Hände weg von unseren Körpern! Abtreibungen international legalisieren!

Ella Mertens, Revolution-Germany, Fight! Revolutionäre Frauenzeitung No. 6

Ob nun in Chile, den USA, Spanien oder Polen – auf der ganzen Welt protestieren Frauen für ihr Recht, über ihren Körper selber bestimmen zu dürfen. Genauer gesagt: Sie demonstrieren dafür, selbst entscheiden zu können, ob sie im Falle einer Schwangerschaft ein Kind bekommen oder nicht. Wie erfolgreich so eine Kampagne sein kann, sehen wir in Polen. Vor knapp 2 Jahren forderte die Bürger_Inneninitiative von „Ordo Iuris“, einer „Lebensschutz“ organisation, 5-
jährige Haftstrafen für Abtreibungen sowie das Verbot der „Pille danach“ – auch bei Vergewaltigung oder Lebensgefahr für Mutter oder Kind. Diese wurde anfangs von der rechtspopulistischen PiS-Regierung unterstützt. Als jedoch zum sogenannten „schwarzen Protest“ mehr als 100.000 Menschen gegen das Gesetz auf die Straße gingen und viele Frauen die Arbeit niederlegten, sprach sie sich bei der Abstimmung dagegen aus. Allerdings nicht, weil sie spontan ihre Meinung geändert hatte, sondern um laut eigener Aussage ihre Chancen bei der kommenden Wahl zu verbessern.

Dennoch, dank des Protestes konnten die schweren Einschnitte in die Selbstbestimmung über den eigenen Körper abgewehrt werden. Einen ähnlichen Hintergrund haben die Proteste in Irland. Seit mehreren Jahren versuchen Aktivist_Innen, die restriktiven Gesetze des Landes zu verändern, beispielsweise durch den jährlichen „March of Choice“. 2014 wurde erkämpft, dass Abtreibungen bei lebensgefährlichen Schwangerschaften erlaubt werden. Doch ansonsten droht Frauen, die beispielsweise eine Abrruchpille per Internet bestellen, eine 14-Jährige Haftstrafe. Nun wird im Mai diesen Jahres ein Referendum über die Liberalisierung des 1983 eingeführten Gesetzes abgehalten.

Situation in Deutschland

Auch wenn es oftmals anders scheint, in Deutschland ist die Rechtslage in Bezug auf Abtreibungen ebenfalls nicht besonders fortschrittlich. Ein gutes Beispiel dafür ist die Gießener Frauenärztin Kristina Hänel, die auf ihrer Homepage Informationen bezüglich Schwangerschaftsabbrüchen zur Verfügung stellte. Im Rahmen des Paragraphen 219a wurde sie dafür zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt. Denn anscheinend ist sachgemäße Aufklärung über Abtreibung Werbung. Aber das ist nicht alles. Laut Paragraph 218 im Strafgesetzbuch ist ein Schwangerschaftsabbruch nämlich illegal, wenn a) eine Frist von 12 Wochen überschritten wird und b) die Schwangere sich vorher keiner vermeintlich neutralen Beratung unterzieht. Wenn solch eine Beratung nicht stattfindet und trotzdem eine Abtreibung vorgenommen wird, kann das bis zu 5 Jahre Gefängnis für die schwangere Frau oder den/die Arzt/Ärztin bedeuten. Frauen werden also gesetzlich eingeschränkt, wenn sie darüber entscheiden wollen, was sie mit ihrem Körper machen, angefangen bei der Informationsbeschaffung. Was das in der Praxis bedeutet, wird oftmals ausgeblendet. Viele Krankenhäuser unter kirchlicher Trägerschaft lehnen die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen ab. Während man in einer Großstadt sich eine andere Behandlungsstelle suchen kann, sieht das in ländlichen Regionen anders aus. Lehnt das medizinische Personal vor Ort die Behandlung ab, müssen die schwangeren Frauen teilweise 50-100 km bis zur nächstgelegenen Behandlungsstelle fahren. Das ist nicht nur eine emotionale Belastung, sondern ein Kostenpunkt, den sich Geringverdiener_Innen oder Minderjährige oftmals nicht leisten können. Denn neben dem eigentlichen Eingriff bedarf es oftmals auch noch eines separaten Beratungsgespräches.

