Mit Vergesellschaftung gegen die Klimakrise: Eine neue Strategie für die Klimabewegung muss her!

Ein Diskussionsvorschlag der kommunistischen Jugendorganisation REVOLUTION, Infomail 1198, 8. September 2022

Hitzerekorde, Jahrhundertfluten, Waldbrände, Nahrungsmittelknappheit, Trinkwassermangel und Artensterben: Allein in den letzten Monaten haben wir schon einmal einen kleinen Vorgeschmack auf das bekommen, was uns erwartet, wenn wir die Klimakatastrophe nicht so schnell wie möglich aufhalten. Die nächsten paar Jahre werden ausschlaggebend dafür sein, ob die Erderwärmung auf 1,5 Grad beschränkt und das Sterben von Millionen Menschen, Hundertmillionen Arten und die Verödung ganzer Erdregionen noch verhindert werden können. Da die führenden Politiker:innen kein Interesse daran haben (siehe Ergebnisse des G7-Treffens in Elmau), bleibt unsere einzige Hoffnung die globale Klimabewegung. Leider steckt diese hierzulande gerade in einer Krise, die wir uns angesichts der drohenden Katastrophe jedoch nicht leisten können. Mit den Massenaktionen im Großraum Hamburg, den Klimacamps in Leipzig und im Rheinland, dem FFF-Interregionale Sommerkongress und der Großdemo zur Enteignung von RWE & Co in Köln stand der August im Zeichen des Klimaaktivismus, der vielleicht die letzte Chance bietet, noch rechtzeitig aus der Sackgasse der Klimabewegung herauszukommen. Mit diesem Papier möchten wir allen Klimaaktivist:innen, -strukturen und -organisationen von FFF bis „Letze Generation“ eine Strategie zur Diskussion vorschlagen, mit der wir glauben, unseren guten alten Slogan „system change not climate change“ tatsächlich noch verwirklichen zu können.

Dafür versuchen wir, in diesem Papier 3 Fragen zu beantworten:

  • Warum steckt die Klimabewegung in der Krise?
  • Welche strategische Ausrichtung braucht die Bewegung, um daraus zu kommen?
  • Wie lässt sich das praktisch umsetzen?

Warum steckt die Klimabewegung in der Krise?

Zuerst das Positive: Was wir geschafft haben, ist, viele, und zwar wirklich sehr viele Menschen auf die Straße zu bringen und das Klimaproblem damit in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit zu tragen. FFF hat eine ganze Generation von Jugendlichen politisiert und ihnen dazu verholfen, wertvolle politische Kampferfahrungen in selbstorganisierten Strukturen und Aktionen zu machen. Auch wenn die Teilnehmer:innenzahlen der letzten Großmobilisierungen stetig gesunken sind, zählen die Klimagerechtigkeitsaktionen der letzten 3 Jahre nach wie vor zu den größten Veranstaltungen überhaupt. Dennoch dürfen wir die Augen nicht vor dem Offensichtlichen verschließen: Wir haben keine einzige unserer Forderungen durchsetzen können. Millionen von Aktivist:innen haben sich der Bewegung angeschlossen, viel Gegenwind und Repression für ihren Aktivismus geerntet und viel Kraft, Energie und Arbeit in die Bewegung gesteckt. Und was haben wir dafür bekommen? Lausige Klimapakete, folgenlose internationale Konferenzen und eine Menge heißer Luft. Dies führte dazu, dass die Abstände zwischen unseren Aktionen größer und diese selbst kleiner wurden, sich viele von uns frustriert und überarbeitet von der Bewegung zurückgezogen haben.

Ein wichtiger Grund dafür liegt darin, dass zu viele von uns daran geglaubt haben, dass die Partei „Bündnis 90/Die Grünen“ auf unser Seite stünde und ein „Green New Deal“, ein grünerer Kapitalismus, möglich wäre. Wir haben es verpasst, mit der gesamten Bewegung eine Debatte darüber zu führen, wie dieser vielzitierte „system change“ denn eigentlich aussehen soll, ob dieser innerhalb des Kapitalismus gelingen kann und welche soziale Kraft ihn mithilfe welcher Aktionsformen durchsetzen sollte. Stattdessen hat sich die Bewegung so stark fragmentiert, dass nun Menschen wie Kathrin Henneberger, Emilia Fester und Nyke Slawik für die Grünen im Bundestag sitzen, während sich die anderen von den Bullen, die im Auftrag dieser Regierung handeln, aus dem Danni oder von der A100 prügeln lassen müssen. Der Großteil von dem, was von der Klimabewegung übrig geblieben ist, ist weißer Hautfarbe und hat einen akademischen Hintergrund (kommt also von Gymnasium/Uni/Hochschule oder hat Akademiker:inneneltern). Die Tatsache, dass die Anzahl der Aktivist:innen zuerst stagniert und dann stetig abgenommen hat, liegt also vor allem auch daran, dass wir es nicht geschafft haben, neue und breite Teile der Gesellschaft außerhalb von klimabewussten Studis und Schülis für unsere Ziele und Aktionen zu gewinnen. Weder FFF noch „Ende Gelände“, „Extinction Rebellion“ oder „Letzte Generation“ haben unsere Forderungen und Aktionen zum Klimaproblem mit den sozioökonomischen Interessen der Millionen von Lohnabhängigen politisch verknüpfen können.

Welche strategische Ausrichtung braucht die Bewegung, um daraus zu kommen?

Es sind die führenden Industrienationen, die Sitz der lediglich 100 Firmen sind, die für über 70 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Aus Angst die eigene führende Stellung auf dem Weltmarkt in Gefahr zu bringen, wagt es keine dieser Regierungen, die Profite ihre Klimakillerkonzerne „zu sehr“ durch politische Umweltschutzmaßnahmen zu beschneiden. Der Kampf für die Erhaltung dieses Planeten ist also ein Klassenkampf, bei dem die Seite des Kapitals mit politischer Rückendeckung versucht, ihre Profite zu vermehren, während es unsere Aufgabe sein muss, die Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen aufzuhalten. Demzufolge muss es auch die Perspektive der Klimabewegung sein, nicht einen „grüneren“ Kapitalismus zu fordern, sondern den Widerspruch zwischen kapitalistischer Marktlogik und nachhaltiger Lebensweise zu erkennen und aufzuheben. Unser strategischer Partner dafür ist die organisierte Arbeiter:innenbewegung. Ihre aktuelle Führung aus sozialdemokratischen Parteien und verknöcherten Gewerkschaften steckt mit dem Kapital unter einer Decke und hat nur leere Worte für den Klimaschutz übrig hat. Dennoch ist es ihre besondere Stellung in der kapitalistischen Produktionsweise, die ihr die soziale Macht verleiht, das System aus den Angeln zu heben. Denn wo gestreikt wird, kann kein Profit mehr fürs Kapital produziert werden. Es wird also gezwungen, auf unsere Forderungen einzugehen. Daher müssen wir uns aktiv an die Gewerkschaften und die Sozialdemokratie wenden, ihre Führung dazu auffordern, den Burgfrieden mit dem Kapital zu brechen und der Ausbeutung sowohl des Menschen als auch des Planeten den Kampf anzusagen.

