Wieso, weshalb, warum? Eine Antwort an:  Wir // Jetzt // Hier

Jaqueline Katharina Singh, Infomail 1237, 22. November 2023

Nach dem Parteitag der Linkspartei in Augsburg veröffentlichen „Linke aus verschiedenen Teilen der Zivilgesellschaft“ den Beitrag „Wir // Jetzt // Hier“ und kündigen ihren Eintritt in DIE LINKE an.

Wer im letzten Jahrzehnt die Politik der radikalen Linken in Deutschland verfolgen musste, den erinnern darin viele Formulierungen und Inhalte an die Interventionistische Linke und andere postautonome Gruppierungen. Diese ist seit Corona erstaunlich stumm, zum Ukrainekrieg lässt sie sich kaum blicken und zu Palästina hat sie praktisch nichts zu sagen.

Aber es bleibt letztlich nur eine Mutmaßung, woher die Autor:innen genau kommen, die schreiben. In einer Telegram-Gruppe haben die Initiator:innen über 500 Menschen gesammelt, am 20. November sollten möglich alle in die Partei eintreten. Doch das Schreiben wirft in vielerlei Hinsicht mehr Fragen auf, als es klärt. Deswegen fragen wir zurück und freuen uns auf eine Antwort.

Wieso?

Die stetig voranschreitende Klimakrise, der scheinbar unaufhaltsame Rechtsruck – all das scheint unerträglich ohne eine linke Alternative, insbesondere für Aktivist:innen, die „sich der parlamentarischen Politik nie verbunden gefühlt haben.“ Stattdessen haben sie „protestiert, blockiert, gestreikt und Politik und Kultur von unten“ organisiert. So weit so verständlich.

Im späteren kommt dann die weitere Erklärung: „Durch den Abgang des Wagenknecht-Lagers kann sie sich entweder als eine solche verbindende Organisation neu aufstellen oder in der Bedeutungslosigkeit versinken.“ Aber schreibt der Abgang von Wagenknecht wirklich die Geschichte der Linkspartei neu?

Weshalb?

Nein, eigentlich nicht. Denn Wagenknecht sitzt nicht in Thüringen, Bremen oder Mecklenburg-Vorpommern an der Regierung und schiebt dort auch nicht ab. Wagenknecht war auch nicht dafür verantwortlich, dass es keine Kampagne für offene Grenzen gegeben und man nicht versucht hat, mit den Gewerkschaftsmitgliedern der Partei dafür zu kämpfen, dass Geflüchtete in diese aufgenommen werden, man dort gemeinsam Arbeitskämpfe führen könnte, die rassistische Vorurteile abbauen und Verbesserungen für alle mit sich bringen.

Dass das nicht stattgefunden hat, ist vor allem das Werk des Flügels der Regierungssozialist:innen. Mit diesen hat kein Bruch stattgefunden, vielmehr hat sich die Bewegungslinke aus Angst vor dem Untergang an ihn geklammert und selbst angefangen, „Rebellisches Regieren“ auf ihre Fahne zu schreiben. Doch das wisst ihr selber. Deswegen schreibt ihr: „Es gibt kein ,rebellisches Regieren‘ mit SPD und Grünen. Das zeigt die zunehmende Abschiebepraxis in Thüringen ebenso wie die Blockade des Volksentscheids ,Deutsche Wohnen & Co enteignen‘ unter Rot-Rot-Grün in Berlin“ und „DIE LINKE hat sich mit diesen Regierungsprojekten für eine Koalitionsfähigkeit verbogen und sich zur Komplizin des rot-grünen Mitte-Extremismus gemacht.“

Das wollt ihr stoppen, das wollt ihr verändern und deswegen tretet ihr nun in die Partei ein. Aber wie genau das vonstattengehen soll, das verschweigt ihr. Mit dieser Entscheidung und ohne Plan lauft ihr Gefahr, einfach nur die neue Bewegungslinke zu werden. Ihr nehmt den Streit, der seit Gründung der Linkspartei stattfindet, auf. Aber bei Deutsche Wohnen & Co enteignen, da hattet ihr selber keinen Plan, wie man die Bewegung voranbringt, Druck auf die Linkspartei ausübt, damit sie nicht ihre eigene Regierungsbeteiligung über den Erfolg der Bewegung stellt. Was macht euch so sicher, dass es jetzt ganz anders läuft? Denn es war nicht Wagenknecht, die in Berlin den Volksentscheid blockiert hat.

Für eine Partei der Arbeiter:innen?

