Stoppt die Werksschließung von MAHLE Behr Korea!

Gastbeitrag von Peter Vlatten, ursprünglich veröffentlicht auf Forum Gewerkschaftliche Linke Berlin, Infomail 1250, 2. April 2024

  • Stoppt die Werksschließung von MAHLE Behr Korea!

  • Sichert die Existenzrechte der koreanischen Arbeitsnehmer:innen!

  • Wir lassen uns nicht spalten. Nur wenn wir gemeinsam jeden Standort verteidigen, sind wir stark!

In den letzten Jahrzehnten ist Korea zu einem Anziehungspunkt für ausländische Investoren geworden. Es können und konnten ordentlich Profite gemacht werden. Ändern sich die Voraussetzungen dafür, können die Kapitaleigner nach Belieben schalten und walten. Ihr Kapital einseitig und unverantwortlich abziehen. Fakriken verkaufen, stilllegen oder verlagern. Zulasten der Belegschaften und betroffenen Regionen. Regulierungen, die ernsthaft in das Eigentumsrecht eingreifen und Unternehmer in die Pflicht nehmen, gibt es so gut wie nicht in Ländern wie Südkorea oder Deutschland. Die Kolleg:innen bei MAHLE Behr Korea müssen das gerade bitter erfahren.

Historie und Standorte

MAHLE Behr, ein deutsches Unternehmen mit Hauptsitz in Stuttgart, wurde im Jahr 1920 gegründet. Weltweit beschäftigt das Unternehmen über 71.947 Mitarbeiter und betreibt 152 Produktionsstandorte. Zu diesen Standorten zählt auch die Produktionsstätte in Busan, Südkorea, die im Jahr 2007 errichtet wurde. Die Busaner Produktionsstätte ist spezialisiert auf die Herstellung von Autoteilen und beschäftigt 160 Mitarbeiter. Zu den Hauptlieferanten gehören Hyundai-Kia Motors, Honda, Nissan, Mitsubishi-Hyundai und Kia-Nissan.

Ankündigung der Schließung

Am 7. Dezember 2023 wurde die Gewerkschaft “Korean Metal Workers Union” über die Entscheidung des Vorstands von MAHLE Behr informiert, dass das koreanische Werk des Unternehmens bis September 2025 geschlossen werden soll, da der Umsatz zurückginge und weitere Investitionen in das koreanische Werk aufgrund des geringen Investitionswerts nicht sinnvoll seien. Diese einseitig von MAHLE Behr Deutschland getroffene Entscheidung, das koreanische Werk zu schließen, raubt 160 koreanischen Arbeitnehmer:innen und ihren Familien ihre Existenzgrundlage. Im Vorfeld gab es keine Kommunikation und Konsultation mit den koreanischen Beschäftigten, auch nicht mit der koreanischen Unternehmensleitung. Es handelt sich um eine einseitige und gewaltsame Entscheidung von MAHLE Behr Deutschland gegen die Interessen der Arbeiter:innen.

Langfristiges Monopoly auf dem Rücken der Beschäftigten

Es gibt Indizien, dass die Stilllegung von langer Hand geplant war. Das Unternehmen hat den koreanischen Markt nicht aufgegeben, sondern verlagert lediglich seine Produktionsstätten und “schöpft Volumen ab”. MAHLE Behr Deutschland als wirtschaftlicher Eigentümer und Mehrheitsaktionär hat es versäumt, einen nachhaltigen mittel- und langfristigen Entwicklungsplan für das koreanische Werk vorzuschlagen und aktiv in das Werk zu investieren. Gleichzeitig gab es verschiedene Maßnahmen zu Einsparungen und frühzeitigem Belegschaftsabbau. Welche unternehmensstrategischen Pläne dahinterstecken, hält Mahle Behr bewusst intransparent. Vermeintlich gegenläufig hatte der Vizepräsident der Asien-Pazifik-Region Bentele eine Beschäftigungsgarantie ausgesprochen und eine Verpflichtungserklärung zur Unterstützung und Zusammenarbeit bei der Weiterentwicklung des Koreawerkes abgegeben. Das kommt den Kolleg:innen nun wie ein großes Täuschungsmanöver vor. Die Entscheidungen der Unternehmenszentrale setzen sich über alle Vereinbarungen und Versprechungen selbstherrlich hinweg. 2023 fand plötzlich der Verkauf des Thermostatgeschäfts statt. Dann erfolgte letzten Dezember die Ankündigung der Schließung mit den Massenentlassungen.

Die Belegschaft in Busan und ihre Gewerkschaft sind nicht bereit, dieses Vorgehen hinzunehmen. Sie haben protestiert, demonstriert und Verhandlungen mit der Firmenleitung durchgesetzt.

Wir wenden uns an die Kolleginnen und Kollegen in Deutschland: Nur wenn wir gemeinsam jeden Standort verteidigen, bleiben wir stark! Wenn wir uns gegenseitig ausspielen lassen, hat die Unternehmenszentrale leichtes Spiel. Das Unternehmen agiert international, das müssen wir auch.

Wir fordern:

  • Nein zur Schließung des Werkes Busan!

  • Verbot der Verlagerung von Produkten und Produktionsmitteln ohne Zustimmung der Gewerkschaft.

  • Nur wenn wir gemeinsam jeden Standort verteidigen, sind wir stark!

Protestkundgebung am Freitag, 5.4.2024 um 11:30 Uhr, Vor der MAHLE Hauptverwaltung Pragstraße 26-46, 70376 Stuttgart




Airbus: Belegschaftsabwurf ohne Fallschirm?

Bruno Tesch, Infomail 1111, 16. Juli 2020

Die Entlassungs-Pandemie beginnt sich auszubreiten. Nach der Lufthansa ist ein weiteres großes Unternehmen ins Trudeln geraten. Die Geschäftsführung von Airbus SE, einem Konzern, der neben Luft- und Raumfahrt auch von Rüstungsgeschäften lebt, hat die Streichung von 15.000 der insgesamt rund 133.000 Stellen verkündet. Airbus unterhält 70 Standorte in Europa sowie weitere Vertretungen auf anderen Kontinenten. In Deutschland würde dies den Abbau von mehr als 5.000 Arbeitsplätzen bedeuten. Betroffen sind natürlich nicht nur die Belegschaften der einzelnen Standorte, sondern auch etliche Tochtergesellschaften und Zulieferbetriebe.

Erste Proteste

Man hatte die Öffnung der Schublade, in der die Entlassungspläne schon länger lagen, mit der Lähmung durch das Covid-19-Virus und in einer traditionellen Ferienzeit clever getimt. Dennoch hat sich Widerstand geregt. Der Unmut unter den Belegschaften in den hauptsächlich norddeutschen Standorten Hamburg, Bremen, Nordenham und Varel hat dazu geführt, dass Betriebstat und IG Metall Küste am 8. Juli 2020 einen koordinierten Aktionstag durchführten. Der Schwerpunkt lag in Bremen, das mit der Androhung des Wegfalls von mindestens 600, wahrscheinlich aber bis zu 1.000 Jobs, am heftigsten betroffen sein wird. Demnach würde dort jeder fünfte Job in den nächsten zwei Jahren wegrationalisiert.

Vor der Airbus-Verwaltung in Bremen protestierten 1.000 Beschäftigte lautstark gegen die Konzernpläne. Für den Stadtstaat Bremen, ohnehin eines der Armenhäuser der Republik,

käme die möglicherweise gänzliche Schließung des Werks einem weiteren infrastrukturellen und sozialen Luftröhrenstau gleich. Anderswo, wie in Hamburg-Finkenwerder, fiel der Protest um einiges gemächlicher aus. Hier hatten sich vor dem Werksgelände gerade einmal 100 Leute mit Abstand aufgestellt. Dennoch ist dieses gemeinsame Vorgehen als Zeichen zu werten, dass die Bereitschaft besteht, die Angriffe der Unternehmensleitung nicht widerstandslos hinzunehmen, und von daher zu begrüßen.

Was will die IG Metall?

Die Absicht der Gewerkschafts- und Betriebsratsführung ist es jedoch nicht, dieses Auftreten als erste Sprosse einer Stufenleiter von weiteren Kampfmaßnahmen einzupflocken, sondern sie trachtet danach, dem Ärger der Airbus-ArbeiterInnen ein Ventil zu geben und ihnen dies bereits als ultimatives Betätigungsfeld anzuweisen. Denn die reformistische Bürokratie will im August in Unterredungen mit der Geschäftsleitung einsteigen und hat hierfür schon jetzt eine defensive Strategie eingeschlagen. Sie will dem Konzern KurzarbeiterInnengeld oder Förderprogramme des Bundes als Alternative zu Massenentlassungen anbieten.

Wer den KollegInnen KurzarbeiterInnengeld als Lösung verkauft, gibt von vornherein existenzielle Positionen preis, versucht, Beruhigungspillen zu verteilen, und spaltet am Ende die Belegschaften für einen möglichen gemeinsamen Kampf. Er überlässt den Bossen und dem Staat das Heft des Handelns. Die Beschäftigten in Kurzarbeit müssten mit deutlich weniger Einkommen über die Runden kommen, der Konzern würde hingegen schon mal ihr Entgelt einsparen. Eine Garantie für den Erhalt von Arbeitsplätzen stellt dies aller Erfahrung nach sowieso nicht dar – im Gegenteil, für viele Arbeitskräfte, die über längere Zeit in Kurzarbeit und daher ohnedies nicht mehr im Betrieb sind, könnte sich eine solche Lösung leicht als Übergang zur Arbeitslosigkeit entpuppten. Die Verfügung über die Fördermittel des Staates läge natürlich auch nicht in Händen der ArbeiterInnenschaft, sondern in der Vollzugsgewalt der KapitalistInnen.

Die regionale IGM-Spitze hält den Personalabbau für „überzogen“. Darin steckt derselbe Denkansatz wie die Kritik an der „Unverhältnismäßigkeit“ eines Polizeieinsatzes. Die Entscheidungshoheit der Bosse in Sachen Personalpolitik wird als praktisch notwendig hin- und vorweggenommen. In Verhandlung steht offenbar nur die Minderung der Zahl der „Freisetzungen“. Um Beschäftigung zu sichern, „müssten alle staatlichen und tarifrechtlichen Mittel geprüft werden.“ Darin erschöpft sich die Weisheit der „kämpferischen“ BürokratInnen.

Welche Perspektive?

Dabei verkündete der IGM-Funktionär Daniel Friedrich auf der Kundgebung in Finkenwerder: „Wir brauchen keine Abrissbirne, sondern eine Brücke für die Zukunft.“ Wer davon spricht, muss aber auch Farbe bekennen. Was und für welche Zwecke soll bei Airbus produziert werden? In der Rüstungsgütererzeugung rangiert der Konzern in Europa als Nummer zwei hinter BAE-Systems. Im Zweigwerk Varel werden bspw. Lufteinlaufschalen und -röhren für den Eurofighter sowie Großbauteile für den A440M-Militärtransporter gefertigt.

Wenn die militärische Relevanz von Airbus für zukunftweisend gehalten wird, muss auch die Stützung der imperialistischen EU- und NATO-Strategie als unverzichtbar erscheinen. Nicht umsonst ist der französische Staat zu 15 % am Konzern beteiligt.

Was bereits im Rettungspaket für die Lufthansa fehlte, nämlich Auflagen bezüglich Umweltschonung, gilt auch für Airbus, dessen Großraumflugzeuge nicht zuletzt wegen ihrer ökologischen und verkehrsraumtechnischen Fragwürdigkeit schon lange umstritten sind.

Selbstverständlich muss aber der Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze an der Seite der Beschäftigten von Airbus geführt werden. Es darf aber nicht bei einmaligen Protestaktionen oder bloß symbolischen Ergänzungen von Verhandlungen hinter verschlossenen Türen stehen bleiben. Daher darf die Ausweitung, Führung, Organisierung der Auseinandersetzung schon gar nicht Betriebsräten und DGB-FunktionärInnen überlassen werden, die nur auf Verhandlungsrunden mit den KonzernvertreterInnen unter Ausschluss der Öffentlichkeit setzen. Diese müssen vielmehr der Kontrolle der von den Entlassungen Betroffenen unterstellt werden.

Aus der Belegschaft müssten sich dazu von der Basis gewählte und dieser Rechenschaft schuldige Kampfkomitees bilden, die Maßnahmen treffen bis hin zu Besetzungsstreiks. Bei Verhandlungen mit dem Konzern muss gefordert werden, dass Öffentlichkeit hergestellt wird, diese also direkt öffentlich übertragen werden. Aus den Kampfkomitees könnten ArbeiterInnenkontrollorgane entstehen, die Einblicke in alle Geschäftsunterlagen nehmen, um die wirkliche Situation des Unternehmens einschätzen und die Pläne der Bosse aufdecken zu können. Diese Kontrollorgane müssten schließlich auch die Frage nach der Zukunft der Produktion und nach den EntscheidungsträgerInnen stellen und beantworten.

Zwei wichtige Voraussetzungen für einen erfolgreichen Abwehrkampf gegen die Versuche, die Krise auf die ArbeiterInnen abzuwälzen, wären eine Ausweitung des Kampfes über den Standortrahmen hinaus. Airbus steht hier in herausgehobener Stellung und bietet als international aufgestellter Konzern Ansatzpunkte zum Brückenschlag über Landesgrenzen hinaus, beispielsweise nach Frankreich, Rumänien, Spanien und in die Niederlande. Zweitens müsste auch ein Einbezug anderer MetallerInnenbereiche erfolgen. So ist Daimler 30 %-iger Anteilseigner von Airbus. Wenn diese Momente positiv zusammenkommen, könnte ein beispielgebendes Signal für einen Aufschwung von Klassenkämpfen in Europa gesetzt werden.




Streikrechtskonferenz 2019: Klassenzusammenarbeit ist eine Sackgasse!

Frederik Haber, Neue Internationale 235, Februar 2019

„Aus unseren Kämpfen lernen“ heißt das Motto der Konferenz
linker GewerkschafterInnen, die 2019 zum vierten Mal von der
Rosa-Luxemburg-Stiftung organisiert wird. So gut es ist, dass es diesen Rahmen
für kämpferische, aktive und linke Kolleginnen und Kollegen gibt, so groß ist
auch diesmal die Gefahr, in den vielen kleinen Problemen der gewerkschaftlichen
Alltagspraxis stecken zu bleiben und dem Bemühen, damit fertig zu werden.