Verbesserungen statt Verzicht und Verbote

Die Regierung sagt, dass Verbote und individueller Verzicht die Lösung seien für die Energie- und Klimakrise. Bei steigenden Preisen sollen die Leute sparen und die Heizung runterdrehen, vielleicht halt auch ein bisschen frieren. Manche sagen sogar, es sei gut, dass die Preise steigen, dann würde weniger konsumiert. Gleichzeitig werden einige wenige immer reicher und die Regierung beschließt 100 Milliarden, in die Bundeswehr (selbst eine große Klimakillerin) zu pumpen. Wollen wir unsere Klasse auf die Straße bringen, dürfen wir nicht in den Chor der Robert Habecks einfallen, die Frieren für Klima und Demokratie (eigentlich aber für die Interessen des deutschen Kapitals) propagieren. Stattdessen brauchen wir Forderungen, die nicht nur den Klimawandel stoppen, sondern auch mit konkreten Verbesserungen für die Arbeiter:innen verbunden sind:

  • Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, Schluss mit DB-Chaos, 9 Euro-Ticket 4ever!
  • Ausbau der erneuerbaren Energien unter Arbeiter:innenkontrolle und kostenlose Deckung eines Grundbedarfs für jede:n!
  • Verstaatlichung der Lebensmittelindustrie, Preise senken und nachhaltige Agrarwende organisieren!

Enteignen, enteignen, enteignen!

Indem wir Energieproduktion, Verkehr oder Landwirtschaft demokratisch organisieren, kontrollieren und planen, entreißen wir sie der egoistischen und widersprüchlichen Marktlogik und können so ein Wirtschaften, orientiert an unseren Bedürfnissen und der Erhaltung des Planeten anstatt an der Vermehrung von Profiten, umsetzen. Dabei lässt sich auch beispielsweise die Spaltung zwischen Klimabewegung auf der einen und Beschäftigten in der Kohle- und Autoindustrie auf der anderen Seite überwinden, denn durch die Vergesellschaftung geht kein einziger Job verloren und da keine Profite für die Chef:innen mehr erwirtschaftet werden müssen, bleibt auch mehr für alle übrig. Neuere Ansätze wie „RWE & Co enteignen“ gehen deshalb bereits in die richtige Richtung und sollten weiter diskutiert und vertieft werden. Gleichzeitig bieten sich so auch neue Potenziale, um Kämpfe zu verbinden: Lasst uns den Immobilienriesen „Deutsche Wohnen“ enteignen, anstatt klimaschädliche und platzraubende Luxuswohnungen zu bauen. Lasst uns das Gesundheitssystem vergesellschaften, denn der Klimawandel produziert nicht nur tödliche Hitzewellen und Pandemien, die Privatisierung der Krankenhäuser hat auch dafür gesorgt, dass die Pflegekräfte am Limit sind und den Kranken nicht mehr genügend Betten zur Verfügung stehen. Lasst uns an der Seite der Widerstandsbewegungen im globalen Süden die Agrar-, Lebensmittel- und Trinkwasserkonzerne vergesellschaften, die aktuell von massiven Preissteigerungen profitieren, während andere hungern. Der Kampf für die Vergesellschaftung der einzelnen Schlüsselbranchen ist dabei nur der erste Schritt in Richtung einer neuen globalen Wirtschaftsweise, die auf der Basis von Nachhaltigkeit, demokratischer Planung und Bedürfnisorientierung die egoistische, klimaschädliche und zerstörerische Profitvermehrung des Kapitalismus hinter sich lässt.

Internationalismus muss

Die westlichen Industrienationen versuchen, sich mit neuen Recyclingverfahren und schicken E-Autos als besonders klimafreundlich darzustellen, während sie ihre Müllberge einfach im globalen Süden abladen und die Menschen in den Kobaltminen schonungslos ausbeuten. Genauso versuchen sie uns nun, ihren Krieg gegen Russland als Rettungsmission für das Klima zu verkaufen. Dabei reden „selbst“ die Grünen schon öffentlich davon, den Kohleausstieg erneut zu verschieben oder sogar in die Atomenergie wieder einzusteigen. An die Stelle des russischen Gases treten RWE-Braunkohle, das den Krieg im Jemen finanzierende saudische Öl und Frackinggas aus den USA, von Ruß kotzenden Flüssiggastankern einmal um die halbe Welt geschippert. Als Klimabewegung können wir uns deshalb nicht einfach aus der Kriegsfrage heraushalten. Es gilt, sich weder auf die Seite Putins noch der NATO zu schlagen, sondern unseren Kampf gegen den Klimawandel als einen gegen das System aus konkurrierenden imperialistischen Nationalstaaten zu führen. Eine große Stärke unserer Bewegung ist dabei ihre internationale Vernetzung. So lässt sich ein internationales System auch nur durch global koordinierten Widerstand bekämpfen.

Wie lässt sich das praktisch umsetzen?

Die Klimacamps in Leipzig und im Rheinland, aber auch der Interregionale Sommerkongress in Darmstadt bieten gute Möglichkeiten dafür, einen solchen Strategiewechsel zu diskutieren. Die Klimacamps könnten als Vorbereitung dafür dienen, eine Klimaaktionskonferenz vorzubereiten, in der alle Teile der Klimabewegung durch wähl- und abwählbare Delegierte repräsentiert sind. Die Wähl- und Abwählbarkeit der Delegierten ist dabei besonders zentral, um die Verselbstständigung von Führungspersonen zu verhindern (danke für nichts, Luisa … ) und eine basisdemokratische Kontrolle von unten zu gewährleisten. Die rassistischen Vorfälle innerhalb der Klimabewegung haben außerdem die Notwendigkeit aufzeigt, die Frage der Verschränkung von strukturellem Rassismus, (Neo-)Kolonialismus und Klima auf die Tagesordnung zu stellen sowie auch bewegungsinterne Schutzräume für POCs zu schaffen. Der Charakter einer solchen Konferenz sollte darauf ausgerichtet sein, ein gemeinsames Aktionsprogramm zu verabschieden, in dem wir uns auf gemeinsame Forderungen und Aktionen einigen. In der Vergangenheit ging es auf Klimacamps und -konferenzen häufig um Vernetzung, Spiel & Spaß sowie interessante Workshops. Das ist auch nicht verkehrt, jedoch sollte im Zentrum der basisdemokratische Beschluss eines verbindlichen Aktionsprogramms stehen, damit wir als Klimabewegung nach einer solchen Konferenz gestärkt auf dasselbe Ziel zugehen.

Um den oben beschworenen Druck auf Sozialdemokratie und Gewerkschaften praktisch aufzubauen, sind neben offenen Briefen auch Aktionen vor Gewerkschaftszentralen, Betriebstoren oder zu Parteiversammlungen nötig.

Gleichzeitig müssen wir anfangen, unser Aktionsprogramm auch dort unter die Leute zu bringen, wo wir uns tagtäglich aufhalten: in unseren Schulen, Unis und Betrieben. Vor Ort müssen wir Basiskomitees aufbauen, die kontinuierlich Arbeit zum Klimaproblem machen und diese mit den sozialen Problemen vor Ort verknüpfen. Statt sich nur unter Gleichgesinnten zu bewegen, lohnt es sich, durch Mobilisierungen, Vollversammlungen und kleineren Aktionen vor Ort die Debatte zu anderen Leuten zu tragen und unsere Themen sichtbarer zu machen. Das sorgt für eine stetige Auseinandersetzung und befähigt gleichzeitig viele von uns, sich mehr einzubinden. Vor allem ist die Hemmschwelle, sich einzubringen, für viele dort wesentlich geringer. Lasst uns Vollversammlungen und Veranstaltungen an unseren Schulen und Unis organisieren, auf denen wir gemeinsam mit den Belegschaften und Gewerkschaften diskutieren! Gleichzeitig sollten wir als Schüler:innen, Studis und Aktivist:innen Streikversammlungen und Streikposten von Beschäftigten besuchen, um unsere Solidarität auszudrücken und gemeinsame Schnittstellen im Kampf für eine bessere Welt auszuloten.




