Ford Saarlouis, Vallourec Düsseldorf: Das Kapital transformiert zu Industrieruinen

Mattis Molde, Neue Internationale 266, Juli/August 2022

Der Stahlröhrenhersteller Vallourec will seine Standorte in Deutschland mit 2.400 Beschäftigten bis 2023 schließen und das Geschäft mit nahtlosen Rohren für Öl- und Gasfelder nach Brasilien verlagern. Gründe seien sinkende Margen und Überkapazitäten in der Branche sowie der Krieg in der Ukraine und die Covid-19-Pandemie, die durch gestiegene Energie- und Materialpreise die Lage verschärft hätten. Die Werke wurden einst unter dem Namen Mannesmann gebaut und sind Zeugen der historischen Bedeutung der Schwerindustrie im Ruhrgebiet.

Im Fordwerk in Saarlouis wird der Focus gebaut. 2025 läuft die Produktion aus. Dann gibt es für 4.600 Beschäftigte dort und rund 2.000, die auf dem Werksgelände bei Zulieferern angestellt sind, keine Arbeit mehr, denn E-Autos sollen nicht dort, sondern in Almussafes/Valencia in Spanien gebaut werden. Damit ist die Schließung vorprogrammiert.

Sozialpartnerschaftslatein am Ende

Beide Entscheidungen wurde im letzten Monat von den Konzernzentralen gefällt. Beides sind Tiefschläge für Tausende Beschäftigte und ihre Familien, für die betroffenen Städte und Regionen.

Beide verkörpern aber auch Hochburgen der IG Metall. Sie zählt tausende Mitglieder, beherrscht die Betriebsräte, verfügt über beste Kontakte zur „Politik“. Sie lebt nicht im Konflikt mit den Management, sondern kooperiert auf allen Ebenen aufs Engste und hat hunderte Vereinbarungen mit diesem geschlossen.

Der Widerstand der Betriebsräte sah dementsprechend aus. Monatelang wurde in Hinterzimmern verhandelt, Verzicht angeboten und nach Staatsknete gesucht, um den Konzernen den Verbleib zu versüßen und ihre Profite zu erhöhen.

Die Beschäftigten kamen nur am Rande vor und blieben von den Verhandlungen ausgeschlossen. Aktionen hatten nie das Ziel, das Management zu etwas zu zwingen, sondern sollten Dampf ablassen. „Verhandlungsbegleitende Aktionen“ heißt das im Gewerkschaftsjargon.

Jetzt ist die IG Metall mit ihrem Sozialpartnerschaftslatein am Ende. Bei Vallourec fiel dem Betriebsrat zum Schluss noch ein, eine/n neue/n Käufer:in zu suchen. Dann wurde die Schließung hingenommen und mit einem „Sozialtarifvertrag“, den die Beschäftigten mit der IG Metall „erkämpfen“ sollen, dürfen sie ihre Entlassung mitgestalten.

Im Falle von Saarlouis wirft IG-Metall-Chef Jörg Hofmann dem US-Autokonzern „unsoziales Verhalten“ vor. „Ford hat die Standorte Saarlouis und Valencia eiskalt in einen Dumpingwettbewerb gezwungen.“ Man fragt sich, ob Ford bisher sozial war oder andere multinationale Konzerne dies sind. Vor allem aber stellt sich die Frage, warum die IG Metall sich in diesen Dumpingwettbewerb hat zwingen lassen und das über 3 Jahre hinweg. In diesem behandelte sie die Kolleg:innen in Valencia und ihre Gewerkschaften faktisch wie Gegner:innen.

Im Übrigen musste Ford die IG Metall nicht zwingen, solche Verhandlungen zu führen. Hofmann und seine Leute machen das immer und überall, nennen es „Standortsicherung“ von einzelnen Werken oder gar des ganzen „Standorts Deutschland“. Dabei wird jede Solidarität zwischen den Belegschaften untergraben und international erst recht.

Klassenkampf und Arbeiter:innendemokratie

Die beiden großen Tiefschläge in zwei ihrer starken Bastionen zeigen, dass die IG Metall kein Konzept besitzt, um Arbeitsplätze gegen die Entscheidungen der Kapitalist:innen zu verteidigen. Dazu wäre es nötig, die Kampfkraft der Belegschaft durch Information statt Geheimverhandlungen der Betriebsräte zu organisieren; durch Vertrauensleute, die die Diskussion in den Unternehmen vorantreiben, statt Postbot:innen des Betriebsrats zu spielen; durch Belegschaftsversammlungen, die Entscheidungen über Forderungen und Aktionen demokratisch fällen; durch Konferenzen der Vertrauensleute in Konzernen oder Branchen, wo Arbeitsplätze bedroht sind, um gemeinsame Kampfplänen zu erstellen – und das nicht nur auf Deutschland beschränkt. Denn alle wissen, dass Großkonzerne die Belegschaften international gegeneinander ausspielen.

Mit dieser Kraft kann man mehr als Proteste organisieren. Man kann streiken oder Betriebe besetzen. Man kann in den Betrieben fordern, dass die Belegschaft und ihre Vertreter:innen die Offenlegung aller Daten und Zahlen durchsetzen, diese überprüfen und ein Vetorecht gegen die Entscheidungen des Managements erkämpfen.

Dann kann auch entschieden werden, was in den Betrieben produziert wird und was nicht (mehr). Dann können Betriebe wirklich „transformiert“ und nicht in Ruinen verwandelt werden.

Das ist mit Betriebsratsfürst:innen und dem IGM-Vorstand nicht zu machen. Ihnen ist über mehrere Jahre, in denen sich die Bedrohungsszenarien in den beiden Großbetrieben entwickelt haben, nichts anderes eingefallen, als zu betteln und Errungenschaften zum Verzicht anzubieten. Es gibt aus der IG Metall-Zentrale bis heute noch nicht mal eine inhaltliche Position zum Thema E-Auto, zu alternativen Verkehrssystemen – die z. B. in Saarlouis produziert werden könnten, geschweige, dass über die Alternative zur Schließung, die entschädigungslose Enteignung des Betriebes und Fortführung unter Arbeiter:innenkontrolle, diskutiert wird.

Solidarität mit den Beschäftigten bei Vallourec und Ford heißt nicht nur, sie bei ihren jetzt aufgeflammten Protesten zu unterstützen, sondern auch aufzuzeigen, wie sie von der Führung in Betriebsrat und IG Metall in diese Situation getrieben worden sin. Beide Betriebe sind noch nicht stillgelegt. Widerstand ist weiter möglich, aber er muss unter Kontrolle der Beschäftigten gebracht werden – genauso wie die IG Metall unter Kontrolle ihrer Mitglieder! Metallerinnen und Metaller müssen verstehen, wie und warum die Bürokratie der Gewerkschaft Errungenschaften und Arbeitsplätze verkauft. Kontrolle durch die Basis ist kein Zubrot für einen erfolgreichen Kampf, sondern in Zeiten wie diesen notwendig, um siegen zu können.




Betriebsratswahlen: Mittel zum Klassenkampf?

Mattis Molde, Infomail 1181, 11. März 2022

Vom 1. März bis zum 31. Mai 2022 finden in zehntausenden Betrieben in ganz Deutschland Betriebsratswahlen statt. Es könnten viel mehr sein. Nur noch 41 % der Beschäftigten in Westdeutschland und 36 % im Osten arbeiten in Betrieben mit Betriebsrat.

In vielen Unternehmen bekämpfen die Kapitalist:innen schon die Gründung von Betriebsräten mit Schikanen, Kündigungen, Mobbing und viel Geld für eklige Anwaltskanzleien. In Großkonzernen korrumpieren sie gerne die Spitzen der Betriebsräte, nutzen sie zur Kontrolle der Belegschaft. Diese sehen sich selbst dann auch gerne als Teil des Managements. Lohnt es sich also, selbst zu wählen oder zu kandidieren?

Alles „Sozialparter:innenschaft“?

Die Rechte der Betriebsräte sind bescheiden. „Mitbestimmung“ gibt es nur in drittrangigen Fragen. Was die Kapitalseite nervt, ist schon die Tatsache, dass sie sie zu allen Themen, die die Beschäftigten betreffen, informieren, ihre formelle Zustimmung abholen und sich mit deren Vorschlägen auseinandersetzen müssen. Sie würden lieber von oben kommandieren und durchgreifen.

Im Betriebsalltag ist es aber durchaus für uns Beschäftigte wichtig, gegen dieses Durchgreifen, das selbstverständlich mit Willkür verbunden ist, vorgehen zu können und Fragen der Arbeitszeit oder der Bezahlung nicht allein regeln zu müssen. Dieser Betriebsalltag ist Ausdruck der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse und der Klassenherrschaft der Bourgeoisie – auch wenn das nicht immer offensichtlich ist und eher als Willkür einzelner Vorgesetzten erscheint.

In harten Konflikten fällt dann den Betriebsräten die Aufgabe zu, mit Entlassungen, Verlagerungen oder Stilllegungen umgehen zu müssen. Dafür sind die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes völlig ungeeignet: Betriebsräte dürfen keine Arbeitskämpfe organisieren, geschweige denn Streiks. Da sind dann Gewerkschaften gefragt.

Streiks dürfen in Deutschland nur diese organisieren, und das nur zu „tariflichen“ Themen und nicht innerhalb der Friedenspflicht laufender Tarifverträge. Das wäre kein Grund, dass nicht doch welche stattfinden könnten. Wenn die Kraft eines Streiks groß genug ist, kann er sich durchsetzen. Nur durch verbotene Streiks wurde das erreicht, was wir heute an Streikrecht haben. Aber die Gewerkschaften akzeptieren die Gesetze, vor allem weil ihre Führungen Streiks vermeiden, wo es irgendwie geht.

Die Mehrzahl der Kapitalist:innen halten sich ungern an Gesetze. Sie behindern und verhindern Betriebsratswahlen, entlassen Beschäftigte, die versuchen, solche zu organisieren oder auch zu kandidieren. Das „Union Busting“ ist inzwischen so verbreitet, dass die neue Regierung die Gesetzesverstöße der Bosse stärker bestrafen will. Aber, bisher sind die Strafen lächerlich und der Staat verfolgt diese Vergehen auch nicht aus eigenem Antrieb.

Für alle, die in der Arbeiter:innenklasse in Deutschland politisch aktiv sein wollen, führt kein Weg daran vorbei, sich irgendwann mit Betriebsräten auseinanderzusetzen: die bestehenden zu kritisieren, Forderungen an sie zu stellen, selbst zu kandidieren oder neue Strukturen aufzubauen, wo keine bestehen.

Für Revolutionär:innen ist die Aufgabe umfangreicher. Es gilt, die Klassenzusammenarbeit der Betriebsräte zu bekämpfen, die vom Gesetz gewollt ist und von den Gewerkschaftsführungen als „Sozialpartner:innenschaft“ propagiert wird. Sie ordnet die Interessen der Beschäftigten denen des Betriebs und der herrschenden Klasse insgesamt unter. Es gilt den betrieblichen und gewerkschaftlichen Kampf zu fördern, die verschiedenen Positionen als Klasseninteressen zu erklären und praktische Vorschläge zu machen, wie Beschäftigte gegen das Kapital und seine direkten Vertreter:innen vorgehen und dabei die Hindernisse der reformistischen Bürokrat:innen bekämpfen können.

Betriebsräte und Klassenkampf

Die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften, VKG, in der auch Mitglieder unserer Gruppe aktiv sind, hat einen Flyer zu den Betriebsratswahlen veröffentlicht (https://www.vernetzung.org/betriebsratswahlen-nutzen-fuer-verankerung-klassenkaempferischer-positionen/). Wir haben Teile davon bearbeitet und ergänzt.

Es ist oft enttäuschend, was Betriebsräte tun – oder was sie nicht tun, obwohl sie es sollten. Deshalb überlegen manche, es selbst zu versuchen, es besser zu machen. Diese Gelegenheit bietet sich bei den anstehenden Betriebsratswahlen.

Es gibt es zwei Wahlverfahren:

  • Personenwahl (im gewerkschaftlichen Sprachgebrauch Persönlichkeitswahl) heißt, dass alle Wähler und Wählerinnen aus allen Kandidat:innen auswählen können und so viele Stimmen haben, wie Betriebsratsplätze zu vergeben sind. Voraussetzung dafür ist, dass auch alle auf einer gemeinsamen Liste kandidieren.
  • Listenwahl kommt zustande, wenn mehrere Listen eingereicht werden. Das bewirkt, dass dann jede/r Beschäftige nur eine Stimme hat und nur zwischen den Listen auswählen kann. Die Stimmen verteilen Wähler:innen nach sehr unterschiedlichen Motiven. Da spielt Bekanntheit eine Rolle, aber auch Zustimmung und Protest zu der letzten Amtszeit. Auch persönliche Merkmale wie Alter, Beruf, Geschlecht oder Herkunft können die Wahlentscheidung beeinflussen.

Wer aber kandidiert, um was zu ändern, sollte das klar zum Ausdruck bringen! Fairer, sachlicher Wahlkampf ist das Recht jeder/s Kandidat:in – auch wenn dieser demokratische Wettbewerb um die beste Interessenvertretung aller Kolleg:innen nicht allen schmeckt.

Also überlegen:

  • Was lief gut oder schlecht in den letzten Jahren? Wo hat der Betriebsrat versagt? Wo hat er Probleme ignoriert oder Unverschämtheiten der Unternehmensspitze durchgehen lassen?
  • Was hätte stattdessen passieren sollen? Welche Maßnahmen hätte der Betriebsrat ergreifen müssen?