Die Forderungen nach einem durchschnittlichen Facharbeiter:innengehalt und auch nach begrenzten Amtszeiten für Abgeordnete sind super. Wir unterstützen diese. Aber eine Partei für Arbeiter:innen macht mehr aus, als dass Mandatsträger:innen Arbeiter:innen sind und einen Teil ihrer Gehälter abgeben. Das ist ein Mittel, das verhindern soll, dass eine Schicht von Fuktionär:innen entsteht, die sich verselbständigt und im Interesse ihrer eigenen ökonomischen Stellung handelt. Das reicht aber nicht aus.

Mandatsträger:innen müssen ihrer Basis gegenüber auch rechenschaftspflichtig – und zur Not auch abwählbar – sein. Passiert das nicht, können sich Bundestagsabgeordnete mit ihrem Mandat nicht nur aus dem Staub machen, sondern Mandatsträger:innen können soziale Bewegungen und Arbeiter:innenkämpfe verraten, ohne unmittelbar Konsequenzen zu tragen.

Und auch das reicht nicht, um eine Partei der Arbeiter:innen zu sein. Busfahrer:innen und Krankenpflegende können im Bundestag sitzen – das ist cool und notwendig –, aber inhaltlich trotzdem keine Politik machen, die den Kapitalismus überwindet. Darum geht’s doch hoffentlich. Das ist eine Annahme, denn ja, es ist wichtig, wie ihr schreibt, „eine radikale, linke Sprache der Gegenwart zu entwickeln“. Aber es hilft nicht, alles scheinbar Angestaubte zu ersetzen, wenn man niemand mehr weiß, ob man denn nun transformieren, zerschlagen oder doch nur reformieren will. Klare Inhalte und Vorhaben einfach verständlich zu kommunizieren, findet nicht dadurch statt, dass man schöne Umschreibungen für Worte wie „Arbeiter:innenklasse“ oder „Sozialismus“ findet. Es geht um konkrete Ideen, die man mit entsprechender Politik umsetzen will. Denn das Wort „Enteignung“ hat z. B. die Mehrheit der Berliner Bevölkerung beim Volksentscheid auch nicht verschreckt.

Warum?

Mit der Krise der Interventionistischen Linken ist es still um weite Teile der postautonomen Linken geworden. Dabei war ihre Stagnation ein Resultat der Krise der Linkspartei. Über Jahre ging dieser Teil der „radikalen Linken“ eine Art Arbeitsteilung mit ihr ein, die Luxemburg-Stiftung und andere Finanzquellen dienten als Verbindungsstück. Nun steht dieses Verhältnis in Frage, denn wenn DIE LINKE aus dem Bundestag und den Landesparlamenten verschwindet, versiegen auch diese Geldquellen. Und das trifft ganz offenkundig auch Linke, die sich ansonsten die Hände nicht schmutzig machen wollten im parlamentarischen Geschäft, wenn es heißt: „Soziale und ökologische Bewegungen brauchen ein ökonomisches Zuhause.“

Deswegen überrascht es nicht, dass Teile aus diesem Spektrum sich entscheiden, das was sie letzten Endes immer gewesen sind, nun auch zu formalisieren. Es ist keine große, neue Veränderung, sondern eine Konsolidierung der alten Kräfte. Eventpolitik kann nun unter einem neuen Banner betrieben werden – und das hält zusammen. Das ist schade, denn die Krise der Linkspartei muss genutzt werden, um über Strategien zu reden und aus vergangenen Fehlern zu lernen.

Denn für sozialistische Politik in der Linkspartei zu kämpfen, das haben schon andere versucht in den letzten Jahren. Die Resultate sind bescheiden: marx21 hat sich im Oktober in mehrere Teile gespalten, die SAV letztes Jahr, wenn auch aus anderen Gründen. Die Antikapitalistische Linke ist kaum wahrnehmbar. Also was ist es, was euch unterscheidet? Was ist es, das verspricht, dass ihr es tatsächlich besser macht? Was ist der Plan? Wenn ihr diese Fragen nicht genügend beantworten könnt, werdet ihr nur ein neues linkes Feigenblatt für eine Partei, die vielleicht dynamischer wird, ein paar schöne Kampagnen fährt – aber letzten Endes schweigt, wenn es darum geht, Deutsche Wohnen & Co zu enteignen.

Euer Aufruf fällt dabei hinter die Einschätzungen oben genannter Gruppierungen zur Linkspartei weit zurück. So heißt es: „Für alle, die es ernst meinen mit dem Klimaschutz, dem Feminismus, dem Antirassismus sowie dem Kampf gegen Antisemitismus, für LGBTIQA+-Rechte und andere umwelt- und gesellschaftspolitisch fortschrittliche Anliegen kann dieses Zuhause nur in einer antikapitalistischen Partei liegen. Die Parteispitze hat ihren Willen zu einer Erneuerung der Partei und einer Öffnung hin zu den sozialökologischen Bewegungen wiederholt deutlich gemacht.“

So weit her ist es mit dem Antikapitalismus der Linkspartei bekanntlich nicht. Und den Willen zur Erneuerung? Worin besteht der? Bloße „Öffnung“ und Wachstumspläne ändern am Inhalt, Programm und an der seit Jahren eingeübten bürgerlichen Reformpolitik in Parlamenten, Kommunen, Stadträten, von Landesregierungen und Bürgermeister:innen nichts.