Brunsbüttel: Kein LNG-Terminal!

Leo Drais, Neue Internationale 257, Juli/August 2021

Zum Wechsel vom Juli auf den August ruft Ende Gelände (EG) zu Massenaktionen in Brunsbüttel auf. Der Protest richtet sich gegen ein LNG-Terminal, welches sich im Planfeststellungsverfahren befindet. Darüber hinaus richtet sich die Aktion allgemein gegen fossile Gase als vermeintlich grüne Alternative zu Kohle und Erdöl. Am 31. Juli wird zu einer Demonstration unter dem Motto  „Sauberes Gas? Dreckige Lüge! LNG Terminal Brunsbüttel versenken!“ in Brunsbüttel aufgerufen.

Gas und globale Konkurrenz

Mit dem Ort an der Elbmündung und dem westlichen Ende des Nord-Ostseekanals, den täglich hunderte Schiffe aus aller Welt passieren, ist nicht nur der Wunschstandort für das LNG-Terminal (LNG = Liquified Natural Gas; verflüssigtes Naturgas) von der Energiewirtschaft strategisch günstig ausgesucht, sondern als Ort des Protestes auch für Ende Gelände eine politisch interessante Wahl. Schließlich macht EG zu Recht auf die globale Dimension des LNG-Terminals aufmerksam.

Diese wird nicht nur angesichts der Ausbeutung halbkolonialer Länder zur Förderung von Öl und Gas deutlich, sondern auch, wenn wir unseren Blick zunächst auf die Ostsee richten. Hier wird mit Nord-Stream 2 eine weitere Erdgaspipeline die direkten Lieferkapazitäten von Russland nach Deutschland und Zentraleuropa ausweiten, ganz ohne dabei die aus Sicht des russischen Imperialismus politisch unliebsamen Gebiete der Ukraine oder Polens zu passieren. Aber die Dimension ist freilich größer. Der scharfe Kurs, die Sanktionsdrohungen der Trump-Regierung gegen Nord-Stream 2 und daran Beteiligte war ein offener Ausdruck der globalen Konkurrenz der USA gegenüber Russland. Denn: Die USA sind mittlerweile Weltmeister in der Erdgasförderung dank dem besonders umweltschädlichen Fracking-Verfahren. Dass rund die Hälfte des Erdgases für Deutschland aus Russland kommt, störte den Trump-US-Imperialismus. Problem: Von den USA nach Europa kann Gas nur per Schiff, energieaufwändig und teuer, transportiert werden, und es braucht einen speziellen Hafen dafür – ein LNG-Terminal. Der Druck der USA ging  dann letztlich auch so weit, dass Bundesfinanzminister Scholz gar eine Milliarde Euro Förderung für ein Terminal zusicherte, solange Nord-Stream 2 weitergebaut werden dürfe.

Die Abwahl Trumps und die Neuausrichtung der US-Außenpolitik unter Joe Biden sorgte im Mai dann zu einem Absehen von weiteren Sanktionsdrohungen – aus Interesse an einem besseren Verhältnis zu den europäischen PartnerInnen, wie es hieß. Trotzdem hat die kleine Krise bewiesen, dass die deutsche Energieversorgung, die im Falle von Erdöl und -gas absolut importabhängig ist, zusehends schneller mal zwischen die Fronten der Weltpolitik und der Konkurrenz zwischen Erdgas exportierenden Staaten geraten kann. Während andere europäische Staaten, wie zum Beispiel die Niederlande oder Frankreich, über eigene Kais für Flüssiggastanker verfügen, fehlen solche in der deutschen Energielandschaft.

Brückentechnologie?

Der Ausbau der Erdgasinfrastruktur, die im Falle Brunsbüttels übrigens unter Beteiligung der deutschen Oiltanking GmbH und zweier niederländischer Energiekonzerne in einem Joint Venture betrieben wird – die internationalen Wirtschaftsinteressen lassen weiter grüßen – wird aber nicht nur aus weltpolitischen Interessen heraus vorangetrieben. Vor allem stellen Energiekonzerne und Politik ihn als unumgänglichen Meilenstein auf dem Weg zur fossilfreien Energieerzeugung dar. Begründet wird dies mit derzeit unzureichenden erneuerbaren Energien und der vermeintlich besseren Umweltbilanz von Erdgas. Im Verbrennungsprozess mag dies stimmen, da bei dem Hauptbestandteil Methan (CH4) auf vier Wasserstoffatome nur ein Kohlenstoffatom kommt, ergo weniger Kohlendioxid emittiert wird. Jedoch weisen Studien auch darauf hin, dass im Förderungs- und Transportprozess des Erdgases zu einem gewissen Prozentsatz Methan frei wird und in die Atmosphäre gelangt, wobei dieses selbst zu den Treibhausgasen gehört und auf kurze Sicht (Stichwort 1,5 Grad-Ziel usw.) bei gleicher Menge um ein Vielfaches schädlicher wirkt als CO2. Unterm Strich bleibt also, in der Verbrennung wie beim Transport und im Fracking erst recht: Grünes Erdgas ist eine schmutzige Lüge.

Völlig richtig weist EG außerdem darauf hin, dass der Erdgasausbau einen negativen Reboundeffekt auf die eigentliche Energiewende hat. Wo Kapital erst mal investiert ist, soll es sich  auch lohnen. Bis ein nagelneuer LNG-Hafen abgeschrieben ist und sich das Kapital so weit verwertet hat, dass ein Weiterbetrieb nicht mehr lohnt, dauert es Jahrzehnte, die die Energiewende effektiv ausbremsen.

Das was an Erdgas als wirklicher Brücke hin zu einer echten schnellstmöglichen Energiewende mit stabiler Energieversorgung aus erneuerbarer Energie und gelöster Speicherproblematik notwendig wäre (Pipelines, Gasspeicherkavernen), dafür ist die Infrastruktur längst da und die Versorgung ausreichend. Der Ausbau geschieht somit aus rein wirtschaftlichen Interessen der Energielobby heraus.

EG und das Programm

Demgegenüber fällt EG ins andere Extrem und fordert den sofortigen Gasausstieg (wie auch den aus der Kohle). Nimmt man die Forderung beim Wort, dann kann es durchaus sein, dass es schnell dunkel wird – und im Winter auch kalt. Wenn wir EG ernst nehmen – und als zentrale, radikale Kraft in der Umweltbewegung stellt sich die Bewegung selbst dar – nimmt sie hier zumindest das Risiko eines Blackouts, der einer fortschrittlichen Lösung der Klimakrise wohl kaum zuträglich sein dürfte, in Kauf. Oder aber EG meint „sofort“ nicht im engen Sinn des Wortes. Dann riecht die Forderung aber doch nach einer populistischen Note, die in ihrer politischen Rezeptur anscheinend jenen Platz einnimmt, an dem nach so vielen Jahren der Grubenbesetzung und des Protests längst ein grundsätzliches, konkretes Programm der antikapitalistischen Energiewende stehen könnte.

Angenommen, dass „schnellstmöglich“ die richtige und ernstzunehmende Forderung wäre. Was heißt das? Im antikapitalistischen Verständnis: alles, was Produktivkräfte und Technik so schnell wie möglich hergeben. Wer aber bestimmt das? Die Frage danach, wer die Energiewende macht, beantwortet EG regelmäßig mit „Handarbeit“. Das stimmt nicht mal für die Tage, an denen Gruben besetzt werden und ein bisschen Leistung in Kohlemeilern runtergefahren werden muss. An allen anderen Tagen bleibt die Frage unbeantwortet. Das Feld (auf dem demnächst die Gastanks stehen) wird Regierung und Konzernen überlassen, bei deren Wirken vielleicht noch ein bisschen die GewerkschaftsbürokratInnen der IG BCE mitspielen, die sich über Brunsbüttels neue Arbeitsplätze schon ganz eifrig freuen.

