Internationale Solidarität ist stärker als der Hass der Antideutschen

Interview mit Handala Leipzig, Infomail 1202, 25. Oktober 2022

Am 15. Oktober versuchten die Organisator:innen des Leipziger Bündnisses „Jetzt reicht’s!“, Genoss:innen der Gruppe Handala aus der Demonstration zu werfen, weil sie auf einem Schild das Ende der Besatzung palästinensischer Gebiete forderten. Genoss:innen des klassenkämpferischen Blocks solidarisierten sich mit Handala und konnten so einen sichtbaren und lautstarken Block auf der Demo durchsetzen. Im folgenden öffentlichen wir ein Interview der Gruppe Handala, um diese selbst zu Wort kommen zu lassen.

Du hast dich an der Demo „Jetzt reicht’s“ des DGB und der Linkspartei beteiligt. Was war deine Motivation?

Das Thema der Demo betrifft mich sehr: Ich habe Angst vor der kommenden Stromrechnung und den Heizkosten. Seit ich nach Deutschland gekommen bin, 2015, so wie viele andere Flüchtlinge aus Syrien, habe ich versucht, einen Job zu finden. Ich musste natürlich erst die Deutsch- und Integrationskurse absolvieren. Ich hatte anfangs gedacht, dass ich wie in Syrien mit Kindern arbeiten könnte. Ich habe in Damaskus eine Ausbildung gemacht und in einem soziokulturellen Zentrum für Kinder in Jarmuk gearbeitet, wo ich aufgewachsen bin und lebte. Schnell habe ich dann verstanden, dass ich hier als unqualifiziert gelte. Auf meine Bewerbung zu einer Assistenzkraft in KiTas habe ich nicht einmal eine Antwort bekommen. Ich habe auch versucht, mich bei Supermarktketten zu bewerben, aber auch diese wollten mich nicht. Mein Deutsch ist nicht so gut und ich trage Kopftuch. Das geht ja übrigens beinahe allen Flüchtlingen so, dass sie keine gute Arbeit finden und nicht in dem Bereich, in dem sie früher gearbeitet haben.

Momox hat mich schließlich genommen. Es ist mein erster Monat bei Momox und ich weiß noch nicht, was netto bei mir herauskommt. Da ich mich gerade erst an die Schichten gewöhnen muss und an einen veränderten Schlafrhythmus, liege ich häufig wach und denke: „Ob der Lohn wohl für die Heizkosten reicht?“ Also bin ich zur Demo gegangen mit meiner palästinensischen Gruppe, Handala. Das klingt vielleicht etwas lustig, aber für mich war es die erste „deutsche“ Demo, also eine Demo, die nicht von Handala zu Palästina organisiert wurde, sondern von deutschen Organisationen. Auf der Demo hielt eine Kollegin von mir, die auch bei Momox arbeitet, eine Rede auf dem Podium. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Ich habe versucht zu verstehen, was sie sagt, aber leider konnte ich mich nicht darauf konzentrieren. Ich hatte ein Schild in der Hand, das die Organisator:innen der Demo verärgerte, und es kam zu einem lauten Tumult. Also habe ich die Rede verpasst.

Was ist denn genau passiert? Was war der Tumult?

Wir hatten für die Demo ein Pappschild und ein Transparent vorbereitet und ich hielt das Schild, auf dem stand: „Gegen jede Besatzung“. Daneben war eine Karte Palästinas in palästinensischen Farben gemalt. Es kam ein Mann auf mich zu und stellte sich vor mich. Er bedeckte mit seinem eigenen Transparent unser Schild. Ich fand das sehr irritierend und versuchte, ihm zu erklären, dass dies Palästina sei und Israel Palästina besetze. Er sagte: „Nein, das ist Israel“. So habe ich erst verstanden, dass er einer von diesen sogenannten deutschen „Antideutschen“ ist, die ich hier erst durch die Palästinademos kennengelernt habe.

Vorher wusste ich gar nichts davon, dass in Deutschland einige vermeintliche Linke für Israel sind. Da ich bereits sehr schlechte Erfahrungen mit diesen Leuten gemacht habe, dachte ich, dass es bestimmt keinen Sinn macht, mit ihm zu diskutieren. Das fällt mir auf Deutsch ohnehin sehr schwer. Es kamen dann aber noch viel mehr Leute, die sehr hitzig mit meinen Freund:innen sprachen, die schon länger in Deutschland leben. Ich habe ehrlich gesagt nicht viel verstanden. Ich wusste nur, dass sie unsere Teilnahme nicht wollten. Da ich körperlich eher klein bin, habe ich unser Schild einem Freund gegeben, der viel größer ist als ich. Er ist sehr jung und kommt aus Gaza. Er ist so neu hier in Deutschland, dass er wirklich wenig verstanden hat, was um ihn herum gesagt wurde, aber er hielt das Schild über die Köpfe aller anderen hinweg in die Höhe. Die Leute vom Bündnis, mit denen wir als Handala auf der Demo waren, versuchten, uns zu schützen vor diesen Antideutschen. Doch eine Frau von ihnen – von der ich später erfuhr, dass sie eine wichtige Person in der Linkspartei ist – nahm ihm das Schild gewaltsam weg. Sie hat es einfach zerrissen. Ich habe es nicht glauben können.

Warum reagieren Leute, die sich als Linke verstehen, so aggressiv auf Handala?

Ich verstehe überhaupt nicht, warum. Wirklich nicht. Ich verstehe es nicht.

Es ging doch um die Palästinakarte, oder?

Ja, darum ging es. Außerdem wurde uns gesagt – mir musste dies immer von den anderen gedolmetscht werden – dass Nationalfahnen auf der Demo nicht erlaubt seien. Wir sind auch darauf eingegangen. Wir haben die Karte in palästinensischen Farben rausgeschnitten. Als die Frau von den Linken uns das Schild entriss, waren nur die Umrisse der Karte zu erkennen. Mir wurde von meinen Freund:innen erklärt, dass die Frau gesagt haben soll, dass wir die Demo für unsere Sache ausnutzen würden und die Karte antisemitisch sei, weil sie ganz Palästina zeige.

Ich denke, die Frau und diese Antideutschen haben unser Schild überhaupt nicht verstanden. Und ich habe wiederum nicht verstanden, wie die Demo den Krieg in der Ukraine selbst ausgeklammert hat. Die Energiepreise, die uns so viel Angst bereiten, sind doch eine Folge des Krieges.

Wenn wir als Palästinenser:innen sagen, dass wir gegen jede Besatzung sind, dann heißt es doch, dass wir auch gegen die Besatzung der Ukraine sind. Auf dem anderen großen Transparent hatten wir die Länder aufgezählt, die von NATO- Staaten besetzt und bombardiert wurden und werden: Afghanistan, Kurdistan, Libyen, Palästina und der Irak. Eine Frau hatte sich mit einer Israelfahne davorgestellt. Ich war so schockiert. Diese Leute wissen überhaupt nichts.

Was wissen sie nicht?

Naja, zum Beispiel wissen sie nicht, dass es unter uns alten Flüchtlingen und den neuen Flüchtlingen aus der Ukraine eine Art von Konkurrenz gibt und viel Neid durch die unterschiedliche Behandlung durch Deutschland geschürt wird. Erst einmal wurde der Widerstand der ukrainischen Bevölkerung gegen die russische Besatzung als heldenhaft dargestellt, während unser in Palästina gegen die israelische Besatzung als terroristisch bezeichnet wird. Dann sagen die Staaten und auch viele Leute hier, die Israel unterstützen, dass Russland ganz schlimm sei. Überall sind hier Ukrainefahnen in Solidarität gezeigt worden. Aber mir wird eine Israelfahne vor mein Transparent gehalten.

Aber auch die Situation der Flüchtlinge aus der Ukraine ist sehr viel besser als unsere. Sie können sofort arbeiten, müssen sich nicht auf Wartelisten für eine Wohnung setzen. Der ganze Umgang mit ihnen ist ein anderer. Daher ist es doch besonders wichtig zu sagen, dass wir gegen jede Besatzung sind. Ich denke, ich kann mich sehr gut in Ukrainer:innen einfühlen. Wenn ich sehe, wie die Leute in der Ukraine bombardiert werden, dann weiß ich, wie sich das anfühlt. Ich habe die lange Belagerung und Aushungerung meines Flüchtlingslagers Jarmuk durch syrische Regierungstruppen erlebt. Wir waren eingeschlossen, hatten kaum etwas zu essen, haben richtig gehungert und wurden dabei aus der Luft mit Raketen beschossen. Der junge Mann von uns, dem die Frau von den Linken das Schild entrissen hat, war zur gleichen Zeit, als ich in Jarmuk die Belagerung und Bombardierung erlebte, unter dem Bombardement Israels in Gaza. Er hat insgesamt drei große Bombardierungen erlebt: 2008/9, 2014 und 2021. Wie in Jarmuk konnten die Menschen in Gaza auch nicht fliehen, weil sie eingeschlossen sind. Wer, wenn nicht wir, versteht die Situation der Ukrainer:innen? Das ist es vor allem, was sie nicht wissen.

Wie geht es jetzt weiter bei Handala?

Ich denke, wir müssen weitermachen und besonders unsere Community hier vor Ort gewinnen. Das ist sehr schwierig, denn wir werden immer angegriffen und beschimpft. Wie bei vielen anderen Palästinenser:innen war die Nakba-Kundgebung im Mai letzten Jahres meine erste Demo-Erfahrung in Deutschland. Einerseits war es ein sehr gutes Gefühl auf dem Augustusplatz zu stehen und gegen die ethnische Säuberung von Scheich Dscharrah in Jerusalem und die Bombardierung des Gaza-Streifens zu demonstrieren. Aber es war für viele wie mich auch die erste Erfahrung mit den Antideutschen und einer Berichterstattung, die uns als antisemitisch diffamierte. In der Folge gab es in Deutschland eine Diskussion über Abschiebungen von „antisemitischen“ Palästinenser:innen. In den arabischsprachigen „Sozialen“ Medien wurde davor gewarnt, sich Demonstrationen anzuschließen.

Wenn man Flüchtling ist, gar noch im Asylverfahren, aber auch danach; wenn man an die Verlängerung des eigenen Aufenthaltes denkt, dann ist es ohnehin schwierig, keine Angst zu haben, politisch aktiv zu werden. Es wird einem manchmal mulmig. Und wenn dann noch Menschen, die sich als Linke verstehen, gegen uns sind und uns als Rassist:innen beschimpfen, dann wird einem noch mulmiger. Vielen aus der Diaspora macht das besonders viel Angst.

Daher bin ich sehr, sehr froh, dass die Leute und Organisationen unseres antiimperialistischen Bündnisses uns geschützt und sich mit uns solidarisiert haben. Das hat mir Hoffnung gegeben. Auch, dass mir später ein Mann geholfen hat, das unzerstörte, große Transparent während der Demonstration zu tragen, war sehr schön. Er war auch Ausländer, aber nicht aus einem arabischen Land, und er arbeitet auch bei Momox. So war es auch bei der Nakba-Demo selbst. Es demonstrierten sehr viele Menschen aus vielen Ländern – z. B. aus Südamerika – mit uns mit. Das müssen wir so an unsere Community weitergeben: Die Internationale Solidarität ist stärker als der Hass der Antideutschen.

