Britannien: Die Krise des Ulster-Unionismus vertieft sich

Bernie McAdam, Infomail 1154, 26. Juni 2021

Der Ulster-Unionismus, eine politische Richtung, die die Zugehörigkeit Nordirlands zu Großbritannien vertritt, befindet sich gerade in einer tiefen Krise. Die größte unionistische Partei, die Democratic Unionist Party (DUP) befindet sich nach der brutalen Absetzung von Arlene Foster und der Wahl eines neuen Vorsitzenden, Edwin Poots, im Krieg mit sich selbst. Es dauerte genau drei Wochen, bis Poots zurücktrat, nachdem er die Unterstützung der DUP auch wieder verloren hatte.

Poots’ Entscheidung, seinen Kumpel Paul Givan als Ministerpräsidenten zu nominieren, war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Dies folgte auf das Beharren der Partei Sinn Féin, die die Aufhebung der Teilung Irlands befürwortet, dass die Wiederernennung von Michelle O’Neill als Co-Regierungschefin, eine Vorbedingung für die Bildung der Exekutive, nur dann stattfinden würde, wenn die Gesetzgebung zur irischen Sprache, die bereits im New Decade, New Approach Deal (Abkommen zur Wiedereinsetzung der nordirischen Exekutive) vom 9.1.2020 vereinbart wurde, später im Jahr umgesetzt werden würde.

Poots stimmte der Umsetzung zu, aber nicht dem Zeitplan. Sinn Féin bat daraufhin die britische Regierung, die Gesetze stattdessen in Westminster einzuführen. Deren Nordirlandminister Brandon Lewis kam der Bitte nach. Vermutlich fühlte sich Poots dadurch von jeglicher Verantwortung entbunden und stimmte der Bildung einer neuen Exekutive auf dieser Basis zu.

Die VertreterInnen der DUP waren über diese einseitige Entscheidung ebenso empört, wie sie die Einmischung von Westminster geißelten. Dies demonstrierte einmal mehr die sektiererische Abneigung der UnionistInnen gegen alles Irische und jedes Zugeständnis an es als einen Schritt auf dem schlüpfrigen Weg zu einem vereinten Irland. Das Narrativ, mit dem jetzt hausieren gegangen wird, ist, dass Lewis in der Tasche von Sinn Féin steckt und die UnionistInnen im Regen stehen gelassen werden. Was ist der Sinn der Dezentralisierung, ja des Karfreitagsabkommens (GFA) selbst, wenn Westminster die Versammlung mit Füßen tritt?

Der neue Vorsitzende, Jeffrey Donaldson, wird vor einer Mammutaufgabe stehen, die Einheit der UnionistInnen zu fördern. Die DUP hat bereits mehrere Abgeordnete an ihre Rivalin, die Ulster Unionist Party (UUP), verloren. Sie hat auch an die größere Hardlinerin, Traditional Unionist Voice (TUV) auf der rechten Seite, und an die eher liberalen Pro-EU-UnionistInnen der Alliance Party verloren.

Sollte sich dieser Trend bei den nächsten Wahlen zum nordirischen Parlament (Stormont) fortsetzen, würde Sinn Féin die größte Partei werden und damit den Posten des/r PremierministerIn in der neuen Exekutive einnehmen. Das würde ein breites Meinungsspektrum der UnionistInnen ebenso entsetzen wie diejenigen, die sich immer noch nicht damit anfreunden können, die Macht mit NationalistInnen zu teilen.

Wenn Donaldson mit der Teilung der Macht weitermacht, was nicht sicher ist, dann wird er das GFA mit Sicherheit als Verhandlungsinstrument benutzen, um das Nordirlandprotokoll zu beseitigen. Sein Hauptziel ist die Abschaffung des Protokolls, das er als „die größte Herausforderung für den Unionismus“ bezeichnet. Er wäre bereit, das GFA über Bord zu werfen und die Versammlung/Exekutive zum Einsturz zu bringen, höchstwahrscheinlich indem er sich weigert, an der Nord-Süd-Kooperation festzuhalten.

Das Protokoll

Die irische Sprache ist eine „geschmacklose“ Sache für die UnionistInnen, aber das Protokoll ist eine ganz andere. Nach der Erzählung der UnionistInnen gefährdet das Nordirlandprotokoll grundsätzlich die Integrität des Vereinigten Königreichs durch eine Grenze in der Irischen See und bringt ein vereinigtes Irland näher. Der Einsatz könnte für die UnionistInnen nicht höher sein und die kommenden Monate werden zeigen, wie sich dies auf der Straße auswirkt.

Das Protokoll, das nun internationales Recht ist, hält Nordirland innerhalb des EU-Binnenmarktes für Waren. Dadurch werden eine harte Landgrenze, Zollkontrollen usw. zwischen Nordirland und der Republik Irland vermieden. Es bedeutet auch, dass HerstellerInnen aus Nordirland einen besseren Zugang zum EU-Markt haben als die in Großbritannien. Angesichts der Mehrheit, die für den Verbleib in der EU im Norden ist, scheint dies vorteilhafter zu sein, selbst wenn man die jüngsten Störungen in den Häfen von Nordirland in Bezug auf Lebensmittel aus Großbritannien berücksichtigt. Offensichtlich gäbe es überhaupt keine Probleme dieser Art, wenn der Brexit nicht stattgefunden hätte, aber es scheint, dass UnionistInnen nicht ganz verstehen können, dass Konsequenzen folgen, wenn man den Binnenmarkt verlässt!

Das Protokoll wurde von Großbritannien und der EU unterzeichnet, so dass sich in der Gemeinschaft der UnionistInnen/LoyalistInnen ein Gefühl des tiefen Verrats gegenüber der Johnson-Regierung breitgemacht hat. Ein Teil des Problems der DUP ist, dass sie bereitwillig mitgemacht hat, als sie von Johnson über den Tisch gezogen wurde. Der Versuch, dieses Image auszugleichen, wird dazu führen, dass sie den LoyalistInnen in die Hände spielt und ihre langjährigen Verbindungen zu den paramilitärischen Gruppen der LoyalistInnen zementiert.

Der loyalistische Rat der Gemeinden (Ulster Vigilance Force/UVF, Ulster Defence Association/UDA, etc.) hat bereits seine Unterstützung für den GFA zurückgezogen, nicht dass er ihn jemals vollständig begrüßt hätte, und provozierte kürzlich Krawalle, um gegen die Grenze zur Irischen See zu protestieren. Diese Krawalle wurden nicht stark unterstützt, aber die aktuelle Marschsaison der AnhängerInnen der kolonialen Unterdrückung der irischen Bevölkerung wird genutzt, um ihre Kampagne aufzubauen. Zwei kürzlich durchgeführte illegale Märsche mit 800 TeilnehmerInnen in Portadown und etwa 3.000 auf der Shankill Road (in Belfast) werden von vielen weiteren gefolgt werden. Wenn die Geschichte irgendetwas zeigt, dann werden unweigerlich katholische/nationalistische Gebiete die Ziele sein und deren Selbstverteidigung wird lebenswichtig sein. Die nächsten Monate werden entscheidend sein, wenn es darum geht, die Versuche der UnionistInnen/LoyalistInnen zu beobachten, eine einheitliche Antwort auf das Protokoll auf den Straßen zu finden.

Die DUP mag zwar vom britischen Premierminister Johnson über den Tisch gezogen worden sein, aber er wird trotzdem versuchen, die UnionistInnen zu beschwichtigen, indem er den Anschein erweckt, eine harte Verhandlung mit der EU bezüglich des Protokolls zu führen. Ein bisschen spät vielleicht, da es bereits Gesetz ist, aber er hat angekündigt, dass die Gnadenfrist für aus Nordirland importierte Lebensmittel verlängert wird, vermutlich bis die Marschsaison der LoyalistInnen vorbei ist und die Gewaltandrohung nachlässt.

Dies ist ein Notbehelf. Entweder er respektiert die Politik des US-Präsidenten Biden, die EU und internationales Recht und stellt sich den LoyalistInnen oder riskiert eine Landgrenze mit weitaus größerem wirtschaftlichen Chaos als Folge und politischem Widerstand von Biden und der EU mit energischeren Maßnahmen an der Grenze. Im Idealfall würde Johnson einige kosmetische oder technische Verbesserungen der gegenwärtigen Vereinbarungen wollen, ein Zugeständnis der EU vielleicht, das die UnionistInnen beruhigen kann. Aber selbst das könnte für die wachsende Paranoia, die den Unionismus heimsucht, zu spät sein.

Karfreitagsabkommen

Ein wesentlicher Bestandteil des GFA von 1998 war die Notwendigkeit einer offenen Grenze auf der irischen Insel. Dies wurde leicht gemacht, da beide Staaten in der EU waren, und diese gemeinsame Mitgliedschaft bewies, wie sinnlos die Grenze in Irland war. Der Brexit hat all dies mit einem Schlag geändert. Natürlich wurde der Brexit nicht mit Blick auf Irland konzipiert und seine katastrophalen wirtschaftlichen Auswirkungen haben gerade erst begonnen.

Das Problem des Unionismus ist, dass er auf den Brexit-Zug aufgesprungen ist, obwohl die Interessen der (Land-)Wirtschaft (oft selbst UnionistInnen) den Verbleib wollen. Die einzige Möglichkeit, davon abzulenken, besteht darin, die „orange Karte“ zu spielen und Ängste zu schüren, dass die Union mit Großbritannien bedroht und wichtiger ist als die Mitgliedschaft in der EU.

Die Implikationen für die offene Grenze bedeuteten also, dass der Brexit immer einen Einfluss auf das GFA haben würde. Die Grenze kehrte direkt zurück in die irische Politik. Das GFA war ein Kompromiss zur Teilung der Macht zwischen den BefürworterInnen und GegnerInnen der Grenze, die die beiden wichtigsten Gemeinschaften repräsentierten. Obwohl es den UnionistInnen ein Veto gegen ein vereinigtes Irland sicherte, bedeutete es, dass sie nicht einseitig regieren konnten, wie sie es seit 1921 getan hatten. Zunächst war die DUP strikt gegen eine Machtteilung. Weitere Zugeständnisse von Sinn Féin änderten ihre Haltung.

Im Moment scheint ein wachsender Kern von DUP und LoyalistInnen darauf bedacht zu sein, ihren Staat wieder direkt von Westminster aus regieren zu lassen. Das GFA ist dabei, sich schnell zu verfransen. Dennoch schwört jede/r, von Biden bis Blair, dem früheren britischen Labour-Premierminister, von Sinn Féin bis zu den regierenden britischen Konservativen, auf das Friedensabkommen. Der Brexit hat seine Grenzen aufgezeigt.

Die hartnäckigen Widersprüche im Herzen des Nordstaates wurden nur durch das GFA bewahrt. Die Geburt des nordirischen Staates war ein undemokratischer Affront gegen das irische Volk als Ganzes. Er wurde zu einem Gefängnis für eine bedeutende Minderheit innerhalb des Staates selbst. Diese Ungerechtigkeit kann nicht durch ein Abkommen übertüncht werden, das, wenn überhaupt, das Sektierertum verfestigt hat, wo die Friedensmauern bestehen bleiben und es keine „Friedensdividende“ für die ArbeiterInnenklasse gegeben hat.

Sinn Féin wird zweifellos darauf hinweisen, dass das GFA auch eine Bestimmung für eine Grenzabstimmung enthält. Ja, das stimmt, aber es liegt ganz im Ermessen der britischen Regierung, diese abzuhalten oder nicht. Und „nicht“ ist die wahrscheinliche Antwort. Die Zukunft Irlands als einer vereinigten Insel kann nicht von der Laune des britischen Imperialismus abhängen. Jeder Übergang zu einem vereinigten Irland muss unter der Kontrolle der irischen ArbeiterInnenklasse stehen. Es wird notwendig sein, Organe des Massenkampfes zu schaffen, um sicherzustellen, dass die Kräfte der kapitalistischen Reaktion im Süden nicht weniger als im Norden besiegt werden und jedes neue Irland der ArbeiterInnenklasse gehört und von ihr in einer ArbeiterInnenrepublik kontrolliert wird.

Großbritannien blickt auf eine lange Geschichte der Unterdrückung in Irland zurück. Die britische Grenze ist eine Fortsetzung davon, sie sollte verschwinden. Das irische Volk, als Ganzes, sollte seine eigene Zukunft bestimmen. Es ist an der Zeit, dass Großbritannien sich zurückzieht und den Unionismus aus seinem derzeitigen Chaos in seinen endgültigen Todeskampf übergehen lässt.




Britannien: Kill the Bill!

KD Tait, Infomail 1148, 3. Mai 2021

Während sich der zweite Covid-Lockdown dem Ende zuneigt, steigen die sozialen Spannungen. Trotz der großen Mehrheit der Regierung, die dank rechter Labour-Abgeordneter gewonnen wurde, die den Wahlkampf 2019 sabotierten, werden Premierminister Boris Johnson und sein Kabinett von Brexit-ExtremistInnen an allen Fronten bedrängt.

In Erwartung der Explosion des Zorns über 150.000 Tote, Lohnkürzungen und Massenarbeitslosigkeit und der zunehmenden Proteste gegen institutionellen Rassismus und Sexismus hat die Regierung ein neues Gesetz vorgeschlagen, das das Recht auf Protest massiv einschränken würde.

The Bill

Das Polizei-, Verbrechens-, Verurteilungs- und Gerichtsgesetz (Police, Crime, Sentencing and Courts Bill) wird Proteste und öffentliche Versammlungen einschränken – und damit effektiv einen permanenten Ausnahmezustand verhängen. Die Polizei wird die Befugnis haben, öffentliche Versammlungen und Proteste zu verbieten, indem sie sie einfach als „öffentliches Ärgernis“ deklariert. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass diese vage Definition denjenigen, die von Protesten betroffen sind, wie Unternehmen, Banken und VermieterInnen, erlaubt, die Polizei zu verpflichten, Proteste gegen sie zu beenden. OrganisatorInnen werden kriminalisiert. Die Weigerung, den Anweisungen der Polizei Folge zu leisten, kann zu Geldstrafen von bis zu 2.500 Britischen Pfund (= 2.780 Euro)  führen. Absurderweise wird die Verunstaltung von Denkmälern wie denen des Bristoler Sklavenhändlers Edward Colston oder des mörderischen Imperialisten Winston Churchill mit bis zu 10 Jahren Gefängnis bestraft.