Allerdings bewegt sich etwas. Das Urteil über die Gießener Frauenärztin hat die Debatte in den Bundestag gebracht. Am 22. Februar werden drei alternative Gesetzesentwürfe diskutiert, die den Paragraph 219a, also jener, der die Informationen über den Schwangerschaftsabbruch kriminalisiert, verändern sollen. Doch das allein reicht nicht. Wir müssen den Prostest ausweiten und mit den Kämpfen von Frauen in anderen Ländern verbinden, beispielsweise durch gemeinsame Aktionstage. Dabei treten wir für das volle Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper ein! Informationen über den Schwangerschaftsabbruch müssen frei verfügbar sein. Dazu gehört auch zu wissen, wo und wie man sich behandeln lassen kann. Daneben bedarf es eines flächendeckenden Ausbaus von kostenlosen Beratungs- und Behandlungsstellen, die säkular, also ohne den Einfluss der christlichen Kirchen oder anderer Religionen arbeiten müssen! Es kann nicht sein, dass Frauen medizinische Hilfe und Selbstbestimmungsrechte aufgrund von Glaubensfragen verweigert werden. Also, lasst uns aktiv gemeinsam aktiv werden und für unsere Rechte kämpfen!

Hände weg von unseren Körpern! Raus mit der Kirche und anderen Religionen aus Gesundheitssystem und Gesetzgebung! Für Abschaffung des Abtreibungsparagraphen sowie der Beratungspflicht!

Für den flächendeckenden Ausbau an Beratungs- und Behandlungsstellen! Vollständige Übernahme der Kosten für eine Abtreibung, egal in welchem Monat, und aller Kosten für Verhütungsmittel durch den Staat!

Für die Abschaffung von Fristen, bis zu denen abgetrieben werden darf! Für die ärztliche
Entscheidungsfreiheit, lebensfähige Kinder zu entbinden!




Reproduktionsrechte – Nein zur Verschärfung von Abtreibungsgesetzen!

Svea Hualidu, Frauenzeitung Nr. 5, ArbeiterInnenmacht/REVOLUTION (Deutschland), ArbeiterInnenstandpunkt/REVOLUTION (Österreich) März 2017

Im September letzten Jahres sollten Polens Abtreibungsgesetze stark verschärft werden. Auslöser dafür war eine Bürgerinitiative von Ordo Iuris, einer „Lebensschutz“organisation, welche eine 5-jährige Haftstrafe für Abtreibungen forderte. Zudem sollte es auch ein Verbot der „Pille danach“ geben, und auch bei Vergewaltigungen oder Lebensgefahr des Kindes sollte das Gesetz gelten. Polen, welches damals schon die strengsten Abtreibungsregeln in ganz Europa hatte, wird seit 2015 von der rechtspopulistischen Partei PiS regiert. Diese unterstützte die Bürgerinitiative zu Anfang.

Als jedoch zum sogenannten „schwarzen Protest“ mehr als 100.000 Menschen gegen das Gesetz protestierten und viele Frauen dafür die Arbeit niederlegten, sprach sie sich bei der Abstimmung dagegen aus. Dies passierte jedoch nicht aus einem spontanen antisexistischen Bewusstsein, sondern um laut eigener Aussage ihre Chancen bei der kommenden Wahl zu verbessern. Zudem soll es trotz der Gesetzesablehnung ab diesem Jahr ein Hilfsprogramm für Mütter geben, welche sich trotz einer „schwierigen Schwangerschaft“ für die Kinder entscheiden. Eine Infokampagne für den „Schutz des Lebens“ ist ebenfalls vorgesehen. Somit haben Frauen, die aus den verschiedensten Gründen und oftmals auch nicht freiwillig schwanger geworden sind, nur scheinbar die Wahl, ob sie ihr Kind behalten oder nicht.

