Thüringen nach der Wahl: Was nun Linkspartei?

Tobi Hansen, Neue Internationale 242, November 2019

Thüringen bildete den Abschluss der ostdeutschen
Landtagswahlen. Wenn auch in der Tendenz – Wachstum der AfD, Bestätigung der
Partei des Ministerpräsidenten als stärkster Kraft – ähnlich, entscheidet sich
das Ergebnis doch in einem wesentlichen Punkt. Während in den Landtagen von
Brandenburg und Sachsen die „Parteien der Mitte“ (noch) über eine absolute
Mehrheit verfügen, stellen in Thüringen Union, SPD, Grüne und FDP gemeinsam
weniger als die Hälfte der Abgeordneten.

Die beiden stimmenstärksten Parteien und Siegerinnen der
Wahlen vom 27. Oktober, Linkspartei und AfD, vereinen mehr als die Hälfte der
ParlamentarierInnen auf sich. Die bürgerliche „Mitte“ reagiert „geschockt“ und
verstört. In der „Mitte“, zwischen den beiden „Extremen“ AfD und Linkspartei,
ließe sich keine Regierung bilden.

Der Schock sitzt tief – diesmal vor allem bei der CDU. Dass
SPD und Grüne verloren, überrascht nach den Umfragen der letzten Wochen nicht
wirklich. Allein die Linkspartei vermochte diesmal die „Arbeit der
rot-rot-grünen Landesregierung“ und den Ministerpräsidentenbonus für sich zu
verbuchen, so dass sie an Stimmen und Abgeordneten sogar weiter zulegen konnte,
während ihre Koalitionspartnerinnen verloren. Sie erzielte 31 % (plus
2,8 %) und damit 29 Sitze im Landtag.

Die FDP schaffte mit 5 % knapp den Einzug in den
Landtag, was mit dazu beitrug, dass Rot-Rot-Grün über keine Mehrheit im Landtag
verfügt. Die Liberalen feierten diesen „Sieg“, als hätten sie ein politisches
Wunder vollbracht – ein Zeichen dafür, wie gering mancherorts die politischen
Erwartungen geworden sind.

Dramatisch sind die Ergebnisse der Parteien der Großen
Koalition. Die CDU verlor 11,7 % und sackte hinter Linkspartei und AfD mit
21,8 % auf Platz 3 ab. Die SPD fuhr eine weitere Schlappe ein und erreicht
gerade 8,2 %, ein Minus von 4,2% gegenüber dem letzten Urnengang.

Die Berliner Regierungsparteien kommen so auf 30 %, das
schlechteste Ergebnis der ehemaligen „Volksparteien“. Auch die Grünen schafften
nur 5,2 %.

Die AfD beendete die ostdeutschen Landtagswahlen
erwartungsgemäß. Wie in Brandenburg gelang es ihr, vor der CDU zu landen und
mit 23,4 % sich klar über der 20 %-Marke zu etablieren. Auch wenn für
Spitzenkandidat Höcke selbst die bürgerlichen Medien keinen Nazi-Vergleich
scheuten, gab sich dieser nach den Wahlen biedermännisch-brav und offen für
„bürgerliche“ Koalitionen mit der CDU. Im Wahlkampf vermied er weder Hinweise
auf Machtergreifung noch NS-Rhetorik, nach der Wahl gibt Höcke eher den „Wolf
im Schafspelz“.

Katastrophe für die Union

Bis 2014 regierte die CDU in Thüringen meist alleine,
manchmal in Koalition. Als Rot-Rot-Grün siegte, beschwor die Union den
Wiedereinzug von SED und Staatssicherheit in die Erfurter Staatskanzlei. Der
aktuelle CDU-Spitzenmann, Mohring, unterstützt auch die damalige rechten
„Fackelmärsche“.

Nach der Wahl und vor allem nach einer relativ
störungsfreien Regierung unter Bodo Ramelow in Thüringen, die nicht den
Verfassungsschutz abschaffte, sondern diesem neue Stellen zusicherte, ruderte
Mohring zurück. Für ihn scheint jetzt auch eine Zusammenarbeit mit der
Linkspartei denkbar, wenn auch nicht für seine Bundespartei. Dass gleichzeitig
der CDU-Fraktionsvize Heym eine Koalition mit AfD und FDP ins Spiel bringt, die
ebenfalls über eine Mehrheit im Landtag verfügen würde, verdeutlicht die tiefe
Krise der Union, die vor allem in den ostdeutschen Ländern von der AfD als
führende bürgerliche Kraft massiv herausgefordert wird. Während Mohring ganz
den Landespolitiker gibt, nach dem Motto: „Was hat Berlin uns schon gebracht?“,
z. B. beim Wahlkampf, beharrt der Bundesvorstand auf den geltenden
Beschlüssen, nämlich dass es weder mit der Linkspartei noch mit der AfD
Koalitionen geben dürfe.

Bundesvize Klöckner sieht gleich die CDU in der
Bedeutungslosigkeit versinken, sollten diese „Tabus“ gebrochen werden, wie auch
Carsten Linnemann die „Beliebigkeit“ verhindern will. Auch hier wird der
nahende Untergang befürchtet, zumindest das „Ende als Volkspartei“.

Während die Äußerungen führender VertreterInnen der
Linkspartei befürchten lassen, dass diese derzeit wahrscheinlich sogar
opportunistisch genug wäre, um mit der Union zu koalieren, zeigt die
aufkommende Debatte die unsichere Führungslage in der herrschenden bürgerlichen
Partei offen auf. Parteichefin und Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer
ist umstritten, ihre mögliche KanzlerInnenkandidatur wird ständig angezweifelt,
wie auch die mögliche Urwahl des/r KandidatIn ihre Rolle schwächt. Der
gescheiterte Kandidat Merz holte via Springer-Presse vor allem gegen Kanzlerin
Merkel aus. Diese führe zu wenig, die Große Koalition ruiniere das Land und er
könne sich schwer vorstellen, dass das noch 2 Jahre so weitergehen könne.
Sicher kennt er jemanden, der besser KanzlerIn kann, auch wenn ihm inzwischen
mit dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Laschet ein wichtiger
Konkurrent erwächst. Dies zeigt, dass der Fortbestand der „Großen Koalition“
eben nicht allein von der Entscheidung der SPD im Dezember abhängt, sondern
dass auch in der Union weitere Krisen und Brüche zu erwarten sind.

Dabei wird die Frage einer Koalition mit der AfD nur solange
ein Tabu bleiben, wie die Europastrategie des deutschen Kapitals und ihrer
wichtigsten Partei, der CDU/CSU, auf die Formierung der EU zu einem
imperialistischen Block zielt, der weltmachtfähig ist. Je mehr dieses Ziel
jedoch in die Ferne rückt, je mehr die EU und damit Deutschland hinter ihren
RivalInnen im Kampf um die Neuaufteilung der Welt zurückfallen, desto mehr
werden Teile des deutschen Kapitals auf eine aggressiv-nationalistische Lösung,
auf eine Alternative zur EU-Strategie drängen. Dann könnte die Stunde einer
Koalition mit der AfD als extrem nationalistischer, rechtspopulistischer Kraft
schlagen.

Die AfD hat in Thüringen nicht nur ihre Wahlerfolge
konsolidiert. Zweifellos verschoben sich die Kräfteverhältnisse in der Partei
auch weiter nach rechts, zugunsten des Flügels um ihren Spitzenkandidaten Höcke
und den „Flügel“, das lose Netzwerk extrem nationalistischer, völkischer bis
faschistischer Kräfte in der Partei. Am Parteitag in Braunschweig Ende
November/Anfang Dezember ist eine weitere Stärkung dieser, von AfD-Fraktions-
und Parteivorsitzendem Gauland politisch gedeckter Kräfte zu erwarten. Die
Frage ist zur Zeit nicht, ob der „Flügel“ stärker wird, sondern nur wie viel
und in welcher Form.

Letzter Ausweg Regierungsauftrag?

Für die Linkspartei dient ihr Spitzenergebnis gleich für
mehrere Unterfangen. Erstmal sonnt sich die aktuelle Spitze im Ergebnis „ihres“
Spitzenkandidaten und Ministerpräsidenten Ramelow. Damit wäre der Beweis für
die Regierungstauglichkeit der Partei auch praktisch erbracht. Sie leitet davon
gemäß den parlamentarischen Gepflogenheiten auch den Anspruch aufs
Weiterregieren ab. Gegen die verlogene Rhetorik der „geschrumpften Mitte“ setzt
die Linkspartei auch ihr Wahlergebnis ein. Sie will anhand ihrer
Regierungspolitik der letzten fünf Jahre – nicht ganz zu Unrecht – auch als
Teil der „Mitte der Gesellschaft“ anerkannt werden. Sie reklamiert für sich,
dass sie stärkste Kraft der „Demokratie“ wäre, die mit allen „DemokratInnen“ –
also allen außer der AfD – über Regierung, Koalition und Duldung sprechen will.

Wir wollen hier keine Kaffeesatzleserei betreiben. Aber die
Tatsache, dass sich die Linkspartei auch „offen“ für ein Bündnis, eine
Kooperation, eine Tolerierung mit und durch die CDU gibt, lässt Schlimmes
befürchten. Zwar hat Fraktionschef Bartsch erklärt, dass es entscheidende
Unterschiede zur Union gebe. Aber „Lösungen“ müssten auf Landesebene gefunden
werden – und dafür müsse die Linkspartei vor Ort „freie“ Hand haben.
Schließlich funktioniere eine Zusammenarbeit mit der CDU ohnedies schon lange
auf kommunaler Ebene.

Während die Diskussion darüber die CDU in eine tiefe Krise
stürzt, freut sich die Linkspartei als stärkste Kraft darüber, dass alle mit
ihr reden müssen, dass eine Koalition gegen die Partei kaum möglich ist. Dass
die CDU mit der Linkspartei sprechen wird, verbucht sie als „Erfolg“.

Hinsichtlich der vergangenen Legislaturperiode von 2014–2019
rühmt sich die Linkspartei, viele sozialpolitische Themen umgesetzt bzw. auf
den Weg gebracht zu haben. Sie habe versucht, eine Abkehr von der neoliberalen
Verwaltungspolitik auf Länderebene durchzusetzen. Dummerweise  war sie aber auch an die Durchführung
der übergeordneten Bundesgesetze gebunden, so dass der große Bruch mit der
restriktiven Budgetpolitik bislang ausblieb. Ein wie auch immer geartetes
Bündnis oder die Zusammenarbeit mit der Union würde auch die letzte Hoffnung
auf dieses Unterfangen begraben, vor allem bei einer Koalition zwischen den
beiden Parteien.

Eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung, Weiterführung der
alten Koalition, die von Union und/oder FDP toleriert würde, wäre praktisch
gelähmt. Selbst noch so geringfügige soziale Vorhaben könnten einfach blockiert
werden.

Der einzige Ausweg, dass sich eine Linkspartei geführte
Minderheitsregierung nicht auf Gedeih und Verderb an CDU, FDP oder auch die
Grünen bindet, bestünde darin, dass sie mit ihrer Parlamentsfixiertheit bricht,
auch wenn ein „Landesvater“ Bodo Ramelow als auf der Straße  kämpfender Ministerpräsident schwer
vorstellbar wäre. In jedem Fall müsste sich eine solche Minderheitsregierung,
die ohne Koalitionen mit offen bürgerlichen Parteien auskommen will, auf die
Mobilisierung der WählerInnen und AnhängerInnen der Partei stützen, vor allem
auf die sozialen Bewegungen wie Fridays for Future, auf antirassistische und
antifaschistische Kräfte und auf die Gewerkschaften. Immerhin haben lt. einer
Umfrage des DGB überdurchschnittlich viele Gewerkschaftsmitglieder
(36,5 %) Linkspartei gewählt, ein Zeichen dafür, dass die organisierte
ArbeiterInnenklasse von dieser Wahl durchaus reale Verbesserungen erwartet.

In jedem Fall würde eine solche Politik einen Bruch mit der
bisherigen Strategie und Programmatik der Linkspartei erfordern. Eine
Minderheitsregierung der Linkspartei wäre zwar selbst noch im Falle einer
Alleinregierung dieser Partei eine bürgerliche Regierung – aber die
Mobilisierung um konkrete Forderungen auf der Straße und in den Betrieben könnte
eine neue, fortschrittliche Dynamik in die Situation bringen.