Was also tun?

Keine linke Alternative zu haben, während die Rechten immer stärken werden, macht Angst. Die Klimakrise und Kriege tun ihr Restliches dazu und man fühlt sich ohnmächtig. Aber diese Angst sollte nicht dazu führen, dass der „Kampf für Demokratie“ und eine „Transformation“, unter der sich alle vorstellen können, was sie gerade wollen, wichtiger ist als der für Sozialismus. Wer das anders sieht, der hat nicht verstanden, warum die AfD immer stärker geworden ist und weiß letztlich keinen Ausweg, wenn es darum geht, den Rechtsruck zu bekämpfen.

Denn die aktuelle Hetze, die wir erleben, kommt nicht nur von der AfD, sondern wird von allen ach so demokratischen Kräften mitgetragen. Sie ist Ausdruck einer sich international verschärfenden Konkurrenz, die den Kampf um die gewaltvolle Neuaufteilung der Welt vorbereitet und gleichzeitig die Sparmaßnahmen im Innern zu übertünchen versucht.

Um effektiv dagegen vorzugehen, kann man nicht sagen: „Hey, wir brauchen eine Linke, weil es eine Rechte gibt, wir müssen diffus über Umverteilung reden und für eine geile Sozialpolitik eintreten!“ Denn die aktuelle Situation lässt nicht zu, dass genügend Geld für eine geile Sozialpolitik einfach da ist. Selbst für solche Umverteilungsforderungen muss man den Klassenkampf mit Streiks forcieren und diese mit der Eigentumsfrage verbinden. Dementsprechend müssen Kämpfe für Lohnerhöhung, Verbesserungen der Lebensbedingungen immer mit einer Perspektive zur Überwindung des kapitalistischen Systems aktiv und deutlich verbunden werden. Ansonsten rennen wir ins Leere, erfahren Niederlagen und schaffen es nicht, eine gesellschaftlich linke Perspektive sichtbar zu machen.

Das heißt nicht, dass man sagen soll: „Hey, lass‘ für höhere Löhne kämpfen und ach, vergiss nicht, gegen den Kapitalismus musst du auch sein!“ sondern, dass man es schafft, Forderungen aufzustellen, die eine Brücke weisen vom Kampf für unmittelbare Ziele zu dem gegen das System, welches diese in Frage stellen. Beispielsweise „Hey, lass uns für höhere Löhne kämpfen, die automatisch an die Inflation angepasst werden und deren Erhöhung von den Lohnabhängigen selbst kontrolliert wird. Das ist doch besser, als bei jeder Schwankung streiken zu müssen und zu hoffen, dass man dann ein bisschen was abbekommt. Und sinnvoll ist auch, dass ihr dann ein Komitee gründet, was kontrolliert, dass das auch umgesetzt wird.“ Das kann man nur durchsetzen, wenn man eine gewerkschaftliche Basisopposition gegen die Bürokratie organisiert, Bewegungen so aufbaut, dass sie Selbstermächtigungsorgane der Klasse (Komitees an Schulen, Unis und Betrieben, Vorformen von Räten also) schafft und in diesen für eine Politik der Zuspitzung, der gesellschaftlichen Veränderung eintritt.

Und irgendwie bleibt beim Lesen des Textes, das Gefühl, dass es eher die Angst vor rechts ist, die euch planlos in DIE LINKE treibt, ohne Weg zurück.  Also, was ist euer Plan?




Redefreiheit und die Linke

Lukas Müller. Infomail 1236, 10. November 2023

Im Folgenden geben wir die einleitenden Thesen von Gen. Lukas Müller als Vertreter der Gruppe Arbeiter:innenmacht wieder, die er am 4. November bei einer Podiumsdiskussion in Leipzig vorgestellt hat.

1. These

Das bürgerliche Recht und bürgerliche Freiheiten erscheinen nur auf einer rein formalen Ebene als etwas Neutrales (neutrales Recht, neutrale Freiheiten), sind aber Ausdruck eines bestimmten Klasseninteresses – dem der Kapitalist:innenklasse.

Sie drücken primär ihr Interesse aus und nicht das aller Klassen (also z. B. auch der Arbeiter:innenklasse, auch wenn es so erscheint, als würde das bürgerliche Recht die gemeinsamen Interessen der gesamten Gesellschaft wiedergeben.

