Widerstand im Knast – Aufruhr in der JVA-Waldheim

Korrespondent aus Sachsen, Infomail 1035, 20. Dezember 2018

Seit Monaten werden die Aufschlusszeiten und
Freizeitangebote in der JVA-Waldheim systematisch immer weiter verkürzt.
Begründet werden diese Maßnahmen durch den gravierenden Personalmangel auf den
Stationen im Haus 1: „Sicherheit und Ordnung“ seien nicht weiter
aufrechtzuerhalten. Um die Gefangenen untereinander zu spalten, finden diese
Kürzungen fast ausschließlich in Haus 1 statt, die anderen beiden Häuser sind
bisher weitestgehend unberührt geblieben.

Aber anhaltender Einschluss führt zu Vereinsamung und
Frustration, und so entschlossen sich am Montag, den 10.12., einige Gefangene,
diese Zustände nicht länger hinzunehmen. Um 19 Uhr sollte die zweite Station
eingeschlossen werden, doch 15 Gefangene verweigerten dies. Trotz gerufener Verstärkung
waren die Beamten bei weitem nicht zahlreich genug, um ihre Maßnahme
durchzusetzen. Die Gefängnisleitung sprach bei dem friedlichen Protest von
einem „Aufstand“. Eine Stunde lang hielt die Pattsituation an. Nun
unterbreitete die Anstalt den Aufständischen den Vorschlag, dass sie keine
Konsequenzen zu befürchten hätten, falls sie sich friedlich in ihre Hafträume
schließen ließen.

Die Gefangenen glaubten diesem Angebot und so wurde die
Station friedlich bereinigt. Schon am nächsten Morgen offenbarte sich dies als
hinterhältige Lüge, mit der die Beamten sich aus der Situation gerettet hatten.
Alle Beteiligten hatten Einschluss, während der „Rädelsführer“ von vier Cops in
ein Hochsicherheitsgefängnis abtransportiert wurde. Drei weitere wurden am Tag
darauf aus der Anstalt abgeschoben. Die restlichen Beteiligten erhielten vier
Wochen kompletten Einschluss. Viele von ihnen sollen in den nächsten Wochen auf
andere Stationen oder in andere Anstalten verlegt werden.

Ab dem 17.12. sollen nun in Haus 1 die Aufschlusszeiten noch
weiter reduziert werden. Die Anstalt hatte derartige Kürzungsmaßnahmen ohnedies
geplant. Nun versucht sie die Gefangenen zu spalten und eine Solidarisierung zu
verhindern, indem den Aufständischen die Verantwortung für diesen Einschnitt in
die Bewegungsfreiheit der Gefangenen zugesprochen wird.

Unsere erste und unmittelbare Aufgabe ist es, unsere volle
Solidarität mit den Betroffenen der drakonischen Strafmaßnahmen zu zeigen. Sie
müssen wissen, dass sie nicht alleine sind. Denn nur gemeinsam wird es möglich
sein, auf allen Ebenen gegen eine immer schlimmer werdende Verschärfung unserer
Lebensumstände aktiv zu werden.

Dies ist besonders wichtig, da zu erwarten ist, dass die
Verhältnisse sich weiter verschlechtern, die mit zunehmendem „Personalmangel“
begründet und durch die Kürzungen der CDU-Regierung in Sachsen weiter zugespitzt
werden. Zwar spart die Regierung nicht an Waffen für direkte körperliche
Repression. So sind 1,8 Millionen für Teleskopschlagstöcke und Reizgas im
Budget verbucht. Die zweihundert geplanten Neueinstellungen von BeamtInnen
hingegen werden voraussichtlich unter der Zahl derer liegen, die im kommenden
Jahr in den Ruhestand gehen.

Organisierung und Klassenkampf

In jedem Fall war das Aufbegehren vollkommen gerechtfertigt.
Doch die Aktion selbst war spontan, wenig vorbereitet und nicht mit den
Gefangenen anderer Häuser und Stationen abgesprochen. So war sie isoliert und
zeitlich begrenzt. Der Protest konnte im Keim erstickt und die mutigsten
Gefangenen bestraft werden. Deutlich mehr hätte mit einer breiteren Beteiligung
und langfristigem Druck erreicht werden können. Doch dafür müssen sich
wesentlich mehr als 15 von 400 Gefangenen beteiligen.

Doch dafür braucht es eine eiserne Solidarität unter ihnen.
Nur wenn ein großer Teil zusammensteht, haben sie eine Chance zu bestehen.
Rassismus, Nationalismus und religiöser Hass haben im Kampf um die Freiheit
keinen Platz. Sprache, Herkunft, Religion und Kultur dürfen keine Grenzen sein.
Die einzige Trennlinie verläuft zwischen den Klassen, zwischen AusbeuterInnen
und Ausgebeuteten. Es kann kein Platz für jene geben, die für eigene Vorteile
ihre Brüder oder Schwestern verraten.