„In unseren gewerkschaftlichen Kämpfen entstehen neue Formen
der Gegenwehr“, heißt es in der Einladung: „Was können wir aus ihnen lernen?
Wie können wir Erfolge verallgemeinern, alte Routinen durchbrechen und unsere
Durchsetzungsfähigkeit stärken?“

Hier stecken die VeranstalterInnen aus der Rosa
Luxemburg-Stiftung, also der Linkspartei, den Rahmen der Konferenz ab: eine
bessere gewerkschaftliche Praxis. Diese erstreben selbstverständlich alle
aktiven GewerkschafterInnen und Linken. Doch die Frage beinhaltet auch eine
Einschränkung. Der Rahmen der „gewerkschaftlichen Praxis“ selbst, die
Gesamtheit der kapitalistischen Verhältnisse in Deutschland und international,
die politische Strategie der Gewerkschaften und Betriebsräte, also die
eigentlichen Grundlagen der aktuellen Praxis, erscheinen allenfalls als
Nebenfragen.

Aber eine „bessere Praxis“ kann ohne eine „bessere“, d. h.
grundlegend andere politische Ausrichtung auf betrieblicher oder Branchenebene
allenfalls nur als Ansatz, als Stückwerk in Erscheinung treten. Die bestehende
„alte Routine“ entspricht nämlich der Ausrichtung der deutschen
Gewerkschaftsbewegung, der Verinnerlichung der Klassenzusammenarbeit mit dem
Kapital auf allen Ebenen vom Betrieb über die Aufsichtsräte bis zur
Unterstützung der Großen Koalition – und sie kann daher letztlich auch nur
überwunden werden, wenn die Politik und Strategie der herrschenden Bürokratie
in Gewerkschaften und Betriebsräten in Frage gestellt, ja bekämpft wird.

Das ist keine abstrakte Frage. Beispielsweise ist in den
Krankenhäusern eine Bewegung für Mindestbesetzungen in der Pflege in Gang
gekommen. Es gibt erste Erfolge. In Haustarifverträgen gibt es Quoten oder
zumindest Mechanismen, wie seitens der Belegschaften gegengesteuert werden
kann.

Beispiel Kampf um Pflege

Warum bleibt es bei einzelnen Beispielen? Natürlich gibt es
überall rückständige Belegschaftsteile, hinderliche Einstellungen von
Beschäftigten, die auch von christlicher und anderer Ideologie gefördert
werden. Aber es gibt auch das Problem, dass sich die ver.di-Führung weigert,
für einen allgemeinen Tarifvertrag zu kämpfen. Ein gemeinsamer Tarifkampf muss
natürlich entsprechend vorbereitet werden. Aber er kann alle Belegschaften
vereinen und die schlechter Organisierten mit hineinziehen und stärken.

Das Verhalten des ver.di-Vorstandes beruht nicht einfach auf
dem Festhalten an „alter Routine“, sondern resultiert aus ganz bewusster
Politik. Die AktivistInnen aus den Krankenhäusern und den Soli-Gruppen sollen
Unterschriften sammeln und demonstrieren, die ver.di-Führung will alleine
bestimmen, wie weit die KollegInnen gehen können/dürfen. Schließlich sollen sie
nicht als selbstständige EntscheiderInnen über ihre Aktionen auftreten, sondern
als Mittel, die Verhandlungsmacht der Führung zu erhalten.

Warum verhindert sie einen einheitlichen Kampf? Vielleicht,
weil zu viele Apparatschiks in den Aufsichtsräten sitzen? Oder in Stadträten
und Verwaltungen, die Ausgabensteigerungen fürchten? Die zwar Minister Spahn
angehen, aber keinesfalls eine Massenbewegung wollen, die die
Regierungskoalition gefährdet?

Der Kampf in der Pflege und den Krankenhäusern hat enormes
Potential. Er kann Massen in den Kampf führen, die bisher eher am Rand standen
und sich erst in den letzten Jahren organisiert und mobilisiert haben. Er kann
auf Unterstützung aus der ganzen ArbeiterInnenklasse rechnen. Der
Pflegenotstand ist Folge einer Politik, die Steuersenkungen für das Kapital von
den Arbeitenden durch Kürzungen für die Kommunen, Senkung der
„Lohnnebenkosten“, Einführung und Ausbreitung von Niedriglöhnen bezahlen lässt.

Diese Politik wurde von den Gewerkschaftsführungen
mitgetragen. Die SPD hat sie aktiv gestaltet. Die „Agenda 2010“ sollte  die Stellung Deutschlands gegenüber den
anderen führenden imperialistischen Ländern verbessern.

Die Linkspartei bekämpft diese Politik zwar in Worten, aber
es reicht weder, eine bessere Praxis zu propagieren noch der SPD gelegentlich
den Schwarzen Peter Agenda 2010 vorzuhalten. Erst recht wird eine solche
Politik zur Farce, wenn in Landesregierungen gemeinsam mit der SPD und den
Grünen die Agenda 2010 weiter verwaltet und umgesetzt wird.

Die Gewerkschaften sind durch und durch von der Politik
geprägt, die die Agenda durchsetzte und heute umsetzt:

  • „Gestaltung“ der Leiharbeit statt deren Bekämpfung.
  • Standort„sicherung“ auf Kosten anderer Belegschaften im In- und Ausland.
  • Aushöhlung der Tarifverträge durch Standort„sicherung“, Sanierungs-TV, Ausgliederung.
  • Kein Kampf für kollektive Arbeitszeitverkürzung, selbst angesichts massiver Arbeitsplatzverluste durch Digitalisierung.
  • Unterstützung des Angriffs auf das Streikrecht (IG Metall, SPD) bzw. die kampflose Hinnahme (ver.di und Linkspartei).

Diese Politik schwächt die Gewerkschaften und macht sie
wehrlos gegen Angriffe, die sich mit der kommenden Krise noch verstärken
werden. Sie entfremdet immer größere Teile der Lohnabhängigen von ihnen und
liefert sie den rechten PopulistInnen aus.

Eine andere, bessere Gewerkschaftspraxis kann nur
durchgesetzt werden, wenn diese Politik aktiv bekämpft wird. Wir müssen dafür
eintreten, dass die Gewerkschaften damit brechen!

Daher soll die Konferenz diese Fragen behandeln und die
Diskussion dazu organisieren – in Braunschweig und darüber hinaus. Wir brauchen
nicht nur Erfahrungsaustausch, sondern gemeinsame Forderungen, um den Kampf für
eine andere, klassenkämpferische und anti-bürokratische Gewerkschaftspolitik zu
koordinieren und zu vereinheitlichen. Hierzu einige Vorschläge:

  • Statt im Namen der Wettbewerbsfähigkeit und des Exportes Angriffe auf Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen zu akzeptieren, brauchen wir den Kampf für unsere Interessen mit allen gewerkschaftlichen und politischen Mitteln. Betriebsbesetzungen sind dabei unverzichtbar und legitim.
  • Die Einbeziehung der Basis in die Entscheidung über Streiks ist der Anfang – letztlich hat nur sie über den Abschluss zu entscheiden und nicht die hauptamtlichen Zentralen. Die Streikleitungen müssen von ihr gewählt, ihr wirklich rechenschaftspflichtig und abwählbar sein.
  • Eine radikale Erhöhung des Mindestlohnes ohne Ausnahmen ist ein entscheidendes Mittel, um den rechten DemagogInnen das Wasser abzugraben und den ständigen Lohndruck auf Stammbelegschaften abzuschwächen.
  • Betriebe, die Arbeitsplätze vernichten, müssen entschädigungslos unter Kontrolle der Beschäftigten enteignet werden!
  • Arbeitszeitverkürzung mit dem Ziel, alle Arbeitssuchenden in die Betriebe zu integrieren! Gleiche Löhne und Arbeitsbedingungen für Stamm- und Randbelegschaften! „Ein Betrieb – ein Tarifvertrag“ statt Spaltung. Kampf der Leiharbeit!
  • Solidarität mit kämpfenden KollegInnen in anderen Ländern statt „Sicherung der deutschen Standorte“ – gerade in den internationalen Konzernen!
  • Kampf gegen Rassismus durch Massenmobilisierung! Aufnahme von Geflüchteten und MigrantInnen in die Gewerkschaften! Keine Rückendeckung für die Große Koalition – das ist nur Wasser auf die Mühlen der AfD.

Aussprechen, was ist

Es hilft den Linken in den Gewerkschaften nicht, sich davor
aus taktischen Überlegungen oder Opportunismus zu drücken. „Zu sagen, was ist,
bleibt die revolutionärste Tat….“ – Luxemburgs Satz ist angesichts der Krise
der deutschen Gewerkschaftsbewegung nur zu wahr!

Es hilft daher nichts, die Lage der Gewerkschaften
angesichts von Rechtsruck, Krise, globaler Konkurrenz und Militarisierung zu
beschönigen. Die Politik der sozialpartnerschaftlichen Mitverwaltung des
Kapitalismus, der Standortpolitik ist tief in die politische DNA der Führungen,
des Apparates und der Betriebsräte der Großkonzerne eingeschrieben. Daher
bildet diese Bürokratie heute auch eine der wichtigsten verbliebenen Stützen
der Großen Koalition.

Um eine bessere, andere Praxis in den Betrieben und
Gewerkschaften durchzusetzen, bedarf es neben Forderungen und Diskussion vor
allem auch des organisierten, gemeinsamen Vorgehens der linken,
klassenkämpferischen GewerkschafterInnen, Vertrauensleute, Betriebsräte. Das
System der Bürokratie, das die ArbeiterInnenklasse an die Zusammenarbeit mit
Kapital und Regierung bindet, kann nicht einfach „reformiert“ werden. Es reicht
nicht, einzelne Personen durch andere zu ersetzen. Vielmehr müssen die
Gewerkschaften der Kontrolle durch einen Apparat, eine ganze bürokratische
Schicht entrissen und auf demokratischer Basis neu aufgebaut werden. Dazu
bedarf es einer organisierten Basisbewegung, einer Opposition, die für eine
demokratische, antibürokratische, klassenkämpferische Gewerkschaft kämpft!




Generalstreik legt Indien lahm

Martin Suchanek, Infomail 1037, 10. Januar 2019

Fast 200 Millionen Menschen legten Indien mit einem
Generalstreik am 8. und 9. Januar lahm. Zur landesweiten Arbeitsniederlegung
war von der indischen „National Convention of Workers“ aufgerufen worden, die 10
Gewerkschaftsverbände (INTUC, AITUC, HMS, CITU, AIUTUC, TUCC, AICCTU, SEWA,
LPF, UTUC) und mehrere unabhängige Vereinigungen von Lohnabhängigen umfasst.

Somit unterstützten alle größeren Gewerkschaftsverbände den
Aufruf, abgesehen von „Bhartiya Mazdoor Sangh“ (Indische Arbeiterinnenunion,
BMS), dem „Gewerkschaftsflügel“ der rechten, hindu-chauvinistischen „Rashtriya
Swayamsevak Sangh (Nationale Patriotische Freiwilligenunion)“. Diese
Vereinigung bildet ein Herzstück der regierenden rechts-populistischen,
chauvinistischen und neo-liberalen BJP (Indische Volkspartei) von Präsident
Narendra Modi. Die BMS denunzierte den Streik als „politische Aktion“, die
gegen die Regierung gerichtet sei. In der Tat war dies der Generalstreik genau
– und so sollte es auch sein!

Kein Wachstum für die ArbeiterInnenklasse

Nach 2015 und 2016 war dies der dritte Generalstreik, der
sich gegen die massiven neoliberalen Angriffe und Gesetze richtete, die die
ArbeiterInnenklasse, die Bauern-/Bäuerinnenschaft, die städtische und ländliche
Armut getroffen haben. Das Wachstum des indischen Kapitalismus unter der
Modi-Regierung hat den Massen keinen wirtschaftlichen Nutzen gebracht.

Am Ausstand beteiligten sich Beschäftigte aus allen Sektoren
der indischen Wirtschaft, ob organisiert oder unorganisiert. So
unterschiedliche Bereiche wie Eisenbahnen, Verteidigungsindustrie,
Gesundheitswesen, Bildung, Wasser, Banken, Versicherungen, Telekommunikation,
Öl, Kohle, öffentliche Verkehrsmittel und Bauwesen folgten dem Aufruf. Neben
gewerkschaftlich organisierten Lohnabhängigen aus dem öffentlichen und privaten
Sektor, aus „alten“ Industrien und der IT-Branche schlossen sich Millionen von
nicht organisierten an – Rikscha-, Auto-Rikscha- und TaxifahrerInnen,
LandarbeiterInnen, Beedi-ArbeiterInnen (Beedi ist eine zigarettenähnliche
Tabakware) und TextilarbeiterInnen, WanderarbeiterInnen, HeimarbeiterInnen und
Hausangestellte. Alle diese Sektoren schlossen sich am 8. und 9. Januar gegen
die Politik der neoliberalen, arbeiterInnenfeindlichen und repressiven
Modi-Regierung zusammen und gegen das indische und ausländische Großkapital,
dessen Interessen sie bedient.

Der Streik stellt zweifellos einen enormen Erfolg dar,
beteiligte sich doch rund ein Drittel aller Lohnabhängigen des Landes – und das
trotz massiver Repression gegen Streikende.

So versuchten am 8. Januar vielerorts staatliche Organe,
durch Verhaftungen bis hin zu körperlichen Angriffen den Streik zu brechen, an
anderen griffen Gangs oder Sicherheitsdienstete Lohnabhängige an. Dazu einige
Beispiele.

Im Industriegürtel in Neemrana in der Provinz Rajasthan
griff der Sicherheitsdienst der Fabrik Daikin Air Conditioning India Pvt. Ltd.
ArbeiterInnen physisch an, um den Streik zu brechen. Dabei wurden einige
verletzt, andere sollten zur Arbeit gezwungen werden. Aber der Streik hielt und
war erfolgreich.