Doch nicht nur in Polen wird um das Recht auf Abtreibung gekämpft. Auch in Spanien gibt es seit einigen Jahren immer wieder Proteste auf Grund von Gesetzesverschärfungen. 2013 sollte dort von Seiten der konservativen Regierung aus der Schwangerschaftsabbruch wieder als Delikt eingeführt werden. Somit wäre eine Abtreibung, ähnlich wie in Polen, nur unter der Bedingung möglich, wenn das Leben von Kind oder Mutter gefährdet ist. Als am 8. März, dem internationalen Frauenkampftag, jedoch ebenfalls tausende Spanier_Innen auf die Straße gingen, um für die körperliche Selbstbestimmung der Frauen einzustehen, löste das eine heftige Debatte im Parlament aus. Verknüpft mit weiteren Streiks auf Grund einer neuen Arbeitsreform, die ebenfalls eingeführt werden sollte, entschied sich Ministerpräsident Rajoy gegen das vollständige Gesetz. Trotzdem dürfen seit 2015 Mädchen unter 18 Jahren keine Abtreibungen mehr ohne die Erlaubnis ihrer Eltern vornehmen. Daraus lässt sich erahnen, dass auch dieser Versuch zur Einschränkung von Frauenrechten nicht der letzte gewesen sein wird.

Wenn Abtreibung also nicht erlaubt ist, müssen sich diese Frauen oftmals alternative Möglichkeiten suchen. Beispielsweise reisen sie in andere Länder, um dort Abtreibungen vornehmen zu lassen. Da jedoch sogar diese Möglichkeit nicht immer gegeben ist, sterben jährlich viele Frauen bei Eingriffen, welche sie selbst vornehmen oder unter schlechtesten Bedingungen von Amateur_Innen bekommen, den sog. Engelmacher_Innen.

Auch in den USA steht ein Kampf um die Abtreibungsgesetze an. Trump trat bereits seine Kandidatur mit der Ankündigung an, die Gesetze dahingehend zu verschärfen. 5 Tage nach seinem Amtsantritt unterschrieb er dann ein Dekret, welches Finanzhilfen für Nichtregierungsorganisationen verbietet, die Abtreibungen unterstützen. Dieses Gesetz gab es bereits unter den republikanischen Präsidenten Ronald Reagan und George W. Bush.

Einen Tag später fand der „Women’s March“ statt. Hierbei versammelten sich über 500.000 Menschen in Washington, um gegen Trump zu demonstrieren. Sie forderten unter anderem die Beibehaltung des Rechts auf Abtreibung sowie gleiche Bezahlung für Männer und Frauen. Aber nicht nur in Amerika fanden Proteste statt, weltweit gab es 670 Demonstrationen mit 2 Millionen Teilnehmer_Innen.

Aktuelle Lage in Deutschland

Wenn es auch oftmals anders scheint, in Deutschland sieht die Rechtslage in Bezug auf Abtreibungen auch nicht viel besser aus. Laut Paragraph 218 im Strafgesetzbuch ist ein Schwangerschaftsabbruch nämlich dann schon illegal, wenn frau a) eine Frist von 12 Wochen überschreitet und b) sich vorher keiner vermeintlich neutralen Beratung unterzieht.  Oftmals sind diese jedoch kirchlich geprägt und versuchen somit, Frauen eher von einem Schwangerschaftsabbruch abzuraten. Zudem händigen sie immer wieder keine Beratungsscheine aus, wenn das Ergebnis für sie nicht zufriedenstellend ist. Wenn solch eine Beratung nicht stattfindet und trotzdem eine Abtreibung vorgenommen wird, kann das bis zu 5 Jahre Gefängnis für die schwangere Frau oder den/die Arzt/Ärztin bedeuten.

Ein weiteres Druckmittel ist der jährlich stattfindende „Marsch für das Leben“, welchen es mittlerweile in Deutschland, den USA, Frankreich, der Schweiz, Peru und Polen gibt. Hierbei ziehen tausende Menschen schweigend und mit Kreuzen in der Hand durch die Stadt und fordern unter anderem ein generelles Verbot von Abtreibungen. Die Modelle von ungeborenen Föten, welche sie dabei hochhalten, sollen Frauen ein noch schlechteres Gewissen machen, als diese oftmals sowieso schon haben.

Hintergründe

All diesen Beispielen ist jedoch etwas gemeinsam: Frauen wird das Recht auf Selbstbestimmung über ihren Körper genommen und damit ein Großteil ihrer Unabhängigkeit vom Mann. Männer beispielsweise sind nicht gezwungen, Vaterschaftsurlaub zu nehmen, Frauen müssen hingegen die ersten Monate nach der Geburt zu Hause bleiben. Solange sind sie auf staatliche Unterstützung oder die ihres Partners angewiesen. Wenn sie dann überhaupt wieder in die Arbeitswelt zurückkehren, ist es meist schwierig, für sie überhaupt einen Job zu bekommen, sobald sie erwähnen, dass sie Kinder haben.