Aber solche gemeinsamen Interessen der Gesellschaft, also aller Klassen, gibt es nicht

Denn: Über der kapitalistischen Produktionsweise als ökonomischer, materieller Basis der Gesellschaft erhebt sich deren ideologischer, rechtlicher, moralischer Überbau. Dieser ist also Ausdruck der ökonomischen Basis (Basis und Überbau bei Marx).

D. h., das bürgerliche Recht, die bürgerliche Freiheiten, die bürgerliche Moral usw. entsprechen der kapitalistischen Produktionsweise und reproduzieren diese auf politischer und ideologischer Ebene. Damit dienen sie in erster Linie der herrschenden Klasse, der Bourgeoisie.

Freiheit des/r einen ist gleichzeitig die Unterdrückung des/r anderen (unternehmerische Freiheit). Die Freiheit der Kapitalist:innen, von ihrer ökonomischen (und damit auch politischen) Macht Gebrauch zu machen, zieht gleichzeitig und unausweichlich die Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeiter:innenklasse nach sich. Es gibt also nicht DIE allgemeine Freiheit, sondern sie muss im Kontext von Klassen gesehen werden

Die Frage nach Freiheit ist die: „Für welche Klasse“?

Wir sind für die Freiheit der Arbeiter:innenklasse und aller Unterdrückten, aber gleichzeitig für die Unfreiheit der Kapitalist:innenklasse (ganz allgemein und plakativ gesprochen).

Jede Person hat das Recht, wählen zu gehen, Demonstrationen anzumelden, Parteien oder Zeitungen zu gründen usw. Aber durch ihre ökonomische Macht verfügt die Kapitalist:innenklasse über einen vielfach größeren Einfluss auf Staat und öffentliche Meinung. Sie ist durch unzählige Fäden mit dem Staat verbandelt, sodass sie dadurch auch zur politisch herrschenden Klasse wird, teils ganz direkt durch das Schreiben von Gesetzen, oft aber auf indirekt Art und Weise.

Letztlich ist in Artikel 14 GG auch das „Recht“ auf Privateigentum Erbschaft, also eine auf Privatbesitz an Produktionsmitteln fußende Gesellschaft, unveränderlich festgeschrieben (und damit der Kapitalismus).

Demokratische Rechte werden den unterdrückten Klassen oft nur deshalb (teilweise) gewährt, um sie ins bestehende System zu integrieren, zur Aussöhnung mit diesem und um der Kaschierung der ökonomischen und damit indirekt auch politischen Herrschaft der Kapitalist:innenklasse willen.

Was selbstverständlich nicht heißt, dass wir demokratische Rechte nicht gegen jeden staatlichen Angriff verteidigen würden! Dazu gleich mehr.

2. These  (damit eng zusammenhängend)

Das bürgerliche Recht und bürgerliche Freiheiten erscheinen auch nur auf einer rein formalen Ebene als für alle gleichermaßen gültig. Nur weil Rechte und Freiheiten formal für alle gleich existieren, heißt das noch lange nicht, dass Staat und Kapitalist:innenklasse diese von allen in gleichem Umfang in Anspruch nehmen lassen.

Das sieht man z. B. aktuell an der massiven Repression gegen Palästinasolidarität. In zahlreichen Städten wurden alle Demonstrationen und Kundgebungen, die in Solidarität mit Palästina stehen könnten, verboten. Hunderte Teilnehmer:innen wurden bundesweit festgenommen. An Berliner Schulen wurden das Tragen der Kufiya, Zeigen von Aufklebern und Stickern mit Aufschriften wie „Free Palestine“ verboten. Auf Demonstrationen, die stattgefunden haben, waren viele Parolen als angeblich „antisemitisch“ verboten, in Berlin z. B. die Parole „Stoppt das Morden, stoppt den Krieg“.  Palästinenser:innen, Araber:innen und Muslim:innen, die keine deutschen Pässe haben, droht die Abschiebung bei propalästinensischer Aktivität.

Palästinasolidarität ist nur ein Beispiel, man könnte viele weitere nennen:

Es gibt keine Neutralität der Richter:innen. Kapitalist:innen können Staranwält:innen bezahlen. Rechte von Geflüchteten (Menschenwürde) usw. usf. werden von diesen nicht vertreten, wenn sie staatlich eingeschränkt werden. Der Staat versucht also, die formal jedem/r garantierten Rechte nach Belieben gesetzlich einzuschränken oder setzt sich schlicht über seine eigenen Gesetze hinweg. Sie sind also mehr Schein als Sein.

Was wie gesagt nicht heißt, dass wir nicht auch formale (also gesetzliche) Rechte und Freiheiten gegen Angriffe verteidigen. Das halten wir sehr wohl für relevant und notwendig.