Was es also braucht, sind Organisationen, ist der Aufbau
einer Gewerkschaft, welche für die berechtigten Forderungen der Gefangenen
eintritt. Und auch wenn der Staat und die Gefängnisleitungen jedwede
Solidarisierung bekämpfen, ist selbst nach dem Grundgesetz Artikel 9 die
Gründung von Gewerkschaften auch im Gefängnis legal. Der Aufbau solcher
Strukturen ist jetzt umso wichtiger. Die Gefahr ist groß, dass bei zunehmender
Isolierung und Repression in den Gefängnissen die Entsolidarisierung zunimmt
und durch Bandenkriminalität wie in den USA begleitet wird. Die größten
ProfiteurInnen sind dann gut verdienende „Mafia-KapitalistInnen“ und die BeamtInnen,
die mit ihnen zusammenarbeiten. Das kann natürlich nicht im Interesse der
überwiegenden Mehrheit der Gefangenen sein.

Doch um dies zu erreichen, glauben wir, dass ein offener „Aufstand“
aktuell zwar kurzfristig für Furore sorgt, aber die Organisierung der
Gefangenen zu gering ist, irgendeinen bleibenden Effekt zu erzielen.
Stattdessen sind organisierte Streiks in den profitbringenden Arbeitsbetrieben
wie in der Tischlerei, dem Metallbetrieb, der Druckerei und bei der Firma
Seifert in der JVA-Waldheim dazu in der Lage, unmittelbaren wirtschaftlichen
Druck auszuüben, da die Anstalt auf die produzierten Produkte, die
erwirtschafteten Gelder und auf die durch diese Betriebe durchgeführten
Reparaturleistungen angewiesen ist. Die Organisierung der Gefangenen könnte
also unter günstigeren Rahmenbedingungen ausgeweitet werden.

Wenn wir unsere Situation tatsächlich verbessern wollen,
braucht es eine geduldige Zusammenarbeit mit Gefangenenorganisationen wie der
Gefangenen-Info, dem Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen und der
Gefangenen-Gewerkschaft (GG/BO). Es ist nicht ausgeschlossen, unsere
Bedingungen in der Presse, und selbst wenn es nur die revolutionäre und
sozialistische ArbeiterInnenpresse ist, bekannt zu machen. Gefangene aller
Stationen, Häuser und Anstalten sollten als ersten Schritt gemeinsame
Diskussionsrunden gründen, in denen sie Artikel und Literatur besprechen, sich
über ihre eigene Situation austauschen und ihre Bedürfnisse und Forderungen
formulieren. Das ist vollkommen legal und eine gute Möglichkeit, um miteinander
zu kommunizieren.

Wir fordern wiederum linke Organisationen, Parteien und auch
die Gewerkschaften des DGB – mit Ausnahme der Gewerkschaft der Polizei – dazu
auf, sich mit den Gefangenen zu solidarisieren. Allein die Tatsache, dass die
Weigerung, sich nach Monaten von immer kürzeren Aufschlusszeiten „pünktlich“
einschließen zu lassen, als „Aufstand“ und „Meuterei“ gewertet wird, zeigt,
unter welch drakonischen und entrechteten Verhältnissen die Gefangenen leben –
und dies in Waldheim, der „Vorzeigeanstalt“ deutscher Gefängnisse.

  • Solidarität mit den Aufständischen von Waldheim! Für die sofortige Rücknahme aller Maßnahmen gegen die Demonstranten vom 10.12., Einstellung aller Anklagen und Ermittlungsverfahren, die Rückführung der Gefangenen, die ins Hochsicherheitsgefängnis und andere Anstalten verlegt wurden, sofortiges Ende des Einschlusses!
  • Sofortige Beendigung der verkürzten Aufschlusszeiten!
  • Für das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung und politischen Protest im Gefängnis!



Solidarität mit dem Gefängnisstreik in den USA

Pat, Sprecher der GG/BO in Waldheim (Sachsen), Infomail 2018, 6. September 2018

Der folgende Text richtet sich an die streikenden inhaftierten Männer und Frauen, die seit dem 21. August einen Arbeitskampf gegen die Haftbedingungen und die Knastsklaverei führen. Mehr zu den Hintergründen und Forderungen findet ihr in dem Artikel „Middle Tennessee Democratic Socialists of America (DSA) unterstützt den Gefängnisstreik“ und auf den Seiten des Labournet.

