Corona-Demos in Österreich: Neue alte Rechte in der Pandemie

Alex Zora, Arbeiter*innenstandpunkt, Infomail 1178, 15. Februar 2022

Seit einigen Wochen gibt es wieder regelmäßige Massendemonstrationen auf den Straßen Wiens. Demonstriert wird gegen allerlei Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie. Die Impf- wird ebenso abgelehnt wie die Maskenpflicht, vorgeschriebene Testungen im Zuge der 3G-Regel am Arbeitsplatz oder aber auch unterschiedliche Ausformungen des Lockdowns. Die Stimmung der Teilnehmer:innen schwankt zwischen einem Leugnen der Pandemie und der Sorge über die Einschränkung der persönlichen Freiheit. Auf dem Höhepunkt erreichten die Mobilisierungen eine Stärke von an die 50.000 Menschen.

Im Wesentlichen werden die Demonstrationen von einigen „prominenten“ Persönlichkeiten der „corona-kritischen“ Szene organisiert. Die Hauptstützen haben sich seit den Demonstrationen im letzten Winter – als eine gesetzliche Impfpflicht noch bei weitem nicht ins Haus stand – nicht wesentlich geändert. Zu nennen sind beispielsweise der weit rechts stehende Martin Rutter oder auch Hannes Brejcha. Der entscheidende Unterschied zu letztem Winter ist aber, dass sich die FPÖ – jetzt geführt von Herbert Kickl – aktiv in die Mobilisierungen einbringt und organisatorisch führend auftritt. Sorgte damals seine Unterstützung für die Demonstrationen noch für Unmut in der FPÖ, steht die Partei nun zumindest nach außen nahezu geschlossen hinter der neuen Linie. Organisatorisch steht hinter den corona-skeptischen Demonstrationen also ein rechtes Spektrum, das von der FPÖ über einzelne weit rechts stehende Einzelpersonen und die faschistischen Identitären bis hin zu Neonazis (Gottfried Küssel und Co.) und Nazi-Hooligans aus der Fußballszene reicht. Daneben gibt es auch eine sehr große Anzahl an nicht-ideologischen Menschen auf der Straße, aber diese sind entweder politisch nach rechts offen oder legen bewusste Ignoranz der Tatsachen an den Tag.

Was die soziale Zusammensetzung der Demonstrationen betrifft, ist vor allem eines sehr auffällig. In Wien kommt die große Mehrheit der Menschen immer aus den Bundesländern (teilweise auch aus dem Ausland) angereist. Es liegen dazu zwar keine wissenschaftlich erfassten Zahlen vor, aber diese Tatsache ist aus den vielen Bundesländerfahnen auf den Demos ersichtlich, den Reaktionen der Demonstrationsteilnehmer:innen auf Redner:innen („Wo sind die Wiener?“) sowie insbesondere aus den Erfahrungen regionaler Mobilisierungen. So riefen etwa am 1.12.2021 diverse Vertreter:innen der Bewegung zum „Warnstreik“ gegen die Maßnahmen auf. Dabei gab es Mobilisierungen in den diversen Landeshauptstädten. Die größten davon waren in Linz (1.500 – 2.000), Graz (bis zu 1.500) und Innsbruck (1.500). In Wien waren es hingegen nur „einige Hundert“ (orf.at).

Die politische Richtung, in die sich die Demonstrationen seit mehr als einem Jahr entwickeln, ist ganz eindeutig nach rechts. Die Impfpflicht wird abgelehnt, aber nicht weil die Umsetzung der Bundesregierung sozial ungerecht ist, sondern aus einer individualistischen, chauvinistischen und wissenschaftsfeindlichen Haltung heraus. Die mehr als zehntausend Todesopfer der Pandemie alleine in Österreich werden entweder relativiert bzw. geleugnet oder damit gerechtfertigt, dass es „eh nur“ alte bzw. schon vorher kranke Leute betroffen hätte. International reiht sich die Bewegung in Österreich ganz klar in Mobilisierungen der Rechten in Deutschland oder den USA mit den dazugehörigen Verschwörungsmythen ein.

Als Linke muss man dieser Bewegung zweierlei entgegensetzen. Einerseits braucht es klare Gegenmobilisierungen auf der Straße, damit Faschist:innen nicht ungehindert dort die Oberhoheit  übernehmen und zur physischen Bedrohung werden. Andererseits ist der Regierungspolitik eine brauchbare linke Alternative entgegenzustellen und sichtbar zu machen. Anstatt rechtzeitig wirkungsvolle Maßnahmen gegen die Pandemie zu treffen und die Menschen dabei sozial und gesundheitlich abzusichern, wird nämlich leider lieber der Profit für den Wintertourismus gesichert und die Durchseuchung der Gesellschaft forciert.




FPÖ: Wachablösung durch Herbert Kickl

Alex Zora, Infomail 1156, 15. Juli 2021

„Ja, ich trete zurück. Ich mag nicht mehr.“ So kündigte Norbert Hofer auf Twitter Ende Mai seinen Rücktritt an. Der Tweet wurde zwar kurz darauf wieder gelöscht, die Entscheidung war aber durchaus ernst gemeint. Nach monatelangem Gezanke war es jetzt nun so weit, Norbert Hofer zog sich als FPÖ-Chef zurück. Sein Nachfolger wurde, wie kaum anders zu erwarten, der bisherige FPÖ-Klubobmann im Nationalrat und die klare Nummer zwei in der FPÖ – Herbert Kickl.

Einflüsterer an der Spitze

Lange Zeit war Herbert Kickl die graue Eminenz hinter Ex-Parteichef Strache. Er verdiente sich sein erstes politisches Kleingeld mit Reden Schreiben für Jörg Haider. Mit der Abspaltung des Haider-BZÖ (Bündnis Zukunft Österreich) von der FPÖ 2005 war aber für Herbert Kickl auch ein klarer innerparteilicher Durchbruch gesichert. Sein Aufstieg war eng mit dem von HC Strache verknüpft. Auch für ihn schrieb er Reden und war für viele Wahlkampfinhalte verantwortlich – so zum Beispiel für den zutiefst rassistischen Slogan für die Wien Wahl 2010: „Mehr MUT für unser ,Wiener Blut’ – zu viel Fremdes tut niemandem gut.“ Außerdem war er ab 2005 auch Generalsekretär der FPÖ und Geschäftsführer der Parteizeitung „Neue Freie Zeitung“. Beide diese Ämter legte er mit der Regierungsbeteiligung als Innenminister in der türkis-blauen Koalition unter Bundeskanzler Sebastian Kurz Ende 2017 zurück. In seiner Zeit als führender Propagandist war er zentral für die rechtspopulistische, rassistische Ausrichtung der FPÖ verantwortlich und damit auch für den Schwenk der FPÖ hin zu ihren zentralen Feindbildern heute – MuslimInnen und Geflüchtete.

In der Regierung Kurz war Kickl als Innenminister tätig. Lange hatte er aber nicht Zeit, um einen großen Fußabdruck zu hinterlassen. In der Rhetorik wurde hier natürlich weiterhin auf einen strammen Nationalismus und Rassismus gegenüber MuslimInnen und Geflüchteten gesetzt. Probleme mit den zentralen türkis-geführten Angriffen auf die ArbeiterInnenklasse (12-Stunden-Tag, Reform Mindestsicherung, Reform Krankenkassen etc.) gab es – wie kaum anders für einen FPÖ-Politiker zu erwarten war – nicht. Vielmehr kam Kickl durch diverse Eigenheiten in die Medien. Hier sind auf der einen Seite eher sonderbare Projekte wie Polizeipferde oder Pressekonferenzen in Fantasieuniformen zu nennen. Auf der anderen gab es mit dem BVT-Skandal doch auch eine wichtige Auseinandersetzung mit wichtigen ÖVP Stützen im Staatsapparat (BVT: Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung; Nachrichtendienst des Bundesministeriums für Inneres). Generell war Herbert Kickl in der FPÖ-Arbeitsteilung immer der „Mann fürs Grobe“, der die Basis aktiv halten sollte, während Norbert Hofer versuchte, die ultrareaktionären Inhalte durch ein gemäßigteres Auftreten besser in die Breite wirken zu lassen.

Mit dem Ibiza-Skandal war die Zeit von Kickl im Ministeramt dann auch nach etwas mehr als einem Jahr wieder vorbei. Gemeinsam mit Norbert Hofer überlebte er die mediale Berichterstattung zwar mehr oder weniger unbeschmutzt, aber gleichzeitig diente er Sebastian Kurz als willkommener Grund für ein Ende der Koalition. Für Kurz war es nämlich untragbar, dass gegen ein Regierungsmitglied von Seiten der Justiz ermittelt wird. Durchaus eine humorvolle Bewertung, angesichts der Ermittlungen, die mittlerweile Sebastian Kurz und seine ÖVP-MinisterkollegInnen selbst treffen.

Persönlicher oder politischer Konflikt?

Nach der brisanten Zeit nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos und dem Zusammenbruch der FPÖ bildeten Norbert Hofer als Parteichef und Herbert Kickl als Klubobmann im Parlament recht bald eine Doppelspitze. Formell war zwar Norbert Hofer als Parteichef die Nummer eins. Doch das hielt Kickl nicht davon ab, sich sehr bald in den Vordergrund spielen zu wollen. Vor allem in der coronaskeptischen Bewegung sah Kickl ein wesentliches Potential, um die FPÖ nach ihrem Absturz wieder aufzubauen. So arbeitete sie mit wichtigen rechten AkteurInnen dieser Bewegung zusammen, mobilisierte zu den untersagten Demonstrationen und organisierte auch eigene Kundgebungen. Die Rückendeckung in inhaltlichen Fragen blieb natürlich auch nicht aus und die FPÖ stemmte sich im Parlament und außerhalb davon gegen nahezu alle sinnvollen Maßnahmen, die Pandemie zu bekämpfen, und drängte, egal zu welchem Zeitpunkt, auf weitere Öffnungsschritte.

Norbert Hofer hingegen nahm dazu einen deutlich gemäßigteren Standpunkt ein. Er kündigte an, sich impfen zu lassen, und akzeptierte die Maskenpflicht im Parlament, die Kickl vehement ablehnte. Um diese Frage entbrannte dann aber auch der erste mehr oder weniger öffentliche Schlagabtausch zwischen Hofer und Kickl, über den in den Medien ausführlich berichtet wurde. Schon hier drang nach außen, dass Kickl wohl nahezu den gesamten FPÖ-Nationalratsklub hinter sich hatte. Aber auch in der Frage der Beteiligung an Demonstrationen auf der Straße gingen die Meinungen von Hofer und Kickl stark auseinander. Hofer selbst betonte, dass er angeblich noch nie auf einer Demonstration gewesen sei (eine mehr als fragliche Selbsteinschätzung), während Kickl sich aber nicht nur medial und organisatorisch an den coronaskeptischen Demonstrationen im Winter beteiligte, sondern auch selbst daran teilnahm.

Im Zuge dieser Auseinandersetzungen kam es dann zu einer klaren innerparteilichen Frontenbildung. Hinter Kickl stand der Parlamentsklub mehr oder weniger einhellig. Hofer hingegen hatte vor allem bei den FPÖ-Bundesländerspitzen und im FPÖ-Vorstand Rückhalt genossen. Das Ganze ist auch nicht unbedingt verwunderlich, wenn die jeweiligen politischen und charakterlichen Ausprägungen mit den sektoralen Interessen unterschiedlicher Teile der FPÖ zusammenfallen.

In den Bundesländern ist die FPÖ in mehreren Landesregierungen vertreten und insbesondere in Oberösterreich hat sie gute Verbindungen zur dortigen Bourgeoisie aufgebaut. Deshalb versucht sie dort, vor allem auf Stabilität und Sicherheit zu setzen. Nach Norbert Hofers Abgang steht insbesondere der oberösterreichische FPÖ-Landeschef Manfred Haimbuchner für diese Linie. Er betonte erst kürzlich in einem Kurier-Interview, dass er sich „Kontinuität statt Brüche[n]“ erwartet. Denn „[e]s geht nicht nur um Wahlergebnisse“ sondern um „die Gesamtstrukturierung und Professionalisierung der Partei“. Dieser Flügel der FPÖ steht also ganz klar dafür, der Bourgeoisie in der Krise Stabilität zu geben und sich als treue Kraft in ihrem Interesse Vertrauen zu erarbeiten.

Kickl auf der anderen Seite steht viel eher dafür, die Gunst der Stunde – Unzufriedenheit mit den Coronamaßnahmen, Korruptionsskandale der ÖVP etc. – dazu zu nutzen, eine starke potenzielle WählerInnenbasis aufzubauen. Ob er im Zuge dessen den Gang in die Opposition antritt oder trotz des rabiaten Kurses gegen die Kurz-ÖVP trotzdem als Juniorpartner für letztere zur Verfügung steht, ist für ihn zweitrangig. Vielmehr sieht er das Heil der FPÖ wohl wieder in einer kontinuierlichen Stärkung über einige Jahre (und vermutlich auch über die nächsten Wahlen hinaus), wie es die FPÖ schon je einmal unter Jörg Haider und HC Strache vorzeigen konnte – diesmal hingegen aber von einer deutlich stärkeren Ausgangsbasis aus. Unterstützung bekommt er hierbei u. a. von der FPÖ-Parteigröße Andreas Mölzer, der Kickls Oppositionskurs und seine Strategie lobt.

Die Unterschiede auf der äußerlichen Ebene, der PR-Praxis, der Wortwahl und der Schwerpunktsetzung in den Außenauftritten spiegeln aber nicht unbedingt große inhaltliche Differenzen wider. In allen wesentlichen Punkten der rassistisch-nationalistischen Praxis ist man sich großteils einig. Beide Flügel werden, wenn sie in einer Regierung agieren, Sozialabbau betrieben, sind zutiefst rassistisch, sexistisch und alles, was dazugehört. Beide Flügel genießen gute Beziehungen zu den deutschnationalen Burschenschaften usw. Kickl und Hofer stehen primär für eine andere taktische Ausrichtung und weniger für ernsthafte inhaltliche Differenzen.

Kickls FPÖ

Was Kickl aber versuchen wird, ist, die FPÖ klar auf seinen populistischen Kurs auszurichten und vor allem mit radikaler Rhetorik Oppositionspolitik zu betreiben. Je nach Stärke des in den Medien so gerne bezeichneten „gemäßigten“ Flügels – was wie oben analysiert in erster Linie auf die Nähe zu und Akzeptanz der herrschenden Klasse bezogen ist – wird dieser vielleicht an den Rand gedrängt werden, oder, was die viel wahrscheinlichere Variante ist, in der FPÖ wird sich eine interne Arbeitsteilung durchsetzen. Im medialen und politischen Zentrum werden Kickl, die Wiener FPÖ, der Parlamentsklub usw. stehen, der versuchen wird, die ÖVP von rechts vor sich herzutreiben, während in den Bundesländern und Landesregierungen versucht wird, weiterhin eine seriöse Partnerin abzugeben.

Gleichzeitig möchte sich Kickl aber ganz offensichtlich gegenüber der (mittlerweile vergangenen) coronaskeptischen Bewegung auf der Straße öffnen. Auch sein bewusstes Nicht-Abgrenzen von den neofaschistischen Identitären (was Norbert Hofer vor ihm schon getan hatte) ist wohl ein bewusstes Signal an die Kräfte, die im letzten Jahr auch außerparlamentarisch aktiv waren. Nicht zufällig hatten die Identitären auf einem ihrer Transparente, das sie auf Demonstrationen vor sich her trugen, eine bewusste Anspielung auf Herbert Kickl gemacht („Kurz wegkickln“) – und das, als Norbert Hofer noch Parteichef war.

Wenn es also in den kommenden Monaten und Jahren zu einer rechten Straßenbewegung wie 2016 gegen die Geflüchteten an der Grenze in Spielberg oder von Seiten der Corona-SkeptikerInnen kommen wird, dann wird die FPÖ wohl unter Kickl sehr schnell versuchen, auf diesen Zug aufzuspringen. Auf der einen Seite wird das bei solchen Bewegungen zur „Gefahr“ führen, dass sie von der FPÖ vereinnahmt und damit für eine breite Maße unattraktiver werden, auf der anderen Seite aber auch dazu, dass die unterschiedlichen kleinbürgerlichen, verschwörungstheoretischen, rassistischen und auch neofaschistischen Einflüsse stärker in die FPÖ hineinwirken können. Die FPÖ ist unter Kickl wohl mehr von den äußeren Einflüssen abhängig und setzt weniger auf eine attraktive Partnerschaft für eine mögliche Koalition – auch wenn das alles andere als ausgeschlossen bleibt.




Die Freiheitliche Partei Österreichs

Eine marxistische Betrachtung ihres reaktionären Charakters

Alex Zora, Revolutionärer Marxismus 50, November 2018

Mit der Neuauflage der Koalition aus ÖVP (Österreichische Volkspartei) und FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs) tritt Österreich in eine neue Phase des Klassenkampfes ein. Obwohl die FPÖ nach ihrer (für sie) desaströsen Regierungsbeteiligung von 2000–2005 bei den Wahlen 2006 nur noch auf 11 % kam, war das folgende Jahrzehnt für sie von einem nie dagewesenen Aufstieg und von einer Festigung geprägt.

Zwar schaffte es die FPÖ auch schon unter Jörg Haider innerhalb von etwas mehr als einem Jahrzehnt, die beiden traditionellen Großparteien ernsthaft in Bedrängnis zu bringen und 1999 sogar die ÖVP bei den Nationalratswahlen zu überholen, doch im Unterschied zur Ära Haider hat es die FPÖ unter Strache nicht nur geschafft, bei den Wahlen stark aufzusteigen und de facto mit ÖVP und SPÖ gleichzuziehen, sondern sich auch personell zu stärken, ihre Verankerung in Teilen der herrschenden Klasse auszubauen, eine beachtliche StammwählerInnenschaft (bestehend zu relevanten Teilen aus ArbeiterInnen) aufzubauen und den parteiinternen Zusammenhalt (unter Führung der Burschenschafter) zu stärken. Bedeutend ist aber auch die Tatsache, dass die Freiheitlichen vor dem Hintergrund der „Flüchtlingskrise“ und des internationalen Rechtsrucks über eineinhalb Jahre, von Mitte 2015 bis Anfang 2017, in den Umfragen deutlich die stärkste Partei waren. Die FPÖ scheint das Zwei-Parteien-System der II. Republik nachhaltig untergraben zu haben.

Die FPÖ zeigt in der neuen schwarz-blauen Koalition ihr Gesicht nicht mehr, wie im letzten Jahrzehnt, vorwiegend als Oppositionspartei, sondern als staatstragende Juniorpartnerin der ÖVP. Mit ihren geplanten Angriffen auf die gesamte ArbeiterInnenklasse und deren soziale Errungenschaften ist die FPÖ essentiell für die herrschende Klasse in Österreich geworden.

Hierbei hervorzuheben ist vor allem, dass sich die FPÖ vermutlich nicht so sehr wie unter Schwarz-Blau I in ihrer Rolle als Regierungspartei blamieren wird. Ihre tiefere Verankerung (eben auch in Teilen der herrschenden Klasse) und ihre ideologische Vereinheitlichung rund um die rechten Burschenschaften werden sie wohl nicht so schnell abstürzen lassen. In einer aktuellen Periode, die vom verschärften Kampf um die Neuaufteilung der Welt zwischen den imperialistischen Großmächten und einer historischen Krise des Kapitalismus geprägt ist, können solche „Stabilitäten“ aber auch sehr kurzlebig sein. Eine schwere Rezession und/oder Finanz- bzw. Staatskrise kann in kurzer Frist ausbrechen und die EU auseinanderfallen. Das kann ebenso zur Wiederbelebung des ArbeiterInnenwiderstands führen wie zur Entstehung wirklicher faschistischer Massenparteien. Die Lähmung der österreichischen ArbeiterInnenbewegung durch den sozialpartnerschaftlichen Kurs von SPÖ und ÖGB ist nämlich bisher ein Hauptfaktor für den Aufstieg der FPÖ wie für Rassismus, autoritären Rechtsruck und Sozialabbau in Europa gewesen und damit auch für die einstweilige Stabilität dieser Partei.

Von der Kleinpartei zur Haider-FPÖ

Die FPÖ wurde erst 1956 gegründet, vor allem basierend auf ehemaligen NationalsozialistInnen. Die ersten beiden Bundesparteiobmänner waren wichtige Figuren im 3. Reich. Anton Reinthaller, FPÖ-Obmann von 1956–58, war Minister im Anschlusskabinett 1938, SS-Brigadeführer und Träger des Goldenen Parteiabzeichens der NSDAP. Der ehemalige SS-Obersturmbannführer Friedrich Peter stand 20 Jahre (1958–78) an der Spitze der Partei. Jahrzehntelang kam die FPÖ nicht über 7 % bei Nationalratswahlen hinaus. Das änderte sich erst mit Jörg Haider, der die Partei 1986 übernahm und es mit Rassismus und sozialer Rhetorik innerhalb von etwas mehr als einem Jahrzehnt schaffte, die FPÖ mit 27 % in die Regierung zu führen.

Dort zerlegte sich die FPÖ aber größtenteils selbst. Gemeinsam mit der traditionellen, konservativen Partei der österreichischen Bourgeoisie, der ÖVP, setzte sie Sozialabbau und Privatisierungen durch, was letztlich dazu führte, dass sie bei den Neuwahlen 2002 fast zwei Drittel ihrer Stimmen verlor. 2005 kam es dann auch noch zur Spaltung mit dem von Haider geführten BZÖ (Bündnis Zukunft Österreich), was die FPÖ zur Neuaufstellung zwang.

Nach den turbulenten Zeiten der schwarz-blauen Koalition und den desaströsen Abstürzen in diversen Wahlen kehrten nach der Abspaltung des BZÖ erstmals seit längerem wieder relative innerparteiliche Ruhe und Geschlossenheit nach außen in die FPÖ ein. Bei den Wahlen 2006 konnte die FPÖ – entgegen den meisten Umfragen – sogar leicht (auf 11,03 %) zulegen. Der Wahlkampf wurde von Seiten der FPÖ vor allem mit traditionell rassistischen Parolen („Daham [Österreichisch für zuhause] statt Islam“, „Sichere Pensionen statt Asyl-Millionen“) geführt. Unter Strache schaffte sie es, sich relativ erfolgreich von der Zeit der schwarz-blauen Koalition abzugrenzen, und behauptete, innerparteilich „aufgeräumt“ zu haben. Das war zumindest nicht vollkommen erlogen, gingen doch viele der wichtigsten FunktionsträgerInnen zum neugegründeten BZÖ.

Mit Strache stiegen auch neue Größen in der FPÖ auf. Herbert Kickl wurde im April 2005 Generalsekretär und ist heute wichtiger Stratege der FPÖ. Seit 2006 teilt er sich diesen Posten mit Harald Vilimsky. Vilimsky und Kickl sind einige der wenigen blauen Spitzenfunktionäre, die keiner Burschenschaft angehören. Die anderen waren fast ausschließlich Burschenschafter wie der Parteiideologe und lange Jahre führende Mann der FPÖ im EU-Parlament Andreas Mölzer (Corps Vandalia), der Wiener FPÖ-Vizebürgermeister und enge Strache-Vertraute Johann Gudenus (wie Strache in der Vandalia), der langjährige dritte Nationalratspräsident Martin Graf (Burschenschaft Olympia) oder dessen Nachfolger und späterer Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer (Burschenschaft Marko-Germania zu Pinkafeld), oder auch Strache selbst (Pennale Burschenschaft Vandalia).

Nach der Spaltung mit dem BZÖ orientierte sich die FPÖ wieder recht erfolgreich am alten Haider-Modell des Rassismus und der sozialen Demagogie. Erweitert wurde das vor allem um eine anti-muslimische Komponente, die bis dahin nicht so stark im Vordergrund stand. Alte Themen wie Hetze gegen Flüchtlinge und EU-Kritik sowie ein starker Bezug auf den österreichischen Nationalismus sind erhalten geblieben.

Es gelang der FPÖ wieder, in zentrale Teile der ArbeiterInnenklasse vorzudringen, insbesondere in einigen traditionellen Wiener ArbeiterInnenbezirken (Simmering hat seit 2015 eine FPÖ-Bezirksvertretung). Aber auch am Land konnte die FPÖ wichtige Zugewinne verbuchen.

Bei den Nationalratswahlen 2008 konnte sich die FPÖ schon deutlich steigern und erreichte 17,54 %. 2013 gab es erneut einen Zuwachs auf 20,51 % und 2017 auf 25,97 %. Damit gelangte sie in knappe Reichweite der beiden anderen „Großparteien“.

