Lohnarbeiterinnen. Keine Entlassungen und volle Bezahlung aller Beschäftigen während der Lockdowns bei Schließung aller nicht-essentiellen Wirtschaftsbereiche, um eine Zero-Covid-Strategie durchzusetzen. Anhebung der Renten, Arbeitslosenunterstützung zumindest auf Höhe des Mindestlohns. Kontrolle der Gewerkschaften und von Ausschüssen der ArbeiterInnen über diese Maßnahmen.

Selbstbestimmung über den eigenen Körper!

Diese muss das Recht auf Empfängnisverhütung, die kostenlose, sichere und frei zugängliche Abtreibung beinhalten. Sie inkludiert auch den Schutz vor häuslicher Gewalt, Scheidungsrecht, rechtliche Gleichheit, den massiven Ausbau von Schutzräumen wie Frauenhäusern sowie den Aufbau von Selbstverteidigungskomitees gegen Gewalt und Übergriffe, die von der ArbeiterInnenbewegung unterstützt werden.

Kampf gegen Entlassungen, Einbezug ins Berufsleben!

Der Kampf gegen Entlassungen muss sich auch gegen die von Frauen richten. Alle rechtlichen Benachteiligungen, alle Formen von Sexismus und Diskriminierung im Berufsleben müssen offensiv bekämpft werden. Der Kampf gegen Entlassungen muss mit dem für eine massive Verkürzung der Arbeitszeit verbunden werden, so dass die Arbeit unter alle, Männer wie Frauen, aufgeteilt werden kann.

Nein zu Sozialabbau und Privatisierung – Vergesellschaftung der Hausarbeit!

Statt weiterer Kürzungen müssen wir für den Ausbau von Schulen, Bildungseinrichtungen, öffentlichen Krankenhäusern, Kultureinrichtungen usw. unter Kontrolle der ArbeiterInnenklasse eintreten. Dies ist absolut notwendig, um dem weiteren Rollback und der Zunahme privater Hausarbeit entgegenzutreten. Letztlich besteht die Aufgabe darin, die gesamte Hausarbeit zu vergesellschaften, so dass lebenswichtige Aufgaben wie Kindererziehung und Sorge um Alte und Kranke nicht mehr individuelle Last von Frauen bleiben, sondern kollektiv angepackt werden.

Gegen Sexismus und Chauvinismus!

Beim Aufbau einer internationalen Bewegung gegen Pandemie und Krise müssen Frauen und ihre Forderungen eine Schlüsselrolle einnehmen. Doch ihre Unterdrückung in der Gesellschaft findet nur allzu oft ihre Fortsetzung in der reformistischen und bürokratisierten ArbeiterInnenbewegung. Daher ist es notwendig, dass sie sich gegen alle Formen des Sexismus und Chauvinismus in unserer Klasse auch organisiert zur Wehr setzen können und wie alle anderen sozial Unterdrückten in Parteien oder Gewerkschaften das Recht auf eigene Treffen (Caususes) haben. Mit den Frauen*streiks der letzten Jahre hat sich eine globale Kraft zu formieren begonnen, die das Potential besitzt, zu einer internationalen proletarischen Frauenbewegung zu werden. Diese stellt für den gemeinsamen Kampf von Männern und Frauen der ArbeiterInnenklasse kein Hindernis, sondern vielmehr eine Voraussetzung zu einem wirklichen, gemeinsamen Kampf gegen Frauenunterdrückung und Kapitalismus dar.




Vergesellschaftung der Hausarbeit

Ella Mertens, REVOLUTION Österreich, Fight! Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 9

Obwohl Frauen rund 60 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Haus- und Sorgearbeit – Kochen, Putzen, Kinder- und Krankenbetreuung – aufbringen als Männer, werden weder diese Arbeit noch die sie Ausübenden besonders geschätzt. Nicht nur nicht gewürdigt wird die Hausarbeit, sie wird größtenteils nicht einmal als Arbeit wahrgenommen. „Niemand bemerkt sie, es sei denn, sie wird nicht gemacht.“ (Barbara Ehrenreich, 1975)

Dieses Ungleichgewicht in der geschlechtlichen Aufteilung der Hausarbeit geht mit einem Ungleichgewicht in der Aufteilung der bezahlten Arbeit einher: In Deutschland ist rund die Hälfte aller Frauen teilzeitbeschäftigt – unter Müttern ist diese Zahl noch höher. Gleichzeitig arbeiten 88,8 % der Männer ausschließlich in Vollzeit – eventuelle Vaterschaft beeinflusst diese Zahl kaum. Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung bildet die Grundlage für ein Machtgefälle innerhalb der bürgerlichen Familie: die (Haus-)Frau ist finanziell von ihrem Mann abhängig, während gleichzeitig ein Großteil der Reproduktionsarbeit von ihr verlangt wird.

Die Pandemie hat diese Doppelbelastung nochmal massiv verstärkt. Gleichzeitig gibt es einige Stimmen, die glauben, dass Homeoffice die Situation für Frauen verbessert, da sich diese dann „flexibler“ aussuchen können, wann sie denn die unbezahlte Mehrarbeit erledigen können. An dieser Stelle wollen wir aufzeigen, dass das nur eine Scheinlösung ist und was wirklich hilft, das Problem zu lösen. Doch bevor wir dazu kommen, wollen wir klären, warum es überhaupt diese Form der unbezahlten Arbeit gibt.

Was ist Reproduktionsarbeit?

Der Begriff der Reproduktionsarbeit geht auf Karl Marx zurück und bezeichnet die Wiederherstellung der Arbeitskraft (also die Fähigkeit produktive Arbeit zu verrichten), sowohl im individuellen als auch im gesellschaftlichen Bereich. Es zählen dazu alle Tätigkeiten, die direkt zum Erhalt des menschlichen Lebens dienen (Waschen, Kochen, Pflegen, Erziehen). Sie kann gegen Lohn oder unbezahlt stattfinden. Die Reproduktionsarbeit stellt in der Regel keine produktive Arbeit für das Kapital dar, weil sie meist keinen Mehrwert generiert (obwohl es auch Unternehmen gibt, wo Reproduktionsarbeit einen Profit für das Kapital schafft wie z. B. bei privaten Krankenhauskonzernen). Produktiv bedeutet hier vor allem die Stellung welche die Arbeit zum Kapital hat und keine moralische Wertung.

Auch wenn die Reproduktionsarbeit in bestimmten Entwicklungsphasen (z. B. Expansion nach dem 2. Weltkrieg) selbst Tendenzen zur Vergesellschaftung unterliegt, so verbleiben wesentliche Teile im privaten Haushalt. Gerade in Krisenperioden wird versucht, diese Arbeiten ins Private zurückzudrängen, wo sie nicht entlohnt werden muss. Das trifft besonders die Tätigkeit, die wir tagtäglich zum Überleben brauchen: jene unsichtbare, selbstverständliche Angelegenheit der Hausarbeit, die mehrheitlich von Frauen verrichtet wird.

Die für den Kapitalismus typische Struktur stellt dabei die bürgerliche Kleinfamilie dar. Dabei erfüllt sie unterschiedliche Aufgaben. So dient sie für die Familien der Arbeiter*innenklasse dazu, die Ware Arbeitskraft zu reproduzieren. Gleichzeitig wird dadurch die geschlechtliche Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen reproduziert und an die nächste Generation vermittelt.

Aber was ist mit Kindergärten, Krankenhäusern und Schulen? Ist das nicht widersprüchlich, dass es die gibt, wenn versucht wird, alle Kosten zu sparen? Diese Teile der Care-Arbeit, die gesellschaftlich organisiert werden, resultieren aus Kämpfen der Arbeiter*innenbewegung, verstärkter Nachfrage nach (weiblicher) Lohnarbeit sowie den gestiegenen Anforderungen an die Arbeitskraft. Beispielsweise Schulbildung ist ein Bereich, der (zumindest teilweise) staatlich organisiert wird, u. a. damit die einzelnen Kapitalist*innen nicht die Ausbildungskosten tragen müssen, was einen Konkurrenznachteil gegenüber ihrer Konkurrenz mit sich bringen würde, die ausgebildete Arbeitskräfte einstellt, aber nicht für ihre Ausbildung bezahlt. Deswegen tritt an ihrer Stelle der Staat als ideeller Gesamtkapitalist und trägt die Kosten, welche auch durch Steuern von der Arbeiter*innenklasse eingetrieben werden.

Insgesamt sind diese Care-Bereiche oftmals schlecht bezahlt und unterliegen wie beispielsweise die Arbeit im Krankenhaus dem Druck, profitabel zu wirtschaften. Generell werden Frauen nicht nur in schlechter bezahlter Berufe gedrängt, sondern verdienen auch bei gleicher Arbeit deutlich weniger, was wiederum die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung im Haushalt der Arbeiter*innenklasse insgesamt reproduziert.

Was tun?

Individuelle Lösungen wie Homeoffice, Putzhilfen, Absprachen mit dem männlichen Partner oder Einbeziehung von Freund*innen mögen vielleicht unmittelbar helfen. Aber sie sind keine gesamtgesellschaftliche Lösung, ja sie können, wenn wir z. B. den überausgebeuteten Sektor weiblicher Haushaltshilfen betrachten, sogar die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung vertiefen.

Oft sind sie nur für jene möglich, die sich des Problems überhaupt bewusst sind und es sich „leisten“  können, weil sie entweder Geld haben, sich von dieser Arbeit freizukaufen oder über ein Umfeld verfügen, das genügend Zeit dafür bietet.  Es gibt auch Feminist*innen, die eine Lösung versucht haben zu finden. Mit ihrem Werk „Die Macht der Frauen und der Umsturz der Gesellschaft“ prägten  Mariarosa Dalla Costa und Selma James die Debatte um die Hausarbeit entscheidend. Aus dieser Theorie entstand erstmals 1974 in Italien die Forderung nach Lohn für Hausarbeit. Diese ist allerdings ebenfalls problematisch. Anstatt die Rolle der Hausfrau abzuschaffen und eine neue Verteilung der reproduktiven Arbeit zu bieten, institutionalisiert sie sie und festigt sie somit. Die geschlechtliche Arbeitsteilung  bleibt erhalten und somit kämpft diese Forderung nicht für eine konsequente, langfristig Verbesserung für Frauen. Was also tun? Wenn wir die Doppelbelastung von Frauen beenden wollen, dann müssen wir das Problem an der Wurzel packen: der bürgerlichen Familie.

Wie stellen wir uns das vor?

Das heißt nicht, dass wir als Kommunist*innen die Familie verbieten wollen. In der kapitalistischen Gesellschaft dient, sie wie oben beschrieben, für die Arbeiter*innenklasse als Ort, wo die eigene (und zukünftige) Arbeitskraft reproduziert werden kann. Sie ist trotz all ihrer Widersprüchlichkeit der Raum, in dem man sich auch erholen kann. Statt also individuelle Absprachen zu treffen oder zu hoffen, dass man irgendwann genug Geld verdient, sich Haushaltshilfen zu leisten, macht es Sinn, gesamtgesellschaftliche Lösungen zu finden – also die Reproduktionsarbeit auf alle Hände aufzuteilen.