Hier ein paar Möglichkeiten, was Betriebsräte tun können:

  • Nicht einfach zustimmen und abhaken, was die Unternehmensleitung als „unumgänglich“ bezeichnet.
  • Die Belegschaft rechtzeitig und ausführlich informieren, Betriebs- oder Abteilungsversammlungen durchführen, damit alle informiert werden und ihre Meinung und Ideen einbringen können. Sich also nicht als „Geheimrät:in“ aufführen. Dabei sind auch Betriebszeitungen hilfreich.
  • Zugeständnisse verweigern: Also keine Anträge des Unternehmens/der Personalabteilung genehmigen, solange die Missstände bestehen oder Angriffe nicht zurückgenommen werden. Zum Beispiel: Umstrukturierungen blockieren bzw. verzögern, Überstunden ablehnen. Da gibt es einige rechtliche Regeln zu beachten, aber es gibt Handlungsspielraum.
  • Solcher Widerstand funktioniert nur, wenn er von der Belegschaft unterstützt wird. Also ständige Information und Beratung mit den Betroffenen! Keine Alleingänge des Betriebsrates!

Sich auf Gegenwind vorbereiten!

Wer frisch in den Betriebsrat gewählt wird – egal über Liste oder als Person – fühlt sich da erst mal fremd: Die „alten Hasen“ wissen alles und lassen das einen auch manchmal spüren. Sie werfen mit Begriffen und Paragraphen um sich. Sie wollen nichts ändern. Wenn es dumm läuft, wird man schnell ausgegrenzt. Deshalb geben viele wieder auf. Also standhaft bleiben!

Verbündete im Umfeld organisieren!

Es ist wichtig, Verbündete zu haben, um zusammen für Veränderungen zu kämpfen und sich den Rücken stärken. Eigentlich wären dazu die Vertrauensleute der Gewerkschaft oder eine Betriebsgruppe da. Aber die gibt´s oft nicht. Oder sie machen nicht viel. Oder nur das, was die Betriebsratsspitze und die Gewerkschaftssekretär:innen wollen. Aber für Veränderung braucht es ein Team, das gemeinsam Probleme diskutiert, Vorschläge erarbeitet und mit den Kolleg:innen bespricht und diese nach ihrer Meinung befragt. So eine Gruppe ist besonders wichtig, wenn die Mehrheit des Betriebsrats glaubt, alles am besten zu wissen, als „Geheimrat“ handelt oder mit der Geschäftsführung klüngelt.

Netzwerke bilden! Solidarität stärken!

Also muss man versuchen, Gleichgesinnte zu finden. Notfalls selbst Treffen organisieren und sich gemeinsam beraten, Betriebsgruppen bilden. Das hilft im Betrieb, die Interessen der Beschäftigten durchzusetzen, die Angriffe des Kapitals abzuwehren. Oder auch mit Interessierten aus anderen Werken in demselben Konzern Netzwerke bilden. Dies verhindert, dass Belegschaften gegenseitig ausgespielt werden, sich Standortdenken durchsetzt. Oder sich mit Kolleg:innen aus anderen Unternehmen vor Ort austauschen, gegenseitig unterstützen, solidarisieren. Gemeinsame Aktionen durchführen. Die Ortsgruppen der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) können dafür genutzt bzw. können mit der VKG neue Gruppen aufgebaut werden.

Erlaubtes und nicht Erlaubtes …

In harten Zeiten oder gegen schwere Angriffe reichen solche Regeln nicht. Dann sind Maßnahmen gefordert, die über die gesetzlichen Rechte hinausgehen. Darf man das? Man muss es! Alle Rechte, die Betriebsräte heute haben, gibt es nur, weil gewerkschaftlich Aktive zu früheren Zeiten sich Rechte genommen haben. Sie haben gestreikt, auch wenn das verboten war. Die meisten Rechte für Betriebsräte wurden im Zuge der Novemberrevolution 1918 eingeführt bzw. nach dem Ende des Faschismus 1945. Damals ging es eigentlich um mehr: 1918 wurde das Kaiserreich abgeschafft. Es ging darum, Sozialismus und Demokratie durchzusetzen. Nach 1945 sollten die Großindustriellen für immer entmachtet werden. Das heutige Betriebsverfassungsgesetz ist ein trauriger, reformistisch integrierter und verbogener Rest der damaligen Ziele.

Das belegt, dass der Kampf nicht nur die Schranke des Einzelbetriebs überwinden und ein gewerkschaftlicher werden muss. Er muss auch immer politisch sein. Er muss die reformistische Politik der Gewerkschaftsführungen bekämpfen und so auch dem natürlichen Reformismus des gewerkschaftlichen Kampfes entgegenwirken, der sich immer nur auf eine Verbesserung der Verhältnisse bezieht, ohne den Kapitalismus als Ganzes anzugreifen. Er muss sich bemühen, die besonders Unterdrückten, die auch schlechter bezahlt werden, in die Kämpfe einzubeziehen und ihre spezifischen Forderungen zu unterstützen. Der Kampf gegen Nationalismus, Rassismus und Sexismus spaltet nicht die Arbeiter:innenklasse, sondern macht sie stärker, auch wenn er nicht nur gegen die Bosse, sondern auch unter den Beschäftigten geführt werden muss.

Der Kampf für internationale Solidarität innerhalb eines Konzerns, einer Branche oder allgemein ist ein wichtiges Mittel gegen die Unterordnung der Gewerkschaftsbürokratie nicht nur unter einzelne Kapitalist:innen, sondern auch den bürgerlichen Staat und das „nationale“ Interesse. Immerhin erleben wir gerade einen Krieg, der fortschrittlich – also gegen jeden Nationalchauvinismus – nur an der Seite unserer ukrainischen, russischen und aller anderen Kolleg:innen in Europa und den USA bekämpft werden kann! In Betrieben und Gewerkschaften findet dieser Kampf auf praktische Weise statt. Auch wenn das nicht immer einfach ist, kann er aber tatsächlich Massen in Aktionen hineinziehen und das Bewusstsein in der Breite verändern. Denn schließlich und endlich wird das nur auf der Basis eines Kampfes der gesamten Belegschaft selbst möglich sein, wovor sich viele der heutigen Betriebsräte zusammen mit den Bossen fürchten: Räte der Arbeiter:innenklasse selbst, die demokratisch das Geschick und die Kontrolle über die Produktion übernehmen.




Keine Stimme für die Rechten bei den Betriebsratswahlen!

Ursprünglich veröffentlicht von Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften, Infomail 1175, 14. Januar 2022

Vom 1. März bis zum 31. Mai 2022 finden in ganz Deutschland die Betriebsratswahlen statt. In zehntausenden Betrieben wählen die Beschäftigten ihre Vertreterinnen und Vertreter in den Betriebsrat.

FaschistInnen und Rechtsradikale haben sich in den letzten Jahren ausgebreitet. Sie mobilisieren gegen MigrantInnen, Linke, DemokratInnen und profilieren sich in den Corona-Protesten. Sie versuchen auch in den Betrieben Fuß zu fassen. Sie wollen die Rechte, die GewerkschafterInnen für die ArbeitnehmerInnen erkämpft haben, für ihre anti-gewerkschaftliche Politik missbrauchen.

Faschisten bedrohen sächsische Ministerin

Wer die schockierenden Bilder in den Medien Anfang Dezember sah, war entsetzt. Rund 30 Anhängern von der Gruppe »Freie Sachsen« marschierten am 3. Dezember mit Fackeln und laut lärmend vor dem Wohnhaus der sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) in Grimma auf und bedrohten sie. Sie selbst nannte den Aufmarsch „Einschüchterungsversuche von Rechtsextremisten“. Wir als VKG verurteilen diesen Aufmarsch auf das Schärfste. Die Spuren des Hasses führen leider auch in Betriebe, in denen das Zentrum Automobil – eine rechte Betriebsratsgruppe –aktiv ist. So sind Betriebsräte vom Zentrum Automobil (ZA) vom Mercedes Werk in Untertürkheim gute Freunde von „Freie Sachsen“. Kurz vor dem Aufmarsch war ZA-Betriebsrat Hans Jaus bei der Gruppe zu Gast, hat die Organisation gelobt und mit dem Chef vor laufender Kamera Schnaps getrunken. Beim Gründungstreffen „Freie Sachsen“ mit dabei war der sächsische Ableger vom Zentrum Automobil.

Keine Stimme für Zentrum Automobil und andere rechte Betriebsratslisten bei den Betriebsratswahlen im Frühjahr 2022!

Schon seit einigen Jahren, insbesondere auch seit den Betriebsratswahlen 2018 haben Rechtsextremisten und Faschisten die Betriebe als Kampffeld für sich entdeckt und in einigen Betrieben rechte Strukturen aufgebaut. So bei verschiedenen Daimler-Betrieben (Untertürkheim, Rastatt, Sindelfingen), bei Stihl in Waiblingen, bei Opel in Darmstadt und bei BMW und Porsche in Leipzig. In diesen Betrieben ist bekannt, dass sie auch bei den Wahlen 2018 Betriebsratsmandate gewinnen konnten. Sie sind auch in anderen Betrieben aktiv und werden bei den nächsten Wahlen im Frühjahr 2022 wieder antreten. Sie greifen vorhandenen Unmut auf, richten ihn aber nicht gegen das Kapital, sondern gegen IGM und andere DGB-Gewerkschaften.

Kämpferische Gewerkschaftspolitik schwächt rechte Gruppen

Die rechten Kräfte können sich gerade in der Auto-Industrie auf populistische Art gut profilieren, weil die Angriffe des Kapitals nur selten mit gewerkschaftlichen Mitteln wie Streik und Blockaden bekämpft werden, sondern IG Metall und Betriebsräte den Personalabbau und die Angriffe auf die Bezahlung „mitgestalten“. Oftmals führt dieses Vorgehen dazu, dass die Kosten auf bestimmte Teile der Belegschaften, auf Werksvertragsbeschäftigte, LeiharbeiterInnen und die Beschäftigten bei Zulieferern, die eh schon schlechter gestellt sind, abgewälzt werden. Diese Politik spaltet die Belegschaften. Seitens der Unternehmen wird dieses Co-Management der Betriebsräte befördert durch Privilegien und hohe Bezahlung, oft analog zum Managementlevel. Die rechten Kräfte im Betrieb schwächen wir durch eine kämpferische Betriebsrats- und Gewerkschaftspolitik. Das schließt den Kampf gegen Co-Management und Kungelei der BetriebsratsfürstInnen mit ein. Die Einheit der ArbeiterInnenklasse kann nur durch Einheit im Kampf gegen das Kapital hergestellt werden!

Rechte in der IG Metall

Neben den Gruppen wie Zentrum Automobil gibt es auch zahlreiche KollegInnen, die mit dem rechten und faschistischen Gedankengut sympathisieren, aber in den Strukturen der IG Metall arbeiten und auf ihren Listen kandidieren. Dieses Thema wird von den Verantwortlichen in der IG Metall praktisch nicht thematisiert. Sie vertrauen darauf, dass sie in diesen Fällen die politische Linie der Führung mit bürokratischen Mitteln durchsetzen können.

Wir halten dies für falsch! Dadurch werden rechte, rassistische, ja auch faschistische Positionen in der Organisation toleriert und sie können sich ausbreiten. Wir brauchen ein echte Diskussion und Auseinandersetzung auf allen Ebenen. Gerade auch über die Themen wie Migration und Coronakrise, die von den Rechten genutzt werden. Den Vormarsch der AfD in der IGM-Mitgliedschaft bekämpft man nicht damit, dass vor der nächsten Wahl von der Kanzel verkündet wird, dass keineR die wählen soll, sondern durch Argumente in der täglichen Auseinandersetzung!

Kämpferische Bewegung von unten ist nötig!

In vielen Bereichen, vor allem der Auto- und Zulieferindustrie, werden Arbeitsplätze zu Zehntausenden vernichtet. Entsprechend fallen die Mitgliederzahlen. FunktionsträgerInnen auf allen Ebenen versuchen, Errungenschaften und Mitglieder zu halten, aber ihnen bläst fast überall der Wind ins Gesicht! Die Spitze tut so, als wären das alles Einzelprobleme und verkündet, dass die Regierung was tun müsse und die „Arbeitgeber“ sozial sein müssten. Wunschträume.

  • Wir rufen alle, die das ändern wollen auf, gemeinsam für eine Wende in der IG Metall zu kämpfen!
  • Dafür können auch Kandidaturen zu den Betriebsratswahlen genutzt werden! Aber eine Wende erreichen wir nur, wenn wir über den Betrieb hinaus eine Wende in Gangsetzen!



Modernisierte Betriebsräte

Mattis Molde, Infomail 1153, 21. Juni 2021

Eher beiläufig hat der Bundestag das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geändert und dazu das „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“ verabschiedet. Dies war im Koalitionsvertrag vorgesehen, und da es nicht so aussieht, als würde diese Koalition die kommende Bundestagswahl überstehen, wurde es schnell noch von Arbeitsminister Heil auf den Weg gebracht, wohl auch als Versuch der SPD, sich als Partei der Arbeit„nehmer“Innen zu profilieren.

