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Palästina/Israel: Widerstand gegen Israels Unterdrückung vereinen!

Alex Rutherford, Neue Internationale 272, April 2023

Der Besuch des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu in Großbritannien (und Deutschland) fand zu einer Zeit statt, in der die Brutalität des israelischen Apartheidstaates einen weiteren Höhepunkt erreicht. Im Jahr 2023 wurden bisher mindestens 83 Palästinenser:innen von den israelischen Verteidigungskräften (IDF) und verschiedenen bewaffneten Siedler:innengruppen getötet.

Die Gewalt geht einher mit Angriffen der israelischen Regierung auf die vermeintlich demokratische Verfassung des Landes, einschließlich der Unabhängigkeit der Justiz.

Diese miteinander verknüpften Faktoren haben zu einem Aufschwung des Widerstands gegen den israelischen Staat sowohl in der israelischen als auch in der palästinensischen Bevölkerung geführt. Sie haben auch zu einem ungewöhnlichen Anblick auf den Straßen Londons geführt – Menschenmassen von israelischen und palästinensischen Demonstrant:innen, die gegen einen gemeinsamen Feind demonstrieren – wenn auch mit deutlich unterschiedlichen Slogans.

Entwicklung seit Jahresbeginn

Nach dem Massaker vom 26. Januar in Dschenin führten israelische Streitkräfte am 6. Februar eine Razzia in Jericho durch, bei der fünf Palästinenser:innen getötet wurden und die zu Massenprotesten führte. Am nächsten Tag ermordeten IDF-Kräfte einen 17-jährigen Palästinenser. An Reaktion darauf rammte am 10. Februar ein palästinensischer Autofahrer sein Fahrzeug in eine Menschenmenge, die an einer Bushaltestelle in Jerusalem wartete; drei israelische Zivilist:innen starben dabei. Vier Tage später führten israelische Streitkräfte eine Razzia in einem Flüchtlingslager in der Nähe der palästinensischen Stadt Tubas durch, bei der ein palästinensisches Kind getötet wurde.

Am 22. Februar verübten die IDF ein weiteres Massaker, diesmal in der Stadt Nablus im Westjordanland, bei dem 11 Einwohner:innen getötet und mehr als 100 verwundet wurden. Am 26. Februar eröffnete ein Palästinenser an einer Verkehrskreuzung das Feuer und brachte zwei israelische Siedler:innen um.

Stunden später randalierten mehr als hundert israelische Siedler:innen in palästinensischen Dörfern in der Umgebung von Nablus, was die palästinensischen Behörden als „Pogrom“ bezeichneten. Bei dem Angriff wurden Häuser, Geschäfte und Autos in Brand gesetzt, 390 Zivilist:innen verletzt und Samih al-Aqtash, ein Vater von fünf Kindern, erschossen. Dorfbewohner:innen berichteten, dass IDF-Kräfte anwesend waren und nichts unternahmen, um sie zu stoppen. Am nächsten Tag wurden Hunderte weiterer israelischer Truppen in das Westjordanland entsandt.

Ein weiterer Angriff von israelischen Siedler:innen ereignete sich am 6. März in Huwara, als sie eine palästinensische Familie mit Steinen und einer Axt  attackierten. Am 7. März folgte ein weiterer israelischer Überfall in Dschenin.

Am 8. März zeigte ein Generalstreik in den palästinensischen Städten Nablus, Dschenin und Ramallah das Ausmaß der Empörung der Arbeiter:innenklasse über die Gewalt. In der darauf folgenden Woche, am 9. und 16. März, fanden jedoch zwei weitere israelische Razzien statt.

Die zunehmende Gewalt, die nicht nur von offiziellen staatlichen Kräften, sondern auch von bewaffneten Siedler:innenbanden ausgeht, weist alarmierende Ähnlichkeiten mit der Art von staatlich geförderter Gewalt auf, die die jüdische Bevölkerung in Europa im 20. Jahrhundert erleben musste und die im Holocaust gipfelte. Dies spiegelt sich auch in dem wütenden antipalästinensischen Rassismus wider, den die derzeitige israelische Regierung an den Tag legt.

Das Argument, dass das Pogrom und andere Gewalttaten von Siedler:innen gegen Palästinenser:innen in irgendeiner Weise durch die israelische Wut über palästinensische Terrorakte gerechtfertigt oder zumindest milder beurteilt werden müssen, kann leicht zurückgewiesen werden.

Die Gewalt der Unterdrückten gegen ihre Unterdrücker:innen kann in keiner Weise mit der Barbarei der militärischen und zivilen Besatzungstruppen gleichgesetzt werden. Revolutionäre Kommunist:innen müssen an der Seite der palästinensischen Widerstandsbewegung und der arbeitenden Massen in ihrem Kampf gegen den rassistischen israelischen Siedler:innenkolonialstaat stehen, während sie gleichzeitig die Ideologie, Strategie und Taktik der Führerung der Bewegung schonungslos kritisieren.

Verfassungskrise

Es ist klar, dass sich Israel unter der mit Rechtsextremen besetzten Regierung Netanjahu auf ein unverhohlen autoritäres Regime zubewegt, nicht nur für seine palästinensischen, sondern auch für seine jüdischen israelischen Bürger:innen. Auch wenn es sich nicht, wie manche behaupten, um einen faschistischen Staat handelt, sind die jüngsten Schritte zur Beschneidung der verfassungsmäßigen Befugnisse des Obersten Gerichtshofs bedrohlich.

Solche Schritte entlarven weiter die Falschheit der Behauptung, Israel sei seit seiner Gründung eine „liberale Demokratie“. Wie kann dies der Fall sein, wenn es Millionen von Palästinenser:innen, die in den besetzten Gebieten und Flüchtlingslagern an den Grenzen Israels leben, systematisch elementare demokratische Rechte verweigert? Deren Aushöhlung für jüdische Israelis ist letztlich eine unvermeidliche Folge eines solchen Regimes.

Der Aufstieg des extremistischen jüdisch-israelischen Nationalismus innerhalb des israelischen Staatsapparats und die derzeitige Vorherrschaft rechter Demagog:innen in der Exekutive spiegeln den Vormarsch einer virulenten Ideologie innerhalb der Siedler:innenbevölkerung selbst wider.

Die jüdische Vorherrschaftsideologie von Regierungsmitgliedern wie Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir und Finanzminister Bezalel Smotrich ist in hohem Maße repräsentativ für die Mehrheitsmeinung in den illegalen israelischen Siedlungen im besetzten Westjordanland.

Dies wiederum hat seine materielle Grundlage in der Segregation und Unterdrückung der Palästinenser:innen innerhalb des Apartheidstaates und dem zunehmenden palästinensischen Widerstand gegen diese Unterdrückung.

Die offensichtliche Brutalität und der Autoritarismus des neuen Regimes schaffen jedoch einen Widerspruch zwischen den wütenden zionistischen Kräften in Israel, deren Annäherung an eine pogromistische Politik gegenüber den Palästinenser:innen immer deutlicher wird, und den liberalen Zionist:innen sowohl in Israel als auch in Großbritannien, der EU und den USA, den wichtigsten imperialistischen Unterstützer:innen des Regimes.

Diese liberalen zionistischen Kräfte wollen ihre Verteidigung Israels als demokratischen Staat rechtfertigen – eine Propaganda, die mit jeder neuen Gräueltat des Regimes zunehmend diskreditiert wird.

Innerer Widerspruch des liberalen Zionismus

Darin spiegelt sich ein tieferer Widerspruch zwischen der angeblich befreienden Ideologie, dem jüdischen Volk eine sichere „Heimat“ zu bieten, und der brutalen Realität, ein ganzes Volk aus seinem eigenen Land zu vertreiben und es neu zu besiedeln. Dieser Zwiespalt verursacht enorme Probleme für die westlichen Unterstützer:innen des Zionismus, die versuchen, die Herzen und Köpfe der Arbeiter:innenklasse in den imperialistischen Ländern zu gewinnen.

Diesen gelingt es in der Regel, große Teile dieser Arbeiter:innenschaft in eine stillschweigende Unterstützung der liberal-zionistischen Ideologie einzulullen, solange die Brutalität des israelischen Staates von den Medien und Politiker:innen verdeckt wird. In Großbritannien ist der liberale Zionismus in den letzten Jahren in die politische Offensive gegangen, nachdem seine Behauptungen über weit verbreiteten Antisemitismus eine wichtige Rolle bei der erfolgreichen Zerstörung der Corbyn- und der wirksamen Unterdrückung der BDS-Bewegung gespielt haben. In Deutschland wurde die „bedingungslose Solidarität“ mit Israel zu einem Bestandteil der Staatsräson, der sich letztlich auch die Linkspartei unterordnet.

Die offenen Angriffe des israelischen Staates auf die rechtsstaatliche Demokratie und eine sich dagegen entwickelnde Protestbewegung eines großen Teils der jüdischen israelischen Bevölkerung, einschließlich der Weigerung von IDF-Reservesoldat:innen, ihren Dienst zu verrichten, wurden bisher strikt im Rahmen einer liberalen, rechtsstaatlich-demokratischen Bewegung durchgeführt, die Palästinenser:innen von einer wirksamen Beteiligung ausschließt und auch palästinensische Flaggen bei Demonstrationen in Israel verbietet.

Die linkszionistische Ideologie der Protestbewegung verengt ihren politischen Horizont und schließt die Perspektive der Einheit mit den Millionen von unterdrückten und enteigneten Palästinenser:innen aus. Obwohl 200.000 linkszionistische Demonstrant:innen gegen die Verfassungsreform auf die Straße gingen, kamen nur 1.000 jüdische Israelis, um gegen das Pogrom vom 22. Februar zu protestieren.

Während Sozialist:innen diesen mutigen Demonstrant:innen ihre Solidarität bekunden sollten, ist dies nur ein Anfang. Israelische und palästinensische Sozialist:innen müssen dringend Solidarität mit den Arbeiter:innen und Jugendlichen ausüben, die in der Netanjahu-Regierung und den Siedler:innenpogromen einen gemeinsamen Feind erkennen. Wenn eine neue Intifada wächst, braucht sie internationalistische israelische Unterstützung und breite internationale Rückendeckung, insbesondere im imperialistischen Europa und den USA. Nur so können die Fundamente des Apartheidstaates untergraben und das Ziel eines binationalen, demokratischen, sozialistischen Palästinas realisierbar werden.

Der palästinensische Widerstand

Die zunehmende Repression durch die israelischen Streitkräfte ist Teil einer Kampagne mit der offiziellen Bezeichnung „Break the Wave (Wellenbrecher)“, die Massenverhaftungen und Tötungen in Städten des Westjordanlands vorsieht, die als Zentren des palästinensischen Widerstands bekannt sind und sich insbesondere gegen bewaffnete Gruppen wie die al-Quds-Brigaden des Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ) und die al-Aqsa-Märtyrer:innenbrigaden der Fatah richten.

Obwohl die Kampagne darauf abzielt, den Widerstand zu brechen, hat sie in Wirklichkeit den gegenteiligen Effekt, indem sie den Widerstand gegen die Besatzung innerhalb Palästinas verstärkt. Bei der Beerdigung von palästinensischen Kämpfer:innen, die bei der israelischen Razzia in Dschenin am 7. März getötet wurden, war die Zahl der bewaffneten Menschen auffallend hoch, und die Fahnen der verschiedenen Fraktionen der Widerstandsbewegung waren miteinander vermischt.

Diese Gruppierungen organisieren den bewaffneten Widerstand gegen den israelischen Staat, aber auch gegen ihre Kollaborateur:innen, die Palästinensische Autonomiebehörde (PNA), die es seit fünfzehn Jahren nicht gewagt hat, Wahlen auszurufen. Die Anwesenheit von Kämpfer:innen, die nominell mit der Fatah, der dominierenden Gruppierung in der PNA, verbunden sind, zeigt, dass sich die Spaltung in ihren Reihen vertieft.

Während die Zahl der Todesopfer durch die Gräueltaten der israelischen Streitkräfte und der zivilen Siedler:innen steigt, sind die Mitschuld der Palästinensischen Autonomiebehörde an der Unterdrückung des palästinensischen Volkes und ihre Unterwürfigkeit gegenüber dem israelischen Staat für viele in der Widerstandsbewegung deutlich geworden.

Obwohl die Palästinensische Autonomiebehörde ursprünglich nur als Übergangsregierung für einen Zeitraum von fünf Jahren vor der Gründung eines unabhängigen palästinensischen Staates gedacht war, hat sie fast drei Jahrzehnte nach der Unterzeichnung der Osloer Abkommen nichts getan, um die politischen und gesetzlichen Rechte der palästinensischen Bürger:innen zu fördern – im Gegenteil, der Lebensstandard der Palästinenser:innen ist weiter gesunken.

Israel hat seine Apartheidpolitik weiter vertieft, und der israelische Staat, der schon immer auf den Grundsätzen des Kolonialismus beruhte, hat sich selten so offen entschlossen gezeigt, die Zerstörung der Palästinenser:innen als souveräne nationale Gemeinschaft, die in ihrem eigenen Land lebt, zu vollenden. Da es der PNA nicht gelungen ist, nennenswerte Verbesserungen für die eigene Bevölkerung zu erreichen, ganz zu schweigen von der utopischen Zwei-Staaten-Lösung, hat sie ihre politische Autorität innerhalb der Widerstandsbewegung verloren, während die Aktivist:innen nach wirksamen Antworten auf ihre brennenden Probleme suchen.

Damit die PNA ihre relativ privilegierte Stellung durch die Zusammenarbeit mit der israelischen Regierung aufrechterhalten kann, muss sie sich als legitimer politischer Ausdruck des palästinensischen Volkes darstellen. Ihre Fähigkeit, dies zu tun, wird durch die Entwicklung einer unabhängigen Widerstandsbewegung bedroht, die sie nicht kontrollieren kann. Sie muss daher mit allen Mitteln gegen die unabhängige Organisation des palästinensischen Bevölkerung vorgehen.

Die israelische Militärkampagne hat keineswegs „die Welle gebrochen“, sondern im Gegenteil die Woge des Widerstands noch verstärkt, da überall in den besetzten Gebieten neue „Brigaden“ von palästinensischen Widerstandskämpfer:innen entstanden sind. Diese unterscheiden sich jedoch deutlich von den Gruppierungen, aus denen sich die bewaffnete Widerstandsbewegung in jüngster Vergangenheit zusammensetzte. Die Brigaden stützen sich nicht auf eine bestimmte religiöse Ideologie, sondern sind in lokalen Gemeinschaften wie Dschenin, Nablus und Tubas verwurzelt.

Veränderung der Kräfte

In Nablus war eines der populären Gesichter der bewaffneten palästinensischen Widerstandsbewegung der 19-jährige Ibrahim al-Nabulsi, ein Kämpfer der al-Aqsa-MärtyrerInnenbrigaden, der als „Löwe von Nablus“ bekannt war. Er wurde am 9. August getötet und wurde zum Symbol für eine neue bewaffnete Widerstandsgruppe, die als „Höhle des Löwen“ bekannt ist und durch die die wachsende Wut ihren politischen Ausdruck findet.

Diese Bewegung, die ausdrücklich dazu aufruft, dem Fraktionsdenken innerhalb der Widerstandsbewegung ein Ende zu setzen, steht offenbar nicht unter der Kontrolle der traditionellen Fraktionen des palästinensischen Widerstands, was für Israel sehr gefährlich ist, da es selbst die Fähigkeit der Palästinensischen Autonomiebehörde, als Gendarm im Westjordanland zu agieren, unerbittlich untergräbt.

In allen palästinensischen Vierteln in den besetzten Gebieten finden sich jetzt die Insignien der Löwenhöhle. Eine kürzlich vom Palästinensischen Zentrum für Politik- und Umfrageforschung durchgeführte Meinungserhebung ergab, dass 72 % aller Palästinenser:innen die Gründung weiterer bewaffneter Widerstandsgruppen im Westjordanland unterstützen, 79 % die Auslieferung von Militanten an die PA-Kräfte ablehnen und 87 % die Vorstellung zurückweisen, dass die PA das Recht hat, Verhaftungen vorzunehmen.

Die Parole der Einheit, die von der Höhle des Löwen ausgegeben wurde, ist richtig. Die Koordination zwischen den verschiedenen Fraktionen des Widerstands wird entscheidend sein, um einen wirksamen Kampf gegen die israelische Offensive zu führen. Die derzeitigen Anzeichen deuten darauf hin, dass es im Westjordanland zu einem bewaffneten Massenaufstand kommt, wie er seit der Zweiten Intifada von 2000 – 2005 nicht mehr stattgefunden hat.

Was jedoch die gegenwärtige Situation von diesem früheren Kampf unterscheidet (abgesehen von der enormen Verschärfung der Unterdrückung und des Landraubs in den dazwischen liegenden Jahren), ist die politische Position der PNA. Während der Zweiten Intifada unterstützten ihre Sicherheitskräfte den Aufstand, und die PNA genoss in der gesamten palästinensischen Gesellschaft noch breite Unterstützung. Da die PNA nun rundum diskreditiert ist, da sie nicht mehr in der Lage ist, auch nur symbolischen Widerstand gegen die Besatzung zu leisten, wird sich die Dritte Intifada stattdessen auf die Basisorganisation der palästinensischen Bevölkerung selbst stützen müssen.

Welche Führung, welche Strategie?

Leider sind sowohl die palästinensischen als auch die israelischen Arbeiter:innenmassen von schädlichen Ideologien beeinflusst, die die Entwicklung ihrer Bewegung zu einer wirklich selbstbewussten sozialistischen behindern, die in der Lage ist, den zionistischen Apartheidstaat zu stürzen und eine säkulare, sozialistische demokratische Republik in Palästina zu errichten.

Auf der jüdischen Seite hindert die reaktionäre Ideologie des Zionismus selbst jene jüdischen Arbeiter:innen, die die Brutalität ihrer eigenen Regierung erkennen, daran, eine konsequente befreiende Politik zu vertreten.

Auf palästinenischer Seite führt die schein-radikale, aber reaktionäre Ideologie des Islamismus dazu, dass die Widerstandsbewegung unter den Einfluss religiöser Fanatiker:innen gerät und in dschihadistische und individualterroristische Taktiken abgleitet, die eine Entfremdung breiter Bevölkerungsschichten zur Folge haben und auch zum „Märtyrer:innentod“ der entschlossensten Kämpfer:innen führen.

Während wir unsere volle Unterstützung und Solidarität mit dem berechtigten Widerstandskampf der Palästinenser:innen zeigen müssen, muss die Arbeiter:innenklasse ihre politische Unabhängigkeit von diesen Führungen erringen und die Fehler ihrer Strategie aufzeigen, um die Massen von ihren Ideologien zu lösen und den Weg für die Entwicklung einer wirklich sozialistischen Massenbewegung der palästinensischen und israelischen Arbeiter:innenklassen zu öffnen.

Wir müssen die Perspektive einer gemeinsamen revolutionären Partei für ganz Palästina aufzeigen, die die palästinensischen Arbeiter:innen mit dem fortschrittlichsten Teil der israelischen Arbeiter:innen hinter einem gemeinsamen Programm für den Sturz des israelischen kapitalistischen Staates und seine Ersetzung durch eine gemeinsame säkulare, demokratische, sozialistische Republik Palästina, in der alle Bürger:innen gleiche Rechte haben, vereint – als Teil der Vereinigten Sozialistischen Staaten des Nahen Ostens.




Pakistan: Im Würgegriff von Wirtschaftskrise und IWF

Shahzad Arshad, Infomail 1217, 21. März 2023

Pakistan befindet sich in der schwersten Wirtschaftskrise seiner Geschichte. Trotz der Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Umsetzung vieler seiner Bedingungen droht dem Land die reale Gefahr eines Staatsbankrotts. Die Inflation ist in die Höhe geschnellt und macht den ohnehin schon armen Menschen das Leben noch schwerer als je zuvor. Der pakistanische Verbraucher:innenpreisindex ist auf 31,5 % gestiegen, die höchste Jahresrate seit 50 Jahren – und selbst das spiegelt bei weitem nicht den tatsächlichen Preisanstieg  für die breite Masse der Bevölkerung wider.

In dieser Situation bildet den einzigen Ausweg, den die herrschende Klasse und alle ihre sich bekriegenden Fraktionen sehen, ein weiteres Abkommen mit dem IWF. Aber selbst die erste Vereinbarung auf „Stabsebene“ ist noch nicht abgeschlossen, obwohl dies seit der ersten Februarwoche, als ein IWF-Team Pakistan besuchte, wiederholt angekündigt wurde.

In der Tat hat die Regierung bereits eine Reihe von IWF-Bedingungen akzeptiert. So hat sie beispielsweise der Forderung zugestimmt, dauerhaft einen Schuldzuschlag von 3,82 Rupien pro Einheit zu erheben, um 284 Milliarden Rupien mehr von den Stromverbraucher:innen einzutreiben. Ganz allgemein berichtet die Presse, dass die Regierung bei Steuererhöhungen, höheren Energiepreisen und der Anhebung der Zinssätze auf den höchsten Stand seit 25 Jahren eingewilligt hat.

Die Vereinbarung ist noch immer nicht unterzeichnet, nicht zuletzt, weil nicht nur der IWF, sondern auch andere Staaten die benötigten Kredite bereitstellen müssen. Während der IWF die Finanzlücke des Landes auf insgesamt 7 Mrd. US-Dollar beziffert, behauptet das Finanzministerium, dass diese weniger als 5 Mrd. US-Dollar betragen wird und durch die Aufnahme neuer kommerzieller Kredite aus China und den Golfstaaten gedeckt werden soll. Der IWF steht bereits mit diesen Ländern in Verbindung, um neue Kredite und Pläne für die Verlängerung der Kredite für Pakistan zu erörtern, und verlangt nun schriftliche Zusicherungen.

Er verlangt nicht nur, dass die Regierung die zu erfüllenden Bedingungen unterschreibt, sondern auch den „Nachweis“, dass sie bereit ist, diese zu erfüllen. Ein Test dafür ist, die IWF-Einschätzung der Finanzlücke selbst zu akzeptieren. Da der IWF die interne Spaltung der herrschenden Klasse und den Machtkampf zwischen der Regierungskoalition und der oppositionellen PTI-Partei von Imran Khan kennt, verlangt er nicht nur von der Regierung, sondern auch von der wichtigsten Oppositionspartei Zusicherungen für die Umsetzung. Die Regierung befürchtet, dass eine öffentliche Vereinbarung zwischen dem PTI-Führer und dem IWF das politische Ansehen der Oppositionspartei weiter stärken könnte.

Die Wirtschaftspolitik von Finanzminister Ishaq Dar und der Dollar

Dies zeigt, dass der wahre Grund für die anhaltenden Verzögerungen nichts mit den Bedingungen zu tun hat, die den Arbeiter:innen, Bauern, Bäuerinnen und Armen in Pakistan auferlegt werden sollen, sondern mit dem Machtkampf innerhalb der herrschenden Klasse und zwischen dem IWF und der Regierung.

In dieser Situation wird sich die Finanz- und Wirtschaftskrise weiter hinziehen, ja sie wird sich sogar noch verschärfen. Die pakistanischen Devisenreserven sind dank eines weiteren Kredits aus China um 487 Mio. US-Dollar gestiegen und beliefen sich am 3. März auf 4,3 Mrd. US-Dollar. Dies ist der vierte wöchentliche Anstieg der von der Zentralbank gehaltenen Reserven in Folge, liegt aber immer noch unter dem kritischen Wert, der die Importe eines Monats decken könnte. Die Regierung hat sich zwar bereit erklärt, mehr lebenswichtige Güter zu kaufen, um Engpässe zu überbrücken, doch wird dieses „Versprechen“ nicht eingelöst werden, solange diese Bedingungen vorherrschen.

Seit Monaten sind wir mit dem Gegenteil konfrontiert, nämlich mit einem massiven Rückgang oder sogar der völligen Einstellung der Einfuhren wichtiger Güter. Derzeit stehen Tausende von Containern im Hafen von Karatschi, die nicht abgefertigt werden. Infolgedessen mangelt es an Medikamenten, chirurgischen Geräten und Krankenhausnahrung. Die verbleibenden medizinischen Leistungen werden immer teurer und sind für die einfache Arbeiter:innenklasse unerschwinglich.

Als Ishaq Dar das Finanzministerium übernahm, behauptete er, er werde den Wechselkurs der Rupie stabilisieren und ihn auf 200 Rupien pro Dollar oder noch weniger senken. Er erklärte, er werde keine Kompromisse bei der „nationalen Souveränität“ eingehen oder sich den Forderungen des IWF beugen. Bis Ende 2022 hielt er den Wechselkurs durch staatliche Interventionen unter Kontrolle, aber das änderte sich, als die Forderungen des IWF bekannt wurden. Die Rupie fiel rasch auf 275 zum Dollar und erreichte am 2. März 290. Jetzt zahlt die Bevölkerung den Preis, und es ist klar, dass sich eine Halbkolonie den Herr:innen des Kapitals beugen muss. Die offiziellen Dollarreserven wurden auch dadurch in Mitleidenschaft gezogen, dass pakistanische Arbeiter:innen im Ausland über „inoffizielle“ Kanäle Überweisungen nach Hause schicken, um einen etwas besseren Wechselkurs zu erhalten.