Was ist deine Position und die Position von Handala zur Palästinafrage?

Die Frage klingt so theoretisch. Ich glaube, viele Leute hier in Deutschland wissen nicht, dass wir, anders als sie selbst, nicht einfach nach Tel Aviv fliegen können, am Strand von Jaffa, unter dem sich ein palästinensisches Massengrab befindet, liegen und unsere ehemaligen Dörfer und Städte sehen können.

Die Position unserer Gruppe Handala ist sehr klar: Wir wollen ein Ende der Siedlerkolonie und Apartheid. Wir wollen einen einzigen Staat für alle Menschen mit gleichen Rechten – egal welchen Hintergrunds, ob Einheimische oder ehemalige Siedler:innen – und die Rückkehr aller palästinensischen Flüchtlinge, wenn sie dies so wollen.

Ich möchte einfach zurückkehren können nach Palästina. Ich komme aus dem Dorf Lubya in der Nähe des Sees Genezareth. Also auf der „antisemitischen“ Karte, die wir hochgehalten haben, ganz im Norden gelegen. Es war eines der größten Dörfer in der Umgebung und hatte beinahe zweitausend Einwohner:innen. Über Monate hinweg hat das Dorf Widerstand geleistet gegen die Golani-Brigade, die den Befehl hatte, mein Dorf von seinen Einwohner:innen zu säubern, und dann Teil der israelischen Armee wurde. Nach dem Fall Nazareths wurden dann auch meine Großeltern vertrieben. Mein Opa hat mir sehr viel von dieser Zeit erzählt. Er ist inzwischen in Jarmuk gestorben. Und ja, ich möchte zurückkehren, auch wenn Lubya völlig zerstört wurde. Das ist meine Position zur Palästinafrage.




Leipzig: Rassistischer Angriff auf Moschee

Dilara Lorin / Lukas Müller, Infomail 1173, 14. Dezember 2021

Am Abend des 13.12. gab es von Seiten der autonomen / antideutschen Szene in Leipzig eine unangemeldete Demonstration mit ca. 100 Personen auf der Eisenbahnstraße. Mit Parolen und Pyrotechnik zog die Menge durch die Straße und beschädigte dabei laut Bullen parkende Autos und zündete Müllcontainer an. Anlass war offenbar der „ACAB-Tag“. Soweit so normal für diese Strömung.

Grundsätzlich ist es gut und wichtig, auf die Straße zu gehen und auf den unterdrückerischen Charakter und die rassistischen Strukturen der Polizei aufmerksam zu machen – gerade auf der und um die Eisenbahnstraße, wo besonders viele Menschen mit Migrationshintergrund leben. Dass man dabei, statt Transparente zu zeigen und Flugblätter an AnwohnerInnen zu verteilen, lieber vor der Haustür der Menschen randaliert, ist selbst schon eine politisch fragwürdige Sache. Unerträglich und ekelhaft wird es aber, wenn dabei angebliche „Linke“ Gebetsräume von muslimischen Menschen zum Ziel erklären und mit Steinen angreifen.

Die Moschee selbst gehört zur Diyanet Isler Türk Islam Birligi (DITIB), eine Organisation, die kritisiert werden muss, da die DITIP im engen Kontakt zur Erdogan-Regierung steht und die Führungen der Moscheen selbst das Regime sowie dessen Losungen unterstützen und auch verbreiten. Nichtsdestotrotz ist es ein Raum für viele Muslime und Muslima aus der Umgebung, die sonst keine andere Möglichkeit haben, in ihrer Nähe beten zu gehen. Viele von ihnen sind Geflüchtete aus Syrien oder anderen Ländern. Solche Räumlichkeiten anzugreifen während antimuslimische Hetze in jede Ritze der Gesellschaft salonfähig geworden ist, ist nicht nur falsch, sondern bedeutet auch das Geschäft der RassistInnen und FaschistInnen zu betreiben: Angst und Verunsicherung unter migrantischen Menschen zu verbreiten und die Gesellschaft anhand kultureller bzw. religiöser Linien zu spalten.

Während der NSU-Komplex, die Morde von Hanau und Halle, an Oury Jalloh, Amad Ahmad oder Giorgos Zantiotis noch immer nicht vollständig aufgeklärt sind, Angehörige, aber vor allem auch migrantische Gruppen um Gerechtigkeit und überhaupt um Gehör kämpfen müssen, gehen Antideutsche in Leipzig während einer Demonstration los und bewerfen eine Moschee mit Steinen und zertrümmern Fensterscheiben. Noch mal zur Klarstellung: An einem Tag, wo man um die Aufklärung der unzähligen Morde und gegen die Verstrickungen des Staates darin kämpfen sollte – und zwar Seite an Seite mit migrantischen Menschen! –  gehen vermeintliche „Linke“ in einer migrantisch geprägten Straße randalieren und greifen das Gebetshaus derjenigen an, die in Leipzig aber auch in Deutschland am meisten von Polizeigewalt, Racial Profiling etc. betroffen sind!

Einmal mehr haben sie unterstrichen, dass Antideutsche, auch wenn sie sich teilweise innerhalb der Linken bewegen, auf der anderen Seite der Barrikade stehen. Bundesweit fallen sie durch immer schärfere Stimmungsmache gegen arabische und muslimische Menschen auf. Viele ihrer Positionen sind von denen der AfD und anderen rechten Organisationen kaum zu unterscheiden. In den Augen extremer antideutsche Gruppen (siehe z.B.: http://raccoons.blogsport.de/2016/06/16/das-problem-heisst-islam/) ist jeder Mensch muslimischen Glaubens ein potentieller islamistischer Terrorist oder Anhänger Erdogans gegen den es die „westliche Zivilisation“ zu verteidigen gilt. Diese Aktion muss daher als das verurteilt werden, was sie ist: Ein antimuslimischer und somit rassistischer Angriff.




Dresden – Bericht zu den antifaschistischen Aktionen am 13. und 15. Februar

REVOLUTION Sachsen, Infomail 1090, 17. Februar 2020

Am 13. Februar 1945 wurde Dresden von der Royal Air Force bombardiert. Zum 75. Jahrestag versuchten Neonazis und die AfD, wie in den vergangenen Jahren auch schon, einseitig der Bombenopfer zu gedenken und diese für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Jedoch wird nicht nur von faschistischen Kräften und anderen Rechten, sondern auch von der sogenannten „Mitte der Gesellschaft“, von der Stadtverwaltung und den bürgerlichen Parteien seit Jahren hartnäckig ein Opfermythos um das angeblich „unschuldige Dresden“ konstruiert, an den die Neonazis und RechtspopulistInnen mit ihren sogenannten „Trauermärschen“ und Gedenkkundgebungen nahtlos anknüpfen. Daher sollte man sich auch nicht über die Beteiligung von militanten Neonazis und faschistischen Kadern an den offiziellen Gedenkveranstaltungen der Stadt, wie an der undifferenzierten Verlesung der Namen aller Bombenopfer auf dem Heidefriedhof oder an der Menschenkette, wundern. Dass am 13. Februar beim Gedenken auf dem Friedhof undifferenziert Namen von Bombenopfern verlesen wurden, unter denen neben denen von ZivilistInnen auch viele NSDAP-Mitglieder und andere faschistische TäterInnen genannt wurden, ist für sich genommen schon bizarr. Dass aber Mitglieder von FDP (Stefan Scharf) und CDU zusammen mit der AfD beim Verlesen der Bombenopfer ausgerechnet dem stadtbekannten Neonazi Sebastian P. A. lauschten, stellte dabei die Spitze des Eisbergs dar (https://twitter.com/j_mkhk/status/1227976637700038657?s=21). Natürlich war vor allem die Bombardierung der ArbeiterInnen-Viertel durch die Alliierten zum Ende des Zweiten Weltkriegs ein unnötiges (aus heutiger Sicht) Kriegsverbrechen. Insbesondere, weil zu diesem Zeitpunkt die Rote Armee bereits vor Görlitz stand, also kaum mehr 100 Kilometer von Dresden entfernt war und immer weiter vorstieß. Jedoch stellt das einseitige Gedenken der Bombenopfer eine Form des Geschichtsrevisionismus dar, da dieses ausblendet, dass der Zweite Weltkrieg durch das faschistische Deutschland begonnen wurde und der Bombardierung Dresdens die Luftangriffe der Wehrmacht auf Städte wie Coventry und Rotterdam vorausgingen. Ein solches Gedenken kann nur als perfider Versuch einer Täter-Opfer-Umkehr verstanden werden.

Wir haben uns auch dieses
Jahr wieder der AfD und den Neonazis in den Weg gestellt und uns an den
antifaschistischen Gegenaktivitäten beteiligt. Am 13. Februar hatte die AfD
wieder zu einer Kranzniederlegung auf dem Altmarkt mobilisiert, an der sich
etwa 150–200 Rechte, unter ihnen auch militante Neonazis, beteiligten. An der
Gegenkundgebung nahmen etwa gleich viele AntifaschistInnen teil. Durch den
lautstarken Protest gegen die AfD konnte die Vereinnahmung der Bombardierung
der Stadt an diesem Abend zumindest akustisch teilweise erheblich gestört
werden.

Am 15. Februar fand dann
der alljährliche „Trauermarsch“ der FaschistInnen statt. Dieses Jahr hatte der
NPD-Kreis- und stellvertretende Landesvorsitzende Maik Müller die Demonstration
angemeldet, die 14 Uhr am Skatepark in der Nähe des Hauptbahnhofs beginnen
sollte. Aufgrund des 75. „Jubiläums“ der Bombardierung Dresdens und des
gesellschaftlichen Rechtsrucks, unter dem auch faschistische Kräfte wieder
erstarken, wurden dieses Jahr bis zu 1.500 TeilnehmerInnen erwartet.
Tatsächlich beteiligten sich allerdings „nur“ etwa 1.000 Menschen am
Fackelmarsch der Neonazis, darunter wie in der Vergangenheit auch schon viele
aus den umliegenden Nachbarländern. Erfreulich hingegen war dieses Jahr die
Beteiligung an den antifaschistischen Gegendemonstrationen und Aktionen. Laut dem
Bündnis „Dresden Nazifrei“ nahmen hieran sogar bis zu 5.000 Menschen teil. Dies
stellt für sich bereits einen enormen Mobilisierungserfolg dar, wenn man
bedenkt, dass sich im Vorjahr gerade mal 1.000 Menschen an der
antifaschistischen Gegendemo beteiligten. Hierdurch und durch das entschlossene
Handeln vieler AntifaschistInnen konnte der Naziaufmarsch mittels Blockaden
erheblich gestört werden. Trotz der 1.500 PolizistInnen, die an dem Tag im
Einsatz waren und auch nicht gerade zurückhaltend und zimperlich im Umgang mit
den AntifaschistInnen vorgingen, gelang es der Polizei nicht, den „Trauermarsch“
wie geplant durchzusetzen. Das Ziel der Neonazis, durch die Innenstadt zu
laufen, konnte erfolgreich verhindert werden. Stattdessen mussten die
FaschistInnen eine alternative, weitaus kürzere Route vom Skatepark über die
Wiener Straße, Strehlener Straße hin zur Hochschule für Technik und Wirtschaft
ablaufen, wo dann der Aufmarsch bereits endete. An der Abschlusskundgebung gab
es dann schließlich Protest in Hör- und Sichtweite, an dem sich rund um den
Hauptbahnhof so viele Menschen beteiligten, dass die Nazis unter massivem
Polizeischutz von der HTW zum Hauptbahnhof geführt werden mussten.

