Faschist:innen blockieren: Gemeinsam gegen die Naziaufmärsche in Dresden!

REVOLUTION, Aus: Widerworte #2, antikapitalistische Schüler:innenzeitung, Januar 2023, Infomail 1213, 10. Februar 2023

Auch 2023 finden vom 10. – 13.2. wieder die alljährlichen rechtsextremen Proteste in Dresden statt, die das Thema der Bombardierung dieser Stadt im 2. Weltkrieg für sich instrumentalisieren. Hierbei betreiben die Nazis offenen Geschichtsrevisionismus und nennen die Bombardierung Dresdens „den Bombenholocaust“, der 250.000 Opfer gefordert haben soll, so zumindest laut Fronttransparent vom letzten Jahr. Dabei ist die Bombardierung Dresdens ein Ereignis, das tatsächlich stattgefunden hat: Im Jahre 1945, am Ende des 2. Weltkrieges bombardierten britische Flugzeuge es in der Nacht zum 13. Februar. Über Jahre hinweg gab es verschiedenste Schätzungen zu Opferzahlen mit den unterschiedlichsten Ergebnissen, doch laut Ermittlungen starben bei der Bombardierung etwa 22.700 – 25.000 Menschen.

Diese Fakten interessieren die Nazis aber nicht. Sie haben mit der Bombardierung Dresdens ein Ereignis gefunden, das man mit verdrehten Fakten für sich instrumentalisieren und emotionalisieren kann. Denn das Gerede von einem angeblichen „Bombenholocaust“ relativiert schlicht und ergreifend den Holocaust, indem es einen übertriebenen Opfermythos erzeugt, der die Bombardierung Dresdens mit ihm gleichsetzt.

Doch mit diesem Thema haben es die Nazis in den letzten Jahrzehnten geschafft, rund um den 13.2. viele Rechte auf ihre Demo zu mobilisieren. Begonnen hat diese Tradition 2000 mit einem durch eine rechtsextreme Organisation initiierten „Trauermarsch“. Lagen die Teilnehmer:innenzahlen 2000 noch bei knapp 500, stiegen sie bis zu ihrem Höhepunkt im Jahre 2005 auf 6.500 an und stellten den zur damaligen Zeit größten Neonaziaufmarsch in Europa dar. In den darauffolgenden Jahren verkleinerte sich die Zahl der rechten Demonstrant:innen, auch aufgrund des Gegenprotestes, der immer präsenter wurde. Vor allem während der Pandemie sank sie immer mehr, sodass auf rechter Seite im letzten Jahr lediglich 400 – 750 Menschen mobilisiert werden konnten.

Warum betrifft uns der Rechtsruck als Jugendliche und Schüler:innen?

Dass es seit den späten 2000er Jahren in ganz Europa einen starken Rechtsruck gibt und dieser in den letzten Jahren noch mal einen gewaltigen Aufschwung erlebt hat, ist kein Zufall. Das lag an der Finanzkrise 2008, die nie wirklich bewältigt wurde, und dem erneuten Zusammenbruch der Wirtschaft im Zuge der Coronapandemie. In Zeiten wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Unsicherheit wie Kriegen oder Krisen des Kapitalismus beginnen mehr und mehr Menschen am „Weiter wie bisher!“, am kapitalistischen Status quo zu zweifeln.

Leider führen diese Zweifel nicht bei allen dazu, das gesamte System zu hinterfragen und sich für eine komplett neue gerechtere Gesellschaftsordnung einzusetzen. Bei vielen ist der Glaube an den Kapitalismus als Naturgesetz so tief verankert, dass sie nach anderen Erklärungen suchen. Für sie leben wir in einem fundamental gerechten System. Wenn es ihnen und ihrem Umfeld beginnt, schlechter zu gehen, dann liegt das nicht an ihm selbst, sondern daran, dass es missbraucht wird: an einzelnen korrupten Politiker:innen, einer großen Verschwörung, „Eliten“, Schattenregierungen und „Globalist:innen“ (womit übrigens fast immer Jüdinnen und Juden gemeint sind). Für sie müssen einfach die richtigen starken Männer an die Macht, die all die Verschwörer:innen verjagen und wieder Frieden und Wohlstand ins Reich einkehren lassen.