Das Unternehmen buchte außerdem drei Nobelhotels, um
Sicherheitsleute und einige LeiharbeiterInnen unterzubringen. Aber mit diesen
Mitteln konnte es den Streik nicht verhindern. Dafür organisierten die
ArbeiterInnen zahlreicher Betriebe eine lebhafte Kundgebung in diesem
Industriegürtel, inmitten der japanisch-indischen Freihandelzone.

Ähnliche Szenen prägten den Streik in vielen Städten – aber
die enorme Masse und Entschlossenheit ermöglichte es, den Generalstreik
durchzusetzen.

Was steht auf dem Spiel?

Warum aber wurde und wird der Kampf geführt? Die „National
Convention of Workers“ tagte zum ersten Mal im September und beleuchtete dabei
einige der Themen, die eine lohnabhängige Erwerbsbevölkerung von etwa 500
Millionen Menschen betreffen.

Etwa 82 Prozent der männlichen und 92 Prozent der weiblichen
Arbeit„nehmer“ verdienen weniger als 10.000 indische Rupien (etwa 125 Euro) pro
Monat und liegen damit selbst noch weit unter dem von der indischen Central Pay
Commission empfohlenen Mindestlohn von 18.000 Euro. „Dies deutet darauf hin,
dass eine große Mehrheit der InderInnen nicht einmal bezahlt wird, was als
Existenz sichernder Lohn bezeichnet werden kann, und das erklärt auch den
starken Run auf Regierungsjobs“, erklärten GewerkschafterInnen.

Seit mehreren Jahren sind Unterbeschäftigung und niedrige
Löhne Schlüsselprobleme für die Masse der indischen ArbeiterInnenklasse, aber
in letzter Zeit ist sogar die Arbeitslosigkeit deutlich gestiegen. Sie liegt jetzt
offiziell über 5 Prozent, aber für die Jugend ist sie mit rund 16 Prozent
deutlich höher. Auch die besser ausgebildeten Menschen sind
überdurchschnittlich betroffen, ein klares Zeichen dafür, dass das indische
kapitalistische Wachstum eine noch schneller wachsende ArbeiterInnenklasse
nicht absorbieren kann.

Die Regierung hat alle Forderungen nach einem Mindestlohn
und anderen grundlegenden Forderungen der Beschäftigten und der Gewerkschaften
ignoriert wie z. B. nach allgemeinen sozialen Sicherungssystemen
(Krankenversicherung, Renten, …), nach Rechten der Beschäftigen,
einschließlich von Löhnen und Arbeitsbedingungen, sowie Forderungen gegen die
Privatisierung einschließlich jener des Finanzsektors. Die Regierung Modi hat
sich auch geweigert, internationale Abkommen wie die ILO-Konvention 177 über
Heimarbeit und 189 über Hausarbeit zu ratifizieren. Stattdessen hat sie 44
zentrale Arbeitsgesetze aufgehoben und neue, noch unternehmerfreundlichere
Regelungen sowie ein neues Rentensystem eingeführt.

Darüber hinaus haben sowohl die von der BJP geführte
Zentralregierung als auch die Regierungen verschiedener Bundesstaten den
repressiven Apparat und die reaktionären Kräfte eingesetzt, um
ArbeiterInnenproteste, StudentInnenaktionen, Frauenmärsche und Mobilisierungen
von Bauern und Bäuerinnen einzuschüchtern, zu unterdrücken und anzugreifen.

Natürlich muss eine solche Regierung durch eine umfassende
Mobilisierung der ArbeiterInnenklasse, der Bauern/Bäuerinnen und der Armen
bekämpft werden, da sie, wie der Aufruf zum Streik zeigt, nicht nur den
reaktionären Hindu-Chauvinismus vertritt, sondern auch die Interessen der
gesamten indischen kapitalistischen Klasse und der Monopole aus den
imperialistischen Ländern. So hieß es im Aufruf zum Streik:

„Um den Interessen der multinationalen Unternehmen mit
indischen Niederlassungen zu dienen, verfolgt die gegenwärtige Regierung eine
eklatante menschenfeindliche, arbeitnehmerfeindliche und antinationale Politik
auf Kosten der schweren Schädigung der Volkswirtschaft und der Zerstörung ihrer
einheimischen Produktionskapazitäten. Ein solches Regime muss entschieden
besiegt werden, um die Personen zu Veränderungen in der Politik an allen
Fronten zu zwingen.“

Auch wenn diese Passagen selbst eine reformistische (und
implizit auch links-nationalistische) Stoßrichtung vertreten, so prangern sie
zu Recht die Klassenpolitik der Regierung an.

Landbevölkerung

Natürlich sind nicht nur die LohnarbeiterInnen von dieser
Politik betroffen. Der Kisan-Mukti-Marsch, bei dem sich am 29. und 30. November
Bauern, Bäuerinnen und LandarbeiterInnen in der Hauptstadt versammelten,
vereint die immer häufiger und intensiver werdenden Proteste von Dorfgemeinden
im ganzen Land. Dies führte zur Gründung einer einzigen Dachorganisation, dem
All India Kisan Sangharsh Coordination Committee (AIKSCC), das sich auf über
200 lokale und landesweite Bauern-Bäuerinnenorganisationen stützt. Bhoomi
Adhikar Andolan (BAA), eine mächtige Plattform von Organisationen der Bauern
und Bäuerinnen, hat auch zum Generalstreik aufgerufen. Die der CPI (M)
(Communist Party of India/Marxist) nahestehende AIKS (All India Kisan Sabha) organisierte
schon 2018 einen zweitägigen landesweiten Massenprotest.

All das spiegelt die Verschlechterung der Lage auf dem Land
wider. In den letzten vier Jahren gab es einen jährlichen Rückgang der
Realinvestitionen in der Landwirtschaft um 2,3 Prozent und die Wachstumsrate
der Agrarkredite hat sich auf 12 Prozent verlangsamt, verglichen mit 21 Prozent
im letzten Jahrzehnt. Diese Zahlen spiegeln den langfristigen Trend zur Aufgabe
des Agrarsektors durch aufeinanderfolgende Regierungen wider.

Der indische Export von Agrarprodukten sank, während sich
die Importe in weniger als 10 Jahren verfünffacht haben. Zwei Drittel der
indischen Bevölkerung sind für ihren Lebensunterhalt von der Landwirtschaft
abhängig, aber die Landwirtschaft macht nur 14 Prozent der gesamten
Wirtschaftsleistung des Landes aus. Trotz der starken Abwanderung in die Städte
in den letzten zwei Jahrzehnten lebt immer noch mehr als die Hälfte der
Bevölkerung in ländlichen Gebieten – und das unter immer prekäreren
Bedingungen.

Schon vor dem Generalstreik kam es nicht nur zu
beeindruckenden Streikaktionen von Sektoren der ArbeiterInnenklasse wie seit
dem September 2018 in Rajasthan, sondern auch zu massiven Protesten der
Studierenden. In jüngster Zeit stand die Massenmobilisierung von Frauen gegen
den reaktionären hinduistischen Chauvinismus auf der Tagesordnung: die
„Frauenmauer“ im Bundesstaat Kerala für die Gleichstellung der Geschlechter. Am
1. Januar schlossen sich etwa 5 Millionen Frauen in einer Menschenkette
zusammen, um eine 620 Kilometer lange „Mauer“ von der nördlichen bis zur
südlichen Grenze Keralas zu bilden. Gegen den hinduistischen Chauvinismus und
ein reaktionäres Urteil des Obersten Gerichtshofes fordern sie ihr Recht, den
Lord-Ayyappa-Tempel zu betreten, von dem sie traditionell ausgeschlossen sind.

Das Potenzial des Generalstreiks

Daher zeigen nicht nur die massive Zahl der ArbeiterInnen,
die mobilisiert wurden, sondern auch der Anstieg dieser Massenbewegungen von
Bauern/Bäuerinnen, Frauen und StudentInnen, dass das Regime des
erz-reaktionären Modi in die Defensive gebracht und sogar gestürzt werden
könnte.

Die regierende BJP hat kürzlich in fünf Bundesstaaten die
Wahlen verloren. Die WählerInnen aus den ländlichen Gebieten zeigten ihre Wut
auf die Regierung, weil sie sie in ihrer Zeit der Not nicht unterstützt hat. So
wurde die BJP in Rajasthan, Madhya Pradesh, Chhattisgarh, Telangana und Mizoram
an den Urnen abgestraft. Die von der Modi-Regierung vertretene neoliberale und
wirtschaftsfreundliche Politik ist die Hauptursache für die Niederlage der BJP.

Um die Regierung Modi zu besiegen, müssen aber auch die
politischen Lehren aus den Generalstreiks der letzten Jahre und Tage gezogen
werden. Die Gewerkschaften und die Bauern-/Bäuerinnenverbände haben sich als
fähig erwiesen, Massen in wirklich historischem Maßstab in den Kampf zu führen
– 150 bis 200 Millionen! Aber es wurde ebenso deutlich, dass ein- oder
zweitägige Generalstreiks nicht ausreichen, um die Regierung oder die
KapitalistInnen zu stoppen. Sie haben sich als unzureichend erwiesen, um die
Forderungen nach einem Mindestlohn, einer sozialen Absicherung, einer
ausreichenden Altersversorgung usw. durchzusetzen.

Wenn der Generalstreik ein voller Erfolg werden, also seine
Ziele durchsetzen soll, muss er unbefristet durchgeführt werden, bis die
Forderungen erfüllt sind.

Ein solcher Streik wäre natürlich mit noch schwerwiegenderen
Repressionen, Schikanen, der Mobilisierung sowohl des Repressionsapparats als
auch der reaktionären hindu-chauvinistischen Kräfte, der rechten oder gar
faschistischen Banden und Milizen aus dem Umfeld der BJP konfrontiert.

Nichtsdestotrotz haben die „National Convention of
Workers“ sowie die Unterstützung von
Massenbauern-/Bäuerinnenorganisationen und durch die Kommunistischen Parteien
begonnen, eine Einheitsfront der ArbeiterInnen, Bauern und BäuerInnen sowie
aller Unterdrückten für ihre sozialen und politischen Forderungen zu schaffen.
Nun sollten alle Gewerkschaften, alle ArbeitInnenorganisationen dem Konvent
beitreten, sich mit den Bauern-/Bäuerinnenbewegungen, den StudentInnen- und
Frauenorganisationen verbünden, um den Kampf gegen die Ausbeutung mit dem für
demokratische Rechte und Gleichberechtigung der Frauen, die Rechte der
unterdrückten Nationalitäten und gegen das religiösen Sektierertum sowie für
die wirkliche Abschaffung des Kastensystems zu verbinden.

Eine solche einheitliche Front darf nicht nur eine
Vereinbarung zwischen den FührerInnen der Massenorganisationen sein. Um einen
unbefristeten Generalstreik zu organisieren, zu verteidigen und auszuweiten,
sollten an allen Arbeitsplätzen, in allen Wohnvierteln der ArbeiterInnenklasse,
in den Megacities, in den Städten und auf dem Land Aktionskomitees geschaffen
werden. Die StreikführerInnen sollten gewählt, rechenschaftspflichtig und
diesen Organen gegenüber rückrufbar sein. Die Komitees sollten zentralisiert
operieren, um eine nationale Koordination und schlagkräftige Führung des
Kampfes zu gewährleisten, damit sie noch größere Massen erreichen und auch ihre
eigene Selbstverteidigung organisieren können.

Eine solche Bewegung könnte Modi und die
hinduistisch-chauvinistische Bewegung stoppen. Die Geschichte zeigt aber, dass
sich RevolutionärInnen innerhalb einer solchen Bewegung auch mit der Frage der
politischen Strategie und des Programms befassen müssen. Im Jahr 2019 finden in
Indien allgemeine Wahlen statt. Man muss kein politisches Genie sein, um zu
erkennen, dass die meisten GewerkschaftsführerInnen und vor allem die
FührerInnen der so genannten „Kommunistischen Parteien“ – der CPI und CPI (M) –
versuchen werden, die Bewegung in eine elektoralistische Richtung zu lenken.
Sie werden sich darauf konzentrieren, wie man Modi und die BJP verdrängt und
die „linke“ bürgerliche Alternative, die Kongresspartei, mit einiger
Unterstützung der reformistischen KPen auf regionaler oder sogar nationaler
Ebene ans Ruder bringt. Das wäre keine Lösung. Es würde nur bedeuten, die
Regierungsgewalt von einer Fraktion der Bourgeoisie auf eine andere zu
übertragen, und unweigerlich zu einer massenhaften Desillusionierungswut
führen.

Die Linke muss vielmehr die Forderung nach einem unbefristeten
und demokratischen Generalstreik mit der Notwendigkeit verbinden, sich von der
Politik der politischen Bündnisse mit dem Kongress zu lösen. Solche Allianzen führen
nur zur Unterordnung der ArbeiterInnenbewegung unter die indische
„fortschrittliche“ Bourgeoisie, wie die Regierungsbeteiligungen von CPI und CPI
(M) seit Jahrzehnten immer wieder verdeutlichen. Daher müssen RevolutionärInnen
auch die gegenwärtige politische Krise und Gärung nutzen, um die Aufmerksamkeit
auf die Notwendigkeit einer revolutionären ArbeiterInnenpartei in Indien zu lenken,
einer Partei, die die Arbeiterklasse dazu bringen könnte, nicht nur das
Modi-Regime zu stürzen, sondern auch das kapitalistische System herauszufordern
und durch eine ArbeiterInnen- und Bauern-/Bäuerinnenregierung zu ersetzen, die
auf Räten und dem bewaffneten Volk basiert, die die Großkonzerne enteignen und
einen demokratischen Plan einführen würde, um den Bedürfnissen der Hunderte von
Millionen ArbeiterInnen, Bauern/Bäuerinnen und Armen gerecht zu werden.




Die Krise in Südafrika

Jeremy Dewar, Infomail 1024, 15. Oktober 2018

Bis heute inspiriert die Geschichte des Anti-Apartheidskampfes Millionen, die gegen Rassismus und für Befreiung kämpfen. Und das sollte sie auch. Aber nur die Geschichte zu erzählen, als ob der Kampf um Gleichheit mit der Auflösung des Apartheid-Systems beendet worden wäre, würde denjenigen, die es bekämpft haben, einen Bärendienst erweisen. Wir müssen uns auch mit dem Erbe dieses Kampfes und den Herausforderungen befassen, die er für eine neue Generation mit sich bringt.