Zweifellos ist diese Variante angesichts der Ausrichtung der
Linkspartei extrem unwahrscheinlich. Eine solche Politik hätte aber enorme
Vorteile, auch für den Fall, dass Ramelow und seine Partei von einer
parlamentarischen Mehrheit gestürzt würden. Für diese wäre es überaus
schwierig, selbst eine Regierung zu bilden. Genau diese instabile Situation,
die der Linkspartei als größtes aller Übel erscheint, könnte durch eine massive
Mobilisierung auf der Straße und in den Betrieben zu einer Chance werden,
Gegenmachtstrukturen aufzubauen, die anderen Parteien durch die
ArbeiterInnenklasse herauszufordern.

Wie gegen rechts?

Für die Linkspartei und ihre Führung ist es jedoch
bezeichnend, dass sich ihre Vorstellungen einzig auf das Feld parlamentarischer
Kombinationen beschränken.

In den „liberalen“ bürgerlichen Medien wie SPIEGEL,
Süddeutsche Zeitung oder Die Zeit wird die CDU ziemlich direkt aufgefordert,
ihre Hemmnisse gegenüber der Linkspartei abzulegen und irgendwie den
Ministerpräsidenten Ramelow zu halten. Anders die konservativen Medien wie die
Springer-Presse, die die „Radikalen“ als WahlsiegerInnen sehen, quasi Thüringen
verloren zwischen SozialistInnen und Nazis. Auch die berüchtigten „Weimarer
Verhältnisse“ werden bemüht. Eine Koalition mit den Linken wird als „Tabubruch“
betrachtet. Den liberalen Medien geht es praktisch um stabile Verhältnisse,
notfalls auch mit der Linkspartei. Schließlich weisen sie zu Recht darauf hin,
dass die Linkspartei längst nicht so „extrem“ ist, wie von FDP und CDU
beschworen, und fest auf dem Boden der bürgerlich-demokratischen Verhältnisse,
von Parlamentarismus und „sozialer“ Marktwirtschaft steht. Als eigentliche
Gefahr und die einzigen „ExtremistInnen“ gelten ihr – nicht so viel anders als
der Linkspartei und der gesamten demokratischen Öffentlichkeit – die Bösewichte
von der AfD.

Im Kampf gegen rechts stellt die Bindung an bürgerliche Parteien für die ArbeiterInnenklasse ein strategisches Hindernis dar. Ohne eine politische Anerkennung der bürgerlichen Ordnung, des Privateigentums sind solche Bündnisse und erst recht Regierungskoalitionen oder Duldungen nie zu haben. D. h. sie kommen praktisch einer offenen Unterordnung unter die Interessen der herrschenden Klasse gleich. Auch wenn das „Bündnis der Demokratie“ in Regierungsform auf den ersten Blick als eine Stärkung im Kampf gegen die AfD und ihre faschistischen Verbündeten erscheint, weil es noch mehr gesellschaftliche Kräfte und Klassen umfasst, so stellt es in Wirklichkeit eine Schwächung des Kampfes dar. Stärkung träte nur ein, wenn die Kräfte eines solchen Bündnisses in eine Richtung ziehen würden. Im besten Fall ziehen aber ArbeiterInnenklasse und Kapital in entgegengesetzte Richtungen, paralysieren sich also und entfalten daher keine Kraft im Kampf gegen rechts. Im schlimmsten Fall – und so läuft es bei Koalitionsregierungen von offen bürgerlichen und reformistischen Parteien immer – ordnen sich die VertreterInnen der Linken den bürgerlichen unter, stärken also nur deren gesellschaftliche Position und schwächen damit die ArbeiterInnenklasse. Dass 22 % der Gewerkschaftsmitglieder in Thüringen AfD gewählt haben, verdeutlicht das Problem und die Gefahr, dass sich noch mehr Lohnabhängigen dem Rechtspopulismus zuwenden, wenn Linkspartei, SPD und Gewerkschaften auch noch gemeinsame Sache mit CDU und/oder FPD machen.

Das wird in Krisensituation, bei scharfen sozialen
Konflikten, drohenden Massenentlassungen besonders fatal.
Völkisch-nationalistische und populistische Kräfte wie die AfD können sich umso
besser als VertreterInnen „des Volkes“ gegen die „demokratische“ Elite
inszenieren, womöglich garniert mit Rassismus, Antisemitismus und demagogischem
Anti-Kapitalismus.

Daher gilt es, an die Linkspartei in Thüringen die Forderung zu stellen: Keine Koalition mit CDU, FDP und Grünen! Schluss mit der Parlamentsfixiertheit! Mobilisierung für die Forderungen von Fridays for Future, für die sozialen Versprechungen der Partei wie kostenlose Kita-Plätze, für Mindestlohn, gegen rassistische und faschistische Aufmärsche, für den Stopp aller Abschiebungen!

Dieser Forderungen sollten Anti-KapitalistInnen in Thüringen
an die Linkspartei (wie auch an die Gewerkschaften und die Restbestände der
SPD) richten. Zugleich gilt aber auch für dieses Land: Der Reformismus – ob nun
mit Ramelow als Ministerpräsident, ob in der Opposition – selbst vermag keine
überzeugende, tragfähige Antwort auf die aktuelle politische Krise zu geben.
Die verschärfte gesellschaftliche Konfliktlage, die das Wahlergebnis auch zum
Ausdruck bringt, will er umschiffen, sich ihr zu stellen vermag er nicht. Dazu
bedarf es einer politischen Neuformierung, einer neuen revolutionären
ArbeiterInnenpartei.




Thüringen-Wahl: Mehr als „Bodo“ oder „Björn“?

Tobi Hansen, Neue Internationale 241, Oktober 2019

Am 27. Oktober wird in
Thüringen ein neuer Landtag gewählt – Abschluss der herbstlichen „ostdeutschen“
Landtagswahlen. Größere Überraschungen sind nicht zu erwarten.

Die AfD mit Flügel-Führer
Höcke wird sicher über 20 % landen. Unklar ist nur, ob sie vor der CDU liegen
wird. Seit Monaten liegt die Regierungspartei Linkspartei mit rund 28 % relativ
sicher auf Platz 1 der Umfragen. Sollte sie allerdings wie in den
vorhergehenden Wahlen diese Werte deutlich unterbieten, dann könnte sogar ein
„Dreikampf“ mit AfD und CDU entbrennen.

SPD und Grüne, beide
Regierungspartnerinnen von Ministerpräsident Ramelow, kämpfen jeweils um die 10
%. Für die Grünen wäre das Rekordergebnis, für die SPD womöglich ein weiterer,
wenn auch relativ unspektakulärer Tiefpunkt. Beide dürften allerdings ziemlich
bereitwillig für eine Fortsetzung von Rot-Rot-Grün zur Verfügung stehen. Die
FDP könnte auch in Thüringen an der 5-%-Hürde scheitern, wie auch von „Freien
Wählern“ oder der NPD zumindest in den Umfragen wenig zu sehen ist.

Personalisierung statt
Kampf

Die Linkspartei setzt
ganz auf den Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Dieser gilt als beliebter
„Landesvater“ und möchte, wie auch Woidke und Kretschmann zuvor, vom Amtsbonus
profitieren. Der thüringischen CDU stehen bei Platz 3 stürmische Zeiten bevor.
Schließlich regierte sie bis 2014 in Erfurt. Nach dem Amtsantritt des ersten
„roten“ Ministerpräsidenten traten CDU, AfD und „WutbürgerInnen“ schon mit
Fackeln bei Demos auf. Viele sahen SED und Stasi gar wieder an der Macht.

Fünf Jahre später rühmt
sich Rot-Rot-Grün, dass die Regierung immerhin gehalten habe. Dass sie als
normale, bürgerliche Sachwalterin die Regierungstauglichkeit bewiesen hat,
rechnet sich die Koalition hoch an. Auch die Linkspartei kommt mit ihrem
personalisierten Wahlkampf richtig „etabliert“ daher. „Nähe, Verlässlichkeit
und Offenheit“ verspricht Bodo vor thüringischem Wald und See vom Werbeplakat.
In der ländlichen Region wird angepackt und in der Stadt Offenheit gelebt. Bodo
ist besser für Thüringen, darauf konzentriert sich der Wahlkampf.

In Thüringen ist die
Welt, wenigstens im Linkspartei-Wahlkampf, noch in Ordnung. Beseelt von der
Gewissheit, dass nur DIE LINKE für sozialen Fortschritt stehe, scheint es keinen
sichtbaren Widerstand gegen die Regierungspolitik in der Landespartei zu geben.
So rühmt sich die Koalition, dass sie mehr in den öffentlichen Dienst
investiert habe. Während bei der Polizei aufgestockt wurde, fehlen auch 2019
350 LehrerInnen. Die Koalition würde außerdem etwas für die Tarifbindung der
Beschäftigten im Land tun. Die generelle Rechtfertigung von Rot-Rot-Grün
lautet, dass sie „Schritt für Schritt“ eine bessere Politik als die
CDU-geführten Landesregierungen umsetzen würde. Gemessen daran war die
Landesregierung bestimmt „erfolgreich“, was zum Teil sicher auch die guten
Umfragewerte der Linkspartei und das weitgehende Fehlen einer linken Opposition
erklärt.

Der andere Faktor für die
relative Stabilität der Koalition und ihre gar nicht so schlechten Aussichten
weiterzumachen besteht darin, dass sie als eine, wenn auch vor allem
parlamentarische Barriere gegen die AfD erscheint. Deren Thüringer Landespartei
gehört zweifellos zum Rechtesten, was Rassismus und Rechtspopulismus derzeit zu
bieten haben. Höcke darf nach dem letzten Gerichtsurteil sogar „offiziell“ als
Faschist bezeichnet werden. Die CDU unter Landeschef Mike Mohring hat zwar eine
Koalition mit der AfD ausgeschlossen, angeblich aber nicht mögliche
Sondierungen mit der Linkspartei, was die konservative WählerInnenschaft wohl
eher desorientierte. Somit kommt in Thüringen, anders als in allen anderen
Bundesländern, bislang die gesellschaftliche Polarisierung und der weiter
drohende Rechtsruck in den Umfragen der Linkspartei zugute – nicht weil sie für
Klassenkampf steht, sondern als verlässliche Garantin der bürgerlichen
Demokratie samt „sozialem Ausgleich“ erscheint.

Siegeszug der AfD

Auf die Dauer wird das
weder AfD noch Rechtsruck bremsen. Sollte die AfD um die 25 % erhalten und erneut
die CDU schlagen, werden Höcke und Co. ihre führende „patriotisch-bürgerliche
Volkspartei“ feiern, wohl wissend, dass genau diese ostdeutschen Landesverbände
derzeit einen qualitativen Sprung machen. In Thüringen wirbt die AfD etwas
zurückhaltender mit Rassismus und Hetze, stellt sich auch als Volkspartei dar,
die alle Probleme auf einmal löst, natürlich geführt vom richtigen
Volkskümmerer Höcke.

Dass dieser jetzt
offiziell als Faschist bezeichnet werden kann, ist der Hartnäckigkeit der MLPD
zu verdanken. Nach Schikanen gegen eine eigene Wahlkundgebung ging sie durch
alle juristischen Instanzen und bekamen schlussendlich Recht, den
AfD-Spitzenkandidaten Höcke als Faschisten bezeichnen zu dürfen. Das ändert
jedoch nichts daran, dass die AfD derzeit eben keine faschistische Partei ist,
wiewohl sich solche Elemente in der Partei tummeln. Sicher träumt Flügelführer
Höcke von einer AfD, die alle bürgerlichen Parteien unterwirft, am besten in
einer nationalistischen Sammlungsbewegung vereint und dadurch faschistischen
Kräften die Möglichkeit bietet, an Einfluss zu gewinnen. Diese stellen wie die
Zeitung „Sezession“ um das IfS (Institut für Staatspolitik) mit dem
ideologischen Kopf Kubitschek einer „Mosaik-Rechten“ neben Teilen der NPD
(speziell im Eichsfeld) und der „freien“ Kameradschaftsszene eine Basis für den
AfD-Flügel dar. Im Wahlkampf will die Partei aber vor allem genügend
LehrerInnen einstellen, den öffentlichen Nahverkehr ausbauen und die Wende
„sozial“ vollenden – natürlich ohne AusländerInnen. Der Rassismus darf
schließlich auch im „respektablen“ Wahlkampf nicht fehlen. Das Motto „Wende 2.0
– vollendet die Wende!“ soll der AfD helfen, tief in die bürgerlichen
WählerInnenschichten einzudringen.