Rezession

Pakistan befindet sich nicht nur in einer Haushaltskrise. Das Land steckt auch in einer tiefen Rezession. Die Produktion des verarbeitenden Gewerbes in großem Maßstab ist drastisch zurückgegangen. Die letzten veröffentlichten nationalen Daten des Quantum-Index des verarbeitenden Gewerbes für November 2022 zeigen ein deutliches Bild. In den fünf Monaten von Juli bis November 2022 gab es im verarbeitenden Gewerbe einen Rückgang um 3,5 % und im November um 5,5 %. Die Erträge der wichtigsten Industriezweige Textilien, Erdölprodukte, Chemikalien, Düngemittel, Pharmazeutika, Zement, Eisen- und Stahlerzeugnisse fielen,  in einigen Fällen bis zu 25 %.

Ein wichtiger Grund für den Niedergang vieler dieser Industrien ist der Mangel an importierten Rohstoffen. Für die Einfuhren ist ein Akkreditiv erforderlich, aber die Kreditwürdigkeit der Importeur:innen oder die Zahlungsgarantien der Banken wurden in großem Umfang in Frage gestellt. Dies hat zu einer Blockade der Importe und in der Folge zu einem Rückgang des Verbrauchs um 20 % und der Stromerzeugung um 5 % geführt. Die Einlagen im Bankensektor sind um mehr als 8 % gesunken. Die rückläufige Produktion der Zement-, Eisen- und Stahlindustrie verdeutlicht die Stagnation der Bautätigkeit. Insgesamt wird das Bruttoinlandsprodukt in den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 wahrscheinlich um 4 bis 5 Prozent schrumpfen. Dieser Rückgang stellt eine große Katastrophe dar.

Der Zinssatz sprang von 11 % zu Beginn des IWF-Programms im Jahr 2019 auf 17 % im November 2022 hoch, was zu einem weiteren wirtschaftlichen Niedergang führte. Am 2. März wurde er unter dem Druck des IWF erneut erhöht und liegt nun bei 20 %. Diese weitere Erhöhung um 3 % bedeutete für den Staat einen Verlust von etwa 600 Milliarden, der durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ausgeglichen werden muss. Dies hat wiederum direkte Auswirkungen auf die arbeitende und arme Bevölkerung.

Die Kreditvergabe der Banken an den privaten Sektor ist mit 4 % nur geringfügig gestiegen. Die Maschineneinfuhren gingen um 45 % zurück, 44 % bei Textilmaschinen. Dies wird voraussichtlich zu einem weiteren Rückgang der Textilexporte führen, die sich bereits auf einem niedrigeren Niveau als in den Vorjahren befinden. Die Höhe der gesamtstaatlichen Entwicklungsausgaben im ersten Quartal 2022 – 2023 wurde entsprechend den Forderungen des IWF um etwa 48 Prozent gesenkt. Weitere Kürzungen sind jedoch geplant.

Die höchste Inflation der Geschichte

Die Folgen der Überschwemmungen von 2022, der anhaltende Anstieg der Rohstoffpreise seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine, die Abwertung der Rupie und die negativen Auswirkungen der Einfuhrbeschränkungen haben zusammen zu einer Stagflation geführt. Die Inflationsraten, insbesondere die Lebensmittelpreise, haben Rekordhöhen erreicht, und das Bruttoinlandsprodukt war in den ersten sechs Monaten des laufenden Haushaltsjahres negativ. Die Überschwemmungen haben sich am stärksten auf die Produktion des Agrarsektors ausgewirkt. Der größte Rückgang ist bei der Baumwollernte zu verzeichnen, die um 40 Prozent gesunken ist, und bei der Reisproduktion um mehr als 15 Prozent. Auch bei anderen Feldfrüchten, vor allem bei Gemüse, ist das Angebot knapp. Der vierfache Preisanstieg bei Zwiebeln ist ein Beweis dafür. Insgesamt dürfte der Ertragsverlust in der Kharif-Saison, d. h. in der Monsunzeit, etwa 10 % betragen.

Die Verbraucher:innenpreise für Zwiebeln, Hühnerfleisch, Eier, Reis, Zigaretten und Treibstoff stiegen in letzter Zeit stark an, wobei die Inflation in diesem Sektor offiziellen Angaben zufolge zum ersten Mal seit fünf Monaten über 40 Prozent lag. Die kurzfristige Inflation, gemessen am wöchentlichen Inflationsfeingradmesser SPI, stieg in der Woche zum 23. Februar im Jahresvergleich auf 41,54 Prozent, gegenüber 38,42 Prozent in der Vorwoche.

Eine defizitäre Wirtschaft

Die gesamte Zahlungsbilanz weist für den Zeitraum Juli bis Dezember 2022 ein Defizit von 4,3 Mrd. US-Dollar auf. Dies ist trotz eines starken Rückgangs des Handelsbilanzdefizits auf 3,7 Mrd. US-Dollar gegenüber 9,1 Mrd. US-Dollar im gleichen Zeitraum 2021 – 2022 der Fall. Diese Verbesserung wurde durch eine starke Verschlechterung der Kapitalbilanz ausgeglichen. Hier ist ein Defizit von 1,2 Mrd. US-Dollar entstanden, gegenüber einem hohen Überschuss von 10,1 Mrd. US-Dollar im Zeitraum Juli-Dezember 2021. Die Haushaltsbilanz ist zum ersten Mal seit vielen Jahren negativ ausgefallen. Dies ist vor allem auf stark gesunkene  Einnahmen aus Einfuhrsteuern zurückzuführen. Die Schrumpfung betrug im ersten Quartal 6 % und im zweiten Quartal etwa 30 %. Letzteres ist eindeutig auf die von der Staatsbank ausgeübte Verwaltungskontrolle über Importkreditgarantien (Letters of Credit; LCs) zurückzuführen.

Ein stabiler Wechselkurs wurde nach Oktober durch die Intervention der Regierung aufrechterhalten, was die Nachfrage nach Importen steigerte, während die Staatsbank diese durch die Kontrolle der LCs drückte. Ziel war es, die Inflation einzudämmen, aber die Angebotskürzungen heizten die Inflation an, indem sie Importe im Wert von 4,5 Milliarden einschränkten. Die Staatsbank schränkte auch die Zahlungen für importierte Dienstleistungen wie Informationstechnologie, Fluggesellschaften und Banken ein. Die Gewinnausschüttungen der in Pakistan tätigen multinationalen Unternehmen sind ebenfalls zurückgegangen.

Das ehrgeizige Ziel besteht darin, das Haushaltsdefizit von 7,9 Prozent des BIP im Jahr 2021 – 2022 auf nur 4,9 Prozent des BIP im laufenden Haushaltsjahr zu senken. Doch das Gesamtdefizit ist in den ersten sechs Monaten des Rechnungsjahres 2022 – 2023 auf 2,4 % des BIP angestiegen. Da die Zahlungen in der zweiten Jahreshälfte viel höher ausfallen werden als in der ersten, ist das Ziel von 4,9 % nicht zu erreichen.0

Für die Verschlechterung der öffentlichen Finanzen gibt es viele Gründe. Erstens werden zusätzliche Ausgaben in Höhe von über 500 Mrd. Rupien für die Fluthilfe und den Wiederaufbau nach der Flut aufgewendet. Zweitens liegt die Wachstumsrate der FBR (Bundesfinanzamtseinnahmen) bei 13 Prozent und damit unter der angestrebten Rate von 22 Prozent, was vor allem auf den Rückgang der Importsteuerbasis und das negative Wachstum im verarbeitenden Großgewerbe zurückzuführen ist.

Drittens hat die Staatsbank den Leitzins erhöht, wodurch die inländischen Kreditkosten der Bundesregierung angehoben werden. Es besteht die Möglichkeit, dass die Zinszahlungen für das Darlehen bis zu 1 Billion Rupien betragen könnten. Auf Anweisung des IWF wurde der Leitzins auf 20 Prozent erhöht, was bedeutet, dass die Zahlungen an die Banken weiter steigen werden. Um diese Kosten zu decken, müsste der Umfang des föderalen öffentlichen Entwicklungsprogramms erheblich gekürzt werden. Ein letzter Risikofaktor ist, dass die Provinzregierungen den angestrebten Kassenüberschuss von 750 Mrd. Rupien weit verfehlen könnten. Insgesamt dürfte das Haushaltsdefizit bei den derzeitigen Trends im Haushaltsjahr 2022 – 2023 nahe bei 6,5 % des Bruttoinlandsprodukts liegen.

Zunahme von Arbeitslosigkeit und Armut

Aufgrund der Rezession in der Wirtschaft nimmt die Arbeitslosigkeit ständig zu. Schon jetzt sind Millionen von Arbeiter:innen arbeitslos. In den verbleibenden Monaten dieses Haushaltsjahres werden mindestens 2 Millionen weitere hinzukommen. Aufgrund von Inflation und Arbeitslosigkeit werden in diesem Haushaltsjahr weitere 20 Millionen Menschen unter die Armutsgrenze fallen, so dass sich die Gesamtzahl auf mehr als 80 Millionen erhöht. Außerdem wird es für die Hälfte der Bevölkerung schwierig werden, den Grundnahrungsmittelbedarf zu decken. Diese Situation kann zur Grundlage einer großen sozialen Umwälzung werden, und die Angst davor ist in der herrschenden Klasse offensichtlich.

Schuldenfalle

Die herrschende Klasse und ihre Intellektuellen räumen ein, dass die Wirtschaftskrise trotz aller Maßnahmen nicht enden wird und sie ein weiteres Programm des IWF annehmen müssen.

Das Land benötigt eine beträchtliche Summe von 75 Mrd. US-Dollar, um die Auslandsschulden und Zinszahlungen in den nächsten drei Haushaltsjahren zu bedienen. Der Umfang der internen Verschuldung nimmt ebenfalls zu. Ein Beispiel dafür sind die zirkulären Schulden des Elektrizitätssektors, die sich auf 2,3 Billionen Rupien belaufen, obwohl der Preis pro Stromeinheit stark gestiegen ist. Die Situation ist nun so, dass die Regierung die Kreditraten und Zinsen nicht jedes Jahr selbst zahlen kann und dafür neue Kredite aufgenommen werden müssen. Das heißt, man muss einen neuen Kredit aufnehmen, um die alten Kredite zurückzuzahlen.

Vergleicht man die Darlehen und Zuschüsse, die in den letzten zwei Jahrzehnten eingegangen sind, mit den Geldern, die abgeflossen sind, so wird deutlich, dass die Zahlungen die Einnahmen überstiegen haben. Das bedeutet, dass Pakistan in einer Schuldenfalle steckt. Internationale Geldverleiher:innen verdienen an Pakistan durch die Vergabe von Krediten. Das heißt: Die Verschuldung ist zu einem Mechanismus für die Ausplünderung der Ressourcen geworden. Aufgrund der Position Pakistans im globalen Kapitalismus ist eine Rückzahlung nicht möglich. Diese Situation hat das Risiko eines Zahlungsausfalls erhöht, worauf die Regierung mit einem Programm brutaler Kürzungen reagiert.

Die IWF-Lösung

Alle bisherigen IWF-Rettungspakete und ihre neoliberalen Lösungen haben keine langfristige oder dauerhafte Verbesserung der Wirtschaft gebracht. Das aktuelle Rettungspaket wird sich nicht von den anderen unterscheiden und zu weiteren Massenprivatisierungen, steigender Arbeitslosigkeit, wachsender Armut und Inflation führen. Der IWF besteht darauf, dass seine Maßnahmen zwar unmittelbare Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum haben, aber zu Verbesserungen führen werden, wenn die Kapitalist:innen wieder Vertrauen in die Wirtschaft gewinnen.

Was ist zu tun?

Die wirtschaftlichen Bedingungen haben sich verschlechtert und die Spannungen innerhalb der herrschenden Klasse nehmen zu. Dies kommt in den Spaltungen zwischen den und innerhalb der staatlichen Institutionen deutlich zum Ausdruck. Jede Schicht der herrschenden Klasse strebt nach ihren eigenen Interessen. Die Inflation hat enorm zugenommen, und die Gesellschaft leidet unter Desintegration. Die Durchsetzung der Interessen der herrschenden Klasse bedeutet zunehmend mehr Brutalität, um die Stimme des Protests auf jede Weise zu unterdrücken.

Unter diesen Umständen müssen sich die Arbeiter:innen, die Armen auf dem Land und in der Stadt, die Bauern, Bäuerinnen und die unterdrückten Teile der Gesellschaft im Kampf gegen den tyrannischen Staat und seine Wirtschaft zusammenschließen. Es besteht die reale Gefahr, dass die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf verschiedene Sektoren und Regionen genutzt werden, um Spaltungen zu verstärken, Proteste abzulenken und einen einheitlichen Kampf gegen die wirklichen gemeinsamen Feind:innen zu verhindern. Es gibt Proteste gegen Inflation, Lohnerhöhungen und Privatisierung, aber diese Proteste müssen sich darauf konzentrieren, eine Alternative der Arbeiter:innenklasse zum IWF anzubieten. In der heutigen Zeit kann nur die Einheit der Arbeiter:innenklasse das IWF-Programm besiegen und die Regierung von Shehbaz Sharif absetzen.

Forderungen

  • Ein Mindestlohn, der für ein besseres Leben der Arbeiter:innen ausreicht. Die Löhne der Arbeiter:innenschaft sollten an die Inflation der Preise für wichtige Güter gekoppelt werden. Für jeden Anstieg der Inflationsrate um ein Prozent sollten die Löhne um ein Prozent steigen.

  • Anstelle der Privatisierung sollten die staatlichen Einrichtungen unter demokratische Kontrolle der Arbeiter:innenklasse gestellt werden. Alle Einrichtungen, die nach der Privatisierung geschlossen wurden, sollten unter Kontrolle der Beschäftigten wieder verstaatlicht werden. Einrichtungen, die an den privaten Sektor übergeben wurden, sollten unter demokratische Kontrolle der Arbeiter:innenklasse gestellt und somit alle Formen der Privatisierung abgeschafft werden.

  • Anstatt Arbeitsplätze abzubauen, sollten die Arbeitszeiten verkürzt werden, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden.

  • Aufstockung des Bildungs- und Gesundheitshaushalts durch Einführung einer Vermögenssteuer für Kapitalist:innen, Großgrundbesitzer:innen, multinationale Unternehmen und andere reiche Teile der Gesellschaft. Daraufhin sollten neue Gesundheitszentren und Bildungseinrichtungen gebaut werden.

  • Ein Ende aller Privilegien und Steuervergünstigungen für die Großgrundbesitzer:innen und Kapitalist:innenklasse.

  • Massive Subventionen sollten in der Landwirtschaft eingeführt werden. Außerdem sollte das Land den Großgrundbesitzer:innen weggenommen und den Bauern, Bäuerinnen und Landarbeiter:innen übergeben werden.

  • Die Haushaltsmittel für Entwicklungsprojekte sollten massiv aufgestockt werden, damit soziale Einrichtungen und Wohnungen für die Arbeiter:innenklasse sowie für die Armen auf dem Land und in der Stadt gebaut werden können.

  • Die Stromerzeugungsunternehmen sollten vom Staat übernommen und unter demokratische Kontrolle der Arbeiter:innenklasse gestellt werden.

  • Die Ablehnung des IWF-Programms, einschließlich der Weigerung, die Schulden der internationalen Wirtschaftsinstitutionen zu bezahlen, ist eine Vorbedingung für eine geplante und ausgewogene Entwicklung der Wirtschaft, aber eine dem Kapitalismus verpflichtete Regierung kann dies niemals tun. Wir brauchen eine Regierung, die sich auf die Organisationen der Arbeiter:innenklasse stützt, um die derzeitige katastrophale Situation zu bewältigen und die Interessen der großen Mehrheit der Bevölkerung zu verteidigen.

Die Unterstützung für eine solche Strategie wird nicht spontan erfolgen, sie muss durch eine entschlossene Kampagne gewonnen werden. Diejenigen, die die Notwendigkeit einer revolutionären Strategie erkennen, ob in linken Parteien oder Gewerkschaften, müssen sich organisieren, um in allen Organisationen der Arbeiter:innenklasse sowie unter den unterdrückten Schichten der Gesellschaft, den Frauen, der Jugend und den unterdrückten Nationalitäten dafür zu kämpfen.

Sie müssen sich zusammenschließen, um die politische Grundlage für eine revolutionäre Arbeiter:innenpartei zu diskutieren und ein Aktionsprogramm auszuarbeiten, das den Kampf gegen den IWF mit dem für eine Revolution der Arbeiter:innenklasse in Pakistan und der gesamten Region verbindet. Auf diese Weise können wir uns gegen die Krise der herrschenden Klasse und ihre Angriffe auf das Proletariat und die Armen in Pakistan wehren.




Drei Jahre LINKS, drei Jahre Hauausforderungen – eine Bilanz

Heidi Specht / Flo Kovacs, Infomail 1217, 18. März 2023

Von der Gründung zum Wahlkampf

Seit mittlerweile drei Jahren gibt es LINKS in Wien. Seit der Gründungsversammlung im Jänner 2020 ist auch der Arbeiter*innenstandpunkt in dem linken Parteiaufbauprojekt aktiv. Damit unsere Arbeit in diesem Zusammenschluss besser verständlich wird, soll hier eine Bilanz über die vergangenen drei Jahre gezogen werden: Was ist passiert? Wo wurde gekämpft? Was davon war wie erfolgreich und wo stehen wir jetzt?

Auch wenn LINKS inzwischen drei Jahre alt ist, muss es weiterhin als junge Gruppierung in der politischen Landschaft der Bundeshauptstadt gesehen werden. Seit der Gründung hat die Organisation einen nennenswerten Transformationsprozess durchlaufen, der mit Sicherheit noch nicht abgeschlossen ist. Einige Gruppen und Personen, die zu Beginn noch eine wichtige Rolle eingenommen hatten, sind inzwischen gar nicht mehr dabei. Andere haben sich erst in den Jahren nach der Wahl angeschlossen, um beim Aufbau mitzuhelfen und das Projekt zu beeinflussen. Der Einfluss des Arbeiter*innenstandpunkts und seiner Mitglieder hat eine wichtige Rolle dabei gespielt, LINKS in einigen Fragen in eine revolutionäre Richtung zu bewegen.

Wenige Wochen nach der Gründung der einzelnen Bezirksgruppen war LINKS schon durch die Coronapandemie und den ersten Lockdown in einer sehr schwierigen Situation. Wie bei großen Teilen der übrigen Linken und der Gesellschaft im Allgemeinen musste in kürzester Zeit der Betrieb auf Onlinetreffen umgestellt werden. Das gelang im Großen und Ganzen gut, machte aber den Aufbau der Strukturen und die Rekrutierung neuer Aktivist:innen schwierig. Bald darauf startete dann auch schon der Wahlkampf. Immerhin war der Antritt zur Wiener Gemeinderatswahl 2020 der Anlass zur Gründung dieser Partei, die dem „Wählen mit Bauchweh“ ein Ende bereiten wollte. Man dachte groß, träumte mitunter von einem Einzug in den Gemeinderat und kündigte die Rückkehr des Roten Wien als reformistische Wunschvorstellung an. Ganz so weit kam es dann doch nicht, aber im gemeinsamen Antreten mit der Wiener KPÖ konnte das Wahlergebnis des KPÖ-geführten Wahlbündnisses „Wien Anders“ von 2015 knapp verdoppelt werden. Ein solcher Erfolg war einer Gruppe links der SPÖ zuletzt 1974 gelungen.

Der kleine Parlamentarismus

Es konnten insgesamt 23 Mandate in Bezirksvertretungen erreicht werden. Zwar ging ein nennenswerter Anteil davon an die KPÖ, doch auch Personen, die bisher, wenn überhaupt, außerparlamentarisch aktiv waren, fanden sich nun in den untersten Vertretungsorganen der Stadt wieder. Sie sollten nun den Kampf von der Straße in die Bezirksvertretungen tragen. Das hat in einigen Punkten gut funktioniert. Zum Beispiel müssen in der Brigittenau nun gemeinnützige Wohnungen auf dem Grundstück eines abgerissenen Gebäudes errichtet werden, haben sich mehrere Bezirke zu sicheren Häfen im Sinne der „Seebrücke“ erklärt und der Hamburger Initiative „Stadtteile ohne Partnergewalt“ wurde von einzelnen Bezirken die Unterstützung zugesichert. Besonders die letzten beiden Aktionen wurden von den LINKS-/KPÖ-Bezirksrät:innen koordiniert durchgeführt, um die kleinen Verbesserungen in einem etwas größeren Rahmen durchzusetzen.

Dass die großen Würfe ausblieben, hat unterschiedliche Gründe. Der erste ist schlichtweg die stark begrenzte Kompetenz der Bezirksvertretungen. Über mehr als lokalpolitisch relevante Themen können ausschließlich Resolutionen verabschiedet werden, sonst wird sich hauptsächlich mit wenig relevanten Verwaltungsgeschichten herumgeschlagen. Wenn wir als Kommunist:innen davon ausgehen, dass echte Verbesserungen nicht durch Parlamente, sondern nur durch außerparlamentarischen Druck aus den Betrieben und von der Straße durchgesetzt werden können, potenziert sich dieses Argument nur bei solch machtlosen Organen wie der Bezirksvertretung.

Den zweiten Grund stellt die Übermacht der SPÖ in den meisten Vertretungen in Kombination mit bürokratischen Hürden für kleine Parteien dar. Das hat sich besonders in der umfassenden Ablehnung der Resolutionen gegen den Lobautunnel und die Stadtstraße, mit Ausnahme des Alsergrunds, gezeigt.

An dritter Stelle ist das Vorgehen der Bezirksrät:innen selbst zu nennen. Dieses war zwar, wie erwähnt, in manchen Punkten koordiniert, jedoch nicht in dem Ausmaß, in dem es angedacht war und sinnvoll wäre. Die Mandatar:innen arbeiteten viel in ihren eigenen Bezirken mit ihren eigenen Schwerpunkten und unterschiedlichen Herangehensweisen. Eine gemeinsame, von den aktuellen LINKS-weiten Schwerpunkten abgeleitete Strategie war bisher kaum zu erkennen. So eine Strategie sollte die Vertretungskörper als Bühne für aktuelle und zentrale Inhalte nutzen und dabei die Gewinnung neuer Aktivist:innen auf Basis offen antikapitalistischer Agitation in den Mittelpunkt stellen. Unmittelbare Verbesserungen für Arbeiter:innen und Unterdrückte sind zwar wichtig, aber auf bezirkspolitischer Ebene noch weniger zu erreichen als generell durch Parlamentarismus – und darin dürfen wir keine Illusionen schüren.

Themen gesetzt …

Die erwähnten gesamtorganisatorischen Schwerpunkte haben sich meistens in Form von Kampagnen ausgedrückt. Die erste davon fand rund um die Forderung nach einer 30-Stunden-Arbeitswoche statt. Unter dem Motto „Mach ma 30“ wurde die Stadt Wien aufgefordert, die Normalarbeitszeit ihrer Bediensteten bei vollem Lohn- und Personalausgleich entsprechend zu senken – eine durchaus gute Forderung um die es wert wäre zu kämpfen. Als erste Jahreskampagne setzte sie sich gegen eine Reihe anderer Vorschläge (u. a. knapp gegen eine von AST-Mitgliedern initiierte, offen antikapitalistische Kampagne gegen die Wirtschaftskrise im Zuge der Coronapandemie) durch, mit dem Anspruch, in der Folge von der gesamten Aktivist:innenschaft getragen zu werden. Das Ziel der Kampagne, als nächstes großes Projekt nach der Wahl die gesamte Organisation hinter sich zu versammeln, wurde jedoch nicht erreicht. Hier zeigte sich das Fehlen von zentralistischen Zugängen und Führungsansprüchen in der Partei. Das Herzstück von „Mach ma 30“, eine Petition an die Stadt Wien, wurde beim Wahlbüro abgegeben, danach ist aber nichts weiter passiert. Mit Sicherheit ist es ein Versäumnis, dass diese Kampagne nach ihrem Ende keine Bilanzierung innerhalb von LINKS erfahren hat, auch weil unter den Mitgliedern keine Einigkeit über ihren Erfolg besteht.

Dieser erste Jahresschwerpunkt war allerdings die bisher einzige Kampagne, die von der gesamten Organisation über einen langen Zeitraum hinweg getragen werden sollte. Die zweite, die ein bundesweites „Ausländervolksbegehren“ zum Ziel hatte (als Gegenprojekt zum „Ausländervolksbegehren“ von Haider vor 30 Jahren), wurde, noch bevor sie tatsächlich ins Laufen gekommen war, wieder auf Eis gelegt. Sie war nicht realistisch umsetzbar. Außerdem hatte sich das Thema Teuerung bedeutsam aufgedrängt. Stattdessen verstärkten einzelne Bezirke ihre eigenen Schwerpunkte: Ottakring und Penzing beispielsweise behandelten die Pflegekrise in Flugblättern und Diskussionsveranstaltungen, Rudolfsheim-Fünfhaus und Brigittenau führten öffentliche Veranstaltungen durch, um die Forderung nach dem Wahlrecht für alle populärer zu machen.

Im Zuge der steigenden Inflation wurde dann das Thema Teuerung immer wichtiger. Schon bei der Aktivist:innenkonferenz im Februar 2022 gab es einen Antrag, der sich strategisch damit auseinandersetzte. Im Sommer gab es dann die Initiative, die gesamte Organisation mehr auf das Thema auszurichten. LINKS beteiligte sich am Wiener Bündnis gegen Teuerung „Es reicht“ und veranstaltete eine interne Schulung samt Diskussion zu Inflation sowie den Forderungen dazu. Zukünftig wäre es gut, solche Schwerpunktdiskussionen früher zu planen und durchzuführen, weil eine Beteiligung an der öffentlichen Diskussion zur Teuerung dadurch erst verspätet möglich war. Insgesamt begrüßen wir aber solche Veranstaltungen zur gemeinsamen Diskussionsfindung. Nun war man nämlich nicht auf das Bündnis angewiesen und konnte auch selbstständig tätig werden. Die Notwendigkeit dafür zeigten die schlecht besuchten Demonstrationen und Straßenfeste des Bündnisses, bei denen LINKS deutlich weniger Mobilisierung verzeichnete als aus den Vorjahren gewohnt, dabei aber noch deutlich mehr als andere beteiligte Organisationen. Teil der Kampagne waren außerdem Aktionen solidarischer Praxis wie mehrere „Küchen für alle“ und Solidaritätsaktionen bei Arbeitskämpfen. Diese wurden generell positiv aufgenommen.