Die Konservativen haben die Abriegelung als Vorwand genutzt, um Demonstrationen zu verbieten, Hunderte zu verhaften und Geldstrafen in Höhe von Zehntausenden von Pfund zu verhängen. Innenministerin Priti Patel war wütend über das Versagen der Polizei, die Blockaden der Bewegung „Extinction Rebellion“ zu räumen, und bezeichnete die friedlichen „Black Lives Matter“-Proteste im letzten Sommer als „schrecklich“. Nachdem BeamtInnen der Metropolitan Police eine friedliche Mahnwache zum Gedenken an Sarah Everard angegriffen hatten, die von einem Polizeibeamten im Dienst ermordet wurde, brach im ganzen Land Wut aus, wobei sich große Demonstrationen zu einer neuen Koalition für #KillTheBill Weg mit dem Gesetz) zusammenschlossen, die schwarze AktivistInnen, FeministInnen, UmweltschützerInnen, SozialistInnen und GewerkschafterInnen vereint.

Aktionen

Lebhafte Demonstrationen und die Verteidigung der Bewegung gegen Polizeirepression von London bis Bristol über mehrere Wochen hinweg zwangen die Regierung, das Gesetz bis September zu verschieben. Am 1. Mai, der von der ArbeiterInnenklasse auf der ganzen Welt als Internationaler Kampftag begangen wird, hat die #KillTheBill-Bewegung den Druck erhöhen, indem sie alle, die zur Gegenwehr bereit sind, zu einem landesweiten Aktionstag mobilisierte.

Die Tories haben offensichtlich ein Auge auf die wachsende Unzufriedenheit der Gewerkschaften über die Lohnabschlüsse für die Beschäftigten des öffentlichen Sektors geworfen, die auf eine reale Lohnkürzung hinauslaufen, und auf die zunehmende Anwendung der unverschämten „fire and rehire (Feuern und wieder Einstellen)“-Regelungen durch private Arbeit„geber“Innen, um ArbeiterInnen dazu zu zwingen, niedrigere Löhne und schlechtere Bedingungen zu akzeptieren.

Feige Labour-Führung

Leider haben die Führung der Labour-Partei und die meisten GewerkschaftsbürokratInnen zu diesem Angriff geschwiegen, der die Schlinge um wirksame Arbeitskampfmaßnahmen noch enger ziehen wird, zusätzlich zu den ohnehin schon restriktivsten gewerkschaftsfeindlichen Gesetzen in Europa. Der Labour-Vorsitzende Sir Keir Starmer, ein ehemaliger Direktor der Staatsanwaltschaft (Director of Public Prosecutions), unterstützte zunächst die Vorschläge der Regierung, bevor er sich nach der Gewalt gegen die TeilnehmerInnen der Sarah-Everard-Mahnwache auf die Seite der DemonstrantInnen schlagen musste. Selbst dann weigerten er und sein Schattenkabinett sich, den Rücktritt der Chefin der Metropolitan Polizei, Cressida Dick, und Priti Patel, die den Angriff angeordnet hatte, zu fordern.

Für diese Feigheit gibt es keine Entschuldigung. In Frankreich wurde eine Flut von ähnlichen Gesetzen, die auf MuslimInnen und AktivistInnen abzielten, mit wochenlangem, heftigem Widerstand auf den Straßen beantwortet, sogar während des Lockdowns. Streiks, Proteste und Blockaden von SchülerInnen, GewerkschafterInnen und ArbeiterInnen haben den Widerstand unter den französischen ArbeiterInnen populär gemacht. Sowohl in Frankreich als auch in Großbritannien sollen es repressive Gesetze der Regierung und den von ihr vertretenen großen Firmen erleichtern, die ArbeiterInnenklasse und die Jugend für die Kosten der Pandemie mit unseren Arbeitsplätzen, Löhnen, Lebensbedingungen und unserer Zukunft bezahlen zu lassen.

Potential

#KillTheBill kann ein mächtiger Teil von Bewegungen sein: einzelne Finger, die zusammen eine Faust ergeben. Die kämpferische Basis der ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbewegung muss sich in großem Stil engagieren. Zusammen mit jungen Leuten aus den Schulen und Hochschulen, mit jungen ArbeiterInnen aus der Gig-Economy (Scheinselbstständigkeit) können wir den militanten Antikapitalismus wiederbeleben, den wir zuletzt in den Demonstrationen gegen die Erhöhung der Studiengebühren 2010/11 und der Occupy-Bewegung 2012 gesehen haben, und davor in der Anti-Kopfsteuer-Bewegung der frühen 1990er Jahre, der Bewegung gegen das Strafrechtsreformgesetz und den Sozialforen und Gipfelbelagerungen zwischen 1999 und 2005.

Die Spontaneität der frühen Mobilisierungen ist verständlich, der Shutdown und polizeiliche Schikanen gegen OrganisatorInnen von Protesten machten dies notwendig. Aber wenn die Abriegelung gelockert wird, muss sich die Spontaneität zu einer massenhaften demokratischen Diskussion und Entscheidungsfindung entwickeln, um einen Plan der Verbreiterung und Radikalisierung der Aktionen aufzustellen, der die ArbeiterInnenklasse dazu bringt, klare Forderungen und eine Strategie für den Sieg zu entwerfen,

Die Vielfalt der Organisationen und Kampagnen, die in der #KillTheBill“-Koalition vertreten sind, zeigt das Potenzial der Bewegung, den Weg für eine breitere Offensive der ArbeiterInnenklasse gegen die Regierung, die UnternehmerInnen und die VermieterInnen zu öffnen: eine organisierte Bewegung gegen Arbeitslosigkeit, Streiks für anständige Löhne, gewerkschaftliche Organisierung der super ausgebeuteten Gig-Economy-, Lager- und  SweatshoparbeiterInnen.

Wir müssen die Kampagne in der ArbeiterInnenklasse und der Jugend verwurzeln, indem wir regelmäßige Massenversammlungen abhalten, um den Weg nach vorn zu diskutieren und über Entscheidungen abzustimmen. Aktionskomitees, die sich aus Delegierten von Gewerkschaften, Betrieben, Kampagnen und Organisationen zusammensetzen, können den Kampf demokratisch koordinieren und die Sabotage oder Gleichgültigkeit der Labour- und GewerkschaftsbürokratInnen umgehen. Verbunden mit diesen kämpferischen Organen der Selbstorganisation der ArbeiterInnenklasse ist die Notwendigkeit einer organisierten, disziplinierten Selbstverteidigung unserer Bewegung und unserer Gemeinden unter demokratischer Kontrolle, durch die Organisation von OrdnerInnen, Streikposten und Gruppen zur Selbstverteidigung.

Wenn wir den Gesetzentwurf im Parlament nicht stoppen können, müssen wir ihn auf der Straße zu Fall bringen. Unsere Strategie zielt nicht nur darauf ab, den Gesetzentwurf zu stoppen, sondern die grundlegenden Elemente der Organisation und Macht der ArbeiterInnenklasse wieder aufzubauen, kämpfende Organe der Massenaktion, die die Voraussetzung für einen erfolgreichen Kampf sind, um die Aufhebung aller reaktionären und rassistischen Gesetze zu erzwingen und damit den Bossen und ihren PolitikerInnen einen vernichtenden Schlag zu versetzen.




Mord an Sarah Everard: Not one more!

Linda Loony, Neue Internationale 254, April 2021

An einem Mittwochabend, dem 3. März 2021, verließ die 33-jährige Sarah Everard das Haus eines Freundes im Londoner Stadtteil Clapham, um sich zu Fuß auf den 2,5 km langen Heimweg nach Brixton zu machen. Sie kam nicht mehr nach Hause. Ihre Leiche wurde eine Woche später in einem Wald in Kent gefunden.

Die Ermittlungen gegen Sarahs Mörder führten zu einem 48-jährigen Polizeibeamten der London Metropolitan Police, Wayne Couzens. Ihm wird vorgeworfen, Sarah gekidnappt und getötet zu haben. Dieser Mann hatte vor dem Mord bereits mehrfach Frauen sexuell belästigt und sich z. B. in der Öffentlichkeit vor ihnen entblößt. Anzeigen, die von den Frauen gegen ihn erstattet wurden, liefen ins Leere. Couzens blieb unbestraft und arbeitete weiter im polizeilichen Dienst. Mittlerweile befindet sich der Mann in Untersuchungshaft und ein Gerichtsverfahren gegen ihn wird vorbereitet.

Protest und Repression

Kurz nach dem Fund von Sarahs Leiche und der Ermittlung des Tatverdächtigen versammelten sich über Tausend Menschen in Clapham zu einer friedlichen Mahnwache auf einer der Kreuzungen, die Sarah in der Nacht ihres Todes überquert hatte. Die örtliche Polizei griff ein, um die Versammlung aufzulösen, da diese wegen der aktuellen Corona-Lage eine zu große Infektionsgefahr darstelle – und das, obwohl die Anwesenden Masken trugen und auf Abstände achteten. Die BeamtInnen gingen dabei mit voller Härte vor. TeilnehmerInnen der Mahnwache wurden zu Boden gedrückt, geschlagen und abgeführt. Viele Videos und Bilder kursierten danach im Internet und bezeugten die Gewalt, die die Polizei gegen die mehrheitlich weiblichen TeilnehmerInnen ausübte.

Die Nachricht von Sarahs Ermordung führte zu einer neuen #MeToo-ähnlichen Bewegung auf der ganzen Welt, mit Hunderttausenden von Frauen, die sich in den sozialen Medien über ihre eigenen Erfahrungen äußerten, sich unsicher zu fühlen, wenn sie nachts nach Hause gehen, zusammen mit Männern, die fragten, was sie tun können, damit sich Frauen sicherer fühlen. Viele solidarisierten sich auch mit den Protestierenden an der Mahnwache in Clapham.

In den folgenden Tagen und Wochen fanden mehrere Großdemonstrationen im Gedenken an Sarah Everard und gegen sexualisierte Gewalt trotz Verboten statt. Die Aktionen wurden dabei thematisch mit dem Widerstand gegen die Einschränkungen des Demonstrationsrechts verbunden, die das britische Parlament zur Zeit durchzupeitschen versucht.

Diese Geschehnisse lenken das Augenmerk auf zwei zentrale Aspekte: Zum einen zeigt der Fall Sarah Everard wie viele andere und wie das riesige Social-Media-Echo, welcher Gefahr Frauen in unserer Gesellschaft ausgesetzt sind. Zum anderen zeigt er, dass die Polizei als Exekutivorgan eines Staates, in dem Frauen immer noch systematisch unterdrückt werden, uns nicht schützen wird.

Wie die meisten anderen Frauen fühle ich mich auf dem nächtlichen Nachhauseweg allein nicht sicher. Wir vermeiden solche Wege, wir haben ein Pfefferspray dabei, wir hören keine Musik aus Angst, herannahende Gefahr nicht zu registrieren. Wir halten unseren Haustürschlüssel in der Faust umklammert, bereit, damit um uns zu schlagen, wenn wir angegriffen werden. Wir wechseln die Straßenseite, wir gehen im Dunkeln nicht einfach spazieren oder joggen. Wir gehen nicht alleine auf eine Party zum Tanzen, wir rufen FreundInnen auf dem Heimweg an, um uns zu beruhigen. Potenzielle Gewalt gegen uns, ist eine reale Gefahr, sexuelle Belästigung, dass Männer uns anquatschen, zuzwinkern, Küsse zuwerfen, uns hinterherpfeifen. Aber wieso ist das unsere Realität?

Reaktionen

Die Polizei hatte nach Sarahs Verschwinden Frauen geraten, nachts nicht rauszugehen. Dieser Vorschlag zeigt, wie die Situation in unserer Gesellschaft betrachtet wird. Frauen sollen sich anpassen, das Haus lieber nicht verlassen, lieber keine knappe Kleidung tragen, dann passiert ihnen nichts. Dies verdeutlicht die vorherrschende Kultur, die Opfer zu  Schuldigen zu machen. Statt Frauen zu sagen, dass sie ihr Verhalten ändern sollen, muss der Fokus darauf liegen, männliche Gewalt gegen Frauen zu beenden.

Dabei kann die Lösung nicht nur in der Aufklärung oder Bewusstseinsbildung liegen, erst recht nicht darin, dass das Problem nur als eines zwischen Individuen erscheint. Individuelle Gewalttaten oder Diskriminierung müssen entschieden bekämpft werden. Aber diese Arbeit bleibt letztlich nur eine Symptombekämpfung, wenn wir nicht auch und vor allem die Ursachen für Gewalt gegen Frauen – die systemische gesellschaftliche Unterdrückung – angehen.

Die Schuldigen sind nicht nur die einzelnen Männer, die Frauen so etwas antun, sondern der Staat, die Medienkultur, die ihnen ein hohes Maß an Straffreiheit gewährt. Deren Grundlage bildet eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, die Frauen im Arbeitsleben benachteiligt und sie zur Verrichtung des größten Teils der privaten Hausarbeit zwingt. Diese gesellschaftliche System bringt ein reaktionäres Rollenbild der Frauen hervor, das sie als unterlegene, sexuelle Objekte darstellt, die dem Mann verfügbar sein sollen. Diese Rolle, diese Degradierung zum Objekt macht uns minderwertig, benutzbar, verfügbar und damit setzt sie uns unangenehmen Belästigungen über körperliche Übergriffe bis hin zu Mord aus. Diese Rolle verfestigt selbst noch einmal die gesellschaftlichen Strukturen, die sie hervorbringen.

Der Mord an Sarah Everard ist ein Weckruf, eine Erinnerung daran, dass selbst in den „fortschrittlichsten“ Ländern Gewalt gegen Frauen systemisch ist, dass sie zu unserem Alltag gehört, selbst wenn wir „all die richtigen Dinge“ tun, um uns zu schützen.

Kein Vertrauen

Im Kampf für Gleichberechtigung, Schutz und Sicherheit können wir uns nicht auf die Polizei oder staatliche Institutionen verlassen, wie der Fall von Sarah Everard zeigt. Viele Frauen erleben, dass ihnen von Beamten nicht geglaubt wird, wenn sie sexuelle Übergriffe melden. Beamte, die selbst übergriffig werden, erfahren viel seltener eine Bestrafung, weil sich die Polizei in Ermittlungen gegen sich selbst natürlich zurückhält. Wenn Frauen protestieren wollen, wie letzte Woche in Clapham, werden sie niedergeschlagen, von eben dieser Polizei.