Den Umfragewerten
schadete auch nicht, dass sich Höcke im ZDF-Interview als dünnhäutiges
„Sensibelchen“ präsentierte. Im Wahlkampf reicht zunächst das klassische
rechtspopulistische Motiv der „Umdrehung“ – sie sind gegen ihn (Höcke), wühlen
ihn persönlich auf und wollen ihn fertigmachen, weil der wahre Patriot für euch
alle kämpft.

Perspektive Linkspartei

Sollte Rot-Rot-Grün
wiedergewählt werden, hilft das vor allem der aktuellen
Linkspartei-Bundesführung. Sie sollte es dann bis zum nächsten regulären
Bundesparteitag 2020 schaffen.

Für diejenigen, die wie
in Brandenburg die Regierungsbeteiligung über alles hängen und dort enttäuscht
waren, dass sie diesmal nicht berücksichtigt wurden, bleibt die Linkspartei vor
allem die Regierungskraft des „kleineren Übels“. Als solche könnte schließlich
etwas bewirkt werden.

Dass die thüringische
Landesregierung gerade einen Winter lang die Abschiebungen ausgesetzt hat, um
diese danach „normal“ umzusetzen, verdeutlicht, dass eine solche Regierung eben
keine qualitativ andere Politik betreibt als eine „normale“ bürgerliche. Natürlich
hat die Koalition in Thüringen auch nichts an Hartz IV, nichts an Armutsrenten
geändert, sondern allenfalls etwas sozialer den kapitalistischen Normalzustand
verwaltet – das soll für Ramelow und Co. der „Wegweiser“ für eine mögliche
Bundesregierung sein. Darin findet er sich in trauter Einigkeit mit Wagenknecht
und Kühnert wieder, wie bei einer Veranstaltung der Sammlungsbewegung
„Aufstehen“ Berlin notiert wurde.

In Zeiten des weiteren
Aufstiegs der AfD versuchen sich die bürgerlichen ArbeiterInnenparteien
(Linkspartei und SPD) verzweifelt an die „Regierungsfähigkeit“ zu klammern.
Genau darüber verlieren sie nicht nur Stimmen an die AfD, sondern auch immer
mehr die Verankerung in der Klasse selbst. Die relative Stabilität der
Linkspartei in Thüringen stellt kein „Gegenmodell“ dar, sondern bloß eine
Momentaufnahme. Als Regierungskraft wird sie auch in der nächsten ökonomischen
Krise gezwungen sein, die Rechte und Errungenschaften ebendieser Klasse
anzugreifen. Wenn hier nicht mit dieser Methode und Praxis gebrochen wird, dann
kann auch die Bedeutungslosigkeit mittelfristig drohen.

Zweifellos werden viele
WählerInnen und Mitglieder der Linkspartei angesichts des Aufstiegs der AfD
„ihrer“ Partei die Treue halten, dieser als „kleinerer Übel“ oder
„Reformmodell“ ihre Stimme geben. Dass sie damit AfD und CDU in die Schranken
weisen wollen, ist nicht nur nachvollziehbar, sondern auch, für sich
betrachtet, ein richtiger Schritt. Aber es ist eine Illusion, dass Thüringen
eine „Ausnahme“ von einer allgemeinen bundesweiten Entwicklung darstellt. Wenn
wir eine wirkliche Alternative aufbauen wollen, so braucht es eine Politik des
Klassenkampfes, keine weichgespülte bürgerliche Koalitionspolitik.




Landtagswahlen: Blaue Augen für die Ministerpräsidenten – Katastrophe für die Linkspartei

Tobi Hansen, Neue Internationale 240, September 2019

Seit Wochen werden die
Wahlen in Brandenburg, Sachsen und am 27. Oktober in Thüringen ausschließlich
unter dem Gesichtspunkt diskutiert, ob die AfD stärkste Kraft werden kann. In
Sachsen und Brandenburg kann das nun beantwortet werden. Die AfD schaffte Platz
1 nicht, wurde aber dort mit großem Abstand jeweils zweitstärkste Partei.

Die sächsische CDU und
die Brandenburger SPD feiern, dass sie trotz enormer Verluste stärkste Kraft
geblieben sind und ohne sie keine Landesregierung gebildet werden kann. Das
soll „die Demokratie“ retten, für „stabile“ Verhältnisse sorgen und den
Anschein vermitteln, dass trotz enormer Wahlerfolge der AfD alles beim „Alten“
bleiben kann.

Bundespolitisch
verschafft dies der Großen Koalition zumindest den Spielraum, dass die
Regierung bis zum Dezember hält. Die CDU kann die Nachfolge von Merkel
vorbereiten. Die SPD-Regierungsbeteiligung hält bis zum Dezember, wo auf einem
Bundesparteitag „planmäßig“ neue Vorsitzende und Vorstand gewählt werden und
eine „Bilanz“ der Großen Koalition gezogen wird.

Das Ergebnis

Laut vorläufiger
amtlicher Hochrechnung haben die Parteien in  Sachsen folgendermaßen abgeschnitten: CDU 32,1 %
(-7,3), AfD 27,5 % (+ 17,8), Linkspartei 10,4 % (-8,5), Grüne
8,6 % (+2,9), SPD 7,7 % (-4,7), FDP 4,8 % (+1). Damit ist eine
Zweierkoalition augeschlossen. Die sog. Kenia-Koalition (CDU, Grüne,
SPD) erscheint als wahrscheinlichste Regierungsvariante.

In Brandenburg ergibt
sich folgendes Bild:
SPD 26,2 % (-5.7), AfD 23,5 (+11,3), CDU 15,6 % (-7,4),
Linkspartei 10,7 % (-7,9), Grüne 10,8 % (+4,6), BVB/FW (Brandenburger
Vereinigte Bürgerbewegung/Freie Wähler) 5,0 % (+2,3). Die FDP scheitert mit 4,1 %
am Einzug in den Landtag.

Hier wird die SPD zu
einer Dreierkoalition gezwungen sein. Als Alternativen stehen Rot-Rot-Grün
oder  „Kenia“ (mit CDU und Grünen)
zur Auswahl. Die Brandenburger CDU schloss zuvor selbst Koalitionen mit der Linkspartei
nicht aus (Novum!), also wird die SPD es sich aussuchen können.

AfD jubelt

Auch die Verfahrensfehler
bei der Listenaufstellung, die zur Beschränkung auf max. 30 Sitze über
Zweitstimmenanteil führten, vermochten die Partei angesichts von 15
Direktmandaten nicht zu schwächen. Die AfD hat ihr Ergebnis gegenüber den
letzten Landtagswahlen verdreifacht und nunmehr bei drei aufeinanderfolgenden
Wahlen (inkl. Bundestageswahl und Europawahl) über 25 % eingefahren.

Wie auch Spitzenkandidat
Kalbitz in Brandenburg gehört Urban zum nationalistischen „Flügel“ innerhalb
der AfD. Dieser wurde somit nun auch bundesweit weiter gestärkt.

Dass die tiefere
Verstrickung des Brandenburger Spitzenkandidaten Kalbitz in das faschistische
Milieu das Wahlergebnis ebenfalls nicht geschmälert hat, lässt auch in der
Bundespartei einige Auseinandersetzungen erwarten, insgesamt wohl aber eine
weitere Entwicklung nach rechts, insbesondere falls, was zu befürchten ist, die
Thüringer AfD unter Höcke im Oktober auch noch einen Wahlerfolg einfahren
sollte.

Zwei Entwicklungen der
AfD im Osten Deutschlands sind dabei entscheidend für den Wahlerfolg. Erstens
gelingt es, die kleinbürgerlichen Schichten äußerst stark zu mobilisieren. So
erhielt die AfD lt. Umfragen in Brandenburg 34 % der Stimmen unter den
„Selbstständigen“, in Sachsen immerhin auch 29 %. Sie konnte damit
eindeutig in klassische CDU- und FDP-WählerInnenschaft eindringen. Vor allem
bei den ehemaligen NichtwählerInnen mobilisierte sie mit Abstand die meisten
Stimmen. Erschreckend ist sicherlich der hohe Anteil an den „ArbeiterInnen“ –
in Brandenburg 44 %. Auch wenn das nicht mit der ArbeiterInnenklasse
gleichgesetzt werden darf und der Anteil unter den Angestellten mit 26 %
deutlich geringer ausfiel, so verdeutlicht es den Einbruch in lohnabhängige
Milieus. Sicherlich wurde das z. B. in Brandenburg noch einmal durch die
besondere Situation in der Lausitz angesichts des Ausstiegs aus der Braunkohle
verschärft. Jedenfalls hat die AfD in dieser Region einige Direktmandate
erobert.

Vor allem Angst vor
Veränderungen, die sozialen Abstieg bedeuten könnten, treibt alle
Bevölkerungsschichten um und an, dies sorgt für große Mobilisierung zur Wahl.

Dabei bilden Rassismus
und Chauvinismus quasi den gemeinsamen „Kitt“, der eigentlich gegensätzliche
soziale Lagen verbindet und die AfD als zweitbeste Vertretung „ostdeutscher
Interessen“ erscheinen lässt.
Mögen auch viele Menschen subjektiv sie aus „Protest” gewählt haben, so hat
sich dieser verfestigt und die “ProtestwählerInnen” lassen sich von Rassismus,
Zusammenarbeit mit offenen Nazis von der Wahl nicht abschrecken.

Das Zusammenwirken der kleinbürgerlichen Schichten mit weiteren rassistischen bis hin zu faschistischen Organisationen der „extremen Rechten“ wie NPD, Der III. Weg, Identitäre Bewegung, „Pro Chemnitz“, einer äußerst militanten „Hooligans gegen Salafisten/HOGESA“-Verankerung in diesen Bundesländern, einer „NS-Musikszene“ usw. zeigt die extrem gute lokale Aufstellung, die sich die AfD zunutze machen kann. Dadurch kann sie sich gemeinsam mit anderen rechten lokalen Kräften und MandatsträgerInnen als die Kraft des Volkes vor Ort darstellen.

Die AfD baut sich gerade in der ehemaligen DDR als
gesellschaftliche Kraft mit Massenanhang im kleinbürgerlich-reaktionären
Spektrum auf, die perspektivisch auch immer größeren Teilen des BürgerInnentums
und des Kapitals eine „verlässliche“ Machtalternative bieten will – von
BürgermeisterInnen in den Kommunen bis hin zur Beteiligung an
Landesregierungen.

Dies tut sie z. B.
mit dem Slogan „Vollendet die Wende“, „Wende 2.0“. Sicher bringt diese
Formulierung auch eine große gesellschaftliche Tragik zum Ausdruck. Die
Tatsache, dass sich 30 Jahre nach der kapitalistischen Restauration der DDR die
nationalistischen und faschistischen SchergInnen des Kapitals anschicken, die
Wende zu vollenden, ist selbst ein dramatischer Ausdruck der Niederlagen der
ostdeutschen ArbeiterInnenklasse wie des politischen Versagens von SPD und
Linkspartei.

Kandidat Kalbitz, der in
Athen schon mal die NS-Flagge hisste, begründete diesen Slogan mit der sozialen
Realität, nämlich den immer noch niedrigeren Rentenniveaus der Ostdeutschen.
Bevor „andere“ – gemeint sind MigrantInnen und Geflüchtete – Geld bekommen,
sollte doch erst mal die Rente angeglichen werden. So werden reale soziale
Skandale wie Altersarmut, Ungleichheit, das Abhängen ganzer Regionen
angesprochen. Dass Einkommen, Arbeitszeiten, Infrastruktur, Bildungs- und
Arbeitsmarktchancen auch 30 Jahre nach der Wende nicht angeglichen sind, hat
freilich die AfD nicht erfunden. Sie greift vielmehr diese Realität des
Kapitalismus auf und verbindet sie mit nationalistischer und rassistischer Hetze.
Dabei spielen ihr alle anderen Parteien mehr oder weniger willig in die Hände,
die die soziale Misere verharmlosen und Jahr für Jahr erklären, dass sie die
Lebensverhältnisse der Menschen doch verbessert hätten.