Liebe Genossen und Genossinnen,

mein Name ist Patrick. Ich selbst bin politischer Gefangener in einem Gefängnis der BRD. Mit großer Wut habe ich von den Ereignissen in South Carolina erfahren. Mit umso größerer Begeisterung habe ich jedoch die Nachricht über euren landesweiten Gefängnisstreik aufgenommen. Die zehn Forderungen, die ihr stellt, kann ich, können zehntausende Gefangene in Deutschland voll unterstützen.

Der Kampf, den ihr führt, betrifft jede Gefangene, jeden Gefangenen auf der Welt. Der organisierte Freiheitsentzug in den kapitalistischen Staaten dient den wirtschaftlichen und politischen Interessen der Herrschenden. Während die größten VerbrecherInnen der USA in Freiheit leben, hinter Schreibtischen im Silicon Valley, an der Wall Street, im White House oder dem Pentagon sitzen, sollen wir entwürdigende Sklavenarbeit leisten?

Sie sagen, wir seien kriminell. Wir hätten es verdient. Und sicher, wir sind nicht immer stolz auf das, was wir getan haben. Aber die meisten von uns haben es nicht aus Gier wie die da oben getan. Wir haben es aus Not getan, weil wir ganz unten sind. Die meisten von uns Gefangenen sind der aussortierte Teil der arbeitslosen Reservearmee des Staates. Die Taten, weswegen wir im Knast landen, stehen nicht außerhalb dieser Gesellschaft. Ganz im Gegenteil, haben sie ihre Ursache im System, welches auf Konkurrenz beruht, dessen Fundamente unsere Ausbeutung und Armut sind.

Ihr habt jedes Recht, Widerstand gegen die menschenunwürdigen Bedingungen im Knast zu organisieren. Aber unser endgültiges Ziel darf es nicht sein, die Gefängnisindustrie „menschlicher“ zu gestalten. Unser Ziel muss es sein, diese Industrie auf den Müllhaufen der Geschichte zu befördern. Eine Industrie, die täglich mit unseren Enkeln, Kindern, Vätern und Müttern großzügig durch den Staat versorgt wird. Viele von euch werden sicher von den Vorfällen um den Nike „bait truck“ gehört haben, den die Polizei in Chicago einsetzte, um noch mehr unserer Brüder und Schwestern in Armut ins Gefängnis zu locken. (Ein teilweise offener Lastwagen mit Nike-Schuhen wurde in einem Schwarzenviertel Chicagos als Köder [bait] geparkt, um mutmaßliche DiebInnen anzulocken; d. Red.).

Die Verachtung, die uns die Herrschenden in Freiheit entgegenbringen, lassen sie uns doppelt hinter den Gefängnismauern spüren. Hier in den Gefängnissen werden selbst elementarste ArbeiterInnenrechte beschnitten. Der Staat will uns seiner Gewalt hilflos ausliefern. Das ist in den USA sicher noch härter als in Deutschland. Doch das Prinzip ist das gleiche.

Aber wir Gefangenen sind trotz unserer Situation noch immer fühlende, noch immer denkende Menschen. In uns pulsiert der Drang, frei zu sein. Euer Streik ist bisher ein großartiger Ausdruck dieses Wunsches. Diese Kämpfe gegen die da oben bergen das Potential, den eigentlichen Feind in den Vordergrund zu rücken. Sie stellen die Solidarität unter den Gefangenen in den Vordergrund. Und jede Gang, die sich dem verwehrt, zeigt dadurch nur, auf welcher Seite ihre FührerInnen tatsächlich stehen. Statt Bandenkriegen unter uns und auf dem Rücken der Armen und Unterdrückten, braucht es gemeinsame Organisationen, in denen sie alle Hand in Hand kämpfen.

Wir brauchen eine starke Gefangenengewerkschaft – in den USA, in Deutschland, international – , die Seite an Seite mit den Gewerkschaften und ArbeiterInnenorganisationen außerhalb der Gefängnisse den Widerstand organisiert. Die Erfahrungen in der BRD haben gezeigt, dass es zur Organisierung der Gefangenen nötig ist, eine Struktur aufzubauen, die innerhalb und außerhalb der Knastmauern agiert. Dadurch kann die Isolation der gefangenen Lohnabhängigen von der ArbeiterInnenbewegung außerhalb der Gefängnismauern durchbrochen und ein gemeinsamer Kampf organisiert werden. Der Aufbau einer Gefangenengewerkschaft, von UnterstützerInnenkomitees und von engen Verbindungen mit weiteren Gewerkschaften sind erste wichtige Schritte.