Die vorhergehende inhaltliche Schulung der Mitgliedschaft hat nicht nur eine eigenständige Kampagne zur Teuerung möglich gemacht, sondern auch den Grundstein für die für 2023 geplante Kampagne zu Klimakrise und Umverteilung gelegt. Thematisch befindet sich LINKS damit in genau den Gebieten, auf denen es in den vergangenen Jahren nicht nur sein Profil schärfen konnte, sondern auch auf medial öffentliches Interesse gestoßen ist. Hier sind nun Führung und Planungsgruppe aufgerufen, die Basis von Anfang an sowohl mit einzubinden als auch inhaltlich anzuleiten, damit schlagkräftige antikapitalistische Klimapolitik gemacht werden kann, die eine wirklich systemkritische Alternative zur Politik scheinbar radikaler Gruppen wie Extinction Rebellion oder der Letzten Generation darstellt.

 … und Kämpfe beeinflusst

Der Gegensatz zu diesen Gruppen hat sich bereits bei der Besetzung der Baustelle für die Stadtstraße in Hirschstetten aufgetan. Hier konnte LINKS – gemeinsam mit anderen antikapitalistischen Kräften wie System Change not Climate Change, dem Jugendrat oder REVOLUTION – dezidiert antikapitalistische Forderungen in einen bestehenden Kampf hineintragen und diesen damit verändern. Die LINKS-Arbeitsgruppe Lobau konnte glaubhafte Antworten auf Fragen liefern, die von Seiten der bürgerlichen Umweltbewegung nicht thematisiert werden. Das muss als Erfolg gewertet werden, auch wenn die Verankerung in der Bewegung seit der Baustellenräumung deutlich geschrumpft ist. LINKS konnte sich sowohl in der öffentlichen Debatte profilieren als auch in einen Kampf einbringen, ihn mitgestalten, daran wachsen und in den antikapitalistischen Klimaorganisationen Verbündete für weitere Kämpfe gewinnen.

Der zweite von außen angestoßene Kampf, in den LINKS helfend intervenieren konnte, war die Solidarität mit Menschen aus und in Afghanistan. Wenngleich sie keine eigene Struktur innerhalb der Organisation verkörpert, stellt die nach der Machtübernahme der Taliban 2021 gegründete Soligruppe Afghanistan einen genutzten Rahmen für die Arbeit der Community in Wien dar. Die LINKS-Aktivist:innen haben diese nur initiiert, um einen Raum zu schaffen, der weiterhin stark genutzt wird und um den herum Aktionen wie Demonstrationen organisiert werden. Kritisch zu betrachten ist hier aber, dass – trotz der berechtigten Verachtung der Taliban – sehr oft ein unkritischer Bezug auf die Zeit der NATO-Besatzung sowie die liberalen Kräfte in der Diaspora besteht.

Dies sind Beispiele dafür, wie Gruppen innerhalb von LINKS es geschafft haben, durch ihre organisatorischen Fähigkeiten Räume zu eröffnen und Kämpfe nicht nur zu stärken, sondern auch zu beeinflussen. Das muss LINKS auch beibehalten und dabei klassenkämpferische Perspektiven überall dort einbringen, wo diese fehlen oder nicht genug Raum bekommen. Weniger passiert ist das etwa im Widerstand gegen den Bau der Markthalle beim Naschmarkt. In dieser von den Grünen angeleiteten Initiative konnte LINKS nur mitschwimmen und kaum eigene Inhalte einbringen.

Stark auf der Straße

Die Höhepunkte in der noch kurzen Geschichte von LINKS bestehen, wie ausgeführt, bisher weniger in der erfolgreichen Durchführung lang angelegter Kampagnen. Die einzige Ausnahme stellt dabei der Wahlkampf dar. Dort fehlte zwar der konkrete thematische Fokus, stattdessen gab es aber ein großes gemeinsames Ziel, auf das mit kollektiven Kräften hingearbeitet wurde. Wenn auch der Sprung auf die große Bühne des Gemeinderats nicht geglückt ist, fiel das Wahlergebnis durchaus ansehnlich aus. Diese Arbeit schaffte ein Gemeinschaftsgefühl, das LINKS bisher nicht erneut herstellen konnte. Im Oktober 2020 stand LINKS selbstbewusst, einigermaßen konsolidiert und mit Tatendrang am Ende eines anstrengenden Wahlkampfs da.

Dass LINKS unter anderem aus der Organisation größerer, regelmäßiger Demonstrationen gegen eine von Sebastian Kurz geführte Regierung hervorgegangen war, hat später zu einem weiteren Erfolgsmoment geführt. Selbst wenn der reale Einfluss auf die Rücktrittsentscheidung nicht allzu groß zu bemessen ist, hat LINKS es zuallererst geschafft, die Forderung nach dem Rücktritt des gescheitertsten österreichischen Bundeskanzlers der vergangenen Jahrzehnte effektiv, schnell und laut auf die Straße zu befördern. Dabei wurden auch Vereinnahmungen durch Coronaleugner:innen, die immerhin den Slogan „Kurz muss weg“ an sich gerissen hatten, gekonnt verhindert, um die eigene Glaubwürdigkeit beizubehalten.

Zwar nicht so groß, aber ähnlich spontan und wichtig war die Demonstration für das Recht auf sicheren Schwangerschaftsabbruch nach dem Fall von Roe vs. Wade in den USA. Auch hier war es LINKS, das schnell reagierte und Initiativen auf die Straße brachte.

Außerdem hat LINKS es 2022 geschafft, sich mit einem Gassenlokal dauerhaft ansprechbar zu machen. Die „Vero“ (Veronikagasse) ist zwar aktuell noch kein Anlaufpunkt, an dem zu den wochentäglichen Journaldiensten dauerhaft Menschen ein- und ausgehen. Aber sie ist ein weiterer Punkt für eine Organisation, die auf Arbeit in der Nähe der Menschen und in den Grätzln setzt. Diese Ansprechbarkeit ist als positiv zu bewerten.

Herausforderungen

Es ist erkennbar, dass die Höhepunkte 2022 eher kleiner Natur waren. Das Jahr war geprägt von Krisen innerhalb der Organisation, die auch die Außenwirkung beeinträchtigt haben. Doch die Führungskrise begann nicht erst im vergangenen Jahr. Bereits in den Monaten nach der Wahl des Koordinationsteams bei der Aktivist:innenkonferenz 2021 schieden zwei Personen aus der Führung, die tendenziell dem linken Flügel innerhalb von LINKS zuzuordnen sind.

Spätestens mit den Anschuldigungen gegen den Sprecher Can und seinen anschließenden Ausschluss hatte die Koordination mit einer Mehrbelastung zu kämpfen. Diese war nicht nur ein Resultat der weggefallenen Ressourcen von Can, sondern mindestens genauso sehr der damit einhergehenden notwendigen Auseinandersetzung mit dem Thema nach innen und außen. In einer kapitalistischen Gesellschaft ist niemand – auch linke Gruppen nicht – vor solchen Vorfällen gefeit. Dennoch sind Vorwürfe sexueller Grenzüberschreitungen gegen zentrale Personen ein schwerer Schlag für jede linke Gruppierung und erfordern viel Aufarbeitung, die auch noch nicht abgeschlossen ist. Auch nach dem Sommer traten dann noch zwei weitere Mitglieder aus der gewählten Führung aus. Eine der Konsequenzen, die daraus gezogen wurden, ist, dass mit der Mitgliederkonferenz 2023 dann die Wahlperiode der Koordination von zwei Jahren auf ein Jahr verkürzt wurde.

Die Organisation hat es außerdem nicht geschafft, auch wenn der „Mach ma 30“-Kampagne so etwas manchmal nachgesagt wird, den Großteil der Aktivist:innen hinter einer gemeinsamen Aktivität oder einem thematischen Schwerpunkt zu vereinen. Zu sehr zersplittert erscheinen die einzelnen Teile der Organisation. Obwohl es dazu an der Basis durchaus ein Problembewusstsein und Rufe nach Austausch gibt, haben keine der bisherigen Versuche es geschafft, daran substanziell etwas zu ändern. Der Koordination ist es ebenfalls nicht ausreichend gelungen, eine politische Führung in dem Sinne zu sein, dass sie die zu bearbeitenden Kämpfe vorgab oder ausreichend nachdrücklich vorschlug. Eine Schwierigkeit dabei ist weiterhin, dass einige Bezirksgruppen zu sehr auf Bezirksarbeit beschränkt sind. Dadurch kann es ihnen schwerfallen, sich groß an übergreifenden Projekten zu beteiligen. Eine stärkere Verankerung der Koordination könnte diesem Problem entgegenwirken, wobei die Ressourcen dort wie erwähnt in den vergangenen Monaten mehr als knapp bemessen waren.

In den Flächenbezirken, die immerhin einen nennenswerten Teil der Wiener Arbeiter:innenklasse beherbergen, ist es großteils weiterhin nicht gelungen, eigenständig funktionierende Bezirksgruppen aufzubauen. Außerdem gingen einzelne Gruppen aus Stadtteilen innerhalb des Gürtels, in denen auch Bezirksvertretungsmandate erkämpft worden waren, verloren. Dies ist ein Arbeitsfeld, das seit mittlerweile zwei Jahren als Problem erkannt und bearbeitet wird, für das bisher aber noch keine funktionierende Lösung gefunden wurde.

Eine größere Schwierigkeit im Herbst 2022 lag darin, die einstige Stärke von LINKS wieder aufflammen zu lassen. War es vor zwei Jahren noch möglich bei kurzfristigen Mobilisierungen zu medial brisanten Themen, mehrere hundert Personen für eine Sache auf die Straße zu bewegen, gelang das im Zuge des Bündnisses „Es reicht“ nicht. Es gibt hier sicher eine Reihe mitspielender Faktoren, aber ein Zusammenschluss, der auf das brennendste Thema der Zeit reagiert und die eigenen Ansprüche, Großdemonstrationen zu organisieren, nicht erfüllen kann, ist eine Schwäche – ähnlich wie das gesamtlinke Versagen, eine annähernd verständliche und populäre Antwort auf die Covid19-Pandemie zu finden.

Verhältnis zu und Arbeit mit der KPÖ

Eine der größeren Partner:innen im Wahlkampf war die KPÖ. Mit dieser ist LINKS seit seiner Gründung, aber spätestens seit dem gemeinsamen Wahlantritt, stark verbunden. Mehrere Aktivist:innen sind auch Teil der KPÖ und einzelne würden sogar eine Verschmelzung der beiden Organisationen gutheißen. Mit dem Abkommen zum gemeinsamen Wahlkampf ging LINKS ein Abhängigkeitsverhältnis ein, in dem beide Seiten wussten, dass sie auf die jeweils andere angewiesen waren. Die junge Kraft brauchte die materiellen Ressourcen sowie die (wenn auch kleine) Verankerung der KPÖ in Wien. Die ältere Partei brauchte den Elan, die Neuartigkeit und Fähigkeit zur pointierten Formulierung radikaler Inhalte, um ihrem langsamen Fall in die Bedeutungslosigkeit entgegenzuwirken.

Doch mit der Zusammenarbeit kamen die Schwierigkeiten. Ein unterschiedliches Verständnis davon, was es heißt, Politik zu machen, führte schon im Wahlkampf zu Differenzen. In einigen Bezirksgruppen kam es zum Bruch mit den Aktivist:innen von Wien anders, mit denen zuvor rege Zusammenarbeit bestanden hatte. Immer wieder kam es auch aufgrund von unreflektiertem Verhalten, das gesellschaftliche Unterdrückungsmechanismen entweder kleinredete oder sogar in die Organisation hineintrug, zu Konflikten. Von Seiten der KPÖ gab es diesbezüglich wenig Konsequenzen. Gerade die alteingesessenen Bezirksräte verfügten darüber hinaus von Anfang an über den Vorteil, dass sie im Abkommen über den gemeinsamen Wahlantritt bei der Besetzung des ersten Listenplatzes und damit der Wiederwahl bevorzugt wurden.

Natürlich sind nicht vorrangig individuelle Differenzen dafür verantwortlich, dass sich LINKS als eigene Partei neben der KPÖ gegründet hat und nach genereller Meinung weiterhin keine Absichten hegt, mit ihr zu verschmelzen. Denn obwohl LINKS keine revolutionäre Partei ist, können revolutionäre Kräfte dort arbeiten und um ein revolutionäres Programm kämpfen. Wo die KPÖ fest auf (links-)reformistischem Kurs ist, vertraut LINKS deutlich weniger auf die Vertretungskörper und sieht sich in einer konsequenten Oppositionsrolle. Andererseits versucht LINKS aktiv, auch intern gegen gesellschaftliche Unterdrückungsformen anzukämpfen. Die Form, in der das geschieht, hat allerdings oft stark identitätspolitische Züge. Aus der KPÖ bekommen wir hingegen unsensiblen bis respektlosen Umgang mit Unterdrückungsmechanismen sowie die Leugnung von Hierarchien und der Rolle von Diskriminierung in linken Gruppierungen mit.

Generell ist in den vergangenen Monaten eine gewisse Abkehr von der Zusammenarbeit mit der KPÖ zu beobachten. Grund dafür sind auf der einen Seite Schwierigkeiten in der praktischen Zusammenarbeit in „Es reicht“ sowie allgemein auch der neue Kurs der KPÖ nach ihrem letzten Parteitag, wo eine neue Führung mit starkem Einfluss ehemaliger Mitglieder der Jungen Linken gewählt wurde, welche seitdem stärker versucht, sich von politischen Mitbewerber:innen in der Praxis abzugrenzen. Politische Differenzen werden hingegen wenig öffentlich diskutiert. Für eine eigenständige Entwicklung von LINKS ist diese Tendenz jedenfalls förderlich und damit auch für die Möglichkeit, die Organisation stärker in eine revolutionäre Richtung zu bewegen.

Antikapitalismus und Klassenstandpunkt

Diese stärkere Eigenständigkeit hält LINKS allerdings nicht davon ab, sich in andere reformistische Strukturen zu begeben. So wurde 2022 beschlossen, Partnerorganisation der Europäischen Linkspartei (EL) zu werden – derselbe Status, den auch der Wandel innehat. Dies führte auch zu einer Teilnahme am letztjährigen Kongress der EL, der den ehemaligen KPÖ-Vorsitzenden Walter Baier zum Präsidenten gewählt hat und LINKS weiter reichende Kontakte zu linksreformistischen und -populistischen Organisationen und Parteien Europas beschert hat. Diese Entwicklung ist kritisch und muss bei weiterem Fortschreiten zu einer klaren Konfrontation mit dem reformistischen Flügel führen.

Gleichzeitig ist eine deutlich klarere Stellung gegen den Kapitalismus als Wirtschafts- und Gesellschaftssystem positiv hervorzuheben, die gerade in den ersten Monaten noch nicht in dieser Form nach außen getragen wurde. Damit einher geht auch ein Bezug zur Arbeiter:innenklasse als jener Gesellschaftsschicht, mit der man gemeinsam Politik gegen das Kapital machen möchte. Ein Verständnis der Klasse als jenes revolutionäre Subjekt, das den gewünschten sozialen Umbruch bringen kann, zählt weiterhin nicht zu den programmatischen Grundpfeilern. Genauso fehlt eine nennenswerte Verankerung in der Arbeiter:innenklasse und insbesondere in den Gewerkschaften als massenhaftestem Ausdruck der organisierten Arbeiter:innenbewegung. Auch ist die Überwindung des Kapitalismus inzwischen zwar als klares gemeinsames Ziel etabliert, dass deswegen auf den Sozialismus hingearbeitet werden soll, jedoch weniger.

Der positive Bezug auf die Arbeiter:innenklasse zeigte sich in der vergangenen Zeit besonders in Form solidarischer Praxis. Besonders Arbeitskämpfe im Kontext der allgemeinen Teuerung boten Anlässe, sich trotz fehlender Verankerung solidarisch zu zeigen und Stellung zu beziehen. Das funktionierte einfach über das Auftauchen, eventuell Diskutieren und Ausschenken von Tee. Derlei Aktionen, gemeinsam mit der Auseinandersetzung mit der Rolle der Gewerkschaften und reformistischen Parteien als unzureichenden Vertretungen der Klasse können helfen, LINKS in der arbeitenden Bevölkerung zu verankern und in eine marxistische, revolutionäre Richtung zu bewegen. Auch dass in der Kampagne für 2023 die Themen Klimakrise und Antikapitalismus bzw. Umverteilung im Mittelpunkt stehen, zeigt das Bewusstsein, sich mit Themen grundlegend aus einer Klassenperspektive heraus auseinanderzusetzen.

Und jetzt?

Wir sehen also weiterhin Hoffnung in LINKS, weswegen wir weiterhin Revolutionär:innen dazu aufrufen, sich an der Arbeit dort zu beteiligen. Ja, es gibt in LINKS verschiedene politische Flügel, deren Herangehensweisen und inhaltliche Positionierungen wir oft nicht teilen. Das bedeutet aber nicht, dass die Diskussionen und Kämpfe um die Zukunft der Organisation abgeschlossen sind. Ideen, Forderungen und besonders ernsthafte, beständige Arbeit werden wertgeschätzt. Das kommt gerade solchen Aktivist:innen zupass, die es gewohnt sind, auch Aufgaben zu übernehmen, die nicht unterhaltsam, aber notwendig zu erfüllen sind. Wer ein Aufgabengebiet für sich sieht, kann es bearbeiten und erhält von LINKS die Ressourcen dafür, solange man selbst die Verantwortung für die Durchführung übernimmt. Damit haben auch wir in den vergangenen Jahren Diskussionen führen und öffentliche Aktionen abhalten können, die ohne LINKS nicht möglich gewesen wären.

Gerade zum aktuellen Zeitpunkt ist es etwa wichtig, sich in den Prozess um die Neugestaltung des Programms einzubringen. Zwar ist abzusehen, dass dieser noch ein bisschen Anlaufzeit benötigt, bis es tatsächlich an die Formulierung der einzelnen Kapitel geht, doch wenn es um die Schärfung eines linken Profils geht, kann am Programm kein Weg vorbeiführen. Das bedeutet auch, einem Teil von LINKS klarzumachen, welche Bedeutung ein Programm als Grundlage für politisches Handeln besitzt. Dafür zu sorgen, dass diese Aktivist:innen damit eine solide Basis für schlagkräftige Aktionen in der Hand halten, ist sogar noch wichtiger.

Insgesamt gibt es in LINKS noch viele Spielräume für revolutionäre Politik. Es gibt noch keine Bürokratie, weil dafür aktuell die materielle Basis fehlt. Es gibt zwar immer wieder versuchte Anschlüsse an den Reformismus (wie zum Beispiel an die Europäische Linke), aber auch ehrliche Versuche, einen radikalen Antikapitalismus auf die Straße zu tragen. Die Zukunft von LINKS ist unserer Einschätzung nach noch nicht festgelegt und wir werden unsere Kräfte weiterhin dafür einsetzen, LINKS aufzubauen und für eine revolutionäre Ausrichtung in Theorie und Praxis zu kämpfen.




Frankreich: Schlüsselposition der Gewerkschaften im Kampf gegen Erhöhung des Renteneintrittsalters

Marc Lassalle, Infomail 1216, 9. März 2023

Nach sechs Tagen Streiks und Demonstrationen in Frankreich erreicht die Konfrontation zwischen den Arbeiter:innen und der Regierung in der Frage der „Rentenreform“ einen entscheidenden Moment. Am 7. März beteiligten sich rund 3,5 Millionen Menschen an den Arbeitsniederlegungen und Demonstrationen – ein neuer Höhepunkt der Mobilisierung. Faktisch findet in vielen wichtigen Sektoren ein mehrtägiger Streik statt.

Den Gewerkschaften ist es seit Beginn des Jahres gelungen, sehr große Demonstrationen zu organisieren, nicht nur in Großstädten, sondern in Städten im ganzen Land, und, was noch bemerkenswerter ist, dies einen ganzen Monat lang mit einer Großdemonstration pro Woche fortzusetzen. Die Ablehnung der so genannten Reform der Regierung ist in der gesamten Bevölkerung und vor allem unter der Arbeiter:innenschaft massiv.

Strategischer Angriff

Die Regierung verteidigt weiterhin ihr Vorhaben, das Rentenalter auf 64 Jahre anzuheben, um jeden Preis. Es handelt sich nicht einfach um eine technische Maßnahme oder eine Episode innerhalb eines Gesamtplans. Für Präsident Macron ist dies die „Reform“ schlechthin. Da er während seiner letzten Amtszeit durch die Pandemie blockiert wurde, besteht er auf dieser Reform als Symbol seiner Präsidentschaft und seines Vermächtnisses. Für ihn müssen die Lohnabhängigen mehr arbeiten, um die Subventionen zu bezahlen, die der Staat den Unternehmer:innen während der Pandemie und danach großzügig gewährt hat (Energiekosten usw.).

Wie der neoliberale Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire sagt, sollten die Bosse diese Reform „mit Begeisterung und Entschlossenheit“ unterstützen. Es geht um 8 bis 9 Milliarden Euro für die Wirtschaft! Je mehr die Minister:innen versuchen, die Reform zu erklären, desto kruder erscheint ihre Realität in den Augen der Lohnabhängigen. Trotz aller Behauptungen der Regierung, die Änderung sei „frauenfreundlich“, hat sich herausgestellt, dass sie vor allem für Frauen nachteilig ist, da sie länger arbeiten müssen. Die Reform wird auch Beschäftigte im unteren Lohnsegment besonders hart treffen, insbesondere diejenigen, die ihre Arbeit vor dem 20. Lebensjahr aufgenommen haben.

Angesichts der Zielsetzung von Macron und der Entschlossenheit der Bosse ist die derzeitige Strategie der Gewerkschaften jedoch völlig unzureichend. Sie haben in den letzten zwanzig Jahren in vielen Konflikten eine Reihe von eintägigen Streiks durchgeführt und das Ergebnis war unweigerlich dasselbe: eine Niederlage. Nach einem anfänglichen Erfolg erschöpft sich Dynamik eintägiger Demonstrationen ab einem gewissen Zeitpunkt. Dann macht sie  Ermüdung und Unzufriedenheit Platz, was wie in einem Teufelskreis wachsende Demoralisierung und Unklarheit der Arbeiter:innen über die weitere Strategie provoziert. Die Zahl der Streikenden schrumpft, bis die Gewerkschaften den Streik einfach beenden oder, wie sie es manchmal ausdrücken, „den Kampf mit anderen Mitteln fortsetzen“.

Unterschied

Dieses Mal ist die Situation in zweierlei Hinsicht anders. Erstens sind die Zahl der Streikenden und die Stärke der Demonstrationen so hoch wie seit mindestens zwanzig Jahren nicht mehr. Zweitens lehnen alle Gewerkschaften, einschließlich der sehr gemäßigten CFDT, die Reform ab, und es gibt bisher keine Anzeichen für eine Schwächung der „Intersyndicale“ (der Front von acht Gewerkschaften und Verbänden, die gegen die Reform sind). Dies stellt natürlich ein Zeichen für die Entschlossenheit und den Kampfgeist der Arbeiter:innenklasse dar.

Nach einer zweiwöchigen Pause – wegen der Schulferien – erklärten alle Gewerkschaften, dass eine entschlossenere Haltung erforderlich sei. „Die Intersyndicale bekräftigt ihre Entschlossenheit, Frankreich am 7. März lahmzulegen. Der 7. März sollte ein ,toter Tag’ (journée morte) in den Betrieben, Verwaltungen, Diensten, Schulen, Verkehrsmitteln sein … “ (Presseerklärung, 21/02).

Der CGT-Vorsitzende Philippe Martinez erklärte: „Wenn die Regierung trotz der Mobilisierungen weiterhin stur bleibt, dann müssen wir mit größeren Aktionen, längeren, härteren, zahlreicheren, massiveren und erneuerbaren Streiks vorankommen“. Dies ist eine raffinierte Art, einen Generalstreik zu beschreiben, ohne ihn zu benennen. Ein erneuerbarer Streik (grève reconductible) ist in der Tat die französische Art, einen unbefristeten Streik einzuleiten. In den Betrieben wird die Kampfmaßnahme dann Tag für Tag von den betrieblichen Generalversammlungen (AGs) beschlossen, und zwar jeden Morgen.

Das hört sich zwar sehr demokratisch an, ist aber dennoch eine ziemlich fragile Kampfmethode, da sie von der kontinuierlichen und starken Beteiligung aller an den Versammlungen abhängt. Jeden Tag könnte der Kampf enden, so dass trotz der großen Opfer der Streikenden die politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen eher begrenzt sind. Die Regierung weiß, dass sie ein Ende erzwingen kann, indem sie einfach geringfügige Zugeständnisse mit den gemäßigteren Gewerkschaften aushandelt, wodurch die Moral der Streikenden geschwächt und die Einheit des Kampfes gebrochen wird.