Die Änderungen und das neue Gesetz berühren die Themen Schutz von Betriebsratsgründungen, Wahlrechtsalter, Mitbestimmung bei mobiler Arbeit und Kommunikationsmittel. Verabschiedet wurde das Ganze im Paket mit einer Ausweitung der Fristen bei der Saisonarbeit. Die damit erleichterte Ausbeutung ausländischer ArbeitsmigrantInnen bringt für das Kapital deutlich mehr, als es die Kosmetik beim Betriebsverfassungsgesetz kostet.

Saisonarbeit

Statt 70 können dieselben SaisonarbeiterInnen dieses Jahr 102 Arbeitstage sozialversicherungsfrei beschäftigt werden, was vor allem in der Landwirtschaft genutzt wird. Begründet wird dies wie schon 2020, als sogar 115 Tage erlaubt worden waren, mit Infektionsschutz, da die Fluktuation der MigrantInnen geringer sei. Durch die Pandemie sind skandalöse Zustände auf vielen Höfen bekanntgeworden: Masseninfektionen, unbehandelte Kranke und viele Todesfälle, die übliche Beherbergung in Massenunterkünften, vorenthaltener Arbeitslohn, Arbeitszeitbetrug der Betriebe, Abrechnung überhöhter Beherbergungskosten, Bewachung in geschlossenen Lagern.

Die Krönung war und ist die „Arbeitsquarantäne“, bei der alle – auch Kranke – weiterarbeiten, aber keinen Kontakt nach außen haben und auch nicht nach Hause fahren dürfen. Alle diese Probleme wurden von der Regierung nicht angegangen, stattdessen wurde die Ausnutzung dieser Arbeitskräfte vereinfacht. Sozialversicherungsfrei heißt, dass die Betriebe diese Kosten sparen und den Beschäftigten keine Krankenversicherung aus diesem Arbeitsvertrag zusteht – in der Zeit der Pandemie!

Die AusbeuterInnen jubeln auf agrarheute: „Der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd (BWV) reagierte erleichtert auf den Kabinettsbeschluss. Dies sei eine wichtige Entscheidung im Sinne der Pandemiebekämpfung und der Sicherung der regionalen Lebensmittelproduktion, stellte der BWV fest.“

Waagschale

Und was ist bei diesem großkoalitionären Deal für die Beschäftigten in Betrieben und Verwaltungen herausgekommen? Was hat Hubertus Heil produziert, damit der DGB dies als Fortschritt preisen kann?

Die Senkung des Wahlrechtsalters zu Betriebsratswahlen von 18 auf 16 ist natürlich längst überfällig. Wer als Jugendlicher ausgebeutet wird, soll auch wählen dürfen. Aus gutem Grund wird dies in den Kommentaren zur Gesetzesänderung aber kaum erwähnt: Es gibt praktisch keine Jugendlichen dieses Alters in Betrieben mit Betriebsrat (BR). Das tatsächliche Problem ist vielmehr, dass dort, wo viele junge Menschen arbeiten, oft auch in Teilzeit, eine hohe Fluktuation herrscht – was nicht nur die BR-Gründung, sondern auch die Wahl von jungen Menschen in dieses Gremium erschwert. Hier wäre dringend eine Verkürzung der Wahlperioden nötig – von 4 auf 3 Jahre wie früher oder, noch weitaus sinnvoller, auf 1 oder 2 Jahre. Das lehnen nicht nur die Unternehmen ab, sondern das wollen natürlich auch die eingesessenen BR-BürokratInnen in keinster Weise, müssten sie sich doch in kürzeren Intervallen zumindest einer formalen Wahl und einer gewissen Rechenschaft gegenüber der Belegschaft stellen.

Mobile Arbeit, die jetzt gesetzlich auch das Homeoffice umfasst, wird durch die Gesetzesänderung als solche mitbestimmungspflichtig – in der Ausgestaltung. Was eingeführt wird, bleibt alleinige Unternehmensentscheidung. Und selbst die Verbesserungen relativieren sich, denn schließlich waren die einzelnen Themen, die dabei eine Rolle spielen wie Lage und Erfassung der Arbeitszeit, Ausgestaltung des Arbeitsplatzes, Arbeitssicherheit usw. schon bislang mitbestimmungspflichtig.

Dieser Punkt ist ebenso wie die Möglichkeit, zukünftig BR-Sitzungen auch online abzuhalten, und andere „Modernisierungen“ nicht der Brecher.

Recht und Macht

Der Kern der Gesetzesänderung sollte darin bestehen, die Gründung von Betriebsräten zu erleichtern bzw. die Verhinderung derselben zu erschweren. Das war als Dankesgeschenk an die Gewerkschaften für ihre Unterstützung der Großen Koalition gedacht.

Tatsächlich ist die Zahl der BR im Land zurückgegangen: Nur etwa 10 % der Unternehmen haben einen solchen, in diesen arbeiten etwa 40 % der Beschäftigten. Im Westen liegt die Zahl höher als im Osten, insgesamt ist sie seit Jahrzehnten rückläufig. Nur in den letzten zwei Jahren konnte sie sich leicht stabilisieren. Sicher ist, dass dies mit aggressivem Vorgehen seitens der Unternehmensführungen zu tun hat, mit der Entfernung von Beschäftigten, die eine BR-Gründung anstreben, durch Kündigung oder Abfindung.

Betriebsratsmitglieder, auch Ersatzmitglieder und KandidatInnen, sowie diejenigen, die als Wahlvorstände eine Wahl initiiert haben, können allerdings auch bisher nicht einfach gekündigt werden: Sie genießen einen Schutz durch ihre Funktion und ein Betriebsrat als Institution kann Kündigungen als solche zwar auch nicht verhindern, aber erschweren. Und hier gibt es die einzige kleine Änderung: Auch die InitatorInnen von BR-Wahlen erhalten zukünftig einen gewissen Schutz. Für den Kampf gegen Union-Busting reicht das nicht.

Union-Busting

Mit den Angriffen auf Betriebsräte wird oft gleichzeitig gewerkschaftliche Arbeit be- und verhindert, denn jede/r Beschäftigte darf zwar Mitglied einer Gewerkschaft sein, wenn aber GewerkschafterInnen im Betrieb ohne BR aktiv werden, verfügen sie über keinerlei effektiven Schutz. Unter AktivistInnen ist deshalb der US-amerikanische Begriff des „Union-Busting“, der gezielte Angriff auf Betriebsräte und Betriebsratsgründungen, auch für Deutschland übernommen worden, auch wenn die rechtlichen Bedingungen komplett anders liegen.

Die Methoden der „BusterInnen“ reichen von Einschüchterung der Belegschaft, „Rauskaufen“ von AktivistInnen bis hin zu Unterschieben von Diebstahl, Arbeitszeitbetrug oder physischen Übergriffen. Dabei kommt den Firmen zugute, dass selbst kleine Verfehlungen, die im zivilen Leben, wenn überhaupt, dann geringfügig bestraft werden, in der Arbeitsrechtsprechung ein „zerrüttetes Vertrauen“ darstellen, das einen Verlust des Arbeitsplatzes rechtfertigt.

Der bürgerliche Staat schützt das Recht des Kapitals auf Ausbeutung nicht nur im individuellen Arbeitsverhältnis, sondern untermauert die Machtverhältnisse auch im kollektiven Arbeitsrecht. Es gibt in Deutschland keine staatlichen Institutionen, die kontrollieren, ob die zugunsten der Beschäftigten geltenden Gesetze und Vorschriften in den Betrieben eingehalten werden. Das wird aber explizit den BR überlassen und zu ihrer Kernaufgabe erklärt (BetrVG §80 Abs 1). Aber es gibt keine Pflicht für die Unternehmen, BR einzuführen. Das wird dem jeweiligen betrieblichen Kräfteverhältnis überlassen und die Strafen für die Behinderungen von Betriebsratswahlen bzw. der Arbeit von BR sind lächerlich. In einem Brief an Heil hatten deshalb im Vorfeld GewerkschafterInnen und  JuristInnen im Aufruf „Betriebsräte effektiv stärken!“ folgende Forderungen aufgestellt:

„1. Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Wirtschaftskriminalität/Sonderabteilungen für Arbeitsbeziehungen! Für effektive Aufklärung und Strafverfolgung krimineller Unternehmer und ihrer auf Union Busting spezialisierten Dienstleister (Rechtsanwälte, Detekteien). Hier geht es um einen Komplex, der neben Betriebsratsbehinderung regelmäßig andere Straftaten umfasst wie Diskriminierung, Prozessbetrug, Anstiftung und Verabredung zu Straftaten, juristische Nachstellung (Stalking), Nötigung, Bestechung, Ausspähung (Verletzung der informationellen Selbstbestimmung).

Oft werden Betriebsräte auch deshalb unterdrückt, weil Unternehmen die Aufdeckung anderer Delikte befürchten wie Sozialabgabenbetrug, Steuerhinterziehung, Verstoß gegen Mindestlohn, Arbeitsschutz + Arbeitszeiten etc.

2. Erklären Sie Betriebsratsbehinderung zum Offizialdelikt! Dadurch steigt das Strafmaß und somit das Verfolgungsinteresse der Staatsanwaltschaften. Offizialdelikte müssen im Gegensatz zu Antragsdelikten vom Staat verfolgt werden, sobald Kenntnis besteht. Bislang kann Betriebsratsbehinderung nur durch den betroffenen Betriebsrat oder eine vertretene Gewerkschaft angezeigt werden.

Auf Betriebsratsbehinderung steht derzeit dieselbe Strafe wie auf Beleidigung. Doch Union Busting ist kein Kavaliersdelikt. Union Busting ist gegen das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit am Arbeitsplatz gerichtet und damit verfassungsfeindlich.

3. Führen Sie ein verpflichtendes Melderegister für Betriebsratswahlen ein! Die genaue Zahl der Betriebsräte und Betriebsratsgründungen in Deutschland ist ebenso unbekannt wie ihre Entwicklung oder ihr Scheitern. Bislang gibt es nur grobe Schätzungen aufgrund von Stichproben. So sollen laut IAB nur noch ca. 9 % aller wahlberechtigten Betriebe mit fünf oder mehr Angestellten einen Betriebsrat haben. Doch der Befund ist umstritten und vermutlich zu optimistisch. Es fehlen genaue, empirische Daten … “

Diese Forderungen sind richtig und unterstützenswert und der ganze Zusammenhang zeigt deutlich, dass diese Bundesrepublik ein Staat zum Schutz der Klassenherrschaft des Kapitals ist, in der die Rechte der ArbeiterInnenklasse immer nur bedingt sind. Deshalb reichen auch die demokratischen und rechtsstaatlichen Forderungen dieser Unterschriftensammlung nicht aus.

Die Grenzen der Betriebsverfassung

Laut Betriebsverfassungsgesetz sollen Betriebsräte das Wohl der Beschäftigten und des Betriebes im Auge haben – je zugespitzter der Klassenkampf, desto unmöglicher wird die Aufgabe, eine Form gesetzlich verordneter Klassenzusammenarbeit zu erfüllen, und desto untauglicher werden auch die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte der BR.

Zweitens handeln BR als Stellvertreter, nicht als Organisatoren der Belegschaft. Die Mitwirkungsmöglichkeiten, die selbst dieses Gesetz hergibt, werden von ihnen regelmäßig nicht genutzt und die Belegschaften vor vollendete Tatsachen gestellt. In der Praxis platzieren sie sich eher als VermittlerInnen zwischen Management und Beschäftigte.

Beschäftigte und Belegschaften müssen deshalb weiterhin auch gewerkschaftliche Strukturen in den Betrieben (Betriebsgruppen, Vertrauensleute) aufbauen und direkte und demokratische Organisationsformen finden, wenn sie in den Kampf gehen wollen oder müssen. Aktions- und Streikkomitees auf betrieblicher oder überbetrieblicher Ebene sind dort nötig, wo die gesetzliche Vertretung verwehrt wird, aber auch dort, wo sie existiert und dieser gesetzliche Rahmen nicht ausreicht.

Klassenzusammenarbeit in der Praxis

Die DGB-Gewerkschaften haben die Forderungen des zitierten offenen Briefes nicht unterstützt. Der Apparat verkauft die gesetzlichen Reformen lieber als großartigen Verhandlungserfolg. Natürlich kommentieren die BürokratInnen die Gesetzesänderung in dem Sinne, dass sie einen Fortschritt darstelle, aber mehr folgen müsse. Den Preis, die verschärfte Ausbeutung der SaisonarbeiterInnen, ignorieren sie bei dieser Bewertung natürlich. Es geht ihnen darum, die sozialpartnerschaftlichen, rein gewerkschaftlichen und reformistischen Illusionen aufrechtzuerhalten: Die Große Koalition – die Zusammenarbeit mit der Regierung, mit CDU und SPD – habe etwas gebracht, wir bräuchten wieder eine solche Konstellation. Weiter so, Deutschland!

Diese Klassenzusammenarbeit auf politischer Ebene entspricht der Zusammenarbeit im Betrieb auf der praktischen Grundlage des BetrVG. In den Großbetrieben übernehmen die BR meist eine Ordnungsfunktion im Sinne des Kapitals. Alle Konflikte sollen möglichst ohne Störung der Mehrwertproduktion gelöst werden. Diese Orientierung der BR, die von den Gewerkschaften getragen wird, muss sich natürlich immer wieder als im Interesse der Betroffenen darstellen.