Aber das gewaltsame Vorgehen der Polizei gegen die Mahnwache in Clapham ist nur die jüngste Erinnerung daran, dass die Polizei, das Gesetz und der Staat wiederholt versagt haben, Frauen und andere unterdrückte Minderheiten zu schützen.

Beispielsweise ist die Zahl der Verurteilungen wegen Vergewaltigung auf einem historischen Tiefstand in England. Nur 1,4 % der Fälle, die der Polizei gemeldet werden, führen zu einer Anklage. Die Beweislast liegt bei den Frauen, um ZeugInnen zu finden, und zu oft ist der Ermittlungsprozess selbst aufdringlich und traumatisierend.

Während Morde an Frauen, die von Fremden begangen werden, vergleichsweise selten sind und häufiger von Bekannten der Frauen ausgehen, bedeutet der institutionelle Sexismus der Polizei, dass es vielen Männern freisteht, mehrere Sexualdelikte zu begehen, die in ihrer Schwere eskalieren und manchmal in Mord enden.

Die Polizei hat wiederholt ihre Verachtung für Frauen gezeigt, die Opfer tödlicher Gewalt wurden, wie z. B. als zwei englische Polizeibeamte letztes Jahr Selfies mit den Leichen von zwei schwarzen Frauen machten, die ermordet in einem Park gefunden wurden.

Was brauchen wir?

Wenn der Staat Repression ausübt und seinen wahren frauenfeindlichen Charakter zeigt, müssen wir uns selbst verteidigen, uns organisieren und eine kämpfende Bewegung von Frauen aufbauen. Die Geschehnisse hätten ebenso gut in Deutschland stattfinden können. Das System ist dasselbe, die Unterdrückung ist dieselbe, der Kampf ist ein gemeinsamer, internationaler.

Wir müssen das Recht der Polizei ablehnen, ausschließlich gegen sich selbst zu ermitteln. Stattdessen fordern wir unabhängige Kommissionen aus VertreterInnen der Bevölkerung, der ArbeiterInnen- und Frauenorganisationen, um unterdrückerisches Verhalten und Gewalt durch die Polizei zu untersuchen.

Wir lehnen die Verschärfung von polizeilichen Befugnissen und die Erhöhung der Polizeipräsenz als Lösungen ab. Die Exekutive eines Systems in dem Frauen unterdrückt werden, wird uns nicht schützen, sondern dieses System verteidigen. Sie werden unsere Bewegung zerschlagen wollen, erst recht, wenn wir mehr tun wollen, als auf Zugeständnisse zu hoffen. Während wir natürlich weiterhin für unmittelbare Forderungen kämpfen, sollte eine neue Frauenbewegung ihre Ziele höher stecken – hin zur Überwindung des Systems, des Kapitalismus, der im Namen des Profits Frauen an unbezahlte Hausarbeit in der Familie fesselt und die sexistischen Institutionen hervorbringt, die es erlauben, dass sich Sexismus und Frauenfeindlichkeit auf jeder Ebene der Gesellschaft und in jedem Teil der Welt ausbreiten.

Darum lautet unser Slogan: Frauen die kämpfen, sind Frauen, die leben. Lasst uns das System aus den Angeln heben!

Anhang: Häusliche Gewalt

So schockierend die Details von Sarahs Fall auch sind, so ist sie kein Einzelfall. Durchschnittlich werden täglich 137 Frauen getötet, weil sie Frauen sind. So die Erhebungen der UN, die zu dem Schluss kommen, dass häusliche Gewalt die häufigste Ursache für Mord von Frauen auf der Welt ist.

Ohne den Horror von Sarahs Ermordung zu schmälern, sollten wir uns daran erinnern, dass Frauen viel eher von einem Partner oder Ex-Partner getötet werden als von einem Fremden.

Die Krise der häuslichen Gewalt hat sich während der Lockdowns extrem verschlimmert, die Frauen in ihren Häusern mit ihren Missbrauchstätern gefangen halten und Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Unsicherheit anheizen, was es für Frauen schwieriger macht, missbräuchliche Beziehungen zu verlassen. Während des ersten Lockdowns stieg in Britannien die Zahl der Straftaten im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt um 7 % gegenüber dem Vorjahr, und die britische  National Domestic Abuse Helpline verzeichnete einen Anstieg der Anrufe um 80 %. Gleichzeitig sank die Zahl der Strafverfolgungen und Verurteilungen im Vergleich zum Vorjahr um mehr als die Hälfte.

Die überwältigende Mehrheit dieser Frauen wird vor den Gerichten keine Gerechtigkeit erfahren. Frauenhäuser und spezialisierte Dienste in der Gemeinde sind lebenswichtig, doch die Mittel für sie wurden in den letzten zehn Jahren drastisch gekürzt. Trotz der Versprechen der Tory-Regierung, nach der Pandemie „wieder besser aufzubauen“, erleben die lokalen Behörden, die diese Dienste finanzieren, einige der schlimmsten Haushaltskürzungen aller Zeiten. Schätzungsweise 50 % der Frauenhäuser und Dienste mussten in den letzten zehn Jahren schließen oder wurden privatisiert.

Die konservative Regierung ist direkt verantwortlich für die systematische Zerstörung des Sicherheitsnetzes, das Frauen die Möglichkeit gibt, Gewalt und Missbrauch zu entkommen.




Britannien: Boris Johnsons Brexit kündigt die verschärfte Senkung von Standards an

Stellungnahme des Politischen Komitees von Red Flag, 29.12.2020, Infomail 1032, 30. Dezember 2020

Was auch immer sich eine knappe Mehrheit der WählerInnenschaft vorstellte, als sie für den Austritt aus der Europäischen Union stimmte, die StrategInnen, die den Brexit planten, wussten genau, was sie wollten. Nigel Farages UKIP (Britische Unabhängigkeitspartei) und die European Research Group (Europäische Forschungsgruppe) mit Jacob Rees-Mogg glaubten wie ihre GesinnungsfreundInnen in den USA, dass der Kapitalismus wiederbelebt werden müsse, indem man sich von staatlich erzwungenen Regelungen und Verträgen befreit.

Rechtes und rassistisches Projekt

Dabei hatten sie die Unterstützung der unternehmerischeren Teile des britischen Kapitals, Leute wie James Dyson und J. C. Bamford, die ihre eigenen Firmen aufgebaut hatten, oft gegen bereits etablierte Konzerne. Außerdem wurden sie stark von Hedgefonds-ParasitInnen wie Crispin Odey finanziert. Aus unterschiedlichen Gründen teilte auch das kleinere Kapital, das enger mit der lokalen Wirtschaft verbunden ist, ihre Feindseligkeit gegenüber staatlicher Regulierung, insbesondere gegenüber ausländischer.

Wenn Deregulierung und Abbau von Schutzgesetzen die Strategie dieser kleinen und nicht repräsentativen Minderheit war, bestand ihre Taktik darin, die zweifellos vorhandene Unzufriedenheit vieler ArbeiterInnen auszunutzen und sie auf „Brüsseler BürokratInnen“ und ArbeitsmigrantInnen zu richten. Dabei profitierten sie von der Unterstützung der rechten MedienbaronInnen, die bereit waren, nach Strich und Faden zu lügen. So versprachen sie „350 Millionen Pfund pro Woche für das Nationale Gesundheitswesen“ durch den Brexit. Und sie griffen auf unverhohlenen Rassismus zurück. „80 Millionen TürkInnen könnten hierher kommen!“ titelte des Boulevard und fasste die Hetze in der zentralen Losung zusammen „Wir müssen die Kontrolle über unsere Grenzen zurückerobern“.

Unterstützt wurden sie auch, zugegebenermaßen in viel kleinerem Umfang, von den vermeintlich „linksextremen“ Organisationen: der Communist Party of Britain, der Socialist Workers Party und der Socialist Party, die die Illusion verbreiteten, dass der Brexit irgendwie den Weg zu einer linken Regierung öffnen könnte, die ein radikales Programm der Verstaatlichung und der Sozialreform einführen würde. Warum von einer kürzlich gewählten Tory-Regierung erwartet werden konnte, dass sie das tut, bleibt ein Rätsel.

Probleme

Der Sieg stellte die Brexiteers jedoch vor ein Problem: Obwohl sie die Unterstützung des größten Teils der Mitgliedschaft der regierenden Tory-Partei hatten, waren sie in deren Führung nicht gut vertreten, deren Verbindungen eher zu den alteingesessenen Teilen des Großkapitals mit ihren engen Beziehungen zum Staatsapparat sowohl des Vereinigten Königreichs als auch der EU bestanden.

Die konservative ehemalige Premierministerin Theresa May, zuvor eine überzeugte Anhängerin eines Verbleibs in der EU, ging als Kompromissvorsitzende hervor. Sie war bereit, den Brexit zu akzeptieren, aber entschlossen, alles zu tun, um enge Verbindungen zu Brüssel aufrechtzuerhalten – eine Position, die später als „Brexit nur dem Namen nach“ verspottet wurde.

May hatte Glück, dass sie das Debakel ihrer eilig einberufenen Parlamentswahlen 2017 überlebte. Ihr knapper Sieg wurde durch die Aktionen des rechten Flügels der Labour-Partei errungen, von dem wir heute wissen, dass er absichtlich jede Möglichkeit sabotieren wollte, dass Jeremy Corbyn Premierminister wird. Mays eigener rechter Flügel jedoch, der ungeduldig auf die Vollendung der Loslösung von Brüssel wartete, während Trump noch im Amt war, machte ihre Position unhaltbar.

Mit Boris Johnson erhielten die Tories einen Vorsitzenden, der in gewisser Weise perfekt geeignet war. In der Öffentlichkeit war er voll des Getöses darüber, dass kein Abkommen besser sei als ein schlechtes Abkommen. In der Privatsphäre des Verhandlungsraums „brachte er den Brexit zustande“, indem er akzeptierte, dass Nordirland den EU-Zollbestimmungen unterworfen bleiben musste und es daher eine Grenze zwischen Großbritannien und ihm geben musste.

Johnsons Problem war, dass die klare Präferenz der Brexiteers für ein Verlassen der EU ohne Abkommen ein Rezept für eine wirtschaftliche Katastrophe war, insbesondere nach Trumps Niederlage. Die VertreterInnen des britischen Großkapitals haben ihm das zweifellos unmissverständlich klargemacht. Seine Lösung bestand darin, die Verhandlungen zu verschleppen, indem er öffentlich auf Bedingungen zu bestehen schien, die Brüssel unmöglich akzeptieren konnte, dieses Mal in Bezug auf Fischereirechte, und er so die Uhr bis zum letzten Moment herunterlaufen ließ. Dann hat er einfach ein Abkommen über die Fischerei abgeschlossen, das jederzeit im vergangenen Jahr hätte vereinbart werden können.

Frühe Zusammenfassungen des Freihandelsabkommens deuten darauf hin, dass es zwar keine Rolle mehr für den Europäischen Gerichtshof gibt, dass aber beide Seiten Zölle auf bestimmte Waren erheben können, wenn die andere Seite versucht, die Kosten zu unterbieten, indem sie z. B. Umweltschutzregeln oder Arbeitsrechte ändert.

Premierminister Johnson mag sich rühmen, dass er den Brexit „hinbekommen“ hat, aber die Realität ist, dass es ein ständiges Feilschen über die Details nicht nur des Handels, sondern auch der Produktion geben wird, zum Beispiel über die Verwendung von Komponenten aus dem Ausland in vermeintlich britischen Waren. Solche Reibereien werden zweifelsohne von der Daily Mail und dem Rest der Regenbogenpresse genutzt, um den Rassismus weiter zu schüren und „Europa“ für jeden Rückschlag verantwortlich zu machen.

Da eine beschleunigte „Deregulierung“ das Hauptziel der Brexiteers war, mag die Übereinkunft für sie wie ein Pyrrhussieg erscheinen. Sicherlich ist die Niederlage von Trump ein Schlag für ihre Pläne. Das gilt auch für den Handelskrieg zwischen den USA und China. Beide waren als HandelspartnerInnen angepriesen worden, die die EU ersetzen könnten, und versprachen eine „goldene Zukunft“ für ein „unabhängiges“ Großbritannien, was sich als eine weitere Fata Morgana von Johnson entpuppte. Auch die Handelsabkommen, die Liz Truss, Ministerin für internationalen Handel, mit anderen Ländern vereinbart hat, das letzte mit der Türkei, tun nichts anderes, als die Bedingungen beizubehalten, die Großbritannien bereits innerhalb der EU hatte.

Was die verarbeitende Industrie und den Export von Gütern betrifft, wird der Brexit also wahrscheinlich einen weiteren Rückgang bedeuten. Großbritannien ist jedoch keine große produzierende Wirtschaft; Finanz- und professionelle Dienstleistungen überwiegen bei weitem die Produktion, aber ein Großteil dieser Sektoren wird von Johnsons Deal nicht erfasst. Im Gegenteil, die EU hat gesagt, dass sie über den Zugang Großbritanniens zum Finanzhandel erst nach dem Ende der „Übergangszeit“ entscheiden wird.

Es bleibt also abzuwarten, ob die City of London ihre Position als globales Finanzzentrum halten kann, aber innerhalb Großbritanniens wird sie zweifellos weiterhin die fortgesetzte Privatisierung von Staatsvermögen und die Rückzahlung der riesigen Kredite fordern, die der Regierung während der Pandemiekrise gewährt wurden.

Spirale nach unten

Sicher ist auch, dass in einer Welt zunehmender innerimperialistischer Rivalität die Bedingungen des Abkommens keinen dauerhaften Schutz für ArbeiterInnenrechte und Arbeitsplätze bieten werden, und zwar auf beiden Seiten des Kanals. Es wurde viel über die „Gleichgewichts“-Klauseln der Übereinkunft gesprochen, die angeblich einen Schutz davor bieten sollen, dass britische Bosse die Standards senken, um europäische KonkurrentInnen zu unterbieten. Allerdings können Klagen gegen solche Änderungen erst nach deren Einführung eingereicht werden. Das bedeutet, dass sie in Kraft sein können, während sich die „Verhandlungen“ hinziehen.

Es gibt nichts, was die UnternehmerInnen in der EU daran hindern könnte, die „Gleichwertigkeit“ aufrechtzuerhalten, indem sie selbst ähnliche Änderungen einführen, was einen Wettlauf nach unten in Bezug auf Gesundheit und Sicherheit, Umweltschutz, Arbeitsbedingungen und Bezahlung auslösen würde. Hier wird der schädlichste Aspekt der gesamten Brexit-Strategie deutlich: die Schaffung von Barrieren für vereinte Aktionen der ArbeiterInnenklasse über Grenzen hinweg.