Warum vermeidet Philippe Martinez es, einen unbefristeten Generalstreik auch nur zu erwähnen? In der Vergangenheit, vor allem 1968, haben die französischen Arbeiter:innen einen Generalstreik initiiert, und die Situation entglitt dann völlig der Kontrolle der obersten Gewerkschaftsführung. Seitdem zieht sie es vor, jeden Schritt eines Kampfes sorgfältig zu kontrollieren. Wenn man sie unter Druck setzt, würden sie sogar eine Niederlage vorziehen, anstatt sich von der Aktion der Basis ins Abseits stellen zu lassen.

Trotz dieser Feigheit der Gewerkschaftsbürokratie ist der Ausgang des Kampfes noch lange nicht entschieden. Sicher ist, dass der 7. März einen weiteren großer Tag der Streiks und Demonstrationen markierte, an dem rund 3,5 Millionen Menschen auf die Straße gingen. Was kommt dann? Der 8. März war ein weiterer Tag der Demonstration für die Rechte der Frauen. Student:innenorganisationen riefen zu einem weiteren großen Protesttag am 9. März auf. Diese Verkettung von Terminen legt nahe, dass die Arbeiter:innen am 7. März in den Streik treten und dann draußen bleiben sollten! Mehrere wichtige kämpferische Gewerkschaften riefen für den 7. März und die folgenden Tage zu einem täglich zu erneuernden Streik auf. Dazu gehören die Beschäftigten der Pariser Verkehrsbetriebe (RATP), der Eisenbahnen, der Erdölraffinerien, der Häfen und Docks sowie die Beschäftigten der Kraftwerke. Die Frage ist: Wird dieser Funke stark genug sein, um einen Generalstreik zu entfachen?

Der Ausgang hängt von vielen Faktoren ab, aber einer der wichtigsten ist das aktive Eingreifen der politischen Parteien der Linken. Von der Front der Linksparteien, NUPES, ist nichts zu erwarten, ebenso wenig wie von ihrer führenden Kraft, der Partei von Jean-Luc Mélenchon, France Insoumise (FI). FI unterstützt formell die Aktionen der Gewerkschaften, konzentriert sich aber in Wirklichkeit auf das Parlament und die nächsten Wahlen. Im Parlament haben sie die Diskussion des Rentenreformgesetzes mit tausenden von Änderungsanträgen in einer ersten Sitzung zwar erfolgreich behindert. Der Entwurf wurde nun an den Senat weitergeleitet, wo die Rechten die Mehrheit haben, und wird wieder ins Parlament zurückkehren.

Die Taktik der Obstruktion reicht jedoch bei weitem nicht aus, um den Prozess zu stoppen. Die Regierung könnte versuchen, die Rechtskonservativen – Les Républicains – davon zu überzeugen, das Gesetz zu unterstützen, oder es einfach mit einer antidemokratischen Maßnahme zu verabschieden, die von der bonapartistischen Verfassung der 5. Republik ermöglicht wird. Zu Beginn des Streits versuchte die FI sogar, unabhängig von den Gewerkschaften eine Demonstration zu organisieren, was jedoch ein großer Flop war. Das soll nicht heißen, dass die Aktivist:innen von NUPES und FI nicht an den Demonstrationen und dem Kampf teilnehmen werden. Die meisten von ihnen sind gewerkschaftlich organisiert und ein fester Bestandteil der Mobilisierung. Aber auf politischer Ebene agieren alle diese Kräfte, FI, die Kommunistische Partei (PCF), die Sozialistische Partei (PS) und die Grünen ausschließlich auf parlamentarischer Ebene und überlassen die Durchführung von Streiks den Gewerkschaften.

Die radikale Linke

Alle Kräfte der radikalen Linken leiten den nächsten Schritt für den Kampf ein, aber sie sind sowohl gespalten als auch verwirrt.

Die Nouveau Parti Anticapitalistei (NPA = Neue Antikapitalistische Partei) ist durch die Abspaltung ihrer alten Führung geschwächt, die die Hälfte der Mitglieder mitgenommen hat. Dies führt zu der grotesken Situation, dass es zwei NPAs von ähnlicher Größe gibt, die auf den Demonstrationen präsent sind, Veranstaltungen organisieren und den gleichen Namen und das gleiche Logo verwenden. Die NPA-Plattform B (PFB), obgleich die Minderheit am letzten Kongress, hat die Kontrolle über den Apparat, die Presse, die Website, die Hauptamtlichen usw. behalten. Sie ist sichtbarer, da ihre Anführer:innen die Sprecher und ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Olivier Besancenot und Philippe Poutou waren. Das Timing könnte jedoch nicht unglücklicher sein. Nachdem die NPA-PFB die Weltlage in den dunkelsten Farben analysiert hat (die Arbeiter:innenklasse in der Defensive, der Aufstieg der extremen Rechten usw.), betont sie die Notwendigkeit der Einheit:

„Die NPA schlägt vor, eine politische Alternative zu Macron aufzubauen, die aus der Mobilisierung hervorgeht, mit all jenen, die der prokapitalistischen Politik ein Ende setzen wollen, hin zu einer Gesellschaft, die frei von Ausbeutung und Unterdrückung ist.“

Dies mag zwar radikal klingen, aber ähnliche Aussagen waren in den 1970er Jahren bei der PCF und sogar bei der PS durchaus üblich. Sie schlägt in vagen Worten eine breite linke Regierung vor, mit NUPES, und sogar ein Minimum-Maximum-Programm. Zuerst setzen wir der prokapitalistischen Politik der Regerierung ein Ende, und dazu verbünden wir uns mit Reformist:innen, dann gehen wir zu einer Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung über. In gewissem Sinne ist dies ein erster Schritt zur Lösung der Zweideutigkeit, auf der die NPA gegründet wurde, allerdings zugunsten einer reformistischen Politik heute und des Sozialismus in ferner Zukunft. Es ist klar, dass die NPA-PFB einen Weg eingeschlagen hat, der dazu führen wird, dass sie sich in eine reformistische Partei auflöst oder einfach irrelevant wird.

Die andere NPA, die NPA-Plattform C (PFC), ist nach wie vor ein heterogener Block, der sich aus zwei Tendenzen der vor der Spaltung bestehenden Partei zusammensetzt, nämlich L’Étincelle (Funke) und Anticapitalisme et Révolution, die nun versuchen, eine einheitliche Partei zu organisieren. Sie sind politisch sehr aktiv unter den Jugendlichen und an den Arbeitsplätzen. Sie verteidigen zu Recht die Perspektive eines Generalstreiks.

„Ja, wir müssen einen Generalstreik anstreben, um die Dinge wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Ohne Arbeiter:innen wird nichts produziert. Wenn wir streiken, wird nichts produziert und Profite und Dividenden sind dann Makulatur.“

Tatsächlich stehen ihre Aktivist:innen an vorderster Front, wenn es darum geht, die Selbstorganisation der Streikenden unter dem Motto „den Streik unter die Kontrolle der Streikenden stellen“ zu entwickeln. Oder, wie es Gael Quirante, Vorsitzender von A&R, auf ihrer nationalen Kundgebung im Februar ausdrückte: „Auch wenn der Beginn eines Generalstreiks nicht so einfach ist, wie auf einen Knopf zu drücken, müssen wir diesen Knopf auf jede Weise suchen, mit Generalversammlungen, mit Koordinierungen usw.“

Was jedoch in der Politik der NPA-PFC völlig fehlt, ist der Gedanke, dass alle Streikenden maximalen Druck auf die Gewerkschaften, also auch ihrer Führungen, ausüben sollten, um den Generalstreik auszurufen und diesen aktiv in den Betrieben, in allen lokalen, regionalen und anderen Strukturen der Gewerkschaften vorzubereiten und dafür offen und ausdrücklich zu werben. Eine der Widersprüchlichkeiten der derzeitigen Mobilisierungen ist in der Tat die geringe Beteiligung an den Betriebsversammlungen, trotz der zahlreichen Demonstrationen. Und ein weiteres Paradoxon ist die Tatsache, dass die Masse der Arbeiter:innen trotz aller früheren Niederlagen der landesweiten Führung der Gewerkschaften vertraut. Dies gilt umso mehr, als die meisten der mobilisierten Arbeiter:innen nicht zur Avantgarde gehören: Viele von ihnen streiken und demonstrieren zum ersten Mal in ihrem Leben. Das wird sich nicht von selbst ändern. Es bedarf der Initiative – der Führung – durch politisch bewusste und erfahrene Aktivist:innen.

Die Aufforderung an die Gewerkschaftsführungen, ihren Worten auch Taten folgen zu lassen, könnte dabei sehr wirksam sein. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil des Prozesses, den „Druckknopf“ für den Generalstreik zu finden. Selbst in der gemäßigteren Gewerkschaft CFDT ist die derzeitige Position ihrer Spitze darauf zurückzuführen, dass auf ihrer letzten Generalkonferenz eine Mehrheit für die Ablehnung von Macrons Reform gestimmt hat. In den meisten Gewerkschaften sind die lokalen und mittleren Führungsebenen, die unter direktem Druck von unten stehen, tatsächlich von der Notwendigkeit radikalerer Aktionen überzeugt. Während Revolutionär:innen also versuchen müssen, Organe der Selbstorganisation zu schaffen, müssen sie gleichzeitig einen ernsthaften, entschlossenen Kampf Innerhalb der Gewerkschaften führen. Leider würde die NPA-PFC dies als Ketzerei ablehnen. Für sie, wie auch für Lutte Ouvrière und sogar Révolution Permanente (RP; Fracción Trotskista, FT), sollte die Einheitsfront im Grunde nur auf der Ebene der Basis und nicht auf der der Forderungen an die nationale Führung geführt werden. Damit geben sie und die ihnen folgenden Arbeiter:innen eine entscheidende Waffe gegen den Reformismus aus der Hand.

Diese Linie unterscheidet sich wenig von Lutte Ouvrière. Sie schreibt:

„Einige Gewerkschaften rufen zu einem erneuten Streik ab dem 7. März auf. In der Tat müssen wir uns in diese Richtung bewegen. Aber was die Regierung und die Bosse wirklich erschrecken könnte, wäre, dass die Streiks von unten beschlossen werden, dass sie sich wie ein Lauffeuer verbreiten und dass sie über die von der Gewerkschaftsführung gesetzten Grenzen hinausgehen.

Generalversammlungen mit einer großen Anzahl von Arbeiter:innen müssen über die Weiterführung der Bewegung und der Streiks diskutieren. Sie müssen über alles diskutieren, natürlich über die Forderungen, aber auch über die Art und Weise, wie die Bewegung geführt werden soll.

Sich überall zu treffen, um über die Mittel zur Weiterführung und Ausbreitung der Bewegung zu diskutieren, das ist der Weg, um in der Arbeiter:innenklasse eine Kraft zu erneuern, die unbesiegbar werden kann.“ (LO, 15.2.2023)

Das Überstimmung ist keine Überraschung, denn L’Étincelle, die größte Gruppierung der NPA-PFC, ist eine Fraktion, die aus LO ausgeschlossen wurde, und innerhalb der NPA wurde die gleiche Linie fortgesetzt, mit wenig oder gar keiner politischen Ausarbeitung darüber, was bei LO falsch gelaufen ist.

Die RP bewegt sich auf ähnlichem Kurs: „Angesichts des Zögerns der Intersyndicale gilt es, keine Minute zu verlieren. Die Möglichkeit eines wiederholten Streiks hängt in hohem Maße von den Bemühungen der Streikenden ab. Die Organisation der Basis in jedem Betrieb, der gewerkschaftlich organisierten und nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeiter:innen, muss sich im Dienste dieser Perspektive entwickeln.“ (RP, 22. Februar)

Auch wenn wir zustimmen, dass Initiativen von unten, die spontane Militanz der Arbeiter:Innen an der Basis von entscheidender Bedeutung sind, ist es auch von größter Wichtigkeit zu betonen, dass die Befreiung der Gewerkschaften von der reformistischen Bürokratie erfordert, auf dem Höhepunkt des Kampfes den Widerspruch zwischen Basis und Führung aktiv voranzutreiben. Die Losung eines von den Gewerkschaften ausgerufenen Generalstreiks (anstatt dies einfach der Basis zu überlassen) würde dazu beitragen, die Arbeiter:innen bei jedem Ausverkauf durch ihre Führung von diesen zu brechen und so die Grundlage für demokratische Massengewerkschaften zu legen, die in den Betrieben verwurzelt sind. Es ist sehr wichtig zu erkennen, dass die Massen sich auf die Bürokrat:innen als die Führung des Kampfes beziehen. Sie nur zu denunzieren oder, schlimmer noch, sie zu ignorieren, wird nicht reichen, um diese Situation zu ändern. Um diese Führung zu ersetzen, müssen wir Forderungen an die Gewerkschaftsführer:innen mit der Selbstorganisation des Streiks, Generalversammlungen, die Streikkomitees wählen, usw. und Koordinierungen zwischen verschiedenen Sektoren der Arbeiter:Innen kombinieren.

Offener Ausgang

Trotz dieser Schwäche der radikalen Linken ist der Ausgang des aktuellen Kampfes keineswegs von vornherein entschieden. Die Breite und die Stärke der Massenbasis ergeben sich aus dem Bewusstsein, dass es um viel mehr geht als um Renten. Alle haben die Inflation und steigenden Lebenshaltungskosten auf harte Art und Weise zu spüren bekommen. Die Jugend, sowohl in den weiterführenden Schulen als auch an der Universität, schließt sich der Bewegung gegen Macron und seine Politik an. Viele haben erkannt, dass vom Kapitalismus, seiner Wirtschaft, seinen Kriegen und seiner Zerstörung des Planeten nichts Positives für sie zu erwarten ist. All diese Kräfte können sich vereinen, um die Regierung zu besiegen, wie sie es 2006 getan haben.

Die Breite der mobilisierten Kräfte erfordert eine Ausweitung des Streiks. Der Weg zum Generalstreik erfordert ein Hinausgehen der Forderungen nach einem Stopp der aktuellen Reform. Forderungen nach Lohnerhöhungen, nach massiven Mitteln für die öffentlichen Dienste (Krankenhäuser, Schulen, Universitäten), nach offenen Grenzen, nach Steuern für die Reichen und auf Profite sollten von den Streikenden offen diskutiert werden und Teil eines Aktionsprogramms für Arbeiter:innen, einschließlich der stark ausgebeuteten Migrant:innen und der Jugend werden.

Doch trotz des historischen Niveaus der Kampfbereitschaft kann ein strategischer Sieg nur durch ein klares Bewusstsein für das Ziel des Kampfes gesichert werden. Zu diesem Zweck muss sich die großartig kämpferische Arbeiter:innenklasse in Frankreich mit einer revolutionären Partei und einem politischen Programm wappnen.




Internationaler Frauenkampftag: Vereint die Kämpfe der Frauen mit denen der Arbeiter:innenklasse und der Unterdrückten!

Liga für die Fünfte Internationale, Infomail 1216, 8. März 2023

Frauen standen im letzten Jahr an der Spitze der Kämpfe der Arbeiter:innenklasse und für Demokratie.

  • Im Iran bildeten sie die erste Reihe eines Massenaufstandes gegen Unterdrückung und die Herrschaft der klerikalen Diktatur.

  • In den USA und vielen anderen Ländern wehrten sie sich gegen Angriffe auf Abtreibungsrechte.

  • In der Ukraine und in Russland stehen sie an vorderster Front im Kampf gegen die imperialistische Invasion Putins.

  • In Großbritannien, Deutschland und Frankreich stehen sie im Mittelpunkt von Streiks für Lohnerhöhungen zur Bekämpfung der steigenden Inflation und von Massenmobilisierungen zur Verteidigung des Gesundheitswesens und der Rentenansprüche.

  • Frauen formieren sie sich im Zentrum des Kampfes gegen rechtsextreme und reaktionäre populistisch-bonapartistische Regime wie die von Bolsonaro in Brasilien und Modi in Indien.

  • In der halbkolonialen Welt haben sie sich gegen Armut, Hunger, Klimakatastrophen, reaktionäre Kriege und die Verweigerung ihrer Grundrechte mobilisiert.

Oft sind es junge Frauen, Studentinnen, Frauen aus der Arbeiter:innenklasse und der armen Bevölkerung, die in Massen auf die Straße gehen und den Kern dieser Bewegungen bilden. Es ist nicht verwunderlich, dass Frauen bei solchen Kämpfen an vorderster Front stehen. Oft sind sie am stärksten von den zahlreichen Krisen betroffen, die unser Leben in den letzten Jahren heimgesucht haben.

In vielerlei Hinsicht scheint sich die Situation im Vergleich zu vor einem Jahr kaum verändert zu haben: Der Krieg in der Ukraine hat den Konflikt zwischen den Weltmächten verschärft und eine neue Phase im Kampf um die Neuaufteilung der Welt eingeleitet. Der Krieg und die von beiden Seiten verhängten Sanktionen haben weltweit eine neue wirtschaftliche und soziale Krise ausgelöst mit einer Inflation, wie sie in den imperialistischen Zentren seit 50 Jahren nicht mehr aufgetreten ist, und einer Hyperinflation, die den globalen Süden wie ein Tsunami trifft.

Die sich entwickelnde Katastrophe

Die Pandemie beherrscht nach wie vor alle Aspekte der Herausforderungen für Frauen. Ihre Auswirkungen haben zu einem Anstieg der Krankheits- und Sterblichkeitsraten der Menschen weltweit geführt. Für die Frauen bedeutet dies im besten Fall eine mehrfache Belastung durch Haus- und Sorgearbeit, im schlimmsten Fall den Verlust ihrer Existenz. Sie haben oft ihren Arbeitsplatz und die damit verbundene elementare Sicherheit verloren. Schließungen ohne funktionierendes soziales Sicherheitsnetz führten dazu, dass Frauen gezwungen waren, sich um ihre Familien zu kümmern und von ihren Arbeitsplätzen verdrängt wurden. Die häusliche Gewalt gegen Frauen hat deutlich zugenommen und vor allem ärmere Teile der Arbeiter:innenklasse mussten ihre mageren Ersparnisse aufbrauchen, um zu überleben.

In halbkolonialen Ländern führt dies zu noch schlimmeren Folgen. Da das Gesundheitswesen für die Menschen nicht leicht zugänglich ist und die imperialistischen Länder Impfstoffe und Medikamente horten, war die Zahl der Todesopfer viel höher als in den imperialistischen Zentren.

Abgesehen von den direkten Auswirkungen von Krankheiten und Kriegen werden die Rechte der Frauen in einer Vielzahl von Ländern ständig angegriffen. Der Eingriff in die reproduktiven Rechte in den USA und der Rückzug der Türkei aus der Istanbuler Konvention über Gewalt gegen Frauen sind offensichtliche Beispiele dafür. Das Gleiche gilt für die Aufdeckung von Morden, Vergewaltigungen und Frauenfeindlichkeit, begangen durch Polizeibeamte in Großbritannien.

Dies alles wurde 2022 durch den massiven Anstieg der Inflation und den Beginn eines weiteren wirtschaftlichen Abschwungs noch verstärkt. Dies ergab sich nicht nur aus den Problemen, die dem Produktionsanstieg nach der Pandemie folgten. Lieferketten- und Ressourcenprobleme bleiben weiterhin ungelöst. Auch die Energiekrise infolge des russischen Kriegs gegen die Ukraine und der westlichen Sanktionen trug ihren Teil zur Erschwerung der Lage bei. All dies trifft die Frauen am härtesten, zeigt aber auch, dass Fortschritte bei den Frauenrechten weder unvermeidlich noch unumkehrbar sind. Wir müssen unermüdlich und kontinuierlich kämpfen, um unsere Errungenschaften zu verteidigen, nicht nur gegen die unverhohlenen Attacken von rechts, sondern gegen die dem kapitalistischen System insgesamt innewohnenden Tendenzen.

Kämpfe rund um die Welt

Seit dem Tod von Jina Mahsa Amini durch die sog. Sittenpolizei im September 2022 befindet sich der Iran in Aufruhr. Millionen von Menschen sind auf die Straße gegangen, um für die Emanzipation der Frauen von den grausamen Einschränkungen und damit gegen das Regime der Mullahs selbst zu protestieren. Die Regierung hat mit verschiedenen Formen der Unterdrückung hart reagiert. Es wurden nicht nur mehr als 20.000 Personen verhaftet, sondern auch über 500 Menschen getötet. Das Regime hat damit begonnen, Menschen hinzurichten, um eine Ausbreitung der Proteste zu verhindern und die Bewegung insgesamt zu unterdrücken. Doch trotz dieser massiven Repression hat der Kampf im Iran einen gewaltigen Schritt nach vorn gemacht, um das Regime zu schwächen und den Kämpfen der Frauen in der ganzen Welt neue Impulse zu geben.

Auch im Widerstand gegen den russischen Krieg in der Ukraine spielen Frauen eine besondere Rolle. In Russland versucht der feministische Antikriegswiderstand, unter äußerst repressiven Bedingungen Unterstützung gegen Putins Invasion zu mobilisieren. In der Ukraine hingegen stellen Frauen rund 20 % der Streitkräfte, sorgen für die Unterstützung der Flüchtlinge und die Aufrechterhaltung der notwendigen Infrastruktur.

Auch in Afghanistan kommt es nach der Machtübernahme durch die Taliban zu einer zunehmenden Unterdrückung der Frauen. Junge Frauen protestieren dort gegen das Verbot ihrer Ausbildung, und ihre Proteste müssen illegal organisiert werden. Dies könnte der Beginn eines ernsthaften Widerstands gegen das Regime sein, auch wenn die Medienberichterstattung im Westen „weitergezogen“ ist und die Aufmerksamkeit vernachlässigt hat.

In Ländern auf der ganzen Welt kommt es immer wieder zu Streiks im Gesundheitssektor. Die Krise war schon seit einiger Zeit bekannt, trat aber mit der Pandemie in den Vordergrund. In Großbritannien und Deutschland gibt es erhebliche Streiks des Gesundheitspersonals – ein Sektor, der überwiegend von Frauen getragen wird.

Internationaler Frauenkampftag

Am 8. März dieses Jahres ist es umso wichtiger, den weltweiten Kampf für die demokratischen Grundrechte der Frauen zu unterstützen und die unterschiedlichen Auseinandersetzungen miteinander zu verbinden. Ob mit Protesten, Flashmobs oder Frauenstreiks, wir müssen uns einig sein in unserem Ziel, den Kapitalismus zu beenden. Das heißt, wir müssen an der Seite der internationalen Arbeiter:innenklasse kämpfen, gleich welchen Geschlechts, um erfolgreich zu sein. Gleichzeitig ist es wichtig, den Kampf mit national oder rassistisch unterdrückten Menschen zu verbinden.

Am Internationalen Frauenkampftag ist es wichtig, die Menschen nicht zu vergessen, die unter Sexismus, Homophobie und der Auferlegung patriarchalischer und binärer Geschlechterrollen leiden. Nicht-binäre Menschen, Transmenschen im Allgemeinen sowie andere Menschen aus der LGBTQIA+-Gemeinschaft leiden vielleicht nicht genau unter der gleichen Unterdrückung, aber es ist sonnenklar, dass ihr Einsatz für ihre Rechte Teil desselben Kampfes ist. Wenn wir den Sexismus überwinden und eine Gesellschaft haben wollen, in der jeder in Frieden und als der Mensch leben kann, der er/sie ist, müssen wir den Kapitalismus stürzen und eine sozialistische Gesellschaft aufbauen. Es ist kein Zufall, dass die extreme Rechte in vielen Ländern Themen wie die Ablehnung der Homoehe und der Transrechte aufgreift.

Doch während wir die Notwendigkeit der kämpferischen Einheit, des gemeinsamen koordinierten Handelns betonen müssen, müssen wir uns auch der Tatsache stellen, dass die internationalen Frauenmobilisierungen seit einigen Jahren in einer Strategie- und Richtungskrise stecken. Die Massenstreiks der Frauen, inspiriert durch die Bewegungen in Lateinamerika gegen häusliche und institutionelle Gewalt, die Frauenbewegung in den USA und die Streiks von Millionen von Arbeiterinnen in Ländern wie Spanien waren eine Inspiration und der Beginn einer neuen internationalen Bewegung. Den bisherigen Höhepunkt stellt der revolutionäre Kampf im Iran dar.

Programm und Strategie

Jeder Kampf, der an den Grundlagen der Frauenunterdrückung im Kapitalismus rüttelt, steht auch vor der Frage, wie der Kampf weitergeführt werden kann. Dies zeigt, dass der Kampf gegen Frauenunterdrückung, gegen patriarchale Strukturen und Sexismus kein vom Klassenkampf getrennter Prozess sein kann. Er muss ein integraler Bestandteil davon sein.

Im Fall des Iran hat der Kampf der Frauen gezeigt, dass das islamistische Regime nur durch eine Massenbeteiligung der Arbeiter:innenklasse erfolgreich gestürzt werden kann – kurz gesagt, durch einen Generalstreik, der auch für die Masse der arbeitenden Frauen ein fortschrittliches Ergebnis bringt. So ist der Kampf gegen die Unterdrückung und die Mullahs mit dem entschlossenen Eintreten für eine sozialistische Revolution und deren Ausbreitung auf die gesamte Region verbunden.

Das Gleiche gilt nicht nur für die wirtschaftlichen und sozialen Auseinandersetzungen, sondern auch für die Kämpfe gegen nationale Unterdrückung, Imperialismus, Umweltzerstörung, Krieg und wachsenden Militarismus, Rassismus, Faschismus und Diktaturen.

