Nein zur Kündigung von Inés: Gewerkschaftlich gegen Union Busting organisieren!

REVOLUTION, ursprünglich veröffentlicht auf https://onesolutionrevolution.de, Infomail 1228, 20. Juli 2023

Inés ist Sozialarbeiterin an einer Berliner Schule und aktives Mitglied der GEW und jungen GEW. Am 10.07.2023 wurde sie seitens ihres Trägers Technische Jugendfreizeit- und Bildungsgesellschaft (tjfbg) außerordentlich und fristlos gekündigt. Grund dafür war die Tatsache, dass sie ihre Kolleg:innen über eine Kundgebung gegen die geplanten Sparmaßnahmen im Neuköllner Sozialetat informiert hat.

Mit der rechtlich absolut haltlosen Kündigung versucht der Träger gewerkschaftliches und politisches Engagement im Betrieb zu verhindern und an Inés ein Exempel zu statuieren. Kolleg:innen sollen eingeschüchtert werden. Der Träger will uns zeigen, was uns droht, wenn wir den Mund aufmachen. Getroffen hat es Inés, aber gemeint sind wir alle, die sich unseren Betrieben, Schulen und Unis für bessere Arbeitsbedingungen und gegen sozialen Kahlschlag einsetzen. #WirsindInés

Umso wichtiger ist es nun, dass diese Gewerkschaftsfeinde nicht mit ihrer miesen Nummer durchkommen. Wir solidarisieren uns mit Inés und fordern die Rücknahme der Kündigung seitens der Geschäftsführung und Geschäftsführer Thomas Hänsgen!

Die junge GEW Berlin hat eine Petition zur Unterstützung ihrer Kollegin gestartet. Wir rufen euch dazu auf, diese zu unterzeichnen:

https://docs.google.com/forms/d/e/1FAIpQLScZFsRwzEuusmSerFPma0t876gnrCjKP48nChprnrmO3C7T4Q/viewform

Die Petition hat bereits etliche Unterschriften bekommen und setzt den Träger vermutlich bereits stark unter Druck. Dennoch braucht es weitere Schritte. Wenn die GEW tatsächlich die Interessen der Angestellten gegenüber den Bossen vertreten will, muss sie sich als Ganzes mit Inés solidarisieren und öffentlichkeitswirksam hinter ihre Kollegin stellen. Es braucht Solidaritätsaktionen in unseren Schulen – und insbesondere in der Schule von Inés – zu der die GEW Berlin mit voller Stärker mobilisiert.

Auch in den kommenden Streiks für den Tarifvertrag Gesundheit und den Tarifvertrag der Länder muss sich gegen das gewerkschaftsfeindliche Handeln des Trägers ausgesprochen werden. Gemeinsam können wir dafür sorgen, dass der tjfbg mit seinem hinterhältigen Union Busting nicht durchkommt. Gemeinsam können wir die Erfahrung machen, dass unsere Solidarität stärker ist, als die Kündigungsversuche der Bosse. Gemeinsam können wir damit noch viel mehr Kolleg:innen ermutigen, sich für bessere Lern- und Lehrbedingungen in unseren Schulen einzusetzen!




Mahle Neustadt/Donau: Geht der Kahlschlag bei den Autozulieferern weiter?

Mattis Molde, Neue Internationale 275, Juli/August 2023

Der Personalabbau in der Autoindustrie ist voll im Gange: Von 850.000 Beschäftigten im Jahr 2019 sind noch 760.000 im Jahr 2022 übrig gewesen, also fast 100.000 weniger. Diese Entwicklung spielt sich vor allem in der Zulieferindustrie ab. Kleinere Unternehmen wie GKN, Dura und BCS wurden verkauft oder schlossen Standorte, größere Unternehmen wie Opel, Ford, MAN, Bosch, Conti und Mahle haben Personal in Größenordnungen von tausenden abgebaut und Standorte geschlossen.

Das ist keine Überraschung. Der Verband der Automobilindustrie, VDA, hatte dies schon im Juni 2021 angekündigt: „Die Transformation der deutschen Automobilbranche hin zu E-Mobilität kann mehr Arbeitsplätze kosten, als Beschäftigte in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen – und dies schon, ohne die Folgen der überstürzten aktuellen Diskussion um ein neues Klimaschutzgesetz absehen zu können. Bis zum Jahr 2025 sind mindestens 178.000 Beschäftigte betroffen, bis 2030 mindestens 215.000 Arbeitsplätze – und dies schon auf der Basis der bisherigen Klimaschutzgesetze.“

Auf die Presseerklärung des VDA erfolgte damals keine Reaktion der IG Metall. Jetzt titelt die Juli-Ausgabe der Gewerkschaftszeitung METALL: „Volle Kraft für die Transformation“. Die volle Kraft besteht unter anderem in „Zukunftstarifverträgen“, die die IG Metall für Bosch und Mahle fordert und bei ZF schon abgeschlossen hat: „An allen Standorten sollen Zielbilder entstehen, mit neuen Produkten, Geschäftsmodellen und der nötigen Qualifizierung. Die Beschäftigten sollen die Zielbilder mitgestalten.“

Der Artikel – und der entspricht völlig dem, was auch auf Konferenzen und Versammlungen derzeit von der Führungsebene der IG Metall verbreitet wird – tut so, als ob der Verlust von tausenden Arbeitsplätzen an fehlenden Zielbildern und nicht vorhandenen Zukunftstarifverträgen (ZTV) gelegen habe.

Die gab es jedoch, sie hießen nur anders. Erst nannte man sie Standortsicherungsvereinbarungen, dann wurden die Namen vielfältiger, oft z. B. Zukunftsvereinbarung. Übereinkünfte wurden erzielt bei Restgrößen von Belegschaften, Lohnverzicht oder unbezahlter Arbeitszeitverlängerung, gerne im Namen von Qualifizierung. Zunehmend wurden in diesen Betriebsvereinbarungen auch betriebliche Gesprächskreise für neue Produkte vereinbart. Unterschrieben wurden sie von den (Gesamt)-Betriebsräten und – wenn sie in Tarifverträge eingriffen – auch von der IG Metall. Jetzt sollen die ZTV von der Gewerkschaft verhandelt werden und von dazu gebildeten Tarifkommissionen, in denen wieder die Betriebsratsspitzen sitzen.

Der einzige formale Unterschied wäre: Für Tarifverträge dürfte gestreikt werden – falls die Gerichte das als tariffähig anerkennen. Aber bislang ist in der IG Metall von Streik keine Rede, ja laut METALL sind „Zukunftstarifverträge nicht erzwingbar“. Auch die letzten Tarifrunden wurden nirgends genutzt, um mit Streiks Druck auf für den Erhalt von Arbeitsplätzen aufzubauen.

Aus den neuen Produkten, die unter der Leitung von Werksleitungen und Betriebsräten gesucht wurden, ist selten was geworden. Die Konzerne behielten sich immer die Entscheidung vor, was und wo produziert wird. Es kam vor, dass die gefundenen Produktideen einfach anderswo platziert wurden und das Werk, wo sie entwickelt worden waren, haben sie dichtgemacht.

Die METALL-Zeitung führt zum x-ten Male das Beispiel Bosch in Homburg/Saar an. Dort wurde eine Wasserstoff-Brennstoffzellen-Produktion aufgebaut. „200 Beschäftigte arbeiten bereits daran.“ Als Ersatz für abgebaute 1.000 Arbeitsplätze.

Mahle Neustadt

Betriebsräte und Belegschaft  treffen dort eine etwas realistischere Einschätzung als die Artikel in der METALL. Sie haben erkannt, dass mit schönen Worten nichts von einer Geschäftsführung zu holen ist, die es noch nicht mal für nötig hält, mit dem Betriebsrat zu verhandeln. Zweimal innerhalb weniger Wochen ging die Belegschaft vors Tor, was der METALL, die auch über Mahle berichtet, keine Erwähnung wert ist.

Erstmal geht es um gut 50 der 420 Arbeitsplätze. Sie sind in Gefahr, weil die Bosse Produktion verlagern. Aber zu Recht sehen die Kolleg:innen, dass das Problem größer ist. Nach dem Auslaufen der jetzigen Aufträge sind noch keine weiteren platziert worden. Es droht, dass die Produktion schlicht ausgetrocknet wird.

Auf der Kundgebung am 23.6. haben sich mehrere hundert Beschäftigte beteiligt, unterstützt von Solidaritätsdelegationen aus anderen Mahle-Werken. Auch Vertreter:innen von SPD und CSU waren anwesend. Es fielen warme Worte. Aber damit kann kein Kampf gegen eine so entschlossene Gegnerin wie die Mahle-Geschäftsführung gewonnen werden.

Die überbetriebliche Mahle-Betriebsgruppe MAHLE-SOLI verteilte einen Flyer, der reißenden Absatz fand. Wir dokumentieren Auszüge aus dem Flugblatt. Der Widerstand bei Mahle Neustadt braucht die Solidarität aller Lohnabhängigen, vor allem aber von kämpferischen Gewerkschafter:innen in der IG Metall und der VKG. Denn die Erfahrung zeigt: Nur ein entschlossener Abwehrkampf, der sich auf die gesamte Belegschaft stützt, nur Streiks, Mobilisierungen und die Besetzung des Betriebes können letztlich den Druck erzeugen, der nötig ist, Personalabbau und Schließungen zu verhindern. Dazu können wir uns aber nicht auf den IG Metall-Apparat verlassen, dazu müssen die Beschäftigen selbst, ihren Kampf in die Hand nehmen, indem sie auf regelmäßigen Vollversammlungen ein Aktionskomitee zur Leitung zur Koordinierung des Widerstandes wählen, das ihnen gegenüber rechenschaftspflichtig ist.

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Anhang: Auszüge aus Mahle Soli

Die IG Metall muss endlich aufhören, die Angriffe der Autokonzerne als Probleme der einzelnen Belegschaften und Betriebsräte zu behandeln!

Wenn die Tarifrunden der IG Metall, in denen Streiks möglich waren, auch genutzt worden wären, um andere Zugeständnisse zu erzwingen, wenn die IG Metall endlich alle bedrohten Belegschaften der Auto- und besonders der Zulieferindustrie zusammenbringen würde, um ein gemeinsames, verbindliches Kampfprogramm zu vereinbaren, anstatt auf Konferenzen „soziale und ökologische Transformation“ zu fordern, während die Konzerne das Gegenteil tun – dann kommen wir alle als Metaller und Metallerinnen wieder auf die Siegerstraße!

Auch Mahle ist groß darin, Arbeitsplätze dorthin zu verlagern, wo die Arbeitskraft billiger ist und der Umweltschutz weniger umgesetzt wird. „Sich seit einigen Jahren verschärfende Umweltauflagen“ hatte z. B. die GF als Gründe für die Verlagerung der Gießerei in Zell angegeben. Diese „Transformation auf Kapitalistenart“ geht auf Kosten der Arbeitenden und der Umwelt, sie ist unsozial und unökologisch.

Kämpfen statt betteln!

Die Autokonzerne haben bisher nichts dazu beigetragen, dass der Verkehr klimagerechter wird. Im Gegenteil, der CO2-Ausstoß beim Verkehr steigt. Sie haben beim Abgasmessen betrogen und ihre Werbung auf „grün“ getrimmt. Dafür haben sie noch Milliarden erhalten. Zurecht empören sich Millionen, vor allem junge Menschen, darüber. Warum kämpfen wir Metaller:innen nicht mit ihnen für eine ökologische Umstellung der Produktion auf klimagerechte Verkehrssysteme? Die Autokonzerne werden mit Milliarden subventioniert (für Forschung, Transformation, Kurzarbeit, nicht eingeforderte Strafen für Abgasbetrug, Verlagerung in andere EU-Länder …). Das Geld wäre besser aufgehoben für die Entwicklung und Produktion klimagerechter Produkte!

Verkehrswende und Arbeitsplatzwende

Die IG Metall-Spitze ist immer noch nur auf eine Antriebswende orientiert. E-Autos sollen die Weltmarktposition der großen deutschen Konzerne sichern, und damit verspricht man sich auch die Sicherung von Arbeitsplätzen in den Konzernen. Die Belegschaften der Zulieferer schauen dabei in die Röhre: E-Autos brauchen weniger Teile und die verbliebenen Teile für Verbrenner verlagern die Konzerne ins Ausland.

Eine Verkehrswende bringt andere Produkte in Spiel: mehr Straßenbahnen, Busse und Eisenbahnen. Die Verkehrswende bringt auch mögliche neue Verbündete ins Spiel. Auch wenn die Klimabewegung bisher ähnlich erfolglos bei den Regierungen war wie die IG Metall beim Durchsetzen ihrer Forderungen gegen die Konzerne, gemeinsam könnte sich eine Kraft entwickeln, die über Appelle an die eine oder andere Seite hinausgeht, die statt Kreuzungen zu blockieren, und gelegentlicher Proteste vorm Werkstor die Betriebe besetzt und die Produktion umgestaltet.




Embargo russischen Erdöls: PCK Schwedt als Kollateralschaden?

Jürgen Roth, Neue Internationale 255, Juli/August 2022

Seit den 1960er Jahren fließt russisches Erdöl vom Südural über 5.000 km nach Ostdeutschland, aber u. a. auch Tschechien, Ungarn, Bulgarien und in die Slowakei. Am Ende des Nordastes der „Drushba“ (Freundschaft) genannten Pipeline befindet sich das PCK Schwedt in Nordostbrandenburg, zu DDR-Zeiten Petrolchemisches Kombinat. Doch auch Leuna in Sachsen-Anhalt wurde aus ihr versorgt.