Aber wenn wir die menschenverachtende Gefängnispolitik grundlegend stoppen, den eigentlichen VerbrecherInnen das Handwerk legen wollen, dann braucht es auch eine gesamtgesellschaftliche Antwort. Dann braucht es eine politische Organisation, welche die gesamte ArbeiterInnenklasse in den USA und international unter einem Banner, einem Ziel, einem Programm zur Befreiung vereint. Solange der Kapitalismus nicht stirbt, können wir und unsere Kinder nicht in Frieden und Freiheit leben. Wir werden LohnsklavInnen sein, ob im Gefängnis oder am Fließband in „Freiheit“. Soll aber der Kapitalismus sterben, dann müssen wir nicht nur unsere materiellen Ketten brechen. Wir müssen die ideologischen Ketten brechen, die uns an die zwei kapitalistischen Parteien in den USA binden. Es braucht eine revolutionäre Partei, die alles Unrecht hinwegfegt.

Die Macht der KapitalistInnen besteht darin, unsere Welt an den Abgrund zu treiben, die Umwelt zu zerstören, uns in Kriegen abzuschlachten, unsere Viertel mit Drogen zu überschwemmen und uns in Armut schuften zu lassen. ArbeiterInnenmacht bedeutet das genaue Gegenteil. Daher sende ich auch Grüße an die GenossInnen der gleichnamigen Organisation Workers Power USA, die mich mit Informationen über euren Kampf versorgen und meine Briefe übersetzen.

Seid tapfer, seid standhaft und lasst euch nicht spalten! Sobald wir uns gemeinsam als ArbeiterInnen und Unterdrückte organisieren, haben wir nichts mehr zu verlieren als unsere Ketten.

 

 

 

 

 

 

 




USA: Middle Tennessee Democratic Socialists of America (DSA) unterstützt den Gefängnisstreik

DSA Middle Tennessse, Infomail 1014, 15. August 2018

Auf der Grundlage dieser Resolution, die auf der allgemeinen Mitgliederversammlung im Juli 2018 angenommen wurde, unterstützt der Verband der Democratic Socialists of America in Middle Tennessee den nahenden nationalen Gefängnisstreik, zu dem inhaftierte Frauen und Männer aufgerufen haben. Der Streik, der am 21. August beginnen und bis zum 9. September 2018 andauern wird, ist eine Antwort auf den Aufstand in der Lee Correctional Gefängnisinstitution in South Carolina vom April 2018, in dessen Verlauf sieben Männer ihre Leben verloren.

Hinter den Gefängnismauern erleiden Menschen eine Brutalität und Ausbeutung, die nur von jenen wirklich verstanden werden kann, die ihre Erfahrungen geteilt haben. Mit ungefähr fünf Prozent der Weltbevölkerung aber 25 Prozent der weltweiten GefängnisinsassInnen, kerkern die Vereinigten Staaten die größte Zahl an Menschen ein, sowohl in relativen als auch absoluten Zahlen. Massenhafte Einsperrung in Gefängnisse ist die moderne Fortsetzung der Sklaverei, und als SozialistInnen streben wir an, dieses System der Ausbeutung, Entmenschlichung und Unterwerfung aufzuheben. Wir können sehen, dass das wahre Ziel dieses Kerkerstaates keinesfalls die Rehabilitierung der Gefangenen oder der Schutz der Gesellschaft ist. Tatsächlich ist es ein Angriff auf humanistische Werte, es ist die Aufrechterhaltung der Sklaverei, eines der widerlichst riechenden Fundamente der amerikanischen Gesellschaft, das diese im Namen des Profits umgibt.

Wir kennen diese Entmenschlichung durch Kriminalisierung, die für viele bereits in jungem Alter stattfindet, die unsere Nachbarschaften und Gemeinden heimsucht, indem sie uns BürgerInnen unserer Autonomie und unserer Selbstbestimmung beraubt. Wir können in Middle Tennessee sehen, wie die Gentrifizierung dieses Phänomen noch weiter verschärft: North Nashville, eine historisch schwarze Gemeinde, ist immer wieder abwechselnd von der herrschenden Klasse der Stadt geplündert oder vernachlässigt worden, seitdem vor 150 Jahren ehemalige Sklaven hier zu siedeln begannen. Auch jetzt ist die Gemeinde wieder unter Beschuss, durch InvestorInnen und die kommunale Regierung. 14 % der Bevölkerung North Nashvilles sind im Gefängnis. Das ist die höchste Rate der gesamten Nation. Menschen, die in unseren Gemeinden für Jahrzehnte gelebt haben, werden auf die gleiche Weise verdrängt wie die indigenen Stämme, die von den KolonistInnen vertrieben wurden von dem Land, das sie seit Generationen bewohnt hatten. Alle, die sich weigern zu verschwinden, spüren den Stiefel des Staates in ihrem Genick, so wie damals auch.