Dazu braucht man nicht an eine utopische Zukunft in mehreren Jahrzehnten zu denken, um sich eine vergesellschaftete Hausarbeit vorstellen zu können. Bereits 1930 gab es in Wien ein Wohnprojekt, das – zumindest im kleinen Stil – diese Forderungen aufgriff: den Karl-Marx-Hof. In dem Gemeindewohnbau gab es zusätzlich zu Wohnungen mehrere gemeinschaftliche Einrichtungen wie kommunale Waschküchen, Jugendheime und Kinderbetreuungsstellen, die von den Bewohner*innen gemeinsam organisiert und genutzt wurden. Für diese Einrichtungen sprechen gleich mehrere Sachen: Erstens wird die Zeit, die wir individuell in die Reproduktion stecken, gesenkt, die wir dann woanders nutzen können. Zweitens beenden wir damit ebenso die geschlechtliche Arbeitsteilung und damit die Grundlage für die nervigen Geschlechterrollen, in die wir im Kapitalismus gedrängt werden.

Wie ist das realisierbar?

Im Kapitalismus hat das Ganze Grenzen. Schließlich geht’s den Kapitalist*innen nicht darum, dass wir glücklich sind, sondern um ihre Profite. Zwar gibt es Tendenzen, wie beispielsweise in Kriegszeiten, in denen mehr Bereiche der Reproduktion kollektiviert wurden. Dies diente aber nur kurzfristig dazu, mehr Frauen in die Produktion zu ziehen. Nach dem Kriegsende wurde das Ganze wieder geändert und die Frauen entlassen.

Damit es also nach unserem Interesse läuft, müssen wir die Vergesellschaftung der Hausarbeit selber kontrollieren. Konkret heißt das, dass wir alle Kürzungen im Bereich der öffentlichen Reproduktionsarbeit und alle Privatisierungen bekämpfen müssen. Stattdessen müsste ein massiver Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen, des Gesundheitswesens und der Freizeiteinrichtungen erkämpft werden.

Ebenso unterstützen wir im Hier und Jetzt den Kampf für einen Mindestlohn, angepasst an die Inflation für alle Arbeiter*innen. Für alle, die keine Arbeit haben, fordern wir ein Mindesteinkommen in derselben Höhe. Damit kann auch sichergestellt werden, dass niemand aufgrund ökonomischer Abhängigkeit gezwungen ist, bei seiner Familie zu leben, und so Gewalt, Druck oder Mehrarbeit ausgesetzt sein muss.

Auch wenn im Kapitalismus einzelne Verbesserungen erkämpft werden können, erfordert eine konsequente Vergesellschaftung der Hausarbeit die revolutionäre Umwälzung der Gesellschaft. Warum? Eine Vergesellschaftung der Hausarbeit würde auch bedeuten, dass die Produktion und Reproduktion der Arbeitskraft vergesellschaftet wird, ihr Warencharakter und die Konkurrenz innerhalb der Klasse eingeschränkt würden.

Daher ist die Vergesellschaftung der Reproduktionsarbeit untrennbar mit gesamtgesellschaftlicher Planung und Organisation verbunden. Nur so kann die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in Produktion und Reproduktion dauerhaft durchbrochen werden. Pädagogische und andere versorgende Einrichtungen müssen umstrukturiert und anders geplant werden, und die Neuaufteilung der Hausarbeit muss durch Räte, die die Arbeiter*innen selbst repräsentieren und ihre Beschlüsse umsetzen, in Angriff genommen und abgesichert werden.

Wir müssen also weiter kämpfen und das Ausbeutungssystem des Kapitalismus revolutionär überwinden, um allen Menschen eine freie, selbstbestimmte Zukunft gewährleisten zu können!

Quellen

https://arsfemina.de/rassismus-und-sexismus/vergesellschaftung-der-hausarbeit

http://onesolutionrevolution.de/hausarbeit-und-frauenstreik/

http://onesolutionrevolution.de/frauenstreik-2019-aber-richtig/

https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-unbezahlte-arbeit-frauen-leisten-mehr-3675.htm

https://www.zeitschrift-luxemburg.de/wiedergelesen-die-frauen-und-der-umsturz-der-gesellschaft/

http://www.dasrotewien.at/seite/karl-marx-hof




Hausarbeit und Frauenstreik

Stefan Katzer, ArbeiterInnenmacht, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 7, März 2019

Wenn
feministische Organisationen am 8. März, dem internationalen Frauenkampftag,
auch in Deutschland zum „Frauenstreik“ aufrufen, folgen sie damit dem Vorbild
von Millionen Frauen weltweit. Diese legten bereits letztes Jahr unter anderem
in Argentinien, Brasilien, Frankreich, Großbritannien, Indien, Iran, Italien,
Kolumbien, auf den Philippineninseln, in der Republik (Süd-)Korea, im
mehrheitlich kurdisch bevölkerten nordsyrischen Kanton Afrin sowie in der
Türkei und in Uruguay die Arbeit nieder und gingen aus Protest gegen ihre
gesellschaftliche Unterdrückung auf die Straße. Sie forderten dabei unter
anderem ein Ende der Gewalt gegen Frauen, das Recht auf körperliche und
sexuelle Selbstbestimmung, die Abschaffung prekärer Arbeitsverhältnisse sowie
eine faire Aufteilung der Haus- und Betreuungsarbeit. Die aufrufenden Gruppen
konnten dabei zum Teil enorme Mobilisierungserfolge erzielen wie etwa in
Spanien, wo zeitweise ca. sechs Millionen Frauen und Männer für einige Stunden
in den Ausstand gingen.

Der
„Frauenstreik“, der als politische Kampfform in den letzten Jahren vermehrt
wiederentdeckt wurde, ist jedoch bedeutend älter. Er kann als eine Erfindung
der zweiten Welle der Frauenbewegung betrachtet werden, die Ende der 1960er
Jahre vor allem in den USA und (West-)Europa entstand. Der „autonome
Frauenkampf“, den Teile dieser Bewegung propagierten und theoretisch zu
legitimieren versuchten, kann dabei auch als politische Reaktion auf die
Ignoranz der reformistisch geführten Organisationen der ArbeiterInnenbewegung,
aber auch der meisten Gruppen aus der „radikalen Linken“ für die Probleme der
(Haus-)Frauen verstanden werden. Der Einfluss kleinbürgerlicher Ideologien auf
den neu aufkommenden Feminismus soll nicht geleugnet werden. Die Trennung von
Frauen- und Klassenkampf ist jedoch ebenso Folge der Unfähigkeit der
Organisationen der ArbeiterInnenklasse, eine politische Kampfperspektive zu
vermitteln, welche den Kampf gegen patriarchalische Unterdrückung und
kapitalistische Ausbeutung als gemeinsamen versteht. Wenn wir uns im Folgenden
mit diesen Theorien auseinandersetzen, so in der Absicht, dessen Notwendigkeit
und seine politischen Perspektiven aufzuzeigen. Inwiefern hierfür der Bezug auf
das Proletariat nach wie vor zentral ist, soll auch in Auseinandersetzung mit
der „Wert-Abspaltungskritik“ von Roswitha Scholz geklärt werden.

(Haus-)Frauenstreik

Theoretisch begründet wurde die Idee des Frauenstreiks von Mariarosa Dalla Costa und Selma James, die mit ihrer Schrift „Die Macht der Frauen und der Umsturz der Gesellschaft“ die Debatte um das Thema Hausarbeit in den 1970er Jahren entscheidend prägten. Dalla Costa und James, die sich anschickten, die marxsche Theorie von ihren „blinden Flecken“ zu befreien und durch die Einbeziehung der Reproduktionsarbeit in die Analyse der kapitalistischen Produktionsweise die Ausbeutung der Frau in der Familie sichtbar zu machen, diskutierten in diesem Zusammenhang auch die Frage des „Frauenkampfes“. Dabei sahen sie in der kollektiven Verweigerung der Hausarbeit eine geeignete politische Kampfform, um die Isolation der Frauen im Haushalt zu durchbrechen und ihren Kampf um die Befreiung von patriarchalischer Unterdrückung mit dem gegen die kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisse zu verbinden. Sie betrachteten den Frauenkampf somit als ein geeignetes Mittel im Kampf der (Haus-)Frauen gegen die Ausbeutung in der Familie, konzipierten ihn aber von Anfang an zugleich als „Teil des Kampfes, den die Arbeiterklasse gegen die kapitalistische Arbeit führt“ (Dalla Costa/James, S. 42).

Ihr Vorwurf lautete, Marx sei für wesentliche Formen der Unterdrückung und ökonomischen Ausbeutung blind gewesen. Für sie war die in der Familie geleistete Hausarbeit eine Form produktiver Arbeit wie die in der Industrieproduktion, die Mehrwert für den/die Kapitalistin schafft. Zugleich bildete diese Tatsache nach ihrer Ansicht die ausschlaggebende materielle Grundlage für die Möglichkeit eines „autonomen Frauenkampfes:“ „Diese Möglichkeit des Kampfes auf gesellschaftlicher Ebene entsteht eben aus dem gesellschaftlich produktiven Charakter der Tätigkeit der Frau im Haus.“ (S. 43) Oberflächlich betrachtet erscheine die Hausarbeit zwar als eine persönliche Dienstleistung für den Ehemann, tatsächlich aber gehe sie direkt in die Mehrwertproduktion des Kapitals ein, indem nämlich die Hausarbeit die Ware Arbeitskraft des männlichen Arbeiters hinter dem Rücken der industriellen Produktion, also in verschleierter Form, ohne Lohn reproduziere. Dadurch sorge sie für die Vergrößerung der Mehrwertproduktion, sei also produktive, Mehrwert erzeugende Arbeit. Da die kapitalistische Produktionsweise ohne die Reproduktion der Ware Arbeitskraft nicht funktionieren könne, sei zudem die Familie als die hauptsächliche Stütze der kapitalistischen Organisation der Arbeit zu betrachten (S. 42). Ebenso sei die Konsumtion, die in der Familie stattfinde, produktive Konsumtion und auch dadurch die Hausarbeit Moment der kapitalistischen Mehrwertproduktion. Halten wir zunächst fest, dass „produktive“ Hausarbeit im o. a. Sinne nur in der LohnarbeiterInnenfamilie geleistet werden und somit nicht die Arbeit aller Hausfrauen umfassen kann.