Ölembargo

Von ehemals 8.000 Arbeitsplätzen im Jahr 1990 sind noch 1.200 übriggeblieben. Weitere 2.000 Arbeitsplätze in der Region hängen von der Schwedter Raffinerie ab, die Berlin und Brandenburg zu 90 % und Westpolen zu 50 % mit Kraftstoffen versorgt, daneben aber auch Grundstoffe z. B. für Kunststoffverarbeitung erzeugt. Der Süden der ehemaligen DDR hängt in ähnlicher Weise am Tropf der Leunaer Raffinerie. Während diese dem französischen Ölkonzern Total gehört, befindet sich das PCK als GmbH mehrheitlich in der Hand des russischen Staatsölkonzerns Rosneft.

Zwar musste die EU nach heftigem Einspruch v. a. Ungarns just ihre Embargopläne herunterschrauben, doch die Bundesregierung hält weiterhin stur am Auslaufen der Importe bis zum Jahresende fest. Die EU hatte ursprünglich nur einige osteuropäische Länder vom Lieferstopp ab Anfang 2023 ausgenommen, lässt nun aber den Transport über Pipelines ausdrücklich länger zu und schränkt „nur“ den auf dem Seeweg ein, was aber auch auf erbitterten Widerstand z. B. Griechenlands stößt. Selbst hochrangige US-Diplomat:innen gaben ihre Bedenken gegen das ursprünglich geplante Embargo bei der EU-Kommission zu Protokoll. Biden fürchtet wohl höhere Kraftstoffpreise im eigenen Land so kurz vor den Zwischenwahlen im November. Saudi-Arabien, weltweit größter Erdölexporteur und einer der engsten US-Verbündeten nach dem Zweiten Weltkrieg, hat sich nämlich gegen ein Ölembargo Russlands ausgesprochen und weigert sich, seine Fördermenge zu erhöhen.

Doch Bundeswirtschaftsminister Habeck ficht das nicht an. Auf einer PCK-Betriebsversammlung am 9. Mai mimte er den Weichspüler: Er versprach den Beschäftigten eine Zukunft mit Öl aus anderen Ländern auf dem Seeweg über Rostock und Gdansk. Expert:innen gehen davon aus, dass angesichts der dortigen Umschlagskapazitäten nur höchstens 60 % des „schwarzen Flüssiggolds“ für Schwedt kompensiert werden könnten – bei höheren Transportpreisen. Eine Verarbeitung anderer als der sibirischen Rohölqualität ginge zudem mit Umstellungsmaßnahmen in den Cracktürmen der Raffinerie einher. Rosneft gesteht zwar auch die Möglichkeit der Verarbeitung anderer Sorten zu, doch zu welchem Preis für die Allgemeinheit der Steuerzahler:innen? Leuna z. B. scheint bereits ein größeres Volumen norwegischen Rohöls akquiriert zu haben. Unklar bleibt ferner, ob der Ausstieg aus russischen Lieferungen ohne Weiteres erfolgen kann, ohne die langfristig vertraglich georderten Abnahmequoten zu bezahlen.

Für den Superminister stellt sich auch die Frage der Enteignung des Rosneftanteils in Form einer Treuhandanstalt.

Reaktionen: SPD …

Für Brandenburgs SPD-Ministerpräsidenten Woidke stellte Habecks Auftritt ein „gelungenes Signal“ dar. Schwedts Bürgermeisterin und Parteigenossin, Annekathrin Hoppe, macht sich dagegen Sorgen angesichts der geringen Menge, die aus Rostock kommen soll. Belieferung aus Gdansk, so die polnische Regierung, solle erst erfolgen, wenn die BRD ganz auf russische Importe verzichtet habe. Beim besten Willen ist nicht zu erkennen, wie das PCK mit einer Auslastung unter 70 % marktwirtschaftlich überleben kann. Da nützen auch Finanzhilfeversprechen des grünen Bundesministers nicht, zumal sie einerseits für den Übergang zur neuen, angedachten Eigentumsstruktur verwendet werden und die kritische Auslastungsgrenze nicht überwinden helfen können.

… DIE LINKE

Brandenburgs Linksfraktionschef Sebastian Walter warnt deutlicher. Er hält das Ölembargo für eine Entscheidung gegen den Osten Deutschlands und fordert die Landesregierung auf, für eine Beschäftigungsgarantie der 3.200 Arbeitsplätze und beim Bund dafür einzutreten, dass es nicht zu höheren Preisen für Benzin, Diesel, Kerosin und Heizöl in Ostdeutschland führe. Und für Westpolen? Dem Fraktionsvorsitzenden kann man zwar bezüglich seiner Befürchtungen zustimmen, doch ist seine Haltung weder sozialistisch noch sozial, sondern provinziell beschränkt.

Im Landtag forderte DIE LINKE darüber hinaus, per Beschluss festzustellen, Habecks Auffassung nicht zu teilen, die Bundesregierung aufzufordern, ihre Haltung zu überdenken und sich bei der EU für eine Verlängerung der Fristen wie im Falle Ungarns und der Slowakei einzusetzen – zumindest für die ostdeutschen Bundesländer. Die Landtagssitzung erfolgte vor dem oben erwähnten EU-Kompromiss. Schnellstmöglich solle PCK in staatliche Treuhandschaft überführt und fit gemacht werden für den Ausstieg aus fossilen Brenn- und Rohstoffen.

Kritik

Auch die Landtagsfraktion verrennt sich also in den ostdeutschen Provinzialismus ihres Vorsitzenden, statt das Ganze wenigstens in einen zumindest bundesweiten Kampf gegen Teuerung und Energiekrise einzubetten. Dagegen müssen wir ihr beipflichten, was Verstaatlichung und ökologischen Umbau betrifft. Doch warum eine Treuhandanstalt? Hat nicht diese Eigentumsform die DDR-Industrie zugrunde gerichtet und stellte eine Art Staatsbesitz im Übergang zur Privatisierung bzw. Abwicklung dar? Wird sich nicht die neue Betriebstreuhandmehrheitsanteilseignerin schnellstmöglich nach einer „anständigen“ Firma umschauen, die PCK aufkauft und zum Zweck seines rentablen Betriebes auf Beschäftigungsgarantien pfeift?

Wir brauchen stattdessen Zweierlei: erstens Kontrolle der Beschäftigten und ihrer Klassenorganisationen über PCK und ausnahmslos alle großen Unternehmen im Energiesektor: Gas, Öl, Kohle, Strom, Netzbetrieb und Erneuerbare; zweitens deren sofortige Verstaatlichung zum Nulltarif – entschädigungslos! Das wäre sowohl sozial wie Vorstufe für eine wirkliche Transformation. DIE LINKE in Brandenburg unterscheidet sich kaum von „Garantieversprechen“ in Sozialplänen, wie sie SPD und Gewerkschaftsbürokratie seit Jahr und Tag abgeben.

Deutlicher, aber letztlich auf ähnlicher Linie, geht Ko-Fraktionschef Dietmar Bartsch im Bundestag gegen die Embargopläne der Bundesregierung zu Werke. Er fordert einen „Schutzschirm für Ostdeutschland“, damit „die Strategie von Putin, den Westen zu spalten, eben nicht aufgeht.“ In der Tat könne die Bereitschaft der Bevölkerung, außenpolitische Maßnahmen mitzutragen, langfristig durchaus abhängig sein von innen- und sozialpolitischer Stabilität, gerade wenn sich der Krieg wahrscheinlich länger hinziehe.

Wir haben bereits an anderer Stelle deutlich gemacht, warum wir grundsätzlich gegen ein Embargo seitens imperialistischer Staaten sind, sogar wenn es sich gegen einen Aggressor richtet, der ein Land überfällt. Und das Embargo trifft auch nicht Waffen, sondern grundlegende Güter des unmittelbaren Lebens. Wir treten im Übrigen nicht deshalb gegen den Boykott ein, weil er die BRD und EU womöglich härter trifft als Russland, sondern weil er ein Mittel des Kampfes um Einflusssphären zwischen imperialistischen Mächten ist, in dem Fall der BRD und ihrer Alliierten,  und diesen Kampf notwendigerweise weiter verschärft.

Aus gänzlich anderen Motiven wandte sich dagegen die Brandenburger AfD-Landtagsfraktion gegen das Embargo. Alles soll beim Alten bleiben, damit es sich Deutschland nicht für alle Zukunft mit Putins Großreich verscherze.

Bartsch vertritt indes eine lupenreine sozialchauvinistische Position, die der Arbeiter:innenklasse mit ein paar Brosamen, die ihre Verelendung „sozialer“ gestalten sollen, seinen Hurrapatriotismus schmackhaft machen will.

Embargo im grünen Rock

Auch aus ökologischer Sicht ist der Ausstieg aus dem russischen Erdgas aberwitzig. Schließlich soll es durch ökologisch schädlichere „Alternativen“ ersetzt werden: Kohle und möglicherweise Weiterbetrieb der AKWs. Grundsätzlich richtig bleibt deshalb der Verweis der Brandenburger Landtagslinksfraktion auf den Ausstieg aus fossiler Energieerzeugung. Doch über diese vage Weisheit kommt sie nicht hinaus. Sie hätte stattdessen auf die an den Standorten ehemaliger DDR-Kombinate wie Leuna, Schwarze Pumpe und Schwedt entwickelten Patente und ihre weiteren Ergänzungen verweisen können, die z. B. in Gestalt der Wasserstoffstrategie für den ökologischen Umbau eine bedeutende Rolle spielen könnten.

Das Know-how der Beschäftigten hier, aber auch in den Braunkohlekraftwerken wie Jänschwalde wird eine unverzichtbare Rolle für einen organisierten Ausstieg spielen (Power to Gas, Wärmespeicherung, CO2-Abscheidung CCS usw.), vorausgesetzt diese legen die Patente offen, um die besten und miteinander kompatiblen technischen Lösungen für den Übergang herauszufinden und mittels Arbeiter:innenkontrolle in einer verstaatlichten Branche in Kraft zu setzen.

Ein solcher Ausstieg mag „radikalen“ Umweltschützer:innen wie denen vom „Aufstand der letzten Generation“ nicht schnell genug gehen. Jüngst unterbrachen zwei von ihnen den Ölfluss der Drushba-Pipeline an der Pumpstation Glantzhof im uckermärkischen Strasburg. Sie wollten „in den Notfallmodus umschalten“, eine „Lebenserklärung“ von Habeck erhalten, dass in Deutschland keine neue fossile Infrastruktur geschaffen wird. „Wenn wir jetzt auf erneuerbare Energien umsteigen, machen wie uns unabhängig von Diktaturen wie Russland oder Katar.“

Radikal sind nur solche Stunts. Lammfromm ist ihr Vertrauen in „unsere“ Demokratie. Für einen echten Ausstieg, eine wirkliche, organisierte Energiewende mit allem Drum und Dran braucht es eine Planwirtschaft, nicht eine EEG-Umlage aus den Taschen der Masse der Stromkund:innen unter Verschonung der Großkonzerne. Die vage Hoffnung, damit das Kapital zum Ausstieg aus kostengünstigen Energieträgern zu locken, hat dazu geführt, dass 100 Mrd. kWh zeitweilig überschüssiger Strom aus erneuerbaren Energien nicht ins Netz eingespeist wird, genug, um die Gasspeicher sofort zu füllen, wenn man daraus Methan herstellte. Träger eines solchen rationalen, umfassenden und integrierten Planes kann aber nur die Arbeiter:innenklasse sein. Insbesondere ihre Fachkräfte in der Energiewirtschaft müssen dafür sorgen, dass wir im Winter nicht frieren, im Dunkeln sitzen und uns nur noch zu Fuß und auf dem Fahrrad fortbewegen können. Kosten? Für Krieg und neue, fossile, aber schlechtere Infrastruktur ist natürlich genug Geld da, Habeck sei Dank. Wir sollten diesen Bock nicht wie unsere beiden „aufständischen“ Aktivist:innen mittels leerer Appelle zum Gärtner machen.




Ford Saarlouis, Vallourec Düsseldorf: Das Kapital transformiert zu Industrieruinen

Mattis Molde, Neue Internationale 266, Juli/August 2022

Der Stahlröhrenhersteller Vallourec will seine Standorte in Deutschland mit 2.400 Beschäftigten bis 2023 schließen und das Geschäft mit nahtlosen Rohren für Öl- und Gasfelder nach Brasilien verlagern. Gründe seien sinkende Margen und Überkapazitäten in der Branche sowie der Krieg in der Ukraine und die Covid-19-Pandemie, die durch gestiegene Energie- und Materialpreise die Lage verschärft hätten. Die Werke wurden einst unter dem Namen Mannesmann gebaut und sind Zeugen der historischen Bedeutung der Schwerindustrie im Ruhrgebiet.

Im Fordwerk in Saarlouis wird der Focus gebaut. 2025 läuft die Produktion aus. Dann gibt es für 4.600 Beschäftigte dort und rund 2.000, die auf dem Werksgelände bei Zulieferern angestellt sind, keine Arbeit mehr, denn E-Autos sollen nicht dort, sondern in Almussafes/Valencia in Spanien gebaut werden. Damit ist die Schließung vorprogrammiert.

Sozialpartnerschaftslatein am Ende

Beide Entscheidungen wurde im letzten Monat von den Konzernzentralen gefällt. Beides sind Tiefschläge für Tausende Beschäftigte und ihre Familien, für die betroffenen Städte und Regionen.