Das ist der wesentliche Grund, warum die Labour-Partei gegen den Deal stimmen sollte. Als sie im Referendum gegen den Austritt war, hat sie zu Recht gesagt, dass der Brexit die falsche Strategie ist. Die Partei hätte weiterhin erklären sollen, warum das während des anschließenden Kampfes unter den Tories und bei der Wahl 2017 der Fall war. Stattdessen akzeptierten sowohl Jeremy Corbyn als auch jetzt Keir Starmer das Ergebnis und behaupteten, sie könnten eine Version aushandeln, die die Interessen der ArbeiterInnen schützen würde.

Nach dem Brexit, wenn die InvestorInnen und Finanziers aller Länder auf mehr Privatisierungen und mehr Einsparungen bestehen, müssen SozialistInnen für eine vereinte Aktion der ArbeiterInnenklasse kämpfen, um das zu verteidigen, was von den vergangenen Errungenschaften übrig geblieben ist. Das erfordert den Aufbau von Verbindungen, die sich über ganz Europa erstrecken; Basisorganisationen in Gewerkschaften, Verbundausschüsse in multinationalen Konzernen und politische Parteien, die jeden rückwärtsgewandten Nationalismus ablehnen und sich für eine internationalistische Lösung der europäischen Krisen einsetzen, die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.




Britannien: Labour Party suspendiert Jeremy Corbyn von der Mitgliedschaft

Stellungnahme von Red Flag, 31.10.2020, Infomail 1124, 2. November 2020

Der ehemalige Parteivorsitzende Jeremy Corbyn wurde von der Labour Party suspendiert, weil er darauf hingewiesen hatte, dass die Parteibürokratie Versuche, mit echten Fällen von Antisemitismus umzugehen, behindert habe und seine politischen GegnerInnen das Ausmaß des Antisemitismus aus fraktionellen Gründen dramatisch übertrieben hätten.

Der jetzige Parteichef Keir Starmer – der sich hinter der Figur des blairistischen Generalsekretärs David Evans versteckt –, hat die Entscheidung befürwortet. Diese Suspendierung kommt einem politischen Mord gleich, ohne einen Funken juristischer oder demokratischer Rechtfertigung.

Kriegserklärung

Es stellt eine Kriegserklärung gegen die Linke durch den Mann dar, der sich mit dem Versprechen der Vereinigung der Partei zur Wahl stellte. Die vereinigte Partei, die Starmer und seine UnterstützerInnen in der Parlamentsfraktion der Labour Party, den Medien und auf den Tory-Bänken wollen, ist eine von den Hunderttausenden gesäuberte, die sich in dem Glauben anschlossen, dass die Partei New Labour und ihrer Unterstützung für imperialistische Kriege und Sparpolitik der Konservativen Partei den Rücken gekehrt hat.

Die gesamte politische Karriere von Jeremy Corbyn ist ein Zeugnis seiner aktiven Opposition gegen Antisemitismus und alle anderen Formen von Rassismus. Der Vorwurf des Antisemitismus wurde zu einer Waffe in den Händen aller Strömungen innerhalb der Labour Party, die Corbyns gesamtes Programm ablehnten.

Er war auch Teil des Versuchs, Labour daran zu hindern, seine auf den Konferenzen 2018 und 2019 gemachten Zusagen zur Unterstützung des Rechts der PalästinenserInnen auf Rückkehr und einen souveränen Staat zu erfüllen. Antizionismus ist weder Antisemitismus noch ist er antijüdisch. Nur echte AntisemitInnen sehen den Widerstand gegen Israels aggressive Ausweitung der Siedlungen als Widerstand gegen das jüdische Volk als solches oder letztere als das Ergebnis einer imaginären internationalen Verschwörung an. Wir verurteilen ohne Zögern all diesen giftigen Unsinn. Aber diejenigen, die falsche Anschuldigungen wegen Antisemitismus erheben, alarmieren und schaden jüdischen Menschen weltweit.

Die Veröffentlichung des Berichts der britischen Kommission für Gleichheit und Menschenrechte (EHRC) bot Starmer lediglich die Gelegenheit, den lange geplanten Schritt zu setzen. In wenigen Monaten hat Starmer bereits deutlich gemacht, dass er die Labour Party wieder zu einer zuverlässigen Dienerin des britischen Kapitals machen will. Die Suspendierung von Corbyn ist ein weiteres Signal an Großbritanniens Bosse, dass die Partei unter seiner Führung weiß, was sie will und daran arbeiten wird, es zu erreichen.

Starmer behauptete in seiner Kampagne für das Amt des Vorsitzenden, dass er sich nicht „übersteuern“ würde, um von Corbyns Politik abzuweichen, und dass er die Partei vereinen wollte. In einer Zeit, in der die Tory-Regierung wegen der Pandemie zunehmend in Aufruhr ist, entscheidet er sich, statt den Kampf gegen erstere zu führen, eine Kampagne gegen die Parteimitgliedschaft zu orchestrieren.

Er hat die Suspendierung von Corbyn als sein bestimmendes Moment benutzt, wie Kinnocks Angriff auf „Militant“ oder Blairs Abrücken von Klausel 4, die die Bindung an das Gemeineigentum an Produktionsmitteln festschrieb. Labour, so sagt er dem Establishment, sei wieder in sicheren Händen und der Partei könne die Regierung seines Staates anvertraut werden.

Was tun?

Einige Mitglieder, die bereits durch die interne Sabotage der Partei durch Corbyns FeindInnen entmutigt sind, könnten die Suspendierung als den letzten Strohhalm, die letzte Beleidigung betrachten, die sie hinnehmen müssen, und zu dem Schluss kommen, dass sie die Partei keinen Moment länger unterstützen können. Eine solche Wut ist verständlich, aber fehlgeleitet. Starmer und Co. wünschen sich nichts sehnlicher als den kampflosen und unorganisierten Verlust von Zehn- oder gar Hunderttausenden von SozialistInnen aus der Partei.

Für die Mitglieder der Partei, die nun von ihrem eigenen Vorsitzenden und seiner Stellvertreterin als AntisemitInnen verleumdet wurden, ist die Zeit gekommen, Stellung zu beziehen. Trotz der Tatsache, dass ihnen die Verabschiedung von Resolutionen zu Disziplinarangelegenheiten untersagt wurde, sollten alle Ortsgruppen und die Labour-Wahlbezirke das nationale Exekutivkomitee mit Resolutionen überschwemmen, in denen die sofortige und bedingungslose Wiedereinsetzung Corbyns in seine Mitgliedschaftsrechte gefordert und die Aktionen von Keir Starmer und Angela Rayner (stellvertretende Vorsitzende) verurteilt werden. Sie sind schlichtweg ungeeignet, in irgendeiner Funktion die Führung der „Partei der britischen ArbeiterInnenklasse“ zu übernehmen.

Selbst wenn Corbyn, wie man munkelt, entweder durch das nationale Exekutivkomitee oder die Aufsichts- und Rechtsabteilung wieder eingesetzt würde, ohne dass eine Entschuldigung abgegeben und das Recht auf Kritik an solchen Entscheidungen festgelegt würde, bleibt die Möglichkeit, dass es zu solchen Aktionen kommen kann, ein Damoklesschwert, das über den Mitgliedern hängt und die Demokratie in der Partei erstickt.

Diejenigen auf dem linken Flügel, die zum Schweigen raten, um die Einheit mit der Rechten zu bewahren, liegen völlig falsch. Die einzige Möglichkeit, uns zu verteidigen, ist die Missachtung ungerechter Entscheidungen und Regeln, nicht das Zusammenspiel mit ihnen. Es ist der einzige Weg, um sicherzustellen, dass die Partei eine nützliche Rolle im Widerstand der ArbeiterInnenklasse gegen die Pandemie, den Anstieg der Massenarbeitslosigkeit und das Chaos, das Brexit auslösen wird, spielt und dass sich die klassenkämpferischen und internationalistischen Kräfte sammeln.

In den angegliederten Gewerkschaften sollten die Mitglieder darauf bestehen, dass die Partei bis zur Wiedereinsetzung von Corbyn keine finanzielle Unterstützung erhält. Wir fordern die Socialist Campaign Group und Momentum, die weithin als die wichtigsten Organisationen der Labour-Linken angesehen werden, auf, sich an vorderster Front gegen die Suspendierung und alle Versuche zu wenden, Parteimitgliedern das Recht zu verweigern, mit den Aktionen der Führung nicht einverstanden zu sein. Die Gruppen der Labour-Linken und Momentum sollten landesweit Treffen organisieren, um den Gegenschlag zu koordinieren, die Hunderttausende wütender Mitglieder zusammenzubringen und für eine Partei zu werben, in der Starmer und Rayner und ihre Verbündeten keinen Platz haben.




Britannien: Konservative könnten zweite Coronawelle durch Wiedereröffnung der Schulen auslösen

Red Flag, Infomail 1117, 12. September 2020

Im Zuge der Wiedereröffnung von Schulen und Universitäten im ganzen Land hat die Nationale Bildungsgewerkschaft (NEU) den regierenden Tory-MinisterInnen „extreme Fahrlässigkeit“ vorgeworfen. Die NEU argumentiert, dass Schulen und Universitäten im Unklaren gelassen wurden, wie sie mit einer zweiten Welle von SARS-CoV-2 umgehen sollen, und Familien aufgrund eines Mangels an einem tragfähigen Rückverfolgungssystem im Stich gelassen werden.

Gefahren

Es waren turbulente Wochen für den glücklosen Bildungsminister Gavin Williamson nach Fiasko beim Abschluss von Abitur und Mittlerer Reife. Der Labour-Vorsitzende Keir Starmer warnte davor, dass die Prüfungskrise die geplante Wiedereröffnung der Schulen „gefährdet“, hatte aber zuvor erklärt, er erwarte, dass alle Kinder ungeachtet der Risiken noch in diesem Monat wieder zur Schule gehen: „Ohne Wenn und Aber, ohne Zweideutigkeit“.

Die Haltung des Labour-Vorsitzenden beunruhigte viele BildungsmitarbeiterInnen, die nicht darauf vertrauen, dass ihre Klassenzimmer gegen das Virus gesichert sind. Angesichts der derzeitigen Verbreitung von Covid-19 in Großbritannien besteht ein erhebliches Risiko, dass sich jede/r SchülerIn oder jedes Mitglied des Lehrkörpers, der/die/das während des Herbstsemesters wöchentliche Präsenzveranstaltungen besucht, mit dem Virus infizieren könnte. Professor Neil Ferguson (Epidemiologe am Imperial College in London) hat einen Anstieg der Infektionsrate um bis zu 50 % vorhergesagt, wenn die Sekundarschulen in diesem Herbst wieder vollständig geöffnet werden.

Eine Reihe von Ausbrüchen in Deutschland und der jüngste Vorfall an einer Schule in Dundee machen deutlich, welche Rolle Schulen bei der Verbreitung des Virus spielen können. Es gibt immer noch vieles, was wir über die Übertragung von Infektionen in Schulen nicht wissen, doch jüngste Forschungsergebnisse legen nahe, dass Aerosole (kleine Tröpfchen in der Luft) ein gefährliches Mittel zur Übertragung sind. Dieses Risiko nimmt stark zu, je länger Menschen in geschlossenen Räumen zusammenbleiben.

Als die Regierung im Juni versuchte, die Grundschulen unter Druck zu setzen, damit sie in großem Stil wieder geöffnet werden, sprachen die Bildungsgewerkschaften über das Fehlen einer angemessenen Vorbereitung, von Ressourcen und Richtlinien. Drei Monate später gab es keine Fortschritte, und das „Weltklasse“-Verfolgungssystem wurde von den Privatunternehmen, die mit dem Vertrag Millionen verdienten, nie verwirklicht. Anträge auf vertrauensbildende Tests für SchülerInnen und LehrerInnen auf Verlangen wurden vom Minister für Schulstandards Nick Gibb abgelehnt. Dies untermauert die realen Befürchtungen, die das Bildungspersonal, ihre Gewerkschaften und Eltern für eine unsichere Herbstsemesterzeit hegen.

Soziale Folgen und Klassenspaltung

Die Wahrscheinlichkeit weiterer Sperrungen hat auch die LehrerInnen wegen der unrealistischen Erwartungen für die Prüfungen im nächsten Jahr beunruhigt. Die Regierung und staatlichen Prüfungsämter haben einige kleinere Änderungen an den Realschul- und Abiturprüfungen vorgenommen, die 2021 abgelegt werden sollen, aber SARS-CoV-2 wird nicht auf einen Schlag besiegt werden. Der krasse Versuch, die Prüfungsergebnisse in diesem Jahr zu manipulieren, war nicht das erste Mal, dass sich gezeigt hat, wie das Prüfungssystem die Klassenspaltung institutionalisiert. 2012 erhielten überwiegend SchülerInnen ethnischer Minderheiten und aus der ArbeiterInnenklasse schlechtere Noten, um eine „Inflation besserer Noten“ zu vermeiden. Der Beurteilungsprozess für Realschulabschlüsse und Abiturzeugnisse erfordert eine radikale Überarbeitung und die Prüfungen sollten abgeschafft werden. Das System der nicht bestandenen Prüfungen hat sich in den letzten zehn Jahren dahingehend geändert, dass es sich auf Abschlussprüfungen konzentriert und alle anderen Formen der Bewertung ausschließt. Die kontinuierliche Beurteilung hat sich als eine weitaus wirksamere Methode erwiesen, um die kreativen Möglichkeiten jedes jungen Menschen zu entwickeln. LehrerInnenbeurteilungen sollten weiterhin eine wichtige Rolle bei der Benotung spielen.

Es ist wahrscheinlich, dass es eine weitere Hinwendung zum Lernen aus der Ferne geben wird. Der Übergang zur Technologie während der Abriegelung hat die krasse digitale Kluft offenbart, die in unseren Schulen und Hochschulen besteht. Es wurde weiter gelernt, aber nicht alle SchülerInnen konnten von zu Hause darauf zugreifen. Daten des Landesstatistikamts (ONS), die 2019 veröffentlicht wurden, zeigen uns, dass etwa 700.000 Kinder im Alter von 11 bis 18 Jahren in Großbritannien angaben, zu Hause keinen Internetzugang von einem Computer oder Tablet-PC zu haben. Im August wurde berichtet, dass nur ein Drittel der benachteiligten Kinder, denen von Williamson im April kostenlose Laptops versprochen worden waren, diese auch erhalten hatten.