Die FPÖ hat sich über die Jahre stark verändert. Ursprünglich klares Auffangbecken für Alt- und Neonazis, musste sie sich den veränderten politischen Bedingungen des Wirtschaftsaufschwungs und der Nachkriegsordnung anpassen und integrierte sich am rechten Rand in das parlamentarische System in Österreich. Mit Haiders Erfolgsrezept gelang es der FPÖ, sich von einer eher elitären Partei im einstelligen Prozentbereich zu einer ernsthaften Bedrohung für die traditionellen Parteien der II. Republik zu entwickeln, und sie ist nach dem zwischenzeitlichen Absturz Mitte der 2000er Jahre heute wieder in der Bundesregierung. In der Regierungsverantwortung kann es aber wieder zu innerparteilichen Konflikten kommen, deren Ausgang nicht absehbar ist.

Soziale Demagogie im Interesse des Kapitals

Die FPÖ versuchte, sich nach der Übernahme Straches als FPÖ-Chef wieder in die Haider-Tradition der „Sozialen Heimatpartei“ für „die kleinen Leute“ zu stellen. Rhetorik gegen die EU-„Rettungspakete“ für Griechenland sowie gegen MigrantInnen, die angeblich das Sozialsystem ausnützen würden, stand im Mittelpunkt. Als die FPÖ recht bald nach den Wahlen 2013 in den Umfragen stetig dazugewann und ab 2015 längere Zeit sogar recht komfortabel auf dem ersten Umfrageplatz lag sowie die Regierungsverantwortungen in Oberösterreich (mit der ÖVP) und dem Burgenland (mit der SPÖ) übernahm, änderte sich ihr Kurs. Von da an war das Ziel nicht mehr, in erster Linie das Vertrauen von potenziellen WählerInnen aus der „breiten Masse“ zu gewinnen. Vielmehr wollte man sich als „seriöse Regierungspartei“ inszenieren und den Zuspruch der Bourgeoisie erhalten. Die Orientierung einer Mehrheit dieser auf eine schwarz-blaue Regierung hat diese Entwicklung nur noch mehr verstärkt. Konkreter Ausdruck dessen war vor allem das neue Wirtschaftsprogramm der FPÖ, das im August 2017, also kurz vor den Nationalratswahlen, veröffentlicht wurde.

Schon 2016 angekündigt, musste die Veröffentlichung von Anfang des Sommers 2017 auf Ende August verzögert werden. Das weist darauf hin, dass es auch unterschiedliche Herangehensweisen innerhalb der FPÖ gegeben hat. Letztlich präsentiert sich das Programm doch sehr nahe an dem der ÖVP. Teilweise gleichen sich die Forderungen sogar eins zu eins. So wollen sowohl Kurz als auch die FPÖ eine Senkung der Abgabenquote auf 40 %. Beide sprechen sich offen und klar gegen Erbschafts- und Vermögenssteuern aus. Im Sozialbereich soll stärker zwischen ÖsterreicherInnen und MigrantInnen unterschieden werden. Wir wollen beispielhaft zwei Positionen der FPÖ diskutieren, stellen aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Für eine ausführlichere Auseinandersetzung verweisen wir auf das Buch „Die FPÖ – Partei der Reichen“ (1) von Michael Bonvalot.

Bei der Umsetzung der 12-stündigen Tageshöchstarbeitszeit ist die FPÖ vorne dabei. Zwar sprachen sich Strache selbst sowie die „Freiheitlichen Arbeitnehmer“ 2013 noch gegen den 12-Stunden-Tag aus („12-Stunden-Arbeitstag ist Anschlag auf Arbeitnehmer!“), doch seither hat sich die Position deutlich geändert. Gemeinsam mit der ÖVP unter Kurz einigte man sich im Regierungsprogramm darauf, dass der 12-Stunden-Arbeitstag und die 60-Stunden-Woche eingeführt werden sollen. Wieder einmal bewies die FPÖ, dass sie ihre Politik ganz im Sinne der Unternehmen gestaltet.

Privatisierung von staatlichem Eigentum war eines der Hauptanliegen der schwarz-blauen Koalition 2000–06. Der Stahlkonzern VOEST, das Wohnungsunternehmen BUWOG, die Postsparkasse, Austria Tabak, die Telekom und andere wurden privatisiert. Die diese Privatisierungen umgebende Korruption (Telekom, BUWOG) beschäftigt heute noch die bürgerlichen Gerichte. Unter Strache sprach sich die FPÖ nun wieder vermehrt gegen einige diskutierte Privatisierungen aus (so zum Beispiel gegen unpopuläre Privatisierungen von Wasser oder Gemeindebauten). Aber so viel mit dem Schutz staatlichen Eigentums hat die FPÖ dann wieder doch nicht am Hut. Z. B. sprach sich die Tiroler FPÖ 2016 für die (Teil-)Privatisierung aller Landesunternehmen aus. Auch in diversen Programmen der FPÖ finden sich unterschiedlich klare und weniger klare Bekenntnisse zu Privatisierungen (Wirtschaftsprogramm 2010, Parteiprogramm 2005, Handbuch freiheitlicher Politik).

Die FPÖ ist in einem grundlegenden Dilemma befangen. Aus diesem Widerspruch erklärt sich unter anderem die Regierungskrise 2002 sowie bis zu einem gewissen Grad auch die Abspaltung des BZÖ 2005. Auf der einen Seite versuchte sie als Oppositionspartei, neben Teilen des KleinbürgerInnentums die vom Abstieg bedrohten oder schon abgestiegenen Teile der österreichischen ArbeiterInnenklasse sowie vermehrt auch ländliche, konservative Schichten anzusprechen. Auf der anderen Seite ist der Kern der Partei aber bildungsbürgerlich-akademisch und stammt aus klein-, mittel- und teilweise großbürgerlichem Milieu. Sogar Strache, der selbst „nur“ eine Ausbildung zum Zahntechniker gemacht hat, wird hier angeblich teilweise von oben herab belächelt.

Zusätzlich scheint es, als ob die Zustimmung in der Bevölkerung zur FPÖ bei Nationalratswahlen – „optimistisch“ geschätzt – in absehbarer Zukunft nicht über ein gutes Drittel hinausgehen könne. Die FPÖ ist deshalb auf eine Koalition angewiesen, um in die Regierungsverantwortung kommen zu können. Für eine Regierungsbeteiligung ist in erster Linie die direkte Unterstützung durch relevante Teile der österreichischen Bourgeoisie notwendig. Diese hat bekanntlich wenig Interesse an einer sozialen Politik, selbst nur für die „österreichischen“ Teile der ArbeiterInnenklasse auf Kosten von Geflüchteten und anderen.

Die FPÖ steckt somit zu einem gewissen Grad in der Klemme zwischen einer sozialen Demagogie inklusive Rassismus und leerer Versprechungen einerseits sowie der eigenen sozialen Basis im elitären Burschenschaftertum und einer Politik für relevante Teile der österreichischen Bourgeoisie andererseits. In Zeiten der Oppositionstätigkeit lässt sich dieser Widerspruch relativ einfach dadurch ausgleichen, dass man viel versprechen kann und wenig halten muss, doch in Zeiten der Regierungstätigkeit sieht die Sache anders aus.

Das Parteiprogramm stammt aus dem Jahr 2011 und ist eine unangenehme Mischung aus schwammigem Gerede, neoliberalen Einsparstrategien und von hier nach da ehrlichen Eingeständnissen der reaktionären Politik, die man zu durchzuführen gedenkt. Das Programm beruft sich hier abwechselnd auf die Antike, das „Kultur-Christentum“, die „deutsche Sprach-, Kultur- und Geschichtsgemeinschaft“ (die letzte geschichtliche Gemeinschaft des deutschsprachigen Raums scheint da noch recht wach in Erinnerung zu sein) und das Altösterreich deutscher Muttersprache. Die explizite Erwähnung des Deutschtums Österreichs ersetzt hier das „wahrhafte Christentum“, das Jörg Haider als ideologische Grundlage in das letzte Parteiprogramm festschreiben ließ.

Zwischen Deutschtümelei und Österreich-Patriotismus

Das Spannungsverhältnis zwischen dem traditionellen deutschnationalen Flügel der FPÖ und dem christlichen Österreich-Patriotismus Straches ist dennoch nicht zu übersehen. Diese innerparteilichen Widersprüche sind auf die Entstehungsgeschichte der Freiheitlichen selbst zurückzuführen. Die Nazi-Traditionen wurden in den Parteiprogrammen des FPÖ-Vorläufers, dem Verband der Unabhängigen (VdU), gepflegt. So forderte das Ausseer Programm „die Entfaltung des Einzelnen innerhalb der Volksgemeinschaft“ und Österreich wurde als „deutscher Staat“ deklariert, dessen Politik „nie gegen einen anderen deutschen Staat gerichtet sein“ darf. Kein Wunder, dass sich auch im 15-Punkte-Kurzprogramm der damals neu gegründeten FPÖ ein Bekenntnis zur „deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft“ findet. In den 1957 beschlossenen „Richtlinien freiheitlicher Politik“ wird darüber hinaus gemahnt: „Wir haben in den deutschen Österreichern das Bewusstsein wachzuhalten, ein Teil des deutschen Volkes mit allen sich aus dieser Zugehörigkeit ergebenden Rechten und Pflichten zu sein.“

Während die deutschnationale FPÖ bis 1986 nie die 10-%-Marke bei Wahlen überschreiten konnte, brachte Haiders verstärkt einsetzender Österreich-Patriotismus der Partei einen Wahlerfolg nach dem anderen, bis 1999 mit 26,9 Prozent der vorläufige Höhepunkt erreicht werden konnte. Wenngleich der österreichische Rechtsradikalismus und mit ihm die völkischen Burschenschaften vom FPÖ-Aufschwung profitierten, hagelte es trotzdem Kritik nach Haiders 1995 erfolgter (formeller) Absage an die „Deutschtümelei“. Die FPÖ vollzog einen Wandel: Von der ideologisch klar definierten deutschnational ausgerichteten Partei versuchte man nun den Übergang in den rechten Populismus mit Österreich-Patriotismus. Diese Politik verschaffte WählerInnenstimmen und Posten. Den „Schutz unserer Heimat Österreich“ zu fordern und sich gleichzeitig zur „deutschen Volks-, Sprach-, und Kulturgemeinschaft“ zu bekennen, bleibt deshalb im Rahmen des rechten und rechtsradikalen Lagers ein anscheinend miteinander verträglicher Widerspruch, solange der Einfluss in den staatlichen Strukturen gewahrt werden kann. Dieser einstweilen ausgehaltene Widerspruch kann sich z. B. bei einem Zerfall der EU und der möglichen Entstehung eines deutlicher von Deutschland aus geführten Staatenblocks wieder zugunsten eines gesamtdeutschen Nationalismus auflösen. Einstweilen folgt sie jedoch in der Koalition mit der ÖVP deren sich positiv, wenn auch kritisch, zur EU bekennenden Politik.

Zum Nationalsozialismus hat die FPÖ traditionell ein besonderes Verhältnis. Das ergibt sich schon aus ihrer Geschichte als Nachfolgepartei des VdU. Bis zum heutigen Tag hat sie Veränderungen nach links und nach rechts durchgemacht. Aber wie auch immer die Freiheitlichen ausgerichtet waren, in der Partei tummelten sich zu allen Zeiten alte und neue Nazis. Immer wieder kommen Straftaten der Wiederbetätigung von Parteimitgliedern und FunktionärInnen an die Öffentlichkeit oder Zweideutigkeiten, die eine Sympathie zum Nationalsozialismus vermuten lassen. Strache selbst hat Ende der 1980er an Wehrsportübungen der neonazistischen „Volkstreuen Außerparlamentarischen Opposition“ teilgenommen und pflegte Kontakte zu Norbert Burger, Gottfried Küssel (beides Größen im österreichischen Neonazismus) und der Wiking-Jugend. Das macht die FPÖ, wie wir später argumentieren werden, noch nicht zu einer faschistischen Partei, unterscheidet sie aber von „gewöhnlichen“ Parteien im bürgerlich-demokratischen Spektrum.

Eine wichtige Rolle für den Neonazismus spielen die Burschenschaften, die unter der Führung Straches in der Partei außerordentlich gestärkt wurden und de facto die Partei kontrollieren. Diese deutschnationalen Verbindungen haben nämlich historisch die nationalsozialistische Herrschaft begrüßt und sich selbst als Teil dieser Bewegung verstanden. Viele Nazis waren nach dem Untergang ihrer Herrschaft weiterhin in Burschenschaften aktiv und auch heutzutage ist das der Fall. Für Neonazis und radikale Rechte bieten die Verbindungen ein ideales Betätigungsfeld, weil sie nicht nur rechte Ideologien hochhalten, sondern auch sehr geschlossen sind. Deshalb üben sie auch eine „Scharnierfunktion“ zwischen FPÖ und der radikaleren Rechten aus. Am klarsten ist das im Verhältnis FPÖ – Burschenschaften – Identitäre zu sehen. Letztere sind zwar nicht klassisch neonazistisch, aber können als Keim einer faschistischen Bewegung betrachtet werden. Wichtige Führungskader der Identitären wie der Co-„Leiter“ Martin Sellner oder Alexander Markovics (Burschenschaft Olympia) stammen aus Burschenschaften bzw. deren Umfeld. Gleichzeitig gibt es trotz Distanzierungen Überschneidungen von FPÖ-Mitgliedern und Identitären und immer wieder Zusammenarbeit. Aber nicht nur über Burschenschaften existieren Verbindungen zu Neonazis. Die meisten Nazis unterstützen natürlich die FPÖ oder sind selbst Parteimitglieder.

Der dominierende Einfluss der Burschenschaften und deren Existenz innerhalb der bzw. rund um die Parteireihen (insbesondere bei Mobilisierungen wie Wahlkampfkundgebungen) machen die FPÖ zu einer Gefahr, die über die der bürgerlich-demokratischen Repression hinausgehen kann. Ein radikal-rechter bis neonazistischer Einfluss ist vorhanden und selbst die aktuell existierende Führungsriege kann die Ausrichtung der Partei vor dem Hintergrund einer sozialen Zuspitzung weit nach rechts verschieben.

Darüber hinaus erfüllen die Burschenschaften aktuell die Funktion, innerhalb der Regierungskoalition den aggressivsten, vorwärtstreibenden Keil bei der Durchsetzung neoliberaler Sparmaßnahmen, beim Schleifen der obsolet gewordenen sozialpartnerschaftlichen Institutionen und Rituale zu verkörpern. Sie sind das Bindeglied zu den radikalsten Elementen innerhalb der österreichischen Bourgeoisie. Sie versuchen sich auch als Elite, die in der Nachkriegsordnung von den Futtertrögen der Macht weitgehend ausgeschlossen war, in diversen staatlichen und halbstaatlichen Positionen wieder zu installieren.

ArbeiterInnenpartei?

Nichtsdestotrotz wird die FPÖ in den Medien oft als neue ArbeiterInnenpartei dargestellt. Wahr ist, dass sie einigen Umfragen zufolge bei verschiedenen Wahlen, z. B. bei den Nationalratswahlen 2013 und 2017 oder den Bundespräsidentschaftswahlen 2016, von mehr ArbeiterInnen gewählt wurde als die SPÖ. Dabei handelt es sich aber nicht um die ArbeiterInnenklasse im marxistischen Sinn des Wortes, sondern um eine Kategorie im österreichischen Arbeitsrecht. Bei Angestellten und Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die zu großen Teilen auch zur ArbeiterInnenklasse zu zählen sind, schnitt die FPÖ bei weitem schlechter ab. Auch der bedeutende Anteil der Lohnabhängigen, die entweder nicht zu den Wahlen gehen oder keine StaatsbürgerInnenschaft besitzen, ist schwer abzuschätzen und lässt zumindest die Frage offen, ob die FPÖ überhaupt bei der arbeitsrechtlichen Kategorie ArbeiterInnen die Nase vorne hat. Dass die Mehrheit der österreichischen ArbeiterInnenklasse die FPÖ nicht wählt, steht außer Frage.

Mit einer soziologischen Bestimmung der WählerInnenschaft ist natürlich die Frage, ob es sich bei einer Partei um eine ArbeiterInnenpartei handelt, noch lange nicht beantwortet. Jede Partei in entwickelten kapitalistischen Gesellschaften muss ihre WählerInnen zu großen Teilen aus der ArbeiterInnenklasse rekrutieren. Eine ArbeiterInnenpartei kann deshalb nicht einfach nur eine Partei mit mehrheitlich ArbeiterInnen als WählerInnen, sondern sie muss ein Ausdruck der ArbeiterInnenbewegung sein. Das trifft zum Beispiel auf die SPÖ zu, die trotz ihrer bürgerlichen Politik eine spezielle Verbindung zu den Gewerkschaften und der ArbeiterInnenklasse aufrechterhält und von uns deshalb als bürgerliche ArbeiterInnenpartei bezeichnet wird.

Die FPÖ wurde, wie wir weiter oben ausführlicher dargelegt haben, nicht als Partei aus der ArbeiterInnenbewegung gegründet und hatte auch nie den Anspruch, Teil dieser Bewegung zu sein. Vielmehr handelte es sich um eine Gründung aus elitären Teilen des KleinbürgerInnentums und der Bourgeoisie mit dem Anspruch, „das Volk“ zu vertreten. Auch heute noch ist die Mitgliedschaft der FPÖ sehr klein. Sie stützt sich sozial vor allem auf AkademikerInnen, Hoteliers, diverse kleine und mittlere UnternehmerInnen und einige FunktionärInnen bei den staatlichen Repressionsorganen. Mit einer Partei der ArbeiterInnenklasse hat das wenig zu tun. Auch in den gesetzlichen und gewerkschaftlichen Vertretungen der ArbeiterInnenklasse ist die FPÖ (vor allem in Relation zu ihren Wahlergebnissen) sehr schwach. Nur bei staatlichen Repressionsorganen (Polizei, Bundesheer, Justizwache) spielt sie eine größere Rolle.

Auch ihre Politik und ihr Klassenstandpunkt stehen klar auf Seiten der Verteidigung der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse, sind also eindeutig bürgerlich. Gerade die FPÖ in Oberösterreich, die durchaus der ÖVP dort den Rang bei der herrschenden Klasse abzulaufen versucht und dabei anscheinend sogar recht erfolgreich ist, offenbart schon seit einiger Zeit in der Landesregierung, dass sie Politik für die herrschende Klasse macht. Die Bundes-FPÖ wird denselben Weg in der jetzigen Regierung mit der ÖVP gehen. Teile der FPÖ geben die Tatsache, dass sie klar bürgerliche Politik betreiben (wenn auch vermutlich etwas anders gemeint), sogar offen zu. So betonte der Chef der Freiheitlichen Wirtschaft (FW) Matthias Krenn, dass nur eine „bürgerliche Koalition“ (aus ÖVP und FPÖ) „flexible Arbeitszeiten und Betriebsvereinbarungen“ durchsetzen kann.

Das Verhältnis der FPÖ zu den Gewerkschaften war schon immer anders als das der anderen etablierten Parteien der II. Republik. Gegründet wurde der ÖGB von Mitgliedern aus KPÖ, SPÖ und ÖVP. Die FPÖ gab es bei der Gründung auch noch überhaupt nicht. In den ersten Jahrzehnten ihrer Existenz, als die FPÖ ohnehin kaum etwas in der ArbeiterInnenklasse zu sagen hatte, war natürlich ihr Einfluss in den Gewerkschaften verschwindend gering (der VdU war übrigens diesbezüglich bedeutend einflussreicher als die frühe FPÖ). Das hat sich aber auch nicht wirklich stark geändert, als es durch Haider und seine Politik geschafft wurde, erstmals die rückständigen Teile der ArbeiterInnenklasse für sich zu gewinnen (zumindest bei staatlichen Wahlen). Das drückte sich aber nie auch nur ansatzweise proportional in Wahlen bei der Arbeiterkammer oder Betriebsrats- bzw. Personalvertretungswahlen aus. Als Beispiel seien die Wahlen zur Wiener Arbeiterkammer 2014 angeführt, bei denen die „Freiheitlichen Arbeitnehmer“ 9,0 % erhielten. Nur ein Jahr später erhielt die FPÖ hingegen bei den Wiener Gemeinderatswahlen 30,8 %. Das zeigt deutlich, dass der Einfluss der FPÖ in der organisierten ArbeiterInnenbewegung klar hinter ihren Wahlergebnissen zurückliegt.

Das ist zwar paradox, aber auch wieder nicht enorm verwunderlich, tritt doch die FPÖ am stärksten gegen die Institutionen der ArbeiterInnenbewegung und klar gegen die den Gewerkschaften so heilige Sozialpartnerschaft auf. Das macht sie eben auch für die radikaleren Teile des Kapitals so interessant. Die FPÖ tritt eigentlich (auch wenn das für die Koalition mit der ÖVP zurückgestellt werden musste) für eine Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft in den Kammern ein. Immer wieder kritisiert sie die Gewerkschaften heftig und 1998 gründete sie sogar die „Freie Gewerkschaft Österreichs“ als Alternative zum ÖGB, was aber nicht von besonderem Erfolg gekrönt war. Sie ist damit erklärte Gegnerin der organisierten ArbeiterInnenbewegung. Für die österreichische herrschende Klasse ist die FPÖ deshalb besonders nützlich, um gegen die ArbeiterInnenbewegung vorzugehen, auch deshalb, weil es in ihr noch nicht einmal einen sozialpartnerschaftlich ausgerichteten Flügel wie in der ÖVP gibt.

Die klare anti-gewerkschaftliche Haltung der FPÖ ist aber noch lange kein Grund, dass sich die rechtssozialdemokratische Gewerkschaftsführung dieser nicht anbiedert. Beispielhaft dafür ist z. B. der damalige sozialdemokratische ÖGB-Chef Erich Foglar, der mitten in der SPÖ-Diskussion um eine etwaige Koalition mit ihr meinte, dass man „nicht jede Regierungszusammenarbeit mit der FPÖ von vornherein ausschließen“ könne. Aber auch der sozialdemokratische Chef der Gewerkschaft Bau-Holz fordert schon seit langem eine Öffnung seiner Partei hin zu dieser. Argumentiert wird diese Position zumeist damit, dass soziale Politik zu oft an der Koalitionspartnerin ÖVP scheitern würde und man mit der FPÖ (zumindest für ÖsterreicherInnen) eine bessere betreiben könne. Dabei lässt sich dieser Flügel der Gewerkschaften wohl allzu sehr von der sozialen Rhetorik der FPÖ verwirren (ihre aktuelle Regierungspolitik zeigt klar das Gegenteil) und führt uns vor Augen, dass der sozialdemokratische Opportunismus offensichtlich nicht mal mehr vor einem Bündnis mit der FPÖ zurückschreckt.

Dabei repräsentiert die FPÖ einen radikalen Bruch mit der österreichischen Nachkriegsordnung. Deren zentrales Element war dabei die institutionalisierte Klassenkollaboration zwischen den Hauptorganisationen der ArbeiterInnenbewegung (SPÖ und Gewerkschaften, anfangs auch der KPÖ) und der österreichischen Bourgeoisie – die Sozialpartnerschaft. Die FPÖ bzw. der VdU waren von Anfang an davon ausgeschlossen. Die Sozialpartnerschaft war für die österreichische Bourgeoisie, die nach dem 2. Weltkrieg zunächst keinen eigenen Staatsapparat besaß und als herrschende Klasse ausgesprochen schwach war, während die ArbeiterInnenbewegung überaus stark war, notwendig, um den Kapitalismus in Österreich zu erhalten und auszubauen. Es war essentiell für die österreichische Bourgeoisie, einen strategischen Kompromiss mit der ArbeiterInnenbewegung zu schließen, deren sozialdemokratische Führung diesen bereitwillig annahm. Dies drückte sich unter anderem in den das Lohn- und Preisniveau regelnden Lohn- und Preisabkommen in den ersten Jahren nach 1945, der verstaatlichten Industrie, der gesetzlichen Kammervertretung oder der proporzmäßigen Vergabe von öffentlichen Ämtern aus.