Unter den Bedingungen der Illegalität ist es selbstverständlich deutlich schwieriger für die Arbeiter:innenklasse, sich zu organisieren, als unter Bedingungen voller demokratischer Freiheiten.  Formale Freiheiten sind also keineswegs völlig irrelevant, weil eh nur das aktuelle Interesse der Kapitalist:innenklasse zählt. Wenn wir formal ein Recht haben, schafft das tendenziell günstigere Bedingungen, dieses auch praktisch durchzusetzen. Daher sind wir allgemein für größtmögliche demokratische Freiheiten.

Es geht aber darum, dass in der kapitalistischen Klassengesellschaft kein Automatismus existiert, welcher allen Menschen die praktische Inanspruchnahme von formalen Rechte und Freiheiten garantiert, zum einen durch ökonomische Macht und Zwänge,  zum anderen durch die Macht des Staates, Rechte einzuschränken, abzuschaffen und zu übergehen.

3. These

Bürgerliche Freiheiten (z. B. Meinungsfreiheit) und demokratische Recht sind für Arbeiter:innen- wie auch Kapitalist:innenklasse kein Selbstzweck, sondern nur Mittel zum Zweck. Sie dienen nämlich der Verteidigung ihrer objektiven Klasseninteressen. Sie haben somit keinen Wert an sich, sondern immer nur Bedeutung, wenn sie ihren Interessen  zu einer gegebene Zeit nutzen.

Daran bestimmt sich auch allgemein unser Verständnis von Recht und Moral oder, wann wir Rechte oder Einschränkungen verteidigen oder was wir selbst vornehmen: „Recht ist, was der proletarischen Klasse nützt“ (Lenin).

Im Eingangstext zur Veranstaltung wurde das Engagement von Marx, Engels und der II. Internationale fürs Recht auf freie Meinungsäußerung angesprochen. Dieses zu erkämpfen, war in der Tat eine wichtige Aufgabe der damaligen Zeit (und bis heute).

Aber Marx, Engels und die II. Internationale kämpften nicht für Recht auf freie Meinungsäußerung als Wert an sich, damit sich halt alle Menschen frei (freier) äußern können, sondern damit SIE und die internationale Arbeiter:innenklasse sich frei äußern und vor allem legal organisieren können mit dem Ziel, diese Freiheiten nutzen zu können, um die Zerschlagung des Kapitalismus und seiner bürgerlichen Staaten vorzubereiten.

Denn zu dieser Zeit gab es die Sozialistengesetze in Deutschland und ähnliche, teilweise noch schärfere Gesetze in anderen Ländern, welche Kommunist:innen und Sozialdemokrat:innen in den Untergrund, die Illegalität und zu Tauenden ins Gefängnis drängten.

Demokratische Rechte allgemein bilden für die Arbeiter:innenklasse eine Art Rahmen, in dem politisches Handeln möglich ist. Wenn diese in spezifischer Situation den Interessen der Arbeiter:innenklasse schaden, ist es legitim und notwendig, diese einzuschränken oder abzuschaffen.

Hitler wurde demokratisch an die Macht gewählt (gleichzeitig gestützt auf eine militante Massenbewegung auf der Straße). Haben Kommunist:innen deshalb die Wahl widerstandslos akzeptiert, aus Hochachtung vor der Demokratie als Selbstzweck? Nein!

Nennen wir als zweites Beispiel  das Verbot der anderen Sowjetparteien durch die Bolschewiki im Bürger:innenkrieg.

Demokratie hat für uns keinen Wert an sich, sondern nur einen, solange sie den Interessen der Arbeiter:innenklasse nützt, und umgekehrt gewährt die Kapitalist:innenklasse demokratische Rechte und Freiheiten nur, solange ihre eigene Klassenmacht dadurch nicht bedroht wird. Sobald sie ihre Interessen durch politische Bewegungen gefährdet sieht, wird sie deren demokratische Rechte übergehen, einschränken, abschaffen.

Das kann sogar darin gipfeln, dass Kapitalist:innen zur Sicherung ihrer ökonomischen Macht (also des Kapitalismus) nicht nur einzelne demokratische Rechte einschränken, sondern die faschistische Karte ziehen und damit grünes Licht geben zur Abschaffung der gesamten bürgerliche Demokratie. So geschehen bei Hitlers Treffen mit der deutschen Großindustrie kurz vor Machtergreifung und danach.

Die Frage von Recht, Freiheit und Demokratie ist schlicht die von Klassenkampf. Wir verteidigen das Demonstrationsrecht gegen staatliche Angriffe, schränken dieses zeitgleich aber selber aktiv für Faschist:innen ein, indem wir ihre Demonstrationen blockieren.

Wir verteidigen das Recht auf freie Meinungsäußerung („Propagandafreiheit“) gegen staatliche Angriffe, reißen Plakate und Sticker von Faschist:innen ab, werfen ihre Flyer, wo sie ausliegen, in den Müll.