Dass die AfD-Wirtschafts-
und -Sozialpolitik eigentlich neoliberal bis auf die Knochen ist, dass sie die
öffentlichen Rentenkassen an Fonds verscherbeln will, spielt in ihrer
öffentlichen Wahrnehmung keine Rolle. Zum anderen kann die AfD einfach
darauf setzen, dass sie die “Systemparteien” – also allen anderen – ungestraft
einfach als „LügnerInnen” bezeichnet, selbst wenn sie einmal die Wahrheit sagen
sollten.

Die „Mitte”

Die Ergebnisse von CDU und SPD
und auch der Grünen blieben einigermaßen im Rahmen des Erwarteten. Die Parteien
der Großen Koalition sind mit einem blauen Auge davongekommen und können weiter
regieren. Sie rechnen „Erfolge” – Verteidigung der Ministerpräsidentenposten –
gegen Misserfolge (Verluste an Stimmen) auf.

Die gesamte
Mobilisierungskraft der kleinbürgerlichen wie lohnabhängigen Mittelschichten
drückt sich auch im Erfolg der Grünen, partiell auch der FDP und der BVB/FW
aus. Letzte haben sich vor allem auf Kosten der CDU behauptet. Die Grünen
wiederum haben unter der Jugend allgemein stark gewonnen (20 % der 18–24-Jährigen
in Sachsen, 27 % in Brandenburg). So konnten sie ihr historisch bestes
Ergebnis in den Bundesländern holen, auch wenn sie hinter den Umfragen noch
deutlich zurückblieben.

Somit können die Grünen
einmal eine SPD-geführte Regierung „retten“, das andere Mal die CDU. Das zeigt
auch ihre flexiblen Verwendungsmöglichkeiten für diesen bürgerlichen
Parlamentarismus als Zünglein an der Waage, gewissermaßen als „Ersatz“-FDP.

Klare Verliererin – die
Linkspartei

Dass der allgemeine
gesellschaftliche Rechtsruck der Linkspartei nicht einfach den Rücken stärkt,
stimmt sicher. Ebenso sorgen Regierungsbeteiligungen selten bis nie für gute
Wahlergebnisse. Doch die Ergebnisse vom 1. September können in beiden
Bundesländern nur als katastrophal bezeichnet werden. Bei gestiegener
Wahlbeteiligung halbierte sie sich in beiden Bundesländern. Dabei sind die
extremen Verluste in Brandenburg von 7,9 % angesichts der Politik der
Landesregierung noch einigermaßen nachvollziehbar. In Sachsen fielen sie jedoch
in der Opposition mit 8,5 % noch desaströser aus. Verloren hat die
Linkspartei vor allem an SPD, AfD und Grüne in Brandenburg, in Sachsen an alle
(vor allem CDU und AfD mit 24.000 bzw. 26.000 Stimmen). Hinzu kommt, dass die
Linkspartei trotz der deutlich gestiegenen Wahlbeteiligung kaum an Stimmen
zulegen konnte.

Während die Partei bis
zuletzt ihre Politik in Brandenburg schönredete, träumte der sächsische
Spitzenkandidat Gebhardt vor wenigen Tagen noch von Rot-Rot-Grün. Jetzt vereint
diese Möchtegern-Koalition in Sachsen ungefähr genau soviel Stimmen auf sich
wie die AfD.

Am Wahlabend zeigte sich
das Spitzenpersonal der Linken „betroffen“. Niederlagen in Bundesländern, in
denen die Partei stets um die Spitzenplätze konkurrierte, können auch zu
Zäsuren werden. In Brandenburg schaffte die Linkspartei nach einer verhunzten
„Regionalreform“, meist nur noch mit Postengeschacher und Skandälchen von sich
reden zu machen. Ansonsten blieb sie treue Vollstreckerin von Woidke und setzte
z. B. ein neues Polizeigesetz mit durch. In Sachsen versuchte Rico
Gebhardt, sich und die Linkspartei als Verteidigerin von Humanismus und
Liberalismus neu zu erfinden.

Weder konnte die äußerst
regierungserprobte Brandenburger Linkspartei die Renten angleichen noch Hartz
IV aus der Welt schaffen, geschweige denn dafür sorgen, dass sich militante
faschistische Kreise und Netzwerke nicht weiter ausbreiten. Ähnlich den
weiteren ostdeutschen Landesverbänden wurde brav mitregiert, kommunal auch mal
mit der CDU Übereinkunft erzielt. Die Linkspartei ist Verwalterin der
kapitalistischen Restauration geworden. Und sie wurde auch Opfer der eigenen
und ständig verbreiteten Illusionen in die reformistische Politik des
Mitregierens. Wer andauernd behauptet, dass die Politik einer „Reformregierung“
im Brandenburger Landtag die Verhältnisse wirklich verbessern und so zu einem
„Modell“ der sozialen Transformation werden könne, der braucht sich nicht zu
wundern, dass die WählerInnen irgendwann einmal den reformistischen Versprechen
nicht mehr Glauben schenken wollen.

Dementsprechend sinken
auch die Hoffnungen der WählerInnenschaft, dass diese Partei soziale Sicherheit
und vielleicht sogar Verbesserungen des Lebensstandards durchsetzen könnte –
die Realität programmiert die Wahlniederlage.

Beim Bundesparteitag 2020
wird ein neuer Vorstand gewählt. Objektiv könnten diese Niederlagen dem
Wagenknecht-Lager eher helfen und dem aktuellen Vorstand schaden. Sicherlich
wird die Linkspartei nun alles auf Ministerpräsident Ramelow in Thüringen
setzen.

Die Linkspartei hat längst
aufgehört, als quasi-automatischer Bezugspunkt für Sorgen um sozialen
Abstieg, Arbeitsplätze, Ungerechtigkeit für die ostdeutsche Bevölkerung zu
fungieren. Die Politik der Partei war dabei in den Jahren nach der Wende
sicherlich auch nicht so viel besser, wie heute ein verklärender Blick in die
Vergangenheit suggerieren möchte – aber die Partei verfügte damals (noch als
PDS) über stärkere Basis- und Vorfeldstrukturen, was ihr Image als
„Kümmerpartei“ begründete.

Während diese
gesellschaftliche Verankerung in großen Teilen der lohnabhängigen Bevölkerung
schwächer wurde, konnte sie weder unter der Jugend noch unter der betrieblichen
ArbeiterInnenklasse eine ähnliche Basis aufbauen. Klimapolitik blieb ihr gerade
in Brandenburg fremd, wo sie um die Braunkohle einen Eiertanz aufführt. Der
geringere gewerkschaftliche Organisationsgrad in Sachsen wie Brandenburg
bedeutet auch, dass es der AfD leichter fiel, in die ArbeiterInnenklasse
einzubrechen, was sich auch in den Stimmengewinnen der Rechten in Regionen mit
sinkender Bevölkerung zeigt. Aber auch die Tatsache, dass sich die Linkspartei
selbst nie um eine stärkere betriebliche und gewerkschaftliche Verankerung
bemühte, dass sie mehr auf die Gewinnung von (linken) BürokratInnen und
FunktionärInnen setzte, drückt sich jetzt in ihren schlechten Ergebnissen aus.

Angesichts dieser
Katastrophe fallen die ersten Erklärungen des Spitzenpersonals der Linkspartei
geradezu lächerlich aus, weil sie in rein konjunkturellen Fragen
(Ministerpräsidentenbonus) die Ursache für das Desaster suchen, nicht in der
parlamentsfixierten lahmen „Reformpolitik“ der Partei selbst.

Was tun?

In Brandenburg wäre es
wichtig, dass gegen eine erneute Regierungsbeteiligung mobilisiert wird. Eine
Fortsetzung der Beteiligung an Rot-Rot-Grün bringt der ArbeiterInnenklasse
nichts, für die Linkspartei wäre der weitere Niedergang vorprogrammiert – und
die AfD würde sich dabei als „die Opposition“ weiter profilieren.

Unsere kritische
Wahlunterstützung für die Linkspartei galt vor allem den WählerInnen und
AktivistInnen der sozialen, der klimapolitischen Bewegung, den
GewerkschafterInnen, wie auch der lokalen „Antifa“, damit sie sich gegen den
Rechtsruck organisieren. Dazu kann die Linkspartei ein „Mittel“ sein und dies
sollte auch bei Wahlen ausgedrückt werden.

Rund um die
Organisationen der ArbeiterInnenbewegung wie auch der sozialen Bewegungen, der
„Linken“ allgemein muss der gemeinsame Kampf gegen die Regierungen wie gegen
die AfD jetzt im Vordergrund stehen. Eine Linkspartei an der Regierung ist
dabei keine Hilfe, im Gegenteil.

Nach den Wahlerfolgen in
Sachsen und Brandenburg werden die AfD wie auch das faschistische Umfeld weiter
versuchen, die „Linke“ einzuschüchtern, „No-Go-Areas“ wie auch „national
befreite Zonen“ auszubauen. Darauf brauchen wir eine Antwort, müssen gemeinsam
mit den Geflüchteten und MigrantInnen unsere Wohngebiete gegen die AfD und
Fascho-Pest verteidigen.

Während die Aufspaltung
des bürgerlichen Lagers voranschreitet, verlieren auch die bürgerlichen
ArbeiterInnenparteien. In Ostdeutschland polarisiert die AfD diese Entwicklung
sowohl in kleinbürgerlichen Schichten wie auch in Teilen der
ArbeiterInnenklasse und rückt dem „Sieg“ bei einer Wahl immer näher.

Die bürgerlichen
ArbeiterInnenparteien SPD und Linkspartei vertiefen ihre strategische Krise,
die bei der SPD ein munteres Führungsquiz eröffnet hat. Beide starren auf den
Aufstieg der AfD wie das Kaninchen auf die Schlange, indem sie sich an ein
parlamentarisches Bündnis nach dem anderen klammern. Statt auf Mobilisierung
und Klassenkampf setzen sie – nicht nur die SPD, sondern auch weite Teile der
Linkspartei – auf ein Bündnis mit bürgerlichen „DemokratInnen“.

In Zeiten kommender
Wirtschaftskrisen, akuter Handelskriege, baldiger Restrukturierungen im
industriellen Sektor, Massenentlassungen und weiterer Prekarisierung der
sozialen Bedingungen, einer vertieften ökologischen Gesamtkrise bedeutet diese
Politik nichts anderes, als die Lohnabhängigen an eine Allianz mit den
„demokratischen“ VertreterInnen des Kapitals zu binden und der AfD-Demagogie in
die Hände zu spielen, dass sie als einzige „die einfachen Leute“ vertrete. Die
Lehre kann nur lauten: Schluss mit diese Politik!

Der Kampf gegen Rechts
darf dabei nicht auf den Kampf gegen die AfD beschränkt bleiben. Eine Linke,
eine ArbeiterInnenbewegung, die Hunderttausende Lohnabhängige von den rechten
DemagogInnen wieder gewinnen will, muss den Kampf gegen die soziale Misere, die
realen Missstände in Angriff nehmen. Dazu braucht es einen Kampf gegen
Billiglohn und Hartz IV, gegen weitere drohende Entlassungen, für ein
öffentliches Programm zum Ausbau der Infrastruktur, von Bildung,
Gesundheitswesen, ökologischer Erneuerung im Interesse der Lohnabhängigen,
kontrolliert von der ArbeiterInnenklasse und finanziert durch die Besteuerung
der Reichen – um nur einige Beispiele zu nennen. Kurzum, es braucht den
gemeinsamen Kampf der Linken, der Gewerkschaften wie aller
ArbeiterInnenorganisationen.