In der heutigen äußerst unterschiedlichen Situation ist dieser strategische Klassenkompromiss nicht mehr notwendig und die Mehrheit der österreichischen Bourgeoisie wittert ihre Chance, ihn zentraler angreifen zu können als jemals zuvor. Zwar wurde die Sozialpartnerschaft über die Jahrzehnte deutlich geschwächt – insbesondere während Schwarz-Blau 2000–2006 wurden ihr harte Schläge zugefügt – doch noch immer sind wesentliche Mechanismen der Sozialpartnerschaft nicht abgeschafft. Dabei ist die FPÖ wesentliche Partnerin der Kurz-ÖVP. Beide wollen gemeinsam dieses Ziel in Angriff nehmen. Deshalb können wir auch von dieser Koalition durchaus den Versuch erwarten, das Projekt von Schwarz-Blau I und II abzuschließen und mit dem System der Sozialpartnerschaft – und dabei vor allem der immer noch starken Rolle der Gewerkschaften und des Kollektivvertragssystems – Schluss zu machen.

Einen anderen wesentlichen Angriffspunkt wird dabei neben den erwähnten Gewerkschaften und Kollektivverträgen vermutlich auch die sozialdemokratisch geführte Wiener Stadtregierung darstellen. Dabei ist nicht unwahrscheinlich, dass die schwarz-blaue Bundesregierung sie auf mehreren Ebenen angreifen wird. Auf der einen Seite wird vermutlich versucht werden, sie finanziell schlechterzustellen. Auf der anderen Seite wird es vermutlich auch vor den Gemeinderatswahlen 2020 eine gemeinsame Kampagne von FPÖ und ÖVP gegen die rot-grüne Wiener Stadtregierung geben mit dem Ziel, zusammen die rot-grüne Mehrheit in Wien zu brechen.

Die traditionelle Partei der herrschenden Klasse in Österreich ist die ÖVP. Seit mehr als einem Jahrhundert vertritt sie die Interessen des österreichischen Kapitals. Die Verquickung ist eng und über die Jahrzehnte gut gewachsen. In den diversen Regierungen der Ersten und Zweiten Republik (in denen die ÖVP aktuell seit über 30 Jahren durchgehend vertreten ist) war sie die klare Repräsentantin der Mehrheitsfraktion der österreichischen Bourgeoisie mit etwas Einfluss von großbäuerlichen Schichten. Die FPÖ war lange Zeit eine sehr kleine Minderheit sowohl im Parlament als auch in der Bourgeoisie. Nur ein sehr kleiner Teil der österreichischen KapitalistInnenklasse stand hinter der FPÖ. In der Hochphase der sozialpartnerschaftlichen Klassenkollaboration vertrat sie mit ihrem wirtschaftsliberalen Kurs klar eine Minderheitsposition innerhalb des österreichischen Kapitals.

Erst mit ihrem Aufstieg unter Haider und dem zunehmenden Austritt Österreichs aus der sozialpartnerschaftlichen Nachkriegsordnung schaffte es die FPÖ, relevantere Teile der herrschenden Klasse für sich zu gewinnen. Beispielhaft hierfür ist der Papierindustrielle Thomas Prinzhorn, der ab Ende der 1990er Jahre wichtige Ämter in der FPÖ bekleidete. Mit der Regierungsbeteiligung ab 2000 wurde aber auch recht schnell klar, dass die FPÖ noch immer eine klare Minderheitsposition innerhalb der österreichischen Bourgeoisie vertritt. Sie geriet gegenüber der ÖVP und derem Kurs deutlich unter die Räder. Es wurde auch offensichtlich, dass die FPÖ wenige fähige FunktionärInnen stellen konnte – ein weiteres Indiz dafür, dass die herrschende Klasse und ihr intellektueller Anhang nicht in Strömen zur FPÖ abwanderten, sondern der ÖVP treu blieben.

Nach dem Wiederaufbau der Partei unter Strache begann auch das Interesse von Teilen der herrschenden Klasse an der FPÖ wieder mehr zu erstarken. Der EU-kritische Kurs ist klarer Ausdruck der Interessen von etwas kleineren und international weniger wettbewerbsfähigen Teilen des österreichischen Kapitals, die sich hinter der FPÖ versammeln. Die international orientierten Teile des Kapitals (insbesondere die österreichischen Banken) bleiben aufs Engste mit der ÖVP verbunden. Nachdem die österreichische Bourgeoisie unzufrieden wurde mit der Politik der ÖVP in der Regierung und dem „Reformstau“ der Großen Koalition und Kurz noch nicht als neuer Heilsbringer installiert wurde, erfuhr die FPÖ sogar noch größeren Zuspruch, auch befördert durch die sogenannte „Flüchtlingskrise“. Doch recht bald wurde klar, dass sich die Mehrheitsfraktion der österreichischen Bourgeoisie doch sehr zufrieden gibt mit einer FPÖ als Juniorpartnerin in der Regierung anstatt im Kanzleramt selbst. Zu unsicher sind doch ihr EU-Kurs und der interne Einfluss von Deutschnationalen und FaschistInnen.

Zumindest in Oberösterreich hingegen ist die FPÖ teilweise durchaus fähig, eine reale Konkurrenz für die ÖVP als Hauptpartei der herrschenden Klasse darzustellen. Nicht zufällig kommen von dort zumeist die neoliberalen Forderungen und der unternehmensfreundliche Kurs. Beispielhaft hierfür ist der Geschäftsführer der Industriellenvereinigung (IV) Oberösterreichs, Joachim Haindl-Grutsch, der in FPÖ-Publikationen zu Wort kommt und eine gute Beziehung zum FPOÖ-Chef Haimbuchner unterhält. Die IV in Oberösterreich ist laut „Presse“ sogar „schon komplett [in Richtung FPÖ] gekippt“. Ob sich diese Wende der oberösterreichischen Bourgeoisie in der Zeit von Kurz weiter fortsetzt, der so deutlich wie selten in den letzten Jahren die österreichische Bourgeoisie vereinigen konnte, ist aber fraglich.

Trotz der Tatsache, dass Kurz die wichtigsten Teile der österreichischen KapitalistInnenklasse hinter sich und seinem Projekt der schwarz-blauen Koalition versammeln kann, ist die FPÖ nicht einfach nur ein Werkzeug der österreichischen herrschenden Klasse, sondern die Partei einer (deutlichen) Minderheit der österreichischen Bourgeoisie. Sie vertritt vor allem die international weniger wettbewerbsfähigen und national orientierten Teile des Kapitals und tendenziell mehr Industrie- als Bankkapital. Diese Tatsache scheint heute sogar noch etwas ausgeprägter als in der Ära Haider, weshalb ein ganz so schnelles Einbrechen der FPÖ durch ihre Regierungsbeteiligung (auch wenn es ihre Popularität vermutlich nicht steigern wird) wie nach 2000 wohl eher weniger vorstellbar ist. Dafür spricht auch die Tatsache, dass die FPÖ sich schon eine gewisse KernwählerInnenschaft (zu nicht unwesentlichen Teilen auch im konservativeren ländlichen Bereich) aufgebaut hat.

Was ist die FPÖ und wie kann man sie bekämpfen?

Wenn man sich die Positionen der meisten bürgerlichen Institutionen ansieht, die sich mit der FPÖ kritisch auseinandersetzen (Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands, Stoppt die Rechten, …), sind sich diese einig, sie als rechtsextrem zu bezeichnen. Dabei beziehen sie sich in erster Linie auf die Rechtsextremismus-Definition von Willibald Holzer. Diese fußt auf fünf Grundelementen der rechtsextremen Ideologie: Antiindividualismus und Antiliberalismus, Antipluralismus und Ausgrenzung von Minderheiten und Fremden, Volk und Volksgemeinschaft, dem autoritären Führerstaat sowie Ethnopluralismus.

Auch die Sozialistische Jugend (SJ) hat eine sehr ähnliche Definition. Sie bezeichnet die FPÖ als „zentrales Netzwerk des österreichischen Rechtsextremismus“ und orientiert sich ebenfalls in ihrer Rechtsextremismus-Definition an der von Willibald Holzer. Ähnlich wie dessen Definition trägt die der SJ den Charakter einer Checkliste. Hier wird nicht versucht, das Bestimmende der gesellschaftlichen Erscheinung herauszuarbeiten, sondern stattdessen einige geeignete Merkmale zu finden, mithilfe derer die eine politische Form von der anderen abgegrenzt werden kann. Dass unter die Kategorie „rechtsextrem“ sowohl faschistische als auch rechtskonservative Parteien fallen, zeigt, wie unbefriedigend und ungenau dieser Zugang ist. Vor allem geht durch diese Methode aber eine Erklärung aus dem realen gesellschaftlichen Zusammenhang verloren. In der bürgerlichen Ideologie ist das nicht verwunderlich. Immerhin spart sie den Blick auf die Verhältnisse zwischen den Klassen aus, mittels dessen MarxistInnen die gesellschaftlichen Erscheinungen erklären. Dementsprechend sucht sie die Bestimmungsmerkmale selbst wieder auf der (die realen gesellschaftlichen Verhältnisse verschleiernden) ideologischen Ebene. Hier findet man dann in der Regel auch die vermeintliche Lösung des Problems in aufklärerischer Ideologie, so als ob die zerstörerischen Dynamiken des Kapitalismus, ohne die beispielsweise der Nationalsozialismus nie hätte groß werden können, damit beseitigt würden. Die SJ hingegen stellt einen marxistischen Eigenanspruch. Ihre Methode in der Charakterisierung von Parteien zeigt uns an dieser Stelle nur noch einmal, dass sie diesen Anspruch nicht sonderlich ernst nimmt.

Vom rechten Flügel der Sozialdemokratie ist man hingegen eher eine Verharmlosung der FPÖ gewohnt. Mit dem Argument, dass man eine gewählte Partei nicht ausschließen dürfe und man ohnehin angesichts der eigenen stetigen Rechtsentwicklung nun viele Schnittmengen mit der FPÖ aufweise, wurde z. B. im Burgenland eine Koalition mit der FPÖ auf Landesebene eingegangen. Große Teile der Sozialdemokratie strebten dann auch eine mögliche Koalition mit der FPÖ nach den Nationalratswahlen 2017 an. Ihre Wahlniederlage aber rettete sie vor den großen innerparteilichen Zerwürfnissen in Anbetracht dieser Entscheidung. Auch von gewissen Teilen der Zivilgesellschaft oder manchen Grünen hört man immer wieder das Argument, dass, wenn die FPÖ nur an der Regierung wäre, sie in den Augen der Menschen quasi von alleine abwirtschaften würde. Das ist aber aus weiter oben genannten Gründen, vor allem aber auch dem globalen und insbesondere europäischen Rechtsruck geschuldet, eher unwahrscheinlich und man lädt damit den offenen Rassismus zur Tafel ein.

Oft genug werden führende FPÖ-PolitikerInnen als FaschistInnen oder Nazis bezeichnet – weniger aus wissenschaftlicher Überzeugung, sondern mehr aus emotionaler Empörung. Es ist zwar korrekt, dass manche FPÖ-PolitikerInnen durchaus als FaschistInnen zu bezeichnen sind. Außerdem bestehen sehr gute Verbindungen zu verschiedenen faschistischen und neonazistischen Gruppierungen und Einzelpersonen. Gerade die Burschenschaften dienen hierzu als wichtiges Bindeglied. Aber daraus den faschistischen Charakter der FPÖ selbst abzuleiten, ist noch einmal etwas anderes.

Die einzige linke Organisation, die die FPÖ ernsthaft als faschistisch bezeichnet, ist die Linkswende. Dabei stützt sie sich vor allem auf die Geschichte und die Verbindungen der FPÖ zu diversen faschistischen Gruppen und deren Gedankengut sowie ihre Vergangenheit als Sammelbecken für ehemalige Neonazis nach dem Zweiten Weltkrieg:

„Wir nennen die FPÖ faschistisch, weil das eine politische Notwendigkeit in einer politischen Auseinandersetzung zwischen uns und der FPÖ ist. Es greift politisch zu kurz, sie nur rechtsextrem oder rechtspopulistisch zu nennen.“ (2)

Modernen faschistischen Parteien werden von Seiten der Linkswende einige wichtige Charakteristika zugeschrieben, aber: „Das hervorragende Merkmal von Faschismus – im Unterschied zu traditionellen diktatorischen Bewegungen – ist seine Fähigkeit, als Freund der Massen aufzutreten, während er gleichzeitig eine Politik verfolgt, die den Interessen der „kleinen Leute“ entgegengesetzt ist.“ (3) Das ist schlichtweg falsch. Ob eine diktatorische Bewegung als Freundin der Massen auftreten kann oder nicht, mag Einfluss auf ihren Erfolg haben, ist aber nicht das ausschlaggebende Merkmal des Faschismus. Weiters meint Linkswende: „Die Klassenbasis von Faschismus ist ebenfalls entscheidend. Sie versuchen, Verzweiflung und den Zorn der kleinbürgerlichen Klasse zu kanalisieren und den von Arbeiterinnen und Arbeitern, die sich nicht innerhalb der Gewerkschaftsbewegung organisieren können.“ (4)

Hier wird klar, dass die Linkswende durchaus versucht, Anleihen bei der trotzkistischen Faschismusanalyse zu nehmen, aber doch eigentlich nichts davon verstanden hat. „Der Faschismus ist ein spezifisches Mittel, das Kleinbürgertum im sozialen Interesse des Finanzkapitals zu mobilisieren und zu organisieren.“ (5)

Lassen wir also Trotzki genauer zu Wort kommen, um den Charakter des Faschismus vom Standpunkt des Marxismus aus genau zu bestimmen: „Die Reihe ist ans faschistische Regime gekommen, sobald die >>normalen<< militärisch-polizeilichen Mittel der bürgerlichen Diktatur mitsamt ihrer parlamentarischen Hülle für die Gleichgewichtserhaltung der Gesellschaft nicht mehr ausreichen. Durch die faschistische Agentur setzt das Kapital die Massen des verdummten Kleinbürgertums in Bewegung, die Banden deklassierter, demoralisierter Lumpenproletarier und all die zahllosen Menschenexistenzen, die das gleiche Finanzkapital in Verzweiflung und Elend gestürzt hat. […] Die Faschisierung des Staats bedeutet […] vor allem und hauptsächlich die Zertrümmerung der Arbeiterorganisationen, Zurückwerfung des Proletariats in amorphen Zustand, Schaffung eines Systems tief in die Massen dringender Organe, die eine selbständige Kristallisation des Proletariats unterbinden sollen. Darin besteht das Wesen des faschistischen Regimes.“ (6)

Für Trotzki ist das hervorragende Merkmal des Faschismus also die Zerschlagung der organisierten ArbeiterInnenbewegung durch die Mobilisierung des KleinbürgerInnentums sowie deklassierter und reaktionärer Bevölkerungsschichten. Das wird in einer zugespitzten Klassenkonfrontation zur Notwendigkeit, wenn die Stärke der ArbeiterInnenbewegung die herrschende Klasse an der Durchsetzung ihrer Klasseninteressen hindern kann, diese Herrschaft aber gleichzeitig nicht zu beseitigen wagt.

Mittlerweile dürfte der Linkswende allerdings aufgefallen sein, dass ihre eigene Definition des Faschismus auf die FPÖ gar nicht anwendbar ist, handelt es sich bei der FPÖ ja gar nicht um eine „diktatorische Bewegung“. Somit sah sie sich wohl gezwungen, ihre Position zu modifizieren und die FPÖ nun als „im Kern faschistische Partei“ zu charakterisieren, wenngleich ihr theoretischer „Fortschritt“ keinen Unterschied in ihrer Agitation gegen die FPÖ macht. Werfen wir also einen Blick auf die neue Argumentation:

„Die gängigen Definitionen, was Faschismus ausmacht, greifen in ‚Friedenszeiten‘ einfach nicht, da die bestimmenden Eigenschaften erst in Zeiten tiefer sozialer und politischer Krisen zutage drängen. Alle ernsthaften Faschismus-Definitionen beschreiben ein Phänomen, das sich in Zeiten einer scheinbar ausweglosen und sehr tiefen wirtschaftlichen Krise entwickelt hat. […] Wir haben viele gute Gründe kennengelernt, die FPÖ eine im Kern faschistische Partei zu nennen. Die deutschnationalen Burschenschaften, die sich von den ideologischen Denkmustern des Nationalsozialismus nie wirklich gelöst haben, bilden den Kern der Partei […].“ (7)

Die FPÖ ist demnach faschistisch, nicht weil sie der marxistischen Auffassung von Faschismus entspricht, sondern weil sich die deutschnationalen Burschenschaften nie wirklich von den „ideologischen Denkmustern“ (!) des Nationalsozialismus gelöst haben. Offenbar sind aber nicht einmal die Burschenschaften nationalsozialistisch, faschistisch.

Die FPÖ hat in der Tat gerade über die Burschenschaften Verbindungen zu rechtsradikalen und faschistischen Kräften, z. B. zu den (proto-)faschistischen Identitären, und solche Strömungen existieren sogar in der Partei selbst. Aber die FPÖ organisiert keine/n ihrer 1,3 Millionen WählerInnen in diese Richtung und nicht einmal ihre Mitgliedschaft. Die FPÖ ist noch dazu eine sehr elitäre Partei, die (im Vergleich zu den beiden anderen Großparteien) mit 60.000 Mitgliedern sehr klein ist und keine relevanten Basisorganisationen hat. Darüber hinaus greift sie abseits von Wahlkampfveranstaltungen fast nie zur Mobilisierung des KleinbürgerInnentums, der reaktionären Mittelschichten usw. und wenn, dann nicht gegen die organisierte ArbeiterInnenbewegung. Vielmehr versucht sich die FPÖ im Rahmen der bürgerlichen Demokratie zu bewegen und ihr einen autoritäreren Charakter zu geben, ähnlich wie die rechten Regierungen in Ungarn und Polen.

Einher mit der Analyse der Linkswende geht auch die Forderung, dass die anderen „antifaschistischen“ Parteien die FPÖ aus dem „normalen“ bürgerlichen Politikbetrieb ausschließen sollten (bspw. Boykott ihrer Reden in Landtagen und Nationalrat, Verweigerung der öffentlichen Diskussion mit der FPÖ, internationale diplomatische Ächtung der schwarz-blauen Regierung etc.):

„Sie [die FPÖ] darf bei Wahlen teilnehmen und Abgeordnete im Parlament und den anderen demokratischen Körperschaften stellen. Wir finden: das darf nicht so sein. Sie sollte weder eine legale Partei bilden dürfen noch als legitimer Gesprächs- oder Regierungspartner behandelt werden. […] Es ist zentral, die FPÖ nicht als eine demokratische Kraft zu akzeptieren, denn sie spuckt auf die Demokratie. Wir wollen, dass Strache nicht im Fernsehen auftreten kann und dort als ernstzunehmender Gesprächspartner in Diskussionsrunden behandelt wird. Es wäre phantastisch, wenn im Parlament und in den Landtagen jedes Mal, wenn ein FPÖ-Politiker ans Rednerpult geht, alle sozialdemokratischen und anderen antifaschistischen Abgeordneten den Raum verlassen würden. Noch besser wäre es, wenn der FPÖ der Fraktionsstatus entzögen würde.“ (8)

Die Linkswende appelliert also an bürgerlich-demokratische Kräfte, doch ihre Mauschelei mit der FPÖ zu beenden. Das ist nicht nur utopisch, sondern bestärkt auch Illusionen in diese, die in entscheidenden Momenten der Geschichte immer den Faschismus den demokratischen Rechten der ArbeiterInnenklasse vorgezogen haben, zumal die wenigsten bürgerlichen Parteien die FPÖ als faschistisch charakterisieren. Dennoch, mit dieser (teilweisen) Übertragung des vermeintlichen „Antifaschismus“ von der ArbeiterInnenklasse auf die Bourgeoisie wird zeitgleich eine unabhängige proletarische Politik untergraben. Im schlimmsten Fall wird sogar im Namen des Antifaschismus der bürgerliche Repressionsapparat gestärkt, der im nächsten Augenblick danach strebt, der ArbeiterInnenklasse das Genick zu brechen.

Bei der Linkswende sehen wir eine typische Kombination aus Sektierertum und Opportunismus. Sie negiert den besonderen, terroristischen Massencharakter der faschistischen Bürgerkriegspartei und zieht nebensächliche Details zur Bekräftigung ihres Urteils heran. So „radikal“, wie die KPD vor 1933 die SPD zum „Zwilling des Faschismus“ umtaufte, so „ultralinks“ zeichnet die Linkswende die faschistische Gefahr in Österreich heute: mit der FPÖ sitzt eine faschistische Partei an der Regierung! Wie so oft ist auch hier der Opportunismus die Kehrseite der „radikalen“ Medaille! War es bei der Komintern ab 1935 die Volksfrontpolitik, so das Möchtegernbündnis der Linkswende mit den Parteien der bürgerlichen Demokratie gegen die „faschistische“ FPÖ heute, das auch deren Koalitionspartnerin ÖVP umfassen soll.

Wir möchten die Gefahr der FPÖ keineswegs herunterspielen. Wir möchten aber auch nicht den Faschismus verharmlosen, der ein qualitativ anderes Phänomen darstellt. Es ist daher wichtig, die gegenwärtigen Gefahren richtig einzuschätzen, auch um klarer zu bestimmen, was sich zukünftig noch entwickeln kann. Was ist also die FPÖ für eine Partei? Wie soll man sie genau charakterisieren?

Wir haben schon an einer anderen Stelle und in der gleichnamigen Broschüre (9) argumentiert, dass die FPÖ eine bürgerliche Partei ist, weil sie die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse verteidigt. Diese allgemeine Charakterisierung ist aber keineswegs ausreichend, trifft sie doch auch auf die SPÖ zu (genau genommen bezeichnen wir letztere, wie schon weiter oben angeführt, als bürgerliche ArbeiterInnenpartei). Dennoch sind diese beiden Parteien sehr unterschiedlich. Wir haben gezeigt, dass sich die FPÖ in den letzten Jahrzehnten im bürgerlich-parlamentarischen Rahmen bewegt hat und aktuell nicht die Zerschlagung der organisierten ArbeiterInnenbewegung und keine kleinbürgerliche Massenbewegung zum Ziel hat, demnach auch keine (bürgerliche) faschistische Partei ist. Auch haben wir argumentiert, dass sich der Begriff „rechtsextrem“ allein nicht für eine marxistische Charakterisierung eignet. Was macht die FPÖ also besonders aus gegenüber anderen bürgerlich-demokratischen Parteien wie ÖVP oder NEOS?

Die FPÖ repräsentiert eine schwächere und national ausgerichtete Fraktion des österreichischen Kapitals, tendenziell weniger das Bank- als das Industriekapital. Sie ist nicht die Hauptpartei der österreichischen Bourgeoisie, aber vertritt eine relevante Minderheit. Sie ist rassistisch, frauenfeindlich, homo- und transphob und noch vieles mehr. Der Rassismus ist ein zentrales Element ihrer sozialen Demagogie, mit der sie auch in breite Schichten der ArbeiterInnenklasse einbrechen kann. In ihr und in ihrem Umfeld, gerade in den unzähligen deutschnationalen Burschenschaften und Verbindungen, tummeln sich diverse faschistische Personen und Gruppen oder solche mit faschistischen Überzeugungen, teilweise bis in die oberen Führungsriegen. Die FPÖ repräsentiert einen Bruch mit der österreichischen Nachkriegsordnung. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren bürgerlichen Kräfte wegen ihrer Schwäche gezwungen, sich auf einen historischen Kompromiss mit der Sozialdemokratie zu einigen, und diese stellte sich bereitwillig als Verwalterin des Kapitalismus zur Verfügung. Die Sozialpartnerschaft als institutionalisierte Klassenzusammenarbeit ist Sinnbild dieses Kompromisses. Die FPÖ stellt die klarste Alternative zu diesem System dar und das macht sie gerade für relevante Teile des Kapitals attraktiv. Im gegenwärtigen Stadium dient sie deshalb der politischen Hauptfraktion der Bourgeoisie als Stütze zur uneingeschränkten Umsetzung ihrer politischen Agenda.

Die FPÖ ist keineswegs eine gewöhnliche oder gar „harmlose“ bürgerliche Partei. Gerade ihr nationalistischer und rassistischer Einfluss auf relevante Teile der österreichischen ArbeiterInnenklasse machen sie zu einem ernsthaften Hindernis für die Herausbildung eines proletarischen Klassenbewusstseins und sogar zu einer bedeutenden Gefahr für die österreichische ArbeiterInnenbewegung selbst. Diese Gefahr wird noch einmal durch die Verbindungen in die radikale und faschistische Rechte hinein, insbesondere über die einflussreichen Burschenschaften, verschärft und kann sich gegenüber sozial unterdrückten Gruppen (z. B. Geflüchteten, Homosexuellen etc.) und Linken sogar physisch äußern. Noch dazu sind diese Verbindungen keineswegs Randerscheinungen, sondern ziehen sich bis in die oberen Parteikreise und werden bis zu einem gewissen Grad bewusst toleriert.