Zwei wesentliche
Konzepte bilden somit die Grundlage für diese Theorie im Fall der
proletarischen Hausfrauen: ihre Produktion von Arbeitern/Arbeitskraft
(d. h. Kindererziehung, Dienstleistung am Ehemann/Arbeiter) und ihre Rolle
bei der „Konsumtion als Teil der Produktion“, also Einkaufen, Kochen, Putzen,
Pflegen usw. Die Behauptung, diese beiden Aspekte der Hausarbeit brächten Mehrwert
hervor, ignoriert allerdings zwei wesentliche Unterschiede, nämlich 1) den
zwischen industrieller und privaterKonsumtion (d. h. Verbrauch von
Lebensmitteln in der Familie) und 2) den Unterschied zwischen produktiver
Arbeit unter dem Kapitalismus, d. h. Lohnarbeit für eine/n KapitalistIn
zur Erzeugung von Mehrwert, und einfacher Arbeit, die „nur” einen Gebrauchswert
erzeugt.

Zum Unterschied
zwischen industrieller und privater Konsumtion schreibt Marx:

„Die Konsumtion des Arbeiters ist doppelter Art. In der Produktion selbst konsumiert er durch seine Arbeit Produktionsmittel und verwandelt sie in Produkte von höherem Wert als dem des vorgeschoßnen Kapitals. Dies ist seine produktive Konsumtion. Sie ist gleichzeitig Konsumtion seiner Arbeitskraft durch den Kapitalisten, der sie gekauft hat. Andrerseits verwendet der Arbeiter das für den Kauf der Arbeitskraft gezahlte Geld in Lebensmittel: dies ist seine individuelle Konsumtion. Die produktive und die individuelle Konsumtion des Arbeiters sind also total verschieden. In der ersten handelt er als bewegende Kraft des Kapitals und gehört dem Kapitalisten; in der zweiten gehört er sich selbst und verrichtet Lebensfunktionen außerhalb des Produktionsprozesses.“ (Marx: Das Kapital, Bd. 1, 21. Kapitel, S. 596f.; Hervorhebung durch d. Red.)

Zwar wird auch
der private Verbrauch, von den KapitalistInnen berücksichtigt, da er zur
Aufrechterhaltung und Reproduktion der Arbeitskraft notwendig ist, somit ein
notwendiges Moment des Produktionsprozesses darstellt. Aber da der/die
ArbeiterIn außerhalb des Produktionsprozesses nicht dem/r KapitalistIn, sondern
sich selbst gehört, kann er/sie dies getrost dem Selbsterhaltungs- und
Fortpflanzungstrieb der ArbeiterIn überlassen. Die Tatsache, dass es notwendig
ist zu essen, zu leben und sich fortzupflanzen, macht die
(ArbeiterInnen-)Familien somit nicht zu einem „Zentrum gesellschaftlicher
Produktion”. Diese Dinge finden vielmehr ungeachtet der gesellschaftlichen
Produktionsform statt. Individuelle Konsumtion zu Hause ist keine kapitalistische
Produktion, da dem/r KapitalistIn die Familie nicht gehört. Der/die ArbeiterIn gehört vielmehr
weiterhin sich selbst und verkauft dem/r KapitalistIn lediglich
stundenweise seine/ihre Arbeitskraft. Die Ware Arbeitskraft wird also in der
ArbeiterInnenfamilie nicht als Ware produziert, sondern als solche im
kapitalistischen Produktionsprozess verkauft. Somit ist auch der
„Produktionsprozess“ der Ware Arbeitskraft im Haushalt selbst nicht
kapitalistisch. Er steht vielmehr außerhalb des Lohnarbeit-Kapital-Verhältnisses,
welches die systematische Grundlage der Klassen- und Ausbeutungsverhältnisse
darstellt. Auch geht die (notwendige Reproduktions-)Arbeit nur dann als
wertbildende Arbeit in diese besondere Ware ein, wenn diese in Form von
bezahlten Dienstleistungen erbracht wird. Die Arbeitskraft wird durch Verbrauch
materieller Dinge (Essen, Kleidung) und Dienstleistungen (medizinische
Versorgung, Ausbildung) geschaffen. Der Gesamtwert dieser Mittel zum
Lebensunterhalt ist der Wert der Arbeitskraft. Die zur Aufbereitung dieser
Verbrauchsgüter von den Hausfrauen geleistete Hausarbeit wird bei dieser Summe nicht
berücksichtigt. Hausarbeit fügt der Ware Arbeitskraft somit auch keinen Wert hinzu,
sie schafft „lediglich“ Gebrauchswert für die individuelle Konsumtion.
Ihr Gebrauchswert für den/die KapitalistIn besteht dagegen erst in ihrem
industriellen Konsumtionsprozess, der Erzeugung von Mehrwert.

Das bedeutet
umgekehrt aber nicht, dass Frauen zu Hause nicht arbeiten oder ihre Arbeit – im
normativen Sinne – „nichts wert“ sei. Es bedeutet lediglich, dass diese
häusliche Schufterei keine kapitalistische Produktion ist und sie genau aus diesem Grund
bei der Analyse kapitalistischer Produktionsverhältnisse von Marx nicht
berücksichtigt wird. Dass Marx die im Haushalt geleistete Arbeit nicht als
„produktive Arbeit“ fasste, hat also nichts mit seiner Blindheit gegenüber
sexistischen Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnissen zu tun. Es liegt
vielmehr daran, dass diese Arbeit unter kapitalistischen Produktionsbedingungen
vom Produktionsprozess wirklich ausgeklammert ist und „privat“ stattfindet –
obwohl sie als notwendige Arbeit für die Reproduktion der Gesellschaft zugleich
unerlässlich ist. Wenn Dalla Costa und James also behaupten, dass Frauen
Menschen „produzierten“, dann ist das im biologischen Sinne sicherlich richtig,
bedeutet aber nicht, dass man deshalb schon von produktiver Arbeit – für eine/n
KapitalistIn – sprechen kann. Genau dies war der theoretische Fehlschluss, der
letztlich auch zu falschen politischen Forderungen führte.

„Lohn für Hausarbeit!“ – eine
Forderung, viele Probleme

Eine, die
mit der Kampfform des (Haus-)Frauenstreiks erkämpft werden sollte, lautete:
„Lohn für Hausarbeit“. Sie begegnet uns heute zum Teil in der etwas
schwammigeren Forderung nach einer „Wertschätzung der Hausarbeit“ wieder und
wird auch vom Bündnis „Frauen*streik“ vertreten. Im „Aufruf zum Streik“ erklärt
es dazu u. a. Folgendes: „Wir wollen streiken, … weil wir in einer Welt
leben wollen, in der jede Arbeit wertgeschätzt wird. … weil wir uns nicht
länger ausbeuten lassen, weder zu Hause, noch auf der Lohnarbeit. … weil
unsere Zeit uns gehört und wir selbst bestimmen wollen, wann und wie wir
arbeiten. […].“ (Aufruf Frauenstreik 2019) Die Forderung nach „Lohn für Hausarbeit“
ist nicht alleine deshalb problematisch, weil sie auf einer falschen Analyse
beruht (eine solche kann sinnvoll und unterstützenwert sein), sondern vielmehr,
weil sie auch politisch-strategisch einige Probleme aufwirft. Dalla Costa und
James haben eines selbst diskutiert. Sie erkannten, dass die Forderung Gefahr
läuft, „so ausgelegt zu werden, als ob wir die Situation der Hausfrau
institutionalisierten und damit verfestigten wollten“ (Dalla Costa/James, S.
42), während ihr eigentliches Ziel darin bestehe, „die gesamte Hausfrauenrolle
zu zerstören“ (S. 43). Wenn es auch keinen Grund dafür gibt, die Aufrichtigkeit
der Autorinnen bezüglich ihrer revolutionären Intention zu bezweifeln, ist es
doch so, dass die soziale Logik einer Forderung und deren materielle
Auswirkungen nicht automatisch dem entsprechen, was sich der/die Fordernde
dabei subjektiv „eigentlich“ denkt oder wünscht. Denn diese Forderung zielt
gerade nicht auf die Überwindung der Trennung von produktiver und
reproduktiver/Gebrauchswert bildender Arbeit ab. Sie schreibt sie und die ihr
zugrunde liegende sexistische Arbeitsteilung vielmehr fest. Darüber hinaus
zeugt sie von einem falschen Verständnis des (bürgerlichen) Staates. Dieser ist
Staat des Kapitals und steht nur scheinbar über den Klassengegensätzen. Er
sichert zugleich die Voraussetzungen der kapitalistischen Ausbeutung und
schützt diese auch mithilfe seines Gewaltmonopols, dient somit in erster Linie
der herrschenden Klasse als Mittel zur Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft. Ein
revolutionäres Programm, das die Aufhebung aller Formen der Ausbeutung und
Unterdrückung zum Ziel hat, muss dementsprechend auf die Zerschlagung des
bürgerlichen und auf die Errichtung eines proletarischen Halbstaates abzielen,
um die notwendigen gesellschaftlichen Umwälzungen vollziehen und absichern zu
können.

Die
Neuaufteilung der Hausarbeit, d. h. die Aufhebung der sexistischen
Arbeitsteilung, erfordert deshalb eine umfassende revolutionäre Strategie und
ein ihr entsprechendes Programm, welches unter anderem die Forderung nach einem
Programm gesellschaftlich nützlicher Arbeiten enthält und die gesamte
ArbeiterInnenklasse als Subjekt der revolutionären Umwälzung benennt. Denn nur
diese ist objektiv dazu in der Lage, eine bewusste Vergesellschaftung des
Arbeits- und individuellen Reproduktionsprozesses und der darauf aufbauenden
Verkehrsformen vorzunehmen.

Entlohnung? Vergesellschaftung!

Die Forderung
nach einem/r „Lohn/Wertschätzung für Hausarbeit“ sollte deshalb ersetzt werden
durch die nach deren Vergesellschaftung. Diese muss entsprechend ihrer
Bedeutung und ihrem Zusammenhang mit anderen Bereichen der Produktion in ein
umfassendes Programm gesellschaftlich nützlicher Arbeiten integriert werden. So
kann die Frage nach der demokratischen Planung der gesamten gesellschaftlichen
(Re-)Produktion und der Verteilung der hierfür notwendigen Gesamtarbeit auf
alle arbeitsfähigen Hände und Köpfe gelöst werden. Es geht dabei um die
bewusste Organisation des gesellschaftlichen Zusammenhangs von Produktion und
den darauf aufbauenden gesellschaftlichen Verkehrsformen durch die in Räten
organisierten ProduzentInnen selbst. Die Verbindung mit den Kämpfen der
ArbeiterInnenklasse und die Integration einzelner Forderungen in ein
revolutionäres Übergangsprogramm sind 
auch deshalb notwendig, weil die Hausfrauen in keinem direkten
Verhältnis zum Kapital stehen und dementsprechend auch kein direktes
ökonomisches Druckmittel haben, das sie nutzen könnten, um ihre Forderungen
durchzusetzen. So waren auch bisher jene „(Haus-)Frauenstreiks“ am
erfolgreichsten, welche die Lohnabhängigen integrierten und dazu brachten, ihre
Arbeit ebenfalls niederzulegen. Dass dies auch vom Bündnis „Frauen*streik“
angestrebt wird, ist deshalb zu begrüßen. Allerdings ist die Klärung der
hierfür notwendigen Strategie und der jeweils konkret anzuwendenden Taktiken
etwa gegenüber den reformistischen geführten ArbeiterInnenorganisationen damit
noch nicht sehr weit gediehen. (Siehe Artikel zum Frauenstreik 2019 in dieser
Ausgabe!)