Beginnen wir mit einigen unbequemen Fakten. Südafrika ist offiziell das ungleichste Land der Welt und das schon seit einigen Jahren. Bis zu 65 Prozent der SüdafrikanerInnen leben in Armut, die Lebensmittelpreise steigen. Nach Angaben der Weltbank stellt sich dies so dar:

„Die unteren 50 % der Haushalte machen nur 8 % der Einkommen, 5 % der Vermögenswerte und 4 % des Nettovermögens aus. Umgekehrt besitzen die Top-10 % der Haushalte 55 % der Haushaltseinkommen, 69 % der gesamten Haushaltvermögenswerte und 71 % des Haushaltnettovermögens“.

Die Arbeitslosigkeit liegt bei 27 %, bei Jugendlichen sogar bei 50 %. Gut bezahlte Arbeitsplätze wurden, wenn überhaupt, durch prekäre Beschäftigung ersetzt. Löhne und Wachstum stagnieren, die Kapitalflucht ist monströs.

Der Haushalt 2018 erhöhte die Mehrwertsteuer, kürzte die Sozialleistungen, verschärfte gewerkschaftsfeindliche Gesetze und lockerte die Einschränkungen von Kapitalflucht.

Dies verstärkt das Elend, zu dem die systematische Korruption, verkörpert durch den ehemaligen Präsidenten Jacob Zuma, die Veruntreuung von Weltbankgeldern durch ANC-BeamtInnen und GaunerInnen wie die Brüder Gupta und die Leugnung von AIDS durch den früheren Präsidenten Thabo Mbeki verschärft wurde. Allein AIDS soll schätzungsweise Hunderttausende vorzeitige Todesfälle verursacht haben.

Der diesjährige Haushalt, der erste unter Präsident Cyril Ramaphosa, führte auch Mindestlöhne von 11 bis 22 Rand ein, d. h. 0,55 bis 1,15 € pro Stunde, die Massenproteste auslösten, sogar von der stalinistischen „Kommunistischen Partei Südafrikas“ und den wichtigsten Gewerkschaften des Verbandes COSATU, die in Koalition mit dem regierenden Afrikanischen Nationalkongress (ANC) bleiben. Der neue gegründete, abtrünnige Südafrikanische Gewerkschaftsbund ging am 25. März mit einem Generalstreik einen Schritt weiter.

Schließlich gibt es noch die Landfrage, eines der brennendsten Themen während des Anti-Apartheid-Kampfes. Über hundert Jahre Ungerechtigkeit wurden seit dem Sturz der Apartheid vor 24 Jahren immer noch nicht angegangen.

Das Gesetz, der Natives Land Act, von 1913 entzog der schwarzen Bevölkerung Landbesitz und vergab 87 % des Landes an weiße BäuerInnen. Der schwarzen Mehrheit wurde nur das Restland von 13 % in den überfüllten „Eingeborenenreservaten“ überlassen.

Heute liegt der Anteil des weißen Grundbesitzes bei 72 % – trotz Landreform, d. h. Übergang in den schwarzen Grundbesitz, der das Herzstück der Freiheitscharta bildet. Nur 8 % des weißen Landes wurden seit 1994 in schwarzen Besitz überführt. In der Post-Apartheid-Verfassung steht, dass Land nicht enteignet werden kann, sondern nur auf der Grundlage übertragen, dass es „eine/n willige/n VerkäuferIn“ und „eine/n willige/n [und zahlungsfähige/n] KäuferIn“ gibt.

Kurz gesagt, 2,2 Mio. schwarze BäuerInnen sind für nur 5 % der gesamten Wirtschaftsleistung im Agrarsektor verantwortlich, während 35.000 kommerzielle LandwirtInnen die restlichen 95 % auf dem besten Land produzieren, mit den modernsten Geräten arbeiten, 800.000 LandarbeiterInnen, meist Schwarze, beschäftigen und den Markt kontrollieren. An der Spitze stehen 1.300 Unternehmen, die 50 % des Einkommens genießen und für den Weltmarkt produzieren.

Landnahmen sind weit verbreitet, gelegentlich gewalttätig und führen dazu, dass AfrikaanerInnen der extremen Rechten behaupten, es sei ein „Völkermord“. Zahlen zeigen jedoch, dass es in den Städten gefährlicher ist als in ländlichen Gebieten, und mehr Schwarze sterben an gewaltsamen Landnahmen als Weiße. Mit anderen Worten, die Besetzungen sind wirtschaftlich motiviert, rassistisch ist deren Unterdrückung. Die Vergeltung durch weiße BäuerInnen war und ist extrem. In einem finsteren Echo auf die Apartheid-Ära oder das der Jim-Crow-Gesetze in den USA hat ein weißer Farmer kürzlich einen schwarzen Jungen getötet, weil er eine Sonnenblume gestohlen hatte.

Während er den Gesetzentwurf der oppositionellen Bewegung „Economic Freedom Fighters“ (EFF, Wirtschaftliche FreiheitskämpferInnen) zur Änderung der Verfassung und zur Genehmigung von Landenteignungen und Umverteilungen unterstützt, hat der ANC Ramaphosas die Landnahmen schnell und entschieden verurteilt. Seine Unterstützung für die Reform zielt darauf ab, eine militante Bewegung von unten zu entschärfen: d. h. mit der klassischen Taktik von Zuckerbrot und Peitsche oder besser gesagt, Zuckerbrot und Waffe.

Cyril Ramaphosa

Es ist unmöglich, die heutige politische Krise zu verstehen, ohne die Anti-Apartheid-Bewegung und die Nach-Apartheid-Lösung zu analysieren. Bemerkenswert ist, dass dies mittels Blick durch die Linse von Cyril Ramaphosas eigenem persönlichen Lebenslauf erreicht werden kann.

Ramaphosa, der in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren Studentenaktivist war, schloss sich der wachsenden Jugend- und StudentInnenenbewegung in den Townships an. Er schloss sich auch dem ANC an, der mit seinem 10-Punkte-Programm, der Freiheitscharta und seiner „zweigleisigen“ Strategie, das Regime und die Bosse zu Verhandlungen zu zwingen, indem er das Land unregierbar machte, im Kampf gegen die Apartheid an erster Stelle stand. Es war eine klassische Volksfrontstrategie mit viel workeristischem Beiwerk, besonders notwendig, da es keine schwarze Bourgeoisie und kaum eine Kleinbourgeoisie gab. Bei all dem hat die Südafrikanische KP sie unterstützt und begünstigt.

Ramaphosa gründete Mitte der 1980er Jahre die Bergarbeitergewerkschaft NUM, die Teil des Gewerkschaftsverbandes COSATU war, der 1984 – 1985 auf 700.000 Mitglieder stark anstieg. Im Mittelpunkt standen die 300.000 Bergleute sowie die Gewerkschaft der Metall- und verbündeten ArbeiterInnen (MAWU, später in NUMSA umbenannt).

Eine riesige Streikwelle 1985 – 1986 markierte die Explosion der ArbeiterInnenklasse auf der Bühne der bürgerlichen demokratischen Revolution. Zwei große BergarbeiterInnenstreiks – der erste, der fünfeinhalb Monate dauerte und 1986 von einem brutalen Ausnahmezustand gebrochen wurde, markierte den Höhepunkt der Bewegung –; der zweite, der dreieinhalb Wochen dauerte, war von den Nachwehen der revolutionären Bewegung gekennzeichnet. Beide wurden von Ramaphosa zur Niederlage geführt, der erste heroisch, der zweite schmählich.

Schmählich, weil es eine wachsende Streikwelle gab, zu der auch Einzelhandelsbeschäftigte und sogar Hausangestellte gehörten. Daneben führten MAWU und ihr inhaftierter Führer Moses Mayekiso eine Bewegung zur Bildung einer ArbeiterInnenpartei an – um den ANC zur Rechenschaft zu ziehen, aber vor allem, um für die sozialistischen Forderungen im Hier und Jetzt und eine ArbeiterInnenregierung zu kämpfen.

Bald nach der Niederlage der Bergleute begannen die Gespräche und Ramaphosa spielte eine Schlüsselrolle bei der Ausarbeitung der neuen Verfassung mit ihrer berüchtigten Sonnenuntergangsklausel, die garantierte, dass sie nicht in die bürgerlichen Eigentumsrechte der weißen Bourgeoisie, die später White Monopoly Capital (weißes Monopolkapital) genannt wurde, eingriff. Die Dreierallianz und später die Dreierregierung von ANC, SACP und COSATU wurde als Mittel zur Durchführung dieser demokratischen Konterrevolution etabliert, die sich im Laufe der Zeit sicher von der (jetzt demobilisierten) Revolution selbst entfernt hat.

Nach dem Ende der Apartheid 1994 schickte der ANC Ramaphosa als „Abgesandten“ in die Geschäftswelt. Es wurde oft gesagt, dass er die Black Economic Empowerment (BEE, schwarze Wirtschaftsermächtigung)-Politik der ersten ANC-Regierung unter Nelson Mandela eher zu wörtlich und zu persönlich nahm. Er besitzt derzeit mindestens eine halbe Milliarde Dollar und war Vorstandsmitglied der Standard Bank und der Lonmin Mining Company.

Sehr viele ANC-PolitikerInnen, SACP-FührerInnen und COSATU-FunktionärInnen wurden durch ihre Worte und Taten gegen die ArbeiterInnenklasse in dieser 24-jährigen Periode verdammt, aber ein Vorfall, mehr als jeder andere, sorgte für die völlige Ernüchterung der ArbeiterInnenklasse oder zumindest ihrer Vorhut gegenüber dem ANC und der Volksfront: das Marikana-Massaker von 2012.

Marikana-Massaker

Ein Streik für höhere Löhne hatte bereits zu Scharmützeln mit der Polizei geführt, bei denen 10 Bergleute getötet wurden. Die Spannungen zwischen der NUM, der alten Gewerkschaft Ramaphosas, und der abtrünnigen Bergarbeitergewerkschaft AMCU, die mit ihrer mutigen und entschlossenen Führung mehr Bergleute für sich gewinnen konnte, nahmen zu. Dann schickte Ramaphosa, selbst Aufsichtsratsmitglied und Investor bei des Bergbauunternehmens Lonmin, im August eine E-Mail an den Polizeiminister, nannte den Streik eine „hinterhältige Straftat“ und forderte die Polizei auf, „Begleitmaßnahmen“ zu ergreifen.

Am nächsten Tag eröffnete sie das Feuer auf Streikende, die nur mit zeremoniellen Speeren bewaffnet waren, um ihnen mehr als alles andere Mut zu verleihen, und tötete 34 von ihnen. Jüngste Beweise zeigten, dass viele von ihnen praktisch beim Rückzug hingerichtet wurden oder im Versteck in den Rücken geschossen wurden. Ramaphosa hat sich „entschuldigt“ – aber erst im letztes Jahr und nur für die von ihm verwendete Sprache!

Eine weniger bekannte Tatsache, die erst vor kurzem aufflog, ist, dass Ramaphosa für den Bau von 5.500 BergarbeiterInnenwohnungen verantwortlich war und von der Weltbank 100 Millionen Dollar für das Projekt erhielt. Nur 2 Musterhäuser wurden jemals gebaut. Niemand ist sich sicher, wo das Geld geblieben ist. Ramaphosa täuschte die Bergleute auf grausamste Weise, nicht einmal, sondern mindestens zweimal.

Die nächsten vier Jahre brachten einen Aufschwung im Kampf, denn die Austeritätspolitik trug zu den Jahren der Frustration und Verarmung durch den Neoliberalismus bei. Die Armensiedlungen in den Vororten (townships) hatten ihre Kämpfe bereits seit Anfang der 2000er Jahre unter AnführerInnen wie Trevor Ngwane und Ashwin Desai wieder aufgenommen. Nun schlossen sich die Gewerkschaften, insbesondere die Bergleute, an. AMCU leitete einen fünfmonatigen Streik in den Platinminen und erzielte einen Tarifvertrag über 800 Rand Mindestlohn im Monat.

Aber der Stellenabbau ging weiter, als die Bergbau- und Stahlunternehmen auf dem internationalen Markt mehr und mehr unter Konkurrenz standen.

Der Stern von Ramaphosa erstrahlte jedoch noch heller, und im Dezember 2017 übernahm er (mit 51 % gegen 49 %) das Amt von Jacob Zuma als Vorsitzender des ANC und, wie üblich, einen Monat später als Präsident der Republik Südafrika.

Allerdings musste er viele seiner besiegten GegnerInnen in das Kabinett aufnehmen, darunter die rivalisierende Fraktion „Generation 40“, angeführt von einer von Zumas Frauen, Nkosazana Dlamini-Zuma, (NDZ). Aber er wird sich und die Partei sicherlich dahin kriegen, sich aus den Skandalen Zumas, der mit über 780 (!) Korruptionsvorwürfen konfrontiert ist, und der Brüder Gupta, die die „Staatsvereinnahmung“, die kollektiv als Zupta bekannt ist, erfunden und perfektioniert haben, herauszulösen.

Ramaphosa machte in seinem ersten Haushalt deutlich, dass er für das weiße Monopolkapital regieren wird.

Die Partei

Diese erneute Phase des verstärkten Kampfes hatte tiefgreifende Auswirkungen auf die ArbeiterInnenklasse und ihre Organisationen. Die Volksfront wurde bis an die Belastungsgrenze getestet.

Als erstes schloss der ANC seinen Jugendführer Julius Malema aus, der sich für Landnahmen und Reformen im simbabwischen Stil ausgesprochen hatte. Malema gründete aus seinen treuen AnhängerInnen in der ANC-Jugendliga die EFF.

Sie gewannen bei der letzten Wahl, 2014, 6,35 % und 25 Abgeordnete. Berühmt ist, dass die EFF auf Demos, Pressekonferenzen und im Parlament rote Drilliche im Armeestil und schwarze Barette trägt. Ihr Programm fordert eine entschädigungslose Verstaatlichung des Grund und Bodens und von 60 % der Minen sowie die Einrichtung einer staatlichen Investitionsbank: ein linksreformistisches Standardprogramm, das in pseudomarxistische Sätze gepackt ist und eindeutig von der SACP und wahrscheinlich der Kommunistischen Partei Chinas gelernt wurde.