Wir bewerten vor allem
die antifaschistischen Aktionen am 15. Februar als erfolgreich. Dass es gelang,
derartig viele Menschen zu mobilisieren und in die Blockaden mit einzubinden,
war alles andere als vorher absehbar. Dass die Blockaden trotz der 1.500 Cops,
die an dem Tag im Einsatz waren, standhalten konnten und somit den Neonazis den
Tag vermiesten, kann nur als positive Entwicklung gesehen werden. Wir werden
die Ereignisse vom 13. und 15. Februar auf unserem Auswertungstreffen am 24.02.
noch mal ausführlich analysieren. Jedoch lässt sich jetzt schon sagen, dass
wohl vor allem die Ereignisse in Thüringen um die Wahl von Kemmerich zum
Ministerpräsidenten von AfD Gnaden der Mobilisierung gegen den Naziaufmarsch in
Dresden in die Hände gespielt haben. Auch die Debatte über die unglückliche
Entscheidung des #Unteilbar-Bündnisses, gleichzeitig am 15. Februar für eine
bundesweite Großdemonstration in Erfurt wegen der Causa Kemmerich zu
mobilisieren und der darauf folgende „Kompromiss“ des Bündnisses, sowohl zur
Teilnahme an der Demo in Erfurt als auch zur Beteiligung an den antifaschistischen
Gegenaktionen in Dresden aufzurufen, wird mit zum Mobilisierungserfolg
beigetragen haben. Nicht zuletzt hat sich dieses Jahr ein neues Aktionsbündnis
gegründet, um den faktischen Zusammenbruch des Bündnisses „Dresden Nazifrei“
abzufedern und die Mobilisierung und Organisation der Gegenproteste zu
organisieren. Es ist nicht auszuschließen, dass sich dieser neue
Zusammenschluss von vielen linken Gruppen ebenfalls positiv auf die Mobi
ausgewirkt hat und ein weiterer Grund für die rege Teilnahme darstellt.

Leider kam es wieder
einmal gleich zu mehreren Angriffen auf uns und Vorwürfen uns gegenüber durch
die sogenannten „Antideutschen“ und jene Linken, die deren Argumente
unreflektiert teilen. Bereits auf der Auftaktkundgebung „Nazis stören“ am
Hauptbahnhof, wo auch wir uns versammelten, kam es noch vor Beginn der
eigentlichen Demonstration zu einem Übergriff durch vermeintliche Antideutsche
auf uns. Eine Gruppe aus drei Menschen versuchte, unser Transparent zu
entwenden, und zerrte minutenlang daran, konnte ihr Ziel jedoch nicht
erreichen. Daraufhin wurde über den Lauti durchgesagt, dass antisemitische
Gruppen (gemeint waren unter anderem die MLPD und wir) auf der Demo nicht
erwünscht seien. Für diese Durchsage ist vermutlich die Gruppe HOPE verantwortlich,
die uns auch schon in der Vergangenheit regelmäßig als antisemitisch
diffamierte. Eine Begründung für diesen haarsträubenden Vorwurf wurde natürlich
nicht mitgeliefert. Als wir das Gespräch mit dem Anmelder der Demonstration
suchten, wurde behauptet, dass der Antisemitismus sich in einer angeblichen
Solidarität mit der Hamas zeigen würde. Auf den Hinweis, dass sogar in unserem
Programm wortwörtlich steht, dass die Hamas eine
theokratisch-fundamentalistische, antisemitische und sexistische, reaktionäre
Kraft darstellt, die den gemeinsamen Kampf der unterdrückten PalästinenserInnen
mit der israelischen ArbeiterInnenklasse blockiert, wurde nicht weiter
eingegangen. Es zeigte sich jedoch, dass unsere konsequente Ablehnung des
bürgerlichen Nationalismus und unsere sozialistische Perspektive, die wir im
Nahostkonflikt aufwerfen, das eigentliche Problem für die Antideutschen war.
Dies als Antisemitismus zu diffamieren, entbehrt jeglicher Grundlage und zeigt
die Schwäche in der Analyse von vielen Linken auf. Erwähnenswert ist auch, dass
auf der Demonstration nur antikapitalistische Gruppen offen angegriffen wurden,
während bürgerliche Parteien wie die Grünen und die verbürgerlichte SPD, die
mit ihrer Politik mitverantwortlich für den Rechtsruck, die rassistische
Abschiebepraxis und Asylgesetzverschärfung sind, überhaupt nicht kritisiert
wurden. Im Verlauf der Demonstration und Blockaden hatten wir dann immer wieder
Probleme mit Antideutschen und anderen Verwirrten, die meinten, uns den Verkauf
von Zeitungen und das Verteilen von Flyern verbieten zu müssen. In den darauf
folgenden Diskussionen kamen die absurdesten Argumente zum Vorschein. Neben
unseren Fahnen störten diese übereifrigen „Linken“ sich vor allem auch an
einigen GenossInnen, die eine Kufiya (arabische Kopfbedeckung) trugen, und
versuchten teilweise, diese herunterzureißen. Danach holten diese Antideutschen
wieder den Anmelder, der versuchte, die Blockade an der Prager Straße als
Versammlung anzumelden. Dieser wollte uns das Verteilen unserer Flyer verbieten
und drohte sogar damit, uns durch die Polizei von der Blockade entfernen zu
lassen, falls wir uns nicht daran halten.

Wir weisen den Vorwurf,
dass wir eine antisemitische Organisation sind, entschieden zurück. Unsere
Solidarität mit der palästinensischen Befreiungsbewegung und das Eintreten für
einen gemeinsamen, säkularen und sozialistischen Staat, in dem kein Mensch mehr
aufgrund seiner Herkunft oder religiösen Überzeugung unterdrückt wird, hat
absolut gar nichts mit Antisemitismus zu tun. Ganz im Gegenteil: Als
KommunistInnen sind wir die entschlossensten GegnerInnen des Antisemitismus, da
wir diesen nicht nur täglich auf der Straße, in der Schule, Uni und im Betrieb
bekämpfen, sondern auch dessen Wurzel, den Kapitalismus.

Wir halten den Versuch, den
antifaschistischen Gegenprotest noch vor Beginn der eigentlichen Demo zu
spalten und uns durch absurde Vorwürfe öffentlich zu diffamieren, für einen
schwerwiegenden politischen Fehler. Im Kampf gegen den Rechtsruck in der
Gesellschaft und gegen faschistische Aufmärsche brauchen wir eine gemeinsame
Aktionseinheit, wenn wir erfolgreich sein wollen. Eine Spaltung nützt letztlich
nur den Rechten und dem/der KlassenfeindIn, aber sicher nicht der Entwicklung
einer schlagkräftigen antifaschistischen Bewegung. Gerade vor dem Hintergrund
der allgemeinen Schwäche der Linken hierzulande, aber auch aufgrund der stetig
stärker werdenden Repression und Kriminalisierung von Linken durch den
bürgerlichen Staat sollten wir enger zusammenrücken und uns trotz vorhandener Differenzen
zumindest auf der Straße solidarisch zeigen. Vorhandene Kritik und Diskussionen
um die richtigen Inhalte sollten nicht verschwiegen oder abgewürgt werden,
sondern müssen und können auch öffentlich geäußert werden. Jedoch bringen uns
unbegründete, an den Haaren herbeigezogene Vorwürfe, Verbote, als
Organisationen offen aufzutreten und die eigenen Inhalte zu verbreiten und zu
bewerben bis hin zu körperlichen Übergriffen und Auseinandersetzungen, keinen
Schritt voran. Vielmehr sabotiert ein solcher „Stil“ lediglich die
Handlungsfähigkeit unserer Bewegung. Stattdessen müssen wir für eine
bedingungslose Kritik- und Propagandafreiheit in der Aktionseinheit eintreten
und uns kritisch-solidarisch miteinander über die richtigen Inhalte streiten.
Falsche Positionen innerhalb der hiesigen Linken werden nicht durch Verbote und
physische Übergriffe überwunden, sondern durch den Austausch von Argumenten.
Wir waren bisher immer zu Diskussionen bereit und sind es auch nach wie vor, um
die falschen Vorwürfe und vorhandene Vorurteile uns gegenüber aus der Welt zu
schaffen. Dass wieder einmal nicht der solidarische Streit, sondern technische
Angriffe uns gegenüber bevorzugt werden, können wir nur als Fehlen von
vernünftigen Argumenten bewerten. Daher sind wir uns nach wie vor sicher, dass
unsere sozialistischen Positionen richtig sind und dass nicht wir das Problem
innerhalb der Dresdner Linken darstellen.

Am kommenden Montag ist
Höcke bei Pegida als Gastredner angekündigt. Beim Gegenprotest wird sich
zeigen, ob die Linke hier lernfähig ist oder aber ihren falschen Stil
beibehält. Wenn sich am sektiererischen Verhalten von einigen „linken“
AktivistInnen nichts ändert, braucht sich auch keiner zu wundern, warum Pegida
auch nach über 5 Jahren noch läuft und weiterhin regelmäßig 1.500 Rechte
mobilisiert, während der Gegenprotest stets bei unter 50 TeilnehmerInnen
stagniert.

Am 24.02. führen wir ein
offenes Nachbereitungstreffen durch. Kommt vorbei, diskutiert mit uns über die
Aktionen und darüber, wie wir die Bewegung weiter aufbauen können und welche
Inhalte wir hierfür brauchen! Werdet auch über die bisherigen Aktionen hinaus
aktiv und organisiert euch revolutionär!

Nachbereitungstreffen und
Diskussion: Kampf dem Faschismus bedeutet Kampf dem Staat und Kapital! Montag, 24.02.,
um 18 Uhr im Seminarraum vom Coloradio (Zentralwerk, Riesaer Str. 32)




Einschränkung offener Diskussion: Antideutsche und Hausverbote

Tobi Hansen, Neue Internationale 243, Dezember 2019/Januar 2020

In ihrer Hetze gegen InternationalistInnen, AntizionistInnen
und AntiimperialistInnen greifen antideutsche Gruppierungen nicht nur zu Lüge
und Diffamierung – sie versuchen auch gezielt, linke Veranstaltungen zu
verhindern. Davon sind palästinensische und antizionistische AktivistInnen,
BDS, ja sogar die Friedensbewegung regelmäßig betroffen.

Hetze

Ähnlich erging es unserer Veranstaltungsreihe,
„Antisemitismus – eine marxistische Analyse“, in der wir unsere theoretische
Arbeit vorstellen. Bislang konnten wir diese in Berlin, Stuttgart, Dresden und
Wien erfolgreich durchführen. An dieser Stelle schon mal vielen Dank an alle,
die trotz massiven Drucks auf ihre Räumlichkeiten nicht eingeknickt sind,
sondern die Durchführung der Veranstaltungen erlaubt haben. Vielen Dank an
dieser Stelle auch an die beteiligten GastrednerInnen vom Palästinakomitee
Stuttgart und BDS Berlin. Vor allem die AusrichterInnen mit ihren
Räumlichkeiten wurden nach der Ankündigung von der antideutschen Szene unter
Druck gesetzt. Das führte zu Absagen in Berlin (Mehringhof) und Stuttgart (Büro
der SJD – Die Falken) sowie zu einer Protestkundgebung einiger Verwirrter in
Dresden gegenüber dem ausrichtenden kurdischen Verein.