So verhalten wir uns allerdings nicht gegenüber gewöhnlichen bürgerlichen Parteien wie CDU, FDP, Grünen oder bürgerlichen Arbeiter:innenparteien wie SPD und Linkspartei. Diese verbreiten zwar bürgerliche Ideologie und damit die der Kapitalist:innenklasse und müssen dementsprechend politisch bekämpft werden.

Allerdings unserer Meinung nach nicht durch Blockieren von Versammlungen oder Zerstören von Wahlplakaten.

1. Weil es gegen so große und mächtige Parteien ziemlich ineffektiv ist diese durch Sabotage bekämpfen zu wollen. Wir müssen vielmehr Arbeiter:innen, welche Illussionen in diese Parteien hegen, durch politisch-inhaltlichen Kampf von diesen lösen und für uns gewinnen;

2. weil von bürgerlichen Parteien keine so direkte physische Gefahr für linke und proletarische Aktivist:innen ausgeht, weil deren Ziel nicht in der Zerschlagung der Arbeiter:innenbewegung selbst besteht;

3. weil wir diesen Parteien, die ja auch z. T. an der Regierung sind, damit einen Vorwand liefern, umgekehrt uns zu sabotieren durch Gesetze, die unsere Rechte einschränken.

Es würde uns schwerfallen, diese demokratischen Rechte dann öffentlichkeitswirksam als politische Minderheit zu verteidigen, wenn wir sie der politischen Mehrheit selbst nicht zugestehen. Es wäre also taktisch einfach unklug und der Öffentlichkeit schwer zu vermitteln, während das Blockieren von Faschisten:innen und anderen Rechten leichter zu begründen ist, weil sie eine unmittelbare Gefahr für die Existenz von zumindest Teilen der Arbeiter:innenklasse und Unterdrückten (Migrant:innen, Geflüchtete) darstellen bzw. die Organisationen der Klasse zerschlagen wollen.

Wir tun das also nicht, weil wir die demokratischen Freiheit an sich so hoch schätzen, sondern wir uns nicht mit taktisch unklugem Verhalten selbst schaden wollen. Taktische Erwägungen sind allgemein von großer Relevanz im Klassenkampf.

Natürlich wird die Kapitalist:innenklasse so oder so unsere demokratischen Rechte einzuschränken versuchen, uns polizeilich und juristisch sabotieren, sobald sie uns als reale Gefahr wahrnimmt. Und da sind wir dann an dem Punkt, wo das Kräfteverhältnis und die öffentliche Stimmung entscheiden, wer sich durchsetzt.

4. These

Das Wahrnehmen bzw. Durchsetzen von Rechten und Freiheiten ist nicht in erster Linie eine juristische, sondern eine Frage des Kräfteverhältnisses.

Ob der Staat es schafft, ein bestimmtes Gesetz zu erlassen, bspw. das Versammlungsrecht zu beschneiden, ist abhängig vom Ausmaß des Widerstands, den wir schaffen, auf der Straße, in Betrieben, an Unis und Schulen zu entfalten. Wenn sich die öffentliche Stimmung dermaßen gegen solche Gesetzesvorhaben dreht oder mit massiven Streiks dagegen zu rechnen ist, kann der Staat davor zurückschrecken und das Gesetz wieder zurücknehmen müssen.

Weiter ist es auch eine Frage des Kräfteverhältnisses, ob und inwieweit wir uns über bestehende Gesetze oder andere staatliche Einschränkungsversuche hinwegsetzen können. Formal mag eine Demonstration verboten sein, aber wenn dennoch Zigtausende kommen, können wir diese womöglich gegen die Einschränkungen durch die Staatsmacht durchsetzen.

Letztlich besteht unser Ziel darin, das Kräfteverhältnis so zu verschieben, dass die Arbeiter:innenklasse selber die Kontrolle darüber übernehmen kann, welche demokratischen Rechte es gibt, was gesagt und getan werden darf, um sie somit massiv auszuweiten. Das heißt, wir treten z. B. dafür ein, dass die Arbeiter:innen der großen Zeitungen, sozialen Medien usw. selber entscheiden, was erlaubt ist und was nicht. In diesem Sinne kann der Kampf für die Verteidigung demokratischer Rechte mit dem für Arbeiter:innenkontrolle und ein Programm von Übergangsforderungen verbunden werden.




Für eine revolutionär- kommunistische Internationale

Das Trotzkistische Manifest, Kapitel 7, Sommer 1989

Die Arbeiterklasse braucht eine revolutionäre Partei, um die Diktatur des Proletariats zu errichten. Nur eine revolutionäre Partei, die die Mehrheit der organisierten Arbeiterklasse in den revolutionär umgewandelten Gewerkschaften, den Fabrikkomitees, den Arbeitermilizen und -räten errungen hat, kann die Macht übernehmen. Nur eine Partei kann die Macht gegen die Konterrevolution halten, sie vor bürokratischer Entartung schützen und die Revolution international ausbreiten. Der Aufbau einer leninistischen Partei in allen Ländern ist die grundlegende Aufgabe für Revolutionärinnen und Revolutionäre.