Drohung mit Geldstrafen

Premierminister Boris Johnson hat die vollständige Wiedereröffnung der Schulen als einen „absolut lebenswichtigen“ Schritt für die Überwindung der Abriegelung des Landes bezeichnet. Die Regierung hat mit der Verhängung von Geldstrafen gedroht, falls die Kinder nicht in die Klassenzimmer zurückkehren. In einem von 250 Kinder- und JugendpsychiaterInnen unterzeichneten Schreiben appellieren sie an die Regierung, die Geldstrafen fallen zu lassen, und argumentieren: „Dies könnte schwerwiegende Folgen für ihre psychische Gesundheit haben, vor allem, wenn sie um die Behütung durch die Familie besorgt sind. Bußgelder könnten die Familien finanziell stärker belasten, da wir uns in einer Rezession befinden, was die psychische Gesundheit von Kindern und Eltern ernsthaft beeinträchtigen könnte.“

Die von Johnson geäußerte Besorgnis über die Priorität, dass Kinder „zur Überbrückung der Ungleichheit“ wieder in die Schule gehen sollten, klingt noch hohler, nachdem die Regierung in den Sommerferien die kostenlose Schulspeisung gestrichen und die Abiturergebnisse der staatlichen SchülerInnen herabgestuft hat. Die gesamte Stoßrichtung dieser Politik ist darauf ausgerichtet, die Eltern wieder an den Arbeitsplatz zu bringen, nicht auf Gesundheit und Sicherheit.

Starmer erwies sich auch als ein lautstarker Einpeitscher für das Großkapital während der Sperren und setzte sich vehement dafür ein, dass die Schulen gegen den Rat der LehrerInnen im Juni wieder geöffnet werden. Die damalige Schattenbildungsministerin Rebecca Long-Bailey schloss sich dem Sicherheit-geht-vor-Ansatz der LehrerInnengewerkschaften an und wurde daraufhin von Starmer unter einem fadenscheinigen Vorwand entlassen. Die Labour-Führung weigerte sich, die Forderungen der Gewerkschaften nach dem Tragen von Masken in den Schulen zu unterstützen, aber als die Regierung die Presse darüber informierte, dass eine Kehrtwende bevorsteht, änderte die neue Schattenbildungsministerin Kate Green rasch ihre Haltung. Die Labour-Partei hat LehrerInnen und SchülerInnen bei der sicheren Rückkehr in die Schulen im Stich gelassen.

Widerstand organisieren

Eltern, SchülerInnen und die Bildungsgewerkschaften sollten sich gemeinsam organisieren, um Gesundheits- und Sicherheitsinspektionen und Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit in Schulen zu kontrollieren. Risikobeurteilungen sollten individuell gestaltet und in Absprache mit den Gewerkschaften regelmäßig aktualisiert werden. Wir brauchen eine drastische Reduzierung der Klassengrößen, um physische Distanz und einen verbesserten Unterricht zu erleichtern. Regelmäßige Tests sind unerlässlich, um Ausbrüche zu erkennen und die Ausbreitung des Virus zu verhindern, und wir müssen weiterhin Tests auf Wunsch fordern. Grundsätzlich sollten sich Eltern, SchülerInnen und LehrerInnen organisieren, um Schulen zu schließen, in denen ihre Sicherheitsbedenken nicht berücksichtigt werden. Bildungsgewerkschaften müssen bereit sein, Mitglieder zu unterstützen, die sich weigern, unter unsicheren Bedingungen zu arbeiten.

Die SozialistInnen in den Gewerkschaften und der Labour-Partei sollten sich für einen öffentlichen Ansatz bei einer allgemeinen Gesundheitskrise einsetzen. Sie sollten die Forderung nach einer Verlängerung des Beurlaubungs- und Räumungsverbotes, den Erlass der Mietschulden, die Kontrolle der ArbeiterInnen über die Arbeitsbedingungen und keine Geldstrafen für besorgte BetreuerInnen und Eltern unterstützen. Unsere Gemeinden brauchen keine gefährlich verfrühte Rückkehr zum Unterricht von Angesicht zu Angesicht ohne angemessene Sicherheitsmaßnahmen. Sie brauchen eine national koordinierte Reaktion auf das SARS-CoV-2-Virus, die die Menschen vor den Profit stellt.




Britannien: Labour-Vorsitzender Keir Starmer erklärt Linken den Krieg

Dave Stockton, Neue Internationale 248, Juli/August 2020

Die plötzliche Entlassung von Rebecca Long-Bailey aus dem Labour-Schattenkabinett durch den Parteivorsitzenden Sir Keir Starmer ist eine Kriegserklärung an die Linke innerhalb der Partei. Sie ist Teil seines Werbens um die konservative und die liberale Presse, die ihm im Gegenzug als echten Staatsmann schmeichelt, weil er Boris Johnson wegen dessen massiv inkompetentem Umgang mit der COVID-19-Pandemie minimalen Widerstand entgegenbringt.

Ziel des Angriffs

Mit seiner brutalen Entlassung von Rebecca Long-Bailey will er die Linke – wahrscheinlich immer noch die Mehrheit der Parteimitglieder – einschüchtern. Zweifellos glaubt er, dass sie nach der „katastrophalen Niederlage“ im Dezember zu sehr demoralisiert ist, um sich ernsthaft zu wehren. Außerdem kann er darauf hoffen, einen Konflikt zu provozieren, während sich die Parteigliederungen nicht treffen können und die Konferenz auf unbestimmte Zeit vertagt ist. Auf jeden Fall wird sich Starmer kaum Sorgen machen, wenn seine Aktionen den Austritt der Hunderttausende beschleunigen, die sich Labour unter Corbyn angeschlossen haben.

In diesem Zusammenhang ist Rebecca Long-Baileys Widerstand dagegen, dass Starmer den die LehrerInnengewerkschaften dazu drängte, die Wiedereröffnung von Schulen zu akzeptieren, kein unbedeutender Faktor. Wie die früheren Labour-Vorsitzenden Blair und Miliband vor ihm weiß auch Starmer, dass der Schlüssel zur Demonstration seiner „Glaubwürdigkeit“ darin liegt, seine Unabhängigkeit von den Gewerkschaften zu belegen. Er hat damit begonnen, indem er mit der LehrerInnengewerkschaft eine kleinere Organisation ins Visier genommen hat, und zwar eine, die nicht der Labour-Partei angeschlossen ist.

Aber wenn die Mitgliedsgewerkschaften ihre Scheckbücher weiterhin bei Bedarf öffnen, dann wird die neue Normalität die alte der 30 Jahre vor Corbyn bleiben. Allerdings hat sich Starmer, ein Mann, der trotz oder vielmehr wegen seiner „herausragenden Laufbahn“ in der Justiz noch dünnere Wurzeln in der ArbeiterInnenbewegung hat als Neil Kinnock, Tony Blair oder Gordon Brown, vielleicht nur verkalkuliert. Wie viele Rechte vergisst er leicht, dass es einen Klassenkampf außerhalb der Manöver in den parlamentarischen Hinterzimmern gibt.

Die Aufgabe der Linken ist es, ihm unmissverständlich zu zeigen, dass er sich in der Tat schwer verkalkuliert hat. Dazu gehört nicht nur eine robuste Antwort auf Starmer und seine Gefolgsleute und deren fortgesetzte Brandmarkung von AntirassistInnen als RassistInnen, sondern auch eine kämpferische Reaktion der gesamten ArbeiterInnenbewegung auf die kommende Welle der Massenarbeitslosigkeit und die erneuten Sparmaßnahmen von Premerminister Johnson und den UnternehmerInnen.

Wir haben einen Parteivorsitzenden, der es kaum wagen wird, sein Büro für die Plattform von Massendemonstrationen zu verlassen, geschweige denn für Unterstützung von Streikpostenketten. Die Abgeordneten der Socialist Campaign Group (Sozialistische Kampagnegruppe) und die Basis in den Wahlkreisen, die angeschlossenen Gewerkschaften und die Parteibewegung Momentum müssen gegen einen Vorsitzenden ins Feld ziehen, der die Zeit auf vor 2015 zurückstellen will.

Demagogie

Wie die Labour-Recht in den letzten Jahren greift auch Starmer im Kampf gegen die verbliebenen Linken auf Demagogie und die verlogene Gleichsetzung von Antizionismus und Antisemitismus zurück.

„Ich habe es mir zur obersten Priorität gemacht, den Antisemitismus zu bekämpfen, und der Wiederaufbau des Vertrauens in der jüdischen Gemeinde hat für mich oberste Priorität“ – so Starmer.

Rebecca Long-Bailey unterzeichnete während ihrer Wahlkampagne zum Labour-Vorsitz eine 10-Punkte-Erklärung der Parlamentsfraktion und bezeichnete sich bei einer Wahlversammlung der Jewish Labour Movement, einer der Labour Party angeschlossenen zionistischen Organisation, sogar selbst als Zionistin. Vielleicht dachte sie, dies würde sie vor den abscheulichen Verleumdungen schützen, denen der vorherige Vorsitzende Jeremy Corbyn und viele andere ausgesetzt waren. Diese Hoffnung war offenkundig vergebens und naiv.

Starmer agiert als ihr Richter, Geschworener und Henker in einer Person. Er beschuldigte Long-Bailey der Weiterleitung eines Artikels, der angeblich Verschwörungstheorien beinhaltet hätte. Sein Urteil lautete:

„Die Weitergabe dieses Artikels war falsch … weil der Artikel antisemitische Verschwörungstheorien enthielt. Daher habe ich Rebecca Long-Bailey aus dem Schattenkabinett abberufen.“

Tatsächlich könnte man beim besten Willen nicht einmal den Tweet von Long-Bailey, der ein Interview von Maxine Peake in der Zeitung „The Independent“ lobt, als Zustimmung zu antisemitischen Verschwörungstheorien bezeichnen. In dem Interview erklärte Peake:

„Systemischer Rassismus ist ein globales Thema… Die Taktik, die die Polizei in Amerika anwendet, indem sie auf George Floyd kniet, wurde aus Seminaren mit israelischen Geheimdiensten gelernt.“

Die Behauptung, dass die US-Polizei ihre Taktik von israelischen Geheimdiensten übernommen hätte, war ein sachlicher Irrtum, obwohl der Fehler ursprünglich von Peake und nicht von Rebecca Long-Bailey begangen wurde. Sogar „The Independent“ veröffentlichte das Interview unter Berufung auf einen Bericht von „Amnesty International“ zur Bestätigung der Behauptung. „The Independent“ korrigierte sich später und erklärte: „Unser Artikel implizierte auch, dass dieses Training auch Knien-in-den-Nacken-Taktiken hätte beinhalten können“.

Auch wenn nicht bewiesen werden kann, dass die US-Polizei diese spezielle Taktik von israelischen staatlichen Stellen „gelernt“ hat, wissen wir doch, dass beide sie regelmäßig gegen unbewaffnete ZivilistInnen bei der Unterwerfung von rassistisch unterdrückten Minderheiten einsetzen. Es geht nicht darum, ob diese oder jene bestimmte Methode angewendet wird, sondern um die umfassendere Frage nach der institutionellen Beziehung und der gemeinsamen Architektur des Terrors, die von zwei Polizeikräften zur Unterwerfung rassistisch und demokratisch unterdrückter Bevölkerungsgruppen eingesetzt werden. Sicher ist jedoch, dass all, die es ablehnen, die Aufmerksamkeit auf die Behandlung der PalästinenserInnen durch den israelischen Staat zu lenken, gleichzeitig gewalttätigen RassistInnen in die Hände spielen.

Rebecca Long-Bailey bestand darauf, dass ihr Tweet ohnehin keine Unterstützung dieser Behauptung sei, sondern des Hauptanliegens des Interviews, Corbyns politisches Vermächtnis an Labour zu unterstützen und die Mitglieder aufzufordern, die Partei nicht zu verlassen.

Kurz gesagt, Starmers Gründe für die Entlassung von Rebecca Long-Bailey waren ungerechtfertig und seine Bemerkungen über Maxime Peakes Interview eindeutig verleumderisch. Die Wahrheit ist, dass die GegnerInnen der israelischen Verbrechen gegen das palästinensische Volk einer konzertierten Kampagne unterzogen werden, um sie zum Schweigen zu bringen, indem man ihnen die üble Ideologie des Antisemitismus vorwirft. Die Labour-Rechte hat dies zynisch aufgegriffen, um ihre linken GegnerInnen anzuschwärzen und die Mitglieder und die öffentliche Meinung für eine Säuberung weichzuklopfen.

Ihr eigentliches Ziel ist es, in Großbritannien die Kritik an der Apartheidpolitik des israelischen Staates und die BDS-Kampagne nach dem Vorbild derer gegen das rassistische Südafrika zu unterdrücken. Großbritannien ist wie die USA ein entscheidendes Schlachtfeld für diesen Kampf, da das zionistische Projekt langfristig zunächst vom britischen Kolonialismus abhängig war und dann als Vorposten für die wirtschaftlichen und militärischen Ressourcen des US-Imperialismus im Nahen Osten fungierte.

Die Entsorgung von Corbyns Erbe

Im Zusammenhang damit und als Hauptgrund für die Entschlossenheit der gesamten britischen Medien und des politischen Establishments, Corbyn loszuwerden, stand seine beachtliche Bilanz der Opposition gegen die vielen imperialistischen Kriege, Bombenangriffe und Besatzungen von Argentinien bis Südosteuropa, zum Nahen Osten und Zentralasien. Dazu gehörte seine Bereitschaft, Menschen in der so genannten Dritten Welt, die gegen den US- und britischen Imperialismus kämpfen, kritisch zu unterstützen – in Vietnam, Chile, Irland, Nicaragua, Venezuela und natürlich in Palästina und im Nahen Osten.

Dies trug ihm die Verleumdung ein, dass er TerroristInnen unterstützt habe. Dabei ist er jedoch nie von seinem Eintreten für friedliche und demokratische Methoden abgewichen. Er war und ist kein Revolutionär, sondern ein prinzipientreuer und mutiger Reformist und „Friedensstifter“. Aber das allein reichte schon aus, um ihn von dem Einzug in den Amtssitz des Lord of the Treasury und seit 1905 auch immer Premierministers (Downing Street Nummer 10) auszuschließen.