Angesicht der drohenden
Angriffe, und um gemeinsamen Widerstand zu entwickeln, brauchen wir
Aktionskonferenzen auch bundesweit, um den Kampf gegen Rechtsruck, AfD,
militante faschistische Gruppierungen und gegen die laufenden und drohenden
Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse und die Jugend, auf Arbeitsplätze und
unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu koordinieren.




#unteilbar in Dresden – 40.000 gegen rechts

Martin Suchanek, Infomail 1066, 25. August 2019

Massendemonstrationen beeindrucken durch Masse. Und die war gestern, am 24. August, in Dresden am Start. 40.000 Menschen waren dem Aufruf des Bündnisses #unteilbar gefolgt, um eine Woche vor den Landtagswahlen gegen den Rechtspopulismus der AfD wie den gesellschaftlichen und politischen Rechtsruck insgesamt zu demonstrieren.

Dutzende Trucks und Lautsprecherwagen zogen durch die Dresdner Innenstadt vom Neumarkt zur Cockerwiese, wo Abschlusskundgebung samt Konzert und Chill-Out stattfanden.

Die Trucks und Blöcke brachten im positiven Sinn die Breite und den Massencharakter der Mobilisierung zum Ausdruck. Allein das anti-rassistische Bündnis „Welcome United“ hatte 12 Lautsprecherwagen angemeldet. „Aufstehen gegen Rassismus“, zahlreiche ökologische Bündnisse, aber auch Gewerkschaften, attac, Linkspartei, SPD und Grüne waren mit größeren Blöcken vertreten.

Unter der „radikalen“ Linken war das anti-deutsch/anti-national
ausgerichtete Bündnis „Nationalismus ist keine Alternative“ am stärksten vertreten,
darüber hinaus aber auch zahlreiche andere Gruppierungen wie die MLPD, diverse
maoistische und stalinistische Organisationen.

Die Jugendorganisation REVOLUTION organisierte einen Block
im Klima-Block und mobilisierte gemeinsam mit anderen zum Streik von Fridays
for Future am 30. August, bei dem die Umweltfrage ebenso wie der Kampf gegen
den Rechtsruck thematisiert werden wird. ArbeiterInnenmacht und REVOLUTION waren
darüber hinaus mit einer Reihe von GenossInnen vertreten, die Zeitungen
verkauften und Flugblätter verteilten.

Den Erfolg der Demonstration machte aber zweifellos aus,
dass weit mehr Menschen mobilisiert wurden, als die verschiedenen Bündnisse,
unterstützenden Gruppierungen alleine auf die Straße gebracht hätten. Ein
großer Teil, vielleicht die Hälfte der TeilnehmerInnen, war keinen Blöcken
zugeordnet, sondern lief entweder zeitweilig in verschiedenen mit oder am Rande
der Demonstration. Neben Zehntausenden aus Dresden und Umgebung reisten auch
viele Menschen mit Sonderzügen, Bussen aus anderen Bundsländern oder mit dem
Regionalverkehr aus der Nähe an. So war die Regionalbahn gefüllt mit Menschen
aus sächsischen oder brandenburgischen Kleinstädten und ländlichen Regionen,
die bei #unteilbar aufmarschierten.

Konservative Reaktionen

Politisch drückt sich darin eine Polarisierung zwischen
rechts und links aus. Auf der einen Seite befinden sich nicht nur die AfD,
sondern auch CDU und FDP, auf der anderen die (vorgeblich) auf sozialen und
ökologischen Ausgleich bedachten Parteien von SPD, Grünen bis zur Linkspartei.
Kein Wunder also, dass neben den Parteivorsitzenden Kipping und Baerbock auch
Olaf Scholz an der Demonstration teilnahm.

Aufgrund der politischen Krise der reformistischen
ArbeiterInnenbewegung, der Gewerkschaften, aber auch der Schwäche der
„radikalen Linken“ drückt sich die Ablehnung von AfD und CDU in einer
klassenübergreifenden Allianz von links-bürgerlichen Grünen und reformistischen
Parteien wie SPD und Linkspartei aus, die ihrerseits eine ideologisch
dominierende Rolle in Bewegungen wie Seebrücke oder Fridays for Future spielen.

Diese Mobilisierung beunruhigt offenkundig nicht nur oder nicht einmal in erster Linie die AfD, sondern vor allem die CDU. Der sächsische Ministerpräsidenten Kretschmer ließ verlautbaren, dass er den DemonstrantInnen Respekt zolle. „Aber ich kann als CDU-Vorsitzender und Ministerpräsident nicht bei einer Veranstaltung dabei sein, bei der auch Kräfte wie die Antifa mit von der Partie sind.“ (https://www.mdr.de/sachsen/dresden/dresden-radebeul/bericht-unteilbar-100.html)

Außerdem vertrete #unteilbar vieles, das der Position der
CDU direkt entgegenstehe, z. B. die Haltung zum sächsischen Polizeigesetz
oder zur Seenotrettung. Schließlich fürchtet Kretschmer, dass ein
rot-rot-grünes Bündnis gegen die CDU geschmiedet werden könne (was Teile der
CDU mit einer „Öffnung“ zur AfD beantworten möchten).

Auch die FAZ zeigte sich über #unteilbar schon vor der Demonstration beunruhigt – und zwar nicht in erster Linie wegen „Rot-Rot-Grün“. Die Zivilgesellschaft – insbesondere SPD und Grüne – machten durch ihre Zusammenarbeit mit „LinksextremistInnen“ im Rahmen des Bündnisses AntikapitalistInnen und Verfassungsfeinde „salonfähig“. Die FAZ fürchtet, dass die mangelnde Distanzierung von „Linksextremen“ bei #unteilbar oder auch bei Fridays for Future Antikapitalismus oder gar Kommunismus wieder eine große Bühne liefern könnte. Sollten die AktivistInnen weiter von SPD und Linkspartei, aber auch von den Grünen z. B. an Regierung desillusioniert werden, könnten sie sich womöglich den „einfachen Rezepten“ der „Linksradikalen“ zuwenden, in Enteignung, Revolution und Planwirtschaft ihr Heil suchen.

Die Befürchtung der FAZ mag angesichts des vorherrschenden kleinbürgerlichen und reformistischen Bewusstseins in den Bewegungen auf den ersten Blick übertrieben erscheinen. Doch mitunter offenbart die Bourgeoisie (oder eines der führenden Blätter des deutschen Kapitals) durchaus eine gewisse Weitsicht, wenn es um mögliche Gefahren für ihr System und dessen Stabilität geht.

Hoffnungen und Aufgaben

Unmittelbar richten sich die Hoffnungen der Masse der
DemonstrantInnen, einschließlich eines großen Teils der von den aktuellen
Bewegungen mobilisierten Menschen, zweifellos auf eine Reform des Systems durch
einen „vernünftigen“, sozialen und ökologischen Umbau, durch eine
Wiederbelebung eines um Umweltfragen erweiterten Sozialkompromisses. Diese
Hoffnung wird noch zusätzlich dadurch genährt, dass sich bürgerliche PolitikerInnen
wie Merkel und Macron als „vernünftige“, die Menschen aller Klassen „mitnehmen“
wollende Alternative zu Trump und Johnson, zu Putin und Xi präsentieren.

Doch diese Schönwetterversprechen bürgerlicher
PolitikerInnen müssen in einer Zeit der unausgestandenen ökonomischen Krisen
und der immer schärferen Konkurrenz zwischen den Großmächten rasch an ihre
Grenzen stoßen. Selbst jede ernsthafte ökologische und soziale Reform erfordert
in Zeiten wie diesen Massenmobilisierungen und die Mittel des Klassenkampfes –
sie verlangt nicht nur Demonstrationen und alle möglichen „kreativen Aktionen“,
sondern vor allem auch politische Massenstreiks, die das Kapital dort treffen,
wo es weh tut – im Herzen der kapitalistischen Profitmacherei.

Die aktuelle politische und wirtschaftliche Entwicklung
selbst offenbart immer wieder die Schranken von Reformismus und
kleinbürgerlicher Politik. Menschen können so auch in Richtung
klassenpolitischer, revolutionärer Alternativen gedrängt werden – falls RevolutionärInnen
diese klar und deutlich formulieren.

Dazu ist es erstens notwendig, für ein über Demonstrationen
und symbolische Aktionen hinausgehendes Aktionsbündnis von
ArbeiterInnenorganisationen, Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und der
„radikalen“ Linken zu kämpfen. Gerade im Anschluss an die Aktionen von
#unteilbar, an den globalen Klimastreik, angesichts der drohenden Angriffe auf
die ArbeiterInnenklasse, weiteren Rassismus und Kriegsgefahr wäre eine
Aktionskonferenz ein Schritt, um die weitere Perspektive und Kampfschritte zu
diskutieren und festzulegen. Diese könnte zugleich auch ein Mittel sein, eine
drohende Umleitung der Bewegungen auf eine rein elektorale Scheinlösung – eine
Regierung aus Grünen, SPD und Linkspartei – wenigstens zu erschweren. Den
„radikalen“, anti-kapitalistischen Kräften käme die Aufgabe zu, gemeinsam die
Initiative zu einer solchen Aktionskonferenz zu ergreifen, um so überhaupt erst
Gewerkschaften oder andere Massenorganisationen zur Aktion zwingen zu können.

Zweitens muss angesichts der vorherrschenden klassenübergreifenden
Ausrichtung der Bewegung von RevolutionärInnen immer wieder die Klassenfrage
stark gemacht werden. Diese bedeutet sicher auch, dass ein stärkeres Gewicht auf
ökonomische, soziale und gewerkschaftliche Fragen gelegt werden muss – zumal
und gerade angesichts drohender Massenentlassungen im gesamten Bundesgebiet.

Doch revolutionäre Klassenpolitik geht weit darüber hinaus.
Sie muss als Politik begriffen werden, die sich gegen jede Form von Ausbeutung
und Unterdrückung richtet und deren Ziel im revolutionären Sturz des
Kapitalismus besteht – der notwendigen Voraussetzung für eine sozialistische
Umgestaltung aller Lebensbereichte. Eine solche Politik fällt nicht vom Himmel.
Sie bedarf eines klaren, revolutionären Aktionsprogramms und des Kampfes für
eine neue revolutionäre Partei und Internationale.




Kommunal- und Europawahlen in Sachsen: Eine letzte Warnung

REVOLUTION Sachsen, Neue Internationale 238, Juni 2019

Am 26. Mai waren auch in
Sachsen rund 3,3 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, nicht nur für das
EU-Parlament, sondern auch für die Kommunalwahlen ihre Stimmen abzugeben. Im vorläufigen
Endergebnis wird unmissverständlich deutlich, wovor wir schon lange warnen: Es
gibt einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Rechtsruck! Dieser äußert sich
nicht nur im Wahlsieg der RechtspopulistInnen in Ländern wie Frankreich,
Großbritannien und Italien, sondern schlägt sich auch im Ergebnis der „Alternative
für Deutschland“ (AfD) nieder und tritt am heftigsten in Sachsen zum Vorschein:
Die AfD ist in fast allen Landkreisen, in Chemnitz und fast auch in Dresden als
stärkste Kraft aus den Wahlen hervorgegangen. Lediglich im Vogtland und in
Zwickau schaffte es die CDU, den ersten Platz zu verteidigen. In Leipzig
konnten die Grünen die meisten Stimmen holen. In allen anderen Städten und
Gemeinden erhielt die AfD die meisten Stimmen und ließ die CDU erstmals hinter
sich.

Nach dem derzeitigen
Stand kommt die AfD bei der EU-Wahl insgesamt auf 25,3 % der Stimmen in
Sachsen und konnte somit ihr Ergebnis im Vergleich zu 2014 (10,1 %) mehr
als verdoppeln. Die CDU hingegen hat seit der letzten Europawahl 11,5 %
einbüßen müssen und kam damit gerade mal auf 23 %. Dahinter landete DIE
LINKE mit 11,7 % (-6,6 %). Die Grünen kamen auf 8,6 % und die
FDP konnte 4,7 % der Stimmen erreichen. Die SPD wurde ebenfalls abgestraft
und hat mit aktuell 8,6 % fast die Hälfte ihrer WählerInnen verloren (2014:
15,6 %). Die Satirepartei „Die Partei“ schaffte es auch in Sachsen, vor
allem von der Schwäche der Linken zu profitieren, und erzielte hier
bemerkenswerte 2,9 %.