Wir gehen hingegen nicht davon aus, dass sich die FPÖ ohne turbulente gesellschaftliche Entwicklungen und parteiinterne Konflikte zu einer faschistischen Partei entwickeln kann. An der Regierungsmacht angekommen, kann sie sich nicht einfach die Maske vom Gesicht reißen und ihre bis dahin geheime, „wahre“ faschistische Gesinnung offenbaren, wie das von manchen Linken befürchtet wird. Wie Strache und Co. tatsächlich über den Nationalsozialismus denken, ist zwar nicht irrelevant, bestimmt aber keineswegs, was die FPÖ für eine Partei ist. Wir halten es aber für möglich und betonen die Gefahr, dass sich die FPÖ unter den Bedingungen einer scharfen gesellschaftlichen Krise mit einer Reihe von Umbrüchen und Umstrukturierungen zu einer starken faschistischen Partei entwickeln kann. Außerdem wird sich eine faschistische Kraft mit Masseneinfluss in Österreich mit hoher Wahrscheinlichkeit aus oder in Überschneidung mit der FPÖ herausbilden.

Unabhängig davon ist in der FPÖ eine Tendenz zum Bonapartismus angelegt. Damit meinen wir konkret einen Hang zu einer autoritären, wenn auch formell „demokratischen“ Herrschaft (z. B. über von oben angesetzte Volksabstimmungen bei gleichzeitig starker Überwachung und Repression, eingeschränkte Versammlungsrechte, Ausweitung staatlicher Überwachung usw.), die im Namen der Nation die Widersprüche zwischen Kapital und Arbeit oder aber auch zwischen Faschismus und Demokratie zu konservieren sucht. Dabei hat die FPÖ keineswegs das Monopol auf den proto-bonapartistischen Umbau der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie gepachtet, wenn man sich Kurz’ Maßnahmen zur autoritären Umgestaltung seiner eigenen konservativen Partei anschaut.

Fassen wir unsere Analyse also in einer Charakterisierung zusammen: Die FPÖ ist eine rechtsnationalistische und rechtspopulistische bürgerliche Partei im Rahmen der bürgerlichen Demokratie mit ausgeprägten Verbindungen bis ins rechtsradikale und faschistische Spektrum hinein, die ihre soziale Basis im KleinbürgerInnentum und im national beschränkten, rückständigen Kapital hat und sich mittels rassistischer Demagogie der Unterstützung rückschrittlicher Teile der ArbeiterInnenklasse bedient.

Wie kann die FPÖ geschlagen werden?

Zuallererst muss der Kampf gegen die FPÖ selbst als Teil des allgemeinen Klassenkampfs verstanden werden. Ihr Aufstieg ist Ausdruck eines verschobenen politischen Verhältnisses zwischen den Klassen auf dem Boden der II. Republik. Der Kampf gegen die FPÖ ist aber mehr als einfach nur das: Er ist ein integraler Bestandteil im Kampf für die Einheit der ArbeiterInnenklasse gegen Sozialabbau, Faschismus und für die Verteidigung gewerkschaftlicher Organisierung sowie den Schutz demokratischer Rechte.

Oftmals wird betont, dass man den Rassismus nur bekämpfen könne, wenn man die soziale Frage aufgreife, d. h. einen Kampf für soziale Verbesserungen führt. Das ist zweifelsfrei richtig. Allerdings ist auch das Umgekehrte wahr, denn der Kampf für soziale Verbesserungen kann nur ernsthaft geführt werden, wenn die ArbeiterInnenklasse als Klasse im eigentlichen Sinn in Aktion tritt und ihre rassistische Spaltung dafür überwindet. Antirassismus und die soziale Frage sind eng miteinander verknüpft und wird der Kampf auf diesen Feldern nicht als allgemeiner Klassenkampf geführt, sondern werden diese voneinander getrennt, dann führt er unweigerlich in eine Sackgasse.

Eine Frage im Kampf gegen die FPÖ ist die der physischen Konfrontation. Die österreichische Linke hat eine lange Tradition, gegen Wahlkampfveranstaltungen der FPÖ oder gegen rassistische Demonstrationen mit FPÖ-Beteiligung aufzutreten. Wir befürworten es, die FPÖ politisch zu konfrontieren, wo sie auf die Straße mobilisiert. Zum einen geht es darum, gegen rassistische Hetze aufzutreten, dafür zu sorgen, dass diese nicht unwidersprochen und unkonfrontiert verbreitet werden kann. Zum anderen geht es um den Schutz von MigrantInnen und Linken gegen übergriffige RassistInnen und faschistische Banden, die sich gerne im Umfeld von FPÖ-Veranstaltungen herumtreiben. Im erweiterten Sinn geht es auch darum, eine entstehende faschistische Bewegung in Verbindung mit der FPÖ im Keim zu ersticken. Bei der FPÖ handelt es sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings nicht um eine faschistische Partei, weshalb der Kampf gegen sie auch keiner ist, der insbesondere auf der Straße geführt wird. Das gilt umso mehr, als sie nun Teil der Regierung ist und vor allem ihre Politik über den Staat auszuüben versucht.

Die Aufgaben des Kampfes gegen die FPÖ haben sich, seit sie an der Regierung ist, verschoben. Sie ist jetzt nicht mehr eine Gefahr aus der Opposition, die die große Koalition nach rechts treibt, sondern sie ist an den Schalthebeln der Macht angekommen. Die unmittelbaren und größten Gefahren, die derzeit von ihr ausgehen, sind die Angriffe, die sie in Form der Regierungspolitik verübt. Gemeinsam mit der Kurz-ÖVP will sie der österreichischen ArbeiterInnenklasse wesentliche Errungenschaften wegnehmen. Der Kampf gegen die FPÖ ist deshalb aktuell vor allem ein Kampf gegen die Regierung und ihre Politik des Rassismus und Sozialabbaus. Dabei sollten MarxistInnen in der Regierung aus FPÖ und ÖVP zuallererst einen gemeinsamen reaktionären Block sehen. Die ÖVP (die sich unter Kurz selbst politisch stark an die FPÖ angenähert hat) ist in dieser Konstellation nicht weniger schlimm als die FPÖ und Appelle an die ÖVP, doch die Koalition mit der FPÖ wegen deren Nazi-Verbindungen zu brechen, sind nichts anderes als bürgerlich-liberale Floskeln. Diese führen nicht nur in eine Sackgasse, sondern unterstellen der Kurz-ÖVP auch, dass sie als Verbündete gegen den Rechts-Populismus fungieren könne und gegenüber der FPÖ ein kleineres bürgerliches Übel darstellen würde. Die ÖVP weiß genau, mit welch einer Partei sie sich in der Regierung befindet, und hat nicht nur keinerlei Problem damit – sie ging diese Zusammenarbeit gezielt für ihre eigenen Zwecke ein! In der Regierung stehen sie zusammen gegen die ArbeiterInnenbewegung Österreichs und sind als gemeinsamer Feind zu behandeln. Die neue schwarz-blaue Regierung spiegelt eine veränderte politische Ausrichtung der herrschenden Klasse in Österreich wider und kann daher nur durch den Klassenkampf der ArbeiterInnen gestoppt werden. Das Schielen auf fruchtlose parlamentarische Manöver mit der ÖVP und Appelle, die FPÖ „auszugrenzen“, desorientieren nur. Eine solche Politik stellt eine fruchtlose und gefährliche Parodie auf die Sozialpartnerschaft dar. Nur allzu leicht kann der Appell an die ÖVP (und andere offen bürgerliche Parteien), gemeinsam mit allen „DemokratInnen“ die FPÖ zu „ächten“, zum Vorspiel für eine Neuauflage einer Koalition aus ÖVP und SPÖ, eine „Regierung aller DemokratInnen gegen die Rechten“, werden.

In Wirklichkeit ist der Bruch mit der jahrzehntelangen Koalitionspolitik der SPÖ mit offen bürgerlichen Parteien – zumeist in Form einer „Großen Koalition“, teilweise aber auch mit der FPÖ – und der Sozialpartnerschaft eine Schlüsselfrage, um die politische und ideelle Grundlage für einen erfolgreichen Widerstand gegen die Regierung zu legen.

In der ArbeiterInnenbewegung hat der schon seit Jahrzehnten andauernde Reformismus der Sozialdemokratie der FPÖ Tür und Tor geöffnet. Die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften vertraten immer eine gewisse Form des Chauvinismus und Rassismus gegenüber nicht-österreichischen ArbeiterInnen sowie einen ausgeprägten Österreich-Nationalismus (nicht zuletzt mit dem Opfermythos Österreichs im Zweiten Weltkrieg). Konkret bedeutete das z. B., dass im Gegensatz zu Deutschland MigrantInnen nicht von Anfang an zu Betriebsrats- und Gewerkschaftswahlen zugelassen waren. Das war die eine Seite der Medaille, die den Boden für die FPÖ bereitete.

Die andere wesentliche Seite stellt die Politik der SPÖ an der Regierung dar. Sie vertritt klar die Interessen der KapitalistInnen und verrät ihre eigene Basis in den Gewerkschaften und der ArbeiterInnenklasse. Die durch diese Politik Enttäuschten sind – vor allem auch mangels einer linken Alternative – in einer Situation von Frustration und Perspektivlosigkeit besonders empfänglich für die soziale Demagogie der FPÖ. Der Kampf gegen den Rechtspopulismus muss daher auch mit einem politischen Kampf gegen den Einfluss des Reformismus und Sozialchauvinismus unter den Lohnabhängigen einhergehen. Das bedeutet eine klare Absage an die Sozialpartnerschaft und den Kampf für eine klassenkämpferische Gewerkschaftsbewegung.

Es sollte aber nicht der Fehler begangen werden, den Kampf gegen die FPÖ nur als einen für ökonomische und soziale Verbesserungen zu verstehen. Vielmehr muss ein solcher verbunden werden mit einem gegen Rassismus innerhalb der ArbeiterInnenklasse und auch der ArbeiterInnenbewegung, in die er mittlerweile tief vorgedrungen ist, und für Einheit und Solidarität der Klasse – egal ob mit oder ohne österreichischen Pass!

Der Schlüssel zur Bekämpfung der FPÖ liegt also im gemeinsamen Kampf der Lohnabhängigen selbst. Doch dem stehen enorme Hindernisse in der ArbeiterInnenklasse selbst entgegen. Die „radikale Linke“ ist extrem schwach, zersplittert und politisch konfus. All das erleichtert es der SPÖ, trotz ihres Niedergangs eine hegemoniale Stellung in der ArbeiterInnenklasse, vor allem unter den gewerkschaftlich Organisierten, unter den Betriebsräten oder bei den Wahlen zur Arbeiterkammer zu behaupten. Ein gemeinsamer Kampf mit einer Massenbasis – ganz zu schweigen von einem politischen Massenstreik – ist daher nur durch eine Einheitsfront aller fortschrittlichen Organisationen und aller Teile der organisierten ArbeiterInnenbewegung, also auch der Sozialdemokratie und der von ihr geführten Gewerkschaften, möglich.

Die nächste Aufgabe dabei besteht in der Herstellung einer ArbeiterInneneinheitsfront gegen die geplanten und bereits durchgeführten Attacken der schwarz-blauen Regierung. Gegenmobilisierung auf der Straße gegen FPÖ-Veranstaltungen sind zwar ein Bestandteil des Kampfes gegen die Rechten, doch letztlich tragen sie nur einen symbolischen Charakter. Wichtig ist auch die Auseinandersetzung mit den FPÖ-WählerInnen in Betrieb und Gewerkschaft. Das umfasst sowohl eine klare Haltung gegen Chauvinismus und Rassismus wie auch das Eintreten für soziale Forderungen, die die Einheit aller Lohnabhängigen herstellen können – einschließlich MigrantInnen und Lohnabhängigen, die die FPÖ aus „Protest“ gewählt haben!

Unter den gegenwärtigen Kräfteverhältnissen bedeutet das aber vor allem, dass die sozialdemokratischen ArbeiterInnen für den Kampf gegen Schwarz-Blau gewonnen werden müssen. Die „radikale Linke“ in Österreich umfasst selbst bei Hinzuzählen der KPÖ nur wenige tausend Menschen. Diese Kraft wird nicht einmal dazu reichen, der Regierung größeren symbolischen Protest entgegenzusetzen. Es ist daher unverzichtbar, an die Gewerkschaften und die Sozialdemokratie – ihre Mitglieder, WählerInnen wie auch ihre Führung – die Forderung nach einem Bruch mit der Koalitionspolitik und zur Mobilisierung gegen die Regierung zu stellen. Ansonsten sind allenfalls große Straßendemonstrationen möglich. Darüber hinausgehende betriebliche Massenaktionen und politische Streiks sind ohne Gewerkschaften (und das heißt konkret: ohne sozialdemokratische GewerkschafterInnen) praktisch unmöglich. Das heißt, ohne die Gewinnung diese Kräfte kann Schwarz-Blau nicht gestoppt werden. Zweifellos will die Führung des ÖGB und der SPÖ selbst die Konfrontation mit der Regierung vermeiden und ist selbst zwischen ihrem rechten Flügel, der teilweise sogar weiter mit der FPÖ liebäugelt, und verhaltenem Reformismus gespalten. Aber selbst einzelne Stimmen aus der sozialdemokratischen Gewerkschaftsbürokratie, zur Zeit aus der Postgewerkschaft, machen deutlich, dass es auch Teilen der ArbeiterInnenklasse zu Bewusstsein kommt, dass es politischer Streiks bedarf und eines Bruchs mit der jahrzehntlangen „Partnerschaft“ mit Kabinett und Kapital – oder diese Regierung wird der ArbeiterInnenklasse ihr Programm aufzwingen.

Daher sollte die Propagierung der Einheitsfront auch mit praktischen Schritten zur Bildung von Aktionsbündnissen auf lokaler, regionaler oder betrieblicher Ebene verbunden werden. So kann die Losung auch für die Masse praktisch greifbarer und der Druck auf jene SozialdemokratInnen und GewerkschaftsführerInnen, die sich der gemeinsamen Aktion verweigern oder diese sogar sabotieren, erhöht werden.

Ohne ein korrektes Verständnis der Einheitsfronttaktik ist ein erfolgreicher Kampf gegen die Regierung in nächster Zukunft unmöglich. Ohne ein solches wird aber auch die Bildung einer politischen Alternative zur Sozialdemokratie nur ein frommer Wunsch bleiben. Eine revolutionäre Partei kann nur auf Grundlage eines korrekten Verständnisses von Reformismus, seiner sozialen Wurzeln und der Taktiken aufgebaut werden, die notwendig sind, um die ArbeiterInnen für eine kommunistische Politik zu gewinnen. Nur so wird es möglich sein, das Zirkeldasein der „radikalen Linken“ zu überwinden und die Grundlagen für eine schlagkräftige, auf einem revolutionären Programm vereinigte revolutionäre Partei zu legen, die zur Überwindung der Spaltung der Lohnabhängigen letztlich unverzichtbar ist. Nur eine ernsthafte Politik im Interesse der ArbeiterInnenklasse wird mit der Beseitigung der kapitalistischen Widersprüche ihren reaktionären politischen Ausdrücken, wie die FPÖ einer ist, ein Ende bereiten.

Endnoten

(1) Bonvalot, Michael: Die FPÖ – Partei der Reichen. Mandelbaum Verlag, Wien-Berlin 2017.

(s) Linkswende: Warum wir die FPÖ faschistisch nennen. Broschüre, 2012.

(3) ebenda

(4) ebenda

(5) Trotzki, Leo: Bonapartismus und Faschismus (15.7.1934), in: Dahmer, Helmut (Hrsg.): Leo Trotzki – Schriften über Deutschland (SüD), 2 Bände. Frankfurt am Main 1971, Band 1, S. 681.

(6) ders: Was nun? Schicksalsfragen des deutschen Proletariats (27.1.1932), SüD, Band 1, a. a. O., S. 194.

(7) Linkswende: Das Braunbuch FPÖ. Broschüre, 2016.

(8) Linkswende: Warum wir die FPÖ faschistisch nennen, a. a. O.

(9) Gruppe Arbeiter*innenstandpunkt: Die Freiheitliche Partei Österreichs – Eine marxistische Betrachtung. Broschüre, Wien 2018. http://arbeiterinnenstandpunkt.net/?page_id=3299




Österreich: Regierung gegen die Unterdrückten

Heidi Specht, Arbeiter*innenstandpunkt, Fight! Revolutionäre Frauenzeitung No. 6

Kurz vor Weihnachten trat in Österreich eine neue Regierung ihren Dienst an – gebildet aus der konservativen Unternehmer*innenpartei ÖVP und der rechtspopulistischen FPÖ.

ÖVP

Die ÖVP schaffte es erstmals seit dem Jahr 2002 bundesweit auf den ersten Platz. Das verdankt sie insbesondere ihrer Galionsfigur Sebastian Kurz, der neuen Wind versprach und seine Ernsthaftigkeit unter anderem durch Änderung der Parteifarbe von Schwarz zu Türkis unter Beweis stellte. Er schaffte es, bei vielen Wähler*innen durch sein Alter und seine Versprechen Illusionen zu wecken, die darüber hinwegtäuschten, dass er als längstdienendes Regierungsmitglied bereits jahrelang die Politik mitgestaltet hatte. Viele Menschen haben in ihrem Wunsch nach Veränderungen übersehen, in welche Richtung diese gehen sollen: Angriffe auf die Armen und Unterdrückten zugunsten der Reichen und Unternehmen.

FPÖ

Die FPÖ befand sich bereits seit längerem im Aufwind. Sie hätte wohl noch stärker gewonnen, wäre die ÖVP unter Kurz nicht so stark nach rechts gegangen. In ihrer rechtspopulistischen Rhetorik ging es darum, sich für den kleinen, österreichischen Mann einzusetzen und die österreichische Frau vor Zuwanderer*innen zu beschützen. Außer Frage steht, dass sie ihr bestes tun werden, um ihre rassistischen Pläne umzusetzen und in Kurz darin auch einen guten Verbündeten haben. Dass durch rassistische Einsparungen nicht unbedingt mehr Geld für arme Österreicher*innen bleibt, wird wohl manche ihrer Wähler*innen enttäuschen.

Diese Regierung steht also für Reiche und Unternehmen, gegen die Unterdrückten und damit die Mehrheit der Bevölkerung. Sie plant in ihrem Programm nicht nur Angriffe gegen Errungenschaften der Arbeiter*innenbewegung, sondern auch gegen Frauen, Jugendliche, Arbeitslose und Migrant*innen.

Familienbonus Plus

Bereits durch den Ministerrat beschlossen wurde der sogenannte Familienbonus Plus, der laut Plänen der Regierung Anfang 2019 in Kraft treten soll. Dabei sollen pro Kind unter 18 Jahren um bis zu 1.500 Euro weniger Steuern gezahlt werden müssen. Was auf den ersten Blick gar nicht so schlecht wirkt, birgt doch einige Probleme. Um in den vollen Genuss dieser Leistung zu kommen, muss erst einmal genug verdient werden. Erst ab einem Bruttomonatseinkommen von 1.700 Euro bekommt man mit einem Kind den Vorzug der vollen Leistung, bei zwei Kindern benötigt man dazu mindestens 2.300 Euro. Viele Menschen in Österreich würden also sogar zu wenig verdienen, um bei nur einem Kind den vollen Betrag zu erhalten, und mit jedem zusätzlichen Kind muss mehr verdient werden, um zu profitieren. Diese Maßnahme ist damit klar eine zugunsten der Besserverdiener*innen. Im Ausgleich sollen zwei Leistungen abgeschafft werden, nämlich der Kinderfreibetrag und die Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten für Kinder unter 10 Jahren. Wenn Bundeskanzler Kurz jetzt verspricht, niemand solle weniger bekommen als vorher, scheint das bereits fragwürdig. Konzepte wie die Erhöhung des Alleinverdiener*innen- bzw. Alleinerzieher*innenabsetzbetrages, von der unter anderem jene 60.000 Alleinerzieher*innen profitieren sollen, die so wenig verdienen, dass sie überhaupt keine Lohnsteuer zahlen und damit durch den Familienbonus Plus genau null Euro bekommen würden, sind noch höchst unausgegoren und auch nur eine Reaktion auf massive Kritik. Ungeachtet dessen bleibt die Tatsache bestehen, dass durch das Wegfallen der Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten für Familien die Option, dass ein Elternteil (üblicherweise die Frau) zuhause bleibt, weil das billiger ist als Kinderbetreuung, wieder stärker an Relevanz gewinnt.

Und um den Rassismus auch wirklich überall unterzubringen, betont FPÖ-Chef Strache, dass damit „österreichische Familien“ entlastet werden sollen, es aber „kein Förderprogramm für Groß-Zuwanderer*innenfamilien“ gäbe.

Familienbeihilfe

Eine weitere Idee, die derzeit auch innerhalb der EU heiß diskutiert wird, ist die Anpassung der Familienbeihilfe an die Lebenserhaltungskosten des Landes, in dem das Kind, für das die Beihilfe bezogen wird, wohnt. Das betrifft besonders Frauen aus Osteuropa, die in Österreich (häufig in der Pflege) arbeiten, um ihren Familien Geld nach Hause schicken zu können.

Um den Schein der Fairness zu wahren, soll für Kinder, die in Ländern leben, in denen die Lebenserhaltungskosten höher sind als in Österreich (z. B. die Schweiz oder skandinavische Länder), die Familienbeihilfe erhöht werden. Dass es dabei um sehr viel weniger Geld geht und außerdem um Personen, die tendenziell sowieso bereits besser verdienen, ist „natürlich reiner Zufall“.

Frauen als Mütter

Generell kann festgestellt werden, dass die Regierung das Thema Frauen fast ausschließlich in ihrer Rolle als Mütter thematisiert. Die Unterdrückung von Frauen, die über die Doppelbelastung von arbeitenden Müttern hinausgeht, wird wenig thematisiert. Zwar ist die Erleichterung der Berufstätigkeit für Mütter ohne Frage ein wichtiges Thema, doch auch hier scheint es sich eher um ein Lippenbekenntnis zu handeln, denn dazu tatsächlich notwendige Schritte wie der Ausbau kostenloser Kinderbetreuung werden nicht vorangetrieben. Im Gegenteil, unter Schwarz-Blau in Oberösterreich gab es in diesem Bereich sogar massive Verschlechterungen. Auch Pläne wie die Einführung von 12 Stunden täglicher Höchstarbeitszeit oder die Erhöhung der zumutbaren Entfernung des Arbeitsplatzes vom Wohnort erreichen das genaue Gegenteil.

„Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“ steht zwar im Regierungsprogramm, wie das erreicht werden soll oder welche Konsequenzen Unternehmen erwarten die sich nicht daran halten, wird aber kaum bis gar nicht thematisiert. Damit fällt es schwer, das als ernsthaftes Ziel wahrzunehmen. Dafür werden Kürzungen im Sozialbereich Frauen wie immer härter treffen als Männer, und zwar nicht nur jene, die Familien betreffen. Frauen verdienen nach wie vor deutlich weniger als Männer, sind wesentlich häufiger von Altersarmut betroffen und damit zentraler auf Leistungen wie zum Beispiel Notstandshilfe oder Mindestsicherung angewiesen, bei denen eingespart werden soll.

Sexismus, Rassismus und Konservativismus

Generell kann festgestellt werden, dass dieses Regierungsprogramm Frauenförderung gleichsetzt mit Mütterförderung. Es versucht, seinen Rassismus mit angeblichem Antisexismus zu rechtfertigen. So suggeriert es, dass ein Unverständnis für die Gleichwertigkeit der Geschlechter in erster Linie bei Asylwerber*innen herrscht. Und es legt viel Wert auf die Feststellung, dass es nur zwei Geschlechter gibt und eine Familie eine Mutter und einen Vater braucht.

Noch gar nicht erwähnt sind die widerlichen Angriffe auf Asylwerber*innen, angefangen damit, ihnen Geld und Handys wegzunehmen, über Aufhebung der ärztlichen Schweigepflicht, Massenunterkünfte und noch weitere Erschwernisse beim Zugang zu Bildung.