ArbeiterInnenklasse

Und da treffen sich dann auch alle Genannten: von EG über Scholz und German LNG bis IG BCE. Sie alle betrachten die, die in der Energiewende Arbeitsplätze mal gewinnen und mal verlieren, als mehr oder minder passives Objekt. Dabei wären doch die Beschäftigten des Energiesektors mit ihrem technischen Know-how tatsächlich die Einzigen, die eine Energiewende schnellstmöglich verwirklichen könnten, fernab von Kapitalinteressen. Dabei wäre es auch noch möglich, dass  tausende Jobs entstehen, weniger gearbeitet wird und trotzdem der Lohn gleich bleibt. Kurz, die ArbeiterInnen in der Energiebranche müssten für einen demokratischen, von ihnen kontrollierten Notfallplan zur Energiewende – nicht zuletzt durch EG – gewonnen werden.

Eckpunkte dessen sollten sein:

  • Für die ökologischen Katastrophen ist die herrschende Klasse verantwortlich – daher soll sie für die Schäden aufkommen! Entschädigungslose Enteignung der Energie- und Transportindustrie unter ArbeiterInnenkontrolle! Nein zum LNG-Terminal – weder in der ökologisch sensiblen Marsch noch woanders in der BRD!

  • Für den schnellstmöglichen organisierten Ausstieg aus der fossilen Energiegewinnung und Einstieg in klimaneutrale Erzeugung im Rahmen eines Energieplans unter ArbeiterInnenkontrolle! Für einen solchen Plan auf europäischer und weltweiter Ebene, der Verkehr, Industrie, Haushalte, Strom- und Wärmegewinnung integriert!

  • Für eine Aufteilung der Arbeitszeit auf alle – für die 30-Stundenwoche bei vollem Lohn- und Personalausgleich! Für ein öffentliches Programm gesellschaftlich nützlicher Arbeiten und dementsprechende Umschulung bei einer Bezahlung, die mindestens dem bisherigen Entgelt entspricht!

  • Weg mit dem Emissionsrechtehandel und der Subventionierung von „regenerativer Energie“! Den „blind“ wirkenden Marktmechanismen setzen wir das bewusste, planmäßige Eingreifen in die Produktion entgegen. Für die Förderung von Energie und Ressourcen sparenden Techniken, bezahlt vom Kapital!

  • Für ein globales Programm zur Wiederaufforstung von Wäldern, der Renaturierung von Mooren und zum Schutz des Bodens und der Meere als CO2-Senken! Entschädigungslose Enteignung von LandbesitzerInnen, nachhaltige Bewirtschaftung unter Kontrolle der ArbeiterInnen und Bauern/Bäuerinnen!

  • Für Forschung nach neuen Energien und zur Lösung der Speicherproblematik der erneuerbaren Energien (Power to Gas) unter ArbeiterInnenkontrolle und auf Kosten der Energiekonzerne!

  • Gegen die Spaltung zwischen Umweltbewegung und Beschäftigten in umweltgefährdenden Betrieben! Umschulung und neue Arbeitsplätze zu gleichen Löhnen und Arbeitsbedingungen! Gegen prekäre Beschäftigung in der Branche erneuerbarer Energien: gleiche Bedingungen für alle Beschäftigten in Windkraft-, Solarbetrieben wie für jene in Bergbau, AKWs und bei den Stromkonzernen!

  • Wenn die Energiewende schnellstmöglich passieren soll, braucht es eigene Kampfaktionen der Beschäftigten! IG BCE und ver.di: Brecht mit den Konzernen, die die Lebensgrundlage der Menschheit zugunsten des Profits zerstören! Für den politischen Massenstreik, der ein ökologisches Sofortprogramm der ArbeiterInnen selbst durchsetzt!



Nach den Aktionstagen im September: Quo vadis, Umweltbewegung?

Lukas Resch, Neue Internationale 250, September 2020

Mehr als 100.000 Menschen beteiligten sich bundesweit am Klimastreik von Fridays for Future (FFF) am 25. September. In Berlin 10.000 bis 20.000 (je nach Schätzung), Hamburg 15.000, Stuttgart und Köln um die 10.000, Bremen und Frankfurt/Main rund 3.000 in mehreren Zügen. In München war die Aktion durch Absage der Kundgebung auf der Theresienwiese wegen Infektionsschutz auf nur 500 beschränkt.

Insgesamt zeigte die Umweltbewegung über das letzte Wochenende im September, wie viel Mobilisierungskraft noch in ihr steckt, aber auch welchen politischen Weg sie nach eineinhalb Jahren gesellschaftlicher Aufmerksamkeit einschlägt. Spricht man aktuell von der Bewegung, sind meist FFF und Ende Gelände (EG) gemeint, worin sich die Bewegung zwar nicht erschöpft, die aber dennoch den absoluten Großteil der Mobilisierung und gesellschaftlichen Relevanz einnehmen.

Politische Ausrichtung von FFF

Dennoch muss konstatiert werden, dass sich trotz beachtlicher Zahlen der Abwärtstrend der Dynamik um FFF fortsetzt, der nun fast seit einem Jahr zu beobachten ist. Auf dem Streik selbst war kaum etwas von der Aufbruchstimmung zu spüren, die frühere Mobilisierungen charakterisierte, und auch politisch schaffte man es nicht, neue Fahrt aufzunehmen. Zwar gibt es mittlerweile Verknüpfungen zwischen Flucht, Antirassismus und Klimawandel. Diese bleiben aber oberflächlich und schmecken besonders schal, wenn man feststellt, dass dieser scheinbare Wandel als Reaktion auf Rassismusvorwürfe entstand, nachdem noch im Februar eine Solidarisierung mit den Opfern der Morde von Hanau abgelehnt wurde. Auch das versprochene Zusammengehen mit dem Arbeitskampf im Nahverkehr blieb auf die Ebene gegenseitiger Solidaritätsbekundungen und gemeinsamer Presseerklärungen durch die Führungen von ver.di und FFF beschränkt.

In Summe bleibt es bei dem ursprünglichen  Credo „Hört auf die Wissenschaft!“ So wird die Umweltfrage innerhalb der Bewegung scheinbar depolitisiert. Scheinbar, denn führt man sich vor Augen, dass führende Mitglieder meist enge Kontakte zur Partei Die Grünen pflegen oder für diese bei den Bundestagswahlen antreten sollen, wird klar, dass dem organisatorischen Kern von FFF bewusst ist, dass sein Anliegen durchaus ein politisches ist. Gleichzeitig wird die Umweltfrage zu der von Moral, Bildung und „aufgeklärtem“ Bewusstsein erhoben.

In Berlin pochten die meisten Reden darauf, dass die Leute doch einsehen müssten, welches Problem der momentane Umgang mit der Umwelt für die Menschheit bedeutet. Diese wird eingeteilt in Menschen, die es einfach noch nicht verstanden haben oder moralisch zu verkommen sind, um sich für eine zukünftige Generation zu engagieren, und solche, die guten Willens und „aware“ (bewusst) genug sind, um das Problem anzugehen. Materielle Zwänge oder gute Gründe, die Leute davon abhalten, sich für eine CO2-Steuer, also eine Massensteuer, einzusetzen, die die Reichen viel weniger trifft als die Masse, fallen bei dieser „bildungsbürgerlichen“ Sichtweise unter den Tisch.