Roswitha Scholz und die Theorie der Wert-Abspaltung

War es noch das
erklärte Ziel der „sozialistischen FeministInnen“, die Kämpfe der Frauen mit
dem Klassenkampf des Proletariats zu verbinden, haben Teile der sich auf Marx
beziehenden feministischen TheoretikerInnen danach eine explizite Abkehr vom
Proletariat vollzogen. Eine davon, deren Einfluss auf Teile der
(post-)autonomen Linken nicht zu unterschätzen ist, ist Roswitha Scholz. Scholz
rechnet zum Kreis der WertkritikerInnen um die „EXIT!“-Gruppe („EXIT“ ist der
Name ihrer Theoriezeitschrift), deren bekanntester Vertreter der verstorbene
Robert Kurz war. Ihre Theorie der Wert-Abspaltung zielt laut eignem Bekunden
auf die Analyse des Zusammenhangs von „Rasse“, Klasse, Geschlecht und
postmoderner Individualisierung, ihre hauptsächliche Kritik auf den von ihr so
genannten „Arbeiterbewegungsmarxismus“. Sie versteht ihre Theorie als
Weiterentwicklung der „fundamentalen Wertkritik“, deren blinde Flecken in Bezug
auf Fragen sexistischer und rassistischer Diskriminierung sie mit ihrer Theorie
der „Wert-Abspaltung“ zu überwinden trachtet. Ihr geht es dabei aber nicht
darum, mittels revolutionärer Theorie und Praxis das Proletariat von
kapitalistischer Klassenherrschaft zu befreien. Scholz’ Anstrengungen zielen
vielmehr darauf, die marxistische Theorie vom Proletariat zu „befreien“.
Hierfür bedarf es grundlegender theoretischer Revisionen – welche sie auch
tatsächlich vornimmt.

Die grundlegende
unter ihnen in Bezug auf die Kritik der politischen Ökonomie besteht in der
Bekämpfung der so genannten „Ontologie der Arbeit“. Arbeit ist etwa für den
„Vater“ der Wertkritik, Moishe Postone, lediglich eine für den Kapitalismus
gültige Kategorie:

„Den Kern aller Varianten des
traditionellen Marxismus bildet der transhistorisch gefasste Arbeitsbegriff.
Die Marxsche Kategorie Arbeit wird dabei als zielgerichtete gesellschaftliche
Tätigkeit verstanden, die zwischen Mensch und Natur vermittelt und dabei
spezifische Güter produziert, um bestimmte menschliche Bedürfnisse zu
befriedigen. Arbeit, so verstanden, ist der ,Urgrund‘ allen gesellschaftlichen
Lebens. Sie konstituiert die soziale Welt und ist Quelle allen
gesellschaftlichen Reichtums. Doch diese Auffassung schreibt der Arbeit als
transhistorisch zu, was Marx als historisch spezifische Eigenschaft der Arbeit im
Kapitalismus verstanden hat“. (Postone, S. 28)

Lassen wir
beiseite, dass Marx 1875 in der Kritik am Gothaer Programm der deutschen
Sozialdemokratie ebenso sehr die Natur als Quelle allen menschlichen Reichtums
betrachtete wie die Arbeit. Ungeachtet der Tatsache, dass einige der von
Postone aufgeführten Bestimmungen des angeblich vom traditionellen Marxismus
verwendeten Arbeitsbegriffs tatsächlich unzutreffend sind, ist die Stoßrichtung
seiner Kritik doch eindeutig: Arbeit ist für ihn eine auf die kapitalistische
Produktionsweise beschränkte Kategorie.

Scholz’ Aussagen
in dieser Richtung sind ambivalenter. Mit dem Allgemeinplatz, dass
„Gesellschaft ein historischer und dynamischer Prozess ist“ (Scholz 2005, S.
13), der sich „definitorischen (und ontologisierenden) Zugriffen“ (ebd.)
verweigere, scheint sie sich der Sichtweise Postones, auf den sie sich auch
ansonsten positiv bezieht, anzuschließen. Ihr scheint aber auch klar zu sein,
dass die Menschen doch immer irgendwie irgendetwas tun müssen, um nicht zu verhungern.
So spricht sie in ein und demselben Satz davon, dass es sich bei der Arbeit „in
anderer Hinsicht“ nicht um eine „überhistorische Angelegenheit“ handle, sie
aber dennoch, „wenngleich vielleicht auch in unterschiedlicher Weise, alle
Gesellschaftsformationen durchzieht“ (S. 21). In welcher Hinsicht Arbeit keine
„überhistorische“ Kategorie darstellt und ob sich dies lediglich auf die Form
der Arbeit bezieht, wird nicht klar. Eindeutiger hingegen ist ihr „negativer“
Bezug auf den Wertbegriff, den sie nur für den Kapitalismus gelten lässt.

Um dies zu
begründen, muss Scholz die Aufmerksamkeit vom Begriff des Kapitals, das bei
Marx letztlich als ein gesellschaftliches Verhältnis gedacht war und im Zentrum
seiner Kritik der politischen Ökonomie stand, auf den Wertbegriff umlenken und
sich diesen dabei zugleich zurechtbiegen. Dieser erscheint nicht mehr als
reflexives Verhältnis der einzelnen Arbeit zur Gesamtarbeit, sondern
gewissermaßen als „Substanz“ der „abstrakten Herrschaft“ im Kapitalismus und
damit als das eigentliche Übel dieser Produktionsweise. Dies alles „leistet“
die Wertkritik, indem sie sowohl vom grundlegenden Doppelcharakter der Arbeit
sowie von deren Naturbedingtheit abstrahiert und diese letztlich auf die
Verausgabung von abstrakter Arbeit reduziert. Diese Verkürzungen ergeben sich
aus dem Unverständnis der Bedeutung der abstrakten Arbeit im Allgemeinen und
ihrer Funktion im Kapitalismus im Besonderen. Damit schaffen sich die
WertkritikerInnen jene Theorie, die ihre kleinbürgerliche politische Praxis und
ihre Abkehr vom Proletariat rechtfertigt.

Doppelcharakter der Arbeit

Marx hat ihn als
den „Springpunkt“ seiner Analyse der Ware im Kapitalismus bezeichnet: den
Doppelcharakter der Arbeit. Die abstrakte Arbeit ist neben der konkreten Arbeit
nach Marx ein Moment des Doppelcharakters aller Arbeit, unabhängig von ihrer
konkreten gesellschaftlichen Form. Der Begriff „abstrakte Arbeit“ bezieht sich
dabei auf die Gesellschaftlichkeit der Arbeit, d. h. auf die gemeinsame,
gesellschaftlich gleiche Verausgabung von menschlicher Arbeitskraft und die
dadurch erzeugte Beziehung aller Arbeitsprodukte untereinander und zur
gesellschaftlichen Gesamtarbeit. Abstrakte Arbeit spielt qua dem „Gesetz der
Ökonomie der Zeit“ in allen Gesellschaftsformationen eine wichtige Rolle, und
zwar bei der proportionalen Verteilung der Gesamtarbeit auf einzelne Zweige.
Insofern von jeder konkreten Eigenschaft der besonderen Arbeitsprodukte und der
sie produzierenden Einzelarbeiten real abstrahiert wird, gelten sie als gleiche
menschliche Arbeit. Die abstrakte Arbeit ist somit eine allgemeine Eigenschaft
aller konkret-nützlichen Arbeiten und in
allen Gemeinwesen
werden diese zugleich als abstrakt-menschliche Arbeiten
aufeinander bezogen. Abstrakte Arbeit, als Verausgabung menschlichen
Arbeitsvermögens im Verhältnis zur gesellschaftlichen Gesamtarbeitskraft,
existiert dem Prinzip nach also unter allen Gesellschaftsformationen.

„Nicht ,abstrakte Arbeit‘ an sich ist
also ein gesellschaftliches ,Konstrukt‘, das nur dem Kapitalismus eigen ist, …
sondern die spezifisch kapitalistische, gesellschaftliche Konstruktion ist es,
dass Arbeit, reduziert auf abstrakte Arbeit, schon als solche zu
gesellschaftlicher Arbeit wird. […] Die spezifisch-historische
gesellschaftliche Kategorie, die abstrakte Arbeit in der Wertform zur
Erscheinung bringt, besteht […] in der Auflösung der naturwüchsigen
gesellschaftlichen Zusammenhänge von Arbeit und Bedürfnisbefriedigung, in der
unmittelbaren Gesellschaftlichkeit von ,bloß verausgabter Arbeit‘, deren gegenständliches
Resultat sich im Nachhinein seinen Bedarf zu suchen hat. Hinter dem Rücken der
Akteure entsteht dabei eine ,zweite Natur‘: eine scheinbar ,naturwüchsige
Beziehung‘ zwischen Arbeit und vergegenständlichten Wertformen, die zum
eigentlichen Zweck und gesellschaftlichen Akteur des ökonomischen Prozesses zu
werden scheinen. Diese zweite Naturwüchsigkeit macht die Gewalt der
Fetischcharaktere der verschiedenen Wertformgestalten aus.“ (Lehner 2008, S.
133)

Moishe Postone
geht hingegen davon aus, dass die abstrakte Arbeit spezifisch kapitalistisch
sei und in anderen Gesellschaftsformationen keine Rolle spiele (vgl. Postone
2003, S. 233). Zudem sei die „Objektivierung“ der abstrakten Arbeit in einer
den Individuen gegenüber verselbstständigten Sphäre die spezifisch
kapitalistische Form „abstrakter Herrschaft“ und diese vom Proletariat und
durch dessen Verausgabung abstrakter Arbeit letztlich selbst erzeugt und
aufrechterhalten. Die der Entfremdung und Subsumtion (Unterordnung) der
lebendigen unter die tote (vergangene, im Kapitalvorschuss enthaltene) Arbeit
zugrundeliegende Klassenherrschaft der – äußerst lebendigen – Bourgeoisie wird
von den WertkritikerInnen hingegen ausgeklammert. Die Kontrolle der besitzenden
Klassen über die von ihnen bewegte Arbeit erscheint aber an der Oberfläche der
Gesellschaft lediglich als die Herrschaft von „objektiven“, „naturhaften“
Gewalten der „Markt- und Kapitalbewegungen“:

„Durch die Ablösung des Fetischs und des ,automatischen Subjekts‘ von dieser gesellschaftlichen Basis wird dem Fetisch sein eigentlicher gesellschaftlicher Zweck genommen – er wird quasi wörtlich genommen. Tatsächlich verschleiert er jedoch als sachliches Verhältnis, das doch eigentlich ein ganz handgreiflich gesellschaftliches ist, die Herrschaft einer Klasse über eine andere.“ (Lehner 2003, S. 116)

Die
WertkritikerInnen sind somit nicht in der Lage zu erkennen, dass die
gesellschaftliche Form der Arbeit von den gegenständlichen Bedingungen der
Arbeit und der Distribution der Produktionsmittel abhängt. Doch nur dann, wenn
vom Arbeitsprozess als Einheit seiner subjektiven und objektiven Bedingungen
ausgegangen wird, wenn also von der Naturbedingtheit der Arbeit nicht
abstrahiert und wenn sie nicht auf die Verausgabung von abstrakter Arbeit
reduziert wird, kann überhaupt wahrgenommen werden, dass das Eigentum an den
gegenständlichen Arbeitsbedingungen eine Bedingung der Arbeit ist und dass die
gesellschaftliche Form der Arbeit von
dieser Bedingung abhängt. Eine Theorie hingegen, die diesen Zusammenhang
unterschlägt, muss letztlich zu allerhand Mystizismus führen – wie die Texte
der Wertkritik verdeutlichen.