Gegen das Regierungsprogramm mobilisieren

Die Opfer dieses Programms sind alle von Lohnarbeit Abhängigen und Unterdrückten. Um diese Maßnahmen abzuwehren, bedarf es einer ArbeiterInneneinheitsfront, also eines Bündnisses der Arbeiter*innenbewegung gemeinsam mit Geflüchteten, Arbeitslosen und anderen Unterdrückten, die gemeinsam mobilisieren und streiken. An so einem Bündnis werden wir uns nicht nur beteiligen, sondern legen Wert darauf, die Forderung nach Bildung einer Abwehrfront an diese Massen und ihre Führungen, besonders die SPÖ, KPÖ und die Gewerkschaftsvorstände zu richten. Daneben kämpfen der Arbeiter*innenstandpunkt und REVOLUTION Österreich im Rahmen so eines Bündnisses dafür, sich nicht nur gegen die geplanten Angriffe zu wehren, sondern auch eigene Forderungen wie die nach offenen Grenzen oder Arbeitszeitverkürzung aufzuwerfen. Ein erster Schritt, eine kampfstarke Bewegung ins Leben zu rufen, sind Versammlungen in Arbeiter*innen- und Migrant*innenvierteln, Betrieben, an Schulen, Unis, in Gewerkschaften und Sozialverbänden, um über praktische Kampfmaßnahmen und -strukturen zu diskutieren, zu entscheiden und Organe der Einheitsfront des Widerstands zu wählen, deren Leitungen ihrer Basis rechenschaftspflichtig sind und jederzeit an- und abwählbar sein müssen.




Frauen – Antirassismus in Deutschland und Österreich

Avenita Holzer, Frauenzeitung ArbeiterInnenmacht/REVOLUTION, März 2017

Was unsere momentane Zeit am besten zu beschreiben scheint, ist das Wort: „Rechtsruck“. Es wird auch in den Medien, Debatten und Gesprächen verwendet, so dass es aus unserer Analyse der gesellschaftlichen Umstände nicht weggedacht werden kann. Es trifft die Situation auch eigentlich recht gut. „Plötzlich“ scheinen die rechten Parteien die Situation gut ausnutzen zu können, werden gewählt und geben den vorherrschenden Ton an. Wenn es noch Zweifel daran gab, müssen diese jedoch spätestens seit der Wahl Trumps zerstreut worden sein. Aber nicht nur in den USA, auch hier vor unserer Haustür können wir eine Veränderung beobachten.

In Österreich und Deutschland sind die rechtspopulistischen, nationalistischen, frauenfeindlichen und rassistischen Parteien auf dem Vormarsch: ein Phänomen, das in ganz Europa, ja sogar global zu beobachten ist. In Deutschland eilt die AfD seit zwei Jahren voran. Bei verschiedenen Landtagswahlen hat sie es überall zweistellig ins Parlament geschafft und kann ihren Vorteil der Opposition recht gut ausschöpfen. In Österreich stellt die Freiheitliche Partei (FPÖ) schon eine etablierte Kandidatin dar, die esjedoch durch die allgemeine Verschiebung nach rechts wieder geschafft hat, vermehrt in die öffentliche Aufmerksamkeit zu treten. Diese „allgemeine Verschiebung nach rechts“ hat aber eben nicht nur Einfluss auf Geflüchtete und Migrant*innen, sondern ganz konkret auf die Lebensrealität von uns allen. Die Gewalttaten in Deutschland, die an Geflüchteten und auf deren Unterkünfte begangen werden, sowie rechte Mobilisierungen steigen seit 2014 dauernd an, ebenso Angriffe auf linke Aktivist*innen und Strukturen. Im Gegensatz dazu scheinen die linken Gegenbewegungen dauernd abzunehmen. So war zwar genug Potenzial da, um Bündnisse ins Leben zu rufen, die sich gegen Rassismus stark machen und,es gab dazu auch einige Versuche,doch nahm deren Bedeutung auch sehr rasch wieder ab. Es scheint tatsächlich so, als wären Antirassist*innen einer hoffnungslosen Situation ausgesetzt, in der es fast unmöglich ist,gegen den gesellschaftlichen Trend anzukommen. Auch in Österreich verliefen die antirassistischen Bewegungen zumeist im Sand, obwohl ähnlich wie in Deutschland der Beginn sehr hoffnungsvoll gewirkt hatte. Menschen organisierten Flüchtlingshilfe oder unterstützten sie, wo sie nur konnten. Auch große Refugee-Demonstrationen, die für Österreich eher eine Seltenheit sind, konnten organisiert werden. Aber selbst diese Stimmung konnte sich nicht allzu lang halten. Der zunehmende staatliche Rassismus setzte genau in diesem Moment ein. GegenObergrenzen und „Integrationspakete“, die von Kopftuchverbot und 1-Euro-Jobs für Flüchtlinge sprechen, konnte nur noch mit Müh und Not überhaupt eine Opposition auf die Straße gebracht werden. Vor allem im Rahmen der Bundespräsidentschaftswahl hat sich das Klima nochmal merkbar zugespitzt.

Dieser Rechtsruck impliziert viele gesellschaftliche Veränderungen, die in ihrer Heftigkeit vor allem Menschen betreffen, die aufgrund von ihren Umständen ohnehin schon genug Diskriminierung ausgesetzt sind. Die Rede ist von Migrant*innen, Flüchtlingen, Frauen und LGBTIAs. Vor allem Menschen, die mehrere dieser Kriterien erfüllen, scheinen momentan (auch im Kontext des Erstarkens des antimuslimischen Rassismus) nicht mehr willkommen zu sein in der ach so offenherzigen, abendländischen Kultur.

Vor allem die sogenannte „Salonfähigkeit“ rechter Ideologien unterstützt diese gesellschaftliche Wandlung. Unter Arbeiter*innen haben sowohl AfD als auch FPÖ enorme Zugewinne verbuchen können. Die soziale Unsicherheit, die seit der Krise 2008 einfach nicht abzuschütteln ist und mit Sparpaketen und Agenda 2010 auf den Rücken des Proletariats abgeladen wurde, spielt den Rechten in die Hände. Denn im Gegensatz zu den etablierten Parteien sprechen diese an, dass etwas schiefläuft. Aber anstatt einer antikapitalistischen Kritik bringen sie rassistische Vorurteile ins Spiel, denn im Unterschied zu den etablierten Parteien sagen sie zumindest, dass etwas nicht stimmt, auch wenn ihr Feindbild einer als typisch dargestellten migrantischen Person muslimischen Glaubens, die angeblich zeitgleich das Sozialsystem ausbeute und den Einheimischen „Arbeitsplätze wegnehme“, nicht der Wahrheit entspricht. Im Zuge dessen gehen etablierte Parteien nach rechts und bieten keine klare linke Alternative. Gleichzeitig sehen wir, dass nicht nur in Bezug auf Geflüchtete gehetzt wird, sondern wie ein reaktionäres, widersprüchliches Frauenbild Einzug in die Köpfe hält. Auf der einen Seite sollen die „Kampfemanzen“ einen Gang zurückschalten, Gleichberechtigung sei ja schon erkämpft und solche „Nebensächlichkeiten“ wie ungleiche Bezahlung oder sexualisierte Gewalt seien ja wirklich nicht so schlimm, als dass sie thematisiert werden müssten. Auf der anderen Seite müssen „unsere“ Frauenrechte gegen den „bösen Islam“ verteidigt werden, der Frauen nicht nur als minderwertig ansieht, sondern sie auch noch zwingt, sich zu verschleiern, was ja nun wirklich eines der am heftigsten diskriminierenden Sachen ist, die man einem weiblichen Wesen antun kann. So ließ die Debatte rund um die Kölner Silvesternacht viele Stimmen von rechts plötzlich einen bis dahin unbekannten pseudofeministischen Unterton annehmen. Für „unsere“ Frauen, gegen den reaktionären Islam und übergriffige Flüchtlinge (also alle). Dass dabei außer Acht gelassen wird, wie diskriminierend und einschränkend die Vorstellung des Familienbildes allein in Europa für Frauen ist und welche Heuchelei eigentlich dahintersteht, sich selbst als Befürworter*in der Gleichstellung hinzustellen, wo doch jede kleine Verbesserung in diese Richtung bis aufs Blut erkämpft werden musste, ist typisch für diese abendländische Kultur. Frei nach der Devise: ziemlich scheiße, aber alle anderen sind trotzdem schlimmer. Und scheiße ist ja relativ. Die Thematik des Islam ist aber nicht nur auf der europäischen Welt eine heiße Kartoffel.

Unter Trump werden in Amerika Einreisebeschränkungen versucht durchzusetzen, die auf Kriegs- und Krisenländer, aber auch solche mit großer islamischer Religionsgemeinde ausgeweitet sind. Während in positiver Weise das auf Empörung bei vielen stößt, wird allerdings oftmals vergessen, dass auch um Europa eine Mauer steht: vermutlich, weil dieser Prozess ein längerer war, ein Staatenblock immer noch etwas anderes als ein einzelnes Land ist, weil deren rassistische Implikation mehr durch ihre „Notwendigkeit“ in Kauf genommen wird und sie nicht im unmittelbaren Widerspruch zu größeren Kapitalinteressen steht, solange man sich innerhalb der EU noch frei bewegen kann.

Aber nicht nur das: unter dem Tarnmantel des Rassismus versuchen die rechten Populist*innen, wie oben erwähnt, Frauenrechte für ihren Rassismus zu nutzen. Zeitgleich greifen sie diese aber an. Auswirkungen des Rechtsrucks sind für Frauen direkt spürbar, so zum Beispiel in Polen, wo das bereits sehr einschränkende Abtreibungs„recht“ noch verschlimmert hätte werden sollen unter der rechtsnationalistischen PiS, die einem Begehren der katholischen Kirche bezüglich mehr Restriktionen fast nachgegeben hätte, wären die Proteste von Frauen nicht zu zahlreich gewesen.

In Österreich steht nun ein tatsächliches Verschleierungsverbot an. Der Integrations- und Außenminister Sebastian Kurz von der Volkspartei behandelt diese Idee seit jeher wie sein eigenes Kind und hält sie für einen wichtigen Bestandteil der Integration von Muslim*innen in die österreichische Gesellschaft. Dass hier klar eine Zwangsassimilation im Vordergrund steht und ganz offensichtlich und mit voller juristischer Bestätigung ein Zurückdrängen ohnehin meist mehr als doppelt diskriminierter muslimischer Frauen aus dem öffentlichen Leben in Kauf genommen wird, scheint gar nicht mehr Thema zu sein, zumindest nicht in der Regierung – die linken Stimmen dazu sind auch kaum zu hören. Bisher „nur“ auf das Tragen der Burka beschränkt, bietet dieser juristisch legitimierte Schritt viel Platz nach oben, was weitere Einschränkungen angeht.

Spätestens seit der Silvesternacht 2015 versuchen die Rechtspopulist*innen sich als die Verteidiger*innen der europäischen Frauen aufzuspielen und vertreten dabei oft erzkonservative Frauen- und Familienbilder. Gleichzeitig wurde damit auch ein Kopftuch- bzw. ein Verschleierungsverbot diskutiert, das nicht nur rassistisch gegenüber Muslima ist, sondern auch eine sexistische Komponente beinhaltet, weil es einerseits Frauen, die solche Kleidung freiwillig tragen, das Recht abspricht zu entscheiden, was sie tragen wollen, und andererseits Frauen, die gezwungen werden, solche Kleidung zu tragen, weiter aus der Öffentlichkeit verbannt.

Frauen, die von ihren Männern beziehungsweise ihrer Familie gezwungen werden, sich zu verschleiern, werden bei einem Verschleierungsverbot wohl gezwungen sein, die eigenen vier Wände gar nicht mehr oder nur noch in Begleitung zu verlassen. Auch das in Österreich diskutierte (und teilweise geplante) Verbot von Kopftüchern im öffentlichen Dienst schlägt in eine ähnliche Kerbe. Frauen, denen ein Kopftuch wichtig ist oder die gezwungen sind es zu tragen, werden somit aus dem öffentlichen Dienst (in dem sie ohnehin unterrepräsentiert sind) verbannt.

Doch was sollen wir jetzt tun? Die Masse scheint zäh und langsam, das Potenzial einer antirassistischen, antisexistischen Bewegung in Österreich oder Deutschland kaum existent. Doch kein Widerstand ist auch keine Lösung. Wir müssen die Anliegen der Frauen und Migrant*innen hören, ernstnehmen und aufzeigen, wie ähnlich sie sich eigentlich sind. In diese bürgerliche Regierung, die nur aktiv gegen sie zu arbeiten scheint, ist doch keine Hoffnung mehr zu setzen. Ein Beispiel dafür war eine Demonstration in Wien gegen das Verschleierungsverbot, gemeinsam organisiert von dezidiert linken und muslimischen Kräften, die sich für das Selbstbestimmungsrecht von Frauen einsetzten. Hier sah man, wie ohne viel Ankündigung wieder Menschen auf die Straße gebracht werden konnten, Potenzial ist also noch vorhanden.

Daran muss angeknüpft werden. Wir brauchen eine antirassistische Bewegung, die sich gegen den Rechtsruck stellt, bestehend aus den Organisationen der Arbeiter*innenklasse, Jugendlichen und Geflüchtetenstrukturen. Diese brauchen klare Forderungen, die nicht nur die weiteren Angriffe abwehren, sondern auch für ihre eigenen Rechte kämpfen. Das heißt konkret, dass antirassistische Forderungen sowohl mit antisexistischen als auch mit der „sozialen Frage“ verbunden werden müssen. Beispielweise stehen wir dafür ein, dass Geflüchtete in die Gewerkschaften aufgenommen werden, damit sie zusammen mit bereits Arbeitenden gegen eine Spaltung untereinander, für das Recht auf Arbeit und einen gemeinsamen Mindestlohn kämpfen können. Diese Forderung kann man mit der Notwendigkeit von antirassistischen sowie antisexistischen Schutzräumen, also Caucussen (Recht auf gesonderte Treffen von sozial Unterdrückten wie z. B. Frauen) in den Gewerkschaften verbinden. Ein weiterer Aspekt wäre die Frage nach Wohnraum. Während Geflüchtete oftmals in Lager abgeschoben werden, ist es für Arbeiter*innen, besonders für alleinerziehende Mütter und Jugendliche, schwer, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Deswegen sagen wir: Nein zu Lagern! Für eine dezentrale Unterbringung von Geflüchteten, für den Ausbau des sozialen Wohnungsbaus und die Enteignung von Spekulationsobjekten oder leerstehenden Wohnungen!

Neben diesen Forderungen müssen wir auch klar für Selbstverteidigung und politische Aktion von diskriminierten Gruppen eintreten. Vor allem in Deutschland, wo rechtsradikale Bürgerwehren oder ähnliches eine Realität sind, können wir die Straße nicht einfach so hergeben. Frauen, Migrant*innen und Arbeiter*innen müssen sich selbst organisieren, lernen sich zu verteidigen und so auch für Konfrontationen gewappnet sein. Es ist mehr als klar, dass der Staat mit seiner rassistischen und frauenfeindlichen Politik diese Hilfe nicht bietet.

Schlussendlich machen wir uns für offene Grenzen stark. Sei es Trump oder die EU: eine Abschottungspolitik, die eine Abwehr von Flüchtlingen darstellt, stellt nicht nur die einfachsten Menschenrechte in Frage, nein, sie tötet auch. Wir müssen legale Fluchtrouten schaffen und uns von dem „Das Boot ist voll“-Gedanken trennen. Nur wenn wir die Initiative ergreifen und gemeinsam für unsere Rechte kämpfen, können wir gegen den Rechtsruck, der uns alle betrifft, vorgehen. Wenn wir uns jetzt nicht für die Rechte von Geflüchteten und Frauen einsetzen, wann dann?




Die Pläne von Kurz und Strache – Generalangriff auf die ArbeiterInnenklasse in Österreich

Michael Märzen, Infomail 980, 7. Januar 2018

Am 18. Dezember wurde die neue Regierung aus ÖVP und FPÖ angelobt. Schon im Wahlkampf wurde klar, dass sich Kurz und Strache auf eine Mischung aus Neoliberalismus und Rassismus verständigt hatten – das entsprechende Regierungsprogramm liegt nun vor. Spätestens damit ist klar: Diese Regierung steht auf Seiten der Reichen und KapitalistInnen und plant einen Großangriff auf die sozialen Errungenschaften von Arbeitenden, Jugendlichen, Frauen und MigrantInnen. Es tut not, die Pläne der Herrschenden zu kennen. um sie zurückschlagen zu können.

Im Namen „der Wirtschaft“

Es ist wesentlich, die Gründe für die schwarz-blaue Politik zu verstehen. Immerhin wird die österreichische Konjunktur als besonders gut beworben: Die Unternehmen haben investiert, die Kredite sind weiterhin billig, die Arbeitslosigkeit geht leicht zurück und dazu sind auch noch die Asylanträge stark zurückgegangen. Warum also das ganze Gerede vom Sparen, von der Stärkung des Wirtschaftsstandorts und Begrenzung der Zuwanderung? Zum einen ist es zwar richtig, dass Österreich nach Jahren der Krise und der Stagnation einen kleinen Aufschwung erlebt. Dieser wird aber gemäß den Prognosen nicht lange anhalten und 2019 und 2020 wieder merklich abflauen. Zusätzlich bleiben die Risiken in der Weltwirtschaft hoch und damit besteht die Gefahr einer Rezession. Zum anderen sieht sich die österreichische KapitalistInnenklasse im internationalen Wettbewerb als zurückfallende. Die neue Regierung spricht das klipp und klar in der Präambel ihres Regierungsprogramms an: man habe „den Anschluss an die Spitze in Europa verloren“ und der Wirtschaftsstandort sei „im Vergleich zu unseren Nachbarn nicht mehr wettbewerbsfähig“. Gemäß der neoliberalen Ideologie betonen Kurz und Strache also die Notwendigkeit, „den Wirtschaftsstandort Österreich zu stärken“. Diese Floskel, die nun sogar Staatszielbestimmung werden soll, bedeutet nichts anderes als die „Verbesserung“ der Ausbeutungsbedingungen der Arbeitskraft für das österreichische Kapital, damit sich dieses gegen ausländische Konkurrenz behaupten und die eigenen dominanten Ansprüche gegenüber Osteuropa durchsetzen kann.

Entlastungen für Reiche

Die sogenannte „Stärkung des Wirtschaftsstandorts“ ist somit das zentrale Projekt der schwarz-blauen Regierung. Erreicht werden soll das in erster Linie durch die Senkung der Unternehmensabgabenquote auf 40 %. Dabei geht es für allem um die steuerliche Entlastung von Firmen, den Reichen und Besserverdienenden – für die ärmere Bevölkerung und die unteren Schichten der ArbeiterInnenklasse wird es proportional viel weniger Entlastungen geben. Wichtige Maßnahmen dazu sind die Senkung der Körperschaftssteuer (Steuer auf Unternehmensgewinne) und die Senkung der Lohnnebenkosten. Die große Mehrheit der Bevölkerung profitiert von diesen Maßnahmen nicht nur nicht, sondern sie muss dadurch auch einen größeren Anteil am Staatshaushalt zahlen. Damit die Senkung der Abgabenquote aber gesellschaftlich akzeptabel ist, wirbt Schwarz-Blau mit einer Reform der Einkommenssteuer. Auch wenn noch nicht klar ist, wie eine solche aussehen wird, muss man befürchten, dass diese vor allem höhere Einkommen entlastet und durchschnittliche ArbeiterInnen über die Gegenfinanzierungsmaßnahmen belastet werden. Bedrohlich klingt auch die Ankündigung eines vereinfachten Einkommenssteuerrechts, was auf den Abbau der Progression (des zunehmenden Steuersatzes mit wachsendem Einkommen) hinauslaufen könnte.

Gegenfinanziert wird diese „Entlastung“ vor allem durch Einsparungen. Mittelfristig möchte die Regierung auf ein Nulldefizit im Staatshaushalt hinaus. Der Sparzwang soll mit einer Schuldenbremse in der Verfassung abgesichert werden. Der neue Finanzminister will schon im ersten Jahr insgesamt 2,5 Mrd. Euro in allen Ressorts einsparen. Das soll bei der Verwaltung, dem Personal und den Förderungen erfolgen. Maßgeblich wird vermutlich auch ein neues (schlechteres) Dienstrecht für den öffentlichen Dienst in Kraft treten.

Verschärfte Ausbeutungsbedingungen

Damit die KapitalistInnen im Namen des Standorts öfter und billiger auf ihre Arbeitskräfte zugreifen können, plant die Regierung den Abbau von Arbeitsschutzbestimmungen,. Das Arbeitsinspektorat soll dann mehr den Charakter einer Serviceeinrichtung statt einer Kontrollinstanz bekommen. Im Zentrum steht bei dieser „Deregulierung“ die Ausweitung der allgemeinen Höchstarbeitszeit auf täglich 12 Stunden bzw. wöchentlich 60. Für die Beschäftigten bedeutet das vor allem des Öfteren mehr Überstunden, wenn die ChefInnen es wollen. In Kombination mit einem von der Regierung „zu prüfenden“ Zeitwertkonto-Modell könnte das auch noch zusätzlich zum Wegfall vieler Überstundenzuschläge führen. Generell sind 12-Stundendienste natürlich eine enorme geistige und körperliche Belastung und tragen zur Gesundheitsgefährdung (u. a. auch durch Arbeitsunfälle) bei.

Harte Angriffe müssen Arbeitslose erwarten, für die die Regierung eine Reform der Arbeitslosenversicherung, hin zum System wie in Deutschland, vorbereitet. Im sogenannten Arbeitslosengeld NEU richtet sich die Höhe des Arbeitslosengelds nicht mehr nur nach der Höhe des früheren Einkommens, sondern auch nach der Beitragsleistung, d. h. eine kürzere Beitragsleistung führt zu einer kürzeren Bezugsdauer. Außerdem wird die Notstandshilfe abgeschafft bzw. in das Arbeitslosengeld „integriert“. Nach einem Jahr Arbeitslosigkeit muss man somit Mindestsicherung beantragen, wofür man das eigene Vermögen aber bis auf etwas mehr als 4.000 Euro aufgebraucht haben muss und wo man auch nur unter bestimmten Umständen über ein Auto verfügen darf. Langzeitarbeitslose werden in diesem Fall de facto enteignet. All das beinhaltet weitreichende Gefahren nicht nur für die Arbeitslosen, sondern für die gesamte ArbeiterInnenklasse. Die Menschen, die keinen Job finden, werden noch mehr als bisher dazu gedrängt, Jobs anzunehmen, die sie womöglich nicht nur nicht interessieren, sondern bei denen besonders schlechte Arbeitsbedingungen herrschen. Dieser Zwang ist für die schlechter gestellten Schichten der ArbeiterInnenklasse umso höher. Gleichzeitig wird auch der Druck auf die Arbeitenden erhöht, denn sie werden trotz unattraktiver Arbeitsbedingungen leichter ersetzbar sein und mehr Einschränkungen akzeptieren müssen, um einer Kündigung zu entgehen. Zusammengefasst zielt diese Maßnahme also auf den Ausbau des Niedriglohnsektors in Österreich.

Jugendliche

Auch die Jugend hat unter der schwarz-blauen Regierung zu leiden. Kinder aus einkommensstärkeren Familien werden durch einen Steuerabsetzbetrag („Familienbonus“) weiter bevorzugt, denn die ärmeren Familien haben davon nichts. Das selektive Schulsystem, das mit der Neuen Mittelschule ein kleines Stück weit aufgebrochen wurde, wird beibehalten und sogar wieder gestärkt. Ein Schritt dabei ist die Notenpflicht an Volksschulen, mit der die SchülerInnen schon frühzeitig an die „Leistungsgesellschaft“ gewöhnt werden sollen, ihr Konkurrenzdenken befördert und klarer zwischen guten und schlechten Kindern unterschieden wird. Verstöße gegen schulgesetzliche Verpflichtungen sollen über Kürzungen von Sozial- und Transferleistungen sanktioniert werden, was in erster Linie sozial schwache Familien treffen wird. An der Universität wird die soziale Selektion durch Studiengebühren und ein „neues Zugangsregelungsmanagement“ weiter verschärft. Zusätzlich wird die Studierendenvertretung (ÖH) vermutlich politisch entmündigt.