Auch vergebens suchte man auf dem Streik nach Forderungen, die konkreter sind als Appelle, doch noch vor 2038 aus der Kohle auszusteigen, das Problem ernst zu nehmen oder die kommende Bundestags- zur Klimawahl zu machen. So verbleibt FFF auf dem politischen Weg, den es seit Beginn eingeschlagen hat: Mit Fokus auf individueller Verantwortung und klarer Unterordnung unter den bürgerlichen Staatsapparat wird bewusst ein kleinbürgerliches Publikum angesprochen. Auch die Strategie verbleibt ganz auf dem Boden bürgerlicher Politik.

Dies gilt auch für den radikaleren Teil und spiegelt sich auch in einer Veränderung der Zusammensetzung der Proteste von FFF und EG wider. Im September waren deutlich mehr Studierende an den Aktionen beteiligt und weniger SchülerInnen. Die Ausrichtung war auch beim radikalen Flügel stärker politisch kleinbürgerlich geprägt, was à la longue eine Verbindung mit der ArbeiterInnenklasse eher erschweren wird. Umso wichtiger ist es daher, dass RevolutionärInnen für eine klassenkämpferische Ausrichtung der Bewegung kämpfen.

Ende Gelände

Einen Weg, der nur auf den ersten Blick bedeutend radikaler scheint, geht EG. Das  dezentrale Klimacamp vom 23. bis zum 28. September bot AktivistInnen Workshops zur inhaltlichen und praktischen Vorbereitung für die geplanten Besetzungen am 27. September. Mit 3.000 AktivistInnen in 16 Fingern wurden der Tagebau Garzweiler, der dortige Kohlebunker, das Kohlekraftwerk Weisweiler und das Gas- und Dampfturbinenheizkraftwerk Lausward in Düsseldorf besetzt. Wir beteiligten uns am türkisfarbigen Finger, dessen Vorhaben es war, aus einer Solidaritätsdemonstration mit FFF Rheinland und „Alle Dörfer bleiben“ heraus in den Tagebau Garzweiler zu gelangen. Auch wenn der Finger vergleichsweise wenig polizeiliche Repressionen erfuhr, war von Anfang an zu spüren, dass diese den Protesten nicht mehr so freundlich gesinnt ist. Bereits die Anreise des Fingers wurde versucht zu verhindern, indem man erst einen Zug ausfallen ließ und dann den Verkehr auf dem Gleis sperrte.

Diese und andere Schikanen konnten den türkisfarbigen Finger jedoch nicht stoppen. Erst kurz vor Erreichen der Abbruchkante schaffte es die Polizei, sich wieder vor die AktivistInnen zu postieren und so die Besetzung zu verhindern. Ihre Repressionsmaßnahmen, die hier für die meisten glimpflich verliefen, nahmen in den anderen Fingern heftigere Ausmaße an. Versammlungen wurden ohne Angabe von Gründen verboten, Polizeihunde ohne Maulkorb auf DemonstrantInnen losgelassen und AktivistInnen ohne Vorwarnung mit Pfefferspray attackiert. Besonders der grüne, antikoloniale Finger wurde mit massiver Gewalt vom USK aus Bayern konfrontiert. Wir verurteilen jegliche Gewalt der Polizei!

In dieser Auseinandersetzung zeigte sich erneut, dass deren oberstes Gebot der Schutz der kapitalistischen Wirtschaftsordnung ist. Dabei bleibt die Taktik von EG, von kleinen Überschreitungen der Rechtsnormen abgesehen, ganz wie FFF auf dem Boden bürgerlicher Politik und letztlich symbolisch. Das höchste Ziel des zivilen Ungehorsams besteht nicht etwa darin, einen Widerstand zu bilden, der die herrschenden Machtverhältnisse in Frage stellt, sondern Aufmerksamkeit zu erzeugen in der Hoffnung, dass sich so das Bewusstsein der Bevölkerung verändert und die Herrschenden diesem dann durch Reformen Folge leisten.

Natürlich wird sich dabei auf die Zivilbevölkerung berufen, die durch die Wahl der richtigen Partei den Wandel mit herbeiführen könne. Am Ende bleibt diese Logik aber im Rahmen der bürgerlichen Ordnung stecken.

Die Frage, welche Klasse, welche gesellschaftliche Kraft überhaupt einen ökologischen Wandel durchsetzen kann, welche Aktionen dazu nötig sind, wird nicht von einem proletarischen Klassenstandpunkt aus betrachtet, sondern von jenem des/der radikalen, demokratischen BürgerIn.

Dabei geht es nicht in erster Linie um mehr oder weniger Militanz bei den Aktionen von EG. Das ist letztlich eine sekundäre Frage. Wohl aber geht es um die Frage, wie überhaupt die Forderungen nach einem Kohleausstieg oder nach einer wirksamen Bekämpfung des Klimawandels erzwungen werden können. Dies ist, ohne die Eigentumsverhältnisse anzugehen, ohne die Frage zu beantworten, was für wen unter wessen Kontrolle produziert wird, unmöglich. Natürlich schließt das keineswegs den Kampf für unmittelbare Forderungen – z. B. nach einem kostenlosen öffentlichen Personennahverkehr für alle, nach Arbeitszeitverkürzung, Einstellungen und Lohnerhöhungen in der Branche mit ein. Aber solch klare Forderungen nach Verbesserung im Interesse der Lohnabhängigen – ob nun als Beschäftigte oder NutzerInnen – bleiben in der Regel außen vor, beschränken sich höchstes auf die Unterstützung der Forderungen des Gewerkschaftsapparates.

Dabei müsste in Anbetracht der Krise mehr denn je zu erkennen sein, dass das Leid der Menschen und der Umwelt nicht einem moralischen Versagen und „Bildungsdefizit“ entspringt, sondern einem konkreten Interesse, das die zwingende Konsequenz der kapitalistischen Konkurrenz und der imperialistischen Weltordnung ist. Gegen dieses Interesse gilt es sich zu formieren – nicht in Anlehnung an den guten Willen einer kleinbürgerlichen Schicht und der Politik der herrschenden Klasse, sondern Schulter an Schulter mit den ArbeiterInnen. Nur diese haben nichts dabei zu verlieren, wenn die notwendigen Schritte zur Rettung des Planeten und Überwindung der Krise unternommen werden. Diese Schritte müssen sich dabei bewusst gegen die herrschende Profitlogik wenden. Um eine Transformation des Energiesektors zu ermöglichen, müssen die großen Energiekonzerne enteignet werden. Mit den so erhaltenen wirtschaftlichen Mitteln kann nicht nur die Investition in regenerative Energien sichergestellt werden, sondern auch, dass sie für die Beschäftigten eine Existenz jenseits der Kohleverstromung aufbauen kann. Dieses Ziel kann jedoch nicht durch zivilen Ungehorsam erreicht werden.

Anstatt in der Grube sitzend, getrennt von den Lohnabhängigen, zu agieren, muss für Streiks und Besetzungen geworben werden, um so einen ersten Schritt zu gehen, die Produktion nach Bedürfnissen und nicht nach Profit zu gestalten. Auch darf die Umweltbewegung nicht an Landesgrenzen haltmachen, nicht nur die Summe von Aktionen in verschiedenen Ländern entsprechen. Sie muss sich koordinieren, zu gemeinsamen internationalen Aktionen aufrufen und Forderungen aufstellen, die im Interesse der Internationalen ArbeiterInnenklasse liegen. Zum Beispiel muss für einen international gleichen, kaufkraftparitätischen Lohn gekämpft werden, damit nicht mehr einzelne Staaten ihre CO2-Bilanz schönen können, indem sie die Produktion in ärmere Länder verlagern und so zusätzlich Lohnkosten sparen. Ebenso muss das Umweltthema als Teil eines gesamten Kampfes gegen das herrschende System begriffen und auch so geführt werden. Festzustellen, dass der Klimawandel auf dem Weg zur Fluchtursache Nummer eins ist und die Evakuierung von Moria zu fordern, ist wichtig, reicht aber nicht aus. Um das Leid der Geflüchteten zu beenden, muss eine Umweltbewegung auch für offene Grenzen und StaatsbürgerInnenrechte für alle einstehen.