Beide verkörpern aber auch Hochburgen der IG Metall. Sie zählt tausende Mitglieder, beherrscht die Betriebsräte, verfügt über beste Kontakte zur „Politik“. Sie lebt nicht im Konflikt mit den Management, sondern kooperiert auf allen Ebenen aufs Engste und hat hunderte Vereinbarungen mit diesem geschlossen.

Der Widerstand der Betriebsräte sah dementsprechend aus. Monatelang wurde in Hinterzimmern verhandelt, Verzicht angeboten und nach Staatsknete gesucht, um den Konzernen den Verbleib zu versüßen und ihre Profite zu erhöhen.

Die Beschäftigten kamen nur am Rande vor und blieben von den Verhandlungen ausgeschlossen. Aktionen hatten nie das Ziel, das Management zu etwas zu zwingen, sondern sollten Dampf ablassen. „Verhandlungsbegleitende Aktionen“ heißt das im Gewerkschaftsjargon.

Jetzt ist die IG Metall mit ihrem Sozialpartnerschaftslatein am Ende. Bei Vallourec fiel dem Betriebsrat zum Schluss noch ein, eine/n neue/n Käufer:in zu suchen. Dann wurde die Schließung hingenommen und mit einem „Sozialtarifvertrag“, den die Beschäftigten mit der IG Metall „erkämpfen“ sollen, dürfen sie ihre Entlassung mitgestalten.

Im Falle von Saarlouis wirft IG-Metall-Chef Jörg Hofmann dem US-Autokonzern „unsoziales Verhalten“ vor. „Ford hat die Standorte Saarlouis und Valencia eiskalt in einen Dumpingwettbewerb gezwungen.“ Man fragt sich, ob Ford bisher sozial war oder andere multinationale Konzerne dies sind. Vor allem aber stellt sich die Frage, warum die IG Metall sich in diesen Dumpingwettbewerb hat zwingen lassen und das über 3 Jahre hinweg. In diesem behandelte sie die Kolleg:innen in Valencia und ihre Gewerkschaften faktisch wie Gegner:innen.

Im Übrigen musste Ford die IG Metall nicht zwingen, solche Verhandlungen zu führen. Hofmann und seine Leute machen das immer und überall, nennen es „Standortsicherung“ von einzelnen Werken oder gar des ganzen „Standorts Deutschland“. Dabei wird jede Solidarität zwischen den Belegschaften untergraben und international erst recht.

Klassenkampf und Arbeiter:innendemokratie

Die beiden großen Tiefschläge in zwei ihrer starken Bastionen zeigen, dass die IG Metall kein Konzept besitzt, um Arbeitsplätze gegen die Entscheidungen der Kapitalist:innen zu verteidigen. Dazu wäre es nötig, die Kampfkraft der Belegschaft durch Information statt Geheimverhandlungen der Betriebsräte zu organisieren; durch Vertrauensleute, die die Diskussion in den Unternehmen vorantreiben, statt Postbot:innen des Betriebsrats zu spielen; durch Belegschaftsversammlungen, die Entscheidungen über Forderungen und Aktionen demokratisch fällen; durch Konferenzen der Vertrauensleute in Konzernen oder Branchen, wo Arbeitsplätze bedroht sind, um gemeinsame Kampfplänen zu erstellen – und das nicht nur auf Deutschland beschränkt. Denn alle wissen, dass Großkonzerne die Belegschaften international gegeneinander ausspielen.

Mit dieser Kraft kann man mehr als Proteste organisieren. Man kann streiken oder Betriebe besetzen. Man kann in den Betrieben fordern, dass die Belegschaft und ihre Vertreter:innen die Offenlegung aller Daten und Zahlen durchsetzen, diese überprüfen und ein Vetorecht gegen die Entscheidungen des Managements erkämpfen.

Dann kann auch entschieden werden, was in den Betrieben produziert wird und was nicht (mehr). Dann können Betriebe wirklich „transformiert“ und nicht in Ruinen verwandelt werden.

Das ist mit Betriebsratsfürst:innen und dem IGM-Vorstand nicht zu machen. Ihnen ist über mehrere Jahre, in denen sich die Bedrohungsszenarien in den beiden Großbetrieben entwickelt haben, nichts anderes eingefallen, als zu betteln und Errungenschaften zum Verzicht anzubieten. Es gibt aus der IG Metall-Zentrale bis heute noch nicht mal eine inhaltliche Position zum Thema E-Auto, zu alternativen Verkehrssystemen – die z. B. in Saarlouis produziert werden könnten, geschweige, dass über die Alternative zur Schließung, die entschädigungslose Enteignung des Betriebes und Fortführung unter Arbeiter:innenkontrolle, diskutiert wird.

Solidarität mit den Beschäftigten bei Vallourec und Ford heißt nicht nur, sie bei ihren jetzt aufgeflammten Protesten zu unterstützen, sondern auch aufzuzeigen, wie sie von der Führung in Betriebsrat und IG Metall in diese Situation getrieben worden sin. Beide Betriebe sind noch nicht stillgelegt. Widerstand ist weiter möglich, aber er muss unter Kontrolle der Beschäftigten gebracht werden – genauso wie die IG Metall unter Kontrolle ihrer Mitglieder! Metallerinnen und Metaller müssen verstehen, wie und warum die Bürokratie der Gewerkschaft Errungenschaften und Arbeitsplätze verkauft. Kontrolle durch die Basis ist kein Zubrot für einen erfolgreichen Kampf, sondern in Zeiten wie diesen notwendig, um siegen zu können.




Autokrise am Beispiel Boschs: Transformation ins Aus

Mattis Molde, Neue Internationale 260, November 2021

Überall werden Jobs in der Autoindustrie abgebaut. Laut einer Studie des Verbandes der Automobilindustrie, VDA, erwartet dieser den Wegfall von mindestens 178.000 Arbeitsplätzen bis 2025. Das müsse aus Sicht dieser ArbeitsplatzvernichterInnen auch so sein, weil „die unter den aktuellen Bedingungen nicht neu geschaffen werden können.“ Denn, so heißt es in einer Presseerklärung: „Bedingt durch hohe Steuern und Abgaben, hohe Energiekosten und mangelnde Investitionen in Bildung fällt Deutschland im internationalen Standortwettbewerb immer weiter zurück.“ Mit anderen Worten, die Autokonzerne wollen weniger Steuern zahlen, weniger Löhne, dafür Subventionen erhalten und neue Werke auf grüne Wiesen oder anderswo hinsetzen.

Der Angriff auf die Arbeitsplätze in der Autoindustrie beginnt nicht erst heute. In den letzten 3 Jahren wurden bereits zehntausende vernichtet, deren Höchststand der letzten Jahre rund 850.000 betrug. Wie lief das ab? Was haben wir in Zukunft zu erwarten und was können die Betroffenen tun?

Bei den Großbetrieben der Endhersteller geschieht der Personalabbau selten durch Entlassungen. Es gibt großzügige Abfindungen und jede Menge Altersteilzeit. Die MalocherInnen in der Produktion werden einfach heimgeschickt. Dort arbeiten schon seit Jahren LeiharbeiterInnen oder WerkvertraglerInnen in einem Ausmaß, welches einen Abbau von 20 – 30 % komplett geräuschlos ermöglicht. Auch die Praxis, ganze Produktionsbereiche als „Vertragslogistik“ zu beschreiben und an andere Firmen fremdzuvergeben, ermöglicht dann eine spätere Arbeitsplatzzerstörung ohne Sozialplan, ohne Verhandlungen und meist ohne Proteste.

Anders sieht es bei den Zulieferern aus. Auch wenn Bosch, ZF, Conti und Mahle globale Konzerne sind, sind ihre Werke überwiegend kleiner und dafür zahlreicher. So hat Bosch nach eigenen Angaben über 100 Werke in Deutschland, von denen allerdings nicht alle zum größten Geschäftsbereich Kfz-Technik („Mobility-Solutions“) gehören.

Das Beispiel Bosch

Der Stand des Kahlschlags dort sieht derzeit so aus – ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

  • In den großen Werken Stuttgart-Feuerbach und Schwieberdingen wurden schon etwa 1.600 Stellen abgebaut, rund 500 in den Reutlinger Werken.
  • In Schwäbisch Gmünd wurde schon 2017 mit dem Betriebsrat vereinbart, bis 2019 760 von rund 5.000 Stellen abzubauen. 2019 wurden von der Konzernleitung noch mal 1.000 mehr gestrichen, die bis 2023 abgebaut werden sollen.
  • In den Werken Bühl und Bühlertal sollen in den nächsten 2 Jahren 700 Vollzeitstellen wegfallen. Die IG Metall rechnet mit weiteren 400 Teilzeit- und Leiharbeitsstellen. Derzeit sind dort 3.700 Menschen beschäftigt, 400 wurden schon abgebaut.
  • In München steht ein ganzes Werk vor dem Aus, die Produktion soll ins Ausland verlagert werden.
  • Gleiches gilt für Bietigheim-Bissingen, wo noch 290 Menschen arbeiten.
  • Auch drei Gießereien sollen dichtgemacht oder verkauft werden. Das Werk in Göttingen wurde schon veräußert.

Welche Antwort gaben IG Metall, die Betriebsräte und die Belegschaften auf diesen Kahlschlag?

In Bühl oder Gmünd versuchten die Betriebsräte, den Abbau sozialverträglich zu gestalten, und auch bei den Beschäftigten überwiegt die Hoffnung, nicht betroffen zu sein. Die IG Metall spielt dieselbe Flöte. So bezeichnet der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Offenburg, Ahmet Karademir, die Ansage beim Abbau in Bühl als „Märchen“: „Das Märchen vom Vermeiden betriebsbedingter Kündigungen glaube ich nicht.“ Das heißt aber nicht, dass dagegen Widerstand organisiert werden soll, sondern Kollege Karademir will nur, dass dieses Märchen von der entlassungsfreien Entsorgung wahr wird. Und das reicht ihm wie dem Großteil der BürokratInnen in der IGM denn auch.

Ähnlich ist es in Stuttgart gelaufen. Es gab Anfang 2019 eine Protestkundgebung, dann wurde der Abbau gestaltet. In den großen Werken ist offensichtlich der Spielraum für eine „sozialverträgliche“ Lösung zwar nicht so groß wie bei Mercedes, aber groß genug, dass sich Betriebsräte und eine Mehrheit der Belegschaft damit arrangieren. Anders sieht es für kleinere Werke wie Bietigheim und München aus. Eine komplette Werksschließung lässt keinen Spielraum für das, was gerne „Sozialverträglichkeit“ genannt wird. Das Einzige, was im Bosch-Konzern hier geboten wird, ist die Möglichkeit, sich in anderen Werken zu bewerben. Das muss aber zu Konditionen des aufnehmenden Werkes geschehen, ist also eigentlich immer mit Lohnverlust und längeren Fahrtzeiten verbunden.

Belegschaften wie in München und Bietigheim müssen also kämpfen, wenn sie sich nicht abschlachten lassen wollen. München hat da aus dem Stand heraus einiges Neues ins Rollen gebracht. Bietigheim hat eine jahrzehntelange Tradition.

Kampfbetrieb Bietigheim

Die Belegschaft und ihr Betriebsrat haben die Kampfansage der Konzernführung im September 2020, also vor gut einem Jahr, mit einer Protestkundgebung beantwortet. Alle standen draußen, Delegationen von Mann+Hummel, Mahle Mühlacker, Bosch Waiblingen, LEAR Corporation, Elring Klinger, Porsche Zuffenhausen, Valeo und anderen zeigten ihre Solidarität. Der Erste Bevollmächtigte, Matthias Fuchs, forderte eine Zukunft für den Produktionsstandort, der lokale SPD-Vorsitzende auch und Bernd Riexinger von der LINKEN ein Vetorecht der Belegschaften gegen Verlagerungen und stellte fest: „Die angedrohte Schließung hat nicht mit Corona und sehr wenig mit Transformation zu tun.“ Überall Plakate der IG Metall: Solidarität gewinnt!

Schon in der folgenden Woche beteiligten sich die BoschlerInnen an einem ähnlichen Protest bei Mahle Mühlacker. Sie wurden fast ein Jahr nicht müde, ein Netz der Solidarität zu knüpfen mit allen bedrohten Betrieben. In der Stadt Bietigheim wurden 60 Plakate aufgehängt, die den Kampf öffentlich machten.

Auch die Tarifrunde im Frühjahr 2021 wurde zur Mobilisierung genutzt. Aber schon brechen andere Betriebe weg: Bei Mann+Hummel wie im Mahle-Konzern wurde der Personalabbau samt Werksschließungen von den (Gesamt)-Betriebsräten und der IG Metall akzeptiert. Die Chance, im Tarifkampf Streiks organisieren zu können, wurde von der IG Metall-Führung nicht genutzt, ja noch nicht einmal in den Strukturen diskutiert.

Die Konzernführung von Bosch aber ließ nicht locker. In den Verhandlungen am 9. Oktober 2020 erklärte sie, eine Einigungsstelle anrufen zu wollen, obwohl reguläre Verhandlungstermine bis einschließlich Ende November vereinbart waren. Das empörte die IG Metall: „Mit dieser Vorgehensweise und seiner Presseerklärung vom 9. Oktober 2020 manifestiert der Arbeitgeber den Bruch des laufenden Sozialtarifvertrages“. Der Betriebsrat kommentierte: „Es ging dem Arbeitgeber nur darum, eine Zustimmung zur Werksschließung zu erhalten.“

In dieser Situation schlug der IG Metall- Bevollmächtigte vor, für einen Zukunftstarifvertrag zu kämpfen. Bei einer Umfrage stimmten 93 % der IG Metallmitglieder dafür und 81,5 % erklärten sich bereit, dafür auch in den Streik zu gehen.