In unserer Veranstaltung legten wir einerseits eine Analyse
der Wurzeln des Antisemitismus, seiner Funktion im Kapitalismus und der Mittel,
ihn zu bekämpfen, dar. Andererseits gingen wir auf die Diskurs-Verschiebung der
letzten Jahrzehnte und deren politischen Zweck ein. So heißt es in der
Veranstaltungsankündigung:

„Gleichzeitig hat sich der Zionismus durch die aktuelle
Entwicklung der israelischen Politik in einen immer reaktionäreren
Nationalismus gewandelt, der starke Momente des Rassismus in sich aufgenommen
hat – und im Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung weiter radikalisiert.
Damit wird der berechtigte Kampf gegen den Antisemitismus verwirrt durch einen
Missbrauch des Antisemitismusvorwurfs, der gegen alle verwendet wird, die sich
nicht bedingungslos hinter die Apartheid-Politik der israelischen Regierung
stellen.“

Die Kündigung von Räumlichkeiten stellt nur einen Ausdruck
von Diffamierung und Hetze gegen alle dar, die sich der prozionistischen und
imperialistischen Diskursverschiebung entgegenstellen.

Die sog. Antideutschen sind selbst im weitesten Sinn keine
„Linken“. Ihr ganzer Existenzzweck besteht in der Verteidigung des westlichen
Imperialismus und der postkolonialen Unterdrückung. Dazu schreckten einige
ihrer ideologischen Köpfe und Magazine (Wertmüller, Bahamas) vor dem Hofieren
der nationalistischen Rechten und Zusammenarbeit mit ihr nicht zurück. Sie
stellen eine „radikale“, reaktionäre kleinbürgerliche Strömung dar, die
deutlichst gegen jede Klassenpolitik kämpft und den Imperialismus verteidigt.

In den „deutschen“ Besonderheiten dieser Strömung werden
Masse und Klasse als reaktionäre Grundformen begriffen. Jegliche
„Personifizierung“ wird als „Verkürzung“ der Kapitalismuskritik dargestellt,
die letztlich antisemitisch sei. Diese „post-intellektuelle“ Verhunzung von
Marx und Engels ist nicht links, sondern durch und durch reaktionäre
bürgerliche Ideologie.

Mit dieser Antisemitismus-Definition versuchen deren
ParteigängerInnen seit Jahren, sich auch als treue HandlangerInnen des deutschen
und US-amerikanischen Imperialismus innerhalb der ArbeiterInnenbewegung
einzunisten. Israel stellt als Besatzungs- und Militärmacht auch aktuell einen
wichtigen Stützpunkt des imperialistischen Systems dar. Jegliche Solidarität
mit dem palästinensischen Widerstand, jegliche Diskussion über das reale
Apartheid-Regime in der Westbank, der „Ghettoisierung“ von Gaza wird zum
„Antisemitismus“ verkehrt. Zugleich wird der reale, wachsende Antisemitismus
verharmlost. Die Antideutschen zeigen sich einig mit der Bundesregierung, dem
Verfassungsschutz, den DGB-Gewerkschaften, größeren Teilen der Linkspartei,
aber auch der AfD. Denunziert werden alle palästinensischen, arabischen,
internationalistischen und antiimperialistischen Gruppierungen. Das reicht
schon mal für Haus- und Auftrittsverbote, Androhungen von physischer Gewalt,
Zuhilfenahme der Polizei, Störungen von Veranstaltungen, Zusammenarbeit mit
offen bürgerlichen und reaktionären Kräften – das ganze Repertoire von
„zivilgesellschaftlicher“ und staatlicher Sabotage.

Zensur

Gefährlich wird es, wenn sich dieses Spektrum als Zensor
dazu erheben möchte, Veranstaltungen zu verbieten.

Die Gruppe ArbeiterInnenmacht musste diese Erfahrung schon
mehrmals machen.

So beim diesjährigen „Klimacamp“ im August 2019 (siehe: http://arbeiterinnenmacht.de/2019/08/11/klimacamp-leipzig-antiimperialismus-unerwuenscht) oder anlässlich unserer aktuellen Veranstaltungsreihe. So galt der Mehringhof in Berlin lange Zeit als ziemlich „offen“ für alle Spektren, auch wenn dies die Antideutschen einschloss (siehe: http://arbeiterinnenmacht.de/2019/11/03/diskutieren-geht-nicht-veranstaltungsreihe-zum-antisemitismus-wird-bekaempft-rede-und-versammlungsrecht-verteidigen/).

Nachdem uns die Hausversammlung des Mehringhofs die Räume
für die Berliner Veranstaltung gekündigt hatte, forderten wir eine Begründung
der Entscheidung und das Recht ein, 
bei der nächsten Versammlung zumindest vorsprechen zu können. Selbst
dieses demokratische Ansinnen betrachteten die selbsternannten
SzenewächterInnen offenbar als Zumutung. Hinkünftig sollen die Räumlichkeiten
an ArbeiterInnenmacht überhaupt nicht mehr vermietet werden – natürlich ohne
Begründung. Wir fordern die Organisationen, die Mitglieder der Hausversammlung
sind, auf, uns Rederecht zu geben, diese Willkür zu beenden und den Beschluss
zu revidieren. Mit dem Verbot verhält sich der Mehringhof nicht nur als
verlängerter Arm der Antideutschen, sondern als Erfüllungsgehilfe der
deutschen, imperialistischen Nahostpolitik.

In jedem Fall werden wir uns diesem reaktionären Druck nicht
beugen – und wollen und werden uns dabei verstärkt mit anderen
internationalistischen Gruppierungen koordinieren.

Wir planen die Fortsetzung der Veranstaltung in Hamburg,
München, Frankfurt/Main und Kassel. Wir rufen alle antiimperialistischen Linken
dazu auf, in dieser Frage solidarisch zusammenzustehen. Dabei geht es eben
nicht allein um die Darstellung unserer Positionen und  Schlussfolgerungen, es geht auch um den
Kampf gegen Zensur und Einschüchterung sowie für demokratische Rechte.




Diskutieren geht nicht! Veranstaltungsreihe zum Antisemitismus wird bekämpft – Rede und Versammlungsrecht verteidigen!

Stellungnahme der Gruppe ArbeiterInnenmacht, Infomail 1075, 3. November 2019

Zu den wenigen „guten“ Traditionen der „Linken“ in
Deutschland gehört die gemeinsame Nutzung von Veranstaltungsräumen in einer
Stadt. Trotz mancher ideologischer und methodischer Differenzen versuchen
Organisationen, diese Räume gemeinsam zu nutzen und auch diese zu erhalten. So
geben sich bei vielen Veranstaltungsräumen Gruppierungen die Klinke in die
Hand, die sonst kaum gegenseitig solidarisch wären. Das gehörte hierzulande
lange zur Normalität, gewissermaßen auch eine „demokratische“ Errungenschaft.

Seit mehreren Jahren sind jedoch linke, antiimperialistische
und palästina-solidarische Gruppierungen mit Versuchen sog. „antideutscher Gruppierungen“
konfrontiert, dass Veranstaltungen verhindert werden, die ihrer
pro-imperialistischen Haltung zum „Nahostkonflikt“ nicht entsprechen.

Zur Zeit trifft dies auch unsere Organisation. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Antisemitismus – eine marxistische Analyse“ wollen wir in mehreren Städten die Ausgabe 51 des „Revolutionärer Marxismus“, des theoretischen Journals der Gruppe ArbeiterInnenmacht, vorstellen. Dieses Vorhaben wird zur Zeit in jeder Stadt torpediert und diffamiert, wo wir eine materialistische Kritik des Antisemitismus zur Diskussion stellen wollen. So wurden zuletzt unsere geplanten Veranstaltungen in Berlin (Mehringhof) und in Stuttgart (Falkenbüro) abgesagt.

So begründete das Falkenbüro die Absage damit, dass die
„antideutsche Szene“ Druck ausgeübt habe, dem nachzugeben es sich gezwungen
sah. Der Mehringhof möchte dieses „konfliktbehaftete“ Thema nicht in seinen Räumlichkeiten
diskutiert haben. So argumentiert zumindest die Mehrheit der dortigen Projekte
und/oder Organisationen.

In Dresden mobilisiert die antideutsche Szene unter anderem
auch mit Drohungen gegen den dortigen kurdischen Verein und hat eine Demonstration
gegen unsere Veranstaltung ankündigt.

Auch außerhalb der Veranstaltungsreihe nehmen diese
politischen Angriffe zu. So soll in den kommenden Wochen eine Veranstaltung
über den sogenannten „linken Antisemitismus“ in Kassel stattfinden, womit sie
die Nichtanerkennung der zionistischen Besatzungspolitik in Palästina meinen.
Hier soll die pseudowissenschaftliche Gleichsetzung von Antisemitismus und
Antizionismus am Beispiel der kommunistischen Jugendorganisation REVOLUTION und
dem Friedensratschlag in Kassel konstruiert werden. In Frankfurt am Main soll
es eine ähnliche Veranstaltung am Beispiel des aufgelösten und von staatlicher
Repression betroffenen Jugendwiderstands geben.

Es war uns durchaus klar, dass dieses Thema polarisiert. Deswegen
haben wir ja auch diesen Artikel veröffentlicht, um eben eine marxistische
Analyse des Antisemitismus herzuleiten, seine rassistisch verkürzte
Kapitalismus„kritik“ offenzulegen, welche Klassenbasis ihm zugrunde liegt und
wie dieser von der ArbeiterInnenbewegung bekämpft werden kann. Ebenfalls haben
wir im Artikel dargelegt, warum „Israelkritik“ nicht mit Antisemitismus
gleichzusetzen ist. So ist auch Antizionismus (sofern sich dahinter kein
Antisemitismus versteckt) für jede/n internationalistische/n Aktive/n zu
verteidigen, da wir den Zionismus als eine nationalistische und reaktionäre
Ideologie ablehnen. Wir differenzieren in dem Artikel zwischen Antisemitismus
als Kernelement jeder reaktionären rassistischen Ideologie (wie er gerade auch
wieder in und um den rechten Terror in Halle deutlich geworden ist) und einer
notwendigen linken Kritik am Staat Israel und seiner Rolle im neokolonialen System
des Nahen Ostens. Wir lehnen gerade die Identifizierung jüdischer Menschen
weltweit mit der Politik dieses Staates grundlegend ab, ja halten diese
Ineinssetzung selbst für zutiefst antisemitisch. An diesem Punkt sind dann alle
„antideutschen, ideologiekritischen“ Szenen und Gruppierungen alarmiert. Sie
fürchten Widerspruch zu ihrer Definition von Antisemitismus, die sich mit der
der Bundesregierung deckt, wie auch ihre „Israelsolidarität“ mit der
israelischen Rechten von uns abgelehnt wird.

Wir halten es ebenso für ein demokratisches Recht, diese
linke Kritik zu veröffentlichen und auch dies öffentlich zu vertreten wie auch
konträre Positionen in der „Linken“ zu diskutieren. Wenn dies nun in Frage
gestellt wird, ist es die Aufgabe der ganzen „Linken“, sich dazu zu verhalten.
Wir rufen Gruppierungen, Netzwerke und Strömungen auf, das Recht auf „freie
Meinungsäußerung“ gerade auch in „linken Räumlichkeiten“ zu verteidigen.