Zuwanderung

Es wäre nicht die Regierung von Kurz und Strache, wenn sie nicht enorme Verschlechterungen für MigrantInnen, insbesondere Geflüchtete, plante. Das ist aber nur die eine Seite, denn dort, wo Nachfrage an (qualifizierter) Arbeitskraft besteht, soll es erleichterte Zuwanderung geben. Diese soll also gemäß dem Gesichtspunkt der Kapitalverwertung reguliert wird. Herkommen, um zu arbeiten, ist also für einige wenige Menschen genehmigt, der große Rest muss draußen bleiben. Dass die wenigen Glücklichen aber auch gleiche staatsbürgerliche Rechte bekommen, wird weiter erschwert. AsylwerberInnen wird weiter das Leben zur Hölle gemacht, um sie davor abzuschrecken, überhaupt ins Land zu kommen. Deshalb soll ihnen gleich zu Beginn das Bargeld abgenommen werden und sie sollen nur noch Sachleistungen erhalten. Auch das Handy muss mitsamt den darauf gespeicherten privaten Daten zur Verfügung gestellt werden, damit die Identität, die Fluchtroute u. ä. der geflüchteten Person kontrolliert werden kann. Wer dann eine Asylberechtigung erhält, aber keinen Job findet, soll zukünftig nur eine extra für Asylberechtigte reduzierte Mindestsicherung erhalten. Damit werden diese nicht nur noch mehr zu Menschen zweiter Klasse degradiert, sie werden auch in die Armut und in besonders unattraktive Jobs gedrängt. Die sogenannte Integration ist nichts anderes mehr als erzwungene Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft. Das wird exekutiert durch eine Kopplung finanzieller Leistungen an Deutsch- und Wertekurse. Dabei wird die Absonderung von der Mehrheitsgesellschaft vorangetrieben. Deutschkurse sollen bald in sogenannten Brückenklassen im Asylheim stattfinden. Und statt mehrsprachigen Unterrichts bzw. forcierter Förderung von Deutschkenntnissen dabei heißt es nun Deutsch vor Regelunterricht oder gar eigene Deutschklasse.

Überwachung

Während die arbeitende Bevölkerung stärker ausgebeutet werden soll und die Bevölkerung dafür weiter in In- und AusländerInnen, Arbeitende und Arbeitslose, Frauen und Männer, leistungswillige und leistungsunwillige Jugendliche gespalten wird, soll der staatliche Unterdrückungsapparat weiter ausgebaut werden. Dafür gibt es nicht nur Strafverschärfungen bei Sexual- und Gewaltdelikten – was nebenbei bemerkt mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Widerstand gegen die Staatsgewalt betrifft. Straf- und Erschwernisgründe sollen eine größere Bedeutung haben und ihrer neue geschaffen werden, bspw. „religiös-fundamentalistisch motivierte Gewalt“. Junge Erwachsene sollen härter bestraft werden (derzeit bestehen bis zum 21. Lebensjahr teilweise mildere Regelungen) und schon im Kindergarten wird den Kindern mit einem „Bekenntnis zur Verfassungs, Werte- und Gesellschaftsordnung“ die herrschende bürgerliche Ideologie samt Obrigkeitshörigkeit eingetrichtert. Ein zentrales Vorhaben ist der Ausbau elektronischer Überwachung. Höchstwahrscheinlich läuft das auf den sogenannten Bundestrojaner hinaus, einer Schadsoftware, mit der Smartphones ausspioniert werden können. Außerdem möchte die Regierung eine mildere Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung („Quick Freeze“), also die Verpflichtung der Telekomfirmen zur Datenspeicherung bei verdächtigen Personen. Zusätzlich bekommt die Polizei 2.000 zusätzliche Planstellen und das Bundesheer wird gestärkt.

Fazit

Bei Schwarz-Blau III haben wir es mit einer rechtsbürgerlichen Angriffsregierung zu tun, die zentrale Anliegen der österreichischen KapitalistInnenklasse gegen die Interessen der arbeitenden Bevölkerung durchsetzen will. Der Widerstand dagegen ist bitter nötig. Eine starke proletarische Kraft ist nicht vorhanden. Die in Opposition befindliche SPÖ wird gemeinsam mit den Gewerkschaften lieber in Worten als in der Praxis gegen die Attacken vorgehen. Ein starkes Bündnis aus linken, fortschrittlichen, antirassistischen und gewerkschaftlichen Kräften ist deshalb eine notwendige Bedingung, um sich zur Wehr zu setzen.




Vier Jahre Bürgerblock

Kapitalismus und Klassenkampf in Österreich

Von Michael Pröbsting, Revolutionärer Marxismus 34, Mai 2004

2003 sah Österreich die bedeutendsten Klassenkämpfe seit 1950. Im Frühjahr gingen Zehntausende auf die Straße, um gegen den Irak-Krieg zu protestieren. Unmittelbar danach organisierten die Gewerkschaften Massenproteste gegen die Pensionsreform, deren Höhepunkte zwei große Streiks  mit einer halben bzw. einer Million TeilnehmerInnen sowie eine Massendemonstration von 200.000 ArbeiterInnen. Im Herbst gab es mehrere Streiks des Bordpersonals der Fluglinie AUA sowie einen dreitägigen Streik der EisenbahnerInnen.

Ohne Zweifel ist Österreich – berühmt-berüchtigt für seine Stabilität und sozialpartnerschaftliche Friedhofsruhe – in eine Periode des Klassenkampfes eingetreten. Umso dringlicher ist es, diese Umbrüche vor dem Hintergrund der ökonomischen und politischen Veränderungen des österreichischen Kapitalismus zu analysieren.

In diesem Artikel beabsichtigen wir, einen Überblick über die wichtigsten Merkmale und Veränderungen in der Physiognomie des österreichischen Kapitalismus zu geben. Aus Platzgründen sind wir gezwungen, verschiedene Aspekte nur thesenartig und in konzentrierter Form dazulegen. Trotzdem hoffen wir damit, einen Beitrag für zum Verständnis der spezifischen Probleme des österreichischen Kapitalismus zu liefern. Ein Beitrag, der angesichts der äußerst bescheidenen Literatur auf diesem Gebiet seitens der Linken umso dringlicher ist (1).

Weltpolitischer Hintergrund

Ausgangspunkt einer Untersuchung des österreichischen Kapitalismus muss die Weltlage sein. Denn die politischen und ökonomischen Verhältnisse in Österreich – wie in jedem Nationalstaat – können vom marxistischen Standpunkt aus betrachtet nicht nur und nicht einmal in erster Linie aus den inneren Faktoren abgeleitet werden. Genau genommen sind die Weltwirtschaft und die Weltpolitik – die sich wiederum als Schmelztiegel aller nationalen Faktoren zu einer eigenständigen Totalität über diese erheben – die ausschlaggebenden Triebkräfte. Die ungleichzeitige und kombinierte Entwicklung des Weltkapitalismus trifft mit den lokalen Besonderheiten eines Landes zusammen und verschmilzt dann zur jeweils spezifischen nationalen Dynamik der politischen und ökonomischen Verhältnisse dieses Staates.

Von dieser methodologischen Prämisse ausgehend hat der ArbeiterInnenstandpunkt (ASt) – die österreichischen Sektion der Liga für die 5. Internationale (LFI) – immer das in der Linken verbreitete Vorurteil über den Ausnahmecharakter Österreichs und der „leider anderen österreichischen Mentalität“ abgelehnt. Wir beharrten darauf, dass sich die Klassenverhältnisse hierzulande verändern müssen und werden.

Wir haben in den letzten zwei Jahren in einer Reihe von Artikeln die Zuspitzung der ökonomischen und politischen Widersprüche des Weltkapitalismus dargelegt. Diese Entwicklung schlug um die Jahrhundertwende in eine neue Qualität um und eröffnete eine weltweit vor-revolutionäre Periode, die sich durch folgende Merkmale auszeichnet:

Die Phase der relativen Dynamik des globalen Kapitalismus geht zu Ende und macht einer Tendenz zur Stagnation der Produktivkräfte Platz. Daraus resultiert eine verschärfte Konkurrenz zwischen den Kapitalien und den imperialistischen Großmächten.

Das führt zu einer neuen, verschärften Angriffen der herrschenden Klasse. Der krisenhafte Charakter des Kapitalismus zwingt sie zu einer brutalen Offensive sowohl gegen die ArbeiterInnenklasse in den imperialistischen Metropolen als auch gegen die unterdrückten Völker. Daher die verstärkte Aggressivität des Imperialismus – allen voran des US-Imperiums – gegenüber den halb-kolonialen Ländern. Wir sind in eine Phase zunehmender militärischer Konflikte eingetreten, v.a. zwischen Imperialismus und Halbkolonien. Aus dem gleichen Grund bläst die Bourgeoisie – gerade in Westeuropa – zum Generalangriff gegen alle historischen Errungenschaften der Nachkriegsperiode.

Gleichzeitig provozierte die permanente Offensive des Imperialismus und der kapitalistischen Globalisierung sowohl einen Aufschwung massiver Klassenkämpfe als auch die Entstehung einer massiven antikapitalistischen und Anti-Kriegsbewegung.

Stärkung des österreichischen Kapitals auf Kosten der Arbeiterklasse

Weltweit leidet das Kapital darunter, dass die wachsende organische Zusammensetzung des Kapitals – das Anwachsen des konstanten Kapitals (Maschinen, Rohstoffe etc., c) im Vergleich zum variablen (Löhne, v) – die Profitrate nach unten drückt (tendenzieller Fall der Profitrate), wobei sich die Profitrate (p) aus dem Verhältnis des aus der dem Arbeiter nicht-bezahlten Arbeitszeit (Mehrwert m) im Verhältnis zum eingesetzten Kapital bildet (p = m/c+v).

Dies ist unausweichliches Resultat der Kapitalakkumulation. Letztlich ist das Vorgehen der Unternehmer vom Interesse geleitet, dieser Tendenz entgegenzuwirken. Möglichkeiten dafür bieten v.a. die Steigerung der Ausbeutung der ArbeiterInnen (z.B. Senkung der Lohnkosten, Verlängerung der Arbeitszeit) und die Verbilligung des konstanten Kapitals (billigere Technologien, Rohstoffe etc.). Besonders akut wird dieser Druck in Perioden der Stagnation oder gar Rezession, von der die Weltwirtschaft und daher auch Österreich gerade erfasst sind.

Die sich vertiefende Krise des Weltkapitalismus, die Globalisierung und die Herausbildung der Europäischen Union als ein imperialistischer Block haben einschneidende Konsequenzen für Österreich. Sie zwingen die herrschende Klasse zur Offensive gegen die eigene Arbeiterklasse.

Gegenwärtig befindet sich die österreichische Ökonomie – wie auch die europäische – in einer Stagnationsphase. Die letzten Jahre waren insgesamt im Vergleich zur Nachkriegsperiode vom geringsten Wirtschaftswachstum seit 1945 gekennzeichnet (BIP 2001: +0,7%, 2002: +1,0%, 2003: +0,8%; für 2004 werden +2,1% prognostiziert) (2). Im Jahr 2001 befand sich Österreich für ein Quartal in der Rezession. Der Ökonom Günther Chaloupek bemerkt zurecht: „Wir befinden uns in einem Zustand der Beinahe-Stagnation.“ (3)

Das zeigte sich besonders im starken Rückgang der Bruttoanlageinvestitionen 2001 (-2,2%) und 2002 (-4,8%), wobei hier vor allem die Ausrüstungsinvestitionen einbrachen und in beiden Jahren um 13 % zurückgingen. Parallel dazu stagnieren die Profitraten. Wenn wir als einen Annäherungswert die Kategorie der „Gewinnspanne“ aus der bürgerlichen Statistik nehmen, zeigt sich, dass diese 2002 nur um +0.5% wuchsen, 2003 erstmals seit 1993 sanken (-0.1%) und für 2004 und 2005 ein bescheidenes Wachstum von +0.4% bzw. +0.8% prognostiziert wird (4).

Die kurzfristigen Konjunkturaussichten hängen bei einer so stark vom Weltmarkt abhängigen Ökonomie wie der österreichischen naturgemäß von den internationalen Entwicklungen ab. Je nach Entwicklung der US- und der EU-Ökonomie wird Österreich entweder weiterhin stagnieren bzw. ein schwaches Wachstum erleben oder erneut in eine Rezession geraten.

Das Drücken der Lohnkosten ein zentrales Mittel des Kapitals, um die Profitrate zu erhöhen. In der Tat gelang es der österreichischen Bourgeoisie – dem internationalen Trend folgend – im letzten Jahrzehnt, ihre Position auf Kosten der Arbeiterklasse zu stärken und in den letzten Jahren eine massive Umverteilung von unten nach oben durchzusetzen. Die Lohnquote (der Anteil der Löhne am Volkseinkommen) fiel seit 1982 fast durchgehend. Die bereinigte Brutto-Lohnquote ging von 1982-2000 um 8% zurück und steht 2001 auf 72.5%. Die Netto-Lohnquote liegt noch deutlich tiefer (5). Entsprechend stiegen die Gewinne. Dies drückt sich auch in den Jahresabschlüssen in Industrie und Handel aus. Während in der Industrie die ordentlichen Personalaufwendungen 1997-2001 von 19.9% (im Verhältnis zur Betriebsleistung) auf 17.6% zurückgingen und im Handel von 11.4% auf 10.1% (trotz Beschäftigungswachstums!), stiegen die Profite und die Gewinnausschüttungen in der Industrie verdoppelten sich sogar (6). Angesichts der Stagnation der Weltwirtschaft und der verschärften Konkurrenz ist davon auszugehen, dass die Offensive des Kapitals in Richtung Lohnkürzungen unvermindert weitergehen wird.

Ebenso gelang dem Kapital die erfolgreiche Privatisierung öffentlicher Unternehmen. Auch hier liegt Österreich im internationalen Trend, v.a. der EU, in der sich in den 1990er Jahren die Hälfte aller Privatisierungen weltweit abspielte. Vergleicht man die Privatisierungsoffensive in Österreich mit anderen kleineren imperialistischen Ökonomien, so liegt Österreich im oberen Mittelfeld. Im Verhältnis zum BIP lagen die Privatisierungserlöse in Österreich 1998 bei 1.39%, in Portugal bei 4,05%, in Griechenland bei 3,26%, Dänemark 2,58% und Spanien 2,09% (7).

Nichtsdestotrotz existieren hier noch gewaltige Potentiale und das unter der Verwertungskrise leidende Kapital giert nach neuen Märkten. Daher stehen gewaltige Privatisierungen noch bevor bzw. wurden schon eingeleitet – z.B. Böhler-Uddeholm, VA Tech, Voestalpine, Bergbauholding, Telekom Austria, Post sowie viele Dienstleistungsbereiche. Die Industriellenvereinigung schätzte vor 4 Jahren das Privatisierungspotential auf umgerechnet 10.5 Mrd. €.

Als Resultat des Konzentrations- und Zentralisationsprozess des Kapitals bildete sich eine selbstbewusst agierende Großbourgeoisie heraus (z.B. Magna-Boss Stronach, Raiffeisen-Landesbank-OÖ-Chef „König Ludwig“ Scharinger, Prinzhorn). Im Zusammenhang mit der Privatisierungsoffensive werden auch die engen, cliquenhaften Verbindungen von Großkapital und Regierung immer offensichtlicher. Ein Paradebeispiel dafür ist die Affäre um die Homepage von Finanzminister Grasser, der sich diese durch eine Spende von 283.000 Euro (!) von der Industriellenvereinigung finanzieren ließ.

Damit hängt eine wichtige Veränderung in der österreichischen Klassengesellschaft zusammen: In der II. Republik herrschte das Finanzkapital jahrzehntelang durch die institutionelle Einbindung von städtischem Kleinbürgertum, Bauernschaft und Arbeiteraristokratie. Diese Klassenkonstellation bildete im wesentlichen die Grundlage des Systems der Sozialpartnerschaft.

Aufgrund der Krisenperiode des Kapitalismus seit den 1970er Jahren, der Globalisierung und den damit zusammenhängenden Veränderungen der Physiognomie der Klassen – Rückgang des Kleinbürgertums, Angriffe auf die oberen Arbeiterschichten – wurde diesem Block die Grundlage entzogen und das System der Sozialpartnerschaft zerfällt.

Österreich als Junior-Imperialismus

Die Globalisierung des Kapitalismus drückt auch Österreich ihren Stempel auf. Nicht nur in Form des Beitritts zur EU im Jahr 1994, sondern auch durch die wachsende Bedeutung von Auslandsinvestitionen. Die Verbindungen und Abhängigkeiten des österreichischen Kapitalismus von der Weltwirtschaft nahmen in den letzten 12 Jahren deutlich zu.

Diese Entwicklung ist höchst widersprüchlich und weist auf den spezifischen Charakter Österreichs als Junior-Imperialismus hin. Zusammengefasst verstärkte sich die Abhängigkeit und Unterordnung des österreichischen Kapitals gegenüber der EU im allgemeinen und dem deutschen Kapital im besonderen.

Gleichzeitig – und dies steht in einem dialektischen Zusammenhang damit, wie wir unten zeigen werden – konnte das österreichische Kapital seine imperialistische Rolle im halbkolonialen Osteuropa massiv ausbauen.

Folgende Zahlen zeigen deutlich die wachsende Integration der österreichischen Ökonomie in den Weltmarkt. Entsprachen die ausländischen Direktinvestitionen in Österreich 1990 noch 5.85% des Brutto-Inlandsprodukts (BIP) und jener österreichischer Direktinvestitionen im Ausland 2.5% des BIP, so wuchsen diese Werte im Jahr 1995 auf 8.04% bzw. 4.8% des BIP und 2002 auf 19% bzw. 16.8%.

Wir erlauben uns an dieser Stelle eine kurze Anmerkung zum parasitären Charakter des Kapitals am Beispiel Österreichs. Auch wenn die Direktinvestitionen – also weitgehend produktive Investitionen – zunahmen, wird viel mehr Kapital rein spekulativ investiert; sowohl von österreichischen Kapitalisten im Ausland als auch von ausländischen in Österreich. So hatten die grenzüberschreitenden Vermögenswerte Österreichs zum Stichtag 31. Dezember 2001 einen Wert von 303.5 Mrd. Euro. Davon machten Direktinvestitionen 31.5 Mrd. Euro aus. Mit anderen Worten: Nur etwas mehr als 10% aller österreichischen Auslandinvestitionen sind produktiver Natur – der Rest spekulativ. Denn der größte Teil des Vermögensbestands entfiel auf Portfolioinvestitionen, die zum Jahresende 2001 einen Marktwert von 135.2 Mrd. Euro erreichten. Inländische Anleger erhöhten dabei ihren Bestand an Rentenwerten auf 92.2 Mrd. Euro, während sich der Besitz an Anteilspapieren um 9% auf 41,9 Mrd. Euro reduzierte. Das Auslandsvermögen der ÖsterreicherInnen in Form von Krediten, Einlagen und sonstigen Forderungen erreichte Ende 2001 einen Wert von 119.1 Mrd. Euro. Ähnlich verhält es sich mit ausländischen Investitionen in Österreich (8).

Das ausländische Kapital spielt eine immer stärkere Rolle in Österreich. Eine Übersicht über Direkt- und Letzteigentümer und zeigt, von wem die österreichischen Firmen letztendlich kontrolliert werden. Die zwei wichtigsten Eigentümerkategorien sind inländische Nichtbanken, die 37.2% der Beteiligungen besitzen, und ausländische Firmen. Ausländische Firmen halten 32.8% der Beteiligungen direkt, 35.6% als Letzteigentümer und stellen in 37.4% der untersuchten Firmen den größten Letztanteilseigner (9).

Ohne Zweifel konnte sich in den letzten 13 Jahren das ausländische Kapital gegenüber dem inländischen stärken. Die meisten Auslandsinvestitionen kommen aus der EU (2001: 73%) und dabei besonders vom mit Abstand wichtigsten Auslandsinvestor in Österreich – dem deutschen Kapital (43,5%). Damit konnte das deutsche Kapital seine Position in Österreich in den letzten 15 Jahren weiter ausbauen.

Gleichzeitig aber fand mit der Herausbildung eines halbkolonialen Hinterlandes in Ostmitteleuropa eine der wichtigsten Veränderungen für den österreichischen Kapitalismus in der Nachkriegsgeschichte statt. Hier konnte das österreichische Kapital die 1990er Jahre ausnützen, um seine Position zu stärken und teilweise eine führende Rolle einzunehmen. Heute sind österreichische Unternehmen in Slowenien der größte Auslandsinvestor, in der Slowakei belegen sie Platz 2 und in Tschechien und Ungarn Platz 3. Insgesamt stellt Osteuropa den zentralen Ort für Neuinvestitionen im Ausland dar.

Seit 1995 investierte das österreichische Kapital mehr in Osteuropa als in der EU! Insgesamt ist für Österreichs Unternehmen die Bedeutung Osteuropas für den Kapitalexport heute fast genauso groß wie die EU: 2001 lagen 38.2% des österreichischen, im Ausland investierten Gesamtkapitalstocks in der EU, aber bereits 35.7% in Osteuropa (10)! Ende 2001 arbeiteten 70 % der knapp 270.000 in österreichischen Unternehmen im Ausland Beschäftigten in Osteuropa (davon jeweils über 50.000 in Ungarn und in der Tschechischen Republik, 25.000 in der Slowakei und 20.000 in Polen). In der EU findet sich ein Fünftel, außerhalb Europas nur weniger als ein Zehntel der Beschäftigten (11).

Hier zeigt sich eine Ausnahmeposition Österreichs im Vergleich zu den imperialistischen Konkurrenten in der EU und weltweit. Für kein imperialistisches Land spielt das halb-koloniale Osteuropa eine so wichtige Rolle für den Kapitalexport wie für Österreich. Während Osteuropa, das Ziel nur von 2% aller weltweiten ausländischen Direktinvestitionen ist, strömen zwischen 2-5% aller Auslandsinvestitionen des deutschen, schweizerischen oder skandinavischen Kapitals in diese Region. Hingegen geht ein Drittel aller ausländischen Direktinvestitionen in Österreich beheimateter Unternehmen nach Osteuropa (12)!

Der Grund dafür? Österreichs Unternehmen investieren v.a. in Branchen mit geringer Kapitalintensität und hoher Arbeitsintensität, also technologisch rückständigen Branchen, da das österreichische Kapital selber schwächer und rückständiger ist als die Konkurrenz in der EU. Für das österreichische Kapital liegt die Profitrate für Auslandsinvestitionen in Osteuropa deutlich höher als in Westeuropa oder den USA. So lag 1999 die Eigenkapitalrentabilität für österreichische Investitionen in Osteuropa bei 10.4%, jedoch nur bei 5.7% in Westeuropa oder Übersee (13).

Osteuropa spielt als Quelle eines imperialistischen Extraprofits also eine zentrale Rolle für das österreichische Kapital.

Spätestens an diesem Punkt müssen wir jedoch auf folgendes Phänomen hinweisen. Die massiven Auslandsinvestitionen in Osteuropa und die wachsende Stellung des deutschen Kapitals in Österreich sind nicht zwei voneinander unabhängige Prozesse, sondern stehen in engem Zusammenhang. Teilweise nützt das ausländische – v.a. das deutsche – Kapital Österreichs Position in Osteuropa. Nach einer Untersuchung der Österreichischen Nationalbank waren 1999 bei den österreichischen Auslandsinvestitionen insgesamt knapp 23% der aktiven Beteiligungen und 32% der im Ausland Beschäftigten ausländisch beeinflusst. Das ist jedoch nur der Durchschnittswert. Bei den Auslandsinvestitionen in der EU bzw. dem restlichen Europa betrug der Einfluss ausländischer Konzerne 18 bis 19% bei den Beteiligungen bzw. nur 16 bis 18% bei den Beschäftigten. Im Falle der österreichischen Auslandsinvestitionen in Osteuropa jedoch lag dieser Anteil bei 26% bei den Beteiligungen und 39% bei den Beschäftigten (14).

Mit dem EU-Beitritt der ostmitteleuropäischen Länder 2004 könnte jedoch diese Position unter Druck kommen, da dadurch der Zugang zu den osteuropäischen Märkten für andere Kapitalien leichter wird. Eine solche Entwicklung hätte wiederum massive negative Folgen für das österreichische Kapital. Andererseits jedoch könnte das österreichische Kapital seine Rolle als Junior-Imperialismus nützen und sich durch verstärkte Unterordnung unter das deutsche Kapital Nischen in Osteuropa sichern.

Fazit: Österreich ist ein Junior-Imperialismus des großen deutschen Bruders in einer sich globalisierenden Welt. Sein Motto lautet: nach oben (Deutschland und EU) buckeln und nach unten (Osteuropa) treten. Um seine Position am Weltmarkt zu verteidigen, muss es sich angesichts des zunehmenden Konkurrenzkampfes und des weltweiten Konzentrations- und Zentralisationsprozess – bei Strafe des Untergangs – zunehmend dem EU- und insbesondere dem deutschen Kapital unterordnen.