Mag die aktuelle Situation auch düster aussehen, so gibt es durchaus Chancen. Die rege Teilnahme an den Aktionen von FFF und EG zeigt, dass es nicht nur weiterhin viele gibt, die sich für das Thema Umwelt einsetzen wollen, sondern darunter auch jene, die bereit sind, einen radikaleren Weg einzuschlagen. Diese Menschen anzusprechen, ihnen eine Taktik aufzuzeigen, die wirklich radikal ist, und sie mit anderen kämpfen zusammenzuführen, bleibt für RevolutionärInnen in der kommenden Phase Aufgabe und Chance zugleich!




Ende Gelände und Fridays for Future: Fight the Crisis – Wenn nicht mit Bitten, dann mit Enteignung!

Aufruf von REVOLUTION, Neue Internationale 249, September 2020

Diesen Herbst erwarten uns nicht nur neue Temperaturrekorde, sondern auch internationale und bundesweite Mobilisierungen gegen die aktuelle Umwelt- und Energiepolitik.

Am 25.9. wollen wir uns in vielen Städten am globalen Klimastreik beteiligen und am 26. und 27.9. das rheinische Braunkohlerevier blockieren!

 Denn gigantische Buschbrände, Hitzerekorde, Gletscherschmelzen und Naturkatastrophen machen keine Pause, nur weil gerade eine weltweite Pandemie ausgebrochen ist. Vielmehr sehen wir, dass Klima-, Gesundheits- und Wirtschaftskrise untrennbar miteinander verbunden sind. Es ist die Art und Weise, wie wir produzieren und wer die Produktion kontrolliert, die darüber bestimmt, ob wir in der Lage sein werden, diese Krisen zu bewältigen.

Eine Produktionsweise, die sich am Profit und nicht an der Befriedigung der Bedürfnisse von Mensch und Natur orientiert, wird nur weitere Krisen auslösen und ihre Kosten auf den Schultern der Jugend, der ärmeren Länder und der Lohnabhängigen abladen. Kapitalismus macht krank und zerstört Klima und Gesundheit!

Und was ist die Antwort der Regierung? Während bei der Deutschen Bahn Massenentlassungen drohen und die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland allein im März um 33 % im Vergleich zum Vorjahr gestiegen ist, pumpt die Bundesregierung Milliarden in klimaschädliche Konzerne wie die Lufthansa. Gleichzeitig werden Corona-Leugner_Innen und Regenwaldkiller_Innen wie Bolsonaro hofiert, während es in Brasilien zu einem Massensterben aufgrund von Covid-Infektionen kommt. Den Gipfel der Ignoranz stellt das neue sogenannte „Kohleausstiegsgesetz“ dar und ist eine Beleidigung für alle von uns, die im letzten Jahr ernsthaft für Klimagerechtigkeit gekämpft haben. Von Ausstieg ist dort keine Rede, sondern lediglich von einem milliardenschweren 18-jährigen Stützungsprogramm. Ganz nebenbei wurde dann heimlich mit Datteln 4 noch ein weiteres Kohlekraftwerk eröffnet. Ob’s nun darum geht, unsere Erde zu retten oder den Schaden von Corona klein zu halten: Wir sehen, dass die Profite weniger immer über dem Interesse der Mehrheit stehen.

Obwohl die Klimabewegung international riesige Menschenmassen hinter sich vereinigen konnte, hat sie außer medialer Aufmerksamkeit kaum etwas erreicht. Wir können also nicht weiter machen wie bisher. Wir haben keine Illusionen in das Parlament und wollen auch nicht bei der nächsten Wahl in den Bundestag einziehen um dann Lobbyist_Innen anzubetteln, dass sie unsere Erde retten. Wir wollen das Problem an der Wurzel packen! Wenn Bitten an Politik und Wirtschaft nichts bringen, können wir nicht einfach selber zu denen werden, die das System mit verwalten. Stattdessen müssen wir durch Streiks Druck aufbauen und zum Mittel der Enteignung unter Arbeiter_Innenkontrolle greifen, da unsere Forderungen nicht gehört werden.

Wir fordern Organisationen wie die Linkspartei, SPD und Gewerkschaften auf, ihre gesamte Mitgliedschaft für die Aktionen zu mobilisieren und sich gegen die kommenden Angriffe zu wehren. Denn wir brauchen keine Predigten für „nationale Einheit“, wir brauchen keinen Kuschelkurs mit dem Kapital. Stattdessen gibt es mit der Perspektive, die zentralen gesellschaftlichen Sektoren wie Gesundheitssystem, Industrieproduktion, Energie und Bildung unter demokratische Kontrolle zu bringen und nicht der kapitalistischen Profitlogik zu überlassen, einen Weg, wie wir kollektiv und solidarisch gegen Klimawandel, Wirtschaftskrise und Pandemie kämpfen können.

 Lasst uns als Klimabewegung voranschreiten und Kämpfe miteinander verbinden, um erfolgreich zu sein! Lasst uns für eine globale Antikrisenbewegung kämpfen, die uns als Jugendlichen, Lohnabhängigen und Migrant_Innen eine unabhängige Stimme verleiht und die kommenden Angriffe auf Klima, Löhne, Bildung und Sozialsysteme abwehren kann – eine Antikrisenbewegung, die international und antirassistisch ist, sonst kann sie keinen Erfolg haben! Internationale Krisen lassen sich nicht von einem Land aus bekämpfen und nationale (Schein-)Lösungen bedeuten letztlich nur, dass andere Länder stärker ausgebeutet werden, um kleine Verbesserungen vor der eigenen Haustür zu schaffen. Unsere Partner_Innen sind dabei nicht die Grünen oder die NGOs, die durch ihre Beteiligung am Kohle„kompromiss“ die Klimabewegung verraten haben. Vielmehr ist es die organisierte Arbeiter_Innenklasse, die durch ihr Mobilisierungspotential und ihre Stellung in der kapitalistischen Produktionsweise zusammen mit uns das System aus den Angeln heben kann. Dafür müssen wir ihr zum Beispiel in den Tarifrunden im ÖPNV solidarisch zur Seite stehen und unsere Kämpfe verbinden!

  • Schließt Euch unserem Block im globalen Klimastreik und bei Ende Gelände an, wenn Ihr auch der Meinung seid, dass wir Wirtschafts- und Klimakrise nicht durch Bitten, sondern nur durch Enteignungen stoppen können!
  • Für ein Mindesteinkommen, kostenlosen Nahverkehr und umfangreiche Gesundheitsversorgung für alle, bezahlt aus der Besteuerung von Profiten und Vermögen!
  • Für die Vergesellschaftung von Energie, Verkehr und Produktion unter demokratischer Kontrolle der Produzent_Innen und Verbraucher_Innen! Gegen jede einzelne Entlassung!
  • Für eine klimafreundliche Umgestaltung von Produktion, Energie und Verkehr, kostenlose Umschulung der Beschäftigten und einen gemeinsamen Branchentarifvertrag!
  • Anerkennung von Klimakrise und Corona-Pandemie als Fluchtgründe! Für offene Grenzen und volle Staatsbürger_Innenrechte für alle! Kampf gegen den Rassismus! Selbstverteidigungsstrukturen in Betrieben, Kiezen und überall, wo es notwendig ist!
  • Lasst uns diese sozialistische Perspektive der kommenden Krise und dem/den mit ihr wachsenden Rassismus, Militarismus und Verschwörungstheorien entgegenstellen!