Innerhalb einer Woche, nachdem Corbyn Labour-Führer geworden war, zitierte die „Sunday Times“ einen „hochrangigen diensttuenden General“, der sagte, die Streitkräfte würden „direkte Maßnahmen“ ergreifen, um eine Regierung Corbyn zu stoppen – ein Ereignis, das effektiv eine Meuterei darstellen würde. Darauf folgte eine Reihe von Berichten im „Daily Telegraph“, in der „Times“, der „Daily Mail“ und der „Sun“, in denen ehemalige oder gegenwärtige Mitglieder der Armee, der Marine und der Spezialeinheiten sowie der Geheimdienste MI5, MI6 und ein ehemaliger hoher Beamter zitiert wurden. Es gab gut 440 Artikel, in denen Corbyn als „Bedrohung für die nationale Sicherheit“ erwähnt wurde.

Es überrascht also nicht, dass Corbyn keine Sicherheitsfreigabe vom „tief wurzelnden“ oder „permanenten“ Staat erlangte, d. h. von den wirklichen „VerschwörerInnen“, die sich hinter den samtenen Vorhängen des britischen Parlamentarismus versteckten. Gleichzeitig unterstützte er, im Gegensatz zu jedem anderen Labour-Führer seit dem Krieg, jeden größeren und viele kleinere Streiks und den Kampf der ArbeiterInnen für die Rettung ihrer Arbeitsplätze, öffentlichen Dienste, Löhne und Gewerkschaftsrechte.

Die herrschende Klasse hat nichts dergleichen vom hochwürdigen Sir Keir Starmer, seines Zeichens Befehlshabender Ritter des Bathordens, Königlicher Anwalt, Parlamentsabgeordneter, zu befürchten, der (aus ihrer Sicht) fünf Jahre lang untadelig als Direktor der Staatsanwaltschaft der Krone tätig war. Hier weigerte er sich, den betreffenden Polizisten für die „unrechtmäßige Tötung“ von Ian Tomlinson während einer Anti-G20-Demonstration 2009 in der Stadt strafrechtlich verfolgen zu lassen, und drängte auf eine entschlossenere Verfolgung von „SozialbetrügerInnen“ zu einer Zeit, als SteuerhinterzieherInnen frei herumliefen.

Hauptversäumnis

Die Hauptanklage, die wir an der Basis der Labour Party gegen Jeremy Corbyn erheben müssen, ist, dass er nicht annähernd weit genug gegangen ist, um die einfach Mitgliedschaft zu stärken. In Wirklichkeit schreckten er und sein BeraterInnenkreis davor zurück, die Mitglieder in einen Kampf um demokratische Kontrolle über die parlamentarische Labour-Partei, die FunktionärInnen der Partei in der Victoria Street, die StadträtInnen und die BürgermeisterInnen zu führen. Abgesehen von den Manifesten 2017 und 2019, die bereits in der Mülltonne gelandet sind, sind die politischen Ergebnisse in der Tat dürftig.

Die Errungenschaften der Linken waren vor allem dem Vorrecht des Parteivorsitzenden zu verdanken, die Politik zu bestimmen, einer Macht, die in die von Blair, Brown und Miliband geschaffene Rolle investiert wurde, ohne zu ahnen, dass diese jemals in die falschen Hände geraten würde. Was die formalen Strukturen der Parteidemokratie betrifft, so erzielten die Jahreskonferenz und der Nationale Vorstand erst spät einen gewissen Einfluss.

Die Wahrheit über das Corbyn-„Experiment“ besteht darin, dass die prokapitalistische ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbürokratie niemals zulassen wird, dass „ihre“ Partei friedlich – demokratisch oder auch nur bürokratisch – in eine kämpferische Partei der ArbeiterInnenklasse verwandelt wird, was notwendigerweise eine internationalistische Partei bedeutet, die überall an der Seite der unterdrückten Völker steht und gegen Imperialismus und Ausbeutung auf der ganzen Welt kämpft.

Starmer tut alles in seiner Macht Stehende, um sich dem britischen Imperialismus und damit seinem Verbündeten im Nahen Osten als sicherer Parteigänger zu erweisen. Das Team Starmer führt einen kompromisslosen Kampf, der darauf abzielt, sozialistische, internationalistische Ideen zu diskreditieren und Labour wieder zu einer „loyalen Opposition“ – loyal zum britischen Kapitalismus – zu machen, die die ArbeiterInnenbewegung vor das Joch der Klassenzusammenarbeit einspannt.

Wir müssen gegen die Entlassung von Rebecca Long-Bailey durch Starmer protestieren und ihre Wiedereinstellung mit einer vollen und demütigen Entschuldigung fordern. Wir müssen die Hexenjagd gegen AntizionistInnen beenden, die den Auftakt zu einer umfassenderen Offensive gegen alles Positive verkörpert, was vom Erbe Corbyns übrig geblieben ist.

Wir müssen eine mächtige Einheitsfront der Labour-Linken aufbauen, die sich nicht scheut, Starmer so energisch entgegenzutreten wie die Rechte Corbyn – wenn auch mit prinzipientreuen politischen Argumenten, nicht mit schmutzigen Gerüchten und Verleumdungskampagnen. Die stürmischen Klassenkämpfe, die ausbrechen werden, wenn die Tories versuchen, die ArbeiterInnen für die Coronavirus-Krise und die drohende große Rezession bezahlen zu lassen, und zu denen noch der Wahnsinn von Brexit hinzukommt, werden eine politische Führung erfordern, die sich nicht scheut, die neue rechte Führung der Labour Party aufs Korn zu nehmen, wenn sie zögert oder den Widerstand anprangert.

Die vor uns liegenden Monate und Jahre des Kampfes werden für Sir Keir und seine HexenjägerInnen nicht leichte sein. Wir sollten uns nicht eine Minute lang vor seinen Drohungen und Verfolgungen fürchten – Widerstand, nicht Nachgiebigkeit sollte unsere Haltung ausmachen.

Dieser Kampf muss die Grundlage dafür bilden, die Schlussfolgerungen aus den Corbyn-Jahren zu ziehen und den Kampf für eine echte sozialistische, internationalistische und antiimperialistische Partei der ArbeiterInnenklasse erneut aufzunehmen.




Britannien: Widerstand gegen die Angriffe der Konservativen auf die Rechte von Trans-Personen!

Erklärung der Antikapitalistischen Plattform in Momentum, 16.6.2020, Infomail 1108, 23. Juni 2020

Jüngsten Berichten zufolge stehen die Tories kurz davor, versprochene Reformen des Gesetzes über die Anerkennung der Geschlechtszugehörigkeit (Gender Recognition Act, GRA) zu streichen, die es den Menschen ermöglicht hätten, ihr Geschlecht selbst zu identifizieren, obwohl 70 % der Befragten in einer breit angelegten öffentlichen Konsultation ihre Unterstützung für die Änderung zum Ausdruck gebracht hatten.

Kalkulierter Angriff

Das durchgesickerte Papier deutet auch darauf hin, dass die Regierung plant, „Schutzmaßnahmen“ einzuführen, die Transfrauen den Zugang zu Frauenhäusern und die Nutzung öffentlicher Frauentoiletten verbieten würden. Auch wenn die Einzelheiten nicht klar sind, könnte dies eine erhebliche Rücknahme bestehender Rechte im Rahmen des Gleichstellungsgesetzes bedeuten, das öffentliche Stellen dazu verpflichtet, den gleichberechtigten Zugang zu Dienstleistungen und Einrichtungen für Transsexuelle zu gewährleisten. Sollten diese Vorschläge umgesetzt werden, würden sie nicht nur ein Versäumnis darstellen, die Rechte von Trans-Personen zu verbessern, sondern auch einen kalkulierten Angriff, der den Kampf um ihre Rechte um mehr als ein Jahrzehnt zurückwerfen würde.

Beschämenderweise hat der Vorsitzende der Labour Party, Keir Starmer, trotz seines Versprechens Anfang des Jahres, „eine Kampagne zur Reform des Gesetzes über die Anerkennung der Geschlechtszugehörigkeit zu führen, um einen Selbsterklärungsprozess einzuführen“, signalisiert, dass er „vermeiden will, in die Debatte hineingezogen zu werden“. Er will sich zurückhalten, wenn die Regierung die Bigotterie gegen eine der am stärksten unterdrückten Gruppen im Land schürt und ihr Elend weiter verschärft. Dies ist nur ein weiteres Beispiel für den Verrat des Labour-Vorsitzenden an fortschrittlichen Anliegen im Rahmen eines umfassenden Rechtsrucks im Namen der „Wählbarkeit“, wie sie von der Boulevardpresse definiert wird. Wir sind solidarisch mit allen Trans-Personen und rufen die Labour-Führung auf, diese Kurswechsel zurückzunehmen.

Die vorgeschlagenen Reformen des GRA zielen darauf ab, die bürokratischen Barrieren zu beseitigen, mit denen Menschen konfrontiert sind, um ein Gender Recognition Certificate (GRC) (Zertifikat der Anerkennung von Geschlechtszugehörigkeit) zu erhalten. Gegenwärtig ist es nur nach einem zermürbenden zweijährigen Prozess zur Überzeugung eines gesichtslosen medizinischen Gremiums möglich, sein Geschlecht legal zu ändern. Durch diesen Prozess wird die Trans-Identität auf einen medizinischen Fall reduziert, was die Diagnose einer „emotionalen Störung der Geschlechtsidentität“ erfordert, bevor ein solches GR-Zertifikat erteilt wird. In einem bizarren Szenario eines unentrinnbaren Dilemmas werden Trans-Personen auch gezwungen, zwei Jahre lang als ihr „erworbenes Geschlecht“ zu leben, bevor sie ihr Zertifikat erhalten, wodurch sie gezwungen werden, sich stereotypem Verhalten und stereotyper Kleidung anzupassen, um zu „beweisen“, dass sie als das Geschlecht leben, für das sie sich entschieden haben.

Für viele Trans-Personen ist dies eine demütigende und traumatische Erfahrung, die viele davon abhält, sich überhaupt zu bewerben, was das Problem noch verschärft und ihr Leiden verstärkt. Eine Reform des GRA zwecks Ermöglichung der Selbstbestimmung würde es gestatten, die rechtliche Anerkennung ihres Geschlechtsstatus durch einen viel einfacheren Prozess und ohne die Notwendigkeit einer Diagnose von emotionaler Gestörtheit in Bezug auf ihr Geschlecht zu erreichen.

Wir unterstützen die Rechte der Trans-Personen, einschließlich des Rechts auf Selbstbestimmung der eigenen Geschlechtsidentität, ohne Wenn und Aber. Sie leiden in unserer Gesellschaft unter systemischem Ausschluss von Wohnung und Arbeit, der Androhung sexueller Gewalt und physischer Aggression im Haushalt und auf der Straße, was oft zu Morden führt.

  • Laut dem Stonewall-Bericht von 2017 war jede vierte Trans-Personen einmal obdachlos.
  • 2 von 5 Trans-Menschen (41 %) wurden aufgrund ihrer Geschlechtsidentität Opfer von Hassverbrechen.
  • Jede(r) achte TransarbeiterIn wurde im vergangenen Jahr von einem/r KollegIn oder KundIn körperlich angegriffen.
  • Fast die Hälfte der jungen Trans-Personen hat versucht, Selbstmord zu begehen.

Während die Tory-Regierung mit rechte Anliegen aufgreift, volkstümelnden Nationalismus predigt und eine Rückkehr zu „Glaube, Fahne und Familie“ als Teil ihrer Kampagne fördert, um die Unterstützung für einen harten Brexit zu sichern, nehmen Hassverbrechen gegen LGBTIA+-Menschen zu.

Trans-Personen haben auch unverhältnismäßig stark unter den Auswirkungen der Sparmaßnahmen der Tories gelitten, wobei Aufgaben für Personal und Einrichtungen für LGBTIA+-Menschen häufig zu den ersten gehören, die gestrichen werden.

Was die Frauenhäuser betrifft, so haben umfangreiche Untersuchungen solcher Dienste in England und Wales ergeben, dass sie bereits seit einiger Zeit Trans-Frauen unterstützen. Viele dieser Dienste sind bereits trans-inklusiv und haben erklärt, dass die Reform des GRA nichts daran ändern würde, wie sie ihre Dienste anbieten. Auch das droht nun gestoppt zu werden.

Was die sog. „cis-Betrüger“ betrifft, die die Vorteile der Selbstidentifikation nutzen könnten, um Zugang zu Frauenräumen zu erhalten, so sind diese Fälle verschwindend selten. Grundsätzlich lehnen wir das Heranziehen einzelner Missbrauchsfälle als Rechtfertigung für eine allgemeine Beschneidung von sozialen und demokratischen Rechten ab. Darüber hinaus hat eine in den USA durchgeführte Studie gezeigt, dass der Zugang von Trans-Personen zu Räumen ihrer Wahl nicht zu mehr Übergriffen oder Voyeurismus-Verbrechen führt.

Die aktuelle Gesetzeslage besagt bereits, dass Trans-Personen Zugang zu reservierten Räumen erhalten können, die ihrem Geschlecht entsprechen, und nicht diskriminiert werden sollten. Dies ist durch das Gleichstellungsgesetz von 2010 geschützt, und Selbstidentifizierung würde daran nichts ändern. Der Versuch, Zugang zu Umkleideräumen und Toiletten zu erhalten, um Frauen auszuspionieren oder zu überfallen, ist bereits illegal, und Frauenhäuser verfügen bereits über Sicherheitsmaßnahmen und Kontrollverfahren, um ihre Klientinnen vor Gewalt zu schützen. Jede/r, der/die eine Bedrohung für Frauen darstellt, unabhängig von der geschlechtlichen Identität, muss ausgeschlossen werden.

Die gesamte ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbewegung muss sich organisieren, um den Angriff der Tories auf bestehende, unzulängliche Rechte abzuwehren und für die Ausweitung der Trans-Rechte auf die Selbstidentifikation zu kämpfen. Es gibt nicht nur keinen Konflikt zwischen Transrechten und Frauenrechten, sondern sie sind auch Teil desselben Kampfes gegen Geschlechter- und sexuelle Unterdrückung, die die kapitalistische Gesellschaft strukturieren. Trans-Frauen sollten in der ArbeiterInnenbewegung willkommen geheißen werden, mit Zugang zu Frauenausschüssen, Auswahllisten und reservierten (quotierten) Plätzen. Wir fordern auch zusätzliche Mittel, um die Ungleichheit beim Zugang zu NHS-Dienstleistungen, Beratung und Wohnraum für Transsexuelle zu verringern.