Auch Roswitha
Scholz behauptet, die abstrakte Arbeit sei überhaupt erst im Kapitalismus
„entstanden“ (Scholz 2005, S. 19). Sie spricht gar vom „System der ‚abstrakten
Arbeit‘“, bei dem es gar nicht um eine „subjektiv-private Aneignung von etwas
Positivem qua Privateigentum an den Produktionsmitteln“ (S. 17) gehe, sondern
das „Privateigentum nur eine sekundäre Erscheinungsform des Mehrwerts als eines
negativen gesellschaftlichen Selbstzwecks“ darstelle (S. 17f.). Was immer man
unter einem „negativen Selbstzweck“ zu verstehen hat, Mehrwert und Verausgabung
abstrakter Arbeit sind gegenüber dem Privateigentum an Produktionsmitteln für
sie das bestimmende Moment.

Die
gesellschaftliche Form der Arbeit wird von ihr von deren gegenständlichen
Bedingungen getrennt. Statt ihren inneren Zusammenhang zu analysieren, wird
„der Wert“ bzw. die „Wert-Abspaltung“ als „zentrales gesellschaftliches
Basisprinzip“ (S. 21) und zugleich als „Metastruktur“ (S. 23) konzipiert, die
nirgends in der empirischen Realität mehr begründet scheint. Die
gesellschaftlichen Voraussetzungen und Vermittlungen der „Selbstverwertung des
Werts“ in der Produktionssphäre werden ausgeklammert. Die Verselbstständigung
der Wertform ist aber abhängig von der Einverleibung der „freien Arbeitskraft“
in die Warenwelt – und das nicht nur historisch, sondern auch logisch. Erst
dadurch – das heißt durch das Privateigentum an Produktionsmitteln, welches die
Eigentumslosigkeit der ArbeiterInnen und somit deren Abhängigkeit begründet –
entsteht überhaupt die Möglichkeit dafür. Doch auch Scholz kann die historische
Genese des Kapitalismus und dessen Voraussetzungen nicht völlig ausblenden.
Dementsprechend benennt sie die Verwandlung der Arbeitskraft in eine Ware als
eine seiner Voraussetzungen (vgl. S. 18). Sie erklärt aber Klassengegensätze
für die sich auf den eigenen Grundlagen reproduzierende kapitalistische
Produktionsweise als zweitrangig bzw. vollkommen obsolet. Die
Verselbstständigung der Wertform ist für sie vielmehr eine Frage des Charakters
– und zwar des „Selbstzweckcharakters des Werts“ (ebd.). Damit verdinglicht sie
ein gesellschaftliches Verhältnis zwischen Individuen und Klassen zu einem Ding
mit quasi-menschlichen Eigenschaften. Das Subjekt der gesellschaftlichen
Reproduktion wird von den empirischen Individuen und den materiellen
Verhältnissen abgelöst und die Wert-Abspaltung entsprechend zu einer
„Metastruktur“ stilisiert, welche sich auf die „Metalogik“ (S. 182) der
sozialen Reproduktion beziehe, deren Widerspiegelung in der Theorie der
Wert-Abspaltung „auf einem hohen Abstraktionsniveau angesiedelt“ (S. 22) sei.
Das „hohe Abstraktionsniveau“ gründet dabei aber nicht in einem über den
gesellschaftlichen Verhältnissen schwebenden „Formprinzip“, sondern in der
Abstraktion von den materiellen gesellschaftlichen Verhältnissen seitens der
Theoretikerin.

Zwischenfazit:
Alle menschlichen Gesellschaften kennzeichnet der doppelte Charakter Ihrer
Arbeit. Einerseits ist diese als konkrete Art der Tätigkeit zweckgerichtet,
erfüllt ein bestimmtes Bedürfnis, andererseits ist sie stets ohne deren
Unterschied abstrakte Verausgabung von Nerven, Hirn und Muskeln sowie auch in
dem Sinne abstrakt, dass sie stets Teil eines gesellschaftlichen Ganzen bleiben
muss, da die Menschen nur in Gesellschaft leben können.

Was den
Kapitalismus dagegen als einzigartig kennzeichnet, ist, dass er abstrakte
Arbeit als Wert darstellt und sie in
ihm misst, weil er eine universelle Warenproduktionsweise ist. Die Lohnarbeit
ist die einzige „freie“ Arbeitsform der Menschheitsgeschichte, in der den
ProduzentInnen die Verfügung über die gegenständlichen Bedingungen ihrer Arbeit
(Produktionsmittel) abhanden gekommen ist, sie nur über ihr subjektives
Arbeitsvermögen verfügen, das sie als Ware Arbeitskraft verkaufen, genauer:
stundenweise vermieten müssen.

Das
Klassenverhältnis zwischen Lohnarbeit und Kapital ist also entscheidend dafür,
dass Arbeitskraft (subjektives Arbeitsvermögen) und Kapital (objektive
Arbeitsbedingungen, abstrakter Reichtum zum Zwecke seiner stetigen Vermehrung)
in deren Werten eine scheinbar dingliche Gestalt annehmen. Die „Wertkritik“
dagegen entfernt Ausbeutung, Klassen und Menschen aus der Geschichte und
verwandelt den Kapitalismus in ein Reich der Herrschaft von Sachen, abstrakter
Arbeit. Sie sitzt damit selbst dem von ihr falsch kritisierten Wertfetischismus
als Motor der Produktionsweise auf. Die Produktionsweise verwandelt sich in ein
Perpetuum mobile von Sachzwängen, das von der ArbeiterInnenklasse nicht mehr
angehalten werden kann.

Der ohnehin schon falschen Vorstellung der WertkritikerInnen, wonach sich „die gesellschaftliche Totalität in der Moderne aus der fetischistischen Selbstbewegung des Geldes und der ‚abstrakten Arbeit‘ als tautologischem Selbstzweck konstituiert“ (S. 19), fügt Scholz die Vorstellung einer
„geschlechtsspezifischen Abspaltung“ hinzu. Diesen Begriff zieht sie in der
Folge heran, um die verschiedenen Formen gesellschaftlicher Unterdrückung auf
das kapitalistische „Basisprinzip“ der Wert-Abspaltung zurückzuführen. Alles,
was nicht in der Wertform „aufgehe“, werde von dieser abgespalten und
gesellschaftlich abgewertet. Die Idee dabei ist, dass der Wert die Gleichsetzung
der verschiedenen (konkreten) Arbeiten zur Voraussetzung habe. Alles, was sich
dieser Gleichsetzung nicht füge, darin „nicht aufgehe“, werde abgespalten.
Dieses „Formprinzip“ strukturiere die gesamte gesellschaftliche Ordnung und
reproduziere sich auch auf symbolischer und sozialpsychologischer Ebene – unter
anderem in der Abwertung des „Weiblichen“, des „Anderen“ und allem damit
Assoziierten. Nachdem sich Scholz eine solche, über allen konkreten
gesellschaftlichen Verhältnissen schwebende „Metalogik“ konstruiert hat, geht
es ihr in der Auseinandersetzung mit anderen TheoretikerInnen nur noch darum,
die Bestimmtheit der vielfältigen Diskriminierungs- und
Unterdrückungserscheinungen durch dieses „Basisprinzip“ zu behaupten.
Solchermaßen bastelt sich Scholz eine scheinbar umfassende Theorie der
kapitalistischen Totalität, indem sie das übergreifende Moment auf eine von den
materiellen Verhältnissen und dem Handeln der Subjekte scheinbar unabhängige
und sich selbst begründende „Metastruktur“ zurückführt.

Da Ausbeutung
für Scholz nur eine sekundäre Erscheinungsform darstellt und es den
KapitalistInnen gar nicht um die „subjektiv-private Aneignung von etwas
Positivem qua Privateigentum an den Produktionsmitteln“ (sprich: Ausbeutung)
gehe, kann sie sich scheinbar auch nicht vorstellen, dass Sexismus und andere
Formen der Unterdrückung durchaus eine gesellschaftliche Funktion im Interesse
einer Klasse erfüllen – und etwa dazu dienen, die Reproduktionskosten der Ware
Arbeitskraft, den Wert der weiblichen Ware Arbeitskraft und dadurch auch das
Lohnniveau im Allgemeinen zu senken – Stichwort: sexistisch delegierte und ins
Private abgedrängte Hausarbeit.

Zur Bewertung der Hausarbeit durch die Wert-Abspaltungstheorie

Während
MarxistInnen argumentieren, Hausarbeit im Kapitalismus sei keine produktive,
aber gesellschaftlich notwendige, Gebrauchswert bildende Arbeit, möchte Scholz
mit Bezug auf Haushaltstätigkeiten wie Kinder erziehen und Pflegetätigkeiten
ausführen überhaupt nicht von „Arbeit“ sprechen (vgl. Scholz 2005, S. 19f.). Da
diese Tätigkeiten „nicht der politökonomischen Rationalität gehorchen wie die
‚abstrakte Arbeit‘“ (ebd.), könnten „die weiblichen Reproduktionstätigkeiten
auch nicht mit der Arbeitskategorie belegt werden.“ (S. 20) Die im Haushalt
ausgeführten „Tätigkeiten“ stellten vielmehr die Kehrseite der sich im Wert
ausdrückenden „abstrakten Arbeit“ dar. Ebendeshalb sei auch dem Versuch zu
widerstehen, diese Tätigkeiten „auch noch in Arbeit umzudefinieren“ (Scholz
1992), da die (abstrakte) Arbeit ja „gewissermaßen selbst die ,Wurzel allen
Übels‘“ (ebd.) sei. Deshalb müsse „ein dritter Begriff gesucht werden, mit dem
die traditionelle Tätigkeit der Frau im Reproduktionsbereich genauer
theoretisch bestimmt werden kann, da auch der Terminus ,Tätigkeit‘ zu diffus
ist und einen zu großen Allgemeinheitscharakter besitzt […]. Diese – keineswegs
irrelevante – Problematik kann hier jedoch nicht weiter verfolgt werden.
Solange eine derartige Klärung nicht erfolgt ist, bediene ich mich deshalb
weiterhin des unbefriedigenden Begriffs ,Tätigkeit‘, wenn von der ,Arbeit‘ im
Reproduktionsbereich die Rede ist.“ (ebd.)