Der Streit um eine Einigungsstelle kam vor das Landesarbeitsgericht und dort eine dreitägige Mediation als Kompromiss heraus. Die IG Metall hatte den Vorschlag gemacht. Die Mediation scheiterte und so ging es im April zu Einigungsstelle. Unter dem Vorsitz eines Richters wurde verhandelt. Die Schließung als solche konnte damit nicht mehr in Frage gestellt, sondern es durfte nur über die Bedingungen dieser verhandelt werden.

Die Beschäftigten und der Betriebsrat fühlten sich verschaukelt. Einige erwarteten, dass die IG Metall ja immer noch die rote Karte „Streik“ ziehen könnte. Aber der Bezirksleiter Zitzelsberger winkte ab: „Wozu noch für einen Sozialtarifvertrag streiken, ihr habt doch einen super Sozialplan ausgehandelt?!“

Warum die Niederlage?

Viele im Werk einschließlich vieler Betriebsräte wollen sich noch immer nicht damit abfinden. Die Belegschaft und der Betriebsrat haben alles getan, was für sie im Bereich des Möglichen war:

  • Den Widerstand im Betrieb organisiert, und zwar rechtzeitig;
  • Streikfähigkeit hergestellt;
  • die Solidarität in der Region organisiert, mit Unterstützung der IG Metall, aber ausgehend von ihrer eigenen Initiative;
  • andere Belegschaften, Parteien und Organisationen eingebunden;
  • die Tarifrunde genutzt, um erneut den Schulterschluss mit anderen Belegschaften und Hunderttausenden anderen Metallerinnen und Metallern zu suchen.

Die Frage geht also an die IG Metall, die Bezirksleitung Stuttgart und den Vorstand in Frankfurt: Warum wollte die IG Metall keinen Streik? Dieser wäre im Rahmen der Tarifrunde rechtlich unangreifbar gewesen, wenn er im ganzen Tarifgebiet ausgerufen worden wäre. Die Frage der Arbeitsplätze war übrigens von der IGM selbst schon zum Thema der Tarifrunde gemacht worden.

Auch die Möglichkeit eines Streiks um einen Sozialtarifvertrag wurde von der IG Metall einfach fallengelassen. Der Sozialtarifvertrag ist eine zweischneidige Sache: Offiziell geht es um die Abwicklung des Betriebes, aber mit Streik kann natürlich mehr Druck entfaltet werden. Die Streikenden kämpfen eigentlich für ihre Arbeitsplätze und die Zusagen der IG Metall-Zuständigen, dass man dort noch mal den Erhalt des Werkes fordern könne, werden in den Verhandlungen dann immer schnell fallen gelassen und die Streikenden fühlen sich genauso verkauft wie jetzt die Bietigheimer BoschlerInnen. Bei Voith in Sonthofen wurde das 2019 beispielhaft durchgespielt. Um den Streik um einen Sozialtarifvertrag wirklich als Kampf zur Verteidigung eines Werkes zu führen, muss er also mit anderen Maßnahmen und Forderungen verbunden werden.

Es muss ernst gemacht werden mit der Verteidigung des Werkes. Am besten durch eine Besetzung, verbunden mit einem Streik oder gegebenenfalls mit der Fortführung der Produktion unter Kontrolle der Arbeitenden – insbesondere, wenn die produzierten Güter ein Druckmittel darstellen. Natürlich muss der besetzte Betrieb rund um die Uhr geschützt werden. Ein wichtiges Faustpfand ist auch die Bereitschaft anderer Belegschaften des Konzerns oder der Region, sofort Solidaritätsstreiks zu organisieren, wenn die Firma eine Räumung anstrebt.

So eine Besetzung ist auch ein guter Schritt, in Richtung für die entschädigungslose Enteignung des Betriebes zu kämpfen, den die KapitalistInnen stilllegen wollen. Statt Milliarden an die Unternehmen für eine angebliche „Transformation“ zu zahlen und es diesen völlig unkontrolliert zu überlassen, was sie damit anstellen, könnten diese Beträge an die Belegschaft des Werkes gehen, zur Entwicklung und Produktion der Verkehrsmittel, die für eine Verkehrswende nötig sind. Das Geld wäre unter Kontrolle der Belegschaft, in die Entscheidungen über Entwicklung und Produktion kann diese mit der Klimabewegung, aber auch anderen verstaatlichten Betrieben kooperieren.

Was will der IG Metall-Vorstand?

Warum ist der gemeinsame Kampf in der Auto- und Zulieferindustrie kein Thema für die IG Metall? Warum gibt es keine Branchenkonferenz der Betriebe, die bedroht sind? Warum keine Konferenz aller Bosch-Belegschaften, die mit Abbau konfrontiert sind? Warum noch nicht mal eine Übersicht über die Angriffe auf die Arbeitsplätze auf den Webseiten der IG Metall?

Wozu gibt es eigentlich Gesamtbetriebsräte bei Bosch und was koordinieren die, wenn sie die Verteidigung der Arbeitsplätze NICHT koordinieren? Was tut die IG Metall eigentlich im Aufsichtsrat, mit Jörg Hofmann an der Spitze? Stimmen die solchem Abbau und den Werksschließungen zu?

Wenn das eine Strategie sein soll, nach der der IGM-Vorstand sein Vorgehen bestimmt, dann kann diese Mischung aus Widerstand zulassen, aber nicht fördern und notfalls ins Leere laufen lassen nur bedeuten, dass die ganze Umstrukturierung, die hier die Konzerne vorantreiben, mit der unausgesprochenen Zustimmung des Vorstandes geschieht. Das würde bedeuten, dass er die Ziele der Unternehmen teilt: Gewinne hoch, Arbeitsplätze streichen oder verlagern, Kosten reduzieren. VDA-Chefin Müller sagt das so: „Unsere Unternehmen treiben die Transformation – mit Überzeugung und mit Kreativität.“ Und die IG Metall lässt sie treiben.

Das ist nur so zu erklären, dass sich die oberste Spitze der IG Metall-Bürokratie so sehr dazu verpflichtet sieht, die deutschen Autokonzerne im Kampf um den Weltmarkt mit allen Mitteln zu unterstützen, dass sie bereit ist, die Arbeitsplätze von Hunderttausenden, vor allem auch in der Zulieferindustrie, zu opfern. Dass dies keineswegs abwegig ist, belegt die Tatsache, dass diese IGM-Spitze auch bereit war, die Leiharbeit in der Autoindustrie zu akzeptieren – in der Spitze arbeiteten bis zu 100.000 Leute in Leiharbeit in den Autofirmen –, den Abgasbetrug zu decken wie auch die unsinnigen Abgasvorschriften in Brüssel durchzusetzen, dass sie den Angriff auf das Streikrecht mit der „Tarifeinheit“ durchsetzte.

Dieses Vorgehen von Hofmann und Co ist verheerend. Statt in einzelnen Betrieben mit guten Voraussetzungen zu Siegen zu kommen und mit diesen Leuchttürmen die IG Metall wieder voranzubringen, werden diese geschleift.

Wie Solidarität siegen kann

Aus der Aufzählung oben, was die IG Metall alles hätte tun können, bei Bosch, in der Region und in der Branche, wird klar, wofür alle die kämpfen müssen, die die Talfahrt der Gewerkschaft aufhalten, Arbeitsplätze Löhne verteidigen wollen.

Es gibt aber noch darüber hinaus die Chance der Transformation: Es werden ja Transportmittel gebraucht! Und zwar solche mit geringerem Energieverbrauch, mit nachhaltiger Energie betrieben, mit weniger Platzverbrauch für die Städte und Anschlussfähigkeit zwischen Stand und Land. Neue Lösungen sind nötig, neue Entwicklungen und kombinierte Mobilität!

Hier rächt sich, dass die IG Metall 2 Jahrzehnte keine Debatte über Klima und neue Technologien geführt hat, bis sie vor 3 – 4 Jahren unvorbereitet dem Kommando der Autokonzerne, alles auf das (batteriegetriebene) E-Auto zu werfen, gefolgt ist. Eigene Kompetenz der IG Metall wurde nicht entwickelt, eigene Ideen gibt es nicht. Es wird brav hinter den Konzernen und der Politik hergetrottet, der man dann immer noch die Schuld am Arbeitsplatzabbau zuschieben kann.

Bosch München

Die Belegschaft von Bosch in München hat gemeinsam mit AktivistInnen aus der Klimabewegung und linken GewerkschafterInnen den Ball selbst auf das Spielfeld geworfen. Sie fordern:

„Es gibt eine große Palette an Produkten, die hier im Werk hergestellt werden könnten und die für eine klimafreundliche Zukunft nützlich wären. In den letzten Jahren haben wir immer wieder Vorschläge für eine Transformation der Produktion hin zu klimafreundlichen Produkten unterbreitet. Diese wurden von Seiten der Geschäftsführung stets abgeblockt. Wir fordern hiermit den Erhalt des Werkes und eine Umstellung der Produktion hin zu klimafreundlichen Produkten. Durch den jahrelangen Verzicht auf Teile unseres Gehaltes und die oft jahrzehntelange Arbeit im Betrieb haben wir ein Anrecht auf dieses Werk erhalten. Wir fordern hiermit Bosch auf, das Werk zu erhalten und uns die Möglichkeit zu geben, die Produktion umzustellen.“

Auch diese Initiative von unten zeigt, was möglich ist: Anstatt die Klimakrise oder gar die Klimabewegung zu Sündenböcken für den Verlust des Arbeitsplatzes zu machen – was auch der VDA gerne tut – sehen die InitiatorInnen, dass die Geschäftsführung die Schuldigen sind und KlimaaktivistInnen Verbündete werden können. Gerade auch weil die massenhaft stattfindende Verlagerung von Produktion diese mitnichten sauberer macht.

Und: Die Klimabewegung ist derzeit die stärkste und mobilisierungsfähigste in Deutschland – eine ideale Bündnispartnerin für eine Gewerkschaft, wenn sie denn Verbündete gegen die Kapitalinteressen suchte.

Eine Gewerkschaft wie die IG Metall könnte in ein solches Bündnis noch Kraft einbringen, die die Klimabewegung nicht so einfach mobilisieren kann: die Kraft, das Kapital genau dort zu treffen, wo es ihm wehtut – in der Produktion bzw. derem Stopp durch Streik! Sie könnte die Betriebe, die Bosch schließen will, auch besetzen. In der IGM-Satzung steht die Forderung nach der Überführung von Schlüsselindustrien in Gemeineigentum. Wann, wenn nicht heute, hat diese Forderung überhaupt einen Zweck?

Ihre Umsetzung müsste natürlich diskutiert werden: Was heißt „Gemeineigentum“

eigentlich heute? Nachdem sowohl mit BRD- wie mit DDR-Staatsbetrieben nicht die besten Erfahrungen gemacht worden sind? Aber Betriebe, die ein Konzern schließen will, könnten enteignet werden. Die Regierungsmilliarden für Transformation der Autoindustrie könnten genau dort eingesetzt werden. Die Entwicklung und Produktion in einem Verbund solcher Werke soll von Beschäftigten demokratisch organisiert und kontrolliert werden in Verbindungen mit ExpertInnen für Klima und Mobilität aus der Bewegung. Das Management wird eingespart: „ArbeiterInnenkontrolle“ in Zeiten der Klimakatastrophe!

Was tun?

Vieles! Einerseits muss eine solche Diskussion in Gewerkschaften und Klimabewegung, welche ja ihrerseits sehr gegenüber der IndustriearbeiterInnenschaft fremdelt, eingebracht werden.

Andererseits können wir nicht zusehen, wie eine (Kampf)-Belegschaft nach der anderen liquidiert wird und die KapitalistInnen ihr Ziel der Vernichtung von 178.000 Jobs bis in 4 Jahren erreichen.

Wir müssen da, wo wir können, selbst den Widerstand organisieren! Zum Beispiel eine Kundgebung vor Bosch in Stuttgart Feuerbach aus allen Werken – auch ohne IG Metall, wenn diese sich weigert. Auch eine kleinere Aktion dieser Art könnte ein Zeichen setzen, anderen Belegschaften Hoffnung machen und die Diskussion in der IG Metall, in der Branche, aber auch in der Klimabewegung beflügeln.

Ein guter Ansatzpunkt in diesem Sinne war die Aktion am 19.10.2021 vor Mahle-Behr in Feuerbach.

Wir könnten ein bundesweites „Solidaritätsnetz Auto“ bilden, das alle Kämpfe unterstützt und Belegschaften berät, bevor sie im Stich gelassen werden. Von den bitteren Erfahrungen von Bosch-Bietigheim sollten wenigstens andere profitieren.




Mahle: Beschäftigte kämpfen gegen geplanten Kahlschlag

Robert Teller, Infomail 1167, 23. Oktober 2021

Etwa 1500 Mahle-KollegInnen demonstrierten am 19. Oktober am Werk Stuttgart-Feuerbach und vor der Konzernzentrale in Cannstatt gegen die Angriffe des Managements: Stellenabbau, Produktionsverlagerung, Werksschließungen. Dass KollegInnen von anderen Standorten mit 15 Bussen nach Stuttgart kamen, deutet darauf hin, dass fehlende Kampfbereitschaft unter den Belegschaften nicht das Problem ist. Die Geschäftsführung des Konzerns plant, 7600 Stellen und davon 2000 in Deutschland zu streichen. Kampfbereitschaft ist also auch dringend notwendig.