Daher stehen wir vor zwei miteinander verknüpften Aufgaben. Erstens müssen wir uns für eine internationale Bewegung einsetzen, für eine koordinierte Aktion rund um eine Reihe von brennenden Forderungen und Themen, die die große Mehrheit der Frauen betreffen. Wir müssen alle Frauenorganisationen sowie die Gewerkschaften und die Parteien der Arbeiter:innenklasse auffordern, sich an einer solchen gemeinsamen Aktion zu beteiligen. Und wir müssen diese Notwendigkeit am Internationalen Frauenkampftag zur Sprache bringen.

  • Gleiche Rechte für Frauen! Abschaffung aller frauenfeindlichen und diskriminierenden Gesetze! Volles Recht auf Teilnahme am öffentlichen und politischen Leben!

  • Beendigung der Gewalt gegen Frauen und die LGBTQIA+-Gemeinschaft! Wir müssen freie Frauenhäuser, Hilfs- und Selbstverteidigungskomitees gegen Femizid, Genitalverstümmelung, häusliche und andere Formen von Gewalt organisieren.

  • Volle reproduktive Rechte und körperliche Selbstbestimmung für alle, überall! Alle Frauen sollten Zugang zu kostenlosen Verhütungsmitteln und Abtreibung auf Verlangen haben.

  • Gleicher Lohn für Frauen! Für einen Mindestlohn und Renten, die Frauen ein unabhängiges Leben ohne Armut ermöglichen! Kampf gegen Preissteigerungen bei Wohnen, Energie und Waren des täglichen Bedarfs – für eine gleitende Skala bei Löhnen, Renten und Arbeitslosengeld, um die steigenden Lebenshaltungskosten zu decken!

  • Massive Investitionen in Bildung, Gesundheit und soziale Dienste von angemessener Qualität und kostenlos für alle als Schritt zur Vergesellschaftung der Reproduktionsarbeit!

  • Lasst die Kapitalist:innen und die Reichen zahlen, um gleiche Rechte und gleichen Lohn zu gewährleisten!

Dies sind nur einige der Forderungen, die die Bedürfnisse der Frauen weltweit ansprechen. Sie sind wichtig, um Frauen aus der Arbeiter:innenklasse, der Bäuer:innenschaft, der Armen, junge und alte Menschen weltweit zu vereinen. Um den Kampf zu gewinnen, müssen die Frauen der Arbeiter:innenklasse an vorderster Front stehen, aber sie müssen von allen Lohnabhängigen aufgegriffen werden.

Wir müssen uns auch mit der Frage der Richtung, der Strategie und dem Ziel der Frauenbewegung auseinandersetzen, die wir aufbauen müssen. Soll es einfach nur ein Netzwerk und ein loses Bündnis sein – oder eine Einheitsfront, die auf Einigkeit und Engagement für die Verwirklichung vereinbarter gemeinsamer Ziele beruht? Soll es eine klassenübergreifende Bewegung sein, die effektiv von Frauen aus der Mittelschicht, der Intelligenz und einigen wohlwollenden bürgerlichen Frauen geführt wird – oder eine Frauenbewegung der Arbeiter:innenklasse?

Um einer globalen Frauenbewegung eine Führungsrolle zu geben, brauchen die Frauen der Arbeiter:innenklasse ihr eigenes Programm, ihre eigene Strategie – ein Aktionsprogramm, das die Kämpfe für die Befreiung von der Unterdrückung der Frauen mit dem  für eine globale sozialistische Revolution verbindet. Dafür benötigen wir eine internationale proletarische Frauenbewegung und eine neue, revolutionäre Fünfte Internationale, die für diese Rechte kämpft, nicht nur für heute, sondern als Schritt in eine Zukunft, in der sie nicht länger der scheinbar unveränderlichen Profitlogik des kapitalistischen Systems ausgeliefert sind.




Von der Verteidigung der Bewegung zur Revolution

Martin Suchanek, Fight! Revolutionärer Frauenzeitung 11, März 2023

Die Demonstrant:innen auf den Straßen, die Studierenden an den Unis, die Arbeiter:innen in vielen Betrieben verbinden seit Monaten Parolen wie „Jin, Jiyan, Azadi“ (Frau, Leben, Freiheit) mit dem Ruf nach dem Sturz des Regimes. Ihnen ist längst bewusst, dass es einer Revolution, einer grundlegenden Umwälzung bedarf, um ihr Ziel, die Gleichberechtigung der Frauen, ein Leben frei von islamistischer und patriarchaler Gängelung durchzusetzen. Entweder siegt die Bewegung, die Revolution oder die blutige Konterrevolution des Regimes.

Trotz der Repression im Herbst 2022 verbreiteten sich die Proteste wochenlang. Die Aktionen waren auf lokaler, universitärer und betrieblicher Ebene durchaus koordiniert, werden von illegalen oder halblegalen Gruppierungen geführt oder von Gewerkschaften, die sich in den letzten Jahren im Untergrund gebildet hatten. Aber die Bewegung besaß kein landesweites, alternatives Macht- und Koordinationszentrum, das den Apparat des Regimes paralysieren oder es gar mit diesem aufnehmen könnte.

In den letzten Wochen zeigt sich dieses Problem immer deutlicher. Die Konterrevolution hat die Initiative ergriffen, droht, die Bewegung im Blut zu ersticken.

Um das zu verhindern, braucht sie Kampfformen, die sie vereinheitlichen kann und die das gesamte Land erschüttern können – und das kann nur ein politischer Generalstreik zur Verteidigung der Bewegung und zum Sturz des Regimes sein.

Dieser würde nicht nur die Produktion und Infrastruktur des Landes lahmlegen und ökonomischen Druck ausüben. Die Arbeiter:innen müssten auch entscheiden, welche Produktion sie für die Versorgung der Menschen aufrechterhalten. Vor allem aber müsste ein solcher Generalstreik auch Kampforgane, Aktionskomitees schaffen, die sich auf Massenversammlungen stützen, die an den Räten der iranischen Revolution, den Schoras, anknüpfen würden.

Solche Organe wären natürlich nicht nur betriebliche Strukturen. Sie könnten ebenso gut an Universitäten, in den Stadtteilen und auf dem Land durch Massenversammlungen gewählt werden. Alle Unterdrückten, die Frauen, die Jugend, die nationalen Minderheiten würden darin einen zentralen Platz einnehmen. Die Bewegung würde so auf lokaler, regionaler und landesweiter Ebene zusammengeführt werden, faktisch zu einem Zentralorgan der Bewegung geraten.

Der Generalstreik würde dabei zugleich als Schutzschild gegen das Regime fungieren, indem er Formen der revolutionären Legalität durchsetzt, also Doppelmachtorgane schafft, die eine Alternative zum Staatsapparat darstellen.

Dazu braucht es notwendigerweise die Bildung von Schutzeinheiten für den Generalstreik selbst, von Arbeiter:innen- und Volksmilizen. Diese Politik müsste durch Aufrufe an die Soldat:innen ergänzt werden, dem Regime die Gefolgschaft zu verweigern, Soldat:innenräte zu bilden, die Offizierskaste zu entmachten, reaktionäre Kräfte zu entwaffnen und Arsenale für die Arbeiter:innenmilizen zu öffnen.

Dazu müsste die Arbeiter:innenklasse selbst jedoch nicht nur als soziale aktive Kraft hervortreten. Sie müsste der Bewegung nicht nur die Kraft zum Sieg verleihen, sondern sie bräuchte auch ein eigenes Programm, wie die Revolution vorangetrieben werden kann und welche neue Ordnung im Iran durchgesetzt werden soll.

Übergangsprogramm

Es braucht ein Programm, das die demokratischen Aufgaben und die soziale Frage revolutionär angeht, miteinander verbindet mit dem Ziel der Schaffung einer Arbeiter:innen und Bauern-/Bäuerinnenregierung, die die Revolution zu einer sozialistischen macht. Kernforderungen eines solchen Programms müssten sein:

  • Gleiche Rechte und volle Selbstbestimmung für alle Frauen! Abschaffung der reaktionären Kleidervorschriften und aller anderen diskriminierenden Gesetze!

  • Volle demokratische Rechte für die Jugend! Abschaffung aller reaktionären Vorschriften, die ihre geistige Betätigung, ihre Bewegungs- und Ausdrucksfreiheit beeinträchtigen!

  • Abschaffung der Zensur und aller Einschränkungen der Meinungs- und Publikationsfreiheit! Für die vollständige Trennung von Staat und Religion!

  • Selbstbestimmungsrecht für alle Nationen und Nationalitäten wie Kurd:innen, Belutsch:innen! Gleiche Rechte für Geflüchtete wie z. B. die 3 Millionen Afghan:innen!

  • Für eine verfassunggebende Versammlung, einberufen unter Kontrolle der revolutionären Massen und ihrer Organe in den Betrieben und Stadtteilen!

  • Sofortprogramm zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Armut! Mindestlohn und Mindesteinkommen für Arbeitslose, Jugendliche und Rentner:innen, um davon in Würde leben zu können, festgelegt von Arbeiter:innenausschüssen, ständig angepasst an die Inflation!

  • Massive Besteuerung von Unternehmensgewinnen und privaten Vermögen! Streichung der Auslandsschulden! Beschlagnahme aller Vermögen und Unternehmen der Mullahs, diverser regimetreuer halbstaatlicher Organisationen und Wiederverstaatlichung der an Günstlinge des Regimes privatisierten Unternehmen!

  • Arbeiter:innenkontrolle über die verstaatlichte Industrie und alle anderen Unternehmen!Entschädigungslose Enteignung der Großgrundbesitzer:innen, des Großhandels und der großen Industrie und Banken sowie der ausländischer Konzerne unter Arbeiter:innenkontrolle! Für ein Notprogramm zur Versorgung der Massen, zur Erneuerung der Infrastruktur und der Produktion gemäß den Bedürfnissen der Arbeiter:innen, Bauern/Bäuerinnen, der Frauen und der Jugend und ökologischer Nachhaltigkeit!

  • Schluss mit der Unterstützung des russischen und chinesischen Imperialismus und reaktionärer Despotien wie des Assadregimes! Keine Unterstützung der USA und anderer imperialistischer Staaten in der Region! Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf! Bündnis mit der Arbeiter:innenklasse, demokratischen und antiimperialistischen Kräften gegen ihre reaktionären Regierungen und imperialistische Intervention!

  • Zerschlagung des islamistischen Regimes und des reaktionären Staatsapparates! Für eine Arbeiter:innen- und Bauern-/Bäuerinnenregierung, die sich auf Räte und Milizen stützt, die herrschende Klasse enteignet und eine demokratische Planwirtschaft einführt!

  • Für die Ausweitung der Revolution! Für eine Föderation Sozialistischer Staaten im Nahen und Mittleren Osten!



Eine neue Friedensbewegung?

Susanne Kühn, Infomail 1412, 27. Februar 2023

Den Beginn einer neuen „Friedensbewegung“ verkündeten Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer bei der Kundgebung „Aufstand für den Frieden“ am 25. Februar. 50.000 Menschen wollen Ordner:innen gezählt haben. Die Polizei wiederum konnte nur 13.000 ausmachen. Die Wahrheit dürfte irgendwo in der Mitte bei 25.000 liegen.

Zweifellos ein Achtungserfolg, zumal die regierungsoffiziellen Ukrainesolidaritätsdemos nach offiziellen Berichte weniger Menschen – rund 10.000  – auf die Straße gebracht haben dürften.

Vorweg: Die Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung, mit den lohnabhängigen Massen, den Hauptopfern des imperialistischen Angriffskriegs Russlands, blieb letztlich bei beiden vor allem eine Beschwörungsformel, ein Lippenbekenntnis. Für die NATO, für die USA und auch für den deutschen Imperialismus bedeutet die „Solidarität“ mit den Ukrainer:innen nur einen Vorwand für die Verfolgung ihrer eigenen ökonomischen und geostrategischen Interessen in der Konkurrenz mit Russland.

Wagenknecht, Schwarzer und Co. vermögen den Ukrainer:innen auch nicht mehr zu bieten  als einen von den Großmächten ausgehandelten Frieden. Kein Wunder also, dass sie der ukrainischen Bevölkerung letztlich nicht viel mehr zu sagen haben, als dass ein halbkoloniales Land eben die „Sicherheitsinteressen“ der Großmächte zu akzeptieren habe.

Teilnehmer:innen

Nichtsdestotrotz verdeutlichen über 600.000 Unterzeichner:innen des „Manifest für den Frieden“ und der Mobilisierungserfolg der Kundgebung, dass sich die öffentliche Stimmung in Deutschland dreht. Der Kurs der Bundesregierung wird zu Recht für seine „unklare“ Zielrichtung, für sein widersprüchliches Schwanken zwischen offener Kriegstreiberei durch FPD und Grüne im Gleichklang mit den Unionsparteien und einer hinhaltenden SPD, die letztlich immer einknickt, kritisiert. Zu Recht wird bemängelt, dass der Westen selbst den Konflikt befeuert hat und natürlich versucht, Russland in die Schranken zu weisen.

Die 600.000 Unterzeichner:innen und rund 25.000 Teilnehmer:innen an der Kundgebung bringen berechtigte Sorgen zum Ausdruck. Zweifellos finden sich unter diesen auch Anhänger:innen der rechtspopulistischen AfD und neurechter Gruppierungen wie der Querdenker:innen. Doch diese machten sicher nicht das Gros der Kundgebung aus, von der offen faschistische Kräfte wie die Leute vom Compactmagazin auch lautstark verwiesen wurden.

Die deutliche Mehrzahl der Teilnehmer:innen kam allerdings aus den Reihen frustrierter oder ehemaliger Anhänger:innen von SPD, Grünen und Linkspartei, also jenen Kräften, die einst den Kern der Friedensbewegung ausmachten oder die Wagenknecht und Schwarzer zu einer neuen Friedensbewegung formieren wollen.

Neue Friedensbewegung

Ihr Ziel besteht darin, eine solche Friedensbewegung wieder aufzubauen. Als Bündnispartner:innen schweben ihnen dabei nicht die Rechte, auch nicht die AfD vor. Vielmehr zielen Wagenknecht und Schwarzer auf „respektable“ Bürgerliche wie den ehemaligen Brigadegeneral und Merkelberater Vad, der auch als einer der Hauptredner:innen der Kundgebung fungierte. Auch einer der Architekten der Schocktherapie der Restauration des Kapitalismus in Russland und Osteuropa, Jeffrey Sachs, kam als Redner zu Wort. Schließlich will der etwas moderater gewordene Neoliberale auch „Frieden“ für eine Ukraine, deren ökonomische Krise in den 1990er Jahren seine Politik massiv verschärft hatte.

Eine solche klassenübergreifende Friedensbewegung erinnert an die der 1980er Jahre. Sie hat auch dieselben Schwächen. Den russischen und US-amerikanischen Imperialismus benennen Wagenknecht und Schwarzer durchaus. Vom deutschen wollen sie aber nichts wissen. Schließlich werfen sie der Bundesregierung ja nicht die Verfolgung der nationalen, kapitalistischen Interessen vor, sondern dass sie dies viel zu wenig täte.

Daraus erklärt sich auch das Paradox ihrer Ausrichtung. Einerseits werden die Kriegstreiberin Baerbock und der „Panzer“-Toni Hofreiter ebenso wie der „Zauderer“ Scholz heftig kritisiert. Niemand dürfe ihnen vertrauen, wurden wir auf der Kundgebung ermahnt. Andererseits wird von derselben Regierung die Bildung „einer Allianz für einen Waffenstillstand und für Friedensverhandlungen“ gefordert – am besten in Zusammenarbeit mit Frankreich und der EU-Kommission, mit China und Brasilien. Am deutschen Verhandlungswesen soll die Welt genesen. Scholz, dem eine vollständige Unfähigkeit und Unzuverlässigkeit attestiert wird, soll federführend einen „Frieden“ herbeiführen, der alle Großmächte zufriedenstellt.

Dieses Konzept läuft letztlich bloß auf eine alternative, sozialpazifistische Ausrichtung des deutschen Imperialismus hinaus. Die ukrainische Bevölkerung und die russische Antikriegsbewegung dürfen nur als Verhandlungsmasse zu ihrem vermeintlich Besseren zusehen. Aber auch für die Arbeiter:innenklasse der imperialistischen Ländern sind nur Plätze auf den Zuschauerrängen vorgesehen. Als Akteur:innen, geschweige denn als prägende Subjekte einer Antikriegsbewegung sind die Lohnabhängigen bei Schwarzer und Wagenknecht nicht vorgesehen. Bei aller Kritik an der gegenwärtigen Politik der Regierungen soll die internationale Politik auch weiter von Großmächten unter Wahrung von deren Interessen bestimmt werden,

Eine solche Politik ist nicht nur rein bürgerlich. Sie ist auch vollkommen utopisch. Der Konflikt zwischen den alten, westlichen Mächten wie der USA oder auch Deutschland mit den „neuen“ wie Russland und China liegt in der Krise des Kapitalismus begründet, im Niedergang der US-Hegemonie und im Aufstieg Chinas. Zur Zeit wird er um die Ukraine ausgefochten, doch selbst ein imperialistischer Frieden wäre nicht nur reaktionär, weil er auf dem Rücken der ukrainischen Massen vereinbart werden würde, sondern auch nur von begrenzter Dauer, nur eine Zwischenstation zu einer weiteren Verschärfung der imperialistischen Konkurrenz.

Auf der Kundgebung haben die Gruppe Arbeiter:innenmacht und Genoss:innen der Jugendorganisation Revolution gemeinsam eine internationalistische, klassenkämpferische Perspektive vertreten und ein gemeinsames Flugblatt verteilt. Dessen letzten Abschnitt wollen wir hier noch einmal darlegen:

Welcher Frieden? Welche Bewegung?

Ein dauerhafter Frieden, der diesen Namen verdient, kann nicht durch diplomatische Manöver von Großmächten erzielt werden. Dazu müssten diese selbst ihre eigenen ökonomischen, politischen und militärischen Interessen zurückstellen, was angesichts des Kampfes um die Neuaufteilung der Welt und der schärfer werdenden globalen Konkurrenz einfach unmöglich ist. Der Imperialismus kann nicht friedlich gestaltet werden – weder in Russland, noch in den USA, aber auch nicht in Deutschland oder der EU.

Wir können uns daher nur auf uns selbst verlassen. Ein echter Frieden, eine gerechte Lösung für die Ukraine müsste die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts des Landes bei gleichzeitiger Wahrung der Selbstbestimmung der Volksrepubliken im Donbass und auf der Krim beinhalten.

Um aber überhaupt dorthin zu kommen, müssen wir eine internationale Bewegung gegen den Krieg und dessen Auswirkungen aufbauen; eine Bewegung der gemeinsamen Aktion der deutschen, der europäischen, der US-amerikanischen, der ukrainischen und russischen Arbeiter:innenklasse, der Gewerkschaften, der Linken und Arbeiter:innenparteien. Eine solche Bewegung muss sich um bestimmte, gemeinsame Forderungen formieren. Dazu schlagen wir vor:

  • Nein zu Putins Angriffskrieg! Sofortiger Abzug der russischen Armee! Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung, Anerkennung ihres Rechts auf Selbstverteidigung gegen die Invasion!

  • Solidarität mit der Antikriegsbewegung und der Arbeiter:innenklasse in Russland; Verbreitung der Aktionen gegen den Krieg; Freilassung aller Festgenommenen!

  • Aufnahme aller Geflüchteten, Bleibe- und Staatsbürger:innenrechte für alle – finanziert durch den Staat; Integration der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt, Aufnahme in die Gewerkschaften!

  • Nein zu jeder NATO-Intervention! Gegen jede Aufrüstung, NATO-Truppenverlagerungen und Waffenlieferungen! Gegen NATO-Ausweitung, sofortiger Austritt aus der NATO!

  • Keinen Cent für die Bundeswehr! Nein zum 100-Milliarden-Programm der Ampelkoalition! Verstaatlichung der Rüstungsindustrie und Konversion unter Arbeiter:innenkontrolle!

  • Nein zu allen Sanktionen! Streichung der Schulden der Länder der sog. Dritten Welt, die durch die Sanktionen in wirtschaftliche Not geraten sind!

  • Die Kosten für die Preissteigerung müssen die Herrschenden zahlen! Enteignung des Energiesektors und anderer Preistreiber:innen unter Arbeiter:innenkontrolle!

  • Unterstützung der Tarifkämpfe der Gewerkschaften! Für eine automatische Anpassung der Löhne und Einkommen an die Preissteigerung für alle Beschäftigten, Rentner:innen, von Erwerbslosen und Studierenden!“



Wirtschaftskrise und politische Instabilität: Politisch-Ökonomische Perspektive 2023

Arbeiter*innenstandpunkt, Infomail 1214, 19. Februar 2023

Stagflation und instabile Regierungskoalition 2023

2023 wird die österreichische und europäische Wirtschaft in eine Rezession bei gleichzeitigen hohen Inflationsraten eintreten. Das ist die logische Folge aus schon länger fallenden Industrie-Profitraten und der gestiegenen Unsicherheit in Produktion und Kapitalverwertung. Diese Einschätzung teilen auch die wichtigsten bürgerlichen Wirtschaftsforschungsinstitute, das WIFO schreibt: „Nach der kräftigen Expansion im 1. Halbjahr 2022 befindet sich die österreichische Volkswirtschaft mittlerweile in einer Abschwungphase. Die Konjunkturabschwächung betrifft sämtliche Wertschöpfungsbereiche; das verarbeitende Gewerbe dürfte sogar in eine Rezession schlittern.“[1], und spricht von Stagflation.[2] Das Institut für Höhere Studien IHS prognostiziert für 2023 ein Wachstum von nur 0,3 % bei einer Inflationsrate von 8,6 %.[3] Die EU Kommission prognostiziert 2023 eine Rezession im gesamten Euro-Raum.[4]

Der Wirtschaftsabschwung 2023 hat denselben Hintergrund wie die Hochinflation 2022. Die Profitrate, also das Verhältnis von Profit zur Gesamtinvestition in Maschinen, Arbeitskraft, Miete usw., in der Industrie geht bereits seit Jahren zurück, was 2020 schon vor der Corona-Pandemie zu einem beginnenden Abschwung geführt hat. Der wurde dann aber von den Lockdownfolgen „überholt“ und aufgenommen. Am grundlegenden Problem (der Überakkumulation, siehe später im Text) hat sich aber nichts geändert, weil die in kapitalistischen Krisen übliche Vernichtung von Kapital durch Staatshilfen ersetzt wurde.

Fallende Profitraten befeuern auch die Inflation. Inflation ist im Großen die Summe aus individuellen Firmenentscheidungen, Preise zu erhöhen. Wenn ein:e individuelle:r Kapitalist:in auf zahlungsfreudige Nachfrage trifft, kann sie entscheiden mehr zu produzieren, oder mehr Geld zu verlangen. In einer unsicheren Wirtschaftssituation werden Kapitalist:innen eher die Preise erhöhen, statt zu investieren, und selbst die Firmen, die diese Entscheidung selber nicht getroffen hätten, „machen mit“ (blöd wären sie, wenn sie sich das entgehen lassen würden). Aber höhere Preise für dieselbe Warenmenge bremsen auch die Kapitalakkumulation, also die Verwandlung von Kapital in mehr Kapital durch Wieder-Investition. Eine Situation, in der die Kapitalakkumulation nicht funktioniert, läutet die Rezession ein, auch wenn einzelne Branchen noch hohe Profite machen.

Kapitalakkumulation funktioniert in drei Schritten: Aus Geld werden Waren (Produktionsmittel und Arbeitskraft), aus diesen Waren im Produktionsprozess andere Waren (die fertigen Produkte), und diese Waren werden zu mehr Geld gemacht (die Verwertung des Kapitals). Wenn einer der drei Übergänge ernsthaft unterbrochen wird, stockt die Akkumulation des Kapitals, eine Krise bricht aus. Die Kombination aus Corona, Klimakrise und Krieg hat an allen drei Übergängen Sand ins Getriebe geworfen.

Der Einfluss durch die globale Pandemie, die Auswirkungen der Klimakrise und den russischen Angriffskrieg in der Ukraine ist besonders und zum Beispiel anders als die Krisendynamik der Finanzkrise ab 2008. Lockdowns in Produktionsstätten, Überschwemmungen und Dürren stören die Produktion, also die Verwandlung von Vorprodukten in Waren. Geschlossene Häfen und abgebrochene Wirtschaftsbeziehungen unterbrechen globale Produktionsketten, die in den vergangenen Jahrzehnten erfolgreich eingesetzt wurden, um den tendenziellen Fall der Profitraten zu bremsen. Generell führt die neue imperialistische Blockbildung zu einer Art De-Globalisierung, und unterläuft damit das Geschäftsmodell vieler imperialistischer Staaten. Das gilt auch für Österreich, dessen Bank- und Handelskapital eng mit den Balkanstaaten und Russland verwoben ist.

Eine Rezession wird zu Entlassungswellen und einem Einbruch der Arbeiter:inneneinkommen führen. Wenn wir aus der Erfahrung der Coronakrise schließen, werden die europäischen Regierungen rasch und schnell mit Subventionen eingreifen, die vor allem den Kapitalist:innen zugutekommen. Um die Verteilung der Krisenkosten wird wohl nicht mehr dieses Jahr gekämpft werden, die Regierung wird aber in der Zukunft auf Austerität, also Sparpolitik, und Deregulierung des Arbeitsrechts setzen. Insofern wird 2023 wohl von der Rezession und Abwehrkämpfen am Arbeitsplatz, aber noch nicht von Austerität und Widerstand dagegen geprägt sein. Dabei ist auch zu beachten, dass die Kosten für die Corona-Hilfen auch weiterhin stark auf den Regierungen lasten und noch nicht wieder zurückgeholt werden konnten. Das ist sicher auch einer der Gründe für die Unsicherheit im Handeln der jetzigen Regierung.