Das Tagesgeschäft der meisten BR besteht unter den aktuellen Bedingungen letztlich darin, aus jedem Angriff des Kapitals immer noch „das Beste“ zu machen und beispielsweise Entlassungen „sozial“ zu gestalten durch Altersteilzeit oder Transfergesellschaften. Oder darin, die Leiharbeit nicht zu verhindern, aber einen betrieblichen oder branchenweiten Zuschlag zu vereinbaren, der das Ganze noch immer lukrativ für das Kapital und die Leiharbeitenden willfährig macht, da sie ihren Job in dieser Firma nicht verlieren wollen, und die Stammbelegschaft durch diese willfährigen Leiharbeitenden unter Druck setzt.

Diese Ordnungsfunktion

Diese Zusammenarbeit, die letztlich immer im Interesse des Kapitals erfolgt, geht so weit, dass unliebsame GewerkschafterInnen und Betriebsratsmitglieder in trauter Eintracht von Kapital und Betriebsratsspitze entlassen werden. So wurde der IG Metall-Betriebsrat Karsten vom Bruch bei Bosch in Stuttgart unter einem Vorwand entlassen, genau zu dem Zeitpunkt, als er als Softwareentwickler die Beteiligung von Bosch an der Entwicklung der Abgasbetrugssoftware innerbetrieblich zur Sprache brachte.

Der Betriebsrat Adnan Köklü aus Salzgitter wurde entlassen, als er mehr Transparenz forderte. Die Stellungnahme des BR-Vorsitzenden Cakir spricht für sich: „Herr Köklü hat in den vergangenen Monaten nichts unversucht gelassen, durch wahrheitswidrige Unterstellungen und eine gezielte Verleumdungskampagne einzelne Betriebsratsmitglieder und den Betriebsrat in Gänze zu diffamieren.“

Und weiter im Artikel auf regionalheute.de: „Belege für seine Behauptungen habe er hingegen keine. Ein Ausschlussverfahren aus dem Betriebsrat wurde beim Arbeitsgericht Braunschweig beantragt, da eine Zusammenarbeit mit ihm ‚unzumutbar’ sei. Eine Entscheidung wird bei der Verhandlung am Mittwoch gefällt werden. Mehrere Abmahnungen haben inzwischen zu einer außerordentlichen, verhaltensbedingten Kündigung Köklüs geführt, da sein Verhalten ‚betriebsschädigend’ sei. ‚Von Mobbing durch den Betriebsrat kann nicht ansatzweise die Rede sein’, heißt es in der Stellungnahme Cakirs. Auf diese Weise würden Täter als Opfer dargestellt werden.“

Die Logik des BR-Vorsitzenden Cakir: Wir mobben nicht, wir unterstützen die Entlassung. Die einzige glaubwürdige Tat – eine unabhängige Untersuchungskommission einzurichten – kommt diesem Bürokraten genauso wenig in den Sinn wie der Mehrheit der Bosch-Betriebsratsmitglieder in Stuttgart. Beide Kollegen haben übrigens erfolgreich gegen ihre Kündigungen geklagt.

Das Beispiel zeigt: Union-Busting geht auch von Betriebsratsbossen aus, deren letztlich gewerkschaftsschädigendes Verhalten von der Gewerkschaft nicht in Frage gestellt wird. Leider scheuen viele Initiativen, die gegen Union-Busting und Behinderung von BR-Arbeit aktiv sind, die Fälle anzusprechen, wo dies mit Unterstützung von BR-FürstInnen geschieht und mit Unterstützung oder Duldung durch GewerkschaftsfunktionärInnen.

Der Kampf für mehr Rechte der Beschäftigten, für Gewerkschaften und Betriebsräte gegen Kapital und Staat muss daher einhergehen mit einem konsequenten Eintreten gegen diejenigen, die diese Rechte missbrauchen, als Privilegien der Bürokratie nutzen und damit unterminieren.




Mahle: Pandemie trifft Sparprogramm

Karl Kloß, Infomail 1101, 21. April 2020

Von der Ausbreitung des Corona-Virus ist auch der Zulieferer Mahle betroffen. Als global agierender Konzern auf fünf Kontinenten war es wenig verwunderlich, dass man von dieser Pandemie genauso erfasst wurde wie viele andere Konzerne aus der Autoindustrie. So gibt es alleine in der Stadt Wuhan, die am Anfang besonders stark betroffen war, zwei Werke. Darüber hinaus befinden sich drei weitere in der Provinz Hubei. Hier wurden von der Geschäftsführung (GF) nach dem erstmaligen Ausbruch recht schnell Reisewarnungen erlassen und an die Beschäftigten appelliert, nicht mehr in diese Region zu reisen und auf Videokonferenzen umzusteigen.

Schleppende Kommunikation

Nachdem sich jedoch das Virus immer weiter ausbreitete, war klar, dass es weitere Beschränkungen geben wird. Allerdings verlief hierbei die Kommunikation seitens der Geschäftsführung sehr schleppend. Man informierte die Beschäftigten zwar in regelmäßigen Abständen, allerdings erfolgte dies ausschließlich über eine Kommunikationsplattform im Intranet, auf die nicht jedeR Zugriff hat. Wer sich dort nicht angemeldet hat oder, wie es bei den allermeisten Beschäftigten in den Produktionswerken der Fall ist, erst gar keine Mailadresse für die Registrierung für diese Plattform besitzt, musste sich auf die Informationsbereitschaft des/r jeweiligen Vorgesetzten verlassen. Mehr als Aushänge mit den allgemeinen Verhaltens- und Hygieneregeln folgte zunächst nicht.

Erst als die ersten bestätigten Infektionsfälle mit dem Corona-Virus in der Konzernzentrale in Stuttgart und anderen Standorten in der Nähe der Landeshauptstadt auftraten, wurde dies geändert. Innerhalb eines Tages waren hier große Bereiche wie ausgestorben, da fast alle Beschäftigten ins Home Office bzw. mobil arbeiten gingen. Nach weiteren ca. 1,5 Wochen entschied der eigens eingerichtete Krisenstab, dass der Betrieb vom 23. März bis zunächst 5. April unterbrochen wird, ehe am 31. März Kurzarbeit mit dem Betriebsrat in Stuttgart vereinbart und beim Arbeitsamt angemeldet wurde. An den restlichen Standorten in Europa gilt weiterhin die Betriebsunterbrechung bis mindestens 19. April. Auch in Nord- und Südamerika, in Südafrika und Indien gilt seit dem 31. März eine Betriebsunterbrechung. In China hingegen wurden der Hauptsitz der Mahle Holding und das Forschungszentrum in Shanghai bereits ab dem 10. Februar wieder schrittweise geöffnet. Inzwischen hat rund die Hälfte aller chinesischen Werke wieder den Betrieb aufgenommen,  Ausnahmen bilden nur noch die in der Provinz Hubei. In Japan und auch in Südkorea wird ebenfalls wieder produziert, wenn auch unter eingeschränkten Bedingungen ähnlich wie in China.

Gleiches Recht für alle?

Doch nicht in allen Werken einigte man sich so schnell wie in der Konzernzentrale in Stuttgart. Dazu zwei Beispiele: Zwar gibt es etwa in den Werken in Lorch und Neustadt an der Donau ebenfalls Kurzarbeit, allerdings mit unterschiedlichen Zeiträumen und zu unterschiedlichen Bedingungen. Die Beschäftigten in Lorch erhalten zwar weiter die tariflichen Zahlungen (Aufzahlung auf das Kurzarbeitergeld bis 80,5 % vom Nettolohn), die Kurzarbeit wurde jedoch bis zum 31. März 2021 (!), also für ein ganzes Jahr, beim Arbeitsamt angemeldet.

Begründet wurde der extrem lange Zeitraum damit, dass man seit Jahresbeginn Beschäftigungsprobleme habe und durch die Pandemie nicht absehbar sei, welche Folgen daraus resultieren. Das Arbeitsamt argumentierte außerdem, dass es einfacher wäre, einmal für einen längeren Zeitraum als zweimal für kürzere Zeiträume Kurzarbeit zu beantragen. Das sind allerdings nur Scheinargumente. In Wirklichkeit geht es um etwas anderes. Die Geschäftsführung will einen so langen Zeitraum nutzen, um härtere Maßnahmen in aller Ruhe, also wenn die Beschäftigen nicht im Betrieb und vereinzelt sind, vorbereiten zu können.

In Neustadt an der Donau wiederum wurde Kurzarbeit vom 6. April bis 30. Juni angemeldet und hierbei der bayerische Tarifvertrag unterlaufen. Dort erhalten die Beschäftigten nur das gesetzliche Kurzarbeitergeld zwischen 60 und 67 % des Nettolohns ohne Aufzahlung, obwohl dies laut Tarifvertrag durchaus möglich wäre, da auch der IG Metallbezirk Bayern sowie der Arbeit„geber“Innenverband VBM diese Regelung in den Tarifvertrag aufgenommen haben. Angeblich hatte die dortige Personalleitung das so begründet: Hätte man statt Kurzarbeit 21 Tage Urlaub bzw. Überstunden für die Belegschaft für den Monat April zahlen müssen, wäre der Standort pleite gewesen. Das ist allerdings eine merkwürdige Behauptung, da Mahle als Konzern insgesamt über Kapital verfügt und nicht jeder einzelne Standort für sich. Jeder Standort muss für jede Ausgabe dies bei der Zentrale beantragen und dann wiederum alle Erträge abführen.

Doch längst nicht für alle gilt auch tatsächlich, dass sie zu 100 % in Kurzarbeit geschickt werden: Je nach dem, wie die/der jeweilige Vorgesetzte in Absprache mit dem Betriebsrat entscheidet, wird ein Teil der Belegschaft herangezogen, damit die Produktion weiter läuft und Umsatz gemacht wird. Zudem ist es möglich, dass Beschäftigte, die an wichtigen und zeitkritischen Kundenprojekten arbeiten, von eben dieser Kurzarbeit ebenfalls ausgenommen werden können (z. B. IngenieurInnen, technische ZeichnerInnen, Beschäftigte aus dem Controlling …). Diese werden dann als „Notbesetzung“ eingesetzt und arbeiten zumeist im Home Office.

Was kommt, wenn die Pandemie abflaut?

Was aber auf jeden Fall kommen wird, ist die Zeit, in der sowohl die Produktion wie auch der Verwaltungsbetrieb wieder anlaufen werden. Hierbei entscheidet die Geschäftsführung alleine, wie genau der Produktionsanlauf und die Wiederaufnahme des Verwaltungsbetriebs aussehen sollen. Das kann ein Problem werden.

Bei Mahle läuft seit dem Mai vergangenen Jahres ein Sparprogramm, bei dem global mehrere tausend Arbeitsplätze abgebaut werden sollen und etlichen Werken die Schließung droht. So sollen bis zum Ende diesen Jahres die Werke in Öhringen, Foetz (Luxemburg) und der Werksverbund La Loggia/Saluzzo (Italien) geschlossen werden. Telford (Großbritannien) wurde schon dichtgemacht. Auch außerhalb Europas werden Arbeitsplätze abgebaut, so etwa in Charleston (USA) oder auch in einigen brasilianischen Werken. Nicht zu vergessen die Ankündigung der Geschäftsführung, dass alle Werke des Geschäftsbereichs „Verbrennungsmotoren“ als „kritische Standorte“ gelten.

Der Vorsitzende der Geschäftsführung, Dr. Stratmann, behauptet zwar, sie handele aus Verantwortung für die Belegschaft und Gesellschaft, wenn alle Mitarbeitenden Abstand halten, Kontakte reduzieren und, wo immer möglich, ganz vermeiden. Allerdings sieht man bei den Werken, die fast in Komplettauslastung produzieren, dass es im entscheidenden Moment vor allem um eines geht: die Profite. Das merkt man vor allem dann, wenn er sagt, dass pro Woche Stillstand bei den AutoherstellerInnen eine Million weniger PKWs produziert und dies dann Umsatzverluste in Milliardenhöhe für Mahle bedeuten würde. Bei der Aufforderung, Abstand zu halten, und der Verpflichtung zum Tragen von Masken und Benutzen von Desinfektionsmitteln geht es letztlich nicht um die Gesundheit der Beschäftigten, sondern darum, diese möglichst rasch wieder voll arbeiten zu lassen, also ausbeuten zu können.

Nach dem der Produktionsstillstand in Europa anfangs nur auf zwei Wochen begrenzt war, wurde dieser inzwischen bis zum 19. April verlängert und die Geschäftsführung wird nun jedes einzelne Werk sehr genau unter die berühmte Lupe nehmen, sobald der Betrieb wieder aufgenommen werden soll. Sie wird vermutlich versuchen, manche ohnedies auf der Abschussliste stehende Werke oder Abteilungen gar nicht mehr in Betrieb zu nehmen.

Dafür kann sie die Kurzarbeit ausnutzen, wenn eine lange Laufzeit mit dem jeweiligen Betriebsrat vereinbart worden ist. Wenn das der Fall ist, müssen die Betriebsräte unbedingt sofort die Betriebsversammlungen nachholen, die ausgefallen sind, um die ganze Belegschaft in den Betrieb zu holen. Nicht nur um zu informieren, schon gar nicht um zu jammern, sondern um ein gemeinsames Verteidigungskonzept zu beschließen!

Ein ähnliches Szenario droht in den Stuttgarter Zentralen, wo letztes Jahr der Abbau von 385 Arbeitsplätzen angekündigt worden war. Die so genannten „weichen“ Maßnahmen wie Abfindungen und Altersteilzeit haben bei weitem nicht zu den Zielen der Vorgesetzten geführt. Daher ist zu befürchten, dass das Management in jeder Abteilung entscheidet, wer wieder arbeiten darf und wer nicht. Die einen werden gleich überlastet, die anderen rausgemobbt.