Falls die AfD es schafft,
ihr derzeitiges Ergebnis zur Landtagswahl im September zu verteidigen, oder
schlimmstenfalls sogar noch zulegt, lässt sich eine Regierungsbildung durch CDU
und AfD nicht ausschließen. Um dies zu verhindern, müsste die CDU gemeinsam mit
den Grünen, der SPD und FDP eine Koalition eingehen, die jedoch knapp um die
Regierungsmehrheit bangen müsste. Unter Umständen würde notfalls DIE LINKE für
die nötige Mehrheit sorgen oder sogar eine Regierungsbeteiligung anbieten, um
sozusagen eine „Demokratische Allianz“ gegen die AfD zu bilden. Eine solche Koalition
würde zweifellos dem Image der AfD als einziger Anti-Establishment-Partei in
die Hände spielen und SPD und DIE LINKE durch den Ausverkauf der eigenen
sozialen Basis schaden. Ob die CDU sich überhaupt darauf einlassen würde, ist
allerdings ebenfalls fraglich. Es wäre auch denkbar, dass die CDU ihren
derzeitigen Kurs ändert und sich doch auf Gespräche mit der AfD einlässt,
welche zusammen eine stabilere Mehrheit im Landtag stellen könnten als die
erstgenannte Regierungsoption. Die Folgen einer CDU-AfD Koalition in Sachsen
wären schwerwiegend, gerade für uns Jugendliche und Menschen mit
Migrationshintergrund. Es ist nicht nur so, dass dann eine rechtspopulistische,
rassistische Partei mit in der Regierung säße und als stärkste Kraft womöglich sogar
den Ministerpräsidenten stellen würde. Die AfD leugnet außerdem offen den
Klimawandel, ist gerade in Sachsen eng mit faschistischen Strukturen und
militanten Neonazis vernetzt. Zudem gilt als Sachsen als einer ihrer rechtesten
Landesverbände. Neben einer Verschärfung der asylfeindlichen Politik und einer
zunehmend rassistisch aufgeheizten Stimmung können wir uns im Falle einer
CDU-AfD Koalition nach den Landtagswahlen auch auf Sozialkürzungen, den
weiteren Ausbau des Polizei- und Überwachungsstaates, die zunehmende
Einschränkung von Grundrechten und Kriminalisierung von Linken und der Fridays-for-Future-Bewegung
einstellen. Mit dem am 1. Januar 2020 in Kraft tretenden neuen Polizeigesetz
hätte eine solche Regierung auf alle Fälle ein großes Repertoire an Unterdrückungswerkzeugen
zur Hand. Es ist nicht übertrieben, davor zu warnen, dass gerade die
klimafeindliche und zu Teilen ultrarechte sächsische AfD insbesondere
antirassistische AktivistInnen, streikende SchülerInnen und linke Gruppen mit
harter Repression überziehen würde.

Daher ist es jetzt um so
wichtiger, Widerstand gegen die AfD zu organisieren und eine antirassistische
und soziale Bewegung gegen den Rechtsruck aufzubauen. Hierbei könnte die
aktuelle Fridays-for-Future-Bewegung einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie
auch offen gegen Rassismus und die AfD Stellung bezieht. Denn Umweltschutz
bedeutet Kampf dem Rechtsruck! Deshalb organisieren wir zum 28. Juni einen
antirassistischen Schul- und Unistreik. Unter dem Motto #FridayAgainstRacism
rufen wir vor allem die SchülerInnen, die sonst freitags gegen den Klimawandel
auf die Straße gehen, aber auch die Studierenden und Auszubildenden dazu auf,
an diesem Tag ein deutliches Signal gegen Rassismus, Neoliberalismus, Sexismus
und eine klimafeindliche Politik zu setzen. Wenn wir, statt im Unterricht oder
in den Hörsälen zu sitzen, vor der Landtagswahl unsere eigenen Positionen auf
die Straße tragen, können wir uns als Jugendliche Gehör verschaffen und ein
deutliches Zeichen gegen den Rechtsruck setzen. Hierzu müssen wir uns weiter
organisieren und vernetzen! Deshalb schreibt uns an, kommt zu unseren Treffen,
beteiligt euch an den Vorbereitungen, gründet an euren Schulen, in den
Betrieben und an den Unis Streikkomitees und lasst uns unmissverständlich klarmachen,
was wir Jugendlichen für eine Zukunft haben wollen: nämlich eine lebenswerte
ohne Rassismus, Abschiebungen und Sozialabbau. Eine Zukunft, in der
NS-Rhetorik, der Klimawandel und ein autoritärer Polizei- und Überwachungsstaat
der Vergangenheit angehören. Also eine Zukunft ohne Rechtspopulismus, eine
Zukunft ohne die AfD!

Get organized

  • 19. Juni, 17.00 Uhr, Dresden im Zentralwerk, Riesaer Str. 32, Seminarraum (1. Stock links): Diskussion „Umweltzerstörung & Rassismus“/ Streikvorbereitung
  • 28. Juni, 12.00 Uhr, am Goldenen Reiter: #FridayAgainstRacism – Schulstreik



Aufruf der SOAS-Community zum Protest gegen Gunnar Beck (AfD)

Erklärung der SOAS-Community vom 16. , Crisis SOAS, Infomail 1054, 17. Mai 2019

SOAS-Community verurteilt Gunnar Becks
Kandidatur für die AfD aufs Schärfste und empfindet die Stellungnahme des
Universitätsmanagements als unzureichend.

Als Mitglieder der SOAS-Community —
Studierende, ArbeiterInnen und akademisches Personal — lehnen wir die reaktionären
Ansichten von Gunnar Beck und seine Kandidatur für das Europäische Parlament
als Mitglied der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD)
vehement ab und fordern seine schnellstmögliche Entlassung von der SOAS. Gunnar
Beck ist Dozent (eingestellt als “reader in law”) an der juristischen Fakultät
der SOAS und lehrt hier seit 2005 Europarecht und Rechtstheorie. Seit 2014 ist
er Mitglied der AfD.

SOAS versteht sich als eine offene
Gemeinschaft vieler Nationalitäten, Religionen, Sprachen und Kulturen sowie
sexueller und geschlechtlicher Identitäten. Die AfD fördert aktiv Hass,
Stigmatisierung und Gewalt, die gegen Mitglieder unserer Gemeinschaft gerichtet
sind. Wir finden es inakzeptabel, dass die Universität Personen beschäftigt,
die diese Agenda befürworten und unterstützen. Gunnar Becks Entscheidung, diese
Partei als Kandidat für das Europaparlament zu vertreten, ist ein Affront gegen
das, wofür wir als Mitglieder der SOAS-Gemeinschaft stehen. Das wollen und können
wir nicht hinnehmen.

Im Laufe seiner Zeit an der Universität haben
Studierende immer wieder Vorwürfe gegen Gunnar Beck erhoben, die im Zuge des
Bekanntwerdens seiner Kandidatur für die AfD erneut ans Licht kamen. Die
Universität hat es versäumt, auf diese Beschwerden zu reagieren.

Die vom Universitätsmanagement veröffentlichte
Stellungnahme zu seiner Kandidatur distanziert sich von Becks Ansichten, geht
aber nicht weit genug. SOAS hat sich mit ihrer Gesamtstrategie “Decolonising
the Curriculum” dazu verpflichtet, ein Umfeld zu schaffen, das frei von
Rassismus, Sexismus und anderen diskriminierenden Verhaltensweisen ist.

Wir erwarten, dass SOAS diesem selbst
gesetzten Ziel gerecht wird und sich konsequent gegen Rassismus, Sexismus und
Faschismus ausspricht. Wir fordern daher, Becks rechtspopulistische Politik
nicht weiter unter dem Deckmantel der akademischen Meinungsfreiheit zuzulassen
und stattdessen eine sofortige Überprüfung seiner weiteren Beschäftigung
einzuleiten. Es gibt Präzedenzfälle im britischen Hochschulsektor für die
Entlassung von AkademikerInnen, die rassistische Ansichten vertreten, zuletzt
mit dem Eugeniker Noah Carl in Cambridge. Beck und andere, die solche und ähnliche
Ansichten unterstützen, sollten weder eine Plattform noch universitäre
Ressourcen erhalten, um ihre rechtspopulistische Agenda voranzutreiben.

Morgen, am Freitag, den 17. Mai, um 14:00 Uhr,
treffen sich Studierende, ArbeiterInnen und akademisches Personal vor dem
SOAS-Hauptgebäude, um gegen die weitere Beschäftigung Becks an der SOAS und die
unhaltbare Reaktion des SOAS-Managements zu protestieren. Wir laden UnterstützerInnen
und MedienvertreterInnen ein, sich unserem Protest anzuschließen.




Solidarität mit den Studierenden der SOAS London!

Georg Ismael/Martin Suchanek, Infomail 1054, 16. Mai 2019

Die AfD fällt durch ihre rassistische Hetze offenkundig
nicht nur in Deutschland auf. Gunnar Beck, AfD-Kandidat zu den Europawahlen,
unterrichtet seit Jahren Rechtswissenschaft an der Londoner SOAS (School of
Oriental and African Studies) und verbreitet dort reaktionäre, rassistische und
geschichtsrevisionistische Positionen.

Hoffentlich nicht mehr lange! Eine Versammlung der Studierenden an der SOAS forderte am 16. Mai, Beck mit sofortiger Wirkung die Lehrbefugnis zu entziehen. Am Freitag, dem 17. Mai soll diesem Beschluss durch eine öffentliche Kundgebung unter dem Titel „Cancel Gunnar Beck: Far-Right out of SOAS“ Nachdruck verliehen werden. Die Universitätsleitung hat sich zwar von Becks politischen Ansichten distanziert, hält aber an seiner Anstellung im Namen der „Freiheit der Wissenschaft“ fest.

Wessen Freiheit?

Diese Freiheit besteht anscheinend darin, dass Beck in
seinem Blog endlose geschichtsrevisionistische Litaneien von sich gibt, Kohl
und Merkel des „deutschen Selbsthasses“ bezichtigt. Wie so viele seiner
„KameradInnen“ will er einen rechten Schlussstrich unter die „ständige
Diskussion“ über Deutschlands Vergangenheit ziehen. Wie viele aus dem rechten
Lager fantasiert er über die „Einschränkung der Redefreiheit“ von RassistInnen,
BestsellerautorInnen und Dauergästen in Talkshows wie Sarrazin, die nur auf die
„erschreckend geringe Geburtenrate“ der Deutschen hingewiesen hätten.

Zu Recht hält die Vollversammlung der Studierenden fest,
dass Becks  rassistische und rechte
Gesinnung sowie die Unterstützung für eine Partei, die mit FaschistInnen und
rassistischen SchlägerInnen zusammenarbeitet, nichts mit Meinungsfreiheit zu
tun hat. Ihr Beschluss verweist nicht nur auf seine Gesinnung, sondern auch auf
wiederholte chauvinistische, sexistische und rassistische Bemerkungen und
verbale Übergriffe Becks gegenüber Studierenden, insbesondere solche aus
halb-kolonialen Ländern, religiöse, ethnische und nationale Minderheiten.
Einzig die bürokratischen Prozeduren der Universität verhinderten, dass sich
Beck schon früher verantworten musste.

Es ist höchste Zeit, dass der Rechtspopulist Gunnar Beck Studierende mit seinem reaktionären Mist und rassistischen Pöbeleien nicht länger belästigen darf. Bezeichnenderweise erlangte der „Fall Beck“ jedoch aus einem anderen Grund öffentliche Aufmerksamkeit. Der Rechtswissenschafter nimmt es nämlich, wie die AfD in Sachen Parteienfinanzierung, selbst nicht so genau mit dem Recht, wenn es um die Zwecke des eigenen Ladens geht. Im Wahlkampfmaterial zur Europawahl präsentierte sich Beck als „Professor“ an der SOAS und als „Fachanwalt für Europarecht“. Er ist, wie ein Beitrag des Deutschlandfunks belegt, weder das eine noch das andere. Den Titel „Fachanwalt für Europarecht“ gibt es gar nicht. An der SOAS ist Beck als „Reader in Law“ beschäftigt, was in etwa einem/r DozentIn in Deutschland entspricht.