Es bleibt die
Frage, von welchem höheren Wesen sich Scholz diese Klärung verspricht, wenn sie
auch nach mehr als zehn Jahren noch immer den zuvor von ihr selbst als zu
diffus bezeichneten Begriff der „Tätigkeit“ verwendet. Hier präsentiert sie
scheinbar ungewollt die Grenze ihrer eignen Theorie – als „Unmöglichkeit“,
diese „Problematik hier weiter zu verfolgen“ und einen präzisen Begriff der
Hausarbeit zu entwickeln. Es scheint sich bei diesem Problem – das Scholz in
späteren Texten schon gar nicht mehr als solches benennt, wo sie ohne weitere
Kommentare den Begriff der („Haushalts‘- bzw. „Reproduktions“-) Tätigkeiten verwendet (Scholz 2005, S.
20; Scholz 2017a und b) –, um ein theorieimmanent-begriffliches Problem zu
behandeln, welches bedingt ist durch die „fundamentale“ und „radikale“
Verwirrung der Wert-Abspaltungskritik bezüglich der Kategorien der Kritik der
politischen Ökonomie.

Da das
Proletariat als potentielles revolutionäres Subjekt bei den WertkritikerInnen
nicht mehr vorkommt, bleibt ihre gesamte politische Strategie notwendigerweise
diffus und abstrakt.

So soll sich die
„praktische Gesellschaftskritik“ ganz direkt gegen die „Grundform der Wert-Abspaltung
als solche“ (Scholz 2005, S. 265) richten. Dieses Basisprinzip gelte es „in
Frage zu stellen“ und zu „überwinden“ (ebd.). Gegenüber der Notwendigkeit,
Bündnisse mit nicht näher definierten anderen Gruppen einzugehen, beharrt die
Wertkritik zugleich darauf, „dass heute ein radikal kritischer Neubezug auf ein
gesellschaftliches (fragmentarisches) Ganzes, auf ein negatives Wesen
stattfinden muss; gerade auch in der unmittelbar praktischen
gesellschaftskritischen Aktion“. (S. 12) Was immer man sich unter einem „Bezug
auf ein negatives Wesen“ vorzustellen hat – es klingt jedenfalls mehr nach
Okkultismus als nach revolutionärer politischer Praxis.  Da dieses „negative Wesen“ als
„abstrakte Metalogik“ zugleich nirgendwo zu fassen ist, bezieht sich Scholz dann
auch unvermittelt auf den „inhaltlich-spezifischen Kontext vor Ort“, auf
„vortheoretisch erfahrene Lebens- und Gesellschaftsprobleme“ (ebd.) als
Bezugspunkte politischer Praxis.

Politische Perspektiven

Aufgrund ihres
falschen Verständnisses des Kapitalverhältnisses entsorgen Scholz und die
„Wertkritik“ nicht nur die ArbeiterInnenklasse als Subjekt gesellschaftlicher
Veränderung, sondern natürlich auch die organisierte proletarische
Frauenbewegung. Zum Schluss möchten wir noch kurz auf die politischen Perspektiven
zu sprechen kommen, die sich aus der Analyse des Kapitalismus ergeben.

Das Proletariat,
auf welches sich der revolutionäre Marxismus nach wie vor bezieht, wird von
diesem nicht (nur) als eine gegebene Objektivität begriffen, sondern muss „vom
Endpunkt seiner revolutionären Klassenbildung her, von den weltgeschichtlichen
Perspektiven der proletarischen Bewegung, gefasst werden“ (Lehner 2010, S. 13).
Es ist diejenige ProduzentInnenklasse, die alle gesellschaftlich notwendigen
Arbeiten auf entfremdete Weise in sich zusammenfasst und deshalb als einzige
objektiv dazu in der Lage ist, die notwendigen gesellschaftlichen Umwälzungen
–  die rationale Aneignung der
totalen gesellschaftlichen Produktion, (von welcher die derzeit ins „Private“
abgeschobene Hausarbeit einen Teil darstellt) –, bewusst gesellschaftlich
vorzunehmen. Um den Prozess der Herausbildung des Proletariats zum
revolutionären Subjekt aktiv zu befördern, sind deshalb sowohl die Ausarbeitung
einer revolutionären Klassentheorie, der Aufbau einer revolutionären
Organisation nötig wie auch der Kampf um besondere Formen der Organisierung der
Unterdrückten, darunter der für eine proletarische Frauenbewegung.

Dies soll der
Tatsache Rechnung tragen, dass Lohnarbeit und Kapital als Widerspruchsverhältnis
nicht nur die Negation der beiden Seiten umfasst, sondern zu seiner
Reproduktion auch das Moment der Identität. Diese stellt selbst eine materielle
Grundlage für reformistisches Bewusstsein in der ArbeiterInnenklasse dar und
bedeutet auch, dass revolutionäres Bewusstsein nicht spontan entstehen kann. Es
bedarf hierfür einer revolutionär-kommunistischen
Organisation, die um dieses Bewusstsein in der gesamten Klasse kämpft. Der
Bezug auf den Begriff des Proletariats entspricht dabei nicht nur der tatsächlich
vor sich gehenden Vereinheitlichung der besonderen Arbeits- und
Lebensbedingungen, die durch den kapitalistischen Akkumulationsprozess selbst
zunehmend dem allgemeinen Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital subsumiert
werden, sondern erfüllt auch eine wichtige Funktion im revolutionären Kampf
gegen die alte Ordnung, indem es das Lager der objektiv Lohnabhängigen über all
seine Streitungen hinweg ausgehend von der Basis einer differenzierten,
realistischen Klassenanalyse funktional polarisiert.

Literatur

Aufruf Frauenstreik 2019: < https://frauenstreik.org/aufruf/>

Dalla Costa, Mariarosa/ James, Selma: Die Macht der Frauen
und der Umsturz der Gesellschaft, (Internationale Marxistische Diskussion, Heft
36), Berlin/W. 1973, Merve-Verlag

Lehner, Markus (2003): Die „Kritik der Arbeit“ und das
Rätsel der Systemüberwindung, in: Revolutionärer Marxismus 33, Berlin 2003,
global red, S. 89–122

Ders. (2008): Finanzkapital, Imperialismus und die
langfristigen Tendenzen der Kapitalakkumulation, in: Revolutionärer Marxismus
39, Berlin 2008, global red, S. 129–208

Ders.
(2010): Arbeiterklasse und Revolution. Thesen zum
marxistischen Klassenbegriff, in: Revolutionärer Marxismus 42, Berlin 2010,
global red, S. 7–99

Marx, Karl: Das Kapital. Erster Band, Berlin/O. 1971

Postone, Moishe: Zeit, Arbeit und gesellschaftliche
Herrschaft, eine neue Interpretation der kritischen Theorie von Marx,
Freiburg/Breisgau 2003, ça ira Verlag

Scholz,
Roswitha (1992): Der Wert ist der
Mann.
Thesen zu Wertvergesellschaftung und Geschlechterverhältnis, in:
Krisis. Kritik der Warengesellschaft, Erlangen 1992, Selbstverlag; https://www.exit-online.org/textanz1.php?tabelle=autoren&index=30&posnr=25&backtext1=text1.php

Dies. (2005): Differenzen der Krise – Krise der
Differenzen. Die neue Gesellschaftskritik im globalen Zeitalter und der
Zusammenhang von „Rasse“, Klasse, Geschlecht und postmoderner
Individualisierung,
Unkel 2005, Horlemann B.

Dies. (2017
a): FEMINISMUS – KAPITALISMUS – ÖKONOMIE – KRISE. Wert-Abspaltungs-kritische
Einwände gegenüber einigen Ansätzen feministischer Ökonomiekritik heute, 2017.
Online (07.02.2019): https://www.exit-online.org/textanz1.php?tabelle=autoren&index=30&posnr=517&backtext1=text1.php

Dies.
(2017 b): Wert-Abspaltung, Geschlecht und Krise des Kapitalismus. Interview von
Clara Navarro Ruiz mit Roswitha Scholz (Constelaciones. Revista de Teoria
Critica, 2017), 18.12.2017:
http://www.palim-psao.fr/2017/12/wert-abspaltung-geschlecht-und-krise-des-kapitalismus.interview-von-clara-navarro-ruiz-mit-roswitha-scholz.html




Frauenunterdrückung und Hausarbeit – Aschenputtels Arbeit

Hannes Hohn, Neue Internationale 151, Juli/August 2010

Der Haushalt ist immer noch Frauensache. Lt. Statistischem Bundesamt wenden Frauen in der BRD etwa 20 Stunden pro Woche für Hausarbeit auf, Männer nur 7.

Alle bedeutenden SozialistInnen haben betont, dass die Hausarbeit ein wesentliches Element der sozialen Unterdrückung der Frau ist. Sie alle forderten daher, dass die Hausarbeit vergesellschaftet werden soll. Das war für sie eine wesentliche Voraussetzung der Befreiung der Frau.

Viele werden sagen: „Was ist so schlimm an Hausarbeit, es gibt ja genug Technik, welche die Arbeit erleichtert.“ Das stimmt natürlich hinsichtlich der Erleichterung vieler häuslicher Arbeiten – allerdings verfügen Milliarden Frauen weltweit auch heute noch nicht über diese Möglichkeiten. Sie verrichten die Hausarbeit oft noch so wie vor hundert Jahren, als z.B. das Wäschewaschen von Hand erfolgte – stundenlang und mindestens einmal die Woche.

In den entwickelteren Ländern hat sich v.a. nach 1945 viel an der Situation von Frauen geändert. Mit dem langen Boom nach 1945 erhöhte sich über einige Jahrzehnte auch der materielle Lebensstandard der Mehrheit der Arbeiterklasse. Die Arbeitslosigkeit sank, Frauen wurden stärker in die Arbeitswelt integriert. Die rechtliche Gleichstellung nahm zu, bestimmte diskriminierende Regelungen (z.B. zur Abtreibung) wurden gelockert oder gar abgeschafft. Der Bildungsstand von Frauen und Männern glich sich immer mehr an.

Doch trotz aller Veränderungen hat sich eines grundsätzlich nicht geändert: Hausarbeit und Kinderbetreuung sind immer noch hauptsächlich Frauensache. Die Doppelbelastung der Frau durch Arbeit und Haushalt/Familie ist geblieben. Außerhalb des „Normalarbeitsverhältnisses“, also z.B. bei der Teilzeitarbeit wird diese „Erleichterung“ mit finanziellen Einbußen und größerer sozialer Unsicherheit erkauft. Daran zeigt sich, dass die Frauenunterdrückung ein spezifischer Teil des allgemeinen gesellschaftlichen Unterdrückungsverhältnisses zwischen Lohnarbeit und Kapital ist. Dieses Verhältnis lässt sich nicht dadurch aufheben, dass der Waschvollautomat den Waschzuber abgelöst hat und Wegwerfwindeln erfunden wurden.