Dagegen hat sich der Betriebsrat in Feuerbach bei Stuttgart gewendet und durchgesetzt, dass die Verteilung der Kurzarbeit in den Abteilungen gleichmäßig sein soll und der Betriebsrat die Listen genehmigen muss. Das ist ein richtiger Schritt, der seitens der Personalleitung auf heftigen Widerstand stieß. Leider haben nur wenige Betriebsratsgremien so gehandelt. Offensichtlich wurde das auch nicht vom Gesamtbetriebsrat oder der IG Metall in diese Richtung koordiniert.

Aber eine echte Kontrolle kann nur funktionieren, wenn die Betriebsratsmitglieder nicht am grünen Tisch Listen bearbeiten, sondern die Abteilungen und deren Vertrauensleute einbeziehen und ihnen die Entscheidungen vorlegen. Auf dieser Grundlage müssen die Beschäftigten und die gewerkschaftlichen Vertrauensleute für die Betriebsräte bindende Beschlüsse fällen, denn letztlich wissen nur sie, was wirklich in jeder Abteilung gespielt wird und was hinter den Argumenten der jeweiligen Vorgesetzten steckt.

Aktiv für unsere Zukunft

In der Corona-Krise zeigt sich wieder einmal, dass die Geschäftsführung leichtes Spiel hat, wenn Betriebsräte jeder für sich handeln, wenn sie einfach der Geschäftsführung nachgeben oder gar verzichten wie in Neustadt.

Es führt aber auch nicht weiter, wenn die Beschäftigten passiv bleiben und höchstens etwas schimpfen. Bald wird die Epidemie vorbei sein und die schönen Appelle an Gemeinsamkeit werden verhallen. Dann wird es seitens der Geschäftsführung heißen, dass Opfer und Einschnitte nötig sind – bei uns.

Es gibt Alternativen zum ständigen Abbau. So ist plötzlich sogar möglich, dass Mahle Atemschutzmasken produziert! Dabei wurde noch letztes Jahr Öhringen verweigert, andere Produkte herzustellen. Dann kam das Signal zum Dichtmachen. Die KollegInnen, die die Idee für Schutzmasken hatten, haben sicher noch andere Ideen! Über solche müssen die Beschäftigten entscheiden, die Betriebsräte und Vertrauensleute – dann gibt es eine Zukunft für Öhringen und die anderen bedrohten Arbeitsplätze! Schluss mit dem Abbaukurs der Geschäftsführung!

Die Vertrauensleute, Betriebsräte und die IG Metall müssen in den arbeitenden Werken Abteilungs- und Belegschaftsversammlungen organisieren. In den Betrieben, die stillstehen, können diese auch online durchgeführt werden. Dabei muss darüber diskutiert werden, wie die laufenden und kommenden Angriffe, wie der drohende massive Personalabbau im gesamten Konzern – also nicht nur in Deutschland, sondern weltweit – bekämpft werden können. Angesichts des Kürzungsprogramms des Konzerns werden Besetzungen betroffener Werke und Solidaritätsstreiks in allen anderen notwendig werden. Darauf müssen die Beschäftigen vorbereitet werden, dafür müssen klassenkämpferische GewerkschafterInnen Druck machen.

Der einzige Ausweg ist, sich jetzt schon auf Widerstand vorzubereiten – bei Mahle und anderswo!




„Aktuell denken wir von hier bis zur Türklinke“

Interview mit einer Betriebsrätin im Einzelhandel, geführt von Wilhelm Schulz, Infomail 1099, 10. April 2020

In Zeiten von Corona wird eines deutlich. Es ist nicht der Virus, der die soziale Spaltung verstärkt, dies bewerkstelligen die Umstände, unter denen er wirkt. Wir haben, um die Auswirkungen von Corona zu beschreiben, ein Interview mit einer Betriebsrätin im Einzelhandel in einem großen Kaufhaus geführt.

Der Einzelhandel läuft hier schon seit Jahren auf dem Zahnfleisch, ist er doch von einer massiven Umstrukturierung betroffen. Durch Internetkonzerne wie Amazon, die sich bis heute weigern, nach den Tarifbedingungen des Einzelhandels zu vergüten, und nicht mehr als den schlechter entlohnten Tarifvertrag Logistik zu zahlen bereit sind, die zudem systematisch Union-Busting betreiben. Schon vor der Corona-Krise kam es hier zu Fusionen – wie z. B. von Karstadt und Galeria Kaufhof –, Schließungen und Personalabbau. Karstadt hat eine über ein Jahrzehnt andauernde Insolvenzgeschichte: Verkauf für 1 Euro; Einfrieren der Gehälter; Streichung von Weihnachts- und Urlaubsgeld. Jahre andauernde begrenzte Streiks vermochten die Talfahrt für die Beschäftigten allenfalls zu verlangsamen, nicht zu stoppen.

Es ist davon auszugehen, dass es zu einer Verstärkung dieser Verschiebung in der momentanen Situation kommt. In der Branche herrscht Teilzeitarbeit vor und die Beschäftigten sind mehrheitlich Frauen. Allein diese Zahlen zeigen, dass die Krise uns nicht alle gleichsam treffen wird.

Interviewer: Bitte beschreibe die aktuelle Situation in Deinem Betrieb. Wie wirkt sich Corona auf Deine KollegInnen und Dich aus?

Seit dem 18. März ist das Unternehmen, in dem ich arbeite, geschlossen, so wie der gesamte Einzelhandel außerhalb der Lebensmittel- und Baumärkte. Seitdem sind die Beschäftigten auf Kurzarbeit null und das Unternehmen macht keine Umsätze. Kurzarbeit null bedeutet dabei einfach, dass die Kollegen und Kolleginnen nicht arbeiten und vom Staat KurzarbeiterInnengeld von 60 % beziehungsweise 67 % bekommen, falls sie Kinder haben. Das ist alles demnächst hart an der Kante. Das KurzarbeiterInnengeld zahlt jedoch der Staat und nicht das Unternehmen, in dem ich arbeite. Das wird aus dem pauschalisierten Nettoentgelt des letzten Kalenderjahres errechnet.

Viele im Einzelhandel sind in Teilzeit. Über die Hälfte der Angestellten arbeiten in Teilzeit. Das bedeutet für viele vermutlich, demnächst noch zusätzliche Gelder beantragen zu müssen, wie Wohngeld. Bis dahin konnten sich viele meines Wissens noch über Wasser halten und die wenigsten mussten aufstocken, jedoch sind die Reserven auch aufgrund der aktuellen Mietlage vermutlich sehr gering.

Der Betrieb verspricht aktuell individuelle Lösungen für jede einzelne Person in akuten Problemfällen, aber davon wissen wir noch nichts. Denn aktuell merken unsere KollegInnen das noch nicht so sehr. Wir sind am 18. März geschlossen worden. In der Gehaltsabrechnung wurde vorerst der Lohn für einen vollen Arbeitsmonat ausgezahlt, der Überhang soll vom kommenden Gehalt abgezogen werden, somit kann es zu deutlich weniger als den 60 % kommen. Das KurzarbeiterInnengeld wird somit erst zum 30. April auf dem Konto der KollegInnen sein, dann wird’s heftig.

Bis dahin hat der Betrieb versucht, alles loszuwerden, was er offiziell an Beschäftigten entlassen konnte. Als Betriebsräte konnten wir rein rechtlich unmittelbar nur die Festkräfte retten. Zum 30. April sind jetzt die gegangen worden, die unter 6 Monate Betriebszugehörigkeit aufwiesen. Auch die 450-Euro-Kräfte sind betroffen. Sogar das Personal, das zur Anpassung unseres Personalschlüssels eingestellt wurde und bitter nötig ist, wurde kurzfristig entlassen.

Das Unternehmen selbst macht in diesem Moment offiziell Minus. Die InvestorInnen unseres Hauses besitzen die Immobilien mit der einen Gesellschaft und vermieten sie an die andere. Die Miete wird nicht gestundet.

Interviewer: Die Bundesregierung hat Rettungspakete in Milliardenhöhe verabschiedet. Auf welche Art hilft das Deinen KollegInnen?

Am ehesten durch das KurzarbeiterInnengeld. Auch die Sozialabgaben zahlt die Arbeitsagentur. Sehr aktuell bei unseren KollegInnen ist das Thema Nebenjob in systemrelevanten Berufen. Dies geht kurzfristig im Haus. Solange unter dem regulären Nettogehalt geblieben wird, ist dies abgabenfrei. Es ist unklar, wie viele KollegInnen dies angenommen haben. Die Zustimmung von Arbeit„geber“Innenseite ist aktuell beschleunigt. Mehr ist hier momentan nicht absehbar für uns.

Interviewer: Welche Sicherung gibt es für Alleinerziehende oder Familien?

Da gibt es bei uns nichts, was über das KurzarbeiterInnengeld, also die 67 % hinausgeht. Interessant wird es eigentlich erst, wenn wir wieder öffnen. Zu Beginn ist davon auszugehen, dass wir zwischen der Öffnung und dem 30. Juni auf 50 % KurzarbeiterInnengeld gehen, also das mit dem geringeren Gehalt bis mindestens Ende Juli andauern wird. Betriebsbedingte Kündigungen sind bis 3 Monate nach Ende KurzarbeiterInnengeld nicht möglich. Der Betriebsrat wollte 6 Monate. Aktuell weiß aber niemand, wie es dann aussehen wird.

Besonders schwer für Alleinerziehende wird die Zeit auch. Durch die Kurzarbeit wird auch die Schichtplanung verkürzt. So erfahren die KollegInnen in der Zeit nur noch eine Woche im Voraus, wie sie im kommenden Monat arbeiten werden. Das macht die Planbarkeit schwerer. Von kurzfristigen Krankheitsfällen sprechen wir dabei noch überhaupt nicht.

Interviewer: KurzarbeiterInnengeld trifft im Einzelhandel, der seit Jahren auf dem Zahnfleisch läuft, vermutlich die ArbeiterInnen hart. Wie geht Ihr im Betrieb damit um? Was macht ver.di?

Ver.di schreibt im Fachbereich jeden Tag Newsletter, vor allem zur Rechtsberatung. Die Prüfungen der Azubis sind bis Ende Juni verschoben. Arbeitsverträge gehen hier nur bis zum 31. Juli. Hierzu wird aktuell verhandelt. Ansonsten hat ver.di eine Petition zur Erhöhung des KurzarbeiterInnengeldes herausgegeben von 60 % auf 90 %. Das ist schön und gut. Wer es später zahlt, bleibt offen.

Den Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen halten wir aktuell über Telegram, WhatsApp und E-Mail. Hier schicken wir regelmäßige FAQs zu den uns am häufigsten gestellten Fragen. Die lauteten in den ersten Tagen in der Regel etwa: „Was ist mit Krankschreibung?“, „Was ist mit Urlaub?“; „Was ist mit den Gutstunden?“. Die Fragen sind vielfältig. Wir versuchen über alle Kanäle so transparent wie möglich zu sein. Ob und wie Diskussionen unter den KollegInnen stattfindet, kann ich aktuell nicht sagen.

Das Thema Gutstunden ist ein wichtiges. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass die Überstunden, die das faktisch sind, nicht abgebummelt werden, bevor das KurzarbeiterInnengeld wirkt. Eigentlich ist unser Ziel, dass überhaupt keine Gutstunden mehr rauskommen sollen, sondern neue KollegInnen eingestellt werden.

Aber aktuell denken wir von hier bis zur Türklinke. Nach Corona müssen die Beschäftigten hier vermutlich zahlen, beispielsweise durch Entlassungen, Personalmangel, Wegfall der Kundschaft. Wir sind sehr stark vom Tourismus abhängig bei uns im Haus und der liegt auf unabsehbare Zeit brach.

Interviewer: In den momentanen Debatten wird, vor allem im Einzelhandel, von massiven Veränderungen für die Zukunft gesprochen. Inwiefern trifft das Euch bereits jetzt?

Ja, wie sich das alles verschieben wird, bleibt offen. Amazon boomt. Wir werden sehen, wohin das führt. Bei uns wird versucht, ein Online-Shopping-System einzuführen. Das war auch vor Corona am Anlaufen und soll jetzt auf Biegen und Brechen beginnen. Soll passieren, damit sich das Geschäft über Wasser hält. Aber mal sehen, wie es nach Corona in unserer Branche aussieht.

Interviewer: Wie ist die Stimmung bei den KollegInnen?

Die Decke fällt ihnen auf den Kopf. Auch wenn die Stimmung momentan ruhiger ist, muss klar sein: Die finanziellen Auswirkungen, die drohen ja erst. Die Sorge verschiebt sich um 4 Wochen. Noch klingt das recht positiv. Die Fragen per Telefon werden momentan weniger. Die Leute finden sich momentan damit ab und hoffen, dass bald wieder die Normalität eintritt.

Interviewer: Der DGB hat dem BDA den Burgfrieden für die laufende Pandemie angeboten. Wie soll der Widerstand gegen Entlassungen dieser Tage organisiert werden?

Streiks und ähnliches sind aktuell unsicher. Erst muss die Situation klarer werden. Noch gibt es kaum Entlassungen. Es ist unklar, wie lang das dauern wird. Die Tiefe der Rezession lässt sich nicht abschätzen. Jedoch ist noch die Arbeit„geber“Innenseite kooperativ, da sie noch auf ihre Angestellten hoffen und sie eh unterbesetzt waren. Somit müssen wir ihnen auf die Finger gucken. Nach der gesundheitlichem Krise, wenn die Personaldecke so gering bleibt, dann muss über Streiks und Arbeitskämpfe geredet werden.