Probleme und Schwächen des österreichischen Kapitals

Betrachtet man das österreichischen Kapital im internationalen Vergleich, zeigt sich, dass es innerhalb des imperialistischen Lagers nur eine untergeordnete Rolle am Weltmarkt spielt und nach wie vor deutlich schwächer ist als vergleichbare kleinere imperialistische Ökonomien.

Unter den von der US-Wirtschaftszeitschrift „Business Week“ jährlich aufgelisteten Global Top 1000 Konzernen befinden sich nur 2 österreichische Unternehmen (auf Platz 689 und 737), während Belgien 9, Dänemark 6, Finnland 5, Griechenland 7, Irland 4, Niederlande 19, Norwegen 5, Schweden und Schweiz je 17 Top-Konzerne stellen (15). Nur in einigen – auf dem Weltmarkt von seiner Kapitalmasse her aber unbedeutenden – Nischen gelingt es österreichischen Konzernen, eine führende Position einzunehmen. Damit einher geht die oben angeführte Zurückdrängung des österreichischen Kapitals am Binnenmarkt.

Österreichs Kapital gibt nach wie vor sehr wenig für neue Technologien sowie Forschung und Entwicklung aus. Bei den Ausgaben für Forschung & Entwicklung liegt Österreich innerhalb der OECD nur an 14. Stelle und hinter den meisten anderen kleineren imperialistischen Staaten. Nach wie vor ist Österreichs Industrie arbeitsintensiv und rückständig. Die höchsten Exportmarktanteile in die EU liegen in der Holz- und Papierindustrie sowie bei mineralischen Produkten.

Ein anderer Ausdruck der Rückständigkeit des Kapitals ist die niedrige Kapitalproduktivität, also das Verhältnis von eingesetztem Kapital und Output sowie die den technologischen Fortschritt ausdrückende Totale Faktorproduktivität. Ebenso spielen im internationalen Vergleich bei der Kapitalakkumulation in Österreich die Bauinvestitionen eine deutlich höhere Rolle als die Ausrüstungsinvestitionen (16).

All diese Faktoren führen dazu, dass das österreichische Kapital dem tendenziellen Fall der Profitrate und dem wachsenden Druck durch die internationale Konkurrenz nur durch immer schärfere Attacken auf die Arbeiterklasse und die wachsende Ausbeutung Osteuropas begegnen kann.

Zusammengefasst können wir die Resultate der Bemühungen des österreichischen Kapitals folgendermaßen charakterisieren: Die Bourgeoisie konnte ihre Position gegenüber der österreichischen Arbeiterklasse signifikant stärken, im internationalen Konkurrenzkampf gelangen ihr Fortschritte im Aufbau eines halbkolonialen Hinterlandes in Osteuropa; gegenüber den imperialistischen Konkurrenten gelangen ihr insgesamt jedoch keine Fortschritte bzw. fiel sie sogar zurück. Insgesamt ergibt sich daraus der verstärkte Junior-Charakter des österreichischen Imperialismus, der sich an Größere anhängen muss (v.a. Deutschland). Ebenso erklärt sich daraus die Entscheidung der österreichischen Bourgeoisie für eine besonders reaktionäre Regierungsform – die ÖVP/FPÖ-Koalition. Um ihre Position in einer Periode der Krise zu verteidigen, ist die österreichische Bourgeoisie zu noch schärferen Angriffen gegen die Arbeiterklasse gezwungen.

Eigener Weg oder kleiner Bruder Deutschlands?

Wir haben die enorme ökonomische Abhängigkeit Österreichs von der EU im allgemeinen und Deutschland im besonderen nachgewiesen. Gleichzeitig haben wir auch die wachsende Bedeutung Osteuropas für das heimische Kapital aufgezeigt. Was bedeutet dies nun für die politische Positionierung der österreichischen Bourgeoisie innerhalb der EU?

Innerhalb der herrschenden Klasse – insbesondere in der Großbourgeoisie – herrscht Einigkeit darin, dass sie ihr Überleben in einer Welt zunehmender Spannungen und Instabilität nur im Rahmen der EU abgesichert werden kann. Deswegen ist – unabhängig von allen rhetorischen Drohungen seitens mancher FPÖ-Politiker – ein Austritt aus der EU oder auch nur eine ernsthafte Obstruktion zentraler EU-Projekte undenkbar.

Dies bedeutet aber nicht, dass die österreichische Bourgeoisie keine spezifischen Interessen hätte. Beispiele dafür sind die Konflikte rund das AKW in Temelin, die Debatten um die Benes-Dekrete, das Mitspracherecht kleinerer Staaten in der neuen EU-Verfassung oder der Transit-Konflikt.

Insgesamt war die EU-Politik der ÖVP/FPÖ-Regierung seit ihrem Machtantritt im Februar 2000 von Rückschlägen und Schwierigkeiten geprägt. Zuerst einmal der so genannte diplomatische Boykott der EU-Staaten gegenüber Österreich. Diese Krise konnte zwar überwunden werden, aber wie die Niederlage im Transitkonflikt zeigt, gelang es der Regierung Schüssel auch danach nicht, effektives Lobbying zu betreiben und Einfluss in der EU zu gewinnen.

Unabhängig von solchen konjunkturellen Entwicklungen sind die strategischen Überlegungen über das „Mitteleuropa-Konzept“ bedeutsam. Manche Teile des außenpolitischen Establishments (z.B. der frühere ÖVP-Vorsitzende Erhard Busek) streben in Anlehnung an die Vergangenheit des Habsburger Reiches danach, um Österreich einen Block ostmitteleuropäischer Länder zu scharen. Damit erhoffen sie sich eine unabhängigere Rolle Österreichs. Diese Überlegungen werden mit der EU-Osterweiterung noch bedeutender.

Aus verschiedenen Gründen ist eine ernsthafte Umsetzung dieses „Mitteleuropa-Konzepts“ jedoch höchst unwahrscheinlich. Erstens unterminierte gerade die teilweise aggressive Außenpolitik der schwarz-blauen Regierung gegenüber osteuropäischen Nachbarstaaten wie der Tschechischen Republik und der reaktionäre Populismus der Regierungspartei FPÖ eine solche außenpolitische Annäherung.

Zweitens aber – und dies ist viel wichtiger – besitzt Österreich nicht das notwendige ökonomische und politische Gewicht, um einen solchen Block zu bilden. Das österreichische Kapital kann sich nicht aus der Umklammerung Deutschlands befreien. Dies trifft umso mehr zu, als wichtige österreichische Vorposten in Osteuropa wie z.B. die Bank Austria mittlerweile einen deutschen Eigentümer haben.

Angesichts der Verschärfung der inner-imperialistischen Konkurrenz und der Polarisierung auch innerhalb der EU (zwischen Deutschland-Frankreich einerseits und Ländern wie Italien, Britannien oder Spanien andererseits) wird Österreichs Spielraum immer geringer. Es ist daher wahrscheinlich, dass Österreich im Fall eines „Europas der zwei Geschwindigkeiten“, mit einem von Deutschland und Frankreich geführten „Kern“ geht.

Neutralität oder Militärbündnis?

Der Druck zur stärkeren Anbindung an die voranschreitende Integration der EU bzw. des deutsch-französischen Kerns drückt sich auch militärisch aus. Dies zeigt sich bei Österreich deutlicher als bei anderen EU-Staaten, da hierzulande seit dem Ende der Besatzung 1955 die Doktrin der außen- und militärpolitischen Neutralität gilt.

Natürlich existierte diese Neutralität niemals wirklich. Politisch und ökonomisch war Österreich immer an den imperialistischen Westen angebunden. Auch militärisch war Österreich nicht wirklich neutral. Dies zeigte sich bei den bereitwilligen Spionage- und Abhördiensten, die Österreich für die NATO leistete (z.B. Projekt Goldhaube, regelmäßige Weitergabe von Informationen durch den Heeresnachrichtendienst an die NATO-Stellen in München). Wie in anderen westeuropäischen Ländern existierte das Gladio-Projekt – ein von westlichen Geheimdiensten eingerichtetes Netz von Stützpunkten, geheimen Waffenlagern und verlässlichen Agenten gegen eine mögliche „kommunistische Machtübernahme“ – auch in Österreich.

Trotzdem beinhaltete die Neutralität zumindest, dass Österreich nicht einem Militärbündnis beitrat. Noch bedeutender war, dass sich in der Bevölkerung ein Bewusstsein breit machte, das mit der Neutralität die Hoffnung verband, nach den schrecklichen Erfahrungen der beiden Weltkriege nicht mehr in Kriege hineingezogen zu werden. Daher war und ist es für die herrschende Klasse nach wie vor schwierig, die Bevölkerung für die Teilnahme Österreich an einem militärischen Abenteuer des US-amerikanischen oder eines anderen Imperialismus zu begeistern.

Doch die voranschreitende EU-Integration, die Notwendigkeit militärischer Aufrüstung und einer eigenständigen EU-Militärpolitik zwingen die österreichische Bourgeoisie immer mehr, das aus der Periode des Kalten Krieges stammende „Dogma“ der Neutralität aufzugeben. Daher der Beitritt zur NATO-„Partnerschaft für den Frieden“ als erster Schritt; daher der Ankauf der teuren, NATO-kompatiblen Eurofighter, daher die (symbolische) Stationierung österreichischer Soldaten im Kosovo und in Afghanistan.

Alles weist darauf hin, dass Österreich in der kommenden Periode einem Militärbündnis beitreten wird. Dabei ist es möglich, dass dies nicht die NATO ist, sondern ein Militärbündnis der EU bzw. von Teilen der EU.

Ein solcher Beitritt wird für die österreichische Bourgeoisie zur Notwendigkeit, zum Preis, den sie für ein „Mitfahren“ im imperialistischen EU-Block zu zahlen hat. Österreich wird sich daher mit aller Wahrscheinlichkeit auch an künftigen Kriegseinsätzen der EU beteiligen.

Allerdings stößt dieser Schritt auf breite Ablehnung in der Bevölkerung und es wird daher nicht so leicht für die herrschende Klasse werden, dieses Projekt durchzudrücken.

Als marxistische RevolutionärInnen lehnen wir einen Beitritt Österreichs zu einem imperialistischen Militärbündnis ab, da dies militaristische Bestrebungen erleichtert. Wir stellen aber einem Beitritt nicht das rosige Bild der Neutralität entgegen.

Der österreichische Staat ist ein imperialistischer, der andere Länder ausplündert und dessen herrschende Klasse immer auch die Mittel zu Verteidigung ihrer imperialistischen Stellung verteidigen wird – auch ohne formelle Mitgliedschaft in NATO oder EU. Eine „wirkliche“ Neutralität Österreichs ist unter kapitalistischen Bedingungen einfach unmöglich.

Schwarz-blauer Generalangriff

Wir haben die Probleme der österreichischen Bourgeoisie unter den Bedingungen des krisenhaften globalen Kapitalismus skizziert. Aus ihnen ergibt sich der unausweichliche Zwang für die herrschende Klasse, die Ausbeutung der Arbeiterklasse drastisch zu erhöhen. Es ist dieser Zwang der kapitalistischen Notwendigkeiten, der sich jede Regierung, die sich auf die Grundlage bürgerlicher Eigentumsverhältnisse stellt, unterwerfen muss. Auch eine rot-grüne Regierung könnte keine wesentlich andere Politik verfolgen als die Regierung Schüssel (wie man eindrucksvoll in Deutschland sehen kann).

Die österreichische Bourgeoisie kam in den späten 1990ern zur Ansicht, dass eine schwarz-blaue Wenderegierung am ehesten geeignet ist, die notwendigen schweren Angriffe auf das Proletariat durchzusetzen. Trotz der massiven Schwächung der FPÖ bei den Nationalratswahlen vor einem Jahr und ihrer damit zusammenhängenden inneren Fragilität, befürwortete das Großkapital im Frühjahr 2003 eine Fortsetzung dieser Koalition.

Die jüngste Pensionsreform und die vollständige Privatisierung des Linzer Stahlkonzerns Voest zeigen, dass nun die wirklich schweren Angriffe auf die Errungenschaften der Arbeiterbewegung folgen. Das Ziel der herrschenden Klasse und ihrer Regierung ist eine massive Veränderung des Klassenverhältnisses zu ihren Gunsten und eine substantielle Schwächung der Arbeiterbewegung. Es handelt sich also sowohl um eine ökonomische Offensive zwecks Verbesserung der Verwertungsbedingungen für das Kapital als auch eine politische Offensive ähnliche wie jene Reagans and Thatchers in den 1980ern.

Die Pensionsreform war der erste erfolgreiche Großangriff von Schwarz-Blau II. Weitere werden und müssen – vom Gesichtspunkt des Kapitals – folgen. Hier sind v.a. zu nennen: „Harmonisierung“ der Pensionssysteme, Angriffe auf den Gesundheitssektor, Privatisierung der staatlichen Industrie, Ausgliederungen und Privatisierung im öffentlichen Dienstleistungsbereich (GATS).

Das österreichische Kapital braucht aufgrund der Überalterung der österreichischen Bevölkerung neue, junge und qualifizierte Arbeitskräfte. Bereits seit Jahrzehnten holt das Kapital immer mehr ImmigrantInnen nach Österreich. Machten diese 1965 nur 1.3% aller Lohnabhängigen aus, so stieg dieser Anteil kontinuierlich auf 4.6% (1970), 6.1% (1980), 7.4% (1990), 9.8% (1995) und schließlich 10.6% (2002) (16). Durch die EU-Osterweiterung wird die notwendige verstärkte Arbeitsimmigration erleichtert. Wir gehen also für den Zeitraum der kommenden 5-10 Jahre von einem Zuzug zehntausender Arbeitskräfte v.a. aus Osteuropa aus.

Natürlich verwendet die Bourgeoisie die wachsende Zahl von ArbeitsimmigrantInnen, um den Lohn zu drücken und „teure“ einheimische Arbeitskräfte (inkl. schon eingebürgerter ImmigrantInnen) durch billigere ausländische ArbeiterInnen zu ersetzen. Insofern stellt diese Entwicklung eine enorme Gefahr dar: die Bourgeoisie wird versuchen, den Rassismus zu schüren, dadurch die Klasse zu spalten und von den sozialen Widersprüchen abzulenken.

Doch gleichzeitig enthält die wachsende Immigration ein fortschrittliches Potential, denn sie sprengt die (gerade in Österreich starke) nationalstaatliche Borniertheit und schafft die objektiven Voraussetzungen für einen Internationalismus der Arbeiterklasse. Lenin stellte schon vor mehr als 90 Jahren fest:

„Es besteht kein Zweifel, daß nur äußerstes Elend die Menschen veranlaßt, die Heimat zu verlassen, und daß die Kapitalisten die eingewanderten Arbeiter in gewissenloser Weise ausbeuten. Doch nur Reaktionäre können von der fortschrittlichen Bedeutung dieser modernen Völkerwanderung die Augen verschließen. Eine Erlösung vom Joch des Kapitals ohne weitere Entwicklung des Kapitalismus, ohne den auf dieser Basis geführten Kapitalismus gibt es nicht und kann es nicht geben. Und gerade in diesen Kampf zieht der Kapitalismus die werktätigen Massen der ganzen Welt hinein, indem er die Muffigkeit und Zurückgebliebenheit des lokalen Lebens durchbricht, die nationalen Schranken und Vorurteile zerstört und Arbeiter aller Länder in den großen Fabriken und Gruben Amerikas, Deutschlands usw. miteinander verbindet.“ (17)

Historische Beispiele dafür sind die gemeinsamen Sitzstreiks von schwarzen und weißen Automobilarbeitern Mitte der 1930er Jahre in den USA oder auch die verstärkte Beteiligung türkischer Arbeiter in der deutschen IG Metall. Um eine dauerhafte Überwindung des Rassismus zu erreichen, ist letztlich der Aufbau einer multinationalen, revolutionären Arbeiterpartei notwendig, die den proletarischen Internationalismus in die Klasse trägt.

Die Verschärfung des Klassenkampfes bedingt für die herrschende Klasse auch verschiedene Änderungen auf der Ebene des Staatsapparates. Daher der Ausbau des Polizeistaates und allgemein der sozial-administrativen Kontrolle der Bevölkerung (z.B. Gesundheitschip). Dies wird über kurz oder lang auch zu einem verstärkten Vorgehen gegen Linke (wie auch andere Elemente wie z.B. IslamistInnen) führen.

In Zusammenhang mit den Veränderungen des österreichischen Kapitalismus muss auch die geplante Neuerstellung einer Verfassung durch den Österreich-Konvent gesehen werden. Hier wird die Großbourgeoisie versuchen, die Verfassung zu ihren Gunsten neu zu schreiben.

Das bürgerliche Lager

Trotz der Stärkung der Bourgeoisie in den letzten beiden Jahrzehnten ist das bürgerliche Lager keineswegs frei von inneren Widersprüchen. Der ÖVP ist insgesamt seit dem Höhepunkt ihrer Krise 1994/95 eine bemerkenswerte Konsolidierung gelungen. War sie früher von massiven internen Konflikten zwischen Bund und Ländern geprägt, ist sie nun zu einer einheitlichen Kraft unter Führung des Bonaparten Schüssel geworden. Dies drückt die Hegemonie der neoliberalen Großbourgeoisie innerhalb der Partei (Schüssel, Bartenstein, Raiffeisen-Konzern usw.) und die Unterordnung der ÖAAB-Hofräte in den Gewerkschaften und der Bauern aus.

Dies zeigt sich darin, dass die ÖVP-Führung oft die Interessen der Großbourgeoisie offensiver in der Öffentlichkeit vertritt als die Industriellenvereinigung (she. Pensionsreform). Natürlich schließt dies gewisse innerparteiliche Konflikte in Zukunft nicht aus. Aber erst massive Umbrüche – hervorgerufen entweder durch eine scharfe Wende in der Weltwirtschaft bzw. Weltlage oder durch Niederlagen gegen die Arbeiterbewegung – würden zu einer neuerlichen Führungskrise der Bourgeoisie und damit der ÖVP führen.

Die FPÖ hat ohne Zweifel ihre strategische Krise nach wie vor nicht überwunden. Sie kann sie auch nur überwinden, wenn sie entweder in Opposition geht und sich dort als rechts-populistische, rassistische, neoliberale, radikale Anti-Gewerkschaftspartei konsolidiert (wohl gegen eine Regierung mit SPÖ-Beteiligung) oder wenn sie treibende Kraft in einer Regierung wird, die unter dem Vorzeichen der radikalen Offensive gegen die Arbeiterbewegung und einer Art politischen Ausnahmezustandes steht (vergleichbar mit den USA nach dem 11. September). Beide Varianten sind durchaus denkbar, sind aber gegenwärtig nur unter einer Führung Haiders mit entsprechenden innerparteilichen Umbrüchen denkbar. Mit einem Kurs als Juniorpartner der ÖVP haben die Freiheitlichen keine Zukunft. Nicht auszuschließen wäre auch eine kalte Spaltung etwa in Form einer formellen Trennung der Kärntner FPÖ und die Bildung eines CDU/CSU-Modells mit der Rest-FPÖ.

Die Grünen haben ihren Charakter als besondere bürgerliche Partei bestätigt und konnten mit der Gewinnung des Bezirksvorsteherpostens im 7. Wiener Gemeindebezirk einen gewichtigen Erfolg erzielen. Während sie ganz offensichtlich politisch zu einer vollständig angepassten, bürgerlichen Kraft mutiert sind, verfügen sie nach wie vor über nur geringe Verankerung innerhalb der Bourgeoisie. Insofern stellen sie eine besondere bürgerliche Partei dar – ohne relevante organische Verbindungen mit der Bourgeoisie.

Daher war es auch nicht überraschend, dass die Regierungsverhandlungen mit der ÖVP scheiterten. Dennoch konnten sich die bürgerlichen Kräfte innerhalb der Partei stärken, was sich in der Annäherung an eine Koalition mit der ÖVP und deren Realisierung in Oberösterreich ausdrückt. Die Grünen werden sich wohl weiterhin als liberale, „humanistische“ Partei profilieren (she. ihren Erfolg bei den Hochschülerschaftswahlen 2003) und auf die nächsten Wahlen und eine Regierungsbeteiligung mit der SPÖ oder der ÖVP hoffen.

Die Möglichkeit von vorgezogenen Neuwahlen aufgrund einer Regierungskrise existiert. Es ist aber unwahrscheinlich, dass diese von der ÖVP ausgeht, denn sie könnte dabei nur verlieren (42% sind nicht leicht wiederholbar). Sie könnten nur das Resultat eines Führungswechsels in der FPÖ durch Haider sein, wenn dieser den Moment für gekommen sieht, die letzte Wahlniederlage wettzumachen.

Veränderungen in der Arbeiterklasse

Für die österreichische Arbeiterklasse bedeuteten die letzten Jahre Verarmung und verstärkte Ausbeutung. Die Reallöhne sanken (2001: -1%, 2002: -0.5%, Schätzung für 2003: -0.4%). Während die Beschäftigung in den letzten 10 Jahren insgesamt auf 3,2 Millionen anstieg, schnellte auch die Arbeitslosenrate auf 7% hinauf.

Lag die Zahl der Arbeitslosen 1985 noch bei 103.687, verdoppelte sie sich bis zum Jahr 2003 auf das Rekordniveau von 208.502 bzw. 248.174 (inkl. der aus der offiziellen Statistik „weggeschönten“ Arbeitslosen, die sich in einer Schulung befinden) (19). Der Grund dafür liegt darin, dass das Kapital immer mehr Arbeitskräfte zur Ausbeutung aufsaugt und durch die Verarmung auch immer mehr Menschen zwingt, sich am Arbeitsmarkt anzubieten, gleichzeitig jedoch auch immer mehr ArbeiterInnen zumindest vorübergehend aus einem Beschäftigungsverhältnis ausspuckt.

Allerdings gibt es auch innerhalb der Arbeiterklasse eine wachsende Differenzierung. Während die oberen Schichten in den letzten zwei Jahrzehnten ihre Einkommen steigern konnten, verarmen die unteren Schichten zunehmend (20). Eine Untersuchung zur Einkommensverteilung innerhalb der Lohnabhängigen im Jahre 1999 hält fest: „In diesem Jahr verdienten die einkommensschwächsten 20% der unselbständig Erwerbstätigen nicht einmal 3% des Gesamteinkommens. Hingegen bezogen die einkommensstärksten 20% beinahe die Hälfte des gesamten Einkommens.“ (21)

Diese Entwicklung geht Hand in Hand mit einer drastischen Zunahme der Teilzeitarbeit und prekärer Dienstleistungsverhältnisse. Zwischen 1980 und 1999 stieg der Anteil der Teilzeitbeschäftigten von 6.1% auf 13.3%. (22) Auch die Anzahl von geringfügig Beschäftigten – im Frühjahr 2003 waren es 211.000 (23) – und der Selbstständigen steigt. Eine Untersuchung im Bundesland Steiermark zeigt, dass der Anteil der Einzelunternehmen an den Unternehmensneugründungen deutlich zunimmt. Fielen 1993 noch 73.5% aller Neugründungen unter diese Kategorie, waren es 2001 bereits 85.1% (24).

Diese Entwicklung betrifft besonders Frauen. Während die letzten 2-3 Jahrzehnte von einem Wachstum der Frauenbeschäftigung (und einem Rückgang der Männerbeschäftigung) gekennzeichnet waren, hat der Anteil von Frauen besonders in den unteren Schichten der Arbeiterklasse zugenommen. Fast alle Teilzeitbeschäftigten sind Frauen. So hat sich der Anteil der teilzeitarbeitenden Frauen zwischen 1980 und 1999 von 15.5% auf 28.7% fast verdoppelt (25). Die einzige Ausnahme in dieser Entwicklung sind jene Frauen, die als Beamtinnen im öffentlichen Dienst eintraten und deren Löhne sich im Gleichklang mit denen ihrer männlichen Kollegen entwickelten. Außerdem sind von den drastischen Angriffen auf das Sozialsystem Frauen noch deutlich stärker betroffen als Männer. Verstärkte reaktionäre Vorstöße sind auch von den militanten AbtreibungsgegnerInnen möglich, auch wenn kurzfristig von staatlicher Seite her nicht mit einer Einschränkung des Rechts auf Abtreibung zu rechnen ist.

Die Zahl der arbeitslosen Frauen steigt. Besonders betroffen sind Wiedereinsteigerinnen und Ausländerinnen. Die Einführung des Kindergeldes hat die längere, über 2 Jahre dauernde Babypause attraktiver werden lassen, der Kündigungsschutz endet jedoch nach 2 Jahren und der Job ist dann zumeist längst vergeben. Die gestiegene Arbeitslosigkeit führt dazu, dass schlecht ausgebildete Frauen von besser qualifizierten Arbeitskräften verdrängt werden, was besonders Ausländerinnen trifft.