Natürlich regt sich Beck über die angebliche Hetze auf, die antirassistische Studierende und Beschäftigte an der SOAS gegen ihn veranstalten würden. Dabei hat die AfD noch vor wenigen Monaten zur Denunziation linker und antirassistischer LehrerInnen aufgerufen und Beschwerdeportale online gestellt. Das war für den Nationalisten offenkundig in Ordnung, ging es doch bei den Denunziationsplattformen darum, „vaterlandslose“ LehrerInnen an den Pranger zu stellen. Jetzt inszeniert sich Beck als „Opfer“.

Out!

Dass die Leitung der SOAS angesichts der Forderungen der
Studierenden rumeiert und letztlich einen Rassisten entgegen der Interessen der
Studierenden, Beschäftigten und des restlichen Lehrpersonals verteidigt, wirft
auch ein bezeichnendes Bild auf die bürgerliche Wissenschaft. Während
z. B. DozentInnen, LektorInnen und Studierende, die sich für die
BDS-Kampagne und das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes
einsetzen, mit dem Rausschmiss aus Unis bedroht werden, während Linke, die sich
mit Befreiungsbewegungen solidarisieren, als „undemokratisch“ gebrandmarkt
werden, müsse rechte Hetze als Bestandteil der „Freiheit“ hingenommen werden.
Dieser Doppelstandard verweist nur darauf, welchem Klasseninteresse die
bürgerlichen Universitäten, selbst wenn sie sich zur Zeit als
„antikolonialistisch“ präsentieren, letztlich verpflichtet sind.

Dies wird umso deutlicher, wenn man bedenkt, dass die SOAS
aktuell unter dem „Sachzwang“ der zunehmenden Privatisierung und
Neoliberalisierung der Bildung massive Kürzungen durchführt, die die
Arbeitsplätze etlicher Beschäftigter bedrohen. Diese fallen natürlich nicht
unter den Schutz der Meinungsfreiheit, wenn es nach dem Management der
Universität geht. Sie sind einfach nur zu teuer.

In Wirklichkeit gibt es kein Recht auf Rassismus im Namen
der Meinungsfreiheit oder der Wissenschaft – jedenfalls nicht für alle jene,
die gegen Rassismus, Chauvinismus, Nationalismus und Faschismus kämpfen!

Dass die Studierenden die Entlassung von Gunnar Beck
fordern, ist also kein Angriff auf die Meinungsfreiheit. Sie dient vielmehr dem
Schutz derer, die an der Universität lehren und lernen. Sie bringt die
Solidarität mit den Geflüchteten zum Ausdruck, die im Mittelmeer sterben, mit
den SüdeuropäerInnen, die unter den von Deutschland zu verantwortenden
Spardiktaten leiden, und mit ArbeiterInnenbewegung, gegen die sich das „Sozial“-Programm
der AfD richtet.

Die Umstände an der SOAS und die Erfahrung mit
Denunziationskampagnen der AfD zeigen aber ein Weiteres auf. Wer an Schulen und
Universitäten lehren kann, wer eingestellt und gefeuert wird, sollte nicht in
den Händen des Managements oder des Staates liegen, der sich bei jeder
Gelegenheit gegen linke AktivistInnen richtet, aber rechte HetzerInnen schützt.
Die Studierenden, Lehrenden, weiteren Beschäftigten und ihre Gewerkschaft(en)
sollen entscheiden, ob rassistische BrandstifterInnen an ihrer Uni lehren
sollen oder nicht.

Wir solidarisieren uns mit den Studierenden der SOAS und
deren antirassistischen Aktionen! Die Studierenden, Studierendenparlamente,
Asten und die Gewerkschaften an den Universitäten (v. a. GEW und ver.di) fordern
wir auf, den Kampf an der SOAS zu unterstützen und auch an deutschen
Lehreinrichtungen eine Gegenoffensive gegen die AfD zu starten.




Landtagswahlen und Rechtsruck in Sachsen

REVOLUTION Dresden, Neue Internationale 236, April 2019

In Sachsen
stehen am 1. September die Landtagswahlen an. Die Umfragewerte für die AfD
(derzeitig  rund 24 %), die
ständig stattfindenden rassistischen Aufmärsche und Übergriffe machen eins
deutlich: Der Rechtsruck schreitet in immer größeren Schritten voran und äußert
sich immer mehr auch auf der Straße wie beispielsweise in den Mobilisierungen
der rechten und faschistischen Kräfte in Chemnitz letztes Jahr. Die Linke
befindet sich immer noch in der Defensive oder ist gar passive Zuschauerin. In
Chemnitz haben FaschistInnen ihr wahres Gesicht gezeigt: Menschen, die dem „deutschen“
Bild nicht entsprachen oder vermeintlich links aussahen, wurden gejagt und
zusammengeschlagen. Die Linke war vor Ort in der Unterzahl und konnte somit den
Rechtsextremen nicht ansatzweise den öffentlichen Raum streitig machen. Auch
rechtsradikale Strukturen wie „Der III. Weg“ und die „Identitäre Bewegung“
profitieren vom Rechtsruck und werden immer selbstbewusster, treten offen auf
und suchen den Schulterschluss mit der AfD.

AfD und andere
Rechte

Es besteht die
Gefahr, dass die AfD nach den kommenden Landtagswahlen stärkste Fraktion im
Landtag wird. Unter Umständen wird sie dann mit der CDU gemeinsam eine
Regierung bilden. Sofern Christdemokratie, FDP, Grüne und SPD gemeinsam keine
Mehrheit erreichen, könnte erstere mit der AfD koalieren. Doch egal ob eine
CDU-AfD-Regierung zustande kommt oder nicht, die AfD wird die CDU weiter nach rechts
drängen. Die Folgen davon werden schwerwiegend sein. Schon jetzt wird im
Kabinett das neue Polizeigesetz (PVDG) diskutiert und es soll noch im April vom
Landtag verabschiedet werden. Nach den Wahlen werden mit Sicherheit weitere
repressive Gesetze und der Ausbau des Überwachungs- und Sicherheitsapparates
folgen. Der alltägliche und staatliche Rassismus wird noch offener zutage
treten usw.

Zudem ist die
AfD nicht die einzige Partei, die rechts von der seit über 25 Jahren
regierenden CDU steht und zu den Landtagswahlen antritt. Neben der Rechtsabspaltung
von André Poggenburg, der Partei „Aufbruch deutscher Patrioten“ (AdP), will
sich auch die neu gegründete Partei von Frauke Petry („Die blaue Partei“ bzw. „Die
Blauen“), welche sich selbst als rechts von FDP und CDU, aber links von der AfD
stehend beschreibt, zur Landtagswahl antreten. Beide Parteien rechnen sich gute
Chancen aus, über die 5 %-Hürde zu kommen. Außerdem tritt noch die NPD an,
womit sich demnach insgesamt vier rechts von der CDU stehende Parteien zu den
Wahlen aufstellen lassen. Inwieweit und ob die Abspaltungen der AfD in Sachsen
überhaupt eine relevante Rolle bei den Landtagswahlen spielen werden, ist
fraglich. Es wäre auch denkbar, dass sich die neue Partei Poggenburgs zum
Sammelbecken für rechtsradikale und faschistische Kräfte entwickelt. Ob die
Abspaltungen der AfD nach den Landtagswahlen überhaupt noch eine Perspektive
haben werden oder ob sie genauso wie die liberal-konservative Partei von Bernd
Lucke (Liberal-Konservative Reformer/LKR, bis 2016: Allianz für Fortschritt und
Aufbruch/ALFA) in der Bedeutungslosigkeit verschwinden, wird sich zeigen. Klar
ist jedoch, dass die AfD trotz ihrer internen Zerstrittenheit und ihrer
geschwächten Position infolge der Spaltungen nach wie vor die größte rechte Gefahr
für die Werktätigen und die organisierte Linke darstellt.

Wie kämpfen?

Um gegen den
Rechtsruck und die AfD anzukämpfen, braucht es eine breit aufgestellte,
schlagkräftige linke Bewegung. Hierbei könnte die Partei DIE LINKE mit ihrer
Basis und ihren Mitteln eine entscheidende Rolle spielen. Jedoch ist deren Führung
bisher nicht darauf aus, ihre Partei darauf vorzubereiten, diese Rolle
einzunehmen. Ganz im Gegenteil: Linke Spitzenkandidaten wie Rico Gebhardt begreifen
die eigene Partei nur als „letzte Bastion des Humanismus“ und Teil von
„Bürgerbündnissen“. Sie negieren jeglichen Klassenbezug des Kampfes gegen
rechts – und damit auch die nötigen Schritte, um eine antifaschistische bzw.
antirassistische Einheitsfront und die ArbeiterInnenbewegung wieder aufzubauen
und gegen den Rechtsruck in Stellung zu bringen. Dies spielt letztlich der AfD
weiter in die Hände.

Darum muss es
unsere dringendste Aufgabe sein, mit allen Mitteln und Möglichkeiten diesen
Rechtsruck und den Siegeszug der Rechten, insbesondere den der AfD,
aufzuhalten. Dabei dürfen wir uns nicht auf andere linke Organisationen, wie
reformistische Parteien und deren opportunistische Führungen verlassen. Diese
haben dem Rechtsruck bisher nichts effektiv entgegensetzen können und werden
auch zukünftig die ArbeiterInnenbewegung und den antirassistischen Kampf in
eine Sackgasse führen.

Aber zugleich
ist es notwendig, die Mitglieder, UnterstützerInnen und WählerInnen der
Gewerkschaften, von Linkspartei und auch der SPD für den gemeinsamen Kampf
gegen Rassismus, Faschismus und Rechtspopulismus zu gewinnen. Ohne diese
ArbeiterInnen und Jugendlichen fehlen uns schlichtweg die Kräfte, der AfD, den
anderen rechten Parteien oder Pegida wirksam und erfolgreich entgegenzutreten.

Wir als
revolutionäre, kommunistische Jugendorganisation müssen klare antifaschistische
und antirassistische Positionen beziehen und alles tun, um eine Einheitsfront
aller linken Gruppen und der Organisationen der ArbeiterInnenklasse gegen den
Rechtsruck aufzubauen. Wir müssen die SchülerInnen in den Schulen, die
Jugendlichen in den Ausbildungsstätten und Universitäten organisieren, denn sie
sind oft diejenigen, die am entschlossensten gegen Rassismus und Faschismus
kämpfen wollen. Sie sind zumeist noch nicht durch das System und die bürgerliche
Propaganda korrumpiert worden und mögen nicht tatenlos zuschauen, wie sie in
Zukunft von RassistInnen (oder gar FaschistInnen) im Nadelstreifen regiert
werden. Darum arbeiten wir in Sachsen derzeitig aktiv mit anderen Jugendlichen
an der Durchführung einer gemeinsamen antirassistischen Kampagne. Unser Ziel
ist es, durch Aktionen, Kundgebungen, Veranstaltungen u. v. m. vor
allem SchülerInnen zu erreichen und bei der Selbstorganisation in den Schulen
zu unterstützen. Der Höhepunkt unserer Kampagne soll ein Schulstreik Ende Juni
werden. Wir wollen versuchen, dabei alle interessierten Jugendlichen und linken
Gruppen, die ebenfalls die Notwendigkeit des Aufbaus einer antirassistischen
Aktionseinheit erkennen, mit einzubeziehen.

Am 1. Mai will
die NPD in Dresden aufmarschieren. Wir befinden uns derzeit mit anderen
Jugendlichen und linken Jugendorganisationen in der Planung und im Austausch
darüber, wie wir es schaffen, uns den FaschistInnen in den Weg zu stellen und
dabei gleichzeitig auch unsere eigenen Inhalte und Positionen auf die Straße zu
tragen. Aktuell steht daher die Anmeldung einer Demonstration an, die vom
„Picknick“ der Partei DIE LINKE zum Gewerkschaftshaus führen soll. Wir wollen
dabei insbesondere jene Jugendlichen und ArbeiterInnen erreichen, denen es
nicht ausreicht, Würstchen zu essen, während die FaschistInnen der NPD
versuchen, uns unseren Tag zu nehmen. Wir werden uns im Anschluss an unsere
Demonstration den Aktivitäten gegen den Naziaufmarsch anschließen und deutlich
machen, dass der Erste Mai, der Kampftag der Arbeiter und Arbeiterinnen, rot
bleibt!