Interviewer: Vielen Dank für das Interview und einen erfolgreichen Kampf, nicht nur um den Erhalt der Stellen, sondern auch um die Verbesserung des Personalschlüssels.

Nachwort

Hier sind wichtige Punkte angesprochen worden. Die Erhöhung des KurzarbeiterInnengeldes ist für die ArbeiterInnenklasse bitter nötig, vor allem für die unteren Schichten dieser, aber die Frage der Bezahlung ist wichtig zu beantworten. Vor wenigen Tagen wurde ein Milliardenpaket der Bundesregierung zur Rettung der Wirtschaft verabschiedet. Nicht nur die Gewichtung geht an den Bedürfnissen eines Großteils der Bevölkerung vorbei. Beispielsweise sind gerade 3 Milliarden von 600 Milliarden Euro für das Gesundheitssystem vorgesehen.

Auch die Frage steht im Raum, wer am Ende die gemachten Schulden begleichen darf. Sparprogramme sind in eben jenen Bereichen zu befürchten, in denen jetzt systemrelevante HeldInnen gefeiert werden. Da sie aber außer im privatisierten Sektor keinen Mehrwert schaffen, sondern „nur“ erhalten – u. a. in Form von Menschenleben – können sie die sein, die diese Einsparungen wieder als Erste spüren. Auch eine mögliche allgemeine Steuererhöhung würde eine Umlagerung der Kosten auf die ärmere Bevölkerung darstellen. Kämpferische ArbeiterInnen in Betrieben und Gewerkschaften müssen jetzt schon gegen die Sozialisierung der Schulden und die Privatisierung der Gewinne eintreten. Wir brauchen Beschlagnahmen von jenen, die Millionen besitzen. Die ArbeiterInnen in allen Bereichen, die nicht für die Sicherung der Bedürfnisse (Gesundheit, Lebensmittel, Kommunikation, …) nötig sind, müssen bei vollen Bezügen freigestellt werden. Sollten UnternehmerInnen Beschäftigte entlassen und Betriebe schließen wollen, sollten diese ohne Entschädigung und unter Kontrolle der ArbeiterInnen verstaatlicht werden. Wir brauchen auch ein Herabsetzen der Miete auf die zum Erhalt notwendigen Kosten – dort wo selbst dies nicht stemmbar ist, ein vollständiges Einfrieren eben jener.

Aber der Einzelhandel alleine wird vermutlich wirklich vor recht leeren Kassen stehen. Das zeigt für uns aber noch deutlicher die Notwendigkeit eines breiten Kampfes der ArbeiterInnenklasse gegen die Auswirkungen der Corona-Krise, die sich somit nicht nur ökonomisch in ihren Gewerkschaften organisieren müssen, sondern dort auch den Druck aufbauen, um sich für einen Wertschöpfungsketten übergreifenden Arbeitskampf einzusetzen. Dafür stellt die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) bereits heute einen möglichen Keim dar, in dem sich kämpferische ArbeiterInnen sammeln können.




Massenentlassungen bei Opel Österreich: ein umfassender Streik ist nötig!

Michael Märzen, Infomail 1048, 31. März 2019

Von der Ankündigung des Stellenabbaus sei
man im Betriebsrat von Opel in Wien-Aspern nicht überrascht gewesen, nur vom
tatsächlichen Ausmaß. Am Dienstag wurde der Belegschaft des Motoren- und
Getriebe-Werks bei einer Betriebsversammlung mitgeteilt, dass bis Jahresende
350–400 Arbeitsplätze wegfallen sollen – angesichts der knapp 1.200
Beschäftigten ist das jede dritte Stelle!

Kämpfen wolle man um die Arbeitsplätze
aber nicht, immerhin gebe es noch vom Vorjahr, als damals schon 100 Jobs
gestrichen wurden, einen Sozialplan. „Jetzt beginnen erst einmal die
Detailverhandlungen mit der Geschäftsleitung“, sagt dazu die Vorsitzende des
Arbeiter*innen-Betriebsrats, Renate Blauensteiner. In diese Richtung geht neben
den Gewerkschaften PRO-GE (Produktionsgewerkschaft) GPA-djp (Gewerkschaft der
Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier) auch der Vorsitzende des
Angestellten-Betriebsrats, Franz Fallmann: „Gesucht werden Mitarbeiter, die mit
Jahresende freiwillig austreten, aus Altersgründen oder Jobwechsel.“ Das werde
aber nicht reichen.

Die Pläne der Konzernleitung bedeuten somit nicht einfach einen Haufen goldener Handschläge, sondern tatsächlich Arbeitslosigkeit sowie eine Arbeitsverdichtung für die restliche Belegschaft. Dass Betriebsrat und Gewerkschaften einen solchen heftigen Anschlag einfach hinnehmen, spricht Bände über die sozialdemokratische Gewerkschaftsfraktion FSG, deren Angehörige Blauensteier (nebenbei auch Vizepräsidentin der Arbeiterkammer Wien) ist.

Der rigorose
Sparkurs der Opel-Automobilsparte

Warum aber möchte die Konzernleitung
überhaupt so viele Arbeitsplätze abbauen? Laut der Tageszeitung „Die
Presse“
macht der deutsche Autokonzern Opel als Tochtergesellschaft von
General Motors schon seit dem Jahr 2000 jährlich Verluste. Im März 2017 wurde
das Unternehmen vom französischen Automobilhersteller PSA (Peugeot, Citroën,
DS, Vauxhall) übernommen. Noch im selben Jahr begann man im Rahmen des
sogenannten Zukunftsplans „Pace“ (zu deutsch: Tempo) mit der Umsetzung
rigoroser Sparpläne. Größere „Umstrukturierungen“ gab es dann 2018 in
Deutschland, wo bspw. 3.700 Jobs vernichtet wurden. Insgesamt konnte man so die
Fixkosten stark reduzieren, sodass man schon 2018 wieder Gewinne verbuchte.

PSA-Chef Carlos Tavares ist das aber offenbar nicht genug. Denn wie das deutsche Wochenmagazin „Stern“ berichtete, liegt es im strategischen Konzerninteresse, den operativen Gewinn bis 2026 weiter zu erhöhen. Insgesamt läuft die Strategie auf die Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit hinaus, um neue Märkte zu erobern. So sollen die Übersee-Exporte bis 2020 verdoppelt werden und bis 2022 will man 20 neue Exportmärkte erschließen, etwa in Saudi-Arabien, Taiwan und Argentinien. Mittelfristig möchte man womöglich nach China und Brasilien liefern. Es steckt also viel mehr hinter der Arbeitsplatzvernichtung als irgendwelche Wettbewerbsschwierigkeiten.Es geht um Expansion zur Gewinnsteigerung auf Kosten der ArbeiterInnen!

Die
sozialdemokratische Strategie ist gescheitert

Nachdem PSA den Opel-Konzern übernommen
hatte, mussten die Belegschaften in den verschiedenen Ländern um ihre Standorte
fürchten. So auch in Wien-Aspern, wo in diesem Jahr die Aufträge zur Produktion
von 5-Gang-Schaltgetrieben auslaufen. Damit ein neues Schaltgetriebe durch den
Mutterkonzern in Auftrag gegeben wird, hat sich die Stadt Wien im Juni letzten
Jahres zu einer „Innovationsförderung“ auf Kosten der Allgemeinheit in der Höhe
von einer Million Euro hinreißen lassen, wobei man nicht einmal eine
Arbeitsplatzgarantie erwirken konnte. Damit schrieb sich die Stadtregierung
allerdings die Rettung des Standorts auf die Fahnen. Ähnlich wie die SPÖ Wien
hat sich der Betriebsrat schon drei Jahre davor verhalten, als er mit der
Geschäftsführung einen Standortsicherungspakt mit zwei mal 2 %
Lohnverzicht unterzeichnete. Weder die Förderung der Stadt Wien noch der
Lohnverzicht der Belegschaft haben Arbeitsplätze retten können. Und es stellt
sich die Frage, was passiert, wenn die Autoproduktion angesichts der Tendenz
zum Elektroantrieb in einigen Jahren auf die neuen Schaltgetriebe verzichten
kann. Werden dann noch mehr Arbeitsplätze abgebaut? Oder wird dann doch das ganze
Werk geschlossen?

ArbeiterInnen und Gewerkschaften müssen kämpfen!

Die bisherige SPÖ-FSG-Strategie des
Klein-Beigebens ist klar gescheitert. Durch kampflose Zugeständnisse erreicht
man eben doch nichts weiter als neue Einsparungen. Die jetzige Orientierung von
Betriebsrat, PROGE und GPA-djp auf einen Sozialplan bedeutet, den Kampf schon
aufzugeben, bevor er überhaupt begonnen hat. Um die Vorstöße der
Konzernführungen heute und morgen abzuwehren, muss man aber in die Offensive
gehen, statt Schritt für Schritt zurückzuweichen!

Wenn die ArbeiterInnen von Opel Wien-Aspern den Jobabbau nicht einfach hinnehmen wollen, dann müssen sie Druck auf ihre VertreterInnen in Betriebsrat und Gewerkschaft ausüben. Sie müssen neue Betriebsversammlungen fordern und über Kampfmaßnahmen diskutiert. Sollen die Arbeitsplätze und das Werk erhalten bleiben, dann muss gestreikt werden. Mit einem Streikkomitee, gewählt aus den eigenen Reihen, jederzeitig rechenschaftspflichtig und abwählbar, kann die Führung des Streiks durch die ArbeiterInnen selbst kontrolliert werden. In einem solchen Arbeitskampf dürfen die Streikenden auch nicht den Angaben der Geschäftsführung vertrauen, sondern müssen den Einblick in die Geschäftsbücher verlangen. Kann das Unternehmen das Werk und die Arbeitsplätze nicht erhalten, dann sollte es entschädigungslos und unter demokratischer Kontrolle der Beschäftigten von der Allgemeinheit übernommen werden!




Rechte in den Betriebsräten und die IG Metall

Frederik Haber, Infomail 996, 30. März 2018

Die Kandidaturen von rechten Listen insbesondere in der Auto- und Metallbranche haben schon früh für Wirbel gesorgt. Wird die (extreme) Rechte in den Betrieben Fuß fassen? Für GewerkschafterInnen, vor allem linke, ein Albtraum. Für die bürgerlichen Medien, die gerne die AfD als ein Problem mangelnder Bildung darstellen und insbesondere in der ArbeiterInnenklasse angesiedelt sehen, die Nagelprobe. Jetzt liegen Ergebnisse vor.

Daimler

Daimler war von den Rechten speziell ins Visier genommen worden, zumal sich in Untertürkheim schon lange ein profilierter Rechtsradikaler mit der CGM (Christliche Gewerkschaft Metall) und später als „Zentrum“ im Betriebsrat etabliert hat. Es wurde wirklich Wahlkampf gemacht: Plakate, Flyer, professionelle Verteiltrupps. Die linke Betriebszeitung „alternative“ dokumentierte das Ergebnis:

Sie kommentiert: „Mit dem (…) ‚Oppositionsverständnis‘ gegen die IG Metall (anstatt gegen die Unternehmer) war Zentrum nicht so erfolgreich, wie sie dachten. Ihre Enttäuschung über das Wahlergebnis war ihnen bei der öffentlichen Auszählung anzusehen. Sie hatten sich wohl wesentlich mehr erhofft. Auch was bis jetzt an bundesweiten Ergebnissen bekannt ist, sind sie in nur wenigen Betrieben vertreten. (…) Und trotzdem ist jedes Mandat für die Rechten eines zu viel. (…) Deshalb kann man sie auch nicht einfach ‚wegschweigen‘. (…) Und wir werden uns auch in der IG Metall für eine wirksame Kampagne gegen rechts stark machen. Dazu gehört auch eine selbstkritische Sicht auf unsere eigene Arbeitsweise in der IG Metall.“

In den anderen Daimler-Werken war die Rechte deutlich schwächer:

  • Zentrale Stuttgart: 108 von 6626 abgegebenen Stimmen, kein Mandat.
  • In Sindelfingen, dem größten Standort mit über 40.000 Wahlberechtigten, bekam die IG Metall knapp 75 % (16.992 Stimmen) und hat damit 46 der 59 Betriebsratssitze. Die rechte Liste „Zentrum“ bekam 764 Stimmen, dies entspricht 3,4 Prozent und 2 Mandaten.
  • Rastatt: Über verschiedene Listen sind 29 IG Metall-Mitglieder in den 35köpfigen Betriebsrat gewählt worden. Die CGM bekam keinen Sitz. Die rechtsextreme Liste „Zentrum“ bekam 447 Stimmen und 3 Mandate.

Auch in Leipzig war „Zentrum Automobil“ erfolgreich. Bei Porsche erzielte die damit verbundene „Interessengemeinschaft Beruf und Familie“ (IG BuF) 6 % der Stimmen und 2 von 31 Sitzen. Bei BMW waren es 12 % und 4 der 35 Sitze.

Die in den Medien verbreitete Behauptung, dass bei Siemens in Görlitz aus dem Stand heraus mit 16,4 % zwei rechte Betriebsräte gewählt worden seien, wird von der IG Metall dementiert. Die IG Metall zählt bundesweit 19 Mandate für rechte Listen. Insgesamt seien in ihrem Organisationsbereich über 78 000 Betriebsratssitze in über 11 000 Betrieben zu vergeben.