Der Aufstieg der populistischen Rechten erinnert uns daran, dass trotz der erzielten Fortschritte Reformen immer wieder rückgängig gemacht werden können, solange das Gesellschaftssystem, in dem die Geschlechterunterdrückung verwurzelt ist, erhalten bleibt. Konservative Regierungen auf der ganzen Welt, wie die von Viktor Orbán in Ungarn, haben gezeigt, dass Transphobie und Frauenfeindlichkeit untrennbar miteinander verbunden sind und oft mit umfassenderen Angriffen auf die demokratischen, Arbeits- und Menschenrechte einhergehen. Für SozialistInnen ist die Verteidigung sozial unterdrückter Gruppen wesentlich für den Kampf zum Sturz des gesamten ungerechten, ausbeuterischen Sozialsystems, das sich auf eine repressive Sexualmoral stützt, um sich selbst zu erhalten.




Britannien: Gewerkschaften und Labour Councils müssen Kampf gegen unsichere Wiedereröffnung von Schulen verstärken

Ein Gewerkschafter aus London, Infomail 1104, 25. Mai 2020

Die Tory-Regierung treibt ihre Pläne zur Wiedereröffnung der Schulen für ein breiteres Spektrum von SchülerInnen ab dem 1. Juni trotz weit verbreiteten Widerstands voran. Eltern und LehrerInnen unterstützen die Wohltätigkeitsorganisation Parentkind, die LehrerInnengewerkschaft National Education Union (NEU), die gewerkschaftliche ÄrztInnenvereinigung British Medical Association sowie eine wachsende Anzahl von Labour Councils (örtliche, bezirkliche oder regionale Gewerkschaftszusammenschlüsse), die fordern, dass Schulen geschlossen bleiben, bis sie sicher sind.

Der Grund für die Empörung liegt in der offensichtlichen und unbestreitbaren Tatsache, dass diese Maßnahme zusammen mit der vorzeitigen Lockerung des Lockdowns der Wirtschaft, die derzeit Millionen von ArbeiterInnen aufgezwungen wird, zu einem neuen Anstieg der Covid-Infektionen und Todesfälle führen wird. Die erste Welle hat ihren Höhepunkt gerade erst überschritten, aber wir blicken jetzt auf das Ausmaß einer zweiten Welle, die sie bei weitem übertreffen könnte.

Trotz der verheerenden Auswirkungen der Entscheidung der Regierung auf die öffentliche Gesundheit ist sie entschlossen, sie durchzusetzen, da sie integraler Bestandteil ihres Plans zur Wiederankurbelung der kapitalistischen Wirtschaft ist und damit Millionen von ArbeiterInnen und ihre Familien gefährdet. Das macht diesen Kampf zu einem klassenpolitischen Thema.

In Großbritannien gibt es nach wie vor täglich 3.500 neue Covid-19-Fälle; die tägliche Zahl der Todesopfer liegt nach wie vor bei rund 500. Zur Verdeutlichung: Als Dänemark seine Schulen teilweise wiedereröffnet hat, gab es nur 93 Todesopfer pro einer Million EinwohnerInnen, während die Zahl in Großbritannien über 500 liegt. Dänemarks tägliche Todesfällen bewegten sich im einstelligen Bereich; die britische Zahl liegt zur Zeit um die 500.

Frankreich ist ein weiteres Land, das seine Schulen teilweise wiedereröffnet hat und von der konservativen Tory-Presse und den Abgeordneten als Beweis dafür angeführt wird, dass es Zeit sei, dass die LehrerInnen ihre Ängste ablegten und wieder an die Arbeit gingen. Aber viele französische Schulen mussten wieder schließen, nachdem die Lockerung der Isolation einen weiteren Anstieg der Infektionen verursacht hatte.

Man muss sich nur eine Familie vorstellen, in der ein/e Erwachsene/r BusfahrerIn und ein/e andere/r PflegerIn ist, und deren Kinder in zwei verschiedene Schulen, eine Grundschule und eine weiterführende Schule, gehen müssen, und dann kehren alle nach tausend verschiedenen Kontakten zwischen ihnen nach Hause zurück… um zu verstehen, wie wahnsinnig gefährlich das ist.

Endlich Aktion!

Es ist also erfrischend zu sehen, dass eine Gewerkschaft mit der Faust auf den Tisch haut und sagt: „Das Leben unserer Mitglieder ist mehr wert als Gewinne – Eure Wirtschaft kann warten.“ Die LehrerInnengewerkschaft NEU führt eine Koalition von neun Bildungsgewerkschaften an, die sich weigert, bei den Öffnungsplänen zusammenzuarbeiten, bis ihre fünf Prüfkriterien erfüllt sind:

  1. Deutlich geringere Zahl von Covid-19-Fällen
  2. Ein nationaler Plan zum Einhalten eines Schutzabstandes (persönliche Schutzausrüstung, viel weniger SchülerInnen, Reinigung usw.)
  3. Tests, Tests, Tests (auch von Kindern und Personal ohne Symptome)
  4. Strategie für die gesamte Schule (sie zu schließen und alle zu testen, wenn ein Covid-Fall in einer Schule gefunden wird)
  5. Schutz der Schutzbedürftigen (einschließlich des Rechts, von zu Hause aus zu arbeiten)

Die Regierung hat keinen dieser Tests bestanden. Entscheidend ist, dass sie bei weitem noch nicht über ein System zur Ermittlung und Testung von Kontaktpersonen verfügt – und dies ist einer ihrer eigenen „Tests“. Notieren wir: „NB“ für nicht bestanden!

Die neun Gewerkschaften hielten am 15. Mai eine Sitzung mit WissenschaftlerInnen der Regierung ab, darunter auch Mitglieder der Wissenschaftlichen Beratungsgruppe für Notfälle (SAGE), aber alle Gewerkschaften blieben mit unbeantworteten Fragen zurück.

Seitdem haben 11 Labour Councils erklärt, dass sie dem überweilen Zeitplan von Johnson und Bildungsminister Gavin Williamson nicht folgen werden. Die Liste reicht von Liverpool, Bury und Calderdale, die den von ihnen betreuten Schulen mitteilten, sie sollen am 1. Juni nicht weiter öffnen, bis hin zu Manchester, Leeds und Birmingham, die es den einzelnen Schulen überlassen, darüber zu entscheiden. Weitere Stadt- und Bezirksräte haben für die nächste Sitzung Anträge eingereicht – obwohl der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan (Labour Party) beschämenderweise nur Bedenken über die verstärkte Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel geäußert hat.

In Schottland, Wales und Nordirland weigern sich die nationalen und regionalen Regierungen ebenfalls, den Anweisungen von Boris Johnson zu folgen. Dies ist ein beispielloser Grad an Zwietracht auf höchster Ebene.

Wenn man die Zahl der lokalen, regionalen und nationalen Behörden, die gegen diesen gefährlichen Schachzug der Regierung sind, und die Zahl der Gewerkschaften des Lehr- und Hilfspersonals, die sich vehement dagegen wehren, sowie der Eltern und SchülerInnen, die sich der Vorschrift nicht anschließen wollen, zusammenzählt, kann man sehen, dass dies eine gewinnbare Schlacht ist.

Wie können wir gewinnen?

Leider droht der Plan der NEU an dieser Stelle zu scheitern. Sie stützt sich auf ein nützliches, aber begrenztes Gesetzeswerk, das ursprünglich für die BauarbeiterInnen entworfen wurde: Abschnitt 44 des Beschäftigungsgesetzes (1996). Dieser ermöglicht es den Beschäftigten, jeden Arbeitsplatz, den sie als unsicher erachten, zu verlassen und erst dann zurückzukehren, wenn er ausreichend sicher geworden ist.

So weit, so gut. Jetzt hat es jedoch zu einer Situation geführt, in der die NEU einen Rückzieher gemacht und eine neue Reihe von 12 Schritten herausgegeben hat, die die Risikobewertung einer Schule viel sicherer machen würde. Auf lokaler Ebene haben VertreterInnen versucht, den Mitgliedern zu sagen, dass sie beide Hürdenreihen durchlaufen sollen, in dem Bewusstsein, dass einige Schulen, insbesondere Sekundarschulen – von denen verlangt wird, dass sie weit weniger SchülerInnen aufnehmen – die zweite „Testreihe“ bestehen werden.

Was wir brauchen, ist die landesweite Einheit in ganz England: eine/r raus, alle raus. Das kann nur erreicht werden, wenn wir alle Bildungsgewerkschaften zwingen, zum Streik aufzurufen. Natürlich müssten die Abstimmungen elektronisch durchgeführt werden, aber die 20.000 Mitglieder, die am 18. Mai zu einem landesweiten Internet-Aufruf durch die LehrerInnengwerkschaft online erschienen sind, zeigen das Potenzial, in dieser Zeit der Not mit Hunderttausenden von Gewerkschaftsmitgliedern in Kontakt zu treten.

Eine Streikurabstimmung zu gewinnen und die gewerkschaftsfeindlichen Gesetze zu missachten, würde auch bedeuten, in die Offensive zu gehen und Eltern und ältere SchülerInnen zu organisieren. Wir müssen der Hetze der rechten Presse und ihren orchestrierten Versuchen, LehrerInnen und Eltern zu dämonisieren, die einfach keine weiteren Infektionen und Todesfälle in ihren Gemeinden erleben wollen, entschieden entgegentreten.

Dies wird zwangsläufig die Einrichtung neuer Basisorganisationen bedeuten, um die Mitglieder der verschiedenen Gewerkschaften an den Schulen zusammenzuführen. Eine solche Organisierung wird eine wichtige Rolle bei der Planung gemeinsamer Kampagnen spielen und sicherstellen, dass wir geeint bleiben, falls eine oder mehrere der Gewerkschaften plötzlich aus der Reihe tanzen sollten – wie es bei gewerkschaftlichen Einheitsfronten geschieht, die nur an der Spitze zementiert werden.

GewerkschaftsführerInnen mögen es nicht, in eine extrem konflikthafte Konfrontation geworfen zu werden. Ihr Instinkt sagt ihnen immer, die Situation zu entschärfen und zum „business as usual“ zurückzukehren. Aber für die absehbare Zukunft ist das Coronavirus die neue Normalität. Deshalb brauchen wir eine reaktionsfähigere und integrativere Organisation – am Arbeitsplatz und in den Kommunen.

Sich erfolgreich Johnsons Forderung nach der Wiedereröffnung von Schulen zu widersetzen, ist jedoch nur die halbe Miete. Wir müssen gemeinsame Gewerkschafts-, Eltern- und SchülerInnentreffen organisieren, um die Krise zu erörtern und Covid Watch Committees (Komitees zur Überwachung und Eindämmung der Covid-Pandemie) zu bilden, damit es nach einem Streik oder einer erfolgreichen Aktion keinen Rückfall gibt, der einen Anstieg der Infektionsrate (die R-Zahl) verursacht, oder die Schule beschließt, neue Risiken mit unserem Leben einzugehen.

Dieser Kampf wird so lange andauern, bis ein Impfstoff gefunden ist. Wir müssen während des gesamten nächsten Schuljahres wachsam sein. Es ist ein Ringen um ArbeiterInnenkontrolle – dies werden wir brauchen, um Entlassungen und Schließungen zu stoppen, da die Kürzungen während der Rezession weiter wirken.

Es ist auch eine Auseinandersetzung in einem breiteren Klassenkampf. Die KapitalistInnen sind verzweifelt darauf bedacht, Schulen zu eröffnen, damit sie die Beschäftigten wieder an die Arbeit bringen können, damit sie Gewinne für ihre Unternehmen erwirtschaften, bevor diese untergehen. Eine rationale Gesellschaft würde auf diese Weise privates Vermögen nicht über die öffentliche Gesundheit stellen. Sie würde nur wesentliche Arbeiten zulassen, um uns alle gesund zu halten, zu desinfizieren, zu ernähren usw., bis das Virus besiegt ist.

Ein weltweiter Kampf

Dies weist auf eine weitere Ebene hin, auf der wir die Hand ausstrecken und eine kämpferische Einheitsfront schmieden können. Die weltweite Pandemie erfordert eine globale Lösung! Schulgewerkschaften in den USA, Europa, Lateinamerika und auf der ganzen Welt sehen sich den gleichen wahnsinnigen Anforderungen gegenüber wie wir hier. Wir sollten die modernen Technologien der Webinare im Internet nutzen, um uns mit den BasisaktivistInnen auf der ganzen Welt zu vernetzen, damit wir zusammen mit einer gemeinsamen Strategie und einem gemeinsamen Ziel kämpfen können.

Ein Sieg für LehrerInnen und anderen Beschäftigen an den Schulen wäre ein Sieg für unsere, die ArbeiterInnenklasse, auf dem wir in den kommenden Kämpfen aufbauen könnten.




Großbritannien: Die Wahl von Keir Starmer – das Ende von Corbyns Revolution

Red Flag, Infomail 1099, 15. April 2020

Die Wahl von Keir Starmer zum Labour-Vorsitzenden stellt mit 56,2 % der Stimmen einen klaren Sieg für die Rechte in der Partei dar. Weder die Tatsache, dass sich einige Linke dazu verleiten ließen, für Starmer zu stimmen, noch die Tatsache, dass Rebecca Long-Bailey 27,6 % der Stimmen erhielt, kann dies verschleiern.

Starmer selbst zerstreute jegliche Zweifel durch seine Wahl eines Schattenkabinetts aus rechten und Mitte-Rechts-PolitikerInnen, von denen viele auf wiederholte und bösartige Angriffe auf Corbyn und seine AnhängerInnen zurückblicken können. Nur Catherine Jane „Cat“ Smith und Rebecca Long-Bailey haben Corbyn in allen Krisen seit 2015 konsequent unterstützt. Ihre Einbeziehung ist eindeutig nur ein Feigenblatt.

Das Ende des Corbynismus

Dies markiert das Ende der „Revolution von oben“ durch Corbyn. Die Macht liegt nun in den Händen der Rechten und der Mitte-Rechten, die ihre Mehrheit in der Parlamentsfraktion der Labour-Party und unter den Labour-Gemeinderatsmitgliedern im ganzen Land stets behalten haben. Dass Corbyn seine FeindInnen in sein Schattenkabinett aufnahm, war in der Tat immer ein gefährliches Zugeständnis. Zweimal nutzten sie ihre Positionen, um Putsche gegen ihn zu starten.