Neben den Beschäftigten bei Mahle beteiligten sich Delegationen unter anderem von Daimler Untertürkheim, Porsche, Coperion und Koenig & Bauer. Die meisten Mahle-KollegInnen kamen vom Werk Mühlacker, wo von der Belegschaft trotz Vollauslastung und Überstunden der Abbau jeder zweiten Stelle gefordert wird. Es handelt sich, wie die Gruppe um die Betriebszeitung Mahle-Solidarität richtig schreibt, um einen Generalangriff auf die Belegschaft, vor dem kein einziger Standort sicher ist. Das gilt umso mehr, so lange der Widerstand schwach ist und nicht standortübergreifend organisiert wird.

Die Kundgebung in Feuerbach war in ihrer Ausrichtung bemerkenswert. Insgesamt war die Stimmung kämpferisch. Anders als auf durchschnittlichen Streik- oder Aktionstagen der IG Metall war in den Reden durchaus eine Breite unterschiedlicher Standpunkte zu hören.

Aussagen und Stoßrichtung der Kundgebungen

Bernd Riexinger, ehemaliger Vorsitzender der Linkspartei und langjähriger Gewerkschafter, war vor Ort und wies in seiner Rede darauf hin, dass die kämpfenden Belegschaften über das eigene Werk und die eigene Firma hinweg Solidarität organisieren müssen. Er sagte, ohne Management kann die Arbeit weitergehen, aber nicht ohne die Belegschaft. Deshalb müsse sich die Organisation des Arbeitskampfes auch auf die Belegschaft stützen. Das ist richtig und sollte in einer kämpfenden Gewerkschaft zu den Essentials gehören.

Mehmet Sahin, Vertreter von Mahle-Solidarität, ging in seiner Rede weiter und sagte, dass im Kampf gegen Stellenabbau die Einführung einer allgemeinen 30-Stunden-Woche mit vollem Personal- und Lohnausgleich nötig ist und im Zweifelsfall Betriebe, die entlassen wollen, vergesellschaftet werden müssen und das auch ein Ziel der Gewerkschaft werden müsse. Damit hob er den Abwehrkampf gegen Entlassungen auf eine höhere Stufe. Zum einen mit der Arbeitszeitlosung, für die auch branchenübergreifend gekämpft werden kann, zum anderen dadurch, dass der gewerkschaftliche Kampf nicht vor dem Recht auf Privateigentum Halt machen soll, wenn es dieses Privateigentum ist, das unsere Jobs bedroht.

Liljana Culjak (BR-Vorsitzende von Feuerbach) hatte zwar keine Vorschläge, wie und mit welchen Losungen der Kampf weitergeführt werden könnte. Im Vordergrund standen Kritik an „unfairen“ Methoden der Geschäftsführung, die zwecks Profitmaximierung Produktion verlagern will: „Wir haben eine neue Geschäftsführerin, wir haben aber kein Miteinander und keine Transparenz“. Aber dass sie die Kundgebung mit organisierte, ist ein positiver Schritt und bereits ein Bruch im IG-Metall-Apparat. Der Vorstand der IG Metall Stuttgart erschien noch nicht mal auf der Kundgebung in Feuerbach und entschuldigte sich aufgrund einer angeblichen Vorstandstagung, die wohl nie stattgefunden hat.

Kontrast

Die zweite Kundgebung vor der Konzernzentrale diente Nektaria Christidou (BR Mühlacker und stellvertretender Gesamtbetriebsratsvorsitzender) und dem Gesamtbetriebsrat dazu, die Stimmung wieder einzufangen und den Aktionstag ins rechte Licht zu rücken.

Die Geschäftsführung war auf die Bühne geladen und hatte zwar außer wachsweichen Bekenntnissen zum Wir-Gefühl nichts zu verkünden, konnte sich aber dafür das Betteln der BR-Vorsitzenden anhören. Aus Feuerbach war nur ein Teil der KollegInnen mitgekommen und wer noch dabei war, dem war dort nicht nach Kämpfen zumute.

Die Angriffe

Für Feuerbach fordert die Geschäftsführung konkret, zusätzlich zu den seit 2018 unterm Strich abgebauten 500 MitarbeiterInnen weitere 98 loszuwerden, oder – falls es hierüber keine Einigung gibt – 39 Millionen Euro an Einsparungen zu Lasten der Belegschaft (über welchen Zeitraum?).

Der Gesamtbetriebsrat hat im Frühjahr den Stellenstreichungen in Feuerbach zugestimmt und das als Erfolg gefeiert, obwohl für die Belegschaft bestenfalls einige Monate Zeit gewonnen wurde. Der Stellenabbau sollte freiwillig durch Aufhebungsverträge und Abfindungen vonstattengehen. Die Freiwilligkeit ändert nichts am grundsätzlichen Charakter der Maßnahme: Verdrängung von Arbeitskraft aus dem Produktionsprozess, d. h. Vergrößerung der industriellen Reservearmee oder Verlagerung zu anderen Standorten, also Verschärfung der Konkurrenz zwischen den ArbeiterInnen bei unterschiedlichen Lohnniveaus. Nun wurde die vereinbarte Zielvorgabe von 385 Stellen nicht erreicht und es zeigt sich, dass das Ausmaß des Stellenabbaus einfach zu groß ist, um reibungslos über die Bühne zu gehen. Die Zustimmung zum Sozialplan hat nicht wie versprochen der verbleibenden Belegschaft Sicherheit verschafft. Sie hat aber eine Zeit lang der falschen Vorstellung Auftrieb gegeben, dass der Jobverlust eine rein individuelle Angelegenheit ist. Das hat es dem BR erleichtert, selbst keinerlei Widerstand zu organisieren und Ansätze davon, die ohne seine Initiative entstanden, im Sand verlaufen zu lassen. Der Geschäftsführung wurde so signalisiert, dass Gegenwehr nicht zu befürchten ist, und sie wurde ermutigt weiterzugehen.

Für Mühlacker stellte die Geschäftsführung seit dem vergangenen Jahr mal die Zahl von 211, dann 94 und dann wieder 350 KollegInnen in den Raum, die sie aufgrund mangelnder Nachfrage nach den dort produzierten Produkten abbauen wolle. Nun wird mit einer Halbierung der aktuell 1400 Köpfe starken Belegschaft gedroht und das Management plant bereits jetzt, keine weiteren Investitionen in den Produktionsstandort zu leisten. In Wirklichkeit ist das Werk gut ausgelastet, die KollegInnen leisten Überstunden. Der Betriebsrat stimmt letzterem zu, anstatt diese Ungeheuerlichkeit von Mehrarbeit bei geplantem Stellenabbau als Druckmittel gegenüber der Geschäftsführung einzusetzen. Deren Pläne kann man nur so verstehen, dass der Standort mittelfristig auf der Abschussliste steht, um die Produktion zu geringeren Kosten woanders anzusiedeln. Das Werk Öhringen ist bereits geschlossen und Gaildorf ist in Abwicklung, in beiden Fällen ohne großen Widerstand von Betriebsrat und IG Metall.

Der Aktionstag am 19. Oktober kam überhaupt erst auf Druck von unten zustande. Nur so ist auch zu erklären, dass mit Riexinger ein linker ehemaliger Gewerkschaftsführer und mit Mehmet Sahin ein kämpferischer Betriebsrat zu Wort kamen, wobei letzterer seit Jahren in Opposition zur BR-Mehrheit steht.

Die Stellenstreichungen sind ein umfassender Angriff auf die Belegschaften, der weit über einzelne Werke und auch über den Mahle-Konzern hinausgeht. Bei VW wird intern der Abbau von 30.000 Stellen diskutiert.

Das deutsche Exportkapital versucht, in stagnierenden Absatzmärkten den eigenen Profit zu steigern, um im internationalen Konkurrenzkampf nicht weiter zurückzufallen. Die Produktion (ob Verbrenner oder Elektro) soll in „Best Cost Countries“ wiederaufgebaut werden, solange die Produkte nachgefragt werden, und die Stellenstreichungen werden dann als Kollateralschaden der „technologischen Transformation“ verbucht. Der Konkurrenzdruck trifft die gesamte Branche und daher ist vor dieser Rationalisierungsrunde auch kein Werk, keine Firma sicher. Sozialpläne ändern nichts an der Tragweite des Angriffs, aber jeder Sozialplan ist ein Exempel an der betroffenen Belegschaft.

Die Betriebsgruppe Mahle-Solidarität hat seit Bekanntwerden der Sparpläne Anfang 2019 die Belegschaft in Flugblättern informiert und für eine Kampfstrategie argumentiert.

In ihrem Flugblatt Mahle-Solidarität Nr. 13 zum 19. Oktober schreibt sie:

  • Der „sozial verträgliche Abbau“ ist keine Lösung, Es hilft nichts, wenn Betriebsräte da mitmachen. Das Mitmachen ermuntert nur zu neuen Angriffen. Bei Schließungen gibts eh nichts abzufedern.
  • Auch wenn die Firma mehr Profit macht, rettet das keine Arbeitsplätze. Auch das hat sich bewiesen. Sie investieren in Firmenkäufe, nicht in die bestehenden Werke.
  • Widerstand auf allen Ebenen ist nötig. Betriebsräte müssen da vorangehen! Nicht um Milde betteln, sondern klare Kante zeigen!
  • Aber vor allem muss die IG Metall ihrer Aufgabe als Gewerkschaft nachkommen und alle Belegschaften, die kämpfen wollen, vereinen! Seit 2 Jahren wird eine Bude nach der anderen dichtgemacht, jede stirbt für sich alleine und die IG Metall tut so, als wären das Einzelfälle. Statt beispielsweise in der Tarifrunde gemeinsam zu streiken, muss jetzt jeder für sich kämpfen.

Der Metallertreff Stuttgart verteilt die Flugblätter der Mahle-Solidarität seit Monaten und damit wurde eine standortübergreifende Basisstruktur aufgebaut, die der sozialpartnerschaftlichen Politik der BR- und IGM-Bürokratie mit Informationen und Losungen für den Kampf begegnet. Die Kundgebung vom 19. Oktober zeigt, dass eine klassenkämpferische Bewegung in Betrieb und Gewerkschaft erfolgreich sein kann, wenn sie die richtigen Prinzipien anwendet: Kritik und Opposition zur Bürokratie, wenn nötig – und gemeinsamer Kampf, wann immer möglich.




Werkschließung MAN: Der Kampf um die Krisenlast beginnt in Steyr

Mo Sedlak, Infomail 1149, 6. Mai 2021

Bei MAN in Steyr wird vorentschieden, wer die Krise bezahlen muss. Das Autowerk mit 2.400 Beschäftigten steht im (gar nicht so) Kleinen für einen Konflikt der sich durch ganz Europa zieht. Dass die Belegschaft gegen den Übernahmeplan mit Massenkündigungen und Lohnkürzungen gestimmt hat, zeigt das Potential für Widerstand gegen eine Krisenlösung auf Kosten der ArbeiterInnenklasse. Dass der Konzern als Reaktion die Schließung beschleunigt und 250 LeiharbeiterInnen gekündigt hat, zeigt aber auch, dass die Kapitalseite mit scharfer Munition schießt. Echte Solidarität und eine Diskussion über eine Krisenbewältigung im Sinne der ArbeiterInnen sind notwendig, damit dieser mutige Schrei nicht verhallt.

Schrittweise Eskalation in Steyr

Im Herbst 2020 hatte der MAN-Konzern angekündigt, das Werk in Steyr zu schließen. Dort sind 2.400 ArbeiterInnen, Angestellte und LeiharbeiterInnen beschäftigt, rund ein Drittel der regionalen Autoproduktion. Die Schließung war Teil eines Sparplans für den ganzen Konzern, inklusive angedrohten Massenkündigungen in deutschen Werken.

Sowohl MAN als auch deren Eltern-Holding Traton sowie auch deren Eigentümerin VW waren trotz der Pandemie (und trotz der Entschädigungszahlungen im Diesel-Abgasskandal) immer profitabel. Die Münchner Konzernzentrale will die Produktion auch nicht einstellen, sondern hauptsächlich nach Osteuropa verlagern, wo die Löhne niedriger sind.

Deshalb gingen die MANlerInnen im Oktober selbstbewusst in den Warnstreik. Zusammen mit tausenden UnterstützerInnen forderten sie einen Erhalt des Werks und Unterstützung durch die Landes- und Bundesregierung.

Im Frühling 2021 machte der ehemalige Magna-Manager (und Multimillionär) Siegfried Wolf ein Übernahmeangebot: Er wollte das Werk fürs Zuliefern für den russischen GAZ-Konzern verwenden. Sein Angebot enthielt die Kündigung von ungefähr einem Drittel der Belegschaft und empfindliche Lohnkürzungen für den Rest. So wie MAN im Schatten der Pandemie Lohnkosten sparen will, versucht Wolf den drohenden Arbeitsplatzverlust zur Erpressung zu verwenden. In einer Abstimmung erteilte die MAN-Belegschaft dem aber mit 64 % eine klare Absage.