Die türkis-grüne Koalition ist instabil und angreifbar. Sie hat in den Umfragen massiv an Zustimmung verloren, die Minister:innen werden nicht anerkannt und die beiden Parteien streiten heftig, miteinander und intern. Das macht sie nicht weniger klassenbewusst (für die herrschende Klasse), sie verliert die Perspektive als „ideelle Gesamtkapitalistin“ aus dem Blick, weil der eigene Machtverlust bedrohlicher ist. Sie kann derzeit schon durch vergleichsweise wenig Druck auf der Straße und in den Betrieben zum Einlenken gezwungen werden.

Gleichzeitig setzt die ÖVP in solchen Fällen auf offenen Rassismus (Sachslehner: „Jeder Asylantrag ist einer zu viel“) und staatliche Schikanen vor allem gegen Asylwerber:innen. Auch die SPÖ hat nach der Wahl im Burgenland einen Kurs des offen hetzenden Rassismus eingeschlagen (Rendi-Wagner: „Wir haben ein Migrationsproblem“).

Die sozialdemokratische Opposition ist seit dem Abtreten von Sebastian Kurz schwach und fast handlungsunfähig. Ihre Strategie, die Regierung durch Untersuchungsausschüsse unter Druck zu setzen hat nicht funktioniert. Sicher auch deshalb, weil die ÖVP die Geschäftsordnung und Medienlandschaft geschickt navigiert, aber auch weil der Ausschuss-Fokus der SPÖ von Anfang an eine Vermeidungsstrategie war, um nicht auf die eigene Mitgliedschaft, die Betriebe, oder außerparlamentarische Oppositionsarbeit zurückzugreifen. Unter dem Eindruck von Krieg und Hochinflation arbeitet die Bundespartei als „loyale Opposition“, die Verbesserungsvorschläge macht und die langsame Umsetzung kritisiert. Die SPÖ präsentiert kein Alternativprogramm zur Regierungslinie und macht folgerichtig auch keinen Druck auf Neuwahlen oder wirksamen politischen Widerstand. Die Neuwahlen können natürlich trotzdem kommen, aber aus der Instabilität der Regierungskoalition wird sie den Sozialdemokrat:innen eher „passieren“.

In dieser Situation ist eine Annäherung der Nehammer-ÖVP an Kickl und die FPÖ möglich. Die Parteien stimmen in weiten Teilen ihrer Krisenpolitik überein, die aus rassistischer Spaltung und Politik im Sinne der Reichsten besteht. Die soziale Rhetorik der FPÖ ist auch nicht teurer als die Forderungen des Gewerkschaftsflügel in der SPÖ (als mögliche Alternative). Es ist nicht gesagt, dass die türkis-grüne Koalition platzen wird, sie ist aber viel Druck ausgesetzt. Eine Neuauflage des schwarz-blauen Rechtsblocks und seiner radikalen Angriffe auf die Arbeiter:innenklasse ist also durchaus im Bereich des Möglichen.

Es gibt keine tragfähige und politisch denkbare Koalition ohne ÖVP, es ist aber eine neue große Koalition mit einer deutlich nach rechts rückenden SPÖ denkbar. Das beschleunigt auch die Tendenzen innerhalb der ÖVP, die grüne Koalitionspartnerin anzugreifen.

Zusammengefasst ist die politische Ökonomie seit 2020 von den gleichzeitigen Auswirkungen der Gesundheitskrise, Klimakrise und der imperialistischen Zuspitzung geprägt. Daraus entstehen recht komplizierte Wechselwirkungen zwischen Produktion und Verwertung, die die kommende Rezession vertiefen werden.

Ausgangslage: Lockdowns und kapitalistische Reproduktion

Die grundlegende ökonomische Dynamik im Kapitalismus ist die Akkumulation von Kapital, die Marxist:innen in den „Reproduktionsschemata“ darstellen. Kapitalist:innen tauschen Kapital in Geldform (oft zumindest teilweise als Kredit) für Waren, besonders Produktionsmittel, Vorprodukte und Arbeitskraft. Wenn die im Produktionsprozess zusammenwirken, entstehen neue (andere) Waren. Werden diese verkauft, hält der/die Kapitalist:in am Ende wieder Kapital in Geldform in der Hand, im Idealfall mehr als am Anfang (die Verwertung des Kapitals). In einer nächsten Runde wird dieses Geld wieder in mehr Kapital investiert, dadurch vermehrt sich das gesellschaftliche Kapital ständig („Kapitalakkumulation“). Abgekürzt wird das als Geld – Ware – andere Waren – mehr Geld oder G – W – G‘ dargestellt.

Die Kapitalakkumulation ist der grundlegende Motor der kapitalistischen Entwicklung. Sie hat die Warenproduktion (W – W‘), die Kapitalverwertung (W‘ – G‘) und die Wieder-Investition (G‘ – W) als notwendige Bestandteile.

Im Produktionsprozess sinkt aber die Profitrate auf mittlere Sicht, weil bei beschleunigter Akkumulation immer mehr Kapital auf dieselbe Arbeitskraft kommt und damit weniger Mehrwert pro eingesetztem Kapitalstock entsteht. Eine Gegenstrategie (von mehreren) zur fallenden Profitrate ist die Beschleunigung des Kapitalumschlags (der Zeit zwischen G und G‘) durch reibungslose Logistik, globale Produktionsketten, aber auch kurzfristig verfügbaren Krediten.

Die Lockdowns ab 2020 haben diese beschleunigte Reproduktion immer wieder unterbrochen. Am offensichtlichsten war das anhand von geschlossenen Fabriken, aber auch großen chinesischen Häfen und Zusammenbrüchen in Containerschiffahrt oder LKW-Transporten. Die Zerstörung mehrerer russisch-europäischer Gaspipelines und die Einschränkung der Lieferungen durch die Pipelines in der Ukraine, aber auch die Sanktionen und Lieferembargos im Rahmen des Kriegs schlagen in dieselbe Kerbe.

Niedriginflation nach 2008, Hochinflation ab 2022

Nach der globalen Wirtschaftskrise ab 2008 folgte eine lange Zeit der Niedriginflation in den imperialistischen Zentren. Die von den Zentralbanken angestrebte Durchschnittsinflation von 2 % wurde nicht erreicht, das mit „unorthodoxer Geldpolitik“ günstig verborgte Geld kam nicht über die Banken hinaus. Statt in der Konsum- oder Investitionsnachfrage landeten die Zentralbank-Milliarden an den Börsen (wo es tatsächlich zu einer Preisexplosion von Finanzprodukten, also asset inflation kam). Die Niedriginflation war eine Krisenfolge und führte zu tatsächlichen Problemen in der Kapitalakkumulation. Gleichzeitig muss gesagt werden, dass in den „Minwarenkörben“ der Arbeiter:innen sehr wohl Inflationsraten jenseits der 2 % erreicht wurden, einige neokoloniale Länder sogar in die Hyperinflation gingen.

Auf den Einbruch 2020 und den Kriegsbeginn 2022 folgte dafür eine Hochinflationsperiode. Die Preise hatten bereits ab 2021 deutlich an Fahrt aufgenommen. Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine und dem begleitenden Wirtschaftskrieg kam ein Preisschock auf den Energiemärkten dazu. Die liberalisierten Strom- und Gasbörsen auf dem Weltmarkt breiteten diesen Schock in alle Wirtschaftsbereiche aus.

Sowohl die Niedrig- als auch die Hochinflation zeigen systematische Probleme im Kapitalismus auf. Sie sind aber nicht für die Krise verantwortlich, sondern umgekehrt die Folge von erst niedrigen Profitraten und anschließend hoher Unsicherheit bei den erwarteten Profitraten. Die Antwort der Regierungen, besonders in den USA, ist eine Rezession einzuleiten, um die Konsumnachfrage zu schwächen. Die Inflation ist aber nicht durch „heißgelaufene“ Nachfrage ausgelöst worden und wird nicht im erhofften Ausmaß fallen. Trotzdem ist die Leitzinserhöhung ein wirkungsvoller Angriff, um die Krisenkosten auf unsere Schultern zu verteilen.

Neue Blockbildung und Positionierung der für den österreichischen Imperialismus zentralen Balkanstaaten

Nicht erst seit dem Krieg zeigt der weltweite Kapitalismus eine Tendenz zur Deglobalisierung. Das liegt einerseits an der neuen Blockbildung, grob zwischen den Polen USA/EU und China/Russland sowie den entstehenden Wirtschaftskriegen. Der zeitweise, wiederholte Zusammenbruch der internationalen Logistik, erst durch Ölpreisschwankungen Anfang 2020, dann durch Lockdowns, beschleunigte diese Tendenz. Die neue US-Administration führt hier im Großen und Ganzen die Trump-Politik einer weiteren Konfrontation mit China fort. Änderungen sind hier vor allem in Bezug auf 1) einen gemeinsamen Ansatz mit seinen traditionellen Verbündeten (EU, GB, Japan, Australien) aber auch neuen Verbündeten (Indien), 2) Zuspitzung auf zielgerichtetere Maßnahmen (Chips-Embargo statt Einfuhrzöllen). Im militärischen Bereich gibt es hingegen die größten Kontinuitäten (Quad, mögliche Verteidigung Taiwans gegen Angriff, etc.).

Die Blockbildung zieht sich aber auch durch Ost- und Zentraleuropa, für den österreichischen Imperialismus zentrale Regionen. Das österreichische Kapital konnte sich überhaupt erst durch den Zusammenbruch der stalinistischen Staaten und gezielte Investitionen des Bank- und Handelskapitals von Deutschland unabhängig machen. Bis heute ist Österreich am Balkan, in Zentraleuropa und in Russland über-exponiert. Das hat bereits 2011 zu massiven Verlusten österreichischer Banken geführt, als ein Rückzahlungseinbruch am Balkan mit der Rubelkrise zusammenfiel. Die teilweisen Versuche Russlands, serbische und ungarische Nationalist:innen auf ihre Seite zu ziehen, werden die Lage für das österreichische Kapital weiter anspannen und Angriffe auf die Arbeiter:innen zur Folge haben.

Bestandaufnahme: österreichische Wirtschaft 2022

2021 und 2022 hat das österreichische Kapital hohe Wachstumsraten erzielt. Das Bruttoinlandsprodukt ist um jeweils fast 5 % gestiegen. Der Arbeitsmarkt hat sich so weit erholt, dass es 2022 sogar zu einer Arbeitskräfteknappheit kam. Diese erstreckt sich von angelernten Niedriglohnberufen bis zu Facharbeiter*innen, ist also ein gesamtgesellschaftliches Phänomen.

Das Wachstum war aber von Aufholeffekten getragen. 2021 produzierte die Industrie mehr als 2020, weil damals Fabriken und Transportwege teilweise geschlossen waren. 2022 waren es Tourismus und Hotellerie, die im Vergleich zu den Lockdownmonaten höhere Einnahmen hatten. Der Einbruch 2020 ist damit aber nicht ausgeglichen, wobei die staatlichen Hilfszahlungen hier viele Unternehmen vor der Insolvenz retten konnten. Das bedeutet aber auch, dass die Ursachen der Rezession, nämlich Überakkumulation und niedrige Profitraten, weiter auf den Ausbruch warten. Die Bruttoinvestitionen und der Privatkonsum sind 2022 bereits zurückgegangen.

Die österreichischen Banken sind gleichzeitig überexponiert, also hohem Risiko ausgesetzt, vor allem durch die Investitionen in Ost- und Zentraleuropa sowie Russland. Ein plötzlicher Einkommensverlust bei Facharbeiter:innen könnte außerdem die Kreditrückzahlung bei Hypotheken in Wanken bringen. Gleichzeitig scheinen die europäischen Regulierungsbemühungen nach 2008 bei den österreichischen Geschäftsbanken schon zu Veränderungen geführt zu haben. Die Eigenkapitalquote ist, bis auf Kleinstbanken wie im berüchtigten Mattersburg, relativ stabil. Das wird nicht ausreichen, wenn es eine gesamtwirtschaftliche Krisendynamik gibt (das zeigt auch die jetzt schon langsamere Kreditvergabe). Derzeit deutet aber nichts darauf hin, dass diese in Österreich vom Bankensektor ausgehen würde.

Eine globale Finanzkrise ist aber durchaus im Rahmen des Möglichen. 2022 gab es Liquiditätsprobleme und sogar Insolvenzen bei Energieunternehmen, die auf liberalisierten Strom- und Gasmärkten ähnlich wie Finanzinstitute agieren. Gleichzeitig kam es an den großen Aktienbörsen zu einem anhaltenden Kursverfall im ersten Halbjahr 2022, und die Kryptowährungs-Börsen erlebten Zusammenbrüche. Sowohl bei der Deutsche Bank, Credit Suisse als auch bei Blackrock wurden Finanzierungslücken öffentlich. So kann bei fallenden Finanzrenditen die Blase platzen und zu einem „Lehman Moment“ wie 2008 führen, also dem ersten großen Bank-Dominostein, der umfällt. Egal ob die Krise vom Finanzsektor ausgeht oder der Finanzsektor als Multiplikator darunter liegender Krisendynamiken funktioniert, wird mit der Rezession ab 2023 auch eine Finanzkrise einhergehen. Die Banken werden keinesfalls stabilisierend wirken können, sondern im Gegenteil die Geschwindigkeit der Krisenentwicklung weiter anheizen.

Türkis-Grüne Umverteilungsmaschine

Die türkis-grüne Regierung ist in allererster Linie instabil. Die beiden Parteien halten sich aneinander fest, für die ÖVP geht es um den Machterhalt nach dem Zusammenbruch von Schwarz-Blau, für die Grünen um die erstmalige Regierungsbeteiligung. Die politische Schnittmenge der Koalition ist gering.

Im Gegensatz zur rot-schwarzen großen Koalition sind aber bei türkis-grün die Arbeiter:inneninteressen nicht einmal mehr indirekt vertreten. Der Einfluss der Gewerkschaften im SPÖ-Parlamentsklub hat die Klasse zwar politisch gelähmt, aber sie waren nie bereit ihre grundlegenden Interessen aufzugeben. Worauf sich ÖVP und Grüne einigen können, ist eine breite Bereitstellung von Staatsmitteln an das Kapital, mit Detailfragen zu Klein- oder Großkonzernen und wie wichtig der Öko-Fokus bei den Förderungen sein soll. Außerdem wissen die Grünen, dass ihr nächstes Wahlergebnis davon abhängt, wie glaubwürdig sie ihre soziale Rhetorik formulieren.

Türkis-grün wird medial und von der Opposition vor allem als zurückhaltend und inkompetent dargestellt. Tatsächlich hat die Regierung aber als Umverteilungsmaschine von unten nach oben effektiv funktioniert. Das zeigt sich am Wachstum der Profite durch COFAG-Hilfen bei gleichzeitigen Reallohnverlusten, der Preistreiberei staatlicher Energiekonzerne (zugunsten der privaten Minderheits-Shareholder) und auch an den Vorschlägen für Verschärfungen im Arbeitslosenversicherungs- und Pensionsgesetz (auf die sich die Koalitionspartnerinnen aber nicht einigen konnten).

Für direkte Angriffe auf die Arbeiter:innenklasse ist die Koalition derzeit aber zu schwach. Auch wenn die Bundes-SPÖ desorganisiert ist, haben die Gewerkschaften mit Warnstreiks und der Mobilisierung für Preissenkungen im Herbst klar gemacht, dass sie noch Kampfmittel haben. Daraus erklärt sich auch die Zurückhaltung bei Erzwingungsstreiks bei den Kollektivvertragsverhandlungen, eine Mobilisierungsniederlage hätte diese Drohung abgeschwächt.

Auch eine Neuauflage der großen Koalition ist denkbar, für die ÖVP und die hinter ihr stehenden Kapitalfraktionen aber weniger attraktiv als Schwarz-Blau und Schwarz-Grün. Diese Koalition würde den Rechtsruck der SPÖ weiter beschleunigen, die parteiinternen Konflikte beruhigen aber hinter der Fassade weiter zuspitzen. Eine SPÖ, die die Krisenausterität mitträgt, würde die Gewerkschaft nachhaltig schwächen, aber oppositionelle Kräfte in ihr stärken.

Die Instabilität der Koalition geht aber mit einem entschlossenen Kurs einher. Beide Parteien wollen dringend an der Macht bleiben, für die Grünen steht perspektivisch mal wieder die Existenz im Parlament, für die ÖVP das Umkrempeln der Partei nach Mitterlehner auf dem Spiel. Vor allem wollen sie ihre Kern-Kapitalfraktionen an sich binden, die sich wegen dem Tumult der letzten Jahre auch auf andere Kräfte (vor allem NEOS und FPÖ) orientieren könnten.

Wenn Nehammer und Kogler gemeinsam an der Macht bleiben, werden sie in die Offensive gehen müssen. Zerbrechen sie an dieser Herausforderung, droht eine neue Rechtsblock-Regierung.

Schwache Opposition

Die parlamentarische linke Opposition wird in Österreich vor allem von der Sozialdemokratie gestellt. Sie hatte bis in die 1990er-Jahre eine entscheidende Rolle im Aufbau und der Verwaltung des österreichischen Kapitals. Wegen der zentralen Rolle der verstaatlichten Industrie übernahm die Verwaltungsbürokratie die unterstützende Rolle, die andere Kapitalfraktionen für normale bürgerliche Parteien einnehmen. Damit hatte die SPÖ eine soziale Basis sowohl in der organisierten Arbeiter:innenklasse als auch im Management der Kernindustrien. Die ideologische Entsprechung war die Sozialpartner*innenschaft mit jährlichen Lohnverhandlungen und hoher kollektivvertraglicher Abdeckung als Abstimmungsmechanismus.

Die ökonomische Grundlage der Sozialpartner:innenschaft war die historische Schwäche des österreichischen Kapitals nach dem zweiten Weltkrieg. Sie war kein Zugeständnis an eine besonders kämpferischen Arbeiter:innenklasse, sondern ein Einbinden in die nationale Akkumulationsstrategie. Nachdem die ganz gut funktionierte und das österreichische Kapital ab 1990 sogar eigenständig imperialistische Bestrebungen durchführen konnte fiel die ökonomische Basis der Sozialpartner:innenschaft weg. Der Zusammenbruch der stalinistischen Staaten in Ost- und Zentraleuropa schuf einen Nährboden für einen eigenständigen österreichischen Zusammenbruch, gleichzeitig fiel die „Systemalternative“ weg, die viele Zugeständnisse motiviert hatte. Firmen haben, bis auf Ausnahme- und Krisensituationen, kein Interesse mehr an Sozialpartner:innenschaft, die entsprechenden Rechtsformen und die Ideologie existieren aber weiterhin.

Die Sozialdemokratie orientiert sich also weitgehend an einem Gesellschaftsentwurf, den es nicht mehr gibt. Ihre Strategie in der Regierung und in der Opposition ist die Befriedung von Klassenkämpfen bei gleichzeitiger Verlangsamung von Verschlechterungen für die eigene soziale Basis. Ihre programmatische Stoßrichtung ist aber leer und die Partei kommt auch deshalb nicht aus ihrer Krise heraus. Angesichts einer rechten Wähler:innenmehrheit bedeutet das einen massiven Bedeutungsverlust der Sozialdemokratie seit dem Zusammenbruch der stalinistischen Staaten.

Die parlamentarische Opposition hat das dadurch entstehende Vakuum nicht füllen können. Die KPÖ ist, bis auf die Steiermark, zu schwach, um ihr eigenes linksreformistisches Programm verwirklichen zu können. Noch weniger ist sie in der Lage, eigene Kämpfe gegen die Regierung zu führen oder effektiv auf die parlamentarische Ebene zu tragen.

Die Grünen als bürgerliche Partei konnten nach dem Aufflammen der Klimaproteste im ersten Halbjahr 2019 bei den Wahlen im Herbst 2019 deutlich profitieren – vor allem auf Kosten der SPÖ. Doch mit dem Regierungseintritt Anfang 2020 verlor einerseits die breite Klimabewegung an Fahrt (vielmehr ging der Fokus nach einer Pandemie-Pause auf radikalere, aber kleinere Aktionsformen über), andererseits enttäuschten die Grünen in der Regierung mit ihrer zaghaften Klimapolitik.

Aber auch die außerparlamentarische Opposition ist gleichzeitig schwächer geworden, statt den Bedeutungsverlust des Reformismus für sich zu nutzen. Wir haben es nicht geschafft, einen Fuß in die Tür zu den Gemeindebauten und Arbeiter*innenbezirken zu bekommen, als sie langsam hinter der SPÖ zugegangen ist. Zu keinem Zeitpunkt wurde außerparlamentarischen Gruppen das Vertrauen entgegengebracht, dass die SPÖ zu ihren Hochzeiten genoss, nämlich die Anliegen der Arbeiter:innen und Erwerbslosen effektiv zu vertreten.

Aber auch die klassische Rolle der außerparlamentarischen Linken, gegen die richtigen Dinge zu protestieren und scharfe Kritik zu äußern, hat sie in der Bevölkerung verloren. Gegen den Aufstieg der FPÖ, gegen Rassismus und auch gegen die eskalierende Klimakrise hatten wir noch Antworten mit Massenwirkung gefunden, auch wenn sie nicht mehrheitsfähig waren. Wir haben es aber nicht geschafft, auf Pandemiepolitik und Krieg Antworten zu finden, die breiter in der Arbeiter:innenklasse oder den fortschrittlichsten Schichten verankert wären. Die Mobilisierungsfähigkeit der radikalen Linken und der linken „Zivilgesellschaft“ ist 2022 massiv gesunken. Das ist ein ordentliches Problem, wenn wir uns auf ein Jahr der Abwehrkämpfe vorbereiten.

Perspektiven

Die Weltwirtschaft wird 2023 in eine Rezession übergehen, bei weiterhin hoher Inflation in den imperialistischen Zentren. Die ist durch die Unsicherheit in der Kapitalakkumulation getrieben, die wiederum auf den Krieg, die Pandemie, und Auswirkungen der Klimakrise zurückgeht. Das wird Österreich besonders betreffen, weil die Abhängigkeit von Energie aus Russland, und der wirtschaftlichen Entwicklung Osteuropas besonders groß ist. Das österreichische Bankensystem ist in Gebieten überexponiert, die von der neuen Blockbildung betroffen sind, wirkt aber stabil genug um nicht der Auslöser einer tiefen Krisendynamik zu sein.

Die Regierungskoalition ist instabil, sie muss sich gleichzeitig um das Vertrauen von entscheidenden Kapitalfraktionen und ein Mindestmaß an Zustimmung aus der Bevölkerung bemühen. In dieser Konstellation rechnen wir nicht mit breiten Angriffen auf die Arbeiter:innenklasse, aber großzügigen Mitteln für das Kapital und Umverteilung von Unten nach Oben. Einzelne scharfe Verschlechterungen, beispielsweise bei Erwerbslosen und rassistische Angriffe sind aber zu erwarten. Außerdem wird 2023 bestimmt ein Sparpaket vorbereitet und eventuell schon stückchenweise umgesetzt werden.

Die rechte Opposition um FPÖ und NEOS wird weiter stärker werden, sie bündelt auch effektiv die Unzufriedenheit in verschiedenen Teilen der Bevölkerung.  Ein Koalitionsbruch mit kurzem „freiem Spiel der Kräfte“ und anschließender Rechtsblock-Regierung ist eine reale Gefahr.

In dieser Situation werden sich auch die Konflikte innerhalb der SPÖ zuspitzen, die im Niedergang der Sozialpartner:innenschaft keine strategische Orientierung mehr hat. Durch den rassistischen Rechtsruck der Parteiführung sind Konflikte mit den Jugendorganisationen wahrscheinlich. Aber auch in den Gewerkschaften kann ein Streit über die Ausrichtung der eigenen Arbeit und die fehlende Kampfbereitschaft der Führung entstehen.

Kommunist:innen und Revolutionär:innen starten also mit großen Aufgaben und wenigen Ressourcen ins Jahr 2023. Um überhaupt außerparlamentarisch wirkmächtig zu werden, müssen sie eine stringente Analyse der Periode weiterentwickeln und klare Antworten auf die Fragen von Inflation und Krieg geben. Wir müssen außerdem klären und erklären, welches Feindbild in dieser Situation angegriffen werden kann – die Umverteilungsregierung, die Überprofit-Konzerne und die rechten Hetzer:innen.

In den kommenden Auseinandersetzungen, wie schon bei den rotesten um die Kollektivvertragsverhandlungen 2022, können wir den Kontakt zu organisierten Arbeiter:innen aufbauen und Zusammenarbeit mit gewerkschaftlichen Strukturen suchen. Auch die sich radikalisierende Klimabewegung und antirassistische Mobilisierungen sind Felder, wo gemeinsamer Protest und kritische Diskussionen notwendig sind.

Die immer tieferen, immer komplexeren Krisen des Kapitalismus zeigen auf, dass es eine Alternative zum bestehenden System braucht. Das bedeutet nicht nur, eine Alternative zum Kapitalismus zu entwerfen, sondern auch Organisationsformen und eine Partei aufzubauen, die die Unterdrückten vereint und mit der sie erfolgreich siegen können. In Österreich bedeutet das, den Kräften links der reformistischen Organisationen ein revolutionäres Programm vorzulegen, und sie in der gemeinsamen Aktion von einer revolutionären Methode zu überzeugen.