Durch die Intervention in die weitgehend erfolgreiche StudentInnenbewegung #FeesMustFall (Fort mit den Studiengebühren) haben sie eine jugendliche Mitgliedschaft beibehalten und erneuert, die in der Lage ist, Menschenmassen von bis zu 40.000 zu ihren Kundgebungen zu ziehen.

Aber sie sind in ihren Parteistrukturen wie in ihrem Programm stalinistisch und autoritär. Darüber hinaus werden gegen Malema, bis zu einem gewissen Grad unvermeidlich, auch des Skandal- und Geldwäschevorwürfe erhoben, die aus seinen Tagen im ANC nicht beantwortet wurden.

Möglicherweise noch wichtiger waren die Ereignissen in den Jahren 2013 – 2014, die zum Ausschluss der NUMSA aus COSATU führten, angeblich wegen Mitgliederabwerbung, aber in Wirklichkeit wegen der Forderung nach dem Bruch der Dreifachallianz und der Bildung einer politischen ArbeiterInnenorganisation.

Auf einer Sonderkonferenz, die fast zeitgleich mit dem COSATU-Kongress stattfand, der sie ausschloss, verabschiedete NUMSA einstimmig eine Erklärung, dass sie nach dem Vorbild der Vereinigten Demokratischen Front, dem legalen Flügel des verbotenen ANC, eine gemeinsame Kampffront der ArbeiterInnenklasse und eine Sozialistische Revolutionäre ArbeiterInnenpartei nach einem ArbeiterInnengipfel bilden würde.

Dann kam eine lange Zeit des Zögerns und des Versäumnisses, die Resolution zur Realität werden zu lassen, die alle Probleme der Gewerkschaftsbürokratie aufzeigte. Zwar betonen MarxistInnen die Bedeutung der Gewerkschaften bei der Gründung einer ArbeiterInnenpartei. Doch wenn es den FunktionärInnen, die den Apparat der Gewerkschaften kontrollieren, überlassen bleibt, die Partei ohne die Intervention einer revolutionären Strömung innerhalb der Mitgliedschaft zu gründen, dann drohen die Gewohnheiten der Gewerkschaftsführung wie Bürokratismus, Vorgehen gegen abweichende Meinungen, Zurückhaltung in Taten, mangelnde Flexibilität usw. die bestehenden Möglichkeiten zunichte zu machen.

Offensichtlich gab es innerhalb der EFF sowie über ihr internes System ideologische und politische Meinungsverschiedenheiten. AMCU weigerte sich, sich NUMSA bei der Bildung einer neuen Föderation anzuschließen, und zog es stattdessen vor, den Nationalen Gewerkschaftsrat (NACTU), einen Gewerkschaftsverband der Black-Consciousness-Bewegung, zu dominieren. Die Gespräche endeten mit einer Farce. Der ehemalige COSATU-Präsident Zwelinzima Vavi, der zusammen mit NUMSA ausgeschlossen wurde, forderte die Bergleute auf, AMCU zu verlassen und sich NUMSA anzuschließen.

Im vergangenen Jahr begannen sich die Dinge jedoch zu bewegen. Die Südafrikanische Gewerkschaftsföderation, SAFTU, wurde mit 700.000 Mitgliedern gegründet, darunter ein beachtlicher Anteil aus NUMSA. Im Juli 2018 fand ein ArbeiterInnengipfel mit 1.000 Delegierten aus über 450 Gemeinde-, StudentInnen- und Landlosenorganisationen sowie Gewerkschaften statt. SAFTU führte im April einen Generalstreik gegen das neue Mindestlohnniveau durch, mit rund 100.000 auf der Straße.

In seiner Maifeieransprache in diesem Jahr schlussfolgerte NUMSAs Generalsekretär Irvin Jim:

„Solange die Mehrheit der schwarzen und afrikanischen Bevölkerung noch unter der Armutsgrenze lebt, gibt es keine Freiheit. Der Klassenkampf geht weiter und deshalb bleibt der NUMSA nichts anderes übrig, als die ArbeiterInnenklasse als eine Klasse für sich selbst zu organisieren und eine revolutionäre sozialistische ArbeiterInnenpartei zu bilden, deren Mission und Aufgabe es ist, im Interesse der ArbeiterInnenklasse zu kämpfen. Wir müssen das Bewusstsein der ArbeiterInnenklasse anheben, um den Kapitalismus zu stürzen. Ein System der Gier wird durch ein sozialistisches System ersetzt, das die Menschheit voranbringt… (…)

Die Sozialistische Revolutionäre ArbeiterInnenpartei (SRWP) wird die Arbeit der Revolution beenden, die vom ANC und seinen BündnispartnerInnen aufgegeben wurde.“

In seiner Rede forderte Jim:

  • Streichung der neuen gewerkschaftsfeindlichen Gesetze Ramaphosas, die Wahlabstimmungen vor Streiks vorschreiben etc…;
  • einen einen Mindestlohn, der dem Lebensunterhalt entspricht;
  • ein Ende der Gangmaster (Arbeitsvermittlung);
  • Rücknahme der Mehrwertsteuererhöhung;
  • ein Bündnis mit der Landlosenorganisation Abahlali BaseMjondolo, um Zugang zu Land, angemessene ländliche Dienstleistungen und demokratische Rechte zu fordern;
  • Bodenenteignung ohne Entschädigung und Beendigung der Schikanierung und Inhaftierung von LandbesetzerInnen;
  • Verstaatlichung der Kommandoebenen der Wirtschaft unter ArbeiterInnenkontrolle;
  • Beendigung des neoliberalen GEAR-Programms (Wachstum, Beschäftigung, Umverteilung) und des NDP-Sparprogramms (Nationaler Entwicklungsplan);
  • Verstaatlichung der Reservebank (SARB).

Das sind wichtige und tragfähige Forderungen, aber selbst vollständig umgesetzt würden sie nicht bedeuten, „das Werk der Revolution abzuschließen“: Der gesamte Staatsapparat bliebe intakt und Südafrika ein kapitalistisches Land. Dennoch wird die südafrikanische herrschende Klasse angesichts eines entschlossenen Kampfes auch für dieses Programm unter Druck von Märkten, Banken und imperialistischen Institutionen geraten, die ArbeiterInnenklasse weiter anzugreifen, was den Widerstand zu noch größerer Militanz anstacheln könnte.

Fazit

Jim verspricht, dass die SWRP noch vor Ende des Jahres ins Leben gerufen wird. Gut. NUMSA- und SAFTU-Mitglieder sollten ihn beim Wort nehmen. Alle objektiven Elemente für den Erfolg einer revolutionären Massenpartei gibt es im Überfluss: militante Gewerkschaften wie AMCU, NUMSA, die Postangestellten; StudentInnen und Jugendliche, die von #FeesMustFall und der EFF mobilisiert wurden; Massenbewegungen in den Townships, unter der armen Stadtbevölkerung und den Landlosen.

In dieser Situation liegt der Schlüssel zur Fortführung des Kampfes im gemeinsamen Handeln dieser Massenorganisationen im Kampf um die gemeinsamen Forderungen wie einem Mindestlohn, Land für diejenigen, die es bebauen, und Gerechtigkeit, um das korrupte Netz aus PolitikerInnen und KapitalistInnen vor Gericht zu bringen. RevolutionärInnen werden sich für die Bildung lokaler Einheitsfrontkomitees unter Einbeziehung der verschiedenen Organisationen einsetzen, um ihre FührerInnen zu drängen, eine solche Aktionseinheit zu verkünden, oder um dafür selbst zu mobilisieren, wenn ihre derzeitigen FührerInnen versagen.

Im Laufe des Kampfes für die unmittelbaren Forderungen der ArbeiterInnen und durch die Organisationen, die sich für sie einsetzen, können südafrikanische ArbeiterInnen eine demokratische Konferenz einberufen, um eine neue ArbeiterInnenpartei zu bilden, die die Macht übernehmen und die Arbeit der Revolution wirklich „beenden“ wird.




Proteste am Dritten Flughafen in Istanbul – Solidarität mit den streikenden ArbeiterInnen!

Svenja Spunck, Infomail 1021, 22. September 2018

Die Baustelle des Dritten Flughafens von Istanbul befindet sich im nordwestlich der Stadt gelegenen Arnavutköy. Betrieben wird sie von der Firma IGA – Istanbul Grand Airport AŞ, die der AKP nahe steht, wie eigentlich alle Firmen im Bausektor.

Circa 36.000 Arbeiter errichten dort den Flughafen, der der größte Europas werden soll. Jährlich 9 Millionen Passagiere aus aller Welt werden dann dort abgefertigt. Die Eröffnung plant Erdogan für den 29. Oktober, dem Jahrestag der Republiksgründung. Doch dass der Flughafen bis dahin tatsächlich fertig gestellt werden wird, ist nicht sicher. Denn seit dem 14. September befinden sich 10.000 Arbeiter aus der Abteilung Akpınar im Streik. Ihre Forderungen haben sie in 15 Punkten zunächst handschriftlich formuliert und als Foto in den sozialen Medien verbreitet. Daran lässt sich erkennen, unter welch unmenschlichen Umständen sie dort seit Monaten schuften.

Barbarische Bedingungen

Die Unterkünfte, in denen die Arbeiter in Mehrbettzimmern untergebracht werden, seien voller Wanzen und die sanitären Anlagen würden nur selten geputzt werden. Das Essen in der Kantine sei oft schlecht, jedoch gäbe es besseres Essen für die Vorarbeiter. Einige Arbeiter hätten keine Arbeitskleidung bekommen, andere warten seit über 6 Monaten auf ihren Lohn. Da die Baustelle riesengroß ist, müssen die Arbeiter mit Shuttle-Bussen von ihren Unterkünften zum Arbeitsplatz gebracht werden, doch die Bussen fallen hin und wieder aus. Ein Zusammenstoß zwei solcher Busse, bei dem 17 Menschen verletzt wurden, löste den Protest Mitte September aus.

Die Arbeitssicherheit auf der Baustelle ist, wie auch auf anderen Bauplätzen in der Türkei, katastrophal. Die ILO gibt die Türkei seit Jahren auf Platz drei der Länder mit den meisten tödlichen Arbeitsunfällen an. Und auch der Flugplatz in Istanbul ist auf dem Blut und dem Leben der Arbeiter errichtet. Das Verkehrsministerium gibt an, dass „nur“ 27 Arbeiter tödlich verunglückt seien. Laut der oppositionellen Zeitung Cumhuriyet sind allerdings über 400 Menschen umgekommen. Die wenigen GewerkschafterInnen, die es vor Ort gibt, betonen, dass es sich um Morde, nicht um Unfälle handelt. Die Baufirma nehme die Unfälle in Kauf, um so schnell wie möglich mit dem Bau fertig zu werden.

Alles, was dem im Weg steht, wird unterdrückt und aus dem Weg geschafft. Am zweiten Tag der Proteste wurden die Protestierenden mit Wasserwerfern und Tränengas von der Gendarmerie angegriffen. 500 ArbeiterInnen wurden vorübergehend verhaftet, 24 von ihnen befinden sich nun in Untersuchungshaft. Der Vorwurf gegen sie lautet, sie hätten das Demonstrationsrecht missbraucht. Von welchem „Recht“ hier gesprochen wird, ist äußerst fraglich, denn die AKP-Regierung lässt seit Jahren konsequent alle Demonstrationen zerschlagen.

Neben den physischen Angriffen auf die Protestierenden, begannen die regierungsnahen Medien auch mit Schmähkampagnen gegen sie. Sie würden im Interesse von ausländischen Agenten handeln, ja sogar von diesen finanziert werden, um die Türkei ins Chaos zu stürzen. Statt sich also ernsthaft mit den Interessen derjenigen auseinander zu setzen, die Erdogans neues Prestigeprojekt errichten, wird von ihnen Loyalität bis zum Tod verlangt. Deshalb beschreibt der Slogan, mit dem die Arbeiter protestieren, die Lage sehr gut: „Wir sind keine SklavInnen!“

Unter den Inhaftierten befinden sich wenige politische Oppositionelle, die meisten sind einfache ArbeiterInnen, die für menschliche Arbeitsbedingungen kämpfen. Doch auch den AKP-WählerInnen unter ihnen wird deutlich, dass der Staat nicht ihre, sondern die Interessen ihrer Bosse vertritt.

Repression und Solidarität

Als sich in Kadiköy, einem Stadtviertel auf der asiatischen Seite Istanbuls, linke Jugendorganisationen solidarisch mit dem Streik erklärten und Demonstrationen abhalten wollten, wurden auch sie von der Polizei angegriffen. Einige von ihnen, darunter auch JournalistInnen, wurden vorübergehend verhaftet. Das zeigt deutlich, wovor sich die Regierung fürchtet: die Verbindung von einer Masse wütender ArbeiterInnen, die gegen ihre unerträglichen Arbeitsbedingungen kämpfen mit politischen Organisationen, die mit einem sozialistischen Selbstverständnis eben diese Werktätigen organisieren wollen.

Die Wirtschafts- und Finanzkrise, die momentan in der Türkei herrscht und vor allem auch den Bausektor betrifft, soll auf dem Rücken der ArbeiterInnen ausgetragen werden, wenn es nach der Regierung geht. Doch die Arbeitsbedingungen in der Türkei waren schon immer miserabel und die Verschärfungen, die durch die Krise spürbar werden, sind unerträglich für die ArbeiterInnen. Die Proteste am Flughafen zeigen einen Kampf um fundamentale Rechte, die in Zukunft auch in anderen Bereichen beschnitten werden könnten. Deshalb gilt es nun, mit diesen Protesten vollste Solidarität zu zeigen. Sie können der Anfang einer neuen Welle von Protesten gegen die Regierung sein, die sie in einer Zeit politischer und wirtschaftliche Instabilität hart treffen kann.