In Oberösterreich wird 2021 gewählt, Steyr ist ein wichtiger Industriestandort. Gleichzeitig erkennt die IndustriearbeiterInnengewerkschaft PRO-GE, dass die Ereignisse bei MAN in zig anderen Betrieben nachgemacht werden könnten. Aus diesen Gründen hat die drohende Werkschließung es bis in den Nationalrat geschafft.

Dort fordert die Sozialdemokratie von der Oppositionsbank, dass die staatliche Beteiligungsgesellschaft ÖBAG einen Minderheitenanteil der MAN übernehmen soll, um das Werk für InvestorInnen attraktiv abzusichern. Die ÖBAG hält sich, zumindest offiziell, mit strategischen Überlegungen bei ihren Beteiligungen heraus, bei der OMV verfolgt sie zum Beispiel überhaupt keinen Kurs zur Emissionsreduzierung. Die türkisgrüne Regierung und besonders die ÖVP lehnt aber sogar eine solche  ab, der Kanzler behauptet im Geheimen mit InvestorInnen über eine privatwirtschaftliche Lösung zu verhandeln. Der Arbeitsminister Kocher schließlich ist ehrlich genug um zu sagen, dass er genau nichts für die ArbeiterInnen tun wird, sondern das AMS Oberösterreich auf viele neue „KundInnen“ vorbereitet.

Keine Lösungsvorschläge vom BürgerInnenblock

Die ÖVP ist nicht prinzipiell dagegen, den Industriestandort zu erhalten: Zu einem funktionierenden Kapitalismus gehört die Ausbeutung von möglichst vielen ArbeiterInnen (und ein paar Erwerbslose, um den Rest unter Druck zu setzen). Die Bürgerlichen verachten zwar Erwerbslose und wollen deren Existenz durch immer weitere Kürzungen zur Hölle machen, aber nicht zwangsläufig neue schaffen.

Trotzdem werden die neue und die alte ÖVP den Teufel tun und die ArbeiterInnen in Steyr unterstützen: Dafür ist das Prinzip zu wichtig, dass staatliche Hilfen in der Krise an die Unternehmen gehen, und die ArbeiterInnen zur Kasse gebeten werden. Die Türkisen haben verstanden, dass bei MAN im Kleinen verhandelt wird, wer für die Krise zahlt (und wer sogar von ihr profitiert). Besonders der Plan von Sigi Wolf, die Situation für eine radikale Senkung des Lohnniveaus zu nutzen, passt ihnen gut.

Vielen ÖkonomInnen ist das zu Nichtstuerisch. Auch die Vorschläge von SPÖ und Grünen kommen aus derselben Richtung: Sie fordern ein Wiederaufleben der Industriepolitik. Das bedeutet im Prinzip, staatliche Investitionen als Strategie zu fahren, mit der der freie Markt zu langfristig profitablen oder anderweitig wünschenswerten (zum Beispiel nicht extrem umweltschädlichen) Entscheidungen „motiviert“ wird.

Ein Beispiel dafür ist die Geschichte der „Verstaatlichten“ in Österreich. Weil das heimische Kapital nach dem Zweiten Weltkrieg sehr schwach war, wurden eine Stahlindustrie im Staatsbesitz aufgebaut (die VOEST). Um die herum sollten private Kapitale sich als weniger kapitalintensive ZulieferInnen und WeiterverarbeiterInnen aufbauen. In der Verstaatlichten selber waren dafür die Löhne, Arbeitsbedingungen und Mitspracherechte vergleichsweise gut, was wiederum Auswirkungen auf den gesamten Arbeitsmarkt hatte. In den Neunzigern war diese Strategie (die auch die soziale Basis für die österreichische SozialpartnerInnenschaft bildete) abgeschlossen, die VOEST und andere Staatsbetriebe wurden „sanft“ privatisiert.

Sie schlagen also vor, die Krise mit staatlichen Investitionen zu durchtauchen um den Machtanspruch des Kapitals langfristig abzusichern, eine klassische keynesianische Politik. Die linkeren Teile von SPÖ und Grünen wollen das in einen sozial-ökologischen „Transformationsfonds“ einbetten, der die Kosten für eine klimafreundliche Umrüstung übernimmt und diese dann dem Markt zur Verfügung stellt. Auch die Forderung der SPÖ, die MAN durch eine ÖBAG-Beteiligung abzusichern, um profitorientierten InvestorInnen Appetit zu machen, hat denselben Hintergrund. Dass auch diese InvestorInnen bei der nächsten Gelegenheit das gute Lohnniveau in der Fahrzeugindustrie ins Visier nehmen werden, wissen und ignorieren sie.

Besonders zynische Grüne wollen die Werkschließung sogar als kapitalistische Lösung der Klimakrise sehen: Wenn weniger Autos hergestellt werden, wäre das doch gut für die Emissionen. Das ignoriert, dass die Produktion ja verlagert werden soll (aus den Augen aus dem Sinn?). Es ist aber auch dieser Zynismus, der es schwierig macht, die ArbeiterInnenbewegung für den notwendigen Kampf gegen die Klimakrise zu gewinnen, wenn den Arbeitenden nicht nur abgesprochen wird dabei mitzureden (das überlassen die Bürgerlichen gut bezahlten WissenschaftlerInnen) sondern ihre Existenzen auch als willkommenes Opfer verhandelt werden.

Gegen KrisenprofiteurInnen und alten Wein in neuen Schläuchen

Die Grundlage der Krise bei MAN ist nicht die scheinbar aus dem Nichts über uns hereingebrochene Pandemie, sondern das strategische Interesse von Konzernen, ihre Profite zu erhöhen. Die Lösung ist es nicht, das noch einfacher zu machen, oder grün anzumalen. Die Beschäftigten bei MAN kämpfen im Kleinen für alle ArbeiterInnen in Österreich und diesen konkreten Kampf müssen Linke und GewerkschafterInnen solidarisch unterstützen.

Das bedeutet, kein Arbeitsplatzverlust und keine Verschlechterung sind hinnehmbar. Wir müssen von der untätigen Regierung und ihren zynischen  BeifallsklatscherInnen fordern, die milliardenschweren Coronahilfen in die Hand zu nehmen und die Arbeitseinkommen bei MAN zu retten. Das bedeutet das Werk zu verstaatlichen, und zwar entschädigungslos – keine Unterstützung für einen Konzern, der die ArbeiterInnen frontal angreift. Es gilt ganz generell zu fordern, dass die Milliarden an Corona-Maßnahmen ausschließlich für ArbeiterInnen, Erwerbslose und anders auf Unterstützung angewiesene Personen ausgegeben werden, statt UnternehmenseignerInnen zugeschoben zu werden!

Es ist kurzsichtig, keine Forderungen an den bürgerlichen Staat zu richten. Der Hinweis darauf, dass auch arbeiterInnenfreundliche Maßnahmen dazu dienen den Kapitalismus zu stabilisieren, ist zwar richtig, aber sinnlos. Das gilt für alle bürgerlichen Regierungen, trotzdem macht es Sinn um objektive Verbesserungen zu kämpfen. Und wenn jeder Mensch weiß, dass der Staat das Werk retten könnte bedeutet es, sich vom konkreten Kampf selbst zu isolieren, wenn man sich weigert an einer Strategie mitzuarbeiten, die funktionieren kann.

Gleichzeitig wäre es genauso verantwortungslos, so zu tun als wäre eine Verstaatlichung eine nachhaltige Lösung. Besonders die Geschichte der Verstaatlichten in Österreich, bei der überbezahlte Manager-BürokratInnen sich genauso aufgeführt haben wie in Privatkonzernen, zeigt dass ein BesitzerInnenwechsel nicht die grundlegende Herrschaft des Kapitals über die ArbeiterInnen außer Kraft setzt, noch dem Klima nützt. Und dass diese Herrschaft notwendigerweise zu Verschlechterung auf Kosten unserer Klasse geht.

Statt das zu ignorieren, müssen konkrete Lösungen her: Gemeinsame Entscheidungen über die Produktion durch Beschäftigte und Bevölkerung (Vergesellschaftung statt nur Verstaatlichung). Schrittweise Reduzierung der Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich um die Erwerbslosigkeit zu bekämpfen. Und schließlich einen Erfolg im Arbeitskampf als Ausgangspunkt für gemeinsamen Klassenkampf gegen den Kapitalismus an sich zu nehmen.

Sozialistisch-Ökologische Transformation

Ein Umbau der Produktion und des Nahverkehrs ist unvermeidbar um die Klimakatastrophe einzudämmen. Die zunehmende Produktion und Verwendung von Diesel-LKWs, wie sie in Steyr zusammengebaut sind, sind hier Teil des Problems. Gleichzeitig kann eine Reduzierung des Autoverkehrs nur durch einen Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel, vor allem am Land, funktionieren. Die MAN selber stellen Überland- und Stadtverkehrbusse her. Durch Umstellungen in der Produktion und ordentliche Ankäufe der Produkte durch Gemeinden könnte das Werk also vom Teil des Problems zum Teil der Lösung werden.

Der bedingungslose Kampf um die Arbeitsplätze kann also mit einer Klimastrategie von unten verwoben werden, wenn ArbeiterInnen und solidarische Linke vertrauensvoll zusammen kämpfen. Das meinen wir vom ArbeiterInnenstandpunkt, wenn wir (zum Beispiel in unserem Grundsatzpapier „Methoden und Grundsätze“) von der Fusion der KommunistInnen mit der ArbeiterInnenbewegung sprechen. Nämlich die Lösungen für die konkreten Probleme der Klasse mit den Lösungen für das allgemeine Problem der Klasse, den Kapitalismus, praktisch zu vereinigen.

Die konkreten Vorschläge müssen aber im Detail diskutiert werden. Ein Genossenschaftsmodell für den Betrieb zum Beispiel gibt den beteiligten ArbeiterInnen mehr Mitsprache und Absicherung. Gleichzeitig schafft es aber (wie beim „Vorzeigebeispiel“ Mondragon in Spanien) zwei Klassen von Beschäftigten, den GenossenschafterInnen und später Dazugekommenen die sich einen Anteil entweder teuer kaufen müssen, oder genauso ausgebeutet werden wie in einem Privatbetrieb.

Die Forderung nach ArbeiterInnenkontrolle über die Produktion ist eine radikale Alternative. Aber wie der russische Revolutionär Leo Trotzki in einem Brief von 1932 erklärte, ist diese Forderung mehr als nur ein Absichern von Mitsprache. In Privatunternehmen ist sie ein strategischer Schritt, um die UnternehmerInnen zu entmachten, sozusagen das betriebliche Äquivalent zur gesellschaftlichen Doppelmacht, wo die ArbeiterInnen dem bürgerlichen Parlament ihre Räte entgegensetzen. Sie ist keine stabile Klassenzusammenarbeit, sondern radikaler Klassenkampf.

Wir unterstützen deshalb konkrete Kämpfe, Streiks und Besetzungen solidarisch und schlagen die Vergesellschaftung, also staatliches Eigentum und Verwaltung durch ArbeiterInnen und Bevölkerung, vor. Der sozial-ökologischen Transformation der ReformistInnen, angeführt durch PolitikwissenschafterInnen und Politik, stellen wir die sozialistisch-ökologische Transformation als klassenkämpferische Strategie entgegen.

Vom Mittelfinger zur Faust

Die Mehrheitsabstimmung gegen Wolfs „Sanierungsvorschlag“ war ein Mittelfinger an einen Industriemillionär, der dachte er kann angesichts der Werkschließung zu einer billigeren Produktion kommen. Die MAN ist das zentrale Industriewerk in Steyr, die Beschäftigten können sich auf die Bevölkerung ebenso verlassen wie auf Aufmerksamkeit aus Politik und Medien. Sie zeigen also nicht nur Wolf den Mittelfinger, sondern auch allen Unternehmen, die jetzt glauben, dass sie in der Krise ein paar KollegInnen loswerden können.

Vergleichbare Kämpfe, wie im Lokomotivenwerk in Bellinzona (Schweiz) gegen die Schließung 2008, haben es geschafft Streiks mit Betriebsbesetzungen und solidarischen Demonstrationen durch die lokale Bevölkerung zu verbinden. So kann gleichzeitig politischer und wirtschaftlicher Druck aufgebaut werden.

Auch um die Kampfbereitschaft der ArbeiterInnen hochzuhalten, ist eine Solidaritätsbewegung wirklich wichtig. Gleichzeitig muss sichergestellt sein, dass wir auch für das Richtige kämpfen. Dafür müssen die Verhandlungen transparent sein, alle entscheidenden Schritte in Betriebsversammlungen diskutiert und abgestimmt werden. Gerade wenn die Position des Konzerns so klar arbeiterInnenfeindlich ist, sind Hinterzimmerdeals und „vertrauliche“ Verhandlungen ein echtes Problem. Wenn sie offen geführt werden, kann die Diskussion über die Verhandlungen auch mit einer über Forderungen an die Regierung und eine Umstellung der Produktion verbunden werden.

Also: Solidarisieren, Organisieren, Kämpfen!

Der Kampf um die MAN ist wichtig und bedeutend: Es geht um 2.400 Existenzen. Aber sie ist auch der Auftakt um die Verteilungskämpfe in dieser Krise. Das ist eine strategische Auseinandersetzung, ein zentraler Klassenkampf. Das ist ein Auftrag an alle GewerkschafterInnen und jede/n Linke/n.