Endnoten

[1] WIFO Presseaussendung am 7. Oktober 2022. „Stagflation in Österreich. Prognose für 2022 und 2023.“

[2] Stagflation ist ein Begriff aus der Volkswirtschaftslehre. Bürgerliche Ökonom*innen gehen davon aus, dass Inflationsraten gedämpft werden wenn die Wirtschaft schrumpft, weil die sinkende Nachfrage auch die Preise dämpft. In den Ölpreiskrisen der 1970er-Jahre hat dieses „Patentrezept“ (das auf Kosten von Arbeitsplatzverlust und Sozialabbau geht) versagt, weil die Inflation weder von Konsum- und auch nicht von Investitionsnachfrage getrieben wurde. Von damals stammt auch das Wort Stagflation.

[3] IHS Presseinfo am 6. Oktober 2022. „IHS-Direktor Klaus Neusser zur Herbstprognose der österreichischen Wirtschaft 2022–2023: „Wir kommen mit ein paar Schrammen gut durch den Winter.“

[4] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/konjunktur/eu-kommission-herbstprognose-bip-inflation-101.html




Arbeiter:innenklasse, Gewerkschaftsbürokratie und Klassenbewusstsein

Mattis Molde, Neue Internationale 271, Februar 2023

Warum ziehen es die Gewerkschaften vor, sich mit Kanzler und Kapital an den Tisch zu setzen, statt auf der Strasse zu mobilisieren? Warum dürfen streikbereite Metaller:innen nicht streiken?

Die Krise der Gewerkschaften nahm in den letzten Jahren neue Dimensionen an. Sie erweisen sich hierzulande zunehmend als unfähig, die Reallöhne zu sichern. So führte die hohe Inflation im 3. Quartal 2022 zu einem Reallohnrückgang von durchschnittlich 5,7 %. Auch das gesamte Jahr war lt. Statistischem Bundesamt von einer solchen Entwicklung geprägt: 4. Quartal 2021: – 1,4 %, 1. Quartal 2022: – 1,8 %, 2. Quartal 2022: – 4,4 %.

Für 2020 (minus 1,1 %) und 2021 (- 0,1 %) weist das Bundesamt bereits einen Rückgang aus. Aber auch im Jahrzehnt davor bewegen sich die Reallohnzuwächse zwischen Stagnation und maximal 2 % (2015 und 2016).

Natürlich gab es nicht nur Niederlagen. In einzelnen Bereichen wie bei den Krankenhäusern oder auch in einzelnen Betrieben konnten durchaus vorzeigbare Teilerfolge verzeichnet werden. Aber an der allgemeinen Entwicklung ändert das leider nichts. Das betrifft nicht nur Löhne und Einkommen, sondern auch Arbeitsbedingungen, Schließungen und Personalabbau. Gerade wenn sie am meisten gebraucht werden, erweisen sich die Gewerkschaften als stumpfe Waffen.

Die Führungen der DGB-Gewerkschaften tragen dafür die politische Hauptverantwortung. Doch warum halten sie in Zeiten der Krise so verbissen an einer Politik der Sozialpartner:innenschaft, der Klassenzusammenarbeit und des Burgfriedens mit Kapital und Kabinett fest, die seit Jahrzehnten zu immer schlechteren Ergebnissen führt? Warum vermögen sie, weiter die Kontrolle über die Klasse aufrechtzuerhalten, ja teilweise sogar Zustimmung für ihre Politik zu organisieren?

Im Folgenden wollen wir zum Verständnis der Rolle der reformistischen Führungen und des bürokratischen Apparats beitragen, weil dies für revolutionäre Arbeit unerlässlich ist. Dazu ist  es notwendig, einige grundsätzliche Erwägungen über den Charakter des gewerkschaftlichen Kampfs selbst vorauszuschicken.

Gewerkschaftlicher Kampf

Der Kampf um die Verkaufsbedingungen der Ware Arbeitskraft, um Löhne, Arbeitszeiten, Arbeitsbedingungen (inklusive Versicherungen gegen Krankheit, Arbeitslosigkeit, für Renten usw.) stellt eine grundlegende Form des Klassenkampfes zwischen Lohnarbeit und Kapital, einen „Kleinkrieg“ dar, ohne den die Lohnabhängigen nicht einmal in der Lage wären, ihre eigenen Existenzbedingungen zu sichern.

Mit dem Zusammenschluss zu Gewerkschaften macht die Arbeiter:innenklasse einen wichtigen Schritt vorwärts, wird nicht mehr zum reinen Ausbeutungsmaterial. Ihre Reaktion auf die Angriffe des Kapitals nimmt bewusstere, gezieltere Formen an.

Als Sammelpunkte des alltäglichen Widerstands leisten die Gewerkschaften auch praktische Dienste zur Entwicklung von elementarem, embryonalem Klassenbewusstsein. Dieses rein gewerkschaftliche Bewusstsein ist jedoch (ähnlich wie der Reformismus) kein proletarisches, revolutionäres Klassenbewusstsein, sondern letztlich eine Form bürgerlichen Bewusstseins.

Warum? Im Kapitalismus verschwindet die Realität der Ausbeutung, der Klassengesellschaft immer wieder hinter Formen der Gleichheit und Gerechtigkeit und es verbreitet sich ein Schein von Harmonie. Karl Marx erklärt in seiner Kritik der politischen Ökonomie nicht nur, wie Ausbeutung funktioniert, sondern auch, wie sie mit einer gewissen Zwangsläufigkeit unsichtbar gemacht und verschleiert wird. Der Kern dieser Verschleierung ist die Lohnform. Wir treten als freie und gleiche Warenbesitzer:innen auf den Arbeitsmarkt und verkaufen scheinbar unsere Arbeit. Dafür erhalte ich einen „gerechten“ Lohn. In Wirklichkeit, so Marx, habe ich aber meine Arbeitskraft, mein bloßes Vermögen, Arbeit zu verrichten, verkauft. Und der Wert dieser Ware wird wie der jeder anderen durch ihre Reproduktionskosten bestimmt. Ihr Gebrauchswert ist die lebendige Arbeit, das was ich unter den Anweisungen des/r Käufer:in meiner Ware tun muss – und aus diesem Gebrauchswert meiner Ware entspringt der Mehrwert.

Der Widerspruch von formaler Gleichheit und realer Ungleichheit in der bürgerlichen Gesellschaft basiert also auf den Gleichheits- und Freiheitsillusionen des Warentauschs. Schon der Begriff „Lohn“ enthält diese Verschleierung, weil der gesamte Arbeitstag als bezahlte Arbeit erscheint. Der rein gewerkschaftliche Kampf um den Preis der Ware Arbeitskraft bewegt sich im Rahmen dieses Verhältnisses und überwindet aus sich heraus notwendigerweise nicht bürgerliches Bewusstsein.

Revolutionäres Bewusstsein

Diese dem rein gewerkschaftlichen Kampf innewohnende Beschränktheit wird von vielen, ja den meisten Sozialist:innen und Kommunist:innen nicht beachtet, teilweise direkt negiert. Diese weigern sich daher anzuerkennen, dass der gewerkschaftliche Kampf an sich gar kein revolutionäres Bewusstsein hervorbringen kann. Das heißt jedoch keineswegs, dass dieser unbedeutend ist. So können siegreiche Kämpfe, die Erfahrung von Massenauseinandersetzungen überhaupt im Bewusstsein der Massen die Einsicht reifen lassen, dass sie eine gesellschaftliche Macht ausüben. Massive Konfrontationen um politische Fragen, Angriffe des Staates usw. werfen dabei auch über rein gewerkschaftliche Themen hinausgehende Fragen auf, bereiten den Boden dafür, dieses Bewusstsein auf eine höhere Stufe zu heben.

Das Falsche an der Erwartung, der gewerkschaftliche Kampf führe an sich zu sozialistischem Bewusstsein, beseht darin, dass dieser eben nicht das Lohnsystem selbst in Frage stellt. Lenin hat seinerzeit die Anhänger:innen dieses Irrtums in Russland als „Ökonomist:innen“ scharf kritisiert. Revolutionäres Bewusstsein, so weist Lenin nach, muss daher von einer revolutionären Organisation in die Klasse getragen werden.

Dieses Hineintragen sieht unterschiedlich aus, je nach Lage des Klassenkampfes und dem Verhältnis der revolutionären Kräfte zur Arbeiter:innenklasse. Wenn die Revolutionär:innen nur eine kleine Minderheit darstellen, geht es vor allem um die Gewinnung und Herausbildung von Kadern, auch solche, die keine Lohnarbeiter:innen sind. Der Unterschied ist der, dass die betrieblichen Kader auch dafür bewaffnet werden müssen, Vorschläge für gewerkschaftliche Kämpfe und Aktionen machen zu können, damit sie sich zumindest als Einzelne am Arbeitsplatz und in ihrer Gewerkschaft verankern können.

Dazu ist es unerlässlich, Politik in Betrieb und Gewerkschaft zu tragen, die generelle Politik der Bourgeoisie und ihres Staates mit der eigenen konkreten Ausbeutungslage zu verknüpfen, die Unterdrückung anzugreifen, die in Betrieb und Gesellschaft gegenüber national, rassistisch, sexuell Unterdrückten herrscht, und gegen die soziale Ungleichheit aufzutreten, in der sich diese ausdrückt.

Kampf, Erfahrung, Bewusstsein

Die Klasse selbst lernt natürlich am besten im Kampf. In der normalen Tretmühle stupider Ausbeutung ist es schwierig, sich politisches Wissen anzueignen, und je eintöniger und länger die Ausbeutung, desto schwerer. Auch dann, wenn der Kampf um das nackte Überleben ein alltäglicher ist, ist es schwer, sich mit der Weltlage zu befassen. Das ändert sich im Kampf, z. B. im Streik. Plötzlich wird der Kopf frei, alle müssen sich positionieren, es gibt keine Ausreden mehr und die Phrasen der Herrschenden entlarven sich schneller. Dann geht es für Revolutionär:innen auch darum, inmitten und anhand des Kampfes die Welt zu erklären und ihn so zu führen bzw. Vorschläge dafür zu machen, dass die Verhältnisse praktisch erfahrbar werden und der Weg, wie diese umgestürzt werden können.

Dies ist umso wichtiger, weil auch der erfolgreiche ökonomische Kampf zwar ein Moment der Stärkung und Radikalisierung des Bewusstseins enthält, zugleich aber seinem Wesen nach auf einen Kompromiss zielen muss. Ein guter (z. B. eine saftige Lohnerhöhung, die Verteidigung von Arbeitsplätzen, aber auch umfassende politische Reformen) stärkt daher nicht nur das Vertrauen in die Kraft der Klasse, sondern kann und wird oft auch Illusionen in die graduelle Verbesserbarkeit des Kapitalismus oder gar in dessen allmähliche, friedliche Überwindung bekräftigen.

Es sind diese Erfolge, die nicht nur die Basis für die Ausbreitung von (in Teilen durchaus kämpferischem) Gewerkschaftertum und Massengewerkschaften, sondern auch reformistischen Parteien legen. Das ist der „natürliche“ Reformismus der Arbeiter:innenklasse. Revolutionär:innen müssen also bewusst dafür arbeiten, dass ein kommunistischen Bewusstsein entsteht.

Historische Wurzeln

Die Gewerkschaftsbürokratie ist jedoch nicht bloß eine Verlängerung, Apparat gewordene Form des falschen, weil ungenügend entwickelten gewerkschaftlichen Bewusstseins. Sie ist zu einer Kaste entwickelt, die im Interesse der Kapitalist:innen in den Organisationen der Arbeiter:innenklasse wirkt. Als bürokratische Schicht entwickelt sie selbst ein materielles Interesse, ihre Rolle als Vermittlerin zwischen Lohnarbeit und Kapital zu verewigen – und damit auch, die bürgerlichen Eigentumsverhältnisse zu verteidigen.

Die Entstehung und Festigung einer solchen Bürokratie stellt jedoch selbst einen historischen Prozess dar. Nach dem Erstarken der Arbeiter:innenbewegung im 19. Jahrhundert musste die Bourgeoisie schon ihre Strategie ändern: Wo sie die Organisationen der ArbeiterInnenklasse nicht unterdrücken konnte, musste sie sie integrieren. Ihre Vertreter:innen bekamen Aufgaben in der Sozialversicherung, durften sich über Parlamente an der Verwaltung des bürgerlichen Staates beteiligen.

Kapitalist:innen korrumpieren aktiv Betriebsratsmitglieder, besonders die Vorsitzenden. Ihr Staat schafft gesetzliche Regeln, die die Herausbildung dieser Kaste begünstigen. So verfügen in Deutschland die Gewerkschaften über wenig Rechte im Betrieb, aber die Betriebsräte haben solche. Diese sind aber an das Betriebswohl gebunden und dürfen nicht zum Streik aufrufen. Ihre Rechte sind auf die Gestaltung der Arbeitsbedingungen ausgerichtet. Sie sollen Konflikte kontrollieren und nicht führen. Sie sollen die Beschäftigten vertreten, diese sich vertreten lassen, den Mund halten und Mehrwert produzieren.

Die Gewerkschaftsbürokratie ihrerseits beschränkt den Kampf bewusst auf ökonomische Ziele, auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Erhöhung der Löhne. In Deutschland nutzt sie das Betriebsverfassungsgesetz, das die Betriebsräte regelt, um die demokratischen Zugriffsmöglichkeiten der Gewerkschaftsmitglieder auf die Entscheidungen ihrer Organisationen auf ein Minimum zu reduzieren und ihre Macht als Kaste zu stärken.

Solche Gewerkschaften sind also nicht untauglich als „Schule für den Sozialismus“, weil sie unbeweglich, nicht spontan, unpolitisch, nationalborniert, männlich-chauvinistisch sind, sondern sie verinnerlichen diese Eigenschaften, weil sie von einer Kaste dominiert werden, deren politische Bestimmung es ist, die Gewerkschaften an das kapitalistische System zu binden und die Bedürfnisse der Arbeitenden denen der Ausbeuter:innen anzupassen und zu unterwerfen.

Es ist aber wesentlich zu verstehen, auf wen sich die Gewerkschaftsbürokratie, die obere Schicht der freigestellten Betriebs- und Personalräte in den Betrieben stützen und wie sie ihre Arbeit organisieren.

Weltmarkt und Arbeiter:innenaristokratie

Damit ein riesiger Apparat dauerhaft in das kapitalistische System eingebunden werden kann, muss dieses selbst eine gewisse Entwicklungsstufe erreicht haben. Mit der Entwicklung des Weltmarktes und der Herausbildung eines imperialistischen Weltsystems Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts entsteht erst die Grundlage dafür, dass in der Arbeiter:innenklasse selbst eine relativ privilegierte Schicht von Lohnabhängigen herausgebildet werden kann, die ihrerseits die soziale Stütze für Reformismus und Arbeiter:innenbürokratie darstellt.

Mit dem Imperialismus entsteht faktisch in allen entwickelten kapitalistischen Ländern eine Arbeiter:innenaristokratie, die große Teile der Klasse umfasst, die über längere Perioden relativ hohe Löhne, Arbeitsplatzsicherheit, also Reproduktionsbedingungen durchsetzen können oder zugestanden erhalten, die ihnen einen Arbeitslohn über den Reproduktionskosten sichern, ihren Konsumfonds erweitern und einen kleinbürgerlichen Lebensstil erlauben. In den Kernländern des Imperialismus können diese bis zu einem Drittel der Klasse ausmachen.

Möglich ist das nur, weil die Großkonzerne dieser Länder den Weltmarkt beherrschen. Sie beuten also nicht nur eine überaus produktive Arbeiter:innenklasse (inklusive einer Aristokratie mit sehr hoher Arbeitsproduktivität und damit trotz hoher Löhne überdurchschnittlichen Ausbeutungsrate) in ihren „Stammländern“ aus, sondern ziehen Extraprofite aus der Ausbeutung der Arbeitskraft der halbkolonialen Länder und den Weltmarktbeziehungen, die dem globalen Süden aufgezwungen werden. Diese ermöglichst einen Verteilungsspielraum für Zugeständnisse an die Arbeiter:innenaristokratie und in Phasen der expansiven Entwicklung sogar die Masse der Lohnabhängigen.

In den Halbkolonien, insbesondere in den ökonomisch entwickelteren, hat sich zwar auch eine Aristokratie herausgebildet, aber eine deutlich kleinere im Verhältnis zur Gesamtklasse. Wir können an dieser Stelle nicht auf die globale Entwicklung unserer Klasse eingehen. Entscheidend ist jedoch, dass die Bürokratie nicht nur organisatorisch die Klasse dominiert, eng an reformistische Parteien und auch an den bürgerlichen Staat gebunden ist sowie das spontane Bewusstsein der Klasse aufgreift. Sie verfügt auch über eine soziale, materielle Stütze in der Arbeiter:innenklasse. Diese wird zwar durch die aktuelle Entwicklung erschüttert, aber sie besteht letztlich, solange es den Imperialismus gibt.

Bürokratie und Aristokratie

Diese Schichten spielen für die Bürokratie in den Gewerkschaften eine besondere Rolle. Erstens sind diese zu einem hohen Anteil Gewerkschaftsmitglieder, sie wollen ja ihre hohen Löhne und guten Arbeitsbedingungen verteidigen oder verbessern. Zweitens sind sie empfänglich für alle Aspekte der reformistischen Ideologie: dass doch ein „gutes Leben“ auch im Kapitalismus möglich sei, es für dieses gute Leben auch „meiner“ Firma gutgehen müsse und ich deshalb auch noch einen Jahresbonus kriegen sollte, dass weiterhin viele Autos aus Deutschland exportiert werden müssen …Die Bürokratie findet also innerhalb der Klasse eine Schicht, deren materielle Situation sie für ihre reformistische Politik empfänglich macht.

Die Bourgeoisie verfolgt ihrerseits ein Interesse, diese Schicht an sich zu binden und ist bereit, sich dies einen Anteil an den Extraprofiten kosten zu lassen, die sie zum Beispiel im Falle der Autoindustrie durch den Export verdient oder aus den hohen Subventionen, die sie von der Regierung erhält (Milliarden für Forschung, E-Mobilität, Transformation, Abwrackprämien, Kurzarbeitergeld … ).

Dennoch es ist grundfalsch, die Arbeiter:innenaristokratie mit der -bürokratie gleichzusetzen. Diese Schicht bleibt trotzdem ein Teil der Klasse und wird nicht zur Agentur der Bourgeoisie in den Arbeiter:innenorganisation. Sie hat sich ihre Position auch erkämpft und nicht darum gebeten, geschmiert zu werden. In Zeiten der Krise aber können sich ihre Errungenschaften in Privilegien verwandeln.

Auch hier ist die Autoindustrie ein gutes Beispiel: Vor etwa 20 Jahren begann eine Welle von Sparprogrammen in den Autowerken. Die Bosse und Bürokrat:innen reagierten auf die spontanen Massenproteste, indem sie der Stammbelegschaft Sicherheit versprachen, aber alle Neuen ohne die bisherigen übertariflichen Zulagen einstellten. In der gesamten Metallindustrie wurde ein neues Tarifsystem eingeführt, das die Produktionsarbeit langfristig verbilligte. Daneben wurden noch Leih- und Werkvertragsarbeit ausgedehnt. Die alte Stammbelegschaft wurde zu einer Elite, die nicht mehr als Vorreiterin für Fortschritte wie die 35-Stundenwoche kämpfte, die eine Arbeitszeitverkürzung für alle einleiten sollte, die höhere Löhne durchgesetzt hatte, damit auch andere Branchen nachziehen (Geleitzugmodell), sondern die ihre privilegierte Position gegen die anderen abschirmte.

Es war also das Vorgehen der Bürokratie, die diese Schicht politisch korrumpiert hat. Dennoch bleiben diese Schichten oft auch ein Vorbild- und Orientierungspol für die gesamte Klasse – mitunter auch in negativer Hinsicht. Tatsächlich wurde die Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie im Herbst 2022 von der Bürokratie ausverkauft. Die Streikbereitschaft von 900.000 Warnstreikenden und auch das Ergebnis werden mit Sicherheit mehrheitlich bei den kämpferischsten Menschen der Klasse als vorbildhaft angesehen.

Die Arbeiter:innenaristokratie vereint also in diesem für Deutschland durchaus prägenden Fall konservatives politisches Bewusstsein mit gewerkschaftlicher Kampfkraft. Sie bildet die soziale Stütze der Bürokratie in der Gewerkschaft. Die Bürokratie bringt die Aristokratie nicht hervor, aber sie kann die Verfassung, den Bewusstseinszustand von arbeiter:innenaristokratischen Schichten beeinflussen.

Gerade weil in wichtigen imperialistischen Staaten (aber auch in einigen Halbkolonien) die Arbeiter:innenaristokratie Schlüsselsektoren der Mehrwertproduktion besetzt, wird es in einer Revolution auch wichtig, sie zu gewinnen und vom Einfluss der Bürokratie zu befreien. Die Stellung als relativ privilegierte Schicht darf außerdem nicht damit verwechselt werden, dass sie notwendig eine besonders rückständige wäre. In der Novemberrevolution stammte z. B. die Avantgarde der Klasse, die revolutionären Obleute, aus der Aristokratie.

Bürokratie heute

Über die Jahrzehnte haben sich aber auch Klasse und Bürokratie massiv gewandelt und befinden sich in einem fortlaufenden Veränderungsprozess.

Betrachten wir die deutschen Gewerkschaften, so konnten vor allem jene Industriegewerkschaften (IG Metall, IG BCE), die sich massiv auf die Aristokratie und enge Beziehungen zu Kapital und Staat stützen, einigermaßen halten. Ihre Mitgliederverluste sind geringer.

Insgesamt organisierte der DGB Ende 2021 5,73 Millionen Mitglieder. 2001 waren es noch 7,9 Millionen, 2011 6,16 Millionen. Das heißt, der Schwund verlangsamte sich.

Ende 2021 organisierten die drei größten der insgesamt 8 Einzelgewerkschaften über 80 % aller Mitglieder der DGB-Gewerkschaften: die IG Metall 2.169.183 Millionen (38 %), ver.di 1.893.920 Millionen (33,1 %) und die IG BCE 591.374 (10,3 %).

Im Jahr 2001, also kurz nach ihrer Gründung, organisierte ver.di 2.806.496 Mitglieder und war damit größte DBG-Gewerkschaft. Die IG Metall zählte damals 2.710.226. Während Letztere rund 500.000 Mitglieder verlor, waren es bei ver.di über 900.000.

Dies verweist darauf, dass die Gewerkschaften in Deutschland noch mehr zu solchen der Arbeiter:innenaristokratie geworden sind, selbst wenn es einige gegenläufige Trends gibt.

Die zentrale Ursache dafür stellt zweifellos die Restrukturierung des Kapitalismus selbst dar, die Ausweitung prekärer, ungesicherter Verhältnisse und damit auch viel größere Differenzierung innerhalb der Klasse selbst.

Die Klasse der Ausgebeuteten ist natürlich nie eine homogene Masse. Es gibt unterschiedliche Qualifikationen und Branchen. Qualifikationen werden auf dem Arbeitsmarkt unterschiedlich bewertet. Frauen verdienen weniger als Männer, werden in bestimmte Branchen gedrängt und weisen stärker unterbrochene Erwerbsbiographien auf. Migrant:innen landen in den Jobs mit niedrigeren Qualifikationen und weniger legalen Arbeitsverhältnissen.

Aber Phasen der Krise und Neustrukturierung gehen immer auch mit Ausdehnung der ärmsten und untersten Schichten der Klasse einher. Die Bürokratie in Deutschland hat diesen Prozess zwar nicht geschaffen, aber hingenommen und auch vorangetrieben (siehe Hartz-Gesetze).

Vom Standpunkt der engen Teilinteressen der Aristokratie und erst recht von jenem der Bürokratie macht es durchaus Sinn, sich auf das „Kerngeschäft“, auf die Großbetriebe, starke Bereiche im öffentlichen Dienst zu konzentrieren. Dort arbeiten schließlich auch jene Beschäftigten, die das Gros der Mitgliedsbeiträge und damit auch der Einkommensquelle des Apparates besteuern.

Die Arbeiter:innenbürokratie umfasst natürlich viel mehr als die Hauptamtlichen der Gewerkschaften, also auch Betriebsräte samt Apparat in den Großkonzernen oder Führungspersonal angelagerter Institutionen (Stiftungen). Dabei es ist gar nicht so leicht, genaue Zahlen darüber zu erhalten. Heute gibt es jedenfalls rund 9.000 Hauptamtliche bei den DGB-Gewerkschaften. Allein ver.di beschäftigt bundesweit rund 3.000 Mitarbeiter:innen (davon 500 Beschäftigte in der Bundesverwaltung).

Das durchschnittliche Jahresgehalt als Gewerkschaftssekretär:in betrug nach Erhebungen 2021 68.600 Euro, abhängig von Faktoren wie Erfahrung und Branche, so dass es zwischen 55.600  und 101.700 Euro schwankt. Die Bezüge der Vorstandmitglieder liegen deutlich höher. Hinzu kommen Diäten und Einkommen aus Aufsichtsratsposten, die zwar gemäß etlicher Statuten abgeführt werden sollen, oft genug aber privat eingestreift werden.

Aus obigen Zahlen geht auch hervor, dass natürlich auch der Gewerkschaftsapparat wie jede Bürokratie eine innere Differenzierung, eine Rangstufe der Hauptamtlichen kennt.