Bei Abtreibungen jedoch entscheiden festgeschriebene Gesetze hierbei pauschal über Einzelfälle, statt den Betroffenen selbst die Möglichkeit zu geben, für sie angemessen mit der Situation umzugehen. Dabei kann durchaus eine Entscheidung für einen Abbruch die bessere für Frau und Kind sein.

Das Abtreibungsgesetz ist bereits seit 1871 gültig, es existiert aber in modifizierter Form bis heute. Abtreibungsgesetze sind reaktionär, mit dem Ziel, die bürgerliche Familie aufrechtzuerhalten und Frauen aus der Produktion auszuschließen. Aus diesem Grund haben es sich gerade Rechts-Populist_Innen zum Ziel gesetzt, Abtreibungsgesetze gänzlich abzuschaffen. Die Tatsache, dass diese Gesetze noch weltweit existieren, zeigt daher, dass der Kampf um Selbstbestimmung international geführt werden muss. Wir müssen uns aber gegen Argumente wenden wie das, dass Abtreibungsverbote in „fortgeschrittenen“ Ländern ruhig gelockert werden dürften. Dort angeblich auftretende demographische Probleme (Überalterung der Gesellschaften) könne man ja durch verstärkte Migration aus der sog. Dritten Welt entschärfen. Erstens treten wir für eine Ächtung der Abtreibungsverbote auf der ganzen Welt ein. Zweitens sind wir natürlich für offene Grenzen für Flüchtende wie Arbeitsmigrant_Innen. Es ist schon schlimm genug, dass die vom Imperialismus abhängigen Nationen als verlängerte Werkbank für sie herhalten müssen. Die Vorstellung von der „Dritten Welt“ als ausgelagerter Kreißsaal für die imperialistischen Nationen ist aber schlichtweg rassistisch. Der internationale Kampf gegen Abtreibung kommt daher auch um den gegen Rassismus nicht herum.

Auch die Kirche sowie selbsternannte Lebensschützer_Innen, deren Meinung zu dem Thema lediglich auf verqueren Moralvorstellungen fußt, haben immer noch eine viel zu große Entscheidungsmacht. Der Schwangerschaftsberatung der Caritas (Wohlfahrtsorganisation der katholischen Kirche) ist es beispielsweise verboten, Gespräche über die „Pille danach“ oder Abtreibung zu führen. Regelmäßig werden Ärzte von Abtreibungsgegner_Innen bedroht.

In vielen ländlichen Regionen, vor allem in Westdeutschland, kommt es vor, dass katholische Krankenhäuser die einzigen im Kreis sind. Bewusst erschweren sie Abtreibungen und den Erwerb der Pille danach, was besonders für junge Mädchen eine unfassbare Einschränkung ihres Selbstbestimmungsrechts über ihren Körper darstellt.

Wie kämpfen?

Dem müssen eine internationale Massenmobilisierung und Streiks aller Arbeiter_Innen entgegengesetzt werden.

Für Abschaffung des Abtreibungsparagraphen sowie der Beratungspflicht!

Kostenlose und unabhängige Beratung bei Schwangerschaft und Abtreibung, egal in welchem Monat! Schutzräume für Opfer sexueller Gewalt, Schwangere und junge Mütter!

Für die Abschaffung von Fristen, bis zu denen abgetrieben werden darf! Für die ärztliche Entscheidungsfreiheit, lebensfähige Kinder zu entbinden!

Gegen Zwangselternschaft für so geborene Kinder!  Der Staat soll für sie aufkommen und sich um sie kümmern! Adoptionsvorrang für Vater und/oder Mutter, falls sie das Kind später großziehen wollen!

Wenn das Kind selbst entscheiden kann, muss es seine Einwilligung zur Adoption durch sein/e leiblichen Eltern bzw. ein leibliches Elternteil geben!

Vollständige Übernahme der Kosten für eine Abtreibung und aller Kosten für Verhütungsmittel durch den Staat!