Zahlen reichen nicht

Um zu verstehen, was in den Betrieben los ist, reicht es weder, einzelne Ergebnisse hochzurechnen, noch so zu tun, als sei in 10990 Betrieben die Welt in Ordnung. Um was geht es normalerweise bei Betriebsratswahlen?

Die meisten Wahlen laufen auf unglaublich niedrigem inhaltlichem Niveau ab, der Begriff „politisch“ wäre schon übertrieben. Bei den Personenwahlen sind individuelle Stellungnahmen zu Themen verpönt, auch bei Listenwahlen bewegen sich die Aussagen auf ähnlich niedrigem Niveau wie die gewohnte IG Metall-Propaganda von „guter Arbeit“ oder „schönem Leben“. Warum aber, bitte schön, sollen Betriebsratswahlen inhaltlicher tiefer gehen als Bundestagswahlen? Bei Betriebsratswahlen sind zumindest die AkteurInnen und ihre Ansichten zu betrieblichen Themen bekannt, vielleicht ihre Fähigkeiten und, ob sie sich als GewerkschafterInnen hervortun.

Von Seiten der Beschäftigten werden die Wahlen allerdings auch genutzt, um die Unzufriedenheit mit der Arbeit des Betriebsrates auszudrücken – und in diesem Jahr mindestens so sehr wie vor 4 und 8 Jahren. Es gibt zunehmend unterschiedliche Listen gerade auch von Gewerkschaftsmitgliedern. Anders als früher sind es weniger gewerkschaftsferne Angestellte, die eigene Listen aufstellen, sondern gewerkschaftlich organisierte ArbeiterInnen. Dabei spielt auch die größere Chance, in den BR einzuziehen, eine Rolle. Die persönliche Karrierechance ist aber gerade in Großbetrieben, wo BR-Mandate mit Privilegien verbunden sind, auch bei den Mehrheitslisten ein entscheidender Antrieb, oftmals mehr als bei den Initiativen von unten.

Diese vielen Gegenlisten drücken eine Unzufriedenheit mit der Politik des Co-Managements, der Deals hinter dem Rücken und/oder auf Kosten der Belegschaft oder dem schlichten Desinteresse der Spitzenbetriebsratsmitglieder für die Belange der Belegschaft aus. Selten wird diese präzise formuliert, meist wird sie an der Person der/s jeweiligen BetriebsratsfürstIn festgemacht und umgekehrt an der Glaubwürdigkeit der Gegen-ListenführerInnen.

Dort, wo es linken Einfluss gab und gibt, können solche Listen dann eine gewisse Methodik, vielleicht sogar Programmatik entwickeln. Die große Zeit der linken Listen ist allerdings vorbei und die spontanen Gegenlisten entwickeln selten Konstanz über die Wahl hinaus. Die AkteurInnen werden in den Apparat integriert oder abgestoßen – ein Prozess also, wie er in der fast durchgängig vom bürokratischen Apparat beherrschten IG Metall ständig passiert. Die Zustände in den Betrieben und die Angriffe des Kapitals provozieren Widerstand. Diejenigen, die als AktivistInnen in und mit der IG Metall aktiv bleiben wollen, werden einem echten Härtetest unterworfen, der letztlich dazu dient festzustellen, ob sie bereit sind, die Disziplin der Apparate im Betriebsrat und der IG Metall zu akzeptieren.

In Kleinbetrieben kann die IG Metall manchmal noch das Instrument des kämpferischen Teils der Belegschaft sein, auch gegen eine unternehmerhörige Betriebsratsspitze. In den Großunternehmen der Autoindustrie, ja der ganzen Auto-Branche, sieht sich die IG Metall als Garant des Export-Modells Deutschland mit Klassenzusammenarbeit auf der Ebene der Betriebe, der Konzerne, der Aufsichtsräte und der Regierung – dort vermittelt auch durch die SPD. Diese Politik muss mit einer entsprechenden Machtpolitik abgestützt werden. So wie die IG Metall in der Tarifrunde bewiesen hat, dass sie eine halbe Million in Streiks und noch mehr in Warnstreiks führen kann, ohne dass auch nur eine Belegschaft in der Aktion weitergeht als vom Apparat erlaubt, muss sie auch in der Betriebspolitik dem Kapital beweisen, dass sie die Belegschaften unter Kontrolle hat.

Erfolgsgarant Klassenzusammenarbeit?

Ihre Fähigkeit, erfolgreich zwischen Kapital und Arbeit zu vermitteln und zum Wohl des Standorts beizutragen, hält die IG Metall nicht nur für erfolgreich, sondern auch für einen Schutzwall gegen rechts. Das bringt der Vorsitzende Hofmann folgendermaßen auf den Punkt: „Der beste Weg, damit das Zentrum eine Randerscheinung bleibt, ist, unsere erfolgreiche Politik fortzusetzen.“ Anders gesagt: Rassismus und Rechtsradikalismus sind kein Problem, solange die IG Metall die Kontrolle hat. Weiter so.

Es kann mit Gewissheit angenommen werden, dass auch über die Listen der IG Metall oder völlig unpolitisch auftretende Listen AfD-Mitglieder oder -AnhängerInnen in die Betriebsräte der Metallindustrie gewählt wurden, wahrscheinlich sogar im vierstelligen Bereich. Dass Höcke in Erfurt auf IG Metall-Demos in der zweiten Reihe mitlaufen durfte und auf der Protestversammlung gegen die Schließung von Siemens in Görlitz der dortige AfD-Abgeordnete begrüßt wird, zeigt die „Normalität“, mit der die IG Metall mit der AfD umgeht, sofern diese nicht wie bei Daimler gezielt gegen die Gewerkschaft agiert.

Politik der IG Metall

Das „Netzwerk-Info“ der Gewerkschaftslinken beschreibt: „Im Report Mainz am 27. Februar 2018 kam ein IG Metall-Vertrauensmann vom Werk Rastatt zu Wort, der sich seit Jahren gegen rechte Tendenzen im Betrieb engagiert – gegen Widerstände vor allem aus den eigenen Gewerkschaftsreihen. Er kritisierte die IG Metall und fühlt sich im Stich gelassen ‚von den Kollegen im Betriebsrat und auch von der Gewerkschaftsspitze. Die Linie von oben ist eben: Den Kampf nehmen wir gar nicht erst auf. Es ist besser so, wir ducken uns da weg und das Problem geht damit vorbei.’“

Das hat seinen Grund. Die „erfolgreiche Politik“, die IGM-Chef Hofmann fortsetzen will, ist keine Waffe gegen die Rechten, sondern fördert sie. Ihrem weitgehend undiskutierten Inhalt nach ist sie Klassenkollaboration – nicht nur mit dem jeweiligen Unternehmen, wie das Betriebsräte urwüchsig tun, sondern mit einem führenden Teil des deutschen Kapitals, dem Exportkapital. Der Export von Autos, Maschinen, Waffen und Großchemie ist zugleich die wichtigste Waffe des deutschen Imperialismus in der globalen Konkurrenz und zur Ausbeutung der Halbkolonien. Die IG Metall hat die Standort-Deutschland-Politik zur Perfektion entwickelt und alle dafür nötigen Maßnahmen, von Leiharbeit, Flexibilisierung, Ausgliederungen, Einschränkung des Streikrechts bis zu Industrie 4.0 und Abgaspolitik aktiv unterstützt. Das wurde mit den Extraprofiten aus dem Export geschmiert, wie sich in Korruption bei den BetriebsratsfürstInnen und den Privilegien für die Stammbelegschaften der Auto-Industrie zeigt.

Die innergewerkschaftliche Diskussion wurde dafür weitgehend entpolitisiert: keine Debatte zu Einschränkungen des Streikrechts. Die Gesetzesnovelle zur Leiharbeit war kein Thema, höchstens oberhalb der betrieblichen Funktionärskaste. Selbst die SPD, mit der doch auf höchster Ebene aufs Engste kooperiert wird, kommt nicht als solche vor, sondern immer nur „die Politik“, die gewissermaßen „natürlich“ eine sozialdemokratische und vor allem sozialpartnerschaftliche sein solle. Wahlaufrufe sind, wenn überhaupt, solche, nicht die AfD zu wählen. Sie sind völlig unvermittelt, da sie mit der Tagespolitik der Gewerkschaft nichts zu tun haben, und werden oftmals als Bevormundung aufgefasst, was sie – wie die ganze IGM-Propaganda – letztlich auch sind.

Wie sollen denn der Nationalismus und Rassismus der AfD und der rechten Listen bekämpft werden, wenn ein Hauptbestandteil der „erfolgreichen“ IGM-Politik die Standortvereinbarungen sind, die Arbeitsplätze in Deutschland gegen die Lohnabhängigen im Ausland sichern? Man braucht diese gar nicht rassistisch zu beschimpfen, ja man kann sie sogar bedauern. Wenn man eine Politik betreibt, die diese ganz praktisch als BedroherInnen des „eigenen“ Arbeitsplatzes darstellt, die einen zu Opfern und Verlusten zwingen, ist der Weg nicht weit, MigrantInnen und Geflüchtete als GegnerInnen und Bedrohung zu betrachten. Die Kampagne „kein Platz für Rassismus“ ist dann das Alibi für die Praxis der IGM, die dem Rassismus den Boden bereitet und nicht bekämpfen kann. Die Kampagne verkommt so notwendigerweise zu einer Spielwiese für BasisaktivistInnen und verbleibt weitgehend auf der Ebene humanistischen Gutmenschentums in Eintracht mit PastorInnen und Fussballstars.

Die Strategie des Zentrums Automobil

Während der Großteil der Rechten in der IG Metall also sauber im Gefolge des Apparates mitschwimmen kann (und auch brave Sozis rassistische Ansichten entfalten können), haben „Zentrum Automobil“ und sein Frontmann Oliver Hilburger einen anderen Ansatz gesucht. Sie greifen die IG Metall da an, wo der Verrat der Führung deutlich wird:

„Die Herausforderungen der Zukunft liegen in der immer weiter um sich greifenden Globalisierung und deren negativen Folgen. Diese Herausforderung bedarf eines völlig neuen gewerkschaftlichen Ansatzes. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, neue Strategien zu entwickeln. Auswege und Lösungen müssen, für die sich aus der Globalisierung ergebenden Veränderungen und Herausforderungen, aufgezeigt und angeboten werden. (…) – Kampf gegen Korruption und Co-Management. (…) Aufbau einer gewerkschaftlichen Opposition, da in vielen Fällen die Einheits- bzw. Monopolgewerkschaften nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems sind!

Wir sind gegen:

Arbeitsexport
Co-Management
Begünstigung und Korruption
Lohnverzicht als Erpressungsmittel
Intransparenz
Faule Kompromisse.“ (http://zentrum-auto.de/)

Das Zentrum kombiniert Nationalismus und Rassismus vergleichsweise geschickt mit einem Angriff auf Privilegien, Korruption, Kungelei der Gewerkschaftsbürokratie. Seine rechtsextreme, nationalistische Einstellung kommt in der Ablehnung jedes „Arbeitsexports“ zum Ausdruck. Die Forderung wäre also ein extremer Protektionismus, der weit über den eines Trump hinausginge. Da der „Export von Arbeit“(-splätzen) schwer zu verhindern und mit den Interessen eines auf den Weltmarkt orientierten Kapitals unvereinbar ist, bleibt als unmittelbares Ziel, den Zustrom von Arbeit(-skräften) aus anderen Ländern zu verhindern. Rassismus bildet den Kern der rechten Betriebspolitik, die in „oppositionell“ verpackt wird.

Bemerkenswert und bedrohlich zugleich ist, dass das Zentrum den Wahlkampf in Untertürkheim tatsächlich als Protestbewegung gestalten konnte. Über 170 Beschäftigte ließen sich auf ihrer Liste als KandidatInnen eintragen, die Hälfte davon mit Migrationshintergrund. Auch wenn darunter bekannte UnterstützerInnen der Grauen Wölfe, von Chrysi Avgi und andere faschistischer Gruppierungen waren, so liegt die eigentliche Bedeutung des Untertürkheimer Ergebnisses darin, dass es den FaschistInnen gelungen ist, eine Basis unter den ArbeiterInnen aufzubauen – anders als in den meisten anderen Betrieben, wo die Zustimmung von wenigen Prozenten eher noch eine „normale (Protest-)Wahlerscheinung“ bleibt. Doch das kann sich in den nächsten Jahren ändern, wenn die IG Metall ihre Politik weiter verfolgt, die AfD und andere Rechte wie Compact daran gehen, mit viel Geld und Apparat eine „nationale Opposition“ aufzubauen, und die IG Metall ihre Politik fortsetzt. Diese wird nämlich zunehmend in Widerspruch zu den Interessen ihrer Mitglieder geraten, insbesondere wenn sich die konjunkturelle Lage verschlechtert und damit der sozialpartnerschaftliche Spielraum verengt.

Linke Alternativen ?

Gegen diese Gefahr reicht bloße Empörung über das Phänomen rechter Gegenkandidaturen nicht. Erst recht hilft es nichts, daraus den Schluss zu ziehen, die Listen der IG Metall unkritisch zu unterstützen. Das ist kein Wunder bei der SPD, bei der Linkspartei und ihren AnhängerInnen, die immer und überall den Apparat unterstützen bzw. Teil desselben sind. Sie fordern gelegentlich, mehr gegen Rechte zu tun. Allein, in der Praxis tragen sie die Politik Jörg Hofmanns mit und damit auch sein oben zitiertes „weiter so“.