Die massenhafte Inhaftierung ist kein Ausrutscher, sondern Produkt eines Systems, in dem sichergestellt werden soll, dass jene, die von der Ausbeutung der Unterdrückten profitieren, es auch in Zukunft tun können. Dieses System wurde von den GründerInnen der Vereinigten Staaten von Amerika geschaffen und wird von Kapital und Staat auch heute aufrechterhalten. Diese Allianz von Staat und Kapital ist offen sichtbar am Beispiel von CoreCivic, dem größten Gefängnisunternehmen der Welt mit Hauptsitz in Nashville, das seinen AktionärInnen, aber auch freundlich gesinnten PolitikerInnen Dividenden auszahlt, die es den leidenden Gefangenen abgepresst hat. Diese ProfiteurInnen sind die direkten ideologischen NachfahrInnen der ArchitektInnen, StifterInnen und AufseherInnen des atlantischen Sklavenhandels.

Wir unterstützen die Forderungen des Streiks:

  1. Unmittelbare Verbesserung der Haftbedingungen und eine Strafvollzugspolitik, die die Menschlichkeit inhaftierter Männer und Frauen anerkennt.
  2. Abschaffung der Knastsklaverei. Alle, die unter US-amerikanischer Rechtssprechung inhaftiert wurden, müssen nach dem Lohnniveau des entsprechenden Bundesstaats oder Territoriums bezahlt werden.
  3. Abschaffung des „Gesetzes zur Reform der Prozessordnung im Strafvollzug“, sodass Gefangene wirklich die Möglichkeit erhalten, sich gegen Missstände und Verletzungen ihrer Rechte zu wehren.
  4. Abschaffung des „Gesetzes über die Wahrheit im Urteilsprozess“ und des „Gesetzes zur Reform des Urteilsprozesses“, sodass Gefangene die Möglichkeit zur Resozialisierung und Bewährung bekommen. Niemand darf zum Tode durch Wegsperren verurteilt werden oder eine Haft ohne Möglichkeit auf Bewährung absitzen müssen.
  5. Ein sofortiges Ende der Praxis, Schwarze und braune Menschen mit einem überproportional hohen Strafmaß anzuklagen, sie zu überproportional hohen Strafen zu verurteilen und ihnen Bewährungsstrafen zu verwehren. Schwarzen darf nicht länger Bewährung verwehrt werden, weil das Opfer des Verbrechens weiß war, was vor allem in den Südstaaten ein Problem darstellt.
  6. Abschaffung der „Gesetze zur Strafmaßerhöhung bei Bandenkriminalität“, die sich vor allem gegen Schwarze und braune Menschen richten.
  7. Häftlingen darf der Zugang zu Resozialisierungsprogrammen in ihren Haftanstalten nicht weiter aufgrund dessen verwehrt werden, dass sie als Gewalttäter abgestempelt werden.
  8. Finanzierung von Resozialisierungsdienstleistungen in Gefängnissen für Langstrafer.
  9. Wiedereinführung von Bildungszuschüssen in allen Staaten und Territorien der USA.
  10. Das Wahlrecht aller Bürger die aufgrund einer Haftstrafe oder in Untersuchungshaft inhaftiert sind sowie aller Ex-Gefangener ist zu respektieren. Wir fordern Repräsentation, alle Stimmen zählen.

Wir rufen zur Solidarität zwischen jenen unter uns, deren einzige Ketten die der Lohnarbeit sind, und jenen gefangenen Menschen, die am 21. August zu streiken beginnen, auf. Durch Solidarität wollen wir jene unterstützen, denen die Schlinge der industriellen Gefängniskomplexe um den Hals liegt, bis und auch nachdem sie wieder frei sind. Durch Solidarität werden wir die Mauern niederreißen, die die rassistische und sexistische Bourgeoisie errichtet hat, um uns voneinander zu trennen. Durch Solidarität alleine werden wir eine Zukunft für uns alle gestalten, die ohne Ketten und Gitter auskommt.




Geflüchtete im Knast – Vom Regen in die Traufe

Pat, Infomail 984, 30. Januar 2018

In den vergangenen Jahren kam es zu massenhaften Fluchtbewegungen nach Europa. Viele gelangten zu uns im Zuge der Hungersnöte auf dem afrikanischen Kontinent, verursacht durch die Lebensmittelspekulationen und die Krise seit 2007. Andere kamen, nachdem die demokratischen Bewegungen des Arabischen Frühlings zerschlagen wurden – durch imperialistische Intervention und die erneute Stabilisierung diktatorischer Regime. Millionen Menschen suchten und suchen immer noch Schutz hinter den Mauern Europas. Sie kommen in der Hoffnung, im Auge des Orkans von Ausbeutung, Verwüstung und Unterdrückung vor dem Terror der Großmächte und ihrer jeweiligen verbündeten DiktatorInnen verschont zu bleiben, um für sich und ihre Familien ein neues Leben aufbauen zu können.