Hausarbeit und Kapitalismus

Die Existenz der „doppelt freien“ LohnarbeiterInnen (rechtlich frei und frei von Produktionsmitteln) brachte es auch mit sich, dass es nun weitgehend unmöglich war, in häuslicher Produktion Güter für den Eigenbedarf herzustellen. Alles, was gebraucht wurde, musste gekauft werden. Der Zwang, seine Arbeitskraft zu verkaufen, um Lohn zu erhalten, war deutlich größer als je zuvor.

Die Hausarbeit trug nun de facto nichts mehr zum Familieneinkommen bei. War es im Feudalismus Frauen noch möglich, ja für die familiäre Reproduktion notwendig, neben der Hausarbeit noch auf dem Feld oder im Stall zu arbeiten, zu Hause zu weben, zu flechten usw. und damit entweder zur Deckung des Familienbedarfs beizutragen oder aber die Produkte zu verkaufen oder zu tauschen, waren im Kapitalismus Arbeiten wie Kinderbetreuung, Putzen und Waschen (im eigenen Haushalt) zwar noch nützlich, hatten noch einen Gebrauchswert, jedoch keinen Tauschwert mehr.

Im Mittelalter war die Hausarbeit von der eigentlichen „Berufs-Arbeit“ des Bauern oder Handwerkers hinsichtlich der Qualifikation nicht wesentlich unterschieden. Im Kapitalismus wurde das radikal anders. Fortschritt fand in der Sphäre der Industrie statt, nicht oder kaum jedoch im Bereich häuslicher Arbeit. Die typischen Arbeiten der Frau waren „entwertet“ – in mehrfacher Hinsicht: sie erzeugten keinen Tauschwert und sie wurden im Vergleich zur Industrie einfache, „primitive“ Arbeiten.

Dadurch, dass die reale Abhängigkeit der Arbeiterklasse von der Lohnarbeit zum Kernproblem ihrer materiellen Existenz wurde, vertiefte sich zugleich auch die (materielle) Abhängigkeit der Frau vom Mann und der faktischen Unterordnung ihres Lebens unter das des Mannes.

Was ist Hausarbeit?

Die Arbeit des Gourmetkochs hat quasi Kunststatus – das häusliche Kochen ist im Grunde dieselbe Arbeit. Sie erfordert Planung, Erfahrung und Phantasie. Trotzdem ist die kochende Hausfrau weit davon entfernt, als „Künstlerin“ zu gelten.

Während die Arbeit von LehrerInnen oder ErzieherInnen als qualifizierte Facharbeit gilt, für die eine langjährige Ausbildung verlangt wird, gilt dasselbe für die häuslich/familiäre Erziehung der eigenen Kinder nicht. Ob die ErzieherInnen selbst erzogen werden, kümmert die bürgerliche Gesellschaft nicht oder nur insofern, als das Jugendamt bei Misshandlung oder Verwahrlosung von Kindern – im Nachhinein – aktiv wird. Doch trotzdem wird kein normaler Mensch bezweifeln, dass die Erziehung von Kindern durch die Eltern eine komplizierte Tätigkeit ist, die viel „soziale Kompetenz“ erfordert.

Hausarbeit ist also keinesfalls nur „primitive“ Arbeit, die vergesellschaftet werden muss, um Frau oder Mann von ihr zu befreien. Selbst einfache Tätigkeiten wie Reinigungs- oder Aufräumarbeiten sind nicht weniger anspruchsvoll oder kreativ als Fließbandarbeit oder die Arbeit eines Finanzbeamten, der jahrzehntelang Zahlenkolonnen kontrolliert. Hausarbeit ist kombinierte Arbeit aus verschiedenen, teils sehr anspruchsvollen, teils sehr einfachen Tätigkeiten.

Die Plackerei und der isolierenden Charakter der Hausarbeit ist v.a. oder überhaupt nur für Frauen aus der Arbeiterklasse oder der unteren Mittelschicht ein Problem. Reichere Frauen hatten schon immer viele Möglichkeiten, unliebsame Arbeiten auf proletarische Frauen abzuwälzen, die als Dienerinnen, Kinderfrauen oder Haushaltshilfen den gutsituierten Frauen ermöglichten, ein angenehmeres Leben zu führen und sich kreativeren Beschäftigungen zu widmen.

Hinsichtlich der Arbeiterklasse hat die Hausarbeit eine andere Funktion. Im Arbeitslohn sind die Reproduktionskosten der Arbeiterklasse, also der Familie samt Kindern etc. enthalten. Der Arbeitslohn des männlichen Arbeiters ist – letztlich unabhängig von der realen Familienform – als Familienlohn gesetzt, woraus sich auch (wenn auch nicht nur) die Hartnäckigkeit der Lohnunterschiede von Mann und Frau erklärt. Im System der Lohnarbeit ist also immer schon der Zwang der Reproduktion der Familien samt ihrer unterdrückerischen Funktionen und der diskriminierten Rolle der Frau mit enthalten. Ein individuellen „Ausbrechen“ daraus, z.B. indem sich die Familie für die Berufstätigkeit der Frau und gegen jene des Mannes entscheidet, wird durch Einkommenseinbußen für den Gesamthaushalt sanktioniert.

Wie die individuellen Mitglieder der Arbeiterklasse die Reproduktion der Familie „gestalten“, überlässt das Kapital auf dieser Grundlage gänzlich den ArbeiterInnen. Wie sie ihren Lohn verwenden, aufteilen etc. liegt außerhalb des eigentlichen Kapitalverhältnisses, wenngleich letztlich der direkte und indirekte Arbeitslohn den durchschnittlichen Verbrauch einer Proletarierfamilie (sprich den Warenkorb an Lebensmitteln, Wohnkosten, Kosten für Regeneration, Bildung, Rente) decken soll.

Im Haushalt finden keine Lohnarbeit, keine Ausbeutung, keine Warenproduktion statt. Die „Produkte“ der Hausarbeit werden aber nicht als Ware vom Mann oder den Kindern oder sonst jemandem gekauft. Sie erscheint als Gratisarbeit (auch wenn zu ihrer Verrichtung natürlich die Reproduktion der Frau, also deren Reproduktionskosten vorausgesetzt sind).

Wenn der Marxismus davon spricht, dass Hausarbeit bzw. die Abwälzung der Hausarbeit auf Frauen unterdrückerisch ist, dann kann sich das offensichtlich nicht auf die Art häuslicher Tätigkeiten an sich beziehen. Auch in einer zukünftigen, befreiten, kommunistischen Gesellschaft werden Menschen Staub fegen, Kinder versorgen oder kochen müssen.

Das Unterdrückerische der Hausarbeit und ihre grundlegende Rolle für die Frauenunterdrückung ergibt sich vielmehr aus den gesellschaftlichen Verhältnissen, in denen sie stattfindet.

Unterdrückung

Das Unterdrückerische an der Hausarbeit besteht zunächst einfach darin, dass sie meist von Frauen verrichtet wird, wodurch Männer oft einen größeren Freiraum haben, sich um Beruf, Hobby oder Politik zu kümmern.

Die Forderung nach Vergesellschaftung drückt schon einen entscheidenden Nachteil der Hausarbeit aus: dass sie eben nur im privaten Rahmen stattfindet. D.h. Frauen (und natürlich auch Männer) sind  bei dieser Arbeit von der gesellschaftlichen Kooperation und Kommunikation stark abgekoppelt.

Eng damit verbunden ist der Umstand, dass in der privaten Hausarbeit die Dynamik der modernen Industrie mit ihren technischen Errungenschaften, bestimmten Formen von Organisation, Kooperation und Arbeitsteilung nicht vorkommen. So sind Frauen, die nur oder überwiegend häusliche Arbeiten verrichten, von dieser Seite gesellschaftlichen Lebens weitgehend abgeschnitten. Während Männer sich weiterbilden und sich mit Veränderungen in der Arbeitswelt auseinandersetzen müssen, geht ein solcher Druck von der Hausarbeit kaum aus.

„Hausfrauen“ haben auch weniger Kontakt zur Arbeiterklasse – als Kollektiv verstanden und nicht als einzelner Arbeiter in Form des Partners – und zur Arbeiterbewegung.

Das Unterdrückerische an der Hausarbeit liegt in ihrer Isoliertheit: von der Gesellschaft, von der Kommunikation, von moderner Produktion und von der Arbeiterklasse, von ihren Organisationen und Kämpfen. Insofern ist jeder Kampf für die Vergesellschaftung der Hausarbeit auch ein Kampf gegen Unterdrückung und ein Kampf für die Stärkung der Arbeiterbewegung durch die stärkere Einbeziehung von Millionen Proletarierinnen.

Der Kapitalismus kann auf die private Organisation der Hausarbeit letztlich nicht verzichten. Gleichwohl zeigt er selbst Tendenzen zur Vergesellschaftung der Hausarbeit. Mit der Einbeziehung von immer mehr Frauen in die Lohnarbeit ging auch eine Technisierung der Hausarbeit wie eine Ausdehnung staatlicher oder privater Kinderbetreuungs- und Erziehungseinrichtungen einher.

Letztlich bleibt diese Tendenz im Kapitalismus aber immer beschränkt, unvollständig und geht mit einer Doppelbelastung der Frau einher. Warum? Mit der Aufhebung der privaten Hausarbeit würde auch der vorherrschenden Beziehungsform, der bürgerlichen Kleinfamilie samt ihrer repressiven Funktion in der Unterdrückung, Unterordnung der Frau und der Kinder, der Boden entzogen. Daher muss die Familie – auch wenn sie im Kapitalismus selbst oft nicht so „normal“ ist, wie Familienpolitik, Kirche oder Moralapostel glauben machen – gefördert, am Leben erhalten und andere Formen des Zusammenlebens stigmatisiert werden.

Zum anderen würde eine Vergesellschaftung der Hausarbeit aber auch den Warencharakter der Ware Arbeitskraft unterminieren. Was heute an Waren für den Haushalt gekauft, an Energie, Zeitaufwand, Kreativität für Kindererziehung oder Kochen, an Plackerei für Müllentsorgung, Reparaturen usw., verwandt wird, würde als gesellschaftliche Arbeit erscheinen. Es würde nicht mehr auf die „geschickte Haushaltsführung“ der Frau (oder des Mannes) ankommen, ob der Lohn oder Hartz IV reicht, sondern die Kosten würden direkt als gesellschaftliche Kosten erscheinen.

Er wäre eine politische, eine gesellschaftliche Frage und nicht nur eine individuelle. Das zeigt, dass die Forderung nach Vergesellschaft der Hausarbeit eine Übergangsforderung, eine Forderung ist, deren Verwirklichung über den Kapitalismus hinausweist.

Vergesellschaftung oder Verstaatlichung?

In der Linken taucht die Frage der Vergesellschaftung der Hausarbeit, wenn überhaupt, oft als Forderung auf, um das oft ungenügende oder zu teure Angebot an Kinderbetreuungsmöglichkeiten zu verbessern.