Der Grad der gewerkschaftlichen Organisierung am Flughafen und generell in der Türkei ist noch sehr gering, doch die ArbeiterInnen machen hier ihre ersten positiven Erfahrungen des organisierten Widerstandes. Linke Gruppen, Gewerkschaften und Parteien müssen hier intervenieren, um für Organisierung und koordinierten Protest zu argumentieren. Bisher ist es noch leicht für die IGA, StreikbrecherInnen einzusetzen und Streikende einfach zu entlassen. Doch das Zusammenspiel zwischen den Bossen der Baufirma und der AKP-Regierung zeigt, dass es sich hier auch um ein politisches, nicht nur um ein wirtschaftliches Problem handelt. Der Mut der ArbeiterInnen, spontan in den Streik zu treten, trotz aller Repression und der Furcht vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, ist respekteinflößend und verdient vollste Solidarität.

Das deutsche Unternehmen DHL ist einer der größten Investoren am neuen Flughafen in Istanbul und freut sich schon auf die dort erwarteten Gewinne. Für den DGB bedeutet dies erst recht, dass seine Mitglieder in Solidarität mit den KollegInnen in der Türkei mobilisiert werden müssen. Erdogan selbst kommt in der nächsten Woche nach Berlin, um sich mit der Kanzlerin und Ministern der SPD zu treffen. Wer sich daran erinnert, auch der Bundespräsident Steinmeier war einst Kanzlerkandidat der sich selbst als „Sozialdemokraten“ Bezeichnenden. Statt diesem Arbeitermörder den Hof zu machen und ihn mit militärischen Ehren zu empfangen, ist es die Pflicht der SPD, sowie aller anderen Parteien, die behaupten im Namen der ArbeiterInnen zu sprechen, und linken Organisationen, sich gegen diesen Staatsbesuch zu stellen und sich den die Interessen Erdogans noch des deutschen Imperialismus entgegenzustellen.




Proteste gegen die Rentenreform in Russland bergen großes Potential

Svenja Spunck, Infomail 1016, 27. August 2018

Die russische Regierung kündigte im Juni 2018 eine weitreichende Rentenreform an. Der Hauptpunkt dabei ist die Erhöhung des Renteneintrittsalters bei Frauen von 55 auf 63, bei Männern von 60 auf 65 Jahre. Was für Menschen in Deutschland nach Jammern auf hohem Niveau klingt, bedeutet in Russland arbeiten bis zum Tod, denn die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei 65 Jahren.

Nicht zufällig wurde diese Reform während der Austragung der Fußball-WM angekündigt. Nach dem alten Prinzip „Zuckerbrot und Peitsche“ hatte man sich erhofft, die Bevölkerung in Zeiten des Vergnügens überrumpeln zu können. Doch obwohl aus „Sicherheitsgründen“ Proteste zunächst verboten waren, entlud sich die Unzufriedenheit der Bevölkerung in ersten größeren, landesweiten Protesten pünktlich zum Ende der WM.

Der Eintritt in die Rente bedeutet in Russland keineswegs, nicht mehr zu arbeiten. Rente ist vielmehr eine kleine finanzielle Unterstützung – rund 120 Euro –, die ab einem gewissen Alter an ältere ArbeiterInnen gezahlt wird. 12 bis 14 Millionen Menschen über dem Renteneintrittsalter sind momentan weiterhin an ihrem Arbeitsplatz beschäftigt. Die Erhöhung des Renteneintrittsalters wird in erster Linie für eine weitere Prekarisierung und Verarmung der älteren Bevölkerungsschichten sorgen, birgt jedoch auch ein Potential zur Anhebung der Arbeitslosigkeit insgesamt.

Der Mindestlohn in Russland liegt, nachdem Putin ihn zu Beginn diesen Jahres an das Existenzminimum angepasst hatte, bei 11.000 Rubel (139 Euro) im Monat. Armut ist also auch unter der werktätigen Bevölkerung weit verbreitet. Rund 5 Millionen Menschen leben an dieser Existenzgrenze – trotz Vollzeitjobs.

Mit der Begründung, die Regierung müsse Einsparungen vornehmen, die sie angeblich in andere soziale Bereiche investieren wolle, sollen nun die ohnehin geringen Rentenausgaben gekürzt werden. Es ist kein Geheimnis, dass russische OligarchInnen zu den reichsten Menschen der Welt gehören. Jedoch ist es auch glasklar, dass sie bestens integriert sind in die staatliche Bürokratie und niemand dort auf die Idee kommen würde, ihre Vermögen anzutasten. Während für das Militär, staatliche Überwachung und Megabauprojekte Geld da ist, soll die Bevölkerung neoliberale Reformen schlucken.

Bei der Präsidentschaftswahl im März 2018 stand das Thema Rentenreform noch nicht auf der Tagesordnung. Putin war durchaus klar, dass solch eine Maßnahme nicht auf große Zustimmung treffen würde. Dies bestätigten dann auch die sinkenden Umfragewerte für ihn, nachdem das Vorhaben verkündet wurde. Die Strategie des Kremls bestand zunächst darin, der Duma die Verantwortung für die Reform in die Schuhe zu schieben. Als sich dann genug Frust angestaut hatte, verkündete Putin nach einem Monat des Schweigens, dass auch er Kritik an der Reform habe und dafür sorgen würde, dass diese noch einmal überarbeitet werde. In welcher Form das konkret passieren sollte, ist bisher nicht klar.

Während die Regierungspartei Einiges Russland so tut, als gäbe es Uneinigkeit über das Vorhaben, begann die Opposition mit ersten Protesten. Während zwar auch der rechte, neo-liberale Oppositionelle Alexei Nawalny zu einer Demonstration gegen die Reform aufrief, sind es in der Realität die Kräfte, die sich auf die ArbeiterInnenklasse stützen, welche die Proteste dominieren. Ende Juli folgten rund 12.000 Menschen in Moskau dem Aufruf der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation von Sjuganow. Außerdem gab es Proteste mit mehreren tausend TeilnehmerInnen in anderen Städten Russlands. Auf den Demonstrationen wurde der Rücktritt Ministerpräsident Medwedews gefordert sowie Putin als „Dieb“ bezeichnet. Über die KP, die in den letzten Jahren durchweg als loyale Opposition des Regimes fungierte, hinaus beteiligte sich ein großes Spektrum an linken Organisationen bis in die Sozialdemokratie hinein an den Aktionen. Einige TeilnehmerInnen und OrganisatorInnen wurden verhaftet. Ebenso war die Anti-Terroreinheit der Polizei, die „Russische Garde“, vor Ort.

Im Herbst soll die Rentenreform im Parlament erneut diskutiert werden und es wird die Fortsetzung der Proteste erwartet. Aufgrund der starken Repression gegen gewerkschaftliche und politische Organisierung mag die Kampferfahrung der russischen ArbeiterInnenklasse momentan noch gering sein. Doch allein die Proteste der letzten Wochen, an denen sich auch Jugend- und Frauenorganisationen beteiligten, zeigt deutlich, dass die Linke durchaus auf dem Weg zu einer Einheitsfront gegen die neoliberalen Angriffe ist. Die Ausweitung der Proteste wäre nicht nur in der Lage, die Reform zu verhindern, sondern auch eine linke Opposition aufzubauen. Das Thema der Rentenreform und deren weitgehende Ablehnung bietet eine gute Grundlage, andere Probleme der herrschenden Politik in Russland aufzugreifen. Die Forderung nach einem Regierungsrücktritt wurde bereits aufgeworfen. Um breite Teile der Bevölkerung zu erreichen, sollte auch die Forderung nach der Enteignung der OligarchInnen und der Einführung einer Mindestrente aufgeworfen werden, die die Lebenshaltungskosten deckt und automatisch an die Preissteigerungen angepasst wird.

Die Demonstrationen und Aktionen sind ein ermutigendes Beispiel und zeigen, dass auch die Herrschaft Putins nicht unerschütterlich ist. Entscheidend wird dabei sein, ob die Proteste über Demonstrationen hinaus zu einer politischen Streikbewegung werden, die das Land zum Stillstand bringen kann.

 

 




New York: Streiks und Besetzungen an der New School

Mo Sedlak, Infomail 1004, 22. Mai 2018

StudentInnen und ArbeiterInnen stehen auf gegen die Zerschlagung der Gewerkschaft und gegen Entlassungen durch die selbsternannt fortschrittliche Privatuniversität in New York. Seit drei Jahren kämpfen akademische MitarbeiterInnen der New School um einen Vertrag. Jetzt, wo die Verhandlungen zu Ende gehen, hat die Universitätsverwaltung einen Angriff auf verschiedene Teile der Belegschaft beschlossen.

Streik an der New School

Im April 2018 kündigte sie an, Kantinenbetriebe „in-house“ zu nehmen, wobei sie zunächst verschwieg, dass dies die Entlassung aller ArbeiterInnen bedeutete, und nur einige von ihnen wieder einzustellen, ohne ihre bereits bestehende Gewerkschaftszugehörigkeit anzuerkennen. Etwas später wurde den StudienberaterInnen ein neues Entgeltsystem vorgelegt, das die Krankenversicherung und Gebührenbefreiungen im Wert von mehreren tausend Dollar jährlich kündigt. Und am Verhandlungstisch mit der Gewerkschaft SENS-UAW, die jedes Jahr mehr als 1.000 studentische Beschäftigte vertritt, hat sie die Verhandlungen bis zum Ende des Semesters blockiert und Lohnerhöhungen angeboten, die nicht einmal mit ihrer eigenen Gebühreninflation Schritt halten.

Beispiele für Widerstand

Alle diese Angriffe führten zu einer berechtigten Reaktion der breiteren Universitätsgemeinschaft. SENS-UAW kündigte einen Streik für den 8. Mai an, mit dem sie vor Ablauf des Semesters einen Vertrag mit bedeutenden Ergebnissen in Bezahlung, Gesundheitsfürsorge und Kinderbetreuung fordert. Die StudienberaterInnen verkündeten, dass sie am 8. Mai dem Streik beitreten würden, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt würden, obwohl sie durch bürokratische Tricks von den Verhandlungen der Universität ausgeschlossen wurden. Unter der Führung der maoistischen „Kommunistischen Studierendengruppe“ und in Zusammenarbeit mit der Cafeteria-Gewerkschaft UNITE HERE besetzten die StudentInnen die Cafeteria und unterbrachen den Betrieb, ohne die Klausel „kein Streik, keine Aussperrung“ im Arbeitsvertrag zu brechen. Workers Power US nahm an beiden Kämpfen teil.

Kapitalismus mit menschlichem Antlitz

Die New School präsentiert sich nicht nur als fortschrittliche Universität, sondern vermarktet aktiv die radikale Politik ihrer StudentInnen und ProfessorInnen. Sie wurde unter der Prämisse gegründet, kein Geld für Verwaltungsorgane, Werbung und dergleichen zu verschwenden. Dennoch waren im Jahr 2018 die Gebühren 30 Prozent höher als der nationale Durchschnitt für private Hochschulen. Gleichzeitig gibt sie mehr als doppelt so viel für Verwaltung und Werbung aus wie vergleichbare Institute.

Darüber hinaus schreibt die Universität eine Geschichte des harten Durchgreifens gegen StudentInnen und ArbeiterInnen, die gegen reaktionäre Entscheidungen protestieren. Als die StudentInnen die Cafeteria im Protest gegen den Universitätspräsidenten Bob Kerrey besetzten, rief er das NYPD (die New Yorker Polizei) und ließ 22 Protestierende festnehmen. Nach seinem Rücktritt führte sein Nachfolger und derzeitiger Universitätspräsident, David E. Van Zandt, einen Rechtsstreit gegen die Anerkennung der Gewerkschaften, den er 2015 endgültig verlor. Während die Schule radikale Politik vermarktet, versucht sie aktiv, die Organisierung von ArbeiterInnen und StudentInnen zu unterdrücken.

Wie alle privaten Universitäten ist die New School eine kapitalistische Firma. Als ihre GründerInnen schrieben, dass sie einen Ort schaffen wollten, um des Lernens willen zu lernen, beschwindelten sie sich bestenfalls selbst über die Realität der höheren Bildung in den Vereinigten Staaten. Wie auch immer, in den letzten 99 Jahren seit der Gründung der Universität sind die Kommerzialisierung der Bildung und Unterdrückung der ArbeiterInnen weiter vorangeschritten. Die New School wird durch Gebühren finanziert und da der Unterricht pro besuchtem Kurs bezahlt wird, ist die Ausbeutungsrate leicht zu berechnen, wenn man die minimalen Löhne der LehrassistentInnen berücksichtigt. Gleiches gilt für die ForschungsassistentInnen in ihrer Rolle zur Bereitstellung der Arbeiten, von denen die externe Finanzierung und der akademische Ruf der Universität abhängen.

Derselbe Kampf

Wir können ähnliche Kämpfe im Bildungsbereich beobachten, besonders in den letzten Monaten und Jahren. Erst vor einer Woche haben StudentInnen der angesehenen „Ivy League“ Columbia University einen einwöchigen Streik begonnen und gefordert, dass die Verwaltung Verhandlungen beginnt. Ihr Präsident Bollinger hofft, dass Trumps arbeiterInnenfeindliche Administration gegen die gewerkschaftliche Organisierung von AkademikerInnen vorgeht und die entsprechende Entscheidung des National Labour Relations Board von 2015 umkehren wird. Ähnliche Vorwürfe wurden gegen die Verwaltung der Harvard University erhoben, wo die ArbeiterInnen schließlich im April 2018 ihre Gewerkschaftsanerkennung gewannen.

Diese Kämpfe müssen auch mit der Streikwelle der LehrerInnen in den wirtschaftlich marginalisierten Staaten im Mittleren Westen und Süden der Vereinigten Staaten in Verbindung gebracht werden. Da ihnen das Streiken oft verboten war, haben sie sich Anfang des Jahres die Straßen und Streikposten genommen und gewannen bedeutungsvolle Zugeständnisse in wilden Streiks. Das beschämende Verhalten der Gewerkschaften in Arizona zeigt, wie wichtig die Kontrolle der ArbeiterInnen über den Kampf und der Kampf für echte Demokratie in den Gewerkschaften sind.

Wir können sehen, wie die Widersprüche des US-Kapitalismus im Moment eskalieren. Obwohl die Kosten der Krise von 2008 und die Rettungsaktionen fast ausschließlich von ArbeiterInnen und den von staatlicher Fürsorge Abhängigen gestemmt wurden, wurde die Krise keineswegs gelöst. Die Wahl von Trump, d. h. des widersprüchlichsten und radikalsten Kandidaten der konservativen Rechten der reaktionärsten Teile der herrschenden kapitalistischen Klasse, ist ein Symptom davon.