Doch wie wir wissen, wird dieser Wunsch nur den Allerwenigsten erfüllt. Anstatt wenigstens einen Krümel des gelobten „westlichen Wohlstands“ zu bekommen, stehen sie, die vor Terror fliehen, selbst unter Generalverdacht. Sie werden kaserniert und von rassistischen Mobs empfangen, geschlagen und sogar beschossen. In Deutschland erhalten sie weniger Geld als Hartz 4 empfangende Personen und haben als AsylbewerberInnen kein Recht auf einen Job. Versorgung, Sprachkurse und Qualifizierungen stehen unzureichend zur Verfügung und werden bestenfalls ungenügend staatlich finanziert. Aufgrund der isolierten Lage der Massenunterkünfte wird eine Integration in die Gesellschaft fast verunmöglicht. Dieses Kasernierungssystem bildet selbst eine der Grundlagen, auf der die RassistInnen „Überfremdungsängste“ insbesondere in ländlichen Gebieten schüren.

Viele Geflüchtete haben aufgrund dieser Umstände keine andere Wahl, als den legalen Boden zu verlassen, wenn sie sich selbst die Nahrungsmittelbeschaffung finanzieren wollen. Es ist das Asylregime des deutschen Staates selbst, der es der organisierten Kriminalität erlaubt, Geflüchtete aus den Lagern und von der Straße anzuwerben. Wir wissen nur zu gut, dass viele keine andere Wahl haben.

Und die abschiebefreudige Justiz nutzt diesen Umstand aus, um Geflüchtete aufgrund kleinster Delikte direkt in Untersuchungshaft zu sperren. Die Knäste in der BRD füllen sich zunehmend mit Geflüchteten. Insofern sie noch Illusionen in den „Rechtsstaat“ hatten, werden sie ihnen im Gefängnis genommen. DolmetscherInnen, Sprachkurse, jedwede Hilfe sind dort noch seltener zu finden als beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Gerade in sächsischen Gefängnissen kommt es zu rassistischen Übergriffen und Anfeindungen durch andere Gefangene und durch das JVA-Personal.

Nur durch die Hilfe anderer solidarischer Gefangener und ArbeiterInnenorganisationen wie der Gefangenengewerkschaft kann ihnen wirklich geholfen werden. So stellt die „Gefangenengewerkschaft/Bundesweite Organisation“ (GG/BO) Geflüchteten kostenlose juristische Unterstützung zu Verfügung und baut Strukturen im Gefängnis auf, die vor Ort helfen können. Gemeinsam kann es auch hinter den grauen Mauern einen Funken Hoffnung geben. Doch dieser Funken muss von der ArbeiterInnenbewegung außerhalb der Gefängnisse aufgegriffen werden. Die DGB-Gewerkschaften müssen endlich ihren Kurs ändern, Geflüchtete rigoros organisieren und eine bundesweite Kampagne für die Forderungen nach Recht auf Arbeit bei gleichem Lohn, eine eigene Wohnung und den gleichen Anspruch auf soziale Leistungen starten.

Insbesondere nach der Debatte um die im Januar veröffentlichte Kriminalitätsstatistik fordern wir die Gründung unabhängiger Kommissionen aus Gewerkschaften, antirassistischen Organisationen und fortschrittlichen RechtsanwältInnen, die die wahren Ursachen – Armut, Ausgrenzung, Fluchttraumata – für Kriminalität unter Geflüchteten aufdecken. Alle Gefangenen, egal welcher Herkunft, die aufgrund kleiner Delikte (Schwarzfahren, leichter Diebstahl, kleine Deals etc.) einsitzen, müssen umgehend entlassen, die Vorfälle aus ihren Akten gelöscht werden. Ebenfalls muss es eine umfassende Untersuchung über die ungleiche Aburteilung von Geflüchteten sowie MigrantInnen im Vergleich zu (weißen) Deutschen geben. Überall, wo ersichtlich wird, dass Geflüchtete aufgrund ihres Status größere Haftstrafen erhalten haben, müssen ihre Fälle neu behandelt werden. Zuletzt fordern wir, dass Geflüchtete nach dem Absitzen ihrer Haftstrafen keinerlei staatlicher Diskriminierung ausgesetzt werden dürfen. Die Praxis, straffällig gewordene Geflüchtete nach Absitzen ihrer Strafe abzuschieben, ist eine rassistische und muss sofort beendet werden.