Wenn ihr den Aufruf oder den Block unterstützen wollt, wendet Euch an:

germany@onesolutionrevolution.de




Ende Gelände – der militante Teil der Umweltbewegung?

Wilhelm Schulz/Martin Suchanek, Infomail 1079, 4. Dezember

Zwischen Freitag, dem 29. November, und Sonntag, dem 1.
Dezember 2019, fanden erneute Aktionstage des Bündnisses „Ende Gelände“ (EG)
statt. Diesmal führten sie ins Lausitzer Braunkohlerevier. An den vielfältigen
Aktionen und Blockaden beteiligten sich rund 4.000 Menschen, denen es für
einige Stunden gelang, in die Kohlegruben einzudringen, Bagger zu besetzen und
Bahngleise zu blockieren. Der Abbau wurde so zeitweilig gestoppt oder
wenigstens verringert.

Auf dieser symbolischen Ebene waren die Aktionen trotz
massiver Hetze der regionalen und lokalen Medien, Politik,
WirtschaftsvertreterInnen und auch der Gewerkschaften ein politischer Erfolg.

In den Kohlerevieren im Rheinland begrüßte, ja unterstützte
die Mehrheit der Bevölkerung die Besetzung des Hambacher Forstes. Letztlich war
es diese Bewegung, die sich immer wieder in Massendemonstrationen äußerte und
eine zeitweilige Aussetzung der Rodung des „Hambi“ erzwang.

Vorfeld

Anders in der Lausitz. Die Mehrheit steht dort EG,
wie allen anderen Kräften der Umweltbewegung, skeptisch bis offen
feindlich gegenüber – was sich auch im Vorfeld auf verschiedene Weise äußerte.

Es ist kein Zufall, dass sich in der Lausitz mehr und mehr die
AfD als angebliche Verteidigerin einer Heimat breitmacht, die von den Baggern
abgetragen werden soll. In ihr und ihrem Umfeld tummeln sich offen Nazi und
RassistInnen, die mit physischen Angriffen auf AktivistInnen von EG
drohten und drohen.

Die Bilder und Postings von Bullen unter dem Motto „Stoppt
Ende Gelände“ stießen nicht nur auf weitere Verbreitung unter Rechten und
mediales Aufsehen. Sie verdeutlichen einmal mehr, wie verbreitet rechtes und
rechtsradikales Gedankengut bei den „Sicherheitskräften“ nicht nur in
Brandenburg und Sachsen sind.

Bei
den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen verbuchten zwar die Grünen
den Einzug in die Koalitionsregierung mit CDU und SPD als „Erfolg“, der
freilich auf Kosten der Bewegung erkauft wurde. Beide Landesregierungen
sprachen sich klar und deutlich gegen EG aus. Die Grünen distanzierten sich
offen von ihren WählerInnen. Sie verteidigen den sog. „Kohlekompromiss“, der
ein Ende der Kohleverstromung bis 2038 (!) vorsieht. An dem soll nicht
gerüttelt werden – auch nicht von der einstigen WählerInnenschaft.

Von der SPD erwartet in Brandenburg und Sachsen ohnedies
niemand, dass sie sich mit Kapitalinteressen anlegt. In Cottbus einigte sich
auch die „oppositionelle“ Linkspartei mit allen Fraktionen des Stadtparlaments
(außer den Grünen) auf eine gemeinsame Entschließung. Am Mittwoch, den 27.
November, votierten sie gemeinsam mit der AfD für ein Papier, das mit  „Kohlekompromiss umsetzen, Meinungen
respektieren, gewaltfrei debattieren“ überschrieben ist und die „Gewalt“
verurteilt, die von EG ausginge. Die nachträgliche Distanzierung von
VertreterInnen der Brandenburger Linkspartei kann hier nicht darüber
hinwegtäuschen, dass sich ihre Cottbusser „GenossInnen“ mit dem
Rechtspopulismus gemein machten.

Und natürlich darf auch die kapitalhörige IG BCE nicht
fehlen, wenn es darum geht, für den vermeintlich „eigenen“ Konzern die Kohlen
nicht nur aus der Grube zu holen, sondern sich auch schon für deren Profite
stark zu machen, so dass noch einige Jahre „Zusammenarbeit“ abfallen.

All dieses zeigt, wie sehr sich reformistische und grüne
Parteien, aber auch die Gewerkschaften dem Rechtsruck und „ihren“ Unternehmen
unterordnen und anpassen. Sie mögen damit hoffen, die Basis in der Bevölkerung
nicht zu verlieren – in Wirklichkeit erreichen sie genau das nicht.

Eine klassenpolitische Antwort müsste auf Forderungen wie
die entschädigungslose Enteignung der Energiekonzerne, Umbau der
Industrie unter ArbeiterInnenkontrolle, Aufteilung der Arbeit auf alle Hände
durch radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich und
ein Programm gesellschaftlich nützlicher Arbeiten, finanziert aus Profiten und
Großvermögen, konzentrieren. So könnte auch eine Brücke zur Umweltbewegung, zu
antikapitalistischen AktivistInnen von EG geschlagen und diese auch dafür
gewonnen werden, in den ArbeiterInnen Verbündete zu sehen und nicht bloß
passive Betroffene, denen auch bestenfalls geholfen werden soll.

Auch wenn dieses Händeschütteln, ähnlich wie im Hambi, von beiden
Seiten nicht stattfindet – all das verdeutlicht die qualitativ anderen
Voraussetzungen des Protests in der Lausitz. Das spricht keineswegs gegen EG
und andere Protestierende aus der Umweltbewegung. Der Kampf gegen die Klimakatastrophe
sowie für das schnellstmögliche Ende der Braunkohleverstromung samt einer Energieproduktion,
die sich auf fossile Träger stützt, muss auch dort thematisiert werden. Es war
daher richtig, auch in der Lausitz ein Zeichen zu setzen und vor dem
öffentlichen Druck, der Hetze und selbst physischen Drohungen Rechter nicht
einzuknicken.

Vor Ort

Als REVOLUTION und ArbeiterInnenmacht entschieden wir uns, zu
den Protesten zu mobilisieren. So nahmen GenossInnen aus Berlin, Hessen,
Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen an den Aktionen teil. Hier beteiligten wir
uns vor allem an der von Fridays for Future und einigen NGOs ausgerufenen
Demonstration in Jänschwalde. Ebenfalls schickten wir ein Kontingent von
AktivistInnen zu den zentralen Protestaktionen von EG, somit in die Tagebaue.

Die Blockadeaktionen von EG wurden aus drei Städten
organisiert (Berlin, Dresden, Leipzig). Von hier aus sollten unterschiedliche
Orte in und um die vier aktiven Braunkohleabbaugebiete im Revier organisiert
werden. Neben den jeweils lokalen Fingern, die in verschiedene Unterstrukturen
aufgeteilt waren, gab es auch einen inklusiven (bunten) und einen
feministischen (lila) Finger. Kurz zuvor wurde ein weiterer Finger, die
sogenannten AntiKohleKidz (Slogan „AKK positiv besetzen“), der sich scheinbar
stärker aus SchülerInnen aus FFF zusammensetzte, ausgerufen. Dieser war rund um
das Kraftwerk Jänschwalde aktiv. Allein der rote Finger aus Berlin, neben dem
noch Teile von AKK, der bunte und der lila Finger anreisten, teilte sich in
drei Teile auf.