In den vergangenen Jahren gab es auch wichtige Veränderungen im Jugendbereich. Im Gegensatz zu den meisten kapitalistischen Staaten ist die Jugendarbeitslosigkeit in Österreich nach wie vor relativ gering. Dennoch darf nicht unterschätzt werden, dass für die proletarische Jugend die Suche nach einer Lehrstelle schwieriger geworden ist und sie teilweise durch schulische Maßnahmen aufgefangen wird. Bedeutsam ist auch der steigende Bildungsgrad: Heute besucht eine deutliche Mehrheit – zumindest in Wien – der 14- bis 18jährigen ein Gymnasium und 27.9% aller 18-21jährigen gehen auf die Universität oder eine Fachhochschule (in Wien: 38.1%).

Politisch muss als wichtigste Veränderung wohl die massive Politisierung von Teilen der Jugend – v.a. im Schülerbereich – angesehen werden. Sie spielten (nicht nur in Österreich!) eine gewisse Avantgarderolle in der Anti-Kriegsbewegung. Hingegen zeigten sich eine deutliche Demoralisierung und Anpassungsdruck auf den Hochschulen nach den Niederlagen bei den Studiengebühren. Diese Konstellation wird wohl auch im kommenden Jahr bestehen bleiben.

Insgesamt also schwächt die kapitalistische Krise die materielle Basis der Arbeiterklasse. Grob gesprochen verarmt die Klasse und wird in ihrer Konsistenz aufgeweicht. Während die Kernsektoren in der Industrie und dem Transportsektor durch Privatisierungen und Entlassungen geschwächt werden, nimmt das Gewicht der Randschichten – also der wenig geschützten ArbeiterInnen, der in oft kleinen Dienstleistungsbetrieben Beschäftigten usw. – zu.

Arbeiterbewegung vor neuen Herausforderungen

Wie bereits erwähnt, erlebte Österreich 2003 neben der Antikriegsbewegung erstmals seit drei Jahrzehnten Massenstreiks. Dies waren für Österreich ohne Zweifel historische Ereignisse. Hier muss man sich vor Augen halten, dass Österreich eine traurige Tradition der fast absoluten Klassenkampfruhe nach 1950 besitzt. Nach der Niederlage des Oktoberstreiks 1950 (26) kam es in Österreich durch das System der Sozialpartnerschaft – also der weitgehenden Einbindung der Arbeiterbürokratie in die politischen Herrschaftsmechanismen des bürgerlichen Staates – kaum noch zu Streiks. In allen internationalen Untersuchungen über Streiks liegt Österreich daher ganz am Ende. Zwischen 1975 und 1993 streikten Österreichs Lohnabhängige im Durchschnitt 1.7 Minuten – ein internationaler Minusrekord, der nur von der Schweiz unterboten wurde. Zwischen 1990 und 1998 entfielen auf je 1.000 unselbständig Beschäftigte 2 durch Streiks verlorene Arbeitstage – eine Bilanz, die nur von Japan unterboten wird.

Wir wollen an dieser Stelle nicht den Verlauf der Streiks und die Gründe ihrer Niederlage analysieren. Wir haben dies bereits an anderer Stelle getan (27). Vielmehr wollen wir hier die wichtigsten Konsequenzen und Lehren für die Arbeiterbewegung benennen.

Nicht nur die Antikriegsbewegung, auch der Widerstand gegen die Pensionsreform endete in einer Niederlage. So schwer diese Niederlage im materiellen Sinne auch ist – die Pensionen wurden massiv gekürzt – so stellt sie keine strategische Niederlage dar (28). Der Streik des Bordpersonals bei der Fluglinie AUA und der Arbeitskampf der Eisenbahner kurz danach im Herbst 2003 zeigen das.

Die Klassenkämpfe 2003 brachten äußerst wichtige Erfahrungen und politische Folgewirkungen. Besonders bedeutsam ist das Ende der Klassenkampfruhe, die wie ein Alp auf der österreichischen Arbeiterbewegung lastete. Ab nun sind Streiks und Massendemonstrationen kein Tabu mehr.

Die Ursache für die Niederlagen liegt vor allem am Verrat der reformistischen Bürokratie. Unter dem Druck der Basis musste die Bürokratie den Kampf beginnen, aber als dieser aufgrund mangelnder Kompromissbereitschaft der Bourgeoisie eine Radikalisierung der Kampfformen erforderte, knickte sie ein.

Dies weist auf ein grundlegendes Problem der Streiks und der Arbeiterbewegung im allgemeinen hin: die unangefochtene Vorherrschaft der reformistischen Bürokratie über die Arbeiterklasse. Oder in anderen Worten: die himmelschreiende Kluft zwischen der Schärfe der Klassengegensätze und der Notwendigkeit des konsequenten Klassenkampfes und dem Fehlen einer revolutionären Führung.

So wichtig die Massenstreiks auch waren, so muss man auch sehen, dass sie in höchst bürokratischer Weise durchgeführt wurden. Es kam de facto zu keinen authentischen Basisversammlungen, diese dienten vielmehr der Selbstdarstellung der gewerkschaftlichen FührerInnen. Die Bewegung dauerte auch zu kurz, als dass eine Bewegung an der Basis hätte entstehen können. Die Hegemonie der reformistischen Bürokratie um ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch konnte daher keineswegs in Frage gestellt werden.

Durch die Jahrzehnte sozialpartnerschaftlicher Friedhofsruhe besitzt das österreichische Proletariat – nicht einmal sein fortgeschrittener, kämpferischer Teil – keine Tradition der Organisierung an der Basis und der Opposition gegen die Gewerkschaftsspitze. Daraus resultiert auch eine oft passive Haltung der Basis gegenüber der Führung. Viele ArbeiterInnen sind oft empört über das Vorgehen der Spitzen, aber es fehlt ihnen an Selbstvertrauen und Organisation, um etwas dagegen zu unternehmen. Dieses strategische Problem existiert in vielen Länden, ist jedoch in Österreich aus historischen Gründen (Sozialpartnerschaft, Klassenkampfruhe usw.) stärker ausgeprägt als in vielen anderen Ländern.

Dennoch wäre es falsch, wichtige Veränderungen und „unterirdische“ Entwicklungslinien zu ignorieren. Die ununterbrochene Offensive des Kapitals auf die sozialen Errungenschaften der Arbeiterklasse, die zunehmende ideologische Diskreditierung des Neoliberalismus und die internationalen Beispiele klassenkämpferischen Widerstandes machen die bisherige passive Politik der Gewerkschaftsbürokratie immer unhaltbarer. Bereits im Frühjahr zwang der ungeheure Druck der Basis die Verzetnitsch-Führung, Streiks zu organisieren. Dazu wird es wohl auch in Zukunft kommen.

Aber die verstärkten Klassenauseinandersetzungen führen auch zu ersten Ansätzen einer Differenzierung innerhalb der Bürokratie und der Herausbildung eines „links“-reformistischen, „kämpferischen“ Flügels wie z.B. Robert Hengster (Gewerkschaft für Handel-Transport-Verkehr – HTV) und die AUA-Betriebsräte, Robert Wurm und die Postbus-GewerkschafterInnen, in gewissen Sinn auch Sallmutter von der GPA oder Eisenbahner-Chef Haberzettel.

Dieser Flügel zeichnet sich nicht dadurch aus, dass er für den bedingungslosen Klassenkampf gegen die Offensive des Kapitals eintritt. Aber während für Verzetnitsch und die Mehrheitsfraktion in der Bürokratie der Streik eigentlich nur ein unvorhersehbares (und höchst bedauernswertes) Notmittel darstellt, sieht dieser „kämpferische“ Flügel der Bürokratie die Notwendigkeit und „Normalität“ von Streiks, um dem Kapital zumindest zu gewissen Zugeständnissen zu zwingen.

Natürlich steht dieser Flügel auch nicht für Basisdemokratie, aber er sieht, dass es für die Durchführung von Streiks auf die Dauer nicht ausreicht, die Basis passiv zu halten. Sie verfolgen eine Strategie der bürokratisch kontrollierten, begrenzten Mobilisierung der Basis für Streiks und andere Formen des Kampfes, um in Verhandlungen mit dem Kapital ein besseres Ergebnis zu erzielen. Während also Verzetnitsch & Co. noch von einer Rückkehr zu den guten alten Zeiten der Sozialpartnerschaft träumen oder besser: phantasieren, versucht der „linke“ Flügel, die reformistische Politik den Bedingungen der neuen Periode – also des Endes der Sozialpartnerschaft und der Unausweichlichkeit zunehmender Klassenzusammenstöße – anzupassen.

Bilanz und Ausblick des Klassenkampfes

Dass eine solche kämpferische reformistische Politik nicht ausreicht, um die Interessen der Arbeiterklasse zu verteidigen, zeigen alle internationalen Beispiele. Hierzu ist eine grundlegende Revolutionierung der Gewerkschaften notwendig, also eine konsequent klassenkämpferische Politik verbunden mit einer Strategie des revolutionären Sturzes des Systems der kapitalistischen Ausbeutung, der radikalen Demokratisierung der Gewerkschaft und der Beseitigung des bürokratischen Apparates. Der Aufbau einer Basisbewegung und die Bildung einer revolutionären, kommunistischen Gewerkschaftsfraktion sind Voraussetzungen dafür.

Die tatsächliche Entstehung einer Basisbewegung kann jedoch nur vor dem Hintergrund länger andauernder Konflikte stattfinden, in denen Teile der Basis bzw. der unteren Schichten der Bürokratie in Konflikt mit der Führung geraten. Solche werden stattfinden, auch wenn wir natürlich nicht sagen können, wie lange es noch dauert.

Um in den kommenden Klassenauseinandersetzungen in diese Richtung zu wirken, müssen marxistische RevolutionärInnen einerseits für die zum Sieg notwendigen, militanten Kampfmittel eintreten (Massenstreik, aktiver unbefristeter Generalstreik). Andererseits gilt es, Organisationsformen vorzuschlagen, die die Schlagkraft der Klasse sowie die Eigenständigkeit der Klasse gegenüber der Bürokratie erhöhen und eine  demokratische Kontrolle der AktivistInnen über ihren jeweiligen Kampf ermöglichen. Zentrale Mittel dafür sind Aktions- und Streikkomitees in den Betrieben und Ausbildungsstätten sowie Urabstimmungen über Verhandlungsergebnisse.

Abschließend eine Bemerkung zur Sozialdemokratie. Die SPÖ-Führung unter Alfred Gusenbauer verfolgt weiterhin ihren Kurs, verbale Opposition gegen Sozialabbau mit Vorschlägen für eine Modernisierung des österreichischen Kapitalismus zu verbinden. Allerdings hält sich die Nachfrage nach solchen Ratschlägen seitens der Bourgeoisie in Grenzen – ein Schicksal, dass dem Reformismus oft widerfährt.

Die SPÖ versucht (mit gewissem Erfolg), durch eine Stärkung der traditionellen Arbeitsteilung mit der Gewerkschaftsbürokratie, den Aufschwung der Klassenkämpfe zu nützen, ohne sich deswegen als Verhandlungspartnerin für die Großbourgeoisie zu diskreditieren. Sie überlässt den Abwehrkampf den Gewerkschaften und „unterstützt“ sie auf politischer Ebene (durch parlamentarische Initiativen, Volksbegehren etc.).

In diesen Rahmen gehören auch die Avancen an die FPÖ. Sie sind nicht als ein ernsthaftes Vorspiel für eine rot-blaue Koalition zu werten. Aufgrund der stärkeren Abgehobenheit der Partei von der Gewerkschaft spiegeln sich Klassenkämpfe einstweilen nur im geringen Ausmaß in der Partei wieder. Das kann sich ändern (Ansätze eines linken Flügels gibt es in der Jugendorganisation), steht aber nicht kurzfristig bevor. Ebenso wenig ist mit einem politischen Meinungsstreit innerhalb der Parteibürokratie zu rechnen (auch wenn es durchaus personelle Machtkämpfe geben kann). Insofern sind also in der nächsten Periode die Gewerkschaften als Fokus des Klassenkampfes wichtiger als die SPÖ.

In den kommenden Jahren stehen weitere schwere Angriffe aber auch massive Abwehrkämpfe bevor. Bei den Angriffen wird es sich dabei einerseits möglicherweise um neuerliche imperialistische Kriege handeln, andererseits kommen neue Angriffe auf zentrale Errungenschaften der Arbeiterklasse in den nächsten Jahren so sicher wie die Nacht nach dem Tag. Insbesondere die Privatisierung von traditionellen Bastionen der österreichischen Arbeiterbewegung (der Stahlkonzern Voest, Post, Telekom, Bundesbahn, der Werkzeugstahlerzeuger Böhler Uddeholm) sind bereits heute Brennpunkte des Klassenkampfes. Zusätzlich wird es weiterhin verallgemeinerte Angriffe auf das Pensions- und Gesundheitssystem sowie die Kollektivverträge geben.

Insgesamt haben die Massenproteste und Streiks 2003 gezeigt, dass die neue weltpolitische Periode auch in Österreich Einkehr hält und die Folgen der Nachkriegsordnung auch im Bewusstsein der Arbeiterklasse und der Jugend zertrümmert.

Wir stehen an einem Wendepunkt: Klassenkämpfe, wie sie auch in anderen Ländern in den letzten Jahrzehnten stattgefunden haben, sind auch in Österreich in den nächsten Jahren wahrscheinlich. Sie werden sowohl zu einer härteren Vorgangsweise der herrschenden Klasse führen, als auch zu einer Radikalisierung der Arbeiterklasse und ihrer Avantgarde.

 

Fußnoten und Anmerkungen:

(1) Eine ausführlichere Untersuchung des österreichischen Kapitalismus nach dem II. Weltkrieg siehe: Michael Gatter: Gestärkt, aber nicht stark genug. Die Rezession erinnert den österreichischen Imperialismus an seine historischen Schwächen; Revolutionärer Marxismus Nr. 10, 1993

(2 ) Bank Austria: REPORT 4/2003, S. 20

(3) Günther Chaloupek: Ein Jahrzehnt der Stagnation?; Arbeit und Wirtschaft 5/2003, S. 18

(4) Gerhard Fenz, Martin Schneider und Martin Spitzer: Gesamtwirtschaftliche Prognose für Österreich 2003 bis 2005 vom Frühjahr 2003; Österreichische Nationalbank, 20. Mai 2003

(5) Markus Marterbauer, Ewald Walterskirchen: Lohnquote sinkt seit zwei Jahrzehnten;  Arbeit & Wirtschaft, Februar 2003

(6) Alfred Kraus: Von der Arbeit zum Kapital; Arbeit & Wirtschaft, Januar 2003

(7) Friedrich Schneider/Elisabeth Dreer: Privatisierung und Deregulierung in Österreich in den 90er Jahren: Stillstand oder Fortschritt?

(8) Patricia Fahrngruber: Internationale Vermögensposition Österreichs im Jahr 2001; Österreichische Nationalbank: Berichte und Studien 3/2002, S. 52f.

(9) Klaus Gugler: Corporate Governance, Investitionen und Wachstum; Österreichische Nationalbank: Berichte und Studien 1/2003, S. 219

(10) Österreichische Nationalbank: Internationale Verflechtung der österreichischen Wirtschaft weiter gestiegen, 21. Juli 2003, Tabelle 2.1

(11) Österreichische Nationalbank: Internationale Verflechtung der Österreichischen Wirtschaft weiter gestiegen; http://www2.oenb.at/oenb/zabil/direkt_jahreswechsel_2001_2002.htm

(12) Gertrude Tumpel-Gugerell (Vize-Gouverneurin der Österreichichen Nationalbank: World Investment Directory: Central and Eastern Europe 2003, Wien, 9. 4. 2003, http://www2.oenb.at/cgi/reden_p.pl?http://www2.oenb.at/presseaussendungen/

re030408.htm=http://www2.oenb.at/presseaussendungen/*

(13) Ebenda

(14) Rene Dellmour: Osterreichs Direktinvestitionen und die EU-Erweiterung; Österreichische Nationalbank, Berichte und Studien 2/2002, S. 224

(15) The Business Week Global 1000; Business Week, 14.7.2003, S. 48ff.

(16) Markus Marterbauer: Der Verlust des Wachstumsvorsprungs. Österreichs makroökonomische Entwicklung 1970 bis 2000; Wirtschaft und Gesellschaft, Heft 4/2001

(17) Wirtschaftskammer Österreich: Statistisches Jahrbuch 2003, eigene Berechnungen.

(18) W. I. Lenin: Kapitalismus und Arbeiterimmigration; Lenin Werke, Band 19, S.447

(19) Wiener Zeitung: Arbeitsmarkt: Keine Entspannung, 3. 10. 2003

(20) Eine Autorin der Arbeiterkammer stellt dazu fest: „In den neunziger Jahren hingegen blieben die Löhne und Gehälter der unteren drei Dezile deutlich hinter der Durchschnittsentwicklung von 37% zurück. Währenddessen entwickelten sich die oberen zwei Dezile aufgrund des Anstiegs der Angestellten und Beamt/innengehälter überdurchschnittlich. Eine Verstärkung der Einkommensungleichheit in Österreich in den Neunzigern wird auch in anderen Studien festgestellt…“ (Christa Schlager: Löhne und Gehälter 1980-1999; Arbeiterkammer Wien: Wirtschaft und Gesellschaft, Heft 3/2001, Wien 2001, S. 357) Siehe auch: Michael Mesch: Vertikale und intraindustrielle Lohnstreuung in Österreich 1980-94; Wirtschaft und Gesellschaft, Heft 2/2003 sowie: Michael Mesch: Die Branchenlohnstruktur in Österreich 1980-94;  Wirtschaft und Gesellschaft, Heft 3/2002

(21) Thomas Hirnschrodt/Thomas Höpfl: Reichtum und höhere Einkommen in Österreich; Institut für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften: WISO Heft 4/2002, S. 185

(22) Christa Schlager: Löhne und Gehälter 1980-1999; Arbeiterkammer Wien: Wirtschaft und Gesellschaft, Heft 3/2001, Wien 2001, S. 348

(23) Arbeit & Wirtschaft, April 2003, S. 13. Als geringfügig Beschäftigte gelten jene, deren Monatseinkommen nicht 309 Euro überschreitet. Sie zählen in den offiziellen bürgerlichen Statistiken nicht zu den unselbstständig Beschäftigten.

(24) Marcel Kirisits: Atypische Beschäftigung; Wirtschaft und Gesellschaft, Heft 1/2003, S. 50

(25) Christa Schlager: Löhne und Gehälter 1980-1999; Arbeiterkammer Wien: Wirtschaft und Gesellschaft, Heft 3/2001, Wien 2001, S. 349

(26) Im Oktober 1950 fand ein wilder Massenstreik gegen die Preissteigerungen statt. Die sozialdemokratische Gewerkschaftsbürokratie ging mit Prügelgarden gegen den Streik vor, der schließlich – v.a. aufgrund der Politik der Kommunistischen Partei – in einer Niederlage endete. Siehe dazu: ArbeiterInnenstandpunkt Nr. 30, November 1990.

(27) Siehe ArbeiterInnenstandpunkt Nr. 129 sowie diverse Artikel erschienen in unserer Internet-Publikation Red Newsletter. (www.arbeiterInnenstandpunkt.net)

(28) Unter einer „strategischen Niederlage“ verstehen wir eine Niederlage der Arbeiterklasse in einem solchen Ausmaß, dass dadurch für einen längeren Zeitraum hinweg das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen zugunsten der Bourgeoisie verschoben wird. Die Arbeiterbewegung bzw. ihre Avantgardesektoren werden also durch diese Niederlage politisch und organisatorisch dermaßen geschwächt und zurückgeworfen, dass ihre Kampfkraft substantiell reduziert wird.




Österreich: Heraus zum Schulstreik gegen Schwarz Blau!

REVOLUTION-Austria, Infomail 978, 13. Dezember 2017

Hiermit veröffentlichen wir einen Aufruf der Jugendorganisation REVOLUTION zum Schulstreik gegen die Angelobung von Schwarz-Blau.

Es wird immer klarer. Die nächste Regierung wird von ÖVP und FPÖ gebildet werden. Das bedeutet für Jugendliche konkret einige Verschlechterungen. Zwischen 2000 und 2006 gab es nämlich schon einmal eine schwarz-blaue Koalition, die bei Bildung, Gesundheit und Sozialem eingespart hat. Wir werden genauso mit Einsparungen bei unseren Schulen rechnen müssen, wie mit der Wiedereinführung von Studiengebühren. Lehrlinge werden genauso getroffen werden wie erwachsene ArbeiterInnen. Am schlimmsten werden aber MigrantInnen, Flüchtlinge und MuslimInnen betroffen sein. Grund genug dagegen auf die Straße zu gehen.

Am Tag X (also am noch unbekannten Tag der Regierungsangelobung von Schwarz-Blau) organisieren verschiedene Gruppen, darunter auch wir von REVOLUTION, einen Schulstreik. Gemeinsam mit anderen linken Bündnissen wird es am Tag X mehrere Demonstrationen und Kundgebungen gegen die schwarz-blaue Sozialabbauregierung geben. Der Schulstreik wird von Landstraße/Wien Mitte aus in die Innenstadt zum Ballhausplatz ziehen. Um möglichst viele Menschen auf diesen Schulstreik zu bringen, musst aber auch du aktiv werden! Sprich dich mit gleichgesinnten MitschülerInnen zusammen und macht in der Schule auf den Schulstreik aufmerksam. Kommt als ganze Klasse zum Streik! Meldet euch bei uns auf Facebook (fb.com/onesolutionrevolution.at) oder über unsere E-Mail-Adressen revolution@onesolutionrevolution.at und holt euch Sticker und Flyer. Lasst uns gemeinsam dieser Regierung zeigen was wir von ihr halten!

Seit Sebastian Kurz die ÖVP in neuen Farben angestrichen hat und sich FPÖ und die „Liste Kurz“ darum streiten, wer denn glaubhafter Hetze und Rassismus verbreiten kann, ist klar, dass die FPÖ und ÖVP gemeinsame Sache beim „Schutz des Abendlandes“ machen wollen. Die staatlichen Ausgaben sollen um mehr als 10 Milliarden gekürzt werden. Das wird auch unsere Schulen und unsere Bildung betreffen. Seit 2000 gab es immer wieder Angriffe von Seiten der Regierung auf unsere Bildung. 2003 wurden die Stunden bei gleichbleibendem Unterrichtsstoff reduziert. 2009 sollten die Schulautonomen Tage gekürzt werden (das konnte mit massiven Schulstreiks verhindert werden). 2015 wurde eine miserable Zentralmatura über die Köpfe von uns SchülerInnen hinweg eingeführt. Eine schwarz-blaue Regierung wird mit ihrem Sparzwang dieser Reihe an Verschlechterungen in nichts nachstehen und sie mit großer Sicherheit sogar noch weiter verschärfen.

Um von den geplanten massiven Einsparungen Im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsbereich abzulenken, spielt die neue Koalition die Karte des Rassismus. Uns soll weiß gemacht werden, dass wir uns die „Wirtschaftsflüchtlinge“ nicht mehr leisten können, anstatt das Geld dort zu holen wo es in Unmengen vorhanden ist – bei den Reichen. Uns wird gesagt, dass der Islam nicht zum „europäischen Abendland“ gehört, anstatt endlich den Einfluss der katholischen Kirche im österreichischen Staat zu beenden. Wir sollen glauben, dass Flüchtlinge „unsere Frauen“ nicht ehren würden, während einem FPÖ Mandatar vorgeworfen wird eine Frau krankenhausreif geprügelt zu haben und FPÖ und ÖVP es ablehnen Abtreibungen aus dem Strafgesetzbuch zu streichen.

Doch wir lassen uns nicht nach Herkunft oder Geschlecht trennen, wir gehen gemeinsam am Tag X gegen diese rechte Regierung auf die Straße. Zeigen wir schon heute, dass wir die kommenden Angriffe der Regierung auf der Straße zurückschlagen wollen und kollektiv für eine gerechte Gesellschaft stehen. Werde gemeinsam mit uns gegen diese Regierung aktiv und schließ dich mit deinen MitschülerInnen dem Schulstreik an!

Treffpunkt: Tag X, 8:30 bei Landstraße/Wien Mitte

FB-Veranstaltung: https://www.facebook.com/events/1557151571019203/

Schulstreik gegen Schwarz-Blau auf Instragram: https://www.instagram.com/schulstreik_gegen_schwarzblau/