Zum Autor

Pat ist Sprecher der GG/BO in Waldheim (Sachsen)




ArbeiterInnenbewegung hinter Gittern: Kurze Geschichte der Gefangenengewerkschaft/ Bundesweite Organisation

Georg Ismael und Pat, Infomail 974, 27. November 2017

„Die Proletarier haben nichts (…) zu verlieren als ihre Ketten.“ Diese Schlussfolgerung von Marx und Engels im Kommunistischen Manifest hatte insbesondere jenen Teil der arbeitenden Bevölkerung im Sinn, der über nichts verfügte außer seiner Arbeitskraft. Freiheit bedeutete eben nichts außer der, einen Arbeitsplatz auf die Gefahr des Hungertodes hin ablehnen zu können. Doch auch diese Freiheit bleibt den heute rund 64.000 GefängnisinsassInnen in Deutschland verwehrt. Auch wenn der Begriff Zuchthaus mittlerweile außer Mode geraten ist: In deutschen Gefängnissen herrscht nach wie vor Arbeitszwang.

Der Staat nennt diesen Umstand „Resozialisierung“. Wir sollten einen Zustand, in dem die inhaftierten ArbeiterInnen für privatwirtschaftliche Unternehmen oft unter 10 Euro am Tag, ohne Kranken- und Rentenversicherung schuften, als das bezeichnen, was er wirklich ist: Ausbeutung. Sicher, in Ländern wie den USA, wo mehr als 2,1 Millionen Menschen in einem wachsenden industriellen Komplex der Gefängnisarbeit tätig sind, mag die Situation schlechter sein. Bisher dient der Knast in Deutschland in erster Linie der Abschreckung und Bestrafung, nicht zur Profitmacherei. Doch finden sich auch hier ambitionierte Büttel. So meinte Mannheims Anstaltsleiter Thomas Weber „Wir bräuchten eigentlich mehr Gefangene mit längeren Haftstrafen“.

Dass diesem Problem kaum Beachtung zuteilwird, liegt auch daran, dass Kriminalität hierzulande vornehmlich als moralische Verkommenheit von Individuen oder von der Mehrheit der Gesellschaft abgegrenzten Gruppen wahrgenommen wird. Dass es sich in der Regel aber um größere soziale Probleme handelt, die diese hervorbringen, spielt eine untergeordnete Rolle. Viel zu groß ist das Vertrauen großer Teile der ArbeiterInnenklasse heute, dass der Schiedsspruch des Richters auch rechtens sei. Der aktuelle Rechtsruck drückt sich auch darin aus, dass Justiz und Gefängnisregime in den Medien, von rechten und konservativen Kräften als zu lasch gebrandmarkt werden und dass dieser Ruf nach mehr „Law and Order“ stärker wird.

Klassenjustiz

Tatsächlich aber beherrschen Strafvollzug und Justiz die gleichen Klassenstrukturen, die alle anderen Sphären der Gesellschaft durchdringen. Während sich MillionärInnen, deren Namen in den Panama oder Paradise Papers auftauchen, von ihren Steuerdelikten freikaufen können, sitzen viele ArbeiterInnen und Arbeitslose Ersatzfreiheitsstrafen ab, weil sie ihr Bußgeld fürs Schwarzfahren nicht begleichen konnten. Jugendliche, die wiederholt im Supermarkt klauen, mögen das mit einer Freiheitsstrafe bezahlen. BankerInnen und ManagerInnen, die ihre Unternehmen in den Ruin führen, werden hingegen mit horrenden Abfindungen und der anschließenden Rettung ihrer Institutionen auf Steuerkosten „bestraft“. Und selbst wenn man einmal als Reicher, wie der gute Uli Hoeneß, im Gefängnis landet, gibt es natürlich eine Extrabehandlung. So ist es kaum verwunderlich, dass ein überproportionaler Teil der Gefangenen aus der ArbeiterInnenklasse stammt. Insbesondere Jugendliche und MigrantInnen sind besonders betroffen, werden auch überdurchschnittlich oft von Gerichten verurteilt.

Die fehlende Unterstützung durch die ArbeiterInnenbewegung in den letzten Jahrzehnten von „außen“ führte daher zunehmend zur Abnahme von Klassenbewusstsein hinter Gittern. Während sich RassistInnen und FaschistInnen sicherer fühlen können, sehen sich linke und revolutionäre Gefangene oft isoliert. Dieser Probleme nahmen sich InsassInnen der JVA Tegel im Mai 2014 an. Sie gründeten eine Gefangenengewerkschaft für das Gefängnis, in dem sie einsaßen. Dass sich die „Gefangenengewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO)“ in den vergangenen dreieinhalb Jahren auf 30 Anstalten und 1.500 Mitglieder ausweiten konnte, ist sicher eine Erfolgsgeschichte. Es ist aber auch ein Beleg für die großen Probleme, die Gefangene in ihre Reihen spülen.