Und die, die gerne solche starken Männer wären, wissen, wie sie die Zeiten der Unsicherheit nutzen können: indem sie weiter Angst und Hass schüren, um Menschen zu sich zu treiben.

Und sollten sie das tatsächlich schaffen, sieht es für uns Jugendliche finster aus. Was noch mehr und offener Rassismus für nichtweiße Jugendliche bedeutet, muss man gar nicht erst ausführen, aber auch darüber hinaus ist mit einigem zu rechnen. So greifen Rechte auch massiv in jedes einzelne Leben ein. Sie propagieren die bürgerliche Kleinfamilie mit der fürsorglichen und aufopfernden Mutter, dem strengen, gerechten Vater, der als allmächtiger Patriarch über die Familie verfügt, und ihren braven weißen Kindern. Platz für abweichende Geschlechtsidentitäten, Sexualitäten oder schlicht und einfach Jugendliche mit einem eigenen Willen ist hier nicht.

Die finanzielle und rechtliche Abhängigkeit Jugendlicher von den Eltern und Frauen von ihren Ehemännern ist für sie begrüßenswert und alles, was sie schmälern könnte, lehnen sie ab. Sie versuchen, uns Rollenbilder aufzuzwingen und all die bereits erkämpften Fortschritte wieder einzustampfen.

Auch die Krise selbst, für die die Rechten keine Lösung haben, trifft uns als Jugendliche besonders hart. Bildung ist das Erste, an dem gespart wird, und auch die Jugendarbeitslosigkeit liegt meist noch deutlich über dem Durchschnitt. Azubis und studentische Hilfskräfte sind die Ersten, die gefeuert werden, und dadurch auch oft gezwungen, zu ihren Eltern zurück- oder gar nicht erst auszuziehen. So können sie sich nicht frei entfalten und ins selbstständige Leben übergehen. All das sind Konsequenzen von Krise, Kapitalismus und Rechtsruck und sie treffen uns alle. Deswegen müssen wir uns auch alle kollektiv dagegen wehren!

Geht auf die Gegenkundgebungen und beteiligt euch an Aktionen rund um den 13.2., um den Nazis zu zeigen, dass wir ihnen ihren Opfermythos nicht abnehmen!

Aber lasst es nicht dabei! Wir müssen auch selbst Perspektiven aufzeigen und eine internationale Bewegung als Antwort auf die Krise aufbauen. Wir müssen uns organisieren, an Schulen, Unis und in Betrieben, antirassistische Komitees gründen, uns kollektiv selbst schützen und Nazis keinen Raum mehr lassen, auf der Straße oder anderswo. Wir müssen ankämpfen gegen Sparmaßnahmen in der Bildung und im Sozialen. Nicht wir sollten die Krise zahlen, sondern die, die an ihr noch reicher geworden sind! Gegen sexuelle Unterdrückung und für die körperliche Selbstbestimmung aller! Gegen aufgezwungene Rollenbilder, unausweichliche Ausbeutung und unfreiwillige Abhängigkeit von einer Familie, die man sich nicht selbst ausgesucht hat!




Geschichtsrevisionismus an der HU

Gegenwehr! ArbeiterInnenmacht-Flugschrift für Studierende Nr 1, Januar 18

Nicht nur in der Gesellschaft erleben wir tagtäglich die unterschiedlichen Facetten des Rechtsrucks. Auch die Bildung ist davon nicht befreit – sie kann es nicht sein. An der HU sehen wir dabei aktuell die Kampagne gegen den rechten Historiker und Geschichtsrevisionisten Jörg Baberowski, seines Zeichens Professor für Geschichte Osteuropas. Die intellektuelle Auseinandersetzung der IYSSE mit rechter Geschichtsfälschung war gut recherchiert, mutig und mit Bezug auf die Klasseninteressen von Kapital und Proletariat an den deutschen Universitäten geführt.