In beiden Fällen wurden sie durch die Massenmitgliedschaft der Partei besiegt und griffen auf die völlig betrügerische Strategie der falschen Antisemitismusvorwürfe zurück. Dabei wussten sie, dass sie auf die Unterstützung des Establishments und der Medien zählen konnten. Vielleicht noch überraschender war, dass sie auch von der Weigerung von „Momentum“, der innerparteilichen Strömung unter der Führung von Jonathan Lansman, und sogar Teilen der radikalen Linken, insbesondere der AWL (Allianz für die Freiheit der ArbeiterInnen), profitierten, die Partei als diese Verleumdungskampagnen als das zu verurteilen, was sie waren.

Dass die Antisemitismusvorwürfe so wirksam waren, hängt mit der allgemeineren Frage der Außenpolitik zusammen. Dies trifft den Kern von Labours langjähriger Unterstützung für die globale Strategie des britischen Kapitalismus, in der die Unterstützung Israels ein grundlegendes Element seines Bündnisses mit den USA ist.

Corbyns Geschichte weist eine prinzipielle Opposition gegen imperialistische Kriege auf und er stand jahrlang für die Unterstützung der Rechte der PalästinenserInnen, neben anderen unterdrückten Völkern. Einen solchen Mann als Führer einer potentiellen Regierungspartei an der Spitze zu haben, stand nicht nur für den rechten Flügel von Labour, sondern sogar für einige auf der linken Seite immer völlig außer Frage.

Starmer hat sofort seine Anerkennung dieser Verleumdungen einen klaren Bruch mit der Corbyn signalisiert, als er Lisa Nandy vom rechten Parteiflügel zur Schattenaußenministerin ernannt hat. Aus dem gleichen Grund hat er versprochen, die Kampagne gegen die AntizionistInnen fortzusetzen, die fälschlicherweise am meisten des Antisemitismus beschuldigt werden, indem er sagte: „Ich werde dieses Gift an seinen Wurzeln ausreißen“, womit er meint, dass er weiterhin Mitglieder ausschließen wird, die Israels Tötung unbewaffneter palästinensischer DemonstrantInnen verurteilen, während es den letzten geisterhaften Umriss eines palästinensischen „Staates“ auslöscht.

Kurswechsel

Allgemeiner gesagt, zeigt Starmers Erklärung, nachdem er die meisten Corbynistas aus dem Schattenkabinett entfernt hat, in welche Richtung er gehen wird:

„Dies ist ein neues Team, das die Labour Party in einer neuen Ära voranbringen wird. Unter meiner Führung wird sich die Labour Party voll und ganz darauf konzentrieren, im nationalen Interesse zu arbeiten, das Vertrauen der Menschen in unsere Partei wieder aufzubauen und die nächsten Wahlen zu gewinnen.“

In wahrheitsgemäße Begriffe übersetzt heißt das:

„Ich werde meine Sicherheitsüberprüfung damit rechtfertigen, dass ich die nationalen und internationalen Interessen unserer KapitalistInnen loyal verteidige. Ich werde Corbyns Unterstützung für die PalästinenserInnen nicht wiederholen, sondern das Vertrauen derjenigen wiedergewinnen, die ihn verleumdet haben. Ich werde nur eine Politik verfolgen, bei der die Medien als Richterinnen die Labour-Partei nicht noch eine Wahl verlieren lassen würden. Kurz gesagt, ich bringe Labour zurück zu der Art von Partei, die sie größtenteils seit den 1960er Jahren war. Das kurze linke Zwischenspiel der letzten Jahre wird in der Erinnerung der Bevölkerung verblassen, so wie es die Benn-Jahre Anfang der 1980er Jahre taten.“

Er hat versucht, während der Coronavirus-Epidemie die Rolle der loyalen Opposition Ihrer Majestät zu spielen, was auch immer es wert ist, und sagte zum Nachrichtensender „Sky News“: „Ich versuche zu vermeiden, Entschuldigungen zu fordern [für den Mangel an persönlicher Schutzausrüstung für Krankenpflegekräfte an der Front] oder frühere Entscheidungen zu kritisieren [Versäumnis, die Tests früher hochzufahren].“

Zusammen mit seiner stark publik gemachten Bereitschaft, einer „Regierung der nationalen Einheit“ beizutreten, ist dies sein Versuch, an den nationalen Schulterschluss im Zweiten Weltkrieg anzuknüpfen. Er will den Attlee (Labour-Führer der 1940er Jahre) zu Johnsons Churchill-Imitation spielen, indem er die Labour-Partei und die Gewerkschaften dazu benutzt, das britische Kapital in der herannahenden Krise zu retten und Churchill (Johnson) dann in der Zeit des Wiederaufbaus zu ersetzen.

Kein Wunder, dass Starmers am meisten bewunderter Labour-Chef Harold Wilson ist, der ehemalige Anhänger Bevans (Minister für Gesundheit und Wohnungsbau unter Attlee), der die Hoffnungen der Labour-Linken in den 1960er und 1970er Jahren enttäuschte und verriet. Obwohl er sagte, er werde von Corbyns Politik „nicht übermäßig wegsteuern“, beweist sein anderes Versprechen, Veränderungen herbeizuführen, dass dieser Wechsel an die Linke platzen wird.

„Wir haben gerade vier Wahlen in Folge verloren, und deshalb müssen wir uns natürlich ändern. Wenn wir uns nicht ändern, werden wir die nächste Parlamentswahl verlieren.“ Dies kann nur eine Änderung gegenüber der unter Corbyn beschlossenen Politik bedeuten.

Die Feier seines Sieges durch die gesamte Presse, vom „Daily Mirror“ und „The Guardian“ bis zur „Sun“ und dem „Telegraph“, zeigt, dass die herrschende Klasse Großbritanniens weiß, dass Labour jetzt wieder in sicheren Händen ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie jetzt den Druck von Labour nehmen wird. Im Gegenteil, nachdem sie Blut geleckt hat, wird sie mehr verlangen, um sicherzustellen, dass die Linke nie wieder in die Nähe eines Wahltrumpfs kommen kann.

In diesem Sinne hat Keir Starmer versprochen, „den Fraktionalismus zu beenden“, aber er meint damit nicht, die Partei von denen zu säubern, die systematisch versucht haben, nicht nur Corbyn, sondern die ganze Partei zu diskreditieren. Nein, was er meint, ist, dass er die Erzählung des rechten Flügels akzeptiert, dass der „Fraktionalismus“ von der corbynistischen Linken verursacht wurde und dass es rechte Abgeordnete wie Margaret Hodge waren, die ihm zum Opfer fielen, eine totale Umkehrung der Wahrheit.

Die Fraktionen „Fortschritt“ und „Labour Zuerst“, die Starmer unterstützt haben, werden ihre Angriffe auf die Linke nicht einstellen. Zweifellos werden sie mit der Unterstützung der Abgeordnetenhausfraktion und der Presse eine umfassende Säuberung all derer fordern, die sich noch immer für die Demokratisierung der Partei, antikapitalistische Lösungen für die Krise oder eine internationalistische Politik, z. B. im Fall von Palästina einsetzen.

Wird Starmer sie als FraktionalistInnen zur Ordnung rufen? Natürlich nicht. Der Ausschluss von Richard Burgon aus dem Schattenkabinett und die Ernennung von Matt Pound, dem ehemaligen nationalen Organisator von „Labour First“, zeigen, in welche Richtung der Wind unter seiner Führung wehen wird.

Wo ist alles schiefgelaufen?

Durcheinander und Verwirrung über Brexit und die Verteufelung Corbyns in den Medien selbst haben zweifellos eine Rolle bei der Niederlage vom 12. Dezember gespielt. Genauso wirkte seine eigene Bereitschaft, Johnson die Möglichkeit zu geben, sich vom Haken einer uneinigen Minderheitsregierung zu befreien, indem er eine Wahl einberief, als es ihm passte. Entscheidend war, dass die Einzelheiten des Brexit-Abkommens noch nicht öffentlich gemacht worden waren.

All das war damals klar, aber was die Enthüllungen in dem durchgesickerten Antisemitismusbericht jetzt deutlich machen, ist, wie führende Persönlichkeiten im Parteiapparat bewusst eine Niederlage bei der Wahl 2017 planten. Vielleicht werden die Einzelheiten dessen, was sie im Jahr 2019 getan haben, mit der Zeit öffentlich werden, aber wir brauchen nicht darauf zu warten, um zu erkennen, dass sie alles in ihrer Macht Stehende getan haben, um die Niederlage herbeizuführen.

Warum waren die Rechten so begierig darauf, beide Wahlen zu verlieren? Weil dies, nachdem sie mit ihren Putschversuchen gescheitert waren, nun die einzige Möglichkeit war, Corbyn zu entfernen – ihr Ziel seit seiner Wahl zum Parteichef. In einer Partei, deren ganze Existenz auf Wahlen ausgerichtet ist, garantieren zwei Niederlagen in Folge den Sturz des Parteiführers. Den Sieg den Tories zu überlassen, war für sie kein zu hoher Preis.

Die Geschwindigkeit, mit der die Corbyn-Führung aufgerollt und weggeworfen wurde, macht deutlich, dass die Linke nie die Kontrolle über die Partei als Ganzes, insbesondere über die Parlamentsfraktion und den bürokratischen Apparat, erlangt hatte. Wie der versuchte Putsch der Parlamentsfraktion 2016 zeigte, gab es kaum eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse in Westminster oder in den Rathäusern. Es sollte nicht vergessen werden, dass Starmer in diese illoyale Verschwörung verwickelt war.

Dank Jon Lansman durfte die Organisation, von der viele hofften, sie wäre das Mittel zur Demokratisierung der Partei, „Momentum“, immer nur eine soziale Medien- und Wahlmaschine sein. Anstatt eine Kampagne zur Neustrukturierung der Partei anzuführen, beschränkte sie die Begeisterung ihrer Mitglieder auf den Aufbau eines Personenkults um Corbyn. Niemals wurde eine Organisation grausamer falsch benannt.

Corbyn seinerseits behielt die Befugnisse und die Schirmherrschaft, die das Amt des Parteichefs innehatte, ein Erbe der Ära Kinnock, Blair und Miliband. Anstatt die Mitglieder gegen diejenigen zu mobilisieren, die versuchten, ihn abzusetzen, schloss er sich den bürokratischen Mitte-Links-FührerInnen der Gewerkschaften, insbesondere Len McCluskey, an. Gemeinsam frustrierten sie die Wünsche der Mitglieder über die obligatorische Wiederwahl, dann über die Öffnung der Grenzen für MigrantInnen und schließlich über Brexit. Und warum? Weil sich alle darin einig waren, dass der rechte Flügel besänftigt werden müsse, um die Möglichkeit einer Spaltung zu vermeiden.

Dies war das Erfolgsgeheimnis der Rechten. Wenn das höchste Gut ist, eine Wahl zu gewinnen, dann muss die Partei geeint sein oder, wie ein Apologet es ausdrückte, die Partei braucht beide Flügel, um zu fliegen. Dies war die Lehre, die alle aus der Spaltung 1981 gezogen haben, als die Viererbande zur Gründung der Sozialdemokratischen Partei ausscherte und Thatcher damit zu ihrem Sieg 1983 verhalf. Mit diesem Wissen verlangte der rechte Flügel ständig Zugeständnisse von Corbyn und gewann sie im Allgemeinen.

Wohin als Nächstes für die Linke?

Die Labour-Linken beginnen, sich nach den Hammerschlägen der Wahlniederlage und des Starmer-Sieges wieder zu erholen. „Novara Media“, „Forward Momentum“, „Tribune“ usw. fordern alle einen Richtungswechsel. Viele von ihnen konzentrieren sich auf „Momentum“ als den wahrscheinlichsten Ausgangspunkt, vor allem angesichts der bevorstehenden (weitgehend unechten) Führungswahlen.

Die ganz außergewöhnlichen Umstände der Pandemie und der Abriegelung mögen alle normalen politischen Aktivitäten gelähmt haben, aber sie verhindern nicht die Diskussion und Debatte. „Red Flag“ wird sicherlich zu dieser Debatte beitragen, und unsere unmittelbaren Prioritäten werden die Verteidigung jener politischen Errungenschaften sein, die unter Corbyn erzielt wurden, sowie der fortgesetzte Kampf für die Demokratisierung der Partei mit einer souveränen Konferenz und der automatischen Neuwahl von Abgeordneten und Ratsmitgliedern.

Die gegenwärtige Krise hat vielen Menschen jedoch auch die Augen für die Folgen der Wirtschaftspolitik sowohl der Tory-Regierung als auch der Labour-Regierung geöffnet: ein staatliches Gesundheitswesen ohne freie Kapazitäten; ein lähmender Mangel an Vorräten und Personal; Millionen von ArbeiterInnen, die auf Lebensmitteltafeln angewiesen sind, selbst wenn sie einen Arbeitsplatz haben; und, die Kehrseite der Medaille, die Notwendigkeit einer zentralen Zuweisung von Ressourcen und der Beschlagnahme von lebenswichtigen Gütern und Ausrüstungen.

Während Starmer und die Rechten Johnson ihre Loyalität und ihre unerschütterliche Unterstützung zusichern, muss die Linke die Lehren aus Corbyns Aufstieg und Fall mit dem Kampf um die Gewinnung der Partei für ein Programm verknüpfen, das die demokratische Kontrolle über die wichtigsten Ressourcen der Gesellschaft anstrebt, damit diese rationell geplant werden können, um den Bedürfnissen der Menschen gerecht zu werden, und nicht, um die weitere Herrschaft der Reichen zu sichern, wenn der unmittelbare Notstand vorüber ist.

In dem Maße, in dem der Ausnahmezustand gelockert wird, sich die Wirtschaftskrise jedoch vertieft, wird sich diese Regierung daran machen, die Milliarden zurückzuholen, zu deren Ausgabe sie gezwungen wurde. Um zu verhindern, dass dies von Starmer und dem rechten Flügel toleriert wird, ganz zu schweigen von jeder Art „dreiseitiger“ Zusammenarbeit bei den Sparmaßnahmen, brauchen wir mehr als eine demokratisierte Basisorganisation innerhalb der Labour Party.

Wir werden auch eine solche, parallele oppositionelle Kraft in den Gewerkschaften und in den örtlichen Gemeinden brauchen. Die Labour-Linken müssen eine aktive Rolle dabei spielen, sie für die für viele ungewohnten Aufgaben des Klassenkampfes zu mobilisieren. Wir haben keine Notwendigkeit und kein Interesse daran, auf allgemeine Wahlen zu warten. Wir müssen das Gleichgewicht der Kräfte radikal verändern und Johnson und seine Bande rauswerfen. Dann, und nur dann, wird eine Regierung mit einer wirklich sozialistischen Politik möglich werden.