Die revolutionäre Partei muß sich von allen reformistischen und zentristischen Elementen abgrenzen, gleichzeitig aber allen Schichten der Arbeiterklasse die geschlossenste Kampfeinheit anbieten. Jede Tendenz, die Partei den Einheitsfrontorganen unterzuordnen oder sie in eine dauerhafte Front aufzulösen, die sich an die Massen nur auf der Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners wendet, wird die revolutionäre Partei in zentristische Degeneration führen. Die argentinische MAS in den 80er Jahren gibt ein klassisches Beispiel für diese Gefahr.

Die leninistische Vorhutpartei fungiert auf der Grundlage des demokratischen Zentralismus. Demokratie in der Wahl der Führerinnen und Führer und der Festlegung von Strategie und Taktik bildet kritische und selbstbewußte Kader heran. Die freie Äußerung von Differenzen ist wichtig. Bürokratismus hingegen erzieht willige Werkzeuge, aber keine militanten Kämpferinnen und Kämpfer. Wenn ernste und längere Meinungsverschiedenheiten in der Partei auftauchen, kann die Formierung von organisierten Tendenzen oder sogar Fraktionen ein „notwendiges Übel“ sein. Deshalb muß das Recht zur Tendenz- und Fraktionsbildung intensiv gesichert werden. Genauso wie der Stalinismus das Wort „Kommunismus“ korrumpiert und entwertet hat, ist von ihm auch die leninistische Parteiorganisation in eine bürokratische Karikatur nach einem leblosen Einheitsprinzip verwandelt worden.

Zentralisierte Disziplin ist ein wichtiges Mittel zur Konzentration aller Kräfte der revolutionären Vorhut auf die Bourgeoisie und ihren Staat. Sie macht jede Parteiaktion wirksamer. Disziplin kann eine Überlebensfrage unter Bedingungen der Illegalität oder angesichts brutaler Unterdrückung sein. Demzufolge ist die revolutionäre Organisation kein Debattierverein. Wenn politischer Streit durch eine Abstimmung innerhalb der Organisation gelöst wird, ist es die Pflicht aller Mitglieder, alle Beschlüsse und Aktionen, die sich aus einem solchen Votum ergeben, loyal und systematisch auszuführen. Nach Durchführung solcher Beschlüsse und Aktionen ist es durchaus erlaubt, die Politik kritisch aufzuarbeiten und zu versuchen, sie zu ändern. Ein solch wahrhaft demokratischer Zentralismus ist in allen Etappen des Parteiaufbaus wesentlich.

Sehr oft werden die Anfangsstadien des Parteiaufbaus vornehmlich der Propaganda gewidmet sein. Wo es nur eine Handvoll Revolutionärinnen und Revolutionäre gibt, wird die Hauptaufgabe im jeweiligen Land in der Klärung der grundlegendsten Programmfragen bestehen. Nichtsdestotrotz streben wir danach, unser Programm durch Eingreifen in den Klassenkampf wo immer möglich zu erproben und anzuwenden. Wenn die Organisation zu einer kämpfenden Propagandagruppe heranwächst, wird sie zunehmend an Massenkämpfen teilnehmen. Sie wird um die Führung kämpfen, praktische Vorschläge machen, wie in den Kämpfen Siege errungen werden können, und wird die Lehren aus ihnen ziehen, um die fortgeschrittensten Elemente der Klasse für das revolutionäre Programm zu gewinnen.

Der Übergang von einer kämpfenden Propagandagruppe zur leninistischen Kampfpartei kann weder dadurch erreicht werden, daß sich eine Handvoll Kader in oberflächliche „Massenarbeit“ stürzt, noch dadurch, daß man sich opportunistisch in zugespitzten Klassenkampfsituationen anpaßt. Wo es bedeutende, sich nach links bewegende, zentristische Kräfte in zentristischen oder reformistischen Parteien gibt, kann es notwendig sein, in solche Organisationen mit der doppelten Zielsetzung eines gemeinsamen Kampfes gegen die rechten Parteiführerinnen und Parteiführer einerseits und dem Aufbau einer revolutionären Tendenz andererseits einzutreten. Auf diese Weise können die besten Klassenkämpfer für die Perspektive der Bildung einer revolutionären Partei versammelt werden. Diese Taktik ist keineswegs eine unumgängliche Etappe im Parteiaufbau und hat auch nichts zu tun mit dem strategischen „tiefen Entrismus“ verschiedener rechtszentristischer „trotzkistischer“ Organisationen seit Ende der 40er Jahre. Sie sind in den reformistischen Parteien tief begraben worden und sind seit langem vom Kampf für das revolutionäre Programm desertiert.