Es ist jetzt notwendig, zu zeigen, dass die Beschäftigten nicht alleine stehen: Solidarische Aktionen, wie sie LINKS zum Beispiel Ende April in Wien organisiert hat, und Resolutionen von Gewerkschaftsgruppen sind ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn die Kämpfe sich zuspitzen geht es um Großdemonstrationen in Steyr und Wien, Delegationen zu Streikposten und wenn es notwendig ist, Blockaden gegen Maschinenabstransporte.

Das dürfen wir nicht allein machen, sondern müssen den Druck auf SPÖ und Gewerkschaftsspitze erhöhen, gemeinsam auf die Straße zu gehen, auch wenn die das Geschehen mit zahmen Forderungen vereinnahmen. Sich bewusst vom Klassenkampf und seiner (falschen weil reformistischen) Führung zu isolieren bringt den Sozialismus bestimmt nicht näher. Gleichzeitig muss man halbgaren Kompromissen ein konsequentes Kampfprogramm entgegensetzen und versuchen, eine Mehrheit der ArbeiterInnen dafür zu gewinnen.

Es muss uns auch gelingen, die Argumente der Herrschenden, von „der Markt regelt das“ bis zu „Anreize schaffen und AMS-Qualifizierung ausbauen“ auseinanderzunehmen. Auch und insbesondere, wenn der Ressentiments gegenüber der Klasse grünlackiert sind und die Existenzzerstörung als notwendiger Schritt in einen umweltfreundlichen Kapitalismus verkauft wird. In den nächsten Monaten wird die Regierung noch mehr Geld in die Hand nehmen und Unternehmen zustecken: Wir fordern stattdessen, dass 100 % der Coronahilfen an die ArbeiterInnen gehen.

In Steyr geht es um die Zukunft: Um tausende Arbeitsplätze und darum, wer für die Krise bezahlt. Diesen Klassenkampf müssen wir jetzt führen und gewinnen.




Mahle: Hunderte im Warnstreik

Mattis Molde und KollegInnen der Betriebsgruppe Mahle-Soli, Infomail 1142, 12. März 2021

Bei Mahle brennt die Bude! Vor einem halben Jahr ließ das Management die Katze aus dem Sack und verkündete die Zerstörung von 7.600 Arbeitsplätzen, davon 2.000 in Deutschland. 800 wären das in Stuttgart, wo vor allem die Zentralen des Konzerns und der großen Geschäftsbereiche liegen. Es war klar, dass das Thema Arbeitsplätze auch die Tarifrunde bei Mahle beherrschen würde.

Am Dienstag, den 2.3., versammelten sich Hunderte in Feuerbach. Von diesem Sitz von Mahle Behr kamen auch die meisten Streikenden, dazu Beschäftigte aus Bad Cannstatt, dem Konzernsitz, den Werken 2 und Werk 3 (Fellbach) und von Mahle Aftermarket in Schorndorf, Delegationen von Mahle Behr Mühlacker/Vaihingen, vom Maschinenbauer Coperion, von Bosch AS aus Bietigheim und Gäste von Mercedes Untertürkheim. Die Polizei spricht von 650 Teilnehmenden, die IG Metall Stuttgart von über 650.

Nach den zahlreichen RednerInnen gab es einen Rundgang in Form einer  Menschenkette um das Werksgelände, dann war Feierabend: „Nach der Kundgebung kehrten die Beschäftigten nicht mehr an ihre Arbeitsplätze zurück“, schreibt die IG Metall Stuttgart. Da bleiben Fragen offen: Wie geht es weiter mit der Tarifrunde? Wie geht es weiter bei Mahle? Wird dieser gute Start genutzt oder wieder verspielt wie schon in so vielen Tarifrunden und in vielen Kämpfen um Arbeitsplätze?

Arbeitsplätze

Wie kann die Zerstörung von über 800 Arbeitsplätzen verhindert werden? Dass Mahle-Boss Stratmann es ernst meint, kann niemand mehr in Frage stellen.  Die meisten RednerInnen erwähnten, dass über die Vorschläge der Betriebsräte noch nicht einmal geredet werde, sondern die Pläne des Managements als „alternativlos“ bezeichnet würden. Aber die „Alternativen“ der Betriebsräte sind nicht wirklich  überzeugend: Gesamtbetriebsratschef Kalmbach meinte, dass das Management „10 Jahre geschlafen“ habe und mahnte eine viel stärkere Digitalisierung an – was letztlich heißt, das Management dafür zu kritisieren, dass der Kahlschlag nicht schon vor 10 Jahren begonnen hat.

Viele Mahle-Betriebsräte beschwören die „Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben“, die die Firmengründer vor Jahrzehnten mal propagiert haben, die aber schon damals mit der kapitalistischen Realität nichts zu tun hatte. Mit solchen Träumen und mit Appellen lassen sich ManagerInnen nicht rühren genauso wenig wie mit der Aufforderung der stellvertretenden Gesamtbetriebsratschefin Christidou, dass Stratmann gehen solle. Das klingt zwar kämpferischer als das Gebettel eines Kalmbach, aber genauso hilflos: Wie soll er abgesetzt werden und wer soll Stratmann ersetzen?

Die IG Metall sagt dazu nur vage: „Beschäftigung sichern“. Wie aber, bitte schön? Neue Beschäftigungs-„Sicherungen“, bei denen dem Abbau zugestimmt wird, um die restlichen Arbeitsplätze für kurz Zeit zu „sichern“? Das Ganze mit Lohnverzicht oder Ausdehnung der Arbeitszeit garniert? Noch einmal die Rezepte aufwärmen, die seit Jahren nichts sichern, sondern nur den ManagerInnen einen Freibrief für neue Angriffe ausstellen?

Spontane Aktion

Gut hundert Beschäftigte bei Mahle Behr hatten in der Vorwoche weniger Hilflosigkeit gezeigt: Die Personalabteilung hatte eine Versammlung verboten, die Betriebsrat und Belegschaft in der Entwicklung angesetzt hatten. Begründung: Corona. Diktatur im Namen der Gesundheit: Arbeiten ist erlaubt, Information über die Zukunft der Arbeitsplätze verboten. Die Betriebsratsvorsitzende Culjak berichtete auf dem Warnstreik, dass sich dies die ArbeiterInnen nicht gefallen ließen. Sie gingen zur Personalabteilung und warteten pandemiegerecht entlang allen Fluren dorthin, bis die PersonalerInnen sich aus dem Homeoffice aufgemacht hatten. Diese verweigerten weiter die Antworten, aber der Betriebsrat organisierte eine Versammlung in einer großen Halle. Die Wut hat in der Belegschaft zugenommen, der Mut auch.

Alternativen

Die auf der Hand liegende Forderung für Betriebe wie Mahle, eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, wurde übrigens von keiner/m der RednerInnen aufgestellt, auch nicht den RednerInnen der IG Metall, Röll und Henschel, und noch nicht einmal in der verkrüppelten Form, in der sie die IG Metall offiziell als Tarifforderung aufgestellt hat: mit Teillohnausgleich und beschränkt auf einzelne Betriebe. Haben die GewerkschaftsbürokratInnen Angst davor, dass die Leute dann fragen, warum sie weniger verdienen sollen, wenn sich die ChefInnen bei Mahle vor 2 Jahren 70 % mehr genehmigt haben? Und warum nicht alle in der Metallindustrie kürzer arbeiten sollen, um in der ganzen Branche die Arbeit auf alle zu verteilen?

Ebenfalls gab es keine Perspektive in der Frage, was eigentlich produziert werden soll. Die Strategie von Mahle wie der ganzen Autoindustrie besteht darin, keinerlei Entwicklung am Verbrenner aufrechtzuerhalten und alles auf die E-Mobilität zu werfen. Kalmbach kritisierte zu Recht die ManagerInnen, die in dem finalen Konkurrenzkampf um die letzten Profite aus dem Verbrenner massiv die Produktion verlagern. Nur: Profite sind der Zweck dieses kapitalistischen Systems, Menschen zählen nur als Arbeitskräfte. Die Beschwörung des Mahle-Konzerns als „Stiftungsunternehmen“ ist ein hilfloses und utopisches Ritual.

Der einzige realistische Weg, die Arbeitsplätze und die Kompetenz der Belegschaft zu sichern, liegt darin, diese vom Zwang des Profits für wenige zu befreien: Enteignung der Auto- und Zulieferindustrie, Umstellung der Entwicklung und Produktion auf effiziente und umweltfreundliche Verkehrssysteme. Die in dieser Branche Beschäftigten – auch die Betriebsräte – wissen sehr wohl, was alles in dieser Richtung möglich wäre und auch, was die E-Mobilität für Probleme bringt. Die Aufgabe der IG Metall wäre es, endlich eine Debatte in der gesamten Gesellschaft darüber zu eröffnen und zugleich dafür zu kämpfen, dass eine solche wirkliche Konversion unter Kontrolle der Beschäftigten durchgesetzt wird.

Kampf

Die Tarifrunde ist die gute Gelegenheit, erstens die Kämpfe in der ganzen Branche zu verbinden und zweitens den Kampf um Arbeitsplätze mit dem um Löhne und gegen die Angriffe von Gesamtmetall zu verbinden. Der Warnstreik in Feuerbach hat gezeigt, dass das geht, und das ist ein Fortschritt gegenüber solchen Veranstaltungen wie der Warnstreik 3 Tage später bei Mahle Behr in Mühlacker: Jede Schicht sollte da je eine Stunde früher nachhause gehen, genauso wie die Beschäftigten in Gleitzeit und Homeoffice: Keine Veranstaltung, kein Inhalt, kein Wofür und Warum, kein Gefühl von Gemeinsamkeit … Kein Versuch, das Feuer, das bei den KollegInnen in Feuerbach brennt, auch nach Mühlacker zu tragen …

Die Feuerbacher Beschäftigten, die sich angesichts der Angriffe selbst und mit ihren Vertrauensleuten mobilisiert haben, die 100 Leute, die das Personalbüro besetzt haben, oder die Kantinenbeschäftigten aus Cannstatt, denen allesamt Qutsourcing droht, sind ein Vorbild für alle. Sie sind auch ein Hinweis darauf, was in dieser Tarifrunde möglich wäre, wenn die IG Metall, die Betriebsräte und Vertrauensleute diese Tarifrunde nicht als das übliche Ritual durchziehen, sondern den Unmut und den Protest in wirksamen Widerstand verwandeln.

Die Tarifrunde bietet aber nicht nur die Möglichkeit, den Kampf um die Arbeitsplätze mit dem um Löhne und Arbeitszeit zu verbinden, sie bietet auch die Chance, den Kampf wirksamer zu gestalten: nicht nur Warnstreiks, sondern Streik. Das Wort Streik nahm auch in Feuerbach keine/r in den Mund. Aber daran wird sich die IG Metall-Spitze messen lassen müssen: Ist diese willens und in der Lage, die drängenden Probleme zu verbinden und überall die Kämpfe zu entfalten, Aktionen wie in Feuerbach zu nutzen, um die Zögernden mitzuziehen, oder öffnet sie nur einzelne Ventile und setzt ansonsten den Deckel drauf, hält Pflichtveranstaltungen nach bekanntem Ritual ab? Und wird sie innerhalb ihrer Organisation Vorbereitungen treffen, einen Streik durchzuführen? Und dies als Signal in die nächsten Tarifverhandlungen einzubringen? Die Entschlossenheit der Metallarbeit„geber“Innen läßt keine Zweifel, sie wollen alles: Arbeitsplätze vernichten, keine Lohnerhöhungen und tarifliche Errungenschaften wie die Alterssicherung angreifen. Sie wollen den Klassenkampf, den die GewerkschaftsführerInnen scheuen!

Der Warnstreik in Feuerbach zeigte: Es geht besser und mehr, sobald sich die Belegschaften selbst einmischen und Vertrauensleute und Betriebsräte mitziehen. Für eine erfolgreiche Tarifrunde ist es aber nötig, sich nicht nur  auf einzelne Betriebe zu beschränken, sondern daraus eine Bewegung zu bilden, die die ganze Branche erfasst. Die IG Metall-Bürokratie wird dies nicht von selbst tun und schon gar nicht will sie, dass wirksame Forderungen gegen die KapitalistInnen aufgestellt werden, die der Bewegung eine Perspektive verleihen! Alle Kolleginnen und Kollegen, die mit der Halbherzigkeit ihrer Betriebsräte und der Gewerkschaft unzufrieden sind, alle kritischen GewerkschafterInnen und alle Linken sind gefordert, in dieser Tarifrunde zusammenzuarbeiten, sich zu vernetzen und einen Schritt in Richtung einer klassenkämpferischen Basisbewegung zu gehen: damit die Kraft, die wir als Werktätige ausüben können, gegen die ProfiteurInnen eingesetzt wird!

Nachtrag: Am 9. März 2021 ging die Meldung durch die Medien, dass Herr Stratmann tatsächlich Ende März seinen Posten räumen wird. Es waren nicht die Betriebsräte oder die Belegschaften, die das durchgesetzt haben, sondern Aufsichtsratschef Junker. Es gibt von ihm genauso wenig zu erhoffen oder zu erbetteln wie von einem/r NachfolgerIn. Ein/e solche/r wurde noch nicht bekanntgegeben.




Daimler: Gegen alle Entlassungen und Schließungen! Stoppt die Angriffe!

Gegenwehr! Betriebs- und Gewerkschaftsinfo der Gruppe ArbeiterInnenmacht, Infomail 1129, 8. Dezember 2020

Das Konzernmanagement stellt alles in Frage: Ganze Standorte sind in Gefahr, Zehntausende Arbeitsplätze sollen gestrichen werden, „Zukunftsverträge“ haben eine Verfallzeit von 2 Jahren und werden schlicht gebrochen, Erpressung wird Methode.