Die Notwendigkeit radikaler Lösungen erklärt zum Teil die Wahl eines solchen Kandidaten wie Donald Trump mit seinem Programm der Umweltzerstörung, der Einschränkung der Rechte der Arbeitenden und der rassistisch und geschlechtlich unterdrückten Menschen sowie der Gefahren des Handelskriegs, angeblich um bessere Vereinbarungen für große US-Konzerne zu bekommen. Das fortwährende Durchgreifen gegen ArbeiterInnen auf Staats- und Bundesebene ist Teil der wirtschaftlichen und politischen Widersprüche, die für diese Zeit prägend sind.

Erfolge

Die Konflikte an der New School scheinen im Vergleich gering. Aber das sind sie nicht. Jede Zusicherung jedes einzelnen Jobs für KantinenarbeiterInnen (was die wichtigste Forderung der BesetzerInnen ist), ist ein wichtiger Sieg gegen Entlassungen und die Zerschlagung von Gewerkschaften. Die Verwaltung hat bereits öffentlich gesagt, dass sie jedeN einzelneN ArbeiterIn zu gleichen oder besseren Löhnen wieder einstellen würde.

Die akademischen MitarbeiterInnen von SENS-UAW würden die ersten sein, die einen Vertrag durch die NLRB-Entscheidung 2015 erhalten und würden damit das Moment für weitere Verhandlungen bereiten, zum Beispiel bei Harvard, Washington University in Seattle und anderen Orten, an denen UAW gerade verhandelt. Sie stehen an vorderster Front einer der erfolgreichsten gewerkschaftlichen Organisierungskampagnen in den Vereinigten Staaten von Amerika heute.

ArbeiterInnenkontrolle

Aber sowohl bei der Cafeteria-Besetzung als auch in den Vertragsverhandlungen sind die ArbeiterInnen an der Basis misstrauisch geworden, was Gewerkschaftsangestellte hinter den verschlossenen Türen treiben. Während Verhandlungen und Ziele vertraulich sind – angeblich, um die Bosse nicht wissen zu lassen, womit sie es zu tun haben –, stören sie zutiefst den demokratischen Prozess innerhalb der Gewerkschaften, für welchen die ArbeiterInnen kämpfen müssen. Die Kontrolle über ihre Arbeitsbedingungen kann nicht der Gewerkschaftsbürokratie überlassen werden, sondern muss in den Händen der ArbeiterInnen selbst liegen.

Das ist eine komplizierte Abwägung. Während die Verhandlungsgremien in der Regel demokratisch gewählt sind und das Vertrauen und die Unterstützung ihrer Basis genießen, lösen sie den Kampf am Verhandlungstisch vom Kampf am Arbeitsplatz, wenn die Verhandlungsziele nicht an der Basis diskutiert werden können. Das Ausmaß dieser Widersprüche wurde im „ArbeiterInnen- und StudentInnenkomitee“ der Cafeteria-Besetzung offensichtlich, welches offene Verhandlungen statt geschlossener Treffen verlangte, sowie in Vorschlägen für offene Verhandlungen von studentischen ArbeiterInnen, die während der Streikvorbereitungstreffen geäußert wurden.

Unsere GenossInnen von Workers Power US unterstützten die Forderung nach offenen Verhandlungen und plädieren für die vollständige Kontrolle des Prozesses durch die Basis, um ArbeiterInnenkontrolle zwischen der Wahl eines Verhandlungskomitees und der Ratifizierung eines Vertrags zu gewährleisten.

Stärke in der Einheit

Demokratie und ArbeiterInnenmacht sind sichere Wege, um einen guten Vertrag zu gewinnen. So ist es auch mit der Solidarität innerhalb unserer Klasse. Es war normal für den Streik bei der Columbia, dass GewerkschafterInnen aus der ganzen Stadt kamen und halfen. Außerdem wurde die Besetzung an der New School von allen Gewerkschaften auf dem Campus und anderen Organisationen unterstützt wie den „Democratic Socialists of America“ in New York City oder der lokalen „Maoist Communist Group“. Andere AktivistInnen unterstützten, indem sie ihre Solidarität in schriftlicher Form bekundeten oder an den Solidaritätsfonds der Besetzung überwiesen.

So eine Solidarität und Einheit wird nicht nur von denen benötigt, die kämpfen, sondern auch von denjenigen, die vorübergehende tarifliche Abkommen, Formen des Waffenstillstands mit den Chefs, erzielten. Solche Konflikte werden durch ArbeiterInnenkontrolle, Solidarität und Einheit gewonnen. Sie sind nicht nur ein Sieg für die Betroffenen, sondern für die gesamte Klasse.




Tarifrunde Bund und Kommunen: Nur mit Streik sind die Forderungen durchzusetzen!

Paul Neumann, Neue Internationale 227, April 2018

Im Februar wurde die Tarifrunde 2018 für den öffentlichen Dienst bei den Beschäftigten von Bund und Kommunen eingeläutet. Es geht vor allem um die Gehälter für MitarbeiterInnen von Krankenhäusern und Stadtverwaltungen, Feuerwehrleuten, StraßenwärterInnen, der Müllabfuhr, von ErzieherInnen in kommunalen Kitas und von SozialarbeiterInnen. Parallel verhandelt ver.di für die 130.000 Beschäftigten der Post. Insgesamt 2,3 Millionen sind von der Tarifrunde betroffen.

Das zeigt, dass im öffentlichen Dienst der Flächentarifvertrag im Gegensatz zu vielen anderen Branchen noch existiert. Verhandelt wird wieder in der Tarifunion von ver.di, Beamtenbund (DBB), „Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft“ (GEW) und der reaktionären „Gewerkschaft der Polizei“ (GdP). Im Mittelpunkt der Forderungen steht die Erhöhung des Tabellenentgelts um 6 % auf 12 Monate, mindestens 200 EUR. Darüber hinaus spielen politische Forderungen keine wesentliche Rolle, obwohl der Manteltarifvertrag ebenfalls gekündigt wurde.

Zur Erinnerung: Lehren aus dem Jahr 2016

Als ver.di 2016 die Tarifauseinandersetzung nach einer kurzen Phase von mobilisierenden Warnstreiks überraschend nach der 2. Verhandlungsrunde schnell zum Anschluss brachte, waren viele KollegInnen enttäuscht. Offensichtlich wäre bei Weiterführung der guten Mobilisierung einiges „mehr drin“ gewesen. Die Streikenden waren lediglich die Manövriermasse der ver.di-Führung. Ihre Interessen wurden in einem „Strohfeuer“ (siehe NI 217/ März 2016, S. 5; http://arbeitermacht.de/ni/ni217/tarifrunde.htm) aus Warnstreiks, die keine/n Arbeit„geber“In wirklich unter Druck setzten, ohne Not verbrannt.

Die Forderungen von 2016 waren im Prinzip die gleichen wie die von 2018: eine reine Lohnrunde, 6 % auf 12 Monate. Das Ergebnis lag dann bei 40 % der Forderung der Tarifkommission; 2,4 % in den ersten 12 Monaten und 2,35 % in den zweiten 12 Monaten 2017/18. Legen wir nicht nur die aktuell steigende Inflationsrate (offiziell 1,8 %) zu Grunde, sondern berücksichtigen die Preisseigerung der für die abhängig Beschäftigen wichtigsten Konsumgüter (Lebensmittel: 3,6 %; Mieten: 4,4 % und Energie: 7,3 %), bleibt unterm Strich für die allermeisten von ihnen ein fettes Minus.

Gibt es einen Grund, anzunehmen, dass sich in der aktuellen Tarifrunde 2018 daran etwas ändert? Die öffentlichen Arbeit„geber“Innen dürften kein Interesse daran haben, mehr Geld auszugeben als notwendig. Und notwendig ist ohne Druck eines Arbeitskampfes nicht allzu viel.

Von Seiten der verd.di-Führung besteht ein Interesse daran, die eigene Nützlichkeit als verantwortungsvolle Verhandlungsführerin zu beweisen, die stets neben den Interessen ihrer Klientel auch das „große Ganze“ des bürgerlichen Staatswesens im Blick hat. Die Gewerkschaftsspitze wird die aktuell stattfindenden Warnstreiks wieder als Drohkulisse für ihr Verhandlungsgeschick zu nutzen wissen und dann schlussendlich, nach „harten, zähen Verhandlungen“, ganz viel Verantwortung zeigen für das „Gemeinwohl“. Die Interessen der Kolleginnen und Kollegen drohen, wieder weitgehend auf der Strecke zu bleiben.

Die Kolleginnen und Kollegen können allerdings die Lehren aus den schlechten Abschlüssen der vergangenen Jahre ziehen. Der schnelle Abschluss 2016 war nur möglich, weil die ver.di-Führung sich keiner Urabstimmung durch die Mitglieder gestellt hat. Warnstreiks kann die Bürokratie nach eigenem Interesse „ansetzen“ und auch wieder „abblasen“. Daher sollten die KollegInnen eine satzungsgemäße Urabstimmung für Streiks einfordern. Diese gibt ihnen selbst einen größeren Einfluss auf Kampfmaßnahmen und Streiktaktik. Zudem setzt eine Urabstimmung sowohl die sog. Arbeit„geber“Innen als auch die Gewerkschaftsführung unter Druck, an die Interessen der Beschäftigten zu denken und weniger an das „Gemeinwohl“ und die immer „leeren“ Kassen der Kommunen.

Zu dem Punkt der „leeren“ Kassen der Gemeinden hat die ver.di-Führung dieses Jahr eine neue Argumentation aufbauen müssen, weil die alte nicht mehr ohne weiteres plausibel erscheint. Wurden in den letzten Jahren die Erwartungen der Mitgliedschaft schon im Vorfeld mit Verweis auf die Verschuldung von Bund, Land und Gemeinden gedämpft, fordert die ver.di-Bundestarifkommission nun „deutliche Lohnsteigerungen“ mit Verweis auf die „Rekordüberschüsse von 38,4 Milliarden EUR“ in 2017 durch „Bund, Länder und Kommunen“. Hier können die KollegInnen ansetzen, falls die Tarifkommission in der anstehenden 3. Verhandlungsrunde im April wieder weit unterhalb der Forderungen abzuschließen gedenkt.

Außerdem müsste auch die sog. „Schuldenbremse“, de facto eine Deckelung der Ausgaben für Bildung, Kitas, öffentliche Versorgung, ins Visier genommen werden. Diese politische Frage wie auch die nach einer massiven Besteuerung der Gewinne und großen Vermögen kommt bei den GewerkschaftsführerInnen allenfalls in Reden auf Kundgebungen vor – hinsichtlich der Kampftaktik und Ziele der Tarifrunde bleibt sie jedoch außen vor.

Umso größer ist dagegen das Gejammer der VertreterInnen des „Verbandes der kommunalen Arbeitgeber“ (VKA) über die 6-prozentige Gehaltsforderung. „Dies passt nicht zur Realität in den Kommunen und kommunalen Betrieben. Die Kommunen sind mit 141 Milliarden EUR verschuldet. Außerdem herrscht ein Investitionsrückstand von 126 Milliarden EUR. Wir können nur Lösungen anbieten, die alle Kommunen leisten können…“ usw. (VKA, 14. 3. 2018). Diese Argumentation klingt für SozialdemokratInnen und GewerkschaftssekretärInnen wie ein Sachzwang. Da dürfen die Ansprüche nicht zu hoch geschraubt werden. Man darf ja schließlich die Kuh nicht schlachten, die man melken will.

Mindestbetrag von 200,00 EUR – positive soziale Komponente

Die Forderung 2018 enthält, zusätzlich zu den linearen 6 %, einen Mindestbetrag von 200,00 EUR für alle Gehaltsgruppen. Diese enthält eine interessante und populäre soziale Komponente, bedeutet sie doch für die unteren Gehaltsgruppen eine lineare Erhöhung von bis zu 11,4 %. Das bietet die Möglichkeit, auch die KollegInnen der unteren Gehaltsgruppen verstärkt zu mobilisieren und den steigenden Einkommensunterschieden etwas entgegenzusetzen.

Hiervon ist allerdings bisher in der Argumentation und der Mobilisierungspraxis der ver.di-Führung wenig zu sehen, während die Propagandamaschine der Arbeit„geber“Innen unverhüllt mit Erpressung, Outsourcing und Privatisierung der dann 11,4 % teureren Arbeitsplätze in den unteren Gehaltsgruppen droht: „Der Mindestbetrag verteuert vor allem die Entgeltgruppen, bei denen der öffentliche Dienst schon jetzt kaum noch wettbewerbsfähig ist. Ein Beschäftigter, dessen Tätigkeit ausgegliedert oder privatisiert wird, hat nichts von einem Elf-Prozent-Lohnplus.“ (Thomas Böhle, Präsident des VKA, http://oeffentlicher-dienst.info/tvoed/tr/2018).

Demzufolge würden sich die Beschäftigten durch „Maßlosigkeit“ nur selbst schaden. Der Herr Arbeit„geber“präsident droht gleich, unter Verweis auf das kapitalistische Rentabilitätsprinzip, mit der Abschaffung der „zu teuren“ Arbeitsplätze, wo er doch in Wahl- und Sonntagsreden stets als oberste Pflicht von Staat und Politik die Schaffung von Jobs propagiert. Löhne, die zum Leben reichen, vertragen sich halt immer weniger mit der modernen betriebswirtschaftlichen Kalkulation. Die Hartz-IV-Gesetze von 2005 haben uns schon ins Gedächtnis gerufen, dass ein Arbeitsplatz im modernen Kapitalismus keine Existenzsicherung für lohnabhängig Beschäftigte mehr darstellt. Dagegen sollten Gewerkschaften mit allen Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen, kämpfen. Das wichtigste Mittel ist der Streik.

Zukunft gestalten: Kopf in den Sand stecken, „weil wir es wert sind“?