Ähnlich sieht es bei DKP und MLPD aus, die fast überall die Einheit beschwören und sich in deren Namen dem Apparat unterordnen. Bei Daimler in Untertürkheim betreibt die MLPD allerdings seit Jahren eine eigene Liste entgegen ihrem eigenen Dogma, keine gewerkschaftsoppositionellen Strukturen aufzubauen. Dieser Schwenk wurde jedoch vollzogen, nachdem ihr Protagonist Kraft aus der IG Metall ausgeschlossen worden war. Ausgerechnet diese Liste hat jetzt 2 von 3 Sitzen verloren, ihre WählerInnen dürften entweder angesichts der Polarisierung im Betrieb zurück zur IG Metall gegangen sein, die 2 Sitze gewonnen hat, manche gar zum Zentrum. Wäre schön, wenn das nicht die opportunistische Linie innerhalb der MLPD stärkt, sondern die Positionierung gegenüber der IG Metall-Spitze, die in den letzten Jahren etwas schärfer geworden ist, besser fundiert wird. Die Kritik ihrer Untertürkheimer Liste am Apparat und seiner Politik war leider stets auf erbärmlich populistischem Niveau und nicht unähnlich der des Zentrums: Es reicht nicht, „Co-Management“ zu denunzieren. Man muss sagen, worin es besteht und was die Alternativen sind.

Inhaltlich rechts von DKP und MLPD positionierte sich die Stuttgarter „Initiative Klassenkampf“. Sie ist eine lose Formation im Umfeld des Autonomen Zentrums „Lilo Hermann“, bei der auch einige Daimler Beschäftigte mitmachen. Diese Initiative war ungeheuer aktiv dabei, dem ZENTRUMs-Wahlkampf auch vor dem Betrieb etwas entgegenzusetzen. In dem Heft „Faktencheck Zentrum Automobil“ ruft sie auf, „sich klar gegen rechts auszusprechen und auch hier im Betrieb aktiv zu werden.“ Aber sie verbinden die Aufklärung und Agitation gegen den Rechten mit einer opportunistischen Haltung zur Gewerkschaftsbürokratie. Die Losung „In einem Betriebsrat braucht es eine Opposition!“, die das „Zentrum“ von Linken abgekupfert hat, wird mit der Begründung abgelehnt, dass der Betriebsrat ja die Opposition zur Geschäftsführung wäre. Schön wär’s.

Als nächstes greifen sie die Aussage an, dass die IG Metall Co-Management betreibe. Dagegen wird angeführt, dass die IG Metall seit 50 Jahren Tariferfolge erreicht habe. Anschließend wird noch der Autoexport völlig unkritisch verteidigt wird, lediglich ein „fairer“ Welthandel wird angemahnt. Diese Linie, die auch die von Jörg „Weiter So“ Hofmann ist.

Der Ansatz der „Alternative“ in Untertürkheim ist demgegenüber richtig: für eine wirksame Kampagne gegen rechts und dabei die (eigene) IG Metall-Politik kritisch betrachten. Alle, die gegen die Rechten in den Metallbetrieben kämpfen wollen, sollten zu einer Konferenz zusammenkommen, um dort folgende Themen zu diskutieren und dazu gemeinsame Aktionen zu vereinbaren:

  • Wie Rassismus bekämpfen?
  • Für eine kämpferische Antwort gegen Standortschließungen und Verzichtsvereinbarungen
  • Für eine internationalistische Antwort auf Standortsicherung und „Standort Deutschland“

Dazu ist eine Debatte über die Politik der Gewerkschaft bzw. ihrer Führung notwendig und die Kräfte aus der IG Metall, der LINKEN und der SPD können und müssen sich dieser stellen.

Eine anti-rassistische Bewegung in den Betrieben hätte auch die Chance, die gesamtgesellschaftliche Bewegung gegen Rassismus aus der Perspektivlosigkeit herauszuholen, in der sie derzeit steckt.

Strategisch muss die Linke ihre Ignoranz gegenüber den Gegenlisten von der Basis aufgeben. Die ProduktionsarbeiterInnen, teilweise auch die FacharbeiterInnen, haben mit ERA und den Standortvereinbarungen viel verloren. Ihre Arbeitsplätze sind es, die bedroht sind. Die IG Metall tritt im Betrieb selten als Gewerkschaft, als „Organisation der Lohnabhängigen“ auf, sondern in Person der FunktionärInnen, meistens der Betriebsratsmitglieder. Da zudem Vertrauenskörper nur in einer Minderheit der Betriebe existieren und dann oftmals dem Betriebsrat untergeordnet sind, findet der Kampf dafür, die Gewerkschaft wieder zu der eigenen zu machen, notwendig den Weg über Kandidaturen und eigene Listen.

Hier können Linke helfen, den Unmut zu formulieren, ihm Ausdruck geben und zugleich die Diskussion beginnen über die Ursachen des Verrats, der Korruption und des Gekungels mit dem Chef. Eine Diskussion, die auch aufzeigen muss, dass die Lösung nicht innerhalb eines Betriebes möglich ist, sondern eine Vernetzung erfordert, eine Bewegung über die Betriebe hinweg – für eine andere Politik der IG Metall, einen anderen, demokratischen Aufbau und ohne die Schicht der BürokratInnen, die sie voll im Griff haben. Der erste, aber keineswegs leichte Schritt dahin ist eine klassenkämpferische, oppositionelle Basisbewegung.




Gehaltskürzung für VW-Betriebsrat – Scheinheiligkeit und Selbstgerechtigkeit

Frederik Haber, Infomail 980, 1. Januar 2018

Vorsorglich hat VW die Gehälter der Betriebsratsmitglieder gekürzt, da den ManagerInnen, die diese Bezüge veranlassen, möglicherweise Strafen drohen und man sich unbedingt rechtskonform verhalten wolle. Betriebsratsboss Osterloh hat sein bisheriges Einkommen von rund 290.000 Euro (ohne Prämien) noch mal betriebsöffentlich verteidigt. Unter anderem hätte er Managerfähigkeiten und er arbeite auch regelmäßig 70 Stunden (Die Zeit online, 22. Dezember). Kurz vor Weihnachten triefte es vor Scheinheiligkeit und Selbstgerechtigkeit.

Bezahlte und Gekaufte

Betriebsratsmitglieder werden bezahlt. Nicht aus den Gewerkschaftsgeldern, wie manche meinen, sondern von den Unternehmen, in denen sie arbeiten. Das regelt das Betriebsverfassungsgesetz, das die Aufgaben und Rechte der Betriebsräte festlegt. Es sagt auch, dass Mitglieder von Betriebsräten weder bevorzugt noch benachteiligt werden dürfen.

Viele Betriebsratsmitglieder werden benachteiligt. Vor allem in Kleinbetrieben wird gemobbt. Besonders engagierte KollegInnen bekommen schlechtere Arbeitsaufgaben, unangenehmere Schichten, keine Beförderung oder Weiterbildung.

Betriebsratsmitglieder werden auch gekauft. Vor allem Vorsitzende, vor allem in großen Konzernen und dort dann richtig. Spektakuläre Spitze dürfte sein, dass Osterloh von VW – durch Boni – bis zu 750.000 Euro in einem Jahr erhalten hat (Die Zeit, Mai 2017). Er erweist sich als der würdige Nachfolger von Klaus Volkert, der nicht nur ähnlich viel Geld kassierte, sondern auch Urlaubsflüge und eine Edel-Prostituierte vom VW-Vorstand bezahlt bekam. Der damalige Personalvorstand war Herr Hartz – ein- und derselbe, nach welchem die Sozialabbaugesetze der Agenda 2010 benannt sind.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt (Spiegel online, 15.11.17). Sie ermittelt nicht gegen Osterloh, sondern gegen VW. Das ist richtig insofern, dass es die Managementspitze ist, die besticht. Es sind die Vorstände, die die Millionen locker machen – Millionen, die zuvor aus allen Ecken des Konzerns und aus den Zulieferbetrieben herausgepresst wurden.

Offensichtlich halten sie diese Summen für gut angelegt. Mit Osterloh stimmte der Betriebsrat jedem Sparprogramm der Konzernführung zu, allerdings darauf bedacht, dass die Milliarden vor allem von den LeiharbeiterInnen, Fremdfirmen und Zuliefern kommen und die eigene Stammbelegschaft soweit als möglich geschont wird. Zuletzt verweigerte er den seit einem Jahr unter schwierigsten Bedingungen kämpfenden LeiharbeiterInnen bei VW in Changchun (VR China) die Unterstützung (siehe http://www.clb.org.hk/content/one-year-struggle-continues-volkswagen-workers-changchun und zur Hinhaltetaktik des Betriebsrates http://www.labournet.de/wp-content/uploads/2017/10/vw_gbr_d.pdf)

Auch wenn die Korruption vom Kapital kommt, bezahlt haben diese Millionen also nicht wirklich die Vorstände, sondern die ArbeiterInnen bei VW, egal ob Stammbelegschaft oder LeiharbeiterInnen. Ein guter Grund, Osterloh davon zu jagen – aus dem Betriebsrat und aus der IG Metall. Der Mann ist gekauft und er hat die Belegschaften verkauft.

Das müssen übrigens GewerkschafterInnen bei VW und anderswo selbst tun. Denn was die Staatsanwaltschaft und die JournalistInnen, die sich über Osterlohs Gehalt empören, stört, ist weder die Zustimmung Osterlohs zu den Angriffen des Kapitals noch dessen Käuflichkeit. Sie stört, dass diese Gelder bei den Gewinnen fehlen. Wenn es also den VW-ManagerInnen gelingt zu belegen, dass sie Osterloh günstig im Sinne des Kapitals gekauft haben, dürften sie – wie seinerzeit Peter Hartz – mit Freispruch oder Bewährung davonkommen.

Wie sich Osterloh verteidigt

Aufschlussreich ist übrigens die Höhe der Gehälter derer, mit denen sich Osterloh in seiner Rechtfertigung vergleicht: „Ein Abteilungsleiter bei VW verdient zwischen 8.800 und 16.400 Euro im Monat, also zwischen gut 100.000 und mehr als 200.000 Euro im Jahr, der Jahresbonus kann dieses Gehalt verdoppeln. Ein Bereichsleiter kommt in guten Jahren inklusive Boni auf 750.000 Euro oder mehr und zählt intern zum Topmanagement“, berichtet Claas Tatje auf ZEIT online.

Das stört ihn ebenso wenig wie Kristina Gnirke von SPIEGEL online, die sich dafür über die 3,3 Mio Euro mokiert, die der derzeitige Personalvorstand (bei VW stets einE ehemaligeR GewerkschafterIn) im letzten Jahr erhielt. Tatje findet auch, dass die Aufsichtsratstantiemen im dreistelligen Bereich zu hoch sind – für die BetriebsratsvertreterInnen, nicht für die KapitalvertreterInnen. Die Empörung dieser bürgerlichen MoralistInnen ist durch und durch verlogen.

Genauso verlogen sind die Verteidigungsreden des VW-Vorstandes und von Osterloh. Wenn er mit seinen „Managerfähigkeiten“ angibt, zeigt das nur, dass er Betriebsratstätigkeit überhaupt nicht mehr als Interessenvertretung ansieht, sondern als eine Managementaufgabe wie jede andere. Wenn er mit einer 70-Stundenwoche prahlt, dann zeigt er, wie weit seine Lebensrealität von der einer/s Gewerkschafter/in/s entfernt ist, die/der in einem unorganisierten, bislang betriebsrats- und gewerkschaftsfreien Betrieb in ihrer/seiner „Freizeit“ eine Interessenvertretung aufzubauen versucht und dafür keinen Cent kriegt. Ostlohn hingegen ist im wahrsten Sinn des Wortes Co-Manager, der daraus auch sein Anrecht auf ein Managergehalt herleitet. Mit so jemand können keine Tarifverträge erkämpft und verteidigt werden. Er kann selbst die gesetzlich vorgeschriebene Aufgabe des Betriebsrats, „darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden“, schwerlich erfüllen. (BetrVG §80 Abs1)

GewerkschafterInnen und AntikapitalistInnen sollten den „Skandal“ und seine Aufdeckung zum Anlass nehmen, deutlich zu machen, wie viele Gelder sofort für die ArbeiterInnen und für die Forschung für ein effizientes und umweltfreundliches Verkehrssystem frei würden, wenn die ganzen ManagerInnen und MöchtegerngeschäftsführerInnen davongejagt oder in die Produktion eingegliedert werden, die sich jetzt parasitär an der Wertschöpfung durch die ArbeiterInnen mästen.

Verstaatlichung unter ArbeiterInnenkontrolle ist nicht nur der Weg aus Dieselkrise und globaler Erwärmung, sondern auch aus Korruption und Parasitismus. Führungsfunktionen werden gewählt, sind jederzeit abwählbar und erhalten das gleiche Gehalt wie alle anderen.

Und es ist ein Schritt auf dem Weg, das kapitalistische System zu überwinden mitsamt der Ausbeutung der Arbeitenden durch das Kapital und der Klassenkollaboration ihrer VertreterInnen. Dass der Neuanfang im VW-Betriebsrat, den Osterloh als Volkerts Nachfolger machen wollte, nachdem dieser in den Knast gewandert war, so kläglich gescheitert ist, ist nicht nur eine Charakterfrage. Es ist auch eine Systemfrage.