Dass wir BDS Berlin und das Palästinakomitee Stuttgart
eingeladen haben, wird ebenfalls als Vorwand benutzt, um gegen unsere
Veranstaltungen zu hetzen. Wir verteidigen das Recht der palästina-solidarischen
Bewegung, öffentlich zu sprechen und gegen den demagogischen und
verleumderischen „Antisemitismus-Vorwurf“ Stellung zu beziehen. Wir halten es
für ein demokratisches Recht der Palästina-Solidarität, der migrantischen und
anti-imperialistischen Organisationen, sich gegen diesen Vorwurf zu verteidigen
und mit uns zum Thema zu sprechen.

Auch außerhalb dieser Veranstaltungen nehmen solche gezielten bürokratischen Angriffe zu. Dafür haben wir mit anderen linken Organisationen im Juni den gemeinsamen Aufruf „Antizionismus ist kein Antisemitismus“ gestartet. Wir rufen alle Linken auf, diesen gemeinsamen Aufruf zu unterzeichnen und künftig solche bürokratischen Manöver nicht unbeantwortet zu lassen. Ein gemeinsamer Widerstand gegen diese darf nicht nur dabei stehenbleiben, sondern braucht auch eine klare Perspektive, wie wir gegen den erstarkenden Antisemitismus ankämpfen wollen und müssen.

Für uns zeigt dies erneut, dass der
Kampf gegen den Antizionismus, den der deutsche Imperialismus samt seiner „antideutschen“
ErfüllungsgehilfInnen führt, dem notwendigen Kampf gegen den Antisemitismus in
Zeiten eines gesellschaftlichen Rechtsrucks praktisch im Wege steht. In Zeiten
antisemitischer Anschläge, wie dem kürzlich in Halle, offenbart sich diese
politische Agenda zunehmend als reaktionär.

Wir müssen inzwischen davon ausgehen, dass nicht nur alles
versucht wird, dass wir keine Räume bekommen, sondern auch die Veranstaltungen
gestört werden und es zu Übergriffen kommen kann. Dies ist sicherlich
beschämend für die „Linke“ insgesamt, zeigt aber deutlich, dass die
antideutsche Szene einen staatstragenden, pro-imperialistischen und
reaktionären Charakter trägt.

Wir wollen gerade bei „konfliktbehafteten Themen“ die
Diskussion führen, sehen darin die Möglichkeit, politische Differenzen zu
überwinden: Diskussion statt Verbot wäre unsere Losung. Wir hoffen auf die
Solidarität der internationalistischen Linken, damit wir unsere Veranstaltungen
durchführen können – ohne Störungen und ohne Gewalt.

Kontaktiert uns, wenn Ihr Interesse habt, das Thema in Eurer
Stadt zu diskutieren wie auch, wenn Ihr unsere Veranstaltungen besuchen und
schützen wollt!

Schließlich halten wir es für notwendig, dass nicht einfach
pauschal über unseren angeblichen „Antisemitismus“ Verleumdungen verbreitet und
darauf aufbauend Verbote ausgesprochen werden, sondern vielleicht erstmal
unsere Thesen zu lesen: Denn gerne sind wir bereit, auch darüber zu diskutieren
(http://arbeiterinnenmacht.de/2019/09/12/antisemitismus-zionismus-und-die-frage-der-juedischen-nation/).
Lasst uns also nicht nur mit diesen staatstreuen RassistInnen herumschlagen,
sondern gemeinsam für eine Welt kämpfen, in der Antisemitismus keinen Nährboden
haben kann!

Daher laden wir auch noch einmal zur Teilnahmen an den drei
Veranstaltungen ein:

Berlin, 14. November, 19.00 Uhr, Spreefeld Genossenschaft,
Wilhelmine-Gemberg-Weg-14

Stuttgart, 16. November, 18.00 Uhr, Clara-Zetkin-Haus,
Gorch-Fock-Straße 26

Dresden, 14. Dezember, 18.00 Uhr, Kurdischer Verein,
Oschatzer Str. 26




Frankfurt/Main: Anti-deutscher AStA verhindert linke Veranstaltung

Stefan Katzer, Infomail 1071, 8. Oktober 2019

„Antideutsche sind keine Linken!“ Dieser Spruch hat sich ein
weiteres Mal als treffende Einschätzung erwiesen. Er fand erneut seine
Bestätigung, als der AStA-Frankfurt/Main (Allgemeiner Studierendenausschuss) eine
für den 26. September geplante Veranstaltung der Gruppe Platypus zur Frage „Was
ist eine politische Partei für die Linke?“ verhinderte.

Nachdem es dem AStA zunächst nicht gelungen war, die Gruppe
ArbeiterInnenmacht von der Veranstaltung auszuschließen, machte er seine
Drohung, in diesem Fall den VeranstalterInnen den Raum zu entziehen,
schließlich wahr. Die von der Gruppe Platypus geplante Veranstaltung musste
daraufhin abgesagt werden, da es kurzfristig keine Alternative gab.

Eigentliches Ziel dieses Angriffs war somit die Gruppe
ArbeiterInnenmacht bzw. das, wofür sie steht: ihr revolutionärer
Internationalismus. Dieser drückt sich auch in Verteidigung der BDS-Kampagne
gegen Verbote und Zensur aus. Deren zunehmende Bekämpfung seitens der
Herrschenden ist Ausdruck eines Rechtsrucks, der nicht nur in Deutschland
stattgefunden hat und der die gesamte Linke trifft.

Immer wieder werden linke Gruppen das Ziel von Angriffen
sog. Antideutscher, die sich nicht zu schade dafür sind, die Beschlüsse der
Herrschenden gegen jede noch so marginale linke Opposition durchzusetzen. So
gab es auf dem IG-Farben-Campus der Goethe-Universität bereits vor zwei Jahren
einen tätlichen Angriff auf einen Infostand zu Palästina (https://www.youtube.com/watch?v=22xm_jfybbI).

Die sog. Antideutschen erweisen sich dabei nicht nur als „nicht
links“, sondern übernehmen de facto die Funktion der politischen Rechten, die
darin besteht, die revolutionäre Linke und die ArbeiterInnenklasse insgesamt zu
bekämpfen. Außenpolitisch stehen sie dabei großteils in einer Linie mit der
herrschenden Klasse in Deutschland, mögen sie bei vielen Linken aufgrund ihres
Jargons auch den Eindruck erwecken, eine „emanzipative“ Kraft zu sein. Gerade
dieser Schein erlaubt es ihnen, an manchen Stellen die Linke effektiver zu
bekämpfen, als es jenen möglich wäre, die aus ihrem Konservatismus und ihrer
rechten Einstellung kein Hehl machen. Was ein RCDS-geführter AStA sich wohl
nicht trauen würde oder doch nur gegen Widerstand durchsetzen könnte – nämlich
eine Veranstaltung der Linken zu verhindern, in welcher diese die Frage nach
einer revolutionären Organisation öffentlich diskutieren möchte –, kann ein mit
„Antideutschen“ besetzter, vermeintlich linker Asta scheinbar problemlos
umsetzen.

Wenn in diesem Falle auch die Gruppe ArbeiterInnenmacht Ziel
des Angriffs der „Antideutschen“ war, so gilt doch: getroffen hat er alle
Linken, die ein ehrliches Interesse an einem politischen Klärungsprozess haben.
Denn das war das Anliegen der Veranstaltung, an der auch die Uni-Gewerkschaft „unter_bau“
sowie die „Kampagne für eine sozialistische Partei“ teilnehmen sollten. Vor dem
Hintergrund der Zersplitterung linker, revolutionärer Kräfte sollte den
jeweiligen Gruppen die Möglichkeit gegeben werden, ihre Position zur Frage
einer linken Partei öffentlich zu vertreten und der Kritik auszusetzen.

Die sog. Antideutschen, die sich gerne einreden, die
Durchsetzung kapitalistischer Herrschaft folge einem abstrakten Prinzip,
erweisen sich dabei selbst als aktive politische VerteidigerInnen der
bestehenden Verhältnisse, indem sie politischer Diskussion und damit in letzter
Instanz dem Formierungsprozess des Proletariats aktiv entgegenarbeiten. Der
politische Klärungsprozess innerhalb der Linken ist eine Voraussetzung dafür,
dass sich diese wieder als handlungsfähige Kraft konstituieren kann. Wer dem
aktiv entgegenarbeitet, der schadet nicht nur einzelnen linken Gruppen, sondern
der Linken und der ArbeiterInnenbewegung insgesamt.

Der Angriff auf diese Veranstaltung ist deshalb als einer
auf die Rede- und Propagandafreiheit insgesamt zu werten. Dem gilt es,
geschlossen entgegenzutreten:

  • Kein Ausschluss internationalistischer, anti-imperialistischer und antizionistischer Kräfte aus universitären Räumen, linken Bündnissen oder ArbeiterInnenorganisationen!
  • Gemeinsamer Schutz linker Veranstaltungen und Blöcke gegen (angedrohte) physische Angriffe und Provokationen sog. Antideutscher!



Klimacamp Leipzig – Antiimperialismus unerwünscht!

Martin Suchanek, Infomail 1064, 11. August 2019

Die drohende Zerstörung der natürlichen Grundlagen
menschlicher Existenz hat in den letzten Jahren in vielen Ländern zur
Entstehung einer neuen Umweltbewegung geführt. Hunderttausende beteiligten sich
an Fridays for Future, Zehntausende mobilisieren gegen die
Braunkohleverstromung. In den vom Imperialismus beherrschten Ländern wehren
sich Lohnabhängige, Bauern/BäuerInnen und Indigene gegen die fortgesetzte, ja
beschleunigte Ausplünderung und Verwüstung ganzer Regionen.

Tausende nehmen auch an den Klimacamps oder bei Fridays for
Future teil, um über die strategische Orientierung der Bewegung zu diskutieren.
So weit so gut.

Internationalismus?

Die Gruppe ArbeiterInnenmacht hatte Anfang Juni einen Workshop mit dem Titel „Capitalism kills – Imperialismus, Konkurrenz und die Zerstörung von Mensch und Natur“ angemeldet. Dieser war von der Programmgruppe des Klimacamps in den Veranstaltungskatalog aufgenommen worden und sollte am Freitag, dem 9. August, stattfinden. Bei der Einreichung des Workshops hatten wir auch immer klargemacht, dass der Referent Chris Kramer für die Gruppe ArbeiterInnnenmacht spricht und dem Workshop die jüngst erschienene Broschüre unserer Organisation zugrunde liegt.

Umso erstaunter waren wir, als unsere GenossInnen am Morgen
des 9. August über einen Aushang am Camp erfahren mussten, dass der Workshop
abgesagt sei. Eine direkte Begründung per Mail oder Telefon – beides hatte die
Vorbereitungsgruppe des Klimacamps seit Wochen (!) – kam uns erst gar nicht zu.

Am Camp gelang es uns wenigstens noch, vor dem geplanten
Beginn der Veranstaltung verantwortliche SprecherInnen der Programmgruppe zu
erreichen und von diesen eine mündliche Begründung ihres Vorgehens zu erhalten.