Mangelnde Mobilisierung und schlechte Organisation – Gegenprotest zum AfD-Parteitag in Riesa

REVOLUTION Sachsen, Infomail 1038, 15. Januar 2019

In der
sächsischen Kleinstadt Riesa fand vom 11.1.–14.1. der AfD-Parteitag statt, bei
dem es hauptsächlich um die Europawahlen ging. Die neoliberale, rassistische
Partei wählte hier ihre KandidatInnen, diskutierte über den so genannten Dexit
und die Wiedereinführung der D-Mark. Weiterhin gab es natürlich Diskussionen über
ihr Programm.

Gerade
hinsichtlich des Dexit gab es verschiedene Auffassungen: So will beispielsweise
Gauland lieber andere „brüsselkritische“ Parteien in Europa vernetzen, was
nichts anderes heißt, als ein rechtes Netzwerk europäischer Parteien
aufzubauen, und dann versuchen, die EU zu reformieren. Andere wiederum wollen
den ursprünglichen Anti-EU-Kurs der AfD noch weiter nationalistisch zuspitzen.

Natürlich gab es
auch Gegenproteste, an welchen sich ca. 1.000 Menschen beteiligten, unter
anderem die Jugendorganisation REVOLUTION. Organisiert wurde er vom Bündnis „Aufstehen
gegen Rassismus“. Der Frontblock, in welchem auch REVOLUTION mitlief, war an
sich relativ laut und kraftvoll, jedoch gab es sehr viele Bestrebungen, die
Demo eher bunt und fröhlich zu gestalten, als kämpferisch und organisiert zu wirken.
Nach einer ca. halbstündigen Demonstration kam der Zug bei der Sachsen-Arena
an, dem Veranstaltungsort. Hier kam es zu unterschiedlichen Vorfällen seitens einiger
AfD-Mitglieder und -SympathisantInnen. Es wurde mindestens zwei Mal der Hitlergruß
gezeigt. Hier zerstreute sich auch der Protest. Es gab sehr viele Redebeiträge
und den Aufruf, die Provokationen der Rechten oder von Nazis zu ignorieren und
stattdessen lieber zur Technomusik vom Dresdner Tolerave zu tanzen. Nach ca.
einer Stunde folgte es auch noch die Meldung, dass im nahe gelegenen Beucha ein
Fackelmarsch von FaschistInnen inklusive eines Angriffes auf ein
Geflüchtetenheim geplant sei. Daraufhin machten sich einige
GegendemonstrantInnen auf den Weg dahin und die Gegendemonstration in Riesa wurde
immer kleiner. Aufgrund des Regens und der seit Stunden andauernden Reden
verschwanden weitere TeilnehmerInnen in Richtung Bahnhof, weshalb der Protest
immer deutlicher an Schlagkraft verlor.

Warum so wenige
Menschen an der Gegendemo teilnahmen, hat mehrere Gründe. Erstens wurde
anscheinend hauptsächlich in Sachsens größeren Städten (Leipzig, Dresden,
Chemnitz) und Berlin mobilisiert. Das ist insofern ein großer Fehler, da die
AfD und der Rechtsruck nicht nur ein sächsisches Problem darstellen und es natürlich
auch in anderen Städten Potentiale der Mobilisierung gibt. Zweitens fand an
diesem Wochenende am 13. Januar in Berlin die traditionelle LL-Demo statt,
weswegen viele Organisationen, die eher kommunistisch ausgerichtet sind,
hauptsächlich dahin mobilisierten. Des Weiteren war der Protest – wie bereits
beschrieben – eher kleinbürgerlich ausgerichtet, was vor allem kämpferischere
und radikalere Kräfte sowie Jugendliche abhielt zu kommen. Gerade hinsichtlich
der Landtagswahlen am 1. September in Sachsen, bei denen die AfD stärkste Kraft
werden könnte, ist es umso wichtiger, wirksamen Widerstand gegen den Rechtsruck
bundes- und sachsenweit (also auch in Dörfern und Kleinstädten) aufzubauen.

Auch nach Beucha
hätten nicht bloß einzelne Gruppen fahren sollen, denn so waren es dort auch
nur ca. 100 GegendemonstrantInnen. Es wäre besser gewesen, wenn sich der
gesamte Gegenprotest dazu entschieden hätte, dorthin zu fahren, und zwar nicht
für einzelne radikale Aktionen, sondern massenhaft, militant und organisiert.

So kommen wir zu
dem Schluss, dass dieser Gegenprotest als mangelhaft zu bezeichnen ist, zumal nicht mal eine Blockade des Parteitags vorgesehen war.
Bei anderen Parteitagen waren die Gegenproteste deutlich größer: In Hannover
waren es ca. 9.500 und in Augsburg um die 3.000 Demo- und
BlockadeteilnehmerInnen. Für wirklich erfolgreiche Politik gegen AfD und Co. brauchen
wir eine Einheitsfront aller linken und proletarischen Organisationen und eine
antikapitalistische, sozialistische Perspektive für unsere Zukunft!




Der Fall Magnitz – ein Rechtspopulist inszeniert sich als Opfer

Martin Suchanek, Infomail 1037, 11. Januar 2019

Nur wenige Minuten benötigte die AfD Bremen, um den Überfall
auf ihren Bundestagsabgeordneten Magnitz bekannt zu machen. Nachdem die Polizei
am 7. Januar kurz nach 20 Uhr den Überfall gemeldet hatte, postete die rechte
Partei schon wenige Minuten später erste Informationen zum „feigen Überfall“.

Schnell waren nicht nur Bilder von Magnitz’ Kopfwunde im
Umlauf, auch der „Tathergang“ wurde im Detail geschildert:

„Unser Landesvorsitzender und Bundestagsabgeordneter Frank Magnitz ist am Montag von drei vermummten Männern angegriffen worden. (…) Mit einem Kantholz schlugen sie ihn bewusstlos und traten weiter gegen seinen Kopf, als er bereits am Boden lag. Dem couragierten Eingriff eines Bauarbeiters ist zu verdanken, dass die Angreifer ihr Vorhaben nicht vollenden konnten.“ (Weserkurier vom 9.1.)

Der AfD-Vorsitzende Gauland sprach von einem Mordanschlag.
Magnitz wie überhaupt die gesamte Partei wären Opfer eines
quasi-linksterroristischen Klimas, das nicht nur die radikale Linke, die Antifa
oder die Linkspartei, sondern obendrein auch noch SPD und Grüne bewusst schaffen
würden.

Dabei widersprich lt. Medienberichten schon die „Schilderung“ des angeblichen Tathergangs den Ermittlungen der Polizei. Auf einem Video des Überfalls lässt sich weder das Kantholz ausmachen noch das Nachtreten. Die Täter seien vielmehr „sofort nach dem Angriff geflohen“ (Weser Kurier, 9.1.). Die Staatsanwaltschaft ermittelt auch nicht wegen Mordversuchs, sondern wegen gefährlicher Körperverletzung, nachdem sich der von den RechtspopulistInnen suggerierte „Anfangsverdacht“ offenbar als nicht haltbar erwies. Der AfD-Inszenierung tut das keinen Abbruch.

Ein Rechter als Opfer?

Dabei ist Magnitz selbst alles andere als ein Unschuldslamm. Wie sein ganzer rechtspopulistischer Verein betrachtet er Migration, vor allem von MuslimInnen, als „Gefahr“. Mit anderen Worten: Der Mann erweist sich als rassistischer Überzeugungstäter. In der Bremer Bürgerschaft organisierte er unter anderem Veranstaltungen mit dem kulturpolitischen Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion Marc Jongen und dem Politikwissenschaftler Benedikt Kaiser vom neurechten Institut für Sozialpolitik, das u. a. die Zeitschrift Sezession herausgibt.

Magnitz gilt auch als Unterstützer von Bernd Höcke, also des
rechten, völkischen Flügels der AfD, und organisierte gemeinsame Aktionen mit
der „Identitären Bewegung“, die er selbst ganz im Stile seiner Partei als
„witzig, intelligent und harmlos“ verniedlicht.

Magnitz verdient den Hass, die Wut, die Empörung aller
AntifaschistInnen und AntirassistInnen. Der angebliche Biedermann entpuppte
sich schon längst als Brandstifter.

Vollkommen deplatziert sind daher die Verurteilungen des „Anschlags“ durch VertreterInnen der SPD, der Grünen und auch der Linkspartei oder gar „Solidaritätsbekundungen“ mit Magnitz. Von SPD und Grünen mag man auch nicht viel anderes erwartet haben – die Linkspartei will offenkundig wieder einmal beweisen, dass sie längst im verlogenen Einheitsbrei des Parlamentarismus angekommen ist. So twitterte der Vorsitzende der Linksfraktion Bartsch: „Es gibt keine Rechtfertigung für ein solches Verbrechen.“ (https://www.mdr.de/nachrichten/politik/inland/afd-politiker-magnitz-angegriffen-100.html)

Wir wissen ebenso wenig wie Bartsch mit Bestimmtheit, welche
Motive die Menschen getrieben haben, die Magnitz angriffen. Es scheint aber
durchaus wahrscheinlich, dass die Aktion politisch motiviert war. Eine mögliche
Begründung auszumachen, fällt jedenfalls nicht schwer – die rassistische Hetze des
„Opfers“ und der AfD, ihre Zusammenarbeit und Mobilisierung mit Nazis gegen
Flüchtlinge, MigrantInnen bis hin zur Erzeugung von pogromartigen Stimmungen
wie in Chemnitz.

Ermahnungen wie jene, dass „Gewalt kein Mittel von Politik“
sein dürfe, wirken angesichts der Ermutung zu rassischer und faschistischer
Gewalt, die der Rechtspopulismus mit sich bringt oder zumindest billigend in
Kauf nimmt, lächerlich und zynisch. Gegen die organisierte Gewalt von Rechten,
gegen Angriffe auf Flüchtlinge, MigrantInnen, gegen anti-muslimische und
anti-semitische Attacken, gegen Anschläge auf linke Organisationen und Parteien
(darunter nicht zuletzt auch Büros der Linkspartei) helfen keine lahmen
Beschwörungsformeln, sondern nur organisierte Selbstverteidigung.

Eine solche Politik bedarf zweifellos auch der Begründung,
der Auseinandersetzung und Vermittlung, so dass mehr und mehr Lohnabhängige,
GewerkschafterInnen, Jugendliche diese aktiv tragen, um eine kämpferische
Massenbewegung gegen die Rechten und den Rechtsruck aufzubauen.

In diesem – und nur in diesem Sinne – war der Anschlag
politisch kontraproduktiv. Subjektiv nachvollziehbar war er allemal und
sicherlich nicht „kriminell“. Eine solche bloß individuelle Aktion ermöglicht
es jedoch viel eher, mediale Hetze gegen AntifaschistInnen und AntirassistInnen
zu streuen, den Angriff als einen von „Kriminellen“ darzustellen; es
erleichtert der AfD und Menschen wie Magnitz, sich als Opfer zu inszenieren.
Vor allem aber erscheint so auch vielen Lohnabhängigen, GewerkschafterInnen,
Flüchtlingen und MigrantInnen kämpferischer Antirassismus als Einzelaktion und
nicht als kollektives, organisiertes Vorgehen.

Das eigentliche Problem der Linken, der
ArbeiterInnenbewegung in Deutschland besteht jedoch nicht darin, dass einzelne
GenossInnen die Sache selbst in die Hand nehmen und Magnitz eine Abreibung
verpassen – es besteht vielmehr darin, dass der Kampf gegen rassistische und
faschistische Mobilisierungen, gegen Angriffe und Aufmärsche viel zu
unentschlossen, zu wenig militant und zu wenig organisiert geführt wird. Diesen
Zustand zu überwinden, dazu sollte uns der Fall Magnitz anspornen.