Die Bosse behaupten, es gehe um „Transformation“ zur E-Mobilität. Aber wie immer dreht es sich vorrangig um Profite. Die Verlegung von Konstruktion und Produktion von Motoren und Teilen für Verbrenner nach China hat nichts mit „E-Mobilität“ zu tun, zumal der Aufbau von Elektromotoren und Teilen dafür ebenfalls vorrangig im Ausland stattfinden soll.

Die Bosse behaupten, sie würden so handeln, um die Zukunft des Unternehmens zu sichern. Das haben sie auch gesagt, als sie am Verbrenner festhielten, obwohl klar war, dass die Klimakatastrophe die Zukunft der Menschheit gefährdet. Sie haben lieber bei der Abgasmessung betrogen.

Sie haben auch von der Zukunft des Unternehmens gesprochen, als sie wieder und wieder Opfer von den Belegschaften verlangt haben. Das Ergebnis ist, dass unsere Arbeitsplätze so bedroht sind wie noch nie. Wieso sollten wir heute ihren neuen Versprechungen glauben?

Vom Protest zum Widerstand

Zwei Dinge gilt es aus dieser Erfahrung zu lernen: Wir müssen unsere Interessen selber verteidigen und uns selbst um unsere Zukunft kümmern!

Es macht keinen Sinn, dass die Betriebsräte erneut über die Zumutungen der Bosse verhandeln und ihren Angriffen zuzustimmen, um im Gegenzug die schlimmsten sozialen Härten zu vermeiden oder wieder neue Versprechungen zu erhalten, die nicht eingehalten werden.

Die Daimler-Belegschaften haben in den letzten Wochen gezeigt, dass sie zu breiten Protesten fähig sind. Das ist ein gutes Zeichen! Das kann auch das Beispiel für andere ArbeiterInnen in der Auto- und Zulieferbranche sein! Das kann auch die IG Metall beleben, die das ganze Jahr wie scheintot gewirkt hat.

Es reicht aber nicht, mehr Postkarten auszufüllen oder Protestversammlungen zu organisieren. Wir müssen den Bossen klarmachen, dass wir die Macht haben, ihre Profitmaschine zu stoppen, ihre Umstrukturierungen, Kürzungen, Entlassungen und Schließungen zu blockieren oder ihre Entscheidungsmacht einzuschränken.

Dieser Widerstand muss konzernweit organisiert werden, alle Belegschaften müssen mitmachen. Am besten sollten auch die Werke in anderen Ländern einbezogen werden, wie im französischen Hambach, das jetzt abgestoßen werden soll, um letztlich dichtgemacht zu werden. Wenn alle Belegschaften gemeinsam handeln, können uns die Bosse nicht weiter gegeneinander ausspielen.

Natürlich müssen sich die Belegschaften koordinieren. Das können wir nicht nur den Betriebsräten Gesamtbetriebsräten und Gewerkschaftsführungen überlassen, die sehr tief in die „Partnerschaft“ mit den Bossen verstrickt sind. Das müssen also insbesondere auch die Gewerkschaftsmitglieder und Vertrauensleute tun. Dafür müssen sie auch Initiative und Ideen entwickeln. Vertrauensleute und Betriebsräte, die auf SozialpartnerInnenschaft und „Kompromisse“ mit den Bossen setzen, müssen letztlich durch klassenkämpferische KollegInnen ersetzt werden, die den Belegschaften verantwortlich sind.

Wir brauchen also:

  • Vollversammlungen in allen Betrieben und Werken, einschließlich der LeiharbeiterInnen
  • Aktionskomitees in allen Werken und Werksteilen, die von diesen gewählt, abwählbar und ihnen rechenschaftspflichtig sind
  • bundesweite und internationale Koordination
  • ein demokratisch beschlossenes Kampfprogramm gegen alle Angriffe: einschließlich Demonstrationen, Blockaden, Streiks und Besetzungen.

Die derzeitigen Angriffe finden nicht nur bei Daimler statt: Die ganze Autobranche, ja alle Sparten der Wirtschaft sind davon betroffen. Überall führen die „Lösungen“ der KonzernchefInnen zu neuen sozialen und ökologischen Katastrophen. So ist jetzt schon klar, dass das E-Auto keine Arbeitsplätze wirklich sichert und außerdem neue ökologische Probleme schafft.

Zukunft selbst in die Hand nehmen

IG Metall und Betriebsräte müssen also aufhören, immer die „Strategie“ der Konzerne mitzumachen: Sie haben am Verbrenner festgehalten, bis wir uns alle die Finger verbrannt haben. Sie haben zu Abgasbetrug geschwiegen und keine Umrüstung verlangt – alles zum Schaden der KäuferInnen. Sie waren für große Volumen statt Effizienz und Ressourcenersparnis. Und jetzt wieder die gleiche Gläubigkeit beim E-Auto!

Unsere Gewerkschaft müsste vielmehr endlich die Debatte starten, wie die Zukunft der Mobilität aussieht, wie Verkehrssysteme vernetzt, wie die verschiedenen Bedürfnisse auf dem Land und in den Metropolen ökologisch erfüllt werden können.

Die Entscheidung darüber können wir nicht dem Kapital überlassen. Solange die Profitmaximierung der Zweck der Produktion ist, werden Beschäftigte und Umwelt auf der Strecke bleiben. Daher muss die Kontrolle über die Produktion, über Forschung und Entwicklung den UnternehmerInnen entrissen werden, denn unsere Interessen als ArbeiterInnen und VerbraucherInnen sind grundsätzlich andere als jene der KapitalistInnen, ja diesen entgegengesetzt.

Um eine solche ArbeiterInnenkontrolle durchzusetzen, brauchen wir dauerhafte Macht in den Betrieben: das Recht, gegen gesundheitsgefährdende Produktion einzuschreiten, gegen Stilllegungen, Verlagerungen und Entlassungen (auch von LeiharbeiterInnen) vorzugehen. Betriebe oder Werksteile, die stillgelegt werden sollen, müssen entschädigungslos enteignet und unter ArbeiterInnenkontrolle verstaatlicht werden.

Letztlich ist eine ökologische Erneuerung des Verkehrswesens nur möglich, wenn die großen Konzerne unter Kontrolle der Beschäftigten verstaatlich werden, Forschung, Entwicklung wie überhaupt das gesamte Energie- und Transportwesen unter Kontrolle der ArbeiterInnen gestellt werden.

Dahin ist es sicher noch ein weiter Weg – aber der Kampf gegen Entlassungen, Kürzungen, Sparprogramme erfordert letztlich eine gesellschaftliche Antwort für die gesamte Autoindustrie, ja für die gesamte Wirtschaft.

Diese wird letztlich auch unserem Abwehrkampf zugutekommen, weil die Probleme, die sich für die Zukunft bei Daimler stellen, auch in den meisten anderen Betrieben und für die Gesellschaft existieren.

Wir rufen alle, die sich gegen die Angriffe der KapitalistInnen wehren wollen, auf, die Solidarität gegen diese mit der Arbeit an einer Zukunftsperspektive zu verbinden. Wir schlagen vor, ein Solidaritäts- und Aktionskomitee zu bilden, um den Abwehrkampf bei Daimler zu unterstützen.

Kontakt: gegenwehr@arbeitermacht.de




Kündigungswelle überrollt Österreich: Branchenübergreifender Widerstand ist nötig!

Alex Zora, Infomail 1122, 22. Oktober 2020

Es kam, wie es kommen musste. Nach 6 Monaten staatlich subventionierter Kurzarbeit werden Beschäftigte, die in der Krise unter erschwerten Bedingungen gearbeitet haben oder auf einen Teil ihres Einkommens verzichten mussten, massenweise aufgekündigt. Die Kurzarbeit wurde zwar erst kürzlich bis Ende März 2021 verlängert, aber offenbar reicht das den UnternehmerInnen nicht und das, obwohl allzu oft gleichzeitig Boni für ManagerInnen und Gewinne an AktionärInnen ausgeschüttet werden. Die Frage für die ArbeiterInnenklasse ist deshalb, wie sie die direkten und indirekten Gefahren der Massenarbeitslosigkeit abwenden kann.

Entlassungen über Entlassungen

Die meisten Jobs stehen bei MAN auf dem Spiel. Der Konzern plant, den Standort Steyr, wo vor allem LKWs produziert werden, zu schließen. Damit wären auf einen Schlag 2.300 Arbeitsplätze weg. Kaum auszudenken, was das nicht nur für die Beschäftigten und ihre Familien, sondern auch für die gesamte Stadt bedeuten würde. Und das Ganze, obwohl von der Konzernmutter Traton (mehrheitlich im Besitz der Volkswagen AG) dieses Jahr 500 Millionen Euro an Dividenden ausgeschüttet werden!

Beim Flugzeugteilehersteller FACC werden schon ab November 630 Beschäftigte ihre Jobs los. Damit verliert dort fast jede/r Fünfte den Job.

Schon länger ist auch klar, dass ATB Morley (Spezialist für elektrische Großmotoren) sein Werk in der Steiermark schließen wird, wenn die ArbeiterInnen nicht doch noch ausreichend Druck aufbauen können und dazu die nötige Solidarität erhalten (dem Arbeitskampf dort haben wir einen eigenen Artikel gewidmet. 360 ArbeiterInnen verlieren dort ihre Jobs.

DOKA, ein Unternehmen für Schalungstechnik, streicht fast jede sechste der 2.000 Stellen in der Produktion – 600 Jobs werden hier abgebaut. Auch hier ist der Vorwand die fehlende internationale Nachfrage.

Ein weiteres wichtiges Unternehmen, bei dem 1.800 Beschäftigte ihre Arbeitsplätze verlieren, ist der Kristallglashersteller Swarovski. Im Produktionsstandort Wattens in Tirol verliert mehr als jede/r Dritte verliert den Job und das, obwohl Swarovski in den letzten Monaten viele Millionen Euro an Zuschuss aus der staatlichen Kurzarbeitsregelung bezogen hatte. Der letzte große Betrieb, in dem Massenentlassungen anstehen  – ohne Zweifel werden in den kommenden Wochen viele folgen –, ist das Hotel Sacher. 140 Beschäftigte werden hier bald den Job los sein und auch das, obwohl viel Geld über die Kurzarbeitsregelung bezogen wurde. Was hier jedoch die größte Sauerei darstellt, ist die Tatsache, dass eigentlich so schnell nach Ende der Kurzarbeit keine Entlassungen stattfinden dürften – solange die Gewerkschaft nicht zustimmt. Wie die Tageszeitung „Der Standard“ berichtet, ist aber genau das passiert.

Wirtschaftliche Aussichten

Die Gründe für die Massenentlassungen sind von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. Bei der Mehrheit wird auf die „internationale Auftragslage“ oder die „schwere wirtschaftliche Situation“ verwiesen. Und das ist auch angesichts der wirtschaftlichen Ausgangssituation kaum verwunderlich. Das österreichische Bruttoinlandsprodukt ist im 2. Quartal um mehr als 10 % gegenüber dem 2. Quartal 2019 eingebrochen. Auch schon das 1. Quartal hatte ein Minus verzeichnet. Wie stark die Wirtschaft dieses Jahr einbrechen wird, hängt nicht nur vom Verlauf einer etwaigen 2. Welle von COVID-19 ab, sondern auch davon, wie sich die europäische und Weltwirtschaft entwickeln wird. Die Lage sieht alles andere als rosig aus.

Doch wir können uns nicht einfach den „objektiven“ Mächten des Marktes unterwerfen. Wir brauchen stattdessen eine Politik für unsere Klasse. Denn nur zu oft ist es so, dass in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Beschäftigten als Erstes geopfert werden und in wirtschaftlich guten Zeiten nur die AktionärInnen und das Management profitieren. Wir müssen dieses Wirtschaftssystem, das grundlegend darauf aufgebaut ist, dass die arbeitenden Menschen, die den Reichtum in unserer Gesellschaft produzieren, die letzten sind, die auch einen relevanten Teil davon abbekommen, beenden. Stattdessen bekommen den Reichtum durch Gewinne oder Dividenden diejenigen, die nichts andere leisten, als Eigentum zu besitzen und andere Leute für sich arbeiten zu lassen. Falls sie überhaupt arbeiten, steht ihr Einkommen in keinem Verhältnis zur Leistung.

Branchenübergreifender Widerstand notwendig!

Was die Entlassungen aktuell so besonders macht, ist, dass sie in vielen Branchen und weit verteilt übers Land stattfinden. Das macht den Widerstand dagegen nicht unbedingt einfacher. Wenn zum Beispiel ein ganzes Werk abwandern soll oder geschlossen wird, dann ist ein Arbeitskampf, der sich auf die Beschäftigten im Betrieb beschränkt, nicht so einfach in der Lage, ausreichenden Druck aufzubauen, solange nicht zu sehr radikalen Maßnahmen wie Werksbesetzungen oder Ähnlichem gegriffen wird.

Von Seiten der Gewerkschaft braucht es deshalb eine branchenübergreifende Kampagne, verbunden mit Demonstrationen und Streiks, für ein generelles Kündigungsverbot aus „wirtschaftlichen Gründen“. Wenn ein Betrieb sich genötigt sieht, Entlassungen deshalb vorzunehmen, weil zu wenige Geld da ist, dann sollte die Konsequenz sein, dass der Betrieb unter Kontrolle der Beschäftigten entschädigungslos verstaatlicht wird.