Der VKA will im Übrigen in der laufenden Tarifrunde u. a. auch über die anstehende „Digitalisierung der Verwaltung“ sprechen, der in den nächsten 10-15 Jahren einige Millionen Arbeitsplätze nicht nur in der Industrie, sondern auch dort zum Opfer fallen dürften. Davon liest man jedoch nichts in den Veröffentlichungen und Statements der ver.di-Führung zur aktuellen Tarifrunde.

Dem sog. technischen Fortschritt, der, bei Lichte betrachtet, im Rahmen der globalen kapitalistischen Konkurrenz als Mittel zur Kostensenkung und Sicherung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit dient, wollen die Gewerkschaften nicht entgegenstehen. All das erscheint ihnen als einfacher Sachzwang wie das Wetter. Außer „einem gesteigerten Bildungsbedarf“ und natürlich mehr Mitbestimmung sehen die deutschen Gewerkschaften hier nur wenig Notwendigkeit zum Handeln. Man tröstet sich mit der Illusion, dass schon irgendwie auch neue Jobs entstehen würden, weil es doch immer so gewesen sei. Soll nicht ein bedeutender Teil der ArbeiterInnenklasse in den nächsten Jahren für überflüssig erklärt werden, weil für eine rentable Produktion und Verwaltung nicht mehr notwendig, ist ein harter sozialer und politischer Kampf für die Verkürzung der Arbeitszeit notwendig: „Aufteilung der vorhandenen notwendigen gesellschaftliche Arbeit auf alle bei vollem Lohn- und Personalausgleich“. Die einfachsten Forderungen zum Überleben der Klasse der Lohnabhängigen bergen eine revolutionäre Dynamik in sich.

Um die kommende Tarifrunde zu einem Schritt in die richtige Richtung zu machen, einen Ausverkauf wie 2016 zu verhindern und das Mobilisierungspotential auszuschöpfen, empfehlen wir:

  • Gegen das Aushebeln der innergewerkschaftlichen Demokratie durch Kampfformen , die die Urabstimmung umgehen. Urabstimmung zur vollen Mobilisierung für die Forderungen!
  • Offenlegung der Verhandlungen und Rechenschaftspflicht der Verhandlungskommission! Kein Abschluss, keine Aussetzung von Streiks ohne vorherige Zustimmung der Gewerkschaftsmitglieder!
  • Wahl und Abwählbarkeit der Streikkomitees und der Tarifkommission durch die Basis! Volle Einbeziehung der Vertrauensleute und gewerkschaftlichen Betriebsgruppen!
  • Breite Diskussion über alle relevanten Themen der Tarifrunde, z. B. „Digitalisierung der Verwaltung“! Stopp von Outsourcing und Privatisierung im öffentlichen Dienst! Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich! Weg mit der sog. Schuldenbremse!



Frauen in der Hausindustrie

Shazia Shehzad/Martin Suchanek, Neue Internationale 203, Oktober 2015

Arbeiterinnen sind von den Auswirkungen des Neoliberalismus und der Krise besonders  betroffen. Das betrifft besonders Länder der „Dritten Welt“, also Halbkolonien, die von imperialistischer Ausbeutung geprägt sind.

Die ökonomische „Entwicklung“ dort zeigt sich als ein Nebeneinander einerseits der Einbindung in den modernen globalen Kapitalismus und andererseits der Ausbreitung „alter“ Formen der extremen Ausbeutung wie z.B. der Heimindustrie. Rund 73 Prozent aller LohnarbeiterInnen in Pakistan – immerhin rund 60 Millionen – sind im „informellen“ oder „prekären“ Sektor beschäftigt, der im letzten Jahrzehnt weiter deutlich gewachsen ist.

Diese Beschäftigungsverhältnisse sind keine Relikte einer vorkapitalistischen Vergangenheit (wie z.B. die tradierte handwerkliche Produktion). Ihre Ausdehnung geht vielmehr Hand in Hand mit dem Einfluss des Großkapitals, mit der Produktion für Textil- und Handelsketten, die auf nationalen und internationalen Märkten tätig sind.

So macht der Textilexport in Pakistan mehr als 50 Prozent des Gesamtexports aus. Wie auch in Indien, Bangladesh oder Sri Lanka ist er v.a. auf den EU-Markt ausgerichtet – ob  die Produktion in großen Fabriken, in kleinen Unternehmen oder in Heimarbeit erfolgt.

Letztere ist ist eine besondere Form „ungleichzeitiger und kombinierter Entwicklung“, wo rückständige Formen der Produktion wie die Hausindustrie, die Marx im „Kapital“ ausführlich beschreibt, in ein System der Profitmacherei für riesige kapitalistische Unternehmen eingebunden sind.

System von Subunternehmen

In die „Hausindustrie“ lagern die Unternehmen einen Großteil ihrer Aufträge auf Subunternehmen (oder eine ganze Kette von Subunternehmen) über lokale „Mittelsmänner“ aus. Der größte Teil der Produktion wird durch diese in Auftrag gegeben und die Hausarbeiterinnen (der Anteil von Männern unter ihnen ist sehr gering) treten nur diesen als „Vertragspartnerinnen“ gegenüber.

Die neoliberale Methode, die heute vorherrscht, besteht darin, dass die ArbeiterInnen im informellen Sektor generell nur kurz befristete Verträge haben (oft nur für einen Tag) und auch nur tageweise bezahlt werden. Es gibt keine soziale Absicherung gegen Krankheit, keine Alters- oder Gesundheitsvorsorge. Diese Form der Billigarbeit ist eine übliche Form in der „Dritten Welt“ geworden.

Die Hausindustrie macht in Ländern wie Pakistan einen wichtigen Teil der Produktion aus, wenn auch verlässliche Zahlen wegen des informellen (und tw. auch illegalen) Charakters der Arbeit kaum zu erhalten sind. Neben fehlender sozialer Absicherung gibt es auch keine Mindestlöhne oder irgendeinen Arbeitsschutz. Die ArbeiterInnen werden nicht stundenweise, sondern nach Stücklohn bezahlt. Produkte, die der Mittelsmann für zu schlecht befindet, werden nicht abgenommen und auch nicht bezahlt. Die Frauen arbeiten 12-14 Stunden täglich und erhalten in Pakistan sehr geringe Löhne, oft sogar weniger als 100 Rupien (ca. 84 Cent) pro Tag.

Produziert werden Textilien aller Art. Vom Teppich bis zum Reitkleid werden alle möglichen Produkte geknüpft oder genäht und abgepackt. Oft werden auch vorgefertigte Produkte zusammengenäht. In der Regel wissen die Frauen nicht, unter welchem Label die Produkte verkauft werden, da diese oft erst später aufgenäht werden, wobei derselbe Mittelsmann oder höhere Subunternehmen auch Produkte derselben Arbeiterinnen an unterschiedliche Marken verkaufen können.

In der Hausindustrie arbeiten fast ausschließlich Frauen und zwar zuhause oder in kleinen Betrieben in unmittelbarer Nachbarschaft. Dort sind 10 oder 20 Frauen quasi eingepfercht in kleinsten „Sweat Shops“. Ihr Lohn ist so gering, dass sie davon allein nicht überleben könnten, er ist vielmehr Bestandteil des „Familienlohns“ der proletarischen Familien.

Dabei sind die Frauen den „Mittelsmännern“, ihren Auftraggebern, nicht nur als vereinzelte Vertragspartnerinnen extrem ausgeliefert und unterliegen einer enormen Ausbeutung. Oft sind sie bei den „Mittelsmännern“ auch verschuldet, weil sie z.B. in der Zeit von Hochzeit, Schwangerschaft, Unfällen oder Krankheit nicht produzieren können. Sie nehmen dann Kredite bei ihren Vertragspartner auf, die bei extremen Zinsen in Zukunft abgearbeitet werden müssen.

Patriarchale Unterdrückung

Die patriarchale Unterdrückung der Frau in der pakistanischen Gesellschaft sichert dieses System der Ausbeutung ab. Eine Form der Unterdrückung der Frau besteht dabei darin, dass sie nicht allein im öffentlichen Leben in Erscheinung treten darf oder es dafür großen Mutes bedarf. Die Mobilität der Frauen ist daher extrem eingeschränkt. Frauen, die einer Lohnarbeit außer Haus nachgehen, setzen sich dabei nicht nur gesellschaftlicher Anfeindung aus, sondern auch enormen Risiken bis zu sexuellen und physischen Übergriffen. Daher ist für viele Frauen die Hausarbeit die einzige Form, ihre Arbeitskraft verkaufen und so zum Auskommen der Familie beitragen zu können, ohne Beleidigungen oder Übergriffen auf dem Weg zur Arbeit oder am Arbeitsplatz ausgesetzt zu sein. Das führt auch dazu, dass Frauen und deren Familien oft die Heimarbeit der Fabrikarbeit vorziehen.

Hinzu kommt, dass in Pakistan Lohnabhängige, v.a. deren untere Schichten, auch nicht als kreditwürdig (oft überhaupt nicht als geschäftsfähig) gelten und bei normalen Banken keine Vorschüsse erhalten, ja oft noch nicht einmal ein Konto eröffnen dürfen. Für Frauen gilt das umso mehr. Daher bleibt ihnen (wie auch großen Teilen der männlichen Arbeiter) nur der Mittelsmann oder der private Geldverleiher, wenn sie finanziell in Bedrängnis kommen.

Diese Situation kommt einer Falle für die Frauen gleich, die sie zum Objekt extremer Ausbeutung und Abhängigkeit macht, dessen ursächliche Faktoren sich wechselseitig verstärken.

Der Ausschluss der Frauen vom öffentlichen Leben aufgrund von Patriarchat, Religion und reaktionärer kultureller Traditionen festigt also auch das System der extremen Überausbeutung in der Heimindustrie.

Die Kapitalisten haben davon viele Vorteile. Sie können die einzelnen Frauen ebenso leicht einstellen wie feuern. Konjunkturelle Einbrüche treffen diese ganz unmittelbar. Die einzelnen Frauen haben fast keine Verhandlungsmacht und müssen daher Löhne unter ihren Reproduktionskosten akzeptieren. Bei Krankheit, Unfall, Alter usw. tragen sie bzw. ihre Familien die Kosten. Außerdem müssen sie nicht nur den Arbeitsraum stellen (ihre Wohnung), sondern in der Regel auch Arbeitsmittel, Werkzeuge, Ausstattung usw. bezahlen, mitunter sogar die Kosten für die Rohstoffe tragen. Die Frauen werden so formell in den Status individueller Kleinproduzentinnen gedrängt, die an den Mittelsmann nur ein Produkt zu dessen „Stückkosten“ verkaufen. Es erscheint so, als wären sie keine Lohnarbeiterinnen, sondern verarmte Kleinproduzentinnen. In Wirklichkeit ist das freilich nur ein oberflächlicher Schein, wie auch in der „Hausindustrie“ oder im „Verlagssystem“ im Frühkapitalismus Europas (oder auch in „neueren“ Formen prekärer Beschäftigung).

Organisierung

Die Hausarbeit verschärft die doppelte Belastung der Frauen in der Familie (wie auch die Tendenz zur Kinderarbeit). In Pakistan haben zwar soziale Bewegungen versucht, die Probleme der Frauen in der Hausindustrie aufzugreifen, aber die (wenigen) gesetzlichen Einschränkungen der Ausbeutung existieren meist nur auf dem Papier.

Die pakistanische Sektion der Liga für die Fünfte Internationale um die Zeitschrift „Revolutionary Socialist“ arbeitet aktiv am Aufbau einer „Gewerkschaft der Arbeiterinnen in der Heimindustrie und der Hausarbeiterinnen“ (Home based and domestic workers union) mit, welche von Arbeiterinnen in Lahore initiiert wurde. Gemeinsam mit hunderten Arbeiterinnen kämpfen wir für die rechtliche Anerkennung dieser Gewerkschaft.

Angesichts der enormen Bedeutung der Textilindustrie, ihrer großen Zersplitterung in zahlreiche Subunternehmen, der unterschiedlichen Form der Ausbeutung (Fabrik, Manufaktur, Hausindustrie) braucht es in allen diesen Bereichen Kampagnen zur gewerkschaftlichen Organisierung und die Überwindung der Zersplitterung durch die Schaffung einer Massengewerkschaft für die gesamte Branche.

Forderungen

Eine zentrale unmittelbare Forderung ist der Kampf gegen das System des Stücklohns und der kurzzeitigen Verträge. Wir treten dafür ein, dass es Arbeitsverträge gibt, die die Lebenshaltungskosten der Frauen decken sowie eine Kranken- und Unfallsversicherung, die Rentenvorsorge und Urlaub ermöglichen. Wir treten für monatliche Löhne statt  Stücklohn und Tagelöhnerei ein.

Zweitens braucht es eine Kampagne gegen das System der Subunternehmen und Mittelsmänner – nicht nur wegen der Ausbeutung, sondern auch wegen der Zinsknechtschaft und zahlreicher Fälle physischer und sexueller Übergriffe.

Bislang gelang es uns, in einzelnen Bezirken in Lahore Arbeiterinnen zu organisieren, ihre Ausbeutung öffentlich zu machen, Frauen (und auch ihre Männer) für deren Rechte zu mobilisieren. In einzelnen Bereichen konnten wir auch Verbesserungen durchsetzen.

Es geht uns aber v.a. darum, diesen Kampf mit jenem der sehr schwachen pakistanischen Gewerkschafts- und ArbeiterInnenbewegung zu verbinden. Um die Lage im riesigen informellen Sektor zu ändern und das System der Hausarbeit abzuschaffen, reichen einzelne, branchenweise Versuche, tarifliche Regelungen durchzusetzen, nicht aus. Wir treten daher für eine Kampagne für einen gesetzlichen Mindestlohn ein, die von allen Gewerkschaften, linken und ArbeiterInnenorganisationen geführt werden muss. Dieser  Kampf muss zudem mit dem Engagement gegen die gesellschaftliche und rechtliche Unterdrückung der Frau verbunden werden. Dabei müssen Frauen wie jene, die sich in der „Home based and domestic workers union“ zu organisieren beginnen, eine Schlüsselrolle spielen, so dass sie von einem Objekt kapitalistischer Ausbeutung und patriarchaler Unterdrückung zu einem Subjekt im Kampf um die Befreiung der gesamten ArbeiterInnenklasse werden.