In den letzten Jahrzehnten hat sich allerdings die Rekrutierung der Sekretär:innen deutlich verändert. Lange Zeit stellten Funktionsträger:innen aus den Betrieben (Betriebsräte, Vertrauensleute) das Gros der Gewerkschaftsbürokratie. Heute sind es in der Regel Akademiker:innen, die über Einstiegsprogramme (Organzing bei ver.di, Traineeprogramm der IG Metall) angeworben und, gewissermaßen als Bürokrat:innen auf Zeit, erprobt werden.

Die bedeutet nicht nur eine deutliche Veränderung der Herkunft der Hauptamtlichen. Lange waren diese nicht nur mit Betrieben verbunden, sondern sie wurden auch in ihrer Stadt oder Region beschäftigt. So wurde z. B. ein/e Metallarbeiter:in und Betriebrat/-rätin aus einem Stuttgarter Daimlerwerk dortige/r Gewerkschaftssekretär:in. Zwischen ihm/r und der Belegschaft, aus der er/sie kam, bestand nach wie vor ein wechselseitiges politisches Verhältnis. Der/Die Sekretär:in konnte sich weiter auf „seine/ihre“ Leute verlassen, so wie diese direkt Druck auf „ihre/n“ Mann/Frau ausüben konnten. Heute werden angehende Hauptamtliche, die ohnedies nicht aus der Branche stammen, oft in Verwaltungsstellen fernab ihres Heimat- oder Studienortes geschickt, so dass die Beziehung zu anderen Hauptamtlichen auch gleich eine zentrale soziale darstellt.

Wie jede Bürokratie rekrutiert sich auch die der Gewerkschaften weitgehend selbst. Natürlich werden die Vorstände formaldemokratisch auf dem Gewerkschaftstag gewählt. Aber die hauptamtlich Beschäftigten stellt der Apparat, meist der zentrale (also der Vorstand) ein. Dem gegenüber sind sie letztlich auch verpflichtet, nicht den lokalen Strukturen.

Mit der veränderten Rekrutierungsmethode ist der Apparat in den letzten Jahren aber in mehrfacher Hinsicht noch unabhängiger von der betrieblichen Basis geworden – nicht jedoch von den Betriebsräten der Großbetriebe, also ihrem Alter Ego der Arbeiter:innenbürokratie. Auch diese Entwicklung muss im Kampf gegen die Bürokratie und für die klassenkämpferische Transformation der Gewerkschaften bedacht werden.

Klassenkämpferische Basisbewegung

Damit die Gewerkschaften zu wirklichen Kampfinstrumenten der Klasse werden können, muss der Reformismus in ihnen bekämpft werden. Und das geht nur gegen die Bürokratie, für ihre Entmachtung und für Gewerkschaftsdemokratie. Dafür sind natürlich Taktiken nötig. Gerade weil die Bürokratie sich auf bestimmte Errungenschaften, Rechte, hohe Löhne und sichere Arbeitsverhältnisse stützt, die die Gewerkschaftsmitglieder behalten und verteidigen wollen, und weil eine alternative, revolutionäre Führung letztlich nur in Verbindung mit einer revolutionären Partei entstehen kann, ist jedoch reine Denunziation der Bürokratie ein komplette Sackgasse.

Der Kampf gegen die Bürokratie muss auch in der täglichen gewerkschaftlichen und betrieblichen Praxis erfolgen. In jedem Konflikt geht es auch um:

  • Aktionen und Kampf statt Verhandlungen

  • Diskussion und Demokratie statt Diktate der Führungen

  • Einsatz auch für die Randbelegschaften statt Ausrichtung auf die Arbeiter:innenaristokratie

  • Die Interessen der Gesamtklasse und nicht von Privilegien für Sektoren

  • Solidarität mit anderen Kämpfen.

  • Gegen Rassismus, Sozialchauvinismus und Nationalismus, Unterdrückung von Frauen, LGBTIA-Personen und der Jugend.

Aber das ist nicht alles. Es ist völlig klar, dass die Bürokrat:innenkaste alle Vorteile der Zentralisierung und Organisierung für sich nutzt. Es ist also eine organisierte Bewegung gegen die Bürokratie nötig, die sich auf die Basis stützt und diese organisiert gegen das politische Monopol des Apparates. Das macht eine politische Bewusstseinsbildung nötig und bedeutet letztlich, die Kolleg:innen für eine antikapitalistische, revolutionäre Perspektive zu gewinnen. Das ist kein Spaß, vor allem dort, wo die Bürokratie besonders hart zuschlägt, wo sie aus Sicht des Kapitals ihre wichtigste Aufgabe erfüllt: in der Exportindustrie. Um so notwendiger ist ein organisierter Kampf.

In ihm spielt nicht nur die Strategie, sondern auch deren taktische Konkretisierung eine große Rolle. Immer wenn der Apparat ein paar Schritte in Richtung Kampf geht, seine radikaleren Teile auf dem Vormarsch sind, die Belegschaften aus ihrer Passivität ausbrechen, in die sie gedrängt werden, müssen wir in dieser Bewegung vorne dabei sein, dürfen nicht passiv bleiben. Wir dürfen nicht nur vor dem nächsten Verrat warnen, sondern müssen Vorschläge machen, die die Massen in Bewegung befähigen, ihn zu bekämpfen. Die Mitglieder müssen die Kontrolle über die Forderungen, Aktionen und Verhandlungen in die Hand bekommen – also Aktionskomitees wählen, auf Vollversammlungen entscheiden, Verhandlungen öffentlich führen.

Die Aufgabe einer Basisbewegung liegt darin, die Alternative einer klassenkämpferischen Gewerkschaft in der Praxis zu zeigen und für eine Umgestaltung der alten Verbände zu kämpfen. Die Bürokratie ist als soziale Schicht an den Kapitalismus gebunden. Alle Privilegien müssen beendet werden: Bezahlung nach Durchschnittseinkommen der Branche, raus aus den Aufsichtsräten, demokratische Wahlen und Abwählbarkeit auf allen Ebenen. Das kann zu heftigen Brüchen in den Gewerkschaften führen, zu Spaltungen und Ausschlüssen.

Wenn wir heute mit anderen Organisationen am Aufbau der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) arbeiten, dann tun wir das solidarisch und auf Basis gemeinsamer Beschlüsse. Aber wir kämpfen auch für ein revolutionäres Verständnis von Gewerkschaftsarbeit und Aufbau einer klassenkämpferischen Basisbewegung als einer Kraft, die die Organisationen unter die Kontrolle der Klasse bekommen und die Bürokratie vertreiben kann und es so ermöglicht, die bestorganisierten Schichten der Klasse für die Revolution zu gewinnen.

„Gewerkschaften … verfehlen ihren Zweck gänzlich, sobald sie sich darauf beschränken, einen Kleinkrieg gegen die Wirkungen des bestehenden Systems zu führen, statt gleichzeitig zu versuchen, es zu ändern, statt ihre organisierten Kräfte zu gebrauchen … zur endgültigen Abschaffung des Lohnsystems.“ (K. Marx, Lohn, Preis und Profit, MEW 16, S. 152)




Für einen revolutionären Bruch der Lohnabhängigen mit dem Reformismus!

Minderheitsposition der Konferenz „15 Jahre Solid und Linkspartei“, Infomail 1211, 19. Januar 2023

Bis 150 Menschen diskutierten auf der Konferenz „15 Jahre Solid und Linkspartei – Welche Organisation für den Klassenkampf?“ über die Notwendigkeit eines revolutionären Bruchs mit der Linkspartei und dem Reformismus. Im Folgenden veröffentlichen wir die Abschlusserklärung der Konferenz, die von einer Mehrheit von zwei Dritteln der Anwesenden angenommen wurde, und die Minderheitsresolution. Die Mehrheitsresolution basiert auf einem Entwurf der Revolutionären Internationalistischen Organisation / Klasse Gegen Klasse. Die Minderheitsposition wurde von vier Genoss:innen einbracht wurde und von der Gruppe Arbeiter:innenmacht und von REVOLUTION unterstützt.

Für einen revolutionären Bruch der Lohnabhängigen mit dem Reformismus!

Antragsteller:innen: Carlos, Pauline, Stephie (REVO, GAM), Willi (GAM)

1. Seit 15 Jahren vertieft die Partei DIE LINKE stetig ihre Perspektive der Mitverwaltung des kapitalistischen Elends. In 13 Regierungsbeteiligungen haben sie Abschiebungen, Zwangsräumungen, Privatisierungen, Polizeigewalt und vieles mehr mitverantwortet. Alle Versuche, die Partei in die Richtung einer Fundamentalopposition zu lenken, sind gescheitert. Die Partei und ihre Jugendorganisationen, die Linksjugend [’solid] sowie Die Linke.SDS sind durch diese Entwicklung in eine Krise geraten. Auf der Konferenz für einen revolutionären Bruch mit der Linkspartei und Solid haben sich Mitglieder von [‘solid!] und DIE LINKE, kürzlich ausgetretene Genoss:innen, sowie Gruppen und Einzelpersonen aus der kommunistischen Bewegung versammelt. Wir nehmen das Zusammenfallen der Krise der Linkspartei und der gesamten gesellschaftlichen Opposition mit einer verschärften ökonomischen, politischen und sozialen Krise auf nationaler und globaler Ebene als Anlass, um die praktische Vorbereitung sowie die Debatte über den Aufbau einer Partei der arbeitenden Klasse mit einem fundamentaloppositionellen, revolutionären Programm in Deutschland wieder ins Rollen zu bringen.

Zur Ausgangslage in Deutschland und der LINKEN

2. Wir stellen uns gegen den deutschen Imperialismus und gegen die Ampelregierung, die die größte militärische Aufrüstung seit Jahrzehnten vorantreibt, und für die internationale Solidarität der Arbeiter:innen aller Länder untereinander. Mit Einmalzahlungen im Gießkannenprinzip versucht diese dem Widerstand gegen Inflation und Krieg den Wind aus den Segeln zu nehmen. Auch in der Krise erkauft sich der imperialistische deutsche Staat die politische Loyalität von wirtschaftlich zentralen Teilen der Arbeiter:innenklasse mithilfe der Gewerkschaftsbürokratie, um einen übergreifenden Kampf aller Lohnabhängigen in Deutschland und auf globalem Maßstab auf Basis gemeinsamer Klasseninteressen vorzubeugen. So können die Kosten der Militarisierung auf die Lohnabhängigen in Deutschland und anderswo abgewälzt werden — wodurch Kriege finanziert werden, unter denen wiederum vor allem die Lohnabhängigen anderer Länder tagtäglich leiden müssen. Die Militarisierung nach außen geht auch einher mit einer Stärkung des Repressionsapparats und der rechtsterroristischen Verankerung innerhalb derselben. Der rechte Terror im Innern ist ein Widerhall des erstarkenden Imperialismus nach außen. Daher kann der Aufstieg der Rechten nicht mit einer Logik des „geringeren Übels“, der prinzipienlosen Unterstützung von „linken“ oder „fortschrittlichen“ Regierungen bekämpft werden.

3. Die Kapitalist:innen und ihre Regierungen haben der Jugend nur eine Perspektive des Verzichts, des Militarismus und der Klimakatastrophe anzubieten. Wir schulden ihnen nichts! Anstelle der Logik des geringeren Übels oder der politischen Resignation wollen wir eine Jugendorganisation aufbauen, die für eine ganz andere Zukunft kämpft: Eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung, die die Ressourcen dieses Planeten nachhaltig nutzt und statt absurder und gesundheitsschädigender Lohnarbeit die freie Entfaltung all unserer schöpferischen und kreativen Potenziale ermöglicht. Wenn deshalb die Regierenden von einer „Zeitenwende“ sprechen und uns auf künftige Kriege im Dienste des Kapitals vorbereiten wollen, sagen wir: Kein Cent, kein Mensch dem Militarismus! Gerade im imperialistischen Deutschland ist es unsere Aufgabe, eine revolutionäre, antiimperialistische Jugendorganisation an der Seite der Arbeiter:innen und aller Unterdrückten aufzubauen, die sich weder dem imperialistischen Kriegsgetrommel der „Heimatfront“ und der NATO anpasst noch reaktionäre Führungen wie Putin unterstützt und entschuldigt.

4. Die einzige Kraft, die nicht nur einen Kampf gegen die imperialistische Politik der Regierung führen, sondern tatsächlich ein Ende von Ausbeutung und Unterdrückung erkämpfen kann, ist die Arbeiter:innenklasse. Aber nicht als gesichtslose Masse ohne Ansehen von Sexismus-, Queer- und Transfeindlichkeit sowie Rassismuserfahrung(en), sondern im Gegenteil als Klasse, die insbesondere in einem Land wie Deutschland auch sehr migrantisch ist und immer weiblicher und immer mehr offen queer wird. Sie kann aufgrund ihrer Stellung im kapitalistischen Produktionsprozess nicht nur die zentralen Hebel der Wirtschaft lahmlegen. Sondern sie kann die Gesamtheit aller unterdrückten Teile der Bevölkerung im Kampf gegen Staat und Kapital anführen. Dafür muss sie sich deren Forderung zu eigen machen und sich selbst an die Spitze der Kämpfe gegen Sexismus, Rassismus und jeglicher Form von Unterdrückung stellen, anstatt nur eine von vielen gleichrangig getrennt voneinander agierenden Bewegungen zu bilden, wie es beispielsweise die Bewegungslinke propagiert. Das wird ihr nur gelingen, wenn sie die Selbstorganisierung der auf unterschiedliche Weise unterdrückten Teile der Arbeiter:innenklasse nicht als Konkurrenz sieht, sondern begrüßt und aktiv zu einem großen Ganzen zusammenfügt.

5. Die Trennung von Fragen der Unterdrückung (Sexismus, Rassismus, LGBTQIA+-Feindlichkeit, Behindertenfeindlichkeit usw.) vom Kampf gegen die kapitalistische Ausbeutung zementiert die Spaltung der Arbeiter:innenklasse. Diese ist für das Kapital funktional und wird vom Staat und den Bürokratien in der Arbeiter:innenbewegung aufrechterhalten. Sie steht auch der Perspektive des Kampfes für eine Gesellschaft, die frei von jeglicher Ausbeutung und Unterdrückung ist, unmittelbar entgegen. Deshalb haben wir nichts gemeinsam mit der populistischen Perspektive von Sahra Wagenknecht, die unter dem Vorwand einer Rückkehr zu mehr „Klassenpolitik“ bestimmte Unterdrückungs- und Ausbeutungsformen herunterspielt. Die Strategie von Wagenknecht ebenso wie die ihres französischen Pendants Jean-Luc Mélenchon und La France Insoumise ist darauf ausgelegt, die Interessen der „weißen Arbeiterklasse“ mit den Interessen der imperialistischen Bourgeoisie zu vereinen. Ihre links klingenden Phrasen sind in Wahrheit nichts anderes als die Verteidigung des Standortnationalismus der Konzerne. Anstatt den Rechten das Wasser abzugraben, überlässt sie ihnen mit dieser Strategie das Feld.

6. Ihre Perspektive teilt die Linkspartei auch mit reformistischen oder linkspopulistischen Projekten der vergangenen Jahre wie Syriza in Griechenland, Podemos im Spanischen Staat oder La France Insoumise in Frankreich, welche den Klassenkampf in ihren jeweiligen Ländern in staatstragende Bahnen umgelenkt haben. Das linkspopulistische Podemos hat ihre Opposition zur Monarchie abgelegt und setzt als Teil der spanischen Regierung derzeit die Aufrüstung und die Abschottungspolitik gegen Migrant:innen und die Zusammenarbeit mit Marokko zur kolonialen Unterdrückung der Westsahara fort. Die linksreformistische Wahlfront Syriza setzte 2015 an der griechischen Regierung die Spardiktate von IWF, EZB und EU um, obwohl sie sich vorher ausdrücklich dagegen positioniert hatte. In Griechenland zeigt sich auch, dass die EU ein imperialistischer Block ist, der den Interessen vor allem des deutschen Kapitals dient. Sozialist:innen müssen die EU als imperialistisches Projekt ablehnen, aber ohne die Perspektive der Rückkehr zum Nationalstaat — wie es beispielsweise Sahra Wagenknecht oder Jean-Luc Mélenchon vorschlagen —, sondern in der Perspektive der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.

7. Wir lehnen den zögerlichen Umgang der Linkspartei mit ihrem stalinistischen Erbe deutlich ab. Die stalinistische Konterrevolution in der Sowjetunion und ihr Abdruck in der DDR und anderswo, die Unterdrückung von nationalen und religiösen Minderheiten, Frauen und Homosexuellen, die Sabotage der Kämpfe der Arbeiter:innen und strategische Orientierung auf bürgerliche und reaktionäre Kräfte unter dem Vorwand der Verteidigung des sozialistischen Aufbaus, der Verteidigung gegen den Faschismus, der nationalen Befreiung usw. — auf diesem Erbe kann keine revolutionäre Politik fußen. Ein revolutionärer Bruch mit der reformistischen Linkspartei schließt einen Bruch mit der Toleranz gegenüber allen Erscheinungsformen des Stalinismus als linker Spielart des Reformismus mit ein.

8. Die Krise der Linkspartei ist kein Zufall oder Produkt widriger Umstände, sondern eine Konsequenz ihrer gesamten Strategie. Als „demokratisch sozialistische“ bürgerliche Arbeiter:innenpartei ist sie strategisch auf Wahlen und Parlamentssitze ausgerichtet, um auf diesem Weg an die Regierung des bürgerlichen Staates zu gelangen. Daran ändert auch nichts, dass eine kleine Minderheit der Partei Regierungsbeteiligungen „kritisch“ sieht, ebenso wenig einzelne „linkere“ Ortsgruppen ihres Jugendverbandes. „Rebellisch regieren“, wie es die Bewegungslinke immer wieder vorschlägt, ist nur eine linkere Rhetorik für denselben Vorschlag. Die Mobilisierung und Organisierung auf der Straße oder in den Betrieben, Schulen und Universitäten ist in dieser Sichtweise nur ein Druckmittel, um parlamentarische Mehrheiten zu erlangen. Obwohl sie sich also sozial auf die Lohnabhängigen stützt, macht sie ihre Strategie letztlich zu einer Stütze der kapitalistischen Ordnung. Gegen diese Strategie, die letztendlich zur Unterordnung unter die Interessen des Kapitals führt, setzen wir die Notwendigkeit der politischen Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse vom Kapital, von der Regierung und von den Bürokratien der Gewerkschaften, die sie stützen. Für uns bedeutet diese Unabhängigkeit keine Summe an Allgemeinplätzen, sondern muss auf dem Ziel der gemeinsamen Entwicklung eines revolutionären Programms fußen. Ein Prozess in den die verschiedenen Differenzen, die uns trennen diskutiert werden müssen.

Das Aktionsprogramm mit dem wir gegen die unterschiedlichsten aktuellen Krisen kämpfen wollen

9. Angesichts der Verschärfung der Klimakatastrophe, angesichts von Krieg und Aufrüstung, angesichts von fortgesetzter Inflation und Wirtschaftskrise braucht es eine konsequente Opposition in den Betrieben, Schulen und Universitäten und auf der Straße. Sie muss für ein soziales Notfallprogramm kämpfen, das die kapitalistischen Profitinteressen angreift und angesichts von Krise, Krieg und Klimakatastrophe eine sozialistische Perspektive aufwirft. Für sofortige Preisstopps, für die automatische Angleichung von Löhnen, Renten, Sozialleistungen, BAföG, etc. an die Inflation für hohe Gewinn- und Vermögenssteuern, für die Enteignung von Immobilien- und Energiekonzernen in der Perspektive der entschädigungslosen Enteignung aller Großunternehmen unter Kontrolle der Arbeiter:innen, für einen sozialen und ökologischen Umbau des Energiesystems und der gesamten Wirtschaft, gegen den Krieg, Sanktionen und Waffenlieferungen, gegen die 100-Milliarden-Aufrüstung. Weder Putin noch die NATO und gegen den Militarismus des deutschen Imperialismus.

10. Um ein solches Notfallprogramm umzusetzen, müssen wir eine Einheitsfront für den Kampf gegen die Regierung und das Kapital mit allen grundsätzlich bereitwilligen Kräften aufbauen, wobei wir uns ausdrücklich an alle Genoss:innen an der Basis sowie in führenden Positionen der Linkspartei richten, die alle oder einige der Forderungen teilen und zu einer transparenten und diskussionsoffenen Zusammenarbeit bereit sind. Da ein Großteil der Lohnabhängigen in Deutschland reformistische Illusionen hegen, wird ein Aktionsbündnis kleiner linksradikaler Gruppierungen nicht reichen, um die notwendige Massenkraft rund um unsere Forderungen zu mobilisieren. Für den Erfolg einer Einheitsfront wird es aber notwendig sein, die bremsende Rolle der SPD, der Gewerkschaften zu überwinden und ihr eine Perspektive der Selbstorganisation und der Koordinierung der Kämpfe gegenüberzustellen — für klassenkämpferische Gewerkschaften und für die Selbstorganisation der Arbeiter:innen. Nicht nur in vereinzelten Kämpfen, sondern auch als Perspektive einer politischen Alternative jenseits kapitalistischer Regierungen. Denn die Führungen unserer Gewerkschaften zeigen aktuell wieder mit der konzertierten Aktion (regelmäßige Treffen, bei denen sie sich mit Politik, Unternehmensverbänden und der Deutschen Bank abstimmen), dass sie lieber mit der Regierung und den Kapitalist:innen schlechte Kompromisse aushandeln. Den Preis dafür zahlen wir heute als Arbeiter:innen und als Jugendliche. Aber auch die Ausweitung befristeter Verträge wurde von unseren Gewerkschaftsführungen mitunterschrieben. Gegen die sozialpartnerschaftliche Politik versuchen wir in Streiks, Kämpfe und Bewegungen durch (Streik-)Versammlungen, imperative Mandate und die jederzeitige Abwählbarkeit von Vertreter:innen das Bewusstsein der Lohnabhängigen für ihre eigene Macht als Klasse zu erwecken. Um erfolgreich eine revolutionäre Perspektive in die Einheitsfront hineinzutragen, müssen wir zugleich den Aufbau einer vom Kapital unabhängigen Massenpartei der Lohnabhängigen mit einem marxistischen, revolutionären Programm anvisieren, die die fortschrittlichsten Teile der Arbeiter:innenklasse, wie in der Jugend, der Frauen und LGBTQIA+, der Migrant:innen und anderer besonders unterdrückter Teile der arbeitenden Klasse im Kampf für den Sturz des Kapitalismus und für die sozialistische Revolution anführen kann.

11. Die Konferenz sieht sich also einer doppelten Aufgabe gegenüber: Einerseits die Dominanz bürgerlicher Ideologien in der Arbeiter:innenklasse (v.a. den Reformismus) herauszufordern und andererseits eine revolutionäre Kraft aufzubauen. Zu diesem Zweck schlagen wir vor:

a. Die baldige Vorbereitung einer wirklich breiten Konferenz, auf der gemeinsam mit allen interessierten Kräften — inklusive mit denjenigen, die bisher nicht mit der Linkspartei gebrochen haben — über den aktuellen Zustand des globalen Kapitalismus und über die Ursachen und Erscheinungsformen des Reformismus diskutiert werden soll. Darüber hinaus wollen wir über die historischen und aktuellen Bedingungen, Probleme und Chancen eines radikalen Bruchs mit dem Reformismus auf nationaler und globaler Ebene reden, welche materielle Basis er in der Arbeiter:innenbewegung hat. Sowohl die Bedingungen eines Zusammenschlusses der kommunistischen Bewegung wie auch die Beziehung von Revolutionär:innen zu reformistischen Kräften sollen ausführlich diskutiert werden.

b. Die Anwesenden sind sich einig, dass eine gemeinsame Intervention auf der Grundlage der in dieser Erklärung vorgelegten Eckpunkte nötig ist, um eine revolutionäre Opposition ins Leben zu rufen zu können, die in den Kämpfen außerhalb und innerhalb des Parlaments eine tatsächliche Alternative zum Reformismus darstellen kann. Um heute schon das Fundament zu legen für einen radikalen Bruch der Lohnabhängigen mit dem Reformismus, wollen wir: im Rahmen der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) in die kommende Tarifrunde des öffentlichen Dienstes (TVöD) mit einem Programm intervenieren, das die Forderung nach einem realen Inflationsausgleich erhebt und mit einem weitergehenden Programm gegen Krise, Krieg und Klimakatastrophe verbindet; Angesichts des Verrats der Linkspartei am Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co. enteignen einerseits die politische Selbstorganisierung und Aktion der Mieter:innen als Lohnabhängige auf allen Ebenen vorantreiben, andererseits mit einer Kritik an der Taktik der Regierungsbeteiligung der Berliner Linkspartei bzw. an ihrem Umgang mit dem Volksentscheid in die kommende Abgeordnetenhauswahl treten. Dort, wo es möglich ist: Aufruf zur Wahl von Kandidat:innen der Linkspartei, die sich auf glaubwürdige Weise gegen die Regierungsbeteiligung ihrer Partei in Land und Bund stellen, wie der Genosse Ferat Koçak in Neukölln. Solche Unterstützungen müssen jedoch mit der Forderung des Aufbaus einer Strömung in der Partei verbunden werden, die den Kampf um Mehrheiten im Parlament nur als Mittel zum Zweck der Enteignung großer Immobilienkonzerne nutzt und nicht die Interessen ihrer Wähler:innen für die Regierungsbeteiligung aufopfert. Solidarität und kritische Unterstützung des parteiinternen Flügels in ihrem Kampf gegen die Regierungsbeteiligung, nicht zuletzt mit Marx21 in Berlin — für einen breiten Zusammenschluss innerhalb und außerhalb der Linkspartei für eine Fundamentalopposition!