Als politische Gründe wurden uns dabei genannt:

  • Antizionismus und Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf, für die ArbeiterInnenmacht einsteht. Dieser „Vorwurf“ wurde über unsere Zusammenarbeit mit der BDS-Kampagne „untermauert“ und mit nicht näher definierten „Erfahrungen“ mit REVOLUTION Leipzig. Antizionismus und letztlich auch Internationalismus, so wurde einfach behauptet, seien eben „antisemitisch“ wie auch eine „einseitige“ Haltung der Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung im Kampf gegen seine Unterdrückung.
  • Das Klimacamp stünde für einen „neuen“ Antikapitalismus jenseits der „Dogmatik“ der „personalisierenden“ Kritik der „traditionellen“ marxistischen und linken Gruppierungen.
  • Das Camp sei undogmatisch und sollte kein Tummelplatz für „orthodoxe“ marxistische Gruppierungen sein, sondern vielmehr den Kapitalismus als „System“, als Sachzwang und fetischisierende Form jenseits personalisierter Subjekte wie „KapitalistInnenklasse“ und „ArbeiterInnenklasse“, unterdrückter und unterdrückender Nationen etc. begreifen. Nicht nur der „einseitige“ Bezug auf die ArbeiterInnenklasse, sondern auch die Unterstützung von nationalen Befreiungsbewegungen sollten keinen Platz haben.
  • Es sei ein „breiter Konsens“, dass Veranstaltungen internationalistischer und „orthodox“-marxistischer Gruppierungen auf dem Camp und beim angeblichen „neuen“ Antikapitalismus nichts zu suchen hätten.

Ganz offenkundig machten sich die Programmgruppe oder jedenfalls
deren VertreterInnen uns gegenüber eine Reihe von „Standardargumenten“ der sog.
Anti-Deutschen zu eigen.

Auf unsere Nachfragen, wo denn der „breite Konsens“
bezüglich der politischen Ausrichtung des Camps transparent und nachvollziehbar
präsentiert würde, mussten auch die VertreterInnen der Programmgruppe
zugestehen, dass das nicht so klargemacht wäre.

Auf unsere Nachfragen, warum unsere „Unvereinbarkeit“ mit
dem Camp – trotz „transparenter“ Einreichung – erst am Abend vor der
Veranstaltung bemerkt worden sei, konnten wir nur lächerliche Ausreden erhalten
wie, dass die Vorbereitungsgruppe sehr viel zu tun hätte, nicht alle gleich
„bewusst“, also gleichmäßig anti-deutsch indoktriniert, an die Sache rangingen.
Außerdem wäre es ein sehr „schwieriger Prozess“.

Außerdem wäre das Thema „hoch komplex“ – wie überhaupt alles
andere, wozu die Vorbereitungsgruppe nicht rasch oder einheitlich reagierte.
Das Wörtchen „komplex“ wurde uns überhaupt wie ein Zauberwort um die Ohren
geschlagen, wenn wir um eine konkrete Erklärung fragen oder z. B. wissen
wollten, ob die Politik der Regierung Netanjahu rassistisch sei. Statt eines
klaren Ja oder Nein wurden wir auf die „Komplexität der Situation“ verwiesen.
Dabei muss man wohl kein politisches Genie sein, um den Rassismus der
israelischen Regierungspolitik zu erkennen. Umso bemerkenswerter, dass die
Gleichsetzung von Antizionismus mit Antisemitismus, das einfache Nachplappern
der israelischen wie auch bundesdeutschen Staatsdoktrin diesen Freunden und
Freundinnen der „Komplexität“ keine weiteren Schwierigkeiten bereitet!

Klartext

Das Verbot des Workshops der Gruppe ArbeiterInnenmacht durch
die Programmgruppe und OrganisatorInnen des Camps verlief intransparent,
bürokratisch und unter Missachtung jeder demokratischen Form.

Uns wurde eine öffentliche Stellungnahme auf dem Camp –
z. B. auf dem Plenum verwehrt, ja diese wurde erst gar nicht „erwogen“.
Die TeilnehmerInnen des Camps sollten darüber auch nicht diskutieren dürfen, ob
sie die Position der Programmgruppe teilen oder nicht.

Unser Ausschluss wurde auf eine bürokratisch-autoritäre
Weise vollzogen, wie sie selbst in den Hochzeiten der stalinistischen oder
sozialdemokratischen Dominanz über linke oder soziale Bewegungen selten vorkam.
Deren Führungen waren wenigstens formal-demokratisch, wenn auch im Rahmen einer
bürokratischen Struktur, legitimiert. Die politische Führung des Klimacamps
stellt hingegen eine vollkommen abgehobene Clique dar, die „Basisdemokratie“
spielt.

Ein Blick in das Programm des Camps, auf die Webseite oder
auf die öffentlichen Verlautbarungen lässt die Veranstaltung als
strömungsübergreifendes Diskussionsforum erscheinen. Die bis zur kurzfristigen
Absage unseres Workshops 
problemlose Kommunikation und Aufnahme unserer Veranstaltung erweckten
auch bei uns den Eindruck, dass eine offene, transparente und auch kontroverse
Diskussion unter Linken gewünscht wurde.

Wir können nur darüber spekulieren, ob es bezüglich unserer
„Zulassung“ unterschiedliche Positionen in der Vorbereitungsgruppe gab oder ob
diejenigen, die mit uns sprachen, wirklich eine gemeinsame Auffassung
vertraten. Im Endeffekt ist das auch nicht wichtig, weil die politische
Position der anti-deutschen, anti-internationalistischen Kräfte offenkundig so
stark war, dass die Absage des Workshops einer marxistischen Organisation
durchgezogen wurde und die anti-deutschen DoktrinärInnen ihren Willen
durchsetzen konnten. Auch wenn wir eine Veränderung der politischen
Kräfteverhältnisse in der Vorbereitungs- und Programmgruppe begrüßen würden, so
haben wir wenig bis keine Hoffnung darin. Und ganz sicher wird diese Änderung
nicht stattfinden ohne den Aufbau eines internationalistischen,
antirassistischen und klassenkämpferischen Pols in der Umweltbewegung.

Die Bedeutung der Absage des Workshops der Gruppe
ArbeiterInnenmacht liegt nicht nur darin, dass eine Gruppe ausgegrenzt und
mundtot gemacht werden soll, für die internationalistische Arbeit,
Klassenpolitik und der Kampf für den Aufbau einer revolutionären Partei und
Internationale seit Jahren Schwerpunkte ihrer Politik darstellen. Was am 9.
August uns betraf, betriff auch alle anderen Gruppierungen und Strömungen, die,
trotz aller auch tiefgehender politischer Differenzen, einen ähnlichen Anspruch
haben.

Die explizite Ausgrenzung von Antizionismus und Solidarität
mit Befreiungsbewegungen konterkariert vollständig die an sich zu begrüßende
Ausrichtung des Camps auf den Zusammenhang zwischen Umweltzerstörung, Rassismus
und Antikolonialismus. Was nützt das freilich, wenn der Befreiungskampf der
PalästinenserInnen, eine der wichtigsten konkreten Formen des
anti-imperialistischen und anti-kolonialen Kampfes, ignoriert oder gar bekämpft
wird. Ein solcher „Antirassismus“ und „Antikolonialismus“ verkommt zur Lüge. Er
dient allenfalls zur Verwirrung und zur Rechtfertigung der konkreten
imperialistischen Politik.

Nicht besser ist es um die falsche Entgegenstellung von
„Systemkritik“ am Kapitalismus und Klassenpolitik bestellt. Wie jede
ausbeutende Gesellschaftsformation ist natürlich auch die bürgerliche Gesellschaft
durch einen grundlegenden Klassenwiderspruch gekennzeichnet. Die Tatsache, dass
sich die Logik der Kapitalakkumulation auch gegenüber einzelnen KapitalistInnen
als Zwangsgesetze der Konkurrenz geltend macht, ändert überhaupt nichts daran,
dass sich in der bürgerlichen Gesellschaft Lohnarbeit und Kapital als
antagonistische Klassen gegenüberstehen. Revolutionär ist nur eine Politik, die
auf die Formierung der ArbeiterInnenklasse als „Klasse für sich“ zielt, ihr
Bewusstsein und ihre Selbstorganisation vorantreibt und auf alle
gesellschaftlichen Fragen eine sozialistische, eine proletarische Antwort zu
geben vermag. Nur durch die internationale ArbeiterInnenklasse kann eine neue,
sozialistische Gesellschaft überhaupt geschaffen werden, die die Bourgeoisie stürzt,
die bürgerlichen Staatsapparate zerschlägt und durch eine Rätedemokratie und
demokratische Planwirtschaft ersetzt. Die Formierung eines proletarischen
Klassensubjekts stellt eine unerlässliche Voraussetzung für die revolutionären
Überwindung von Ausbeutung, Unterdrückung und Zerstörung der Umwelt dar. Wer
dem Kampf für die Herausbildung eines kollektiven Klassensubjekts, das
notwendigerweise die Macht einer feindlichen, herrschenden Personengruppe – der
KapitalistInnenklasse – brechen muss, abstrakter „Systemkritik“ entgegenstellt,
muss unwillkürlich die Formierung der ArbeiterInnenklasse  von einer Klasse an sich zu einer
Klasse für sich ablehnen und ideologisch und realpolitisch bekämpfen.

Das steckt auch politisch hinter dem Verbot unseres Workshops:
das Verhindern der Veranstaltung einer Organisation, die für Internationalismus
und revolutionäre Klassenpolitik steht. Die gegen die Gruppe ArbeiterInnenmacht
vorgebrachten Einwände stellen demagogische, längst entkräftete Lügen dar, wie
ein Lesen unserer Publikationen leicht zeigt.

Wir wollen an dieser Stelle noch einmal die an unseren Positionen interessierten Klima-AktivistInnen auf unsere Broschüre „Capitalism Kills“ verweisen. Wir veröffentlichen außerdem auch das Manuskript unseres Workshop-Beitrages, so dass unvoreingenommene GenossInnen nachlesen können, was von der Programm-Gruppe zensiert wurde.

Am 9. August konnte sie unseren Workshop absagen und
verhindern – zum Schweigen bringen wird sie uns nicht.




Kassel: 15.000 demonstrieren gegen Nazis – „Antideutsche“ ProvokateurInnen denunzieren InternationalistInnen

Martin Suchanek, Infomail 1063, 24. Juli 2019

15.000 Menschen gingen am 20. Juli gegen die faschistische
Gruppierung „Die Rechte“ auf die Straße – eine der größten Demonstrationen seit
Jahren. Zweifellos brachte die gezielte Provokation der Nazis für viele das
Fass zum Überlaufen und dazu, gegen den Nazi-Mob auf die Straße zu gehen. „Die
Rechte“ brachte es schließlich fertig, den Mord am Kassler
CDU-Regierungspräsidenten Walter Lübcke zu relativieren, den der Getötete durch
die Unterstützung der Flüchtlingspolitik der Regierung Merkel gewissermaßen
„herausgefordert“ hätte. In den Augen der Nazis stellte der rassistische Mord
gewissermaßen eine „Notwehr“ gegen eine imaginierte Zerstörung deutscher Kultur
und Volksgemeinschaft dar.