Dabei wurde gezeigt, wie Baberowskis Revision der NS-Geschichte und seine Nolte-Apologie integraler Bestandteil seiner Positionen zu heutigen deutschen Auslandseinsätzen und der Bereitschaft sind, moderne Kriege brutal führen zu müssen.

Damit unterscheidet sich die aktuelle Kampagne der IYSSE positiv von ähnlichen der letzten Jahre wie z. B. Münkler-Watch, denen unsere Solidarität gilt, die aber ohne fundierte Kritik am objektiven Interesse bürgerlicher Bildung, ohne Klassenbezug und tiefere Reflexion gesellschaftlicher, politischer und ökonomischer Motive verfasst wurden. Sie kratzten mit ihrer sprachpolitischen Kritik an der Ausdrucksweise rechter oder konservativer ProfessorInnen nur an der kommunikativen Oberfläche gesellschaftlich wirksamer Ideologien, während sie deren Zusammenspiel mit materiellen Faktoren ganz außer Acht ließen. Überzeugende Kritik und besonders jene, die klassenpolitisch wirksam sein will, muss die wirtschaftliche Lage und die damit korrespondierenden Klasseninteressen reflektieren.

Vorbildlich ist solche Kritik auch in dem Sinne, dass sie Vorbild sein kann: Baustellen in Gestalt neu-konservativer, rechter und neo-liberaler Profs gibt es zur Genüge. Und/aber sie sind nur der personifizierte Ausdruck eines Bildungs- und letztlich eines gesellschaftlichen Systems, das auf kapitalistischer Ausbeutung beruht, rassistische und sexistische Unterdrückung sowie Diskriminierung fördert. Die Verstrickung von Bildung und Lehre mit Bundeswehr und Ministerien muss nicht verwundern, wenn man reflektiert und versteht, dass der materielle Ausbeutungsmechanismus des kapitalistischen Systems sich ideologisch legitimiert, absichert und imprägniert. Kritik an rechter Ideologie muss immer ihren Bezug zum materiellen Klasseninteresse wahren und diese Ideologie als Ausdruck eines gesellschaftlichen Ganzen entschleiern, sie darf sie nicht als partikulare Frechheit stehen lassen.

Leider hat die Auseinandersetzung der IYSSE mit Baberowski in letzter Zeit an gedanklicher Schärfe verloren und die gut recherchierten, historischen Analysen sind in ihren Flugblättern einem News-Ticker ihrer juristischen Erfolge gegen Baberowski gewichen. Das ist zum einen schade, denn die Kritik rechter Theorien muss weitergetrieben werden – das Ausmaß an Salonfähigkeit eines flüchtlingsfeindlichen Rassismus, deutschen Nationalismus und Antisemitismus zeigt diese Notwendigkeit jeden Tag in den Zeitungen und Nachrichten. Zum anderen manifestiert sich die Kritik der zunächst wissenschaftlich geführten Kampagne gegen Baberowski nun, in ihrer juristischen Phase, in Gerichtsurteilen und schafft Fakten, die Baberowski, seine UnterstützerInnen in der Universitätsleitung und andere Rechte nicht ignorieren können. Um das Partikulare auf der Ebene des Allgemeinen wirken lassen zu können, das Individuum und die individuelle Kritik in ein Verhältnis zur Gesellschaft zu setzen, muss es sich auf höherer Ebene manifestieren als der des gesprochenen Wortes und des Diskurses. Das Elend des gesellschaftlich induzierten individuellen Rassismus lässt sich nur durch die Bekämpfung seiner gesellschaftlichen Ursachen ändern.

Kritik an individuellen Phänomenen einer rassistischen Gesellschaft muss sich materialisieren!