Forderungen und Aktionen

Ihre zentralen Forderungen sind dementsprechend auch sehr grundlegend. Sie umfassen die Anerkennung des Rechts auf gewerkschaftliche Organisierung nach § 9 des Grundgesetzes in den Gefängnissen, die Umsetzung des Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde sowie Kranken- und Rentenversicherung für die Inhaftierten. Diese breiten, aber wichtigen Forderungen führen dazu, dass die Isolation zwischen den Gefangenen durchbrochen, dass individuelles Leid auch als Quelle von politischen und sozialen Verhältnissen wahrgenommen werden kann.

Sie bedeuten auch, dass die Klassenfrage gestellt wird. Selbstverständlich ist für jede Organisation der Klasse die Ablehnung von Rassismus, Sexismus und Homophobie eine Grundvoraussetzung. Die GG/BO stellt daher auch Unentschlossene vor die Frage, ob sie mit anderen für ihre gemeinsamen Interessen eintreten wollen oder ob sie lieber mit ChauvinistInnen oder FaschistInnen dafür sorgen, dass es anderen schlechter, ihnen deshalb aber noch lange nicht zwangsläufig besser geht.

Der Erfolg im Aufbau liegt aber sicherlich, wie bei dem vieler anderer Gewerkschaften, im aktiven Aufgreifen unmittelbarer Probleme in den jeweiligen Anstalten begründet. Beispielhaft seien hier nur eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen eine/n besonders schikanöse/n BeamtIn, Protest gegen die Lohnverweigerung gegenüber Gefangenen oder die schlechte Verpflegung aller Gefangenen genannt. Die GG/BO versucht, von innen und außen Druck zu erzeugen. Dort wo sie einen hohen Organisationsgrad hat, führt sie auch nach außen wahrnehmbarere kollektive Aktionen durch, zuletzt in Form eines Sitzstreiks von rund 40 Frauen in der JVA Chemnitz. Zwar musste die JVA auf die Forderungen der KollegInnen eingehen, die FührerInnen des Streiks wurden jedoch gewaltsam verlegt. Einige Ratten hatten sich wohl Privilegien oder die Begleichung einer offenen Rechnung erhofft und die „RädelsführerInnen“ der Kämpfenden verpfiffen. Zudem bietet die GG/BO seit neuestem auch kostenfreie juristische Unterstützung bei Asylverfahren für MitinsassInnen an. Wer mehr über andauernde Aktionen erfahren möchte, kann sich darüber jederzeit auf der Seite der GG/BO informieren (www.ggbo.de).

Unterstützt werden die Bestrebungen von Unterstützerkreisen im Freien. Diese führen nicht nur Demonstrationen oder Kampagnen durch, sie sind auch ein wichtiges organisatorisches Rückgrat. Schließlich sind Gefängnisse immer ganz grundlegend undemokratische Institutionen. Politische Aktivität findet hier, wo bereits ein Sitzstreik als Meuterei verstanden wird, im besten Fall unter halblegalen Umständen oder in Grauzonen statt. Doch diese UnterstützerInnenarbeit sollte nicht nur durch Freigelassene und linke AktivistInnen erfolgen. Sie sollte eine Aufgabe der gesamten Gewerkschaftsbewegung und der bestehenden ArbeiterInnenparteien sein. Die GG/BO ihrerseits fordert diese Zusammenarbeit nicht nur ein, sie befördert sie auch aktiv sowohl mit kleineren syndikalistischen Gruppen wie FAU und IWW wie auch mit dem DGB. Sollte letzterer sich jedoch ernsthaft dazu entscheiden, sein Gewicht in die Waagschale zu werfen, hätte dies eine ungemeine Bedeutung.

Die Unterstützung seitens des DGB brächte nicht nur eine politische und finanzielle Stärkung mit sich. Sie würde auch bedeuten, dass sich die Mitglieder der GG/BO tatsächlich als Teil einer gemeinsamen ArbeiterInnenbewegung begreifen. Sie könnten auch einen guten Beitrag nach ihrer Entlassung leisten, denn wer wäre besser dazu geeignet, unter schwierigen Bedingungen einen Betriebsrat durchzusetzen oder eine Betriebsgruppe aufzubauen, als AktivistInnen, die sich unter den miserabelsten Umständen im Gefängnis als KollegInnen bewährt haben?

Wir unterstützen den Aufbau der GG/BO. Resozialisierung heißt für uns, Teil einer kämpfenden ArbeiterInnenbewegung zu sein, nicht als überausgebeutete Arbeitskraft im Knast und ohne lebenswerte Perspektive im Freien zu schuften.

AutorInnen

Georg Ismael ist aktiv in der Gruppe ArbeiterInnenmacht und der Jugendorganisation REVOLUTION,

Pat ist Sprecher der GG/BO in Waldheim (Sachsen)