Die gute Nachricht vorweg: Der „Dritte Weg“ erlitt mit
seiner menschenverachtenden Mobilisierung kläglich Schiffbruch. Selbst den
RassistInnen von der AfD und den meisten AnhängerInnen des Rechtspopulismus war
solcherart zur Schau getragene Sympathiebekundung mit einem faschistischen
Mörder (noch?) zu viel. Die Nazis blieben weitgehend unter sich, mussten ihre
Route verlegen, konnten jedoch unter massivem Polizeischutz demonstrieren.

Allein die Masse von rund 15.000 Menschen verdeutlicht, wer
an diesem Tag zahlenmäßig die Oberhand hatte. Kurzfristig mag das auf die
Völkischen vom „Rechten Weg“ sogar demoralisierend wirken. Die
Massendemonstration offenbarte ein enormes Mobilisierungspotential im Kampf gegen
rechts.

Zugleich verdeutlichte sie aber auch die politische Schwäche
des „breiten“ Mobilisierungsbündnisses bis hin zu Kirchen, Grünen, bürgerlichen
Vereinen. An diesem Tag wäre nicht nur ein zahlenmäßiger Erfolg, ein klarer
Sieg bei der symbolischen Heerschau möglich gewesen. Die Nazis hätten bei einer
entschlossenen, koordinierten Vorgehensweise der 15.000 – und das heißt zuerst
bei einem entschlossenen Vorgehen des Bündnisses selbst – nicht nur an den Rand
gedrängt werden können. Ihre Veranstaltung hätte tatsächlich verhindert und die
Rechten in die Flucht geschlagen werden können. Sie hätten so nicht nur erleben
müssen, dass ihnen an diesem Tag die Stadt nicht gehörte, sie hätten auch von
der Straße gefegt werden können.

Hier zeigte sich einmal mehr die Grenze des bürgerlichen
Antifaschismus, der das Kassler Bündnis (wie die meisten, bis weit ins
bürgerliche Lager hinein reichenden „breiten Bündnisse“) politisch dominiert –
diesmal in Form der Beschränkung auf eine massenhafte, symbolische Manifestation.

So weit zur eigentlich politischen Bilanz und zu den Fragen,
die bei einer Auswertung der Aktion im Vordergrund stehen müssen.

Die „Bilanz“ der Anti-Deutschen

Während bürgerliche Kräfte wie die Grünen, die katholische
und evangelische Kirche, aber auch reformistische Parteien (SPD, Linkspartei)
und die Gewerkschaften wirklich AnhängerInnen mobilisierten und so dazu
beitrugen, dass sich Tausende versammelten, gaben sich die anti-deutschen
Gruppierungen in Kassel mit den Tiefen profaner Mobilisierungsarbeit nicht
weiter ab.

Das drückte sich darin aus, dass sie allesamt den Aufruf zur
Aktion um die vier Forderungen „Gemeinsam gegen rechten Terror! Aufdeckung und
Zerschlagung der braunen Netzwerke und NSU-Strukturen! Kein Fußbreit den
Mördern und Faschisten!
Den Naziaufmarsch am 20. Juli in Kassel verhindern!“ (http://bgr-kassel.de/kassel-nimmt-platz-no-pasaran)
erst gar nicht unterstützten.

Ihr Anliegen besteht offenkundig nicht darin, Faschismus und
Rassismus entgegenzutreten. Ihre Hauptenergie verwenden sie vielmehr auf die
„Feindbeobachtung“ bei den Aktionen gegen die Rechten – und darunter verstehen
nicht die Nazis, sondern alle linken Strömungen, die sich der „Solidarität mit
Israel“ verweigern und die reaktionäre Gleichsetzung von Antizionismus und
Antisemitismus ablehnen.

„Den Aufruf des Kasseler Bündnisses gegen Rechts haben auch
klar antizionistisch und antisemitisch ausgerichtete Gruppen unterzeichnet:

DKP-Nordhessen, Gruppe Arbeiterinnenmacht, Kasseler Friedensforum, MLPD Kreis Kassel, Jugendorganisation REVOLUTION und die SAV. Mit der‚Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft’ hat mittlerweile auch eine Kasseler Gruppe den Aufruf unterzeichnet, die wie die MLPD die offiziell für antisemitisch erklärte BDS-Bewegung unterstützt (siehe: BDS-Unterstützer) und deren Vorsitzende sich an den antisemitischen Aufmärschen im Sommer 2014 beteiligte…“ (https://bgakasselblog.wordpress.com/2019/07/15/auch-in-kassel-unteilbar-mit-antizionisten)

Dieses Zitat verdeutlicht die politische Ausrichtung der
sog. Anti-Deutschen. Sie richten sich gegen alle bekanntermaßen politisch sehr
unterschiedlichen Kräfte, für die Antifaschismus und Antirassismus mit dem
Kampf gegen Imperialismus und Krieg, für internationale Solidarität eng
verbunden sind.

Wir haben schon in verschiedenen Artikeln hinlänglich den
falschen, demagogischen und hetzerischen Vorwurf des Antisemitismus gegen
ArbeiterInnenmacht und REVOLUTION wie auch gegen die anderen genannten
Gruppierungen zum Ausdruck gebracht. Sie erwachsen allesamt aus der falschen
Gleichsetzung von Antizionismus und Antisemitismus. Diese führt einerseits zur
Unterstützung oder Hinnahme der Unterdrückung der PalästinenserInnen durch den
israelischen Staat und den Imperialismus (einschließlich der politischen,
wirtschaftlichen und militärischen Unterstützung durch den deutschen Staat).
Andererseits verharmlost sie den wirklich wachsenden Antisemitismus auf Seiten
der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Rechten – von den Nazis, den
RechtspopulistInnen bis in „bürgerliche Lager“.

Die Verstrickung der Anti-Deutschen in diese Politik
verdeutlicht ihre Solidarität mit dem US-Imperialismus und Israel gegenüber dem
Iran oder der anti-muslimischen und anti-arabischen rassistischen Hetze (bis
hin zum skandalösen Hofieren von RednerInnen der ultra-rassistischen „English
Defence League“ in Kassel durch AK Raccoons und das sog. Bündnis gegen
Antisemitismus).

Daher kann es auch nicht verwundern, dass sich die
Anti-Deutschen einzig über die Teilnahme, linker, internationalistischer,
kommunistischer, sozialistischer und antikapitalistischer Strömungen an der
Demonstration echauffieren. Mit der staatstragenden Politik der VertreterInnen
der „Mitte“ der Gesellschaft (christliche Kirchen, Grüne Partei, SPD,
Linkspartei, Gewerkschaftsführungen) haben sie offenkundig keine politischen
Probleme – abgesehen davon, dass diese angeblich „demokratie- und
israelfeindliche“ Gruppierungen bei der Mobilisierung und auf der Demonstration
dulden würden. Mit anderen Worten: Die „Mitte“ ist den Anti-Deutschen nicht
rechts und staatstragend genug. Schließlich soll diese die Forderung der
Anti-Deutschen umsetzen und die linken, antifaschistischen Kräfte rauswerfen,
damit pro-imperalistische und rassistische anti-deutsche HetzerInnen auch
mitmachen könnten.

Freudig nahmen auch die bürgerlichen Medien die Diffamierungskampagne auf. So warf die Hessische Niedersächsische Allgemeine Zeitung vor der Aktion die Frage auf, ob es eine gute Idee wäre, mit „Linksextremisten“ und „Gewaltbereiten“ zu demonstrieren. All dies verdeutlicht nur, dass die Anti-Deutschen die Interessen des deutschen Imperialismus, seiner „Demokratie“, seines Staates bedienen.

Klare Kante zeigen!

Die linken Organisationen müssen der erneuten Diffamierung durch die Anti-Deutschen klar und gemeinsam entgegentreten. Die Hetze in Kassel stellt nur einen und leider auch keineswegs den gefährlichsten Teil der rechten Kampagne dar. ArbeiterInnenmacht, REVOLUTION und andere Gruppierungen haben als einen Schritt in diese Richtung den Aufruf „Internationale Solidarität gegen die Angriffe der sogenannten ,Antideutschen‘ – Antizionismus ist kein Antisemitismus!“ lanciert. Wir rufen andere linke Organisationen auf, sich diesem anzuschließen und ihre gemeinsamen Aktivitäten gegen Provokationen aus dem „anti-deutschen“ Spektrum zu verstärken.

Das Kassler Bündnis gegen Rechts sollte seinerseits eine
klare Absage an die Zumutungen aus diesem Spektrum erteilen. Im Kampf gegen den
realen, wachsenden Faschismus, Rassismus und auch gegen den Antisemitismus
stehen die Anti-Deutschen auf der anderen Seite der Barrikade. Allenfalls sind
sie unnützer Ballast – und den sollten wir abwerfen. Der Kampf gegen Rechts
erfordert ohnedies genug Kräfte. Vor allem aber wird er nicht erfolgreich sein
können, wenn er nicht zugleich mit dem gegen Ausbeutung der sog. „Dritten
Welt“, Abschottung der EU, rassistische und nationale Unterdrückung durch den
Imperialismus verbunden wird.




Internationale Solidarität gegen die Angriffe der sogenannten „Antideutschen“ – Antizionismus ist kein Antisemitismus!

Gemeinsame Erklärung internationalistischer Gruppierungen und Organisation, 13. Juni 2019

Angriffe auf
internationalistische, antikapitalistische und antiimperialistische Kräfte
mehren sich besonders in den letzten Monaten. Sogenannte „Antideutsche“ hetzen gegen alle
fortschrittlichen linken, demokratischen, sozialistischen und kommunistischen
Kräfte, die Kritik an der israelischen Politik und deren Unterstützung durch
den deutschen und/oder US-amerikanischen Imperialismus üben. Erst recht
denunzieren sie jede Solidarität mit dem Widerstand der Palästinenser_innen und
antizionistischer Kräfte.

Mit dem Vorwurf „Antizionismus“ sei „Antisemitismus“ wird
die steigende rechte Gefahr für Leib und Leben in Deutschland und Israel für
Linke und MigrantInnen relativiert und der reale wachsende Antisemitismus der
Rechten verharmlost. Der zentrale Zweck der Kriminalisierung von
AntizionistInnen ist jedoch, jede
Kritik an Israel und der deutschen pro-zionistischen Außenpolitik, jede
Solidarisierung mit der palästinensischen Bevölkerung und tendenziell auch jede
Kritik an imperialistischen Interventionen im „Nahen Osten“ mundtot zu machen.

Dafür
unterstützen die „Antideutschen“ ausgemacht rechte und rassistische
Regierungen, wie in Israel und den USA und versuchen, jede Kritik an diesen
Staaten als antisemitisch zu denunzieren, selbst jene jüdischer
Antizionist_innen.

Die sog. „Antideutschen“ beschränken sich dabei
nicht nur auf Hetze in Wort und Schrift, sondern greifen auch auf andere Mittel
zurück.

  • Ausschluss von oder Ausschlussdrohungen gegen missliebige/n Organisationen aus linken Bündnissen. Davon waren und sind zahlreiche Gruppierungen wie z.B. MLPD, ArbeiterInnenmacht, REVOLUTION, BDS Berlin, Bonner Jugendbewegung, F.O.R. Palestine, Jugendwiderstand und andere internationalistische Gruppierungen… betroffen.
  • Denunziation von Antizionist_innen in öffentlichen Institutionen bis hin zur Drohung von Entlassungen und Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz (z.B. durch „Recherche-Besuche von AutorInnen des Portals „Ruhrbarone“).
  • Versuch der Kriminalisierung ganzer Gruppierungen und Kampagnen wie z.B. von BDS in Zusammenarbeit mit reaktionären Kräften.
  • Physische Gewalt oder Drohungen gegen internationalistische oder antiimperialistische Kräfte, Blöcke oder Personen (vor kurzem gegen den antiimperialistischen Block in Hamburg oder gegen Kerem Schamberger in Marburg).
  • Ausgrenzung antizionistischer Positionen in den Gewerkschaften, der Sozialdemokratie und auch in der Linkspartei.