In der DDR – und tendenziell in allen stalinistischen Staaten – gab es ein relativ gut ausgebautes System der Kinderbetreuung. Die Einrichtungen waren in aller Regel staatlich. Die Möglichkeiten für Eltern, auf diese Einrichtungen Einfluss zu nehmen, waren allerdings gering. Planung, Konzepte und Kontrollen oblagen staatlichen Stellen und staatlichen „BildungsspezialistInnen“, die meist Frauen waren.

Dieses staatliche Kinderbetreuungsystem war – trotz vieler Vorteile gegenüber dem des Westens – hinsichtlich der Gleichberechtigung der Geschlechter und der Überwindung der tradierten „Fesselung“ der Frauen an die Kinderbetreuung wesentlich beschränkt. So waren die Beschäftigten in der Betreuung von Vorschul- und Schulkindern fast nur Frauen. Männer stärker mit diesen Aufgaben zu betrauen, wurde nicht ernsthaft versucht oder gefördert. So blieb die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau unangetastet.

Ein zweites, damit zusammenhängendes, Problem war, dass es eine strikte Trennung zwischen staatlicher Kinderbetreuung in Krippe oder Kindergarten und häuslicher Erziehung durch die Eltern gab. Bildung und Erziehung blieben somit – wie in der bürgerlichen Gesellschaft – einerseits Sache von staatlichen SpezialistInnen andererseits rein häuslich-familiäre Privatsache.

Das Beispiel der Kinderbetreuung zeigt sehr augenfällig, dass die „Verstaatlichung“ zwar ein  Schritt zur Lösung des Problems sein kann, für sich genommen aber keineswegs sicherstellt, den borniert-privaten Rahmen von Erziehung wirklich zu überwinden.

Die Betonung der Familie im Stalinismus als „kleinster Zelle der Gesellschaft„ (bezeichnenderweise identisch mit der bürgerlichen Ideologie) sanktionierte die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau zusätzlich und blockierte fast jeden Ansatz zur Überwindung der privatisierten Hauswirtschaft. Die in Ost und West nahezu identische Städte-Architektur, also die Art von Wohnen und Leben – der Plattenbau als „Arbeiterschließfach“ ist eine in Beton gegossene Homage an (klein)bürgerliches Familien-Leben.

Fazit

Die Befreiung der Frau kann nur dadurch erfolgen, dass die Gesellschaft häusliche Tätigkeiten und die Kinderbetreuung gemeinschaftlich – nicht durch einen abgehobenen Staat – erledigt. Voraussetzung dafür ist u.a. eine grundsätzliche Verkürzung der notwendigen Arbeit. Voraussetzung dafür ist letztlich, dass alle Unterdrückungsverhältnisse überwunden werden, dass der Mensch sich selbstbewusst und aktiv um die Gestaltung  der Gesellschaft kümmert. Das alles ist auf der Basis von Privateigentum und Profitstreben unmöglich.

Diesen Befreiungskampf zu führen hat die reformistische Arbeiterbewegung allerdings längst aufgegeben. In den Büros der Gewerkschaftshäuser oder den Vorstandsetagen von SPD und Linkspartei spielt die Hausarbeit als ein zentraler Aspekt der Frauenunterdrückung keine Rolle – und wenn, dann in Form einer „Frauen – und Familienpolitik“, die komplett in den Strukturen der bürgerlicher Gesellschaftlichkeit verharrt.

Im Vergleich dazu sind die praktischen Errungenschaften und Bemühungen der jungen Sowjetunion für die Verbesserung der Lage der Frauen und umso mehr die perspektivischen Debatten, die RevolutionärInnen wie Zetkin oder Kollontai und viele ihrer männlichen Mitstreiter führten, der heutigen frauenpolitischen Kleingeisterei des Reformismus turmhoch überlegen!




Betreuungsgeld – Cash statt Kita

Hannes Hohn, Neue Internationale 170, Juni 2012

Momentan wird um die Einführung eines „Betreuungsgeldes“ in Medien, Parteien und in der Regierungskoalition heftig debattiert. Dieses „Betreuungsgeld“ soll Eltern ausgezahlt werden, die ihr Kind nicht in eine Kita schicken.

Hintergrund dieser Pläne ist einerseits das Fehlen von Kitaplätzen und der ab August 2013 geltende gesetzliche Anspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter 3 Jahren andererseits. Dieses Gesetz wurde unter dem Druck der schlechten Geburtenrate und der aufgrund mangelnder Betreuungsmöglichkeiten für Kinder eingeschränkten Berufstätigkeit vieler Eltern beschlossen. Bundesweit fehlen zwischen 150.000 und 300.000 Plätze. Das allein zeigt, dass in dieser Gesellschaft die Rettung der Banken allemal wichtiger ist als die Betreuung der Kinder.

Das Fehlen von Kitaplätzen – wie auch der Mangel an Hortplätzen v.a. in Westdeutschland – ist  auch der allgemeinen Finanznot der Kommunen geschuldet. Dabei sagt die Anzahl von Kitaplätzen noch nichts darüber aus, wie es um die Qualität der Betreuung steht. Vielerorts ist diese zeitlich eingeschränkt, die Gruppen sind zu groß bzw. Personal fehlt.

Zurück an den Herd?

Die Ursprungsidee war, Frauen mit dem nicht zu Unrecht als „Herdprämie“ titulierten Betreuungsgeld zu animieren, mit dem Kind zu Hause zu bleiben, anstatt arbeiten zu gehen. Doch inzwischen mehren sich sogar in den Regierungsparteien Stimmen dagegen und es werden diverse Maßnahmen angedacht, um das offensichtlich reaktionäre, gegen eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen am Arbeitsleben gerichtete Projekt abzumildern. So soll es z.B. ein Paket zum beschleunigten (Aus)Bau von Kitas geben. Einige Minister sind aus Kostengründen  gegen das Betreuungsgeld.

Natürlich wäre es dumm, dagegen zu sein, wenn Eltern mehr Geld für die Betreuung ihrer Kinder erhalten. Immerhin sind Kinder, besonders bei Alleinerziehenden, eines der größten Armutsrisiken – v.a. für Frauen. Gerade für Millionen Eltern, die arbeitslos sind oder im prekären Bereich arbeiten,  wäre eine deutliche Erhöhung des Kindergelds nötig, um soziale Nachteile auszugleichen und den Kindern etwa gleiche Bildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten zu ermöglichen wie Kindern aus reicheren Schichten.

Ein Grundproblem an der „Herdprämie“ ist, dass das Geld nach dem Gießkannenprinzip verteilt wird, also auch reiche Familien, die es sicher nicht brauchen, etwas bekommen. Dafür sollen aber gerade Harz IV-Empfänger nichts erhalten, was wieder einmal zeigt, für welches Klientel die „Familienpolitik“ von Schröder oder ihrer Vorgängerin von der Leyen gemacht wird.

Gleichberechtigung?

Ein weiteres Problem ist, dass die Prämie als Anreiz dient, auf den Kitaplatz zu verzichten. Das aber bedeutet für viele Frauen fast automatisch, in dieser Zeit auch auf eine Berufstätigkeit – und auf das damit verbundene eigene Einkommen – zu verzichten. So wird die Frau weiter an das familiäre Milieu, an Kind, Heim und Herd, gebunden und ihre Teilnahme am sozialen Leben eingeschränkt.

Dass viele Eltern das Betreuungsgeld aber trotzdem nutzen würden, hat mehrere Gründe: fehlende Kita-Plätze, hohe Kita-Kosten, fehlende Arbeitsmöglichkeiten oder die schlechte Bezahlung im prekären (Teilzeit)Bereich, der für Mütter mit kleinen Kindern meist ohnehin nur als Job infrage kommt. Hier zeigt sich, dass eine grundsätzliche Verbesserung der Situation von Frauen, dass ein wirklicher Schritt vorwärts in Sachen Gleichberechtigung ohne tiefgreifende Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft unmöglich ist. Die diversen „Insellösungen“ in der „Familienpolitik“ der letzten Jahre haben ganz offensichtlich an der Gesamtlage nichts geändert – im Gegenteil: die kommunale Finanznot, die Sparpolitik der Regierung und die bewusste Ersetzung von „Normalarbeitsplätzen“ durch prekäre Jobs hat die generelle Situation noch verschlechtert.

Die CSU und andere Konservative stellen die Sache auf den Kopf, wenn sie suggerieren, Eltern würden “gezwungen”, ihre  Kinder in die Kita zu schicken, während es überhaupt erst darum geht,  die Betreuungsmöglichkeiten zu schaffen die für alle Eltern wirklich attraktiv sind. Daher fordern wir u.a.:

  • Kostenlose Kinderbetreuung gemäß den Bedürfnissen der Eltern und Kinder!
  • Kontrolle der Betreuung durch Eltern, ErzieherInnen und Gewerkschaften!
  • Bessere Bezahlung und mehr Personal!
  • Kirchen raus aus der Bildung!
  • Finanzierung der Bildung durch progressive Besteuerung von Kapital und Vermögen!

Der Besuch einer Kita ist nicht nur eine Frage des Geldes oder der besseren sozialen Chancen der Eltern. Viele Untersuchungen belegen, dass eine gute Kita-Betreuung sich auch positiv auf die Entwicklung von Kindern auswirkt, z.B. bei der Sprachentwicklung.

Die „Herdprämie“ ist eben auch insofern ein falsches Signal, weil die Erziehung wieder stärker in das familiäre Milieu verwiesen wird, wo nicht nur oft wichtige pädagogische Fähigkeiten oder ein gutes soziales Milieu für die Entwicklung der Kinder fehlen. Ein Beispiel: In einer Kita könnte und sollte eine systematische frühkindliche Musikerziehung stattfinden – welche Mutter, welcher Vater könnte das individuell zum Hause leisten?!

Probleme

Ein weiterer Haken der Kita-Pläne ist auch, dass als Betreuungseinrichtung auch Tagesmütter zählen. Doch gerade die Betreuung durch Tagesmütter ist oft in jeder Hinsicht mangelhaft, was die Bedingungen oder die Qualifikation anbelangt. Völlig unakzeptabel ist auch das Wirrwar von Bildungsträgern und das föderale Bildungssystem.

MarxistInnen engagierten sich immer für die Vergesellschaftung von Bildung und Erziehung, nicht zuletzt, um die reaktionären Einflüsse von Kirche, Familie und bürgerlichem Staat zurückzudrängen und v.a. die Unterdrückung der Frau durch ihre vorrangige Bindung an Kinder, Haushalt und Familie aufzubrechen.

Der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz erweist sich als hohle Geste angesichts fehlender Plätze, fehlender Fachkräfte und zu niedriger Mittel der Kommunen. Auch hier zeigt sich, dass das Recht nicht höher stehen kann, als die materiellen Bedingungen, über denen es sich erhebt. Wie auch bei der groß angekündigten „Energiewende“ zeigt sich der Staat unfähig und unwillig, selbst seine eigenen Projekte umzusetzen.