Auch die Polizei war vor Ort. Diese griff zwar vereinzelt
AktivistInnen an – insgesamt war es jedoch leicht, an den PolizistInnen vorbei
auf das Gelände zu kommen. Offenkundig wollten Landesregierungen und LEAG/MIBRAG
Bilder prügelnder PolizistInnen und Massenfestnahmen vermeiden – und nahmen
dafür einen kurzzeitigen Produktionsausfall und einen symbolischen Erfolg von EG
in Kauf. So wurden insgesamt 29 Strafanzeigen gestellt. Auch versuchte die
Polizei schnellstmöglich, Gewalt darstellende Bilder auf ihre Echtheit zu
überprüfen. Was nicht bedeutet, dass unsere Delegation nicht eindeutig
unterschiedliche Formen der Polizeigewalt vor Ort sehen und erleben musste.

Schwäche

Das sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch
einer selbstkritischen Bilanz von EG selbst bedarf.

Anders
als bei den Aktionen im Rheinland und der letzten Besetzungsaktion in der
Lausitz wurde diesmal kein Camp organisiert, von dem aus die Aktionen
vorbereitet oder koordiniert wurden. Ein möglicher Grund dafür war jedoch nicht
fehlende Logistik oder finanzielle Ressourcen, sondern scheinbar die Angst vor
Nazis und noch schlimmer vor der lokalen Bevölkerung. Diese war deutlich auch
bei der Aktion spürbar. So appellierten viele von EG bei der Abfahrt aus der
Kohlegrube in den LEAG-Bussen (!) zum Bahnhof an die Polizei, dass diese
DemonstrantInnen vor etwaigen rechten Übergriffen schützen müsse. Hier kippte
der „staatskritische“ Protest in den Hilferuf an die Staatsgewalt um.

Dies spiegelt das Fehlen einer politischen Konzeption, von
Forderungen wider, wie die Beschäftigten und die Bevölkerung einer
krisengeschüttelten, benachteiligen Region für einen gemeinsamem Kampf gewonnen
werden können.

Ohne eine solche Orientierung, die Klimaschutz und den Kampf
für die Klasseninteressen der Beschäftigen zu verbinden versucht, müssen notwendigerweise
alle Erklärungen an die Beschäftigen in der Kohleindustrie, an die lohnabhängige
Bevölkerung, an Hartz-IV-EmpfängerInnen, ArmutsrenterInnen oder perspektivlose
Jugendliche als rein moralisierende Kritik rüberkommen.

Statt die Masse der Bevölkerung als Menschen anzusprechen, deren soziale Sorgen, deren Ausbeutung und Deklassierung erst genommen wird, erscheinen bei vielen AktivistInnen der Umweltbewegung noch die BewohnerInnen der Lausitz oder die im Tagebau und in Kraftwerken Beschäftigten als „Privilegierte“. Den Menschen in der Lausitz „Verzicht“ zu predigen, wird von den EinwohnerInnen einer durch den Kahlschlag nach der Wende weitgehend de-industrialisierten Region verständlicher Weise als Zynismus aufgefasst.

Es ist unsere
Aufgabe, den Beschäftigten eine Perspektive aufzuzeigen, indem wir die soziale
Frage fest in unsere Klimaforderungen integrieren. Floskeln vom
„sozialverträglichen Kohleausstieg“, den die Menschen der Region seit 30 Jahren
als Begleitmusik zu Arbeitsplatzvernichtung zu hören bekommen und die leider
auch bei EG üblich sind, werden da nicht helfen. Ebenso nicht der Verweis auf
die weitaus schlimmeren Folgen des Klimawandels für Menschen im globalen Süden,
verglichen mit den sozialen Folgen einer Schließung der Tagebauten für die
LausitzerInnen.

EG steht zwar – und darin unterscheidet es sich positiv von anderen Teilen der Umweltbewegung – für Antikapitalismus. Aber dieser scheint ohne Klassensubjekt auskommen zu wollen. Das drückt sich auch in der Aktionsform des zivilen Ungehorsams aus. Anders als z. B. der Streik stellt der zivile Ungehorsam keine Form der kollektiven Selbstorganisation von Ausgebeuteten dar, der die Produktion selbst lahmlegt, sondern trägt selbst als Massenaktion vorwiegend symbolischen Charakter. Daher geht sie – ob bewusst oder notgedrungen – oft mit dem Appell an den bürgerlichen Staat einher.

Auch wenn von Massenblockaden die Rede ist, so wird sich der Aufbau der Bewegung als Addition von Individuen und Kleingruppen (Bezugsgruppen) vorgestellt. Es ist natürlich durchaus sinnvoll, sich in Aktionen in Bezugsgruppen aufzuteilen – aber eine Klassen- und damit eine Massenbewegung kann nie eine von Kleingruppen oder eine bloße Addition von Individuen sein. Sie stützt sich immer auch auf politische Organisationen, gewerkschaftliche oder soziale Massenorganisationen oder Kampforgane wie Räte, Aktionskomitees, die die Integration, Repräsentation und koordinierte Aktion großer Massen ermöglichen.

Ihre Demokratie muss daher notwendigerweise eine sein, die
sich auf Massenversammlungen, Entscheidungen, Wahl, Abwählbarkeit und
Rechenschaftspflicht stützt.

Das System der Bezugsgruppen, der Delegiertenplena wie der
Pseudo-Klandestinität von EG hingegen entspricht nicht einer Massenbewegung,
sondern einer größeren Ansammlung entschlossener EinzelaktivistInnen, wie es in
radikaleren Formen des „zivilen Ungehorsams“ zum Ausdruck kommt. Aus dieser
Perspektive erklärt sich auch, wieso eine derartige Geheimhaltungspolitik
bezüglich der konkreten Blockadepunkte existierte. Diese sind, bis auf einen
unbekannten Kreis, bis zur konkreten Blockadeaktion geheim geblieben. Eine
Unterstützung dieser war nur für Anreisende aus den jeweiligen Städten möglich.

Perspektive der
Bewegung

Die Aktionen von EG, der Aktionswoche von XR wie auch die
Streiks von Fridays for Future verdeutlichen die Notwendigkeit einer
politischen und strategischen Diskussion in der Umweltbewegung. Gerade
angesichts der kommenden Wirtschaftskrise erlangt die Verbindung von
Klimaschutz, Antikapitalismus und ArbeiterInnenklasse gegen die Krise eine
strategische Bedeutung. Gelingt der Schulterschluss in der gemeinsamen Aktion
nicht, so droht die Umweltbewegung in eine Sackgasse zu geraten und die Kluft
zwischen ihr und gewichtigen Teilen der Lohnabhängigen vertieft zu werden.

Zweifellos bringen die Bündnisse und Bewegungen wie EG, FFF
und XR dabei auch enorme Stärken ein, allen voran einen grenzübergreifenden
Charakter. Es mangelt jedoch an verbindlicher globaler Vernetzung zum
koordinierten Widerstand, der über einzelne Aktionstage hinausgeht. Zweitens
muss die Klassenfrage mit der Umweltbewegung verbunden, genauer, der Kampf
gegen die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit als
integraler Teil des Klassenkampfes begriffen werden.

Um all dies zu leisten, benötigen wir ein Aktionsprogramm,
das an Schulen und Unis, vor allem aber auch in Betrieben und das heißt auch in
den Gewerkschaften verankert ist. Dafür müssen AntikapitalistInnen aktiv
werden, dazu bedarf es Aktionskonferenzen und Foren des Austausches und
Beschlussfassung, ähnlich den Sozialforen zu Beginn des Jahrhunderts. So kann
die Bewegung gestärkt aus einer strategischen Diskussion hervorgehen.