Dabei geht das sogenannte
„antideutsche“ Spektrum im Kontext des aktuellen politischen Rechtsrucks selber
in eine zutiefst rassistische Richtung: Autoren wie Justus Wertmüller und
Thomas Maul (von der Zeitschrift „Bahamas“) betreiben aktive Unterstützung für
die AfD bei deren anti-muslimischem Rassismus oder auch für den rassistischen
Mob von Chemnitz. Doch auch die weniger „extremen“ Teile dieses Spektrums üben
sich im politischen Angriff gegen Linke, Antirassist_innen und
Internationalist_innen und in deren Verleumdung als „Antisemit_innen“.

Eine solche Politik
behindert aktiv die Formation von Widerstand gegen den bundesdeutschen
Rechtsruck und spielt letztlich rechten Kräfte in die Hände, die nicht nur in
den Parlamenten, sondern auch auf der Straße zunehmend erstarken und zur
wachsenden Gefahr für uns alle werden.

Statt Spaltung und
Diffamierung braucht der Kampf gegen rechts, gegen Sexismus, Rassismus und
Nationalismus heute mehr denn je Solidarität und gemeinsame Aktionen von uns
Lohnabhängigen, MigrantInnen, Jugendlichen, Frauen, LGBTIAs, SchülerInnen und
Studierenden. Wir sehen keinen Widerspruch darin, gemeinsam gegen Rassismus auf
die Straße zu gehen und trotzdem diverse politische Positionen zu verschiedenen
Themen zu vertreten.

Gemeinsam gegen Ausgrenzung und
Diffamierung

Gegen die
Ausgrenzungspolitik, Diffamierungen und Angriffe von „Antideutschen“ werden wir
uns daher in Zukunft gemeinsam zur Wehr setzen – trotz unserer politischen
Unterschiede.

All jene, die unter
Antifaschismus nicht nur eine Szene, sondern eine ernstgemeinte politische
Praxis verstehen, fordern wir auf, mit uns gemeinsam gegen diese Kampagne
anzukämpfen. Wir lassen uns nicht bürokratisch und willkürlich aus Bündnissen
und von Aktionen ausgrenzen. Wir lassen uns nicht unsere Rede- und
Propagandafreiheit nehmen!

Wir werden weiterhin die
rassistische und nationalistische Politik der israelischen Regierung und deren
Unterstützung durch den deutschen und US-Imperialismus bekämpfen. Wir werden
weiterhin gegen Kriegstreiberei und Interventionen auftreten .Wir werden unsere
Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand und den antizionistischen
Kräften bekunden.

Die Kriminalisierung
antizionistischer Kräfte in Deutschland stellt ein Pilotprojekt dar, in Zukunft
jede politische Bewegung, die die Außenpolitik der deutschen Regierung und die
imperialistische Interessen kritisiert, zu unterdrücken. Türkische und
kurdische linke Organisationen werden mit Hausdurchsuchungen, Verhaftungen,
Verboten und Terrorismusvorwürfen konfrontiert. In Zukunft sind beispielsweise
ähnliche Vorgehen gegen linke Bewegungen vorstellbar, die sich gegen eine
militärische Intervention in Venezuela stellen oder gegen die rechte Regierung
in Brasilien.

Der Kampf gegen
palästinensische Organisationen stellte daher einen Teil des Kampfes gegen die
gesamte internationale Linke dar.

Daher rufen wir alle
internationalistischen Kräfte in der Linken und ArbeiterInnenbewegung auf, sich
gemeinsam gegen die Denunziation zu wehren.

Wir, die unterzeichnenden
Organisationen und Bündnisse, wollen unsere Kräfte gegen zukünftige Angriffe
von sog. Antideutschen bündeln und gemeinsam allen Ausgrenzungsversuchen
entgegentreten.

  • Kein Ausschluss internationalistischer, anti-imperialistischer und antizionistischer Kräfte aus linken Bündnissen oder ArbeiterInnenorganisationen!
  • Solidarität mit allen linken Gruppierungen oder Einzelpersonen, die wegen ihrer internationalistischen, solidarischen Haltung kriminalisiert, entlassen oder denunziert werden sollen!
  • Gemeinsamer Schutz linker Veranstaltungen und Blöcken gegen (angedrohte) physische Angriffe und Provokationen sog. Antideutscher!

Ihren
Diffamierungskampagnen, Ausschlüssen und Verleumdungen setzen wir unsere
internationale Solidarität entgegen! Der Kampf gegen rechts kann erfolgreich
sein, wenn wir anfangen, uns gegen die Spaltungsversuche und Diffamierungen zu
wehren, und gemeinsamen Widerstand organisieren.

UnterzeichnerInnen

ArbeiterInnenmacht

BDS Berlin

BOYCOTT! Supporting the Palestinian BDS Call from Within

Crisis SOAS

CUP Berlin

F.O.R Palestine

ICAHD – Israeli Committee Against House Demolitions

League for the Fifth International

MLPD

No pasarán Hamburg

Palästina Komitee Stuttgart

Red Flag

REBELL

REVOLUTION

Revolutionary Socialist Movement (RSM)

Revolutionäre Internationalistische Organisation

Revolutionär-Kommunistische Internationale Tendenz (RCIT) Deutschland

Samidoun Palestinian Prisoner Solidarity Network

SOAS Palestine Society

Solidaritätskomitee Katalonien Berlin

Union juive française pour la paix (UJFP)

Weitere UnterstützerInnen bei info@arbeitermacht oder den unterstützenden Gruppen melden




„Verkürzung von Faschismus auf Naziideologien“

In Hamburg lebt der Konflikt mit sogenannten Antideutschen wieder auf. Ein Gespräch mit Chris Kramer

Interview von Kristian Stemmler, veröffentlicht in Junge Welt vom 15. Dezember 2018, ArbeiterInnenmacht Infomail 1035, 20. Dezember 2018

Chris Kramer
ist in der Gruppe „Bildung ohne Bundeswehr“ und der Gruppe ArbeiterInnenmacht
aktiv

Frage: Bei einer Demonstration gegen die rechte „Merkel muss weg!“-Kundgebung am 7. November gehörte Ihre Gruppe zu einem antiimperialistischen Block, der innerhalb der Demo von sogenannten Antideutschen attackiert wurde. Was war der Anlass, und was geschah genau?

Antwort: Mehrere Organisationen haben den Block organisiert, um eine antikapitalistische Perspektive einzubringen. Eine Gruppe trug ein Transparent mit der Aufschrift »Israel erklärt sich per Gesetz zum Apartheidstaat«. Damit wollte sie gegen die rassistische Unterdrückung der Palästinenser demonstrieren. Von Beginn an wurden die Leute zunehmend aggressiv aufgefordert, das Transparent zu entfernen, und dabei als Antisemiten beschimpft. Bei der Abschlusskundgebung hat eine antideutsche Gruppe den Block bedroht, beschimpft und schließlich angegriffen. Dabei wurde unter anderem ein älterer palästinensischer Mann auf den Boden gestoßen.

Gab es Verletzte?

Nach unseren
Informationen gab es zum Glück keine größeren Verletzungen. Aber für uns ist
die politische Message entscheidend: Wer die rechte Regierungspolitik Israels
kritisiert, bekommt aufs Maul. Dabei stilisieren sich sogenannte Antideutsche
dann gerne noch als Opfer.

Gegen welches Gesetz richtete sich die Transparentaufschrift?

Gegen das „Nationalitätengesetz“,
das die Knesset am 19. Juli verabschiedet hat. Mit dem Gesetz wird Israel als „Nationalstaat
des jüdischen Volkes“ festgeschrieben. Damit werden de facto alle
nichtjüdischen Israelis zu Bürgern zweiter Klasse gemacht. Jerusalem, „vollständig
und vereint“, wird als Hauptstadt beansprucht. Der „jüdische Siedlungsbau“ wird
als „nationaler Wert“ bestimmt. Der israelische Intellektuelle Moshe Zuckermann
hat dazu gesagt, eine „ohnehin rassistisch und diskriminierend angelegte
israelische Alltagsrealität“ sei nun staatsoffiziell abgesegnet worden.

Das „Hamburger Bündnis gegen Rechts“, HBgR, das die Demo angemeldet hatte, kritisierte nicht etwa die Angriffe der Antideutschen, sondern ging in einer Pressemitteilung auf den antiimperialistischen Block los. Was wurde Ihnen da konkret vorgeworfen?

Das Bündnis
schreibt von »antisemitischen Äußerungen«. Als Begründung wird angegeben, dass
das genannte Transparent zwei Tage vor dem 80. Jahrestag der Novemberpogrome
von 1938 getragen und mit dem Slogan mutmaßlich »Agitation gegen den
Zufluchtsort von Jüdinnen und Juden« betrieben worden sei. Das ist eine perfide
ideologische Instrumentalisierung der Verbrechen deutscher Faschisten, um
Kritik an Israels rechter Regierung mundtot zu machen. Als Antifaschisten
solidarisieren wir uns mit linken Israelis, nicht mit Netanjahu.

Wie kommt es, dass das HBgR sich so eindeutig auf die Seite der Antideutschen schlägt, wer steht hinter dem Bündnis?

Entscheidend
ist, welche Politik das HBgR heute macht. Mit seiner Erklärung hat es sich
jedenfalls eindeutig positioniert.

In Hamburg schien der Konflikt mit Antideutschen zuletzt keine große Rolle mehr zu spielen. Kocht da wieder was hoch?

Dieser Eindruck
mag dadurch entstanden sein, dass viele dem Konflikt lieber aus dem Weg gehen.
Aber er ist nicht aus der Welt. Auch der »internationalistische Block« auf der
großen G-20-Demo im Sommer 2017 wurde als „antisemitisch“ attackiert.

In einer Stellungnahme haben mehrere Gruppen kritisiert, dass in der BRD an die Stelle kapitalismuskritischer Faschismusanalysen zunehmend bürgerliche Ideologiekritik, „Aufstand der Anständigen“ und Solidarität mit einer israelischen Rechtsregierung treten. Können Sie das ausführen?

Was heute in der BRD als Antifaschismus firmiert, ist in weiten Teilen eine
Verkürzung von Faschismus auf Naziideologien. Viele „Antifas“ verstehen
Faschismus nicht mehr als Form kapitalistischer Ausbeutung und bürgerlicher
Herrschaft. Die Rechtsentwicklung wird vorrangig als ein Problem des individuellen
Bewusstseins großer Bevölkerungsteile begriffen. So kann man dann „gegen Nazis“
aktiv sein, völlig kompatibel mit der deutschen Staatsräson und zusammen mit
Parteien, die durch ihre Wirtschafts- und Sozialpolitik zugunsten der oberen
Zehntausend und durch ihre Propaganda der Rechtsentwicklung erst den Boden
bereitet haben.