Eine wahrhaft revolutionäre Partei übt einen starken Einfluß auf die Avantgarde der Klasse aus. Sie besteht aus kommunistischen Kadern, weist eine umfangreiche landesweite Verankerung in den fortgeschrittenen Sektoren des Proletariats auf und ist imstande, Massenkämpfe zu organisieren. In revolutionären und vorrevolutionären Situationen muß sie sich zu einer Massenpartei entwickeln, um die Massen für den Kampf um die Macht zu organisieren.

Für eine revolutionäre Massenpartei der Arbeiterinnen und Arbeiter

In vielen imperialisierten, aber auch in einigen imperialistischen Ländern waren die Jahrzehnte des kapitalistischen Wachstums begleitet von einer massiven Ausdehnung des Proletariats und seiner Gewerkschaften ohne vergleichbares Anwachsen ihrer politischen Parteien. Arbeiterinnen, Arbeiter und Gewerkschaften verharren häufig bei den bürgerlichen oder kleinbürgerlich-nationalistischen Parteien oder gar bei Formen des Bonapartismus. Unter solchen Umständen wird der Kampf um die Schaffung einer revolutionären Partei aufs engste mit dem Kampf für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse verflochten sein.

In den USA der 30er Jahre hat Trotzki die Losung einer auf den Gewerkschaften fußenden Arbeiterpartei als Mittel zur Überwindung der politischen Rückständigkeit der US-Arbeiterinnen und Arbeiter und als Antwort auf das spürbare Bedürfnis nach einer politischen Organisation im Klassenkampfaufschwung Mitte der 30er Jahre entwickelt. Dies war keineswegs ein Aufruf zur Bildung einer reformistischen sozialdemokratischen Partei, sondern eine im Kampf um eine revolutionäre Partei von Trotzki entwickelte Taktik.

Im allgemeinen stellt die Losung der Arbeiterpartei ein wichtiges Propagandainstrument zur Unabhängigkeit der Klasse und zur Bloßstellung der Anbiederung der Bürokraten an die Unternehmer dar, kann aber gelegentlich auch zur scharfen agitatorischen Waffe werden. Der Aufruf für eine Arbeiterpartei ist eine Forderung an die Gewerkschaften zum Bruch mit den offenen Parteien der Bourgeoisie und zum Kampf für den Aufbau einer Partei der gesamten Arbeiterklasse. Die Gewerkschaften sollten aufhören, die Loyalität der Arbeiterklasse gegenüber ihren Klassenfeinden zu sichern. Sie haben einen zentralen Stellenwert in der Forderung, gerade weil sie generell unter den Bedingungen des verschärften Klassenkampfes greift, wo ein massiver Zustrom von radikalisierten Arbeiterinnen und Arbeitern in die Gewerkschaften stattgefunden hat (USA in den 30er, Südafrika und Brasilien in den 80er Jahren).

Falls die Revolutionärinnen und Revolutionäre unter solchen Umständen die Taktik der Arbeiterpartei nicht anwenden und nicht in den Gründungsprozeß eingreifen, besteht die Gefahr, daß die Reformisten die radikalisierten Arbeiterinnen und Arbeiter auf die Bildung einer reformistischen Partei oder einen erneuerten Pakt mit bürgerlichen oder kleinbürgerlichen Parteien lenken könnten.

Die Taktik der Arbeiterpartei ist keine unüberspringbare Etappe in der politischen Entwicklung der Arbeiterklasse. Ihre agitatorische Anwendung hängt von den jeweiligen konkreten Umständen in einem Land ab. Trotzdem machen wir klar, daß wir im Kampf um die Schaffung einer Arbeiterpartei deren Grundlegung auf einem revolutionären Programm vorschlagen. Wir wollen verhindern, daß eine reformistische oder zentristische Schlinge um den Hals des Proletariats gelegt wird. Aber der Charakter dieser Partei kann nicht im voraus ultimativ festgeschrieben werden. Er wird vom Kampf zwischen Revolutionärinnen und Revolutionären und den falschen Führern bestimmt.

Wo keine Tradition von politischer Massenorganisation der Arbeiterklasse existiert, gestattet der politische Kampf innerhalb der Arbeiterpartei zur Verteidigung von Arbeiterinteressen die Polarisierung der bestehenden politischen Tendenzen in der Arbeiterklasse. Dies zeigt sich in der Entwicklung der brasilianischen Arbeiterpartei (PT) während der 80er Jahre.

Die revolutionäre Internationale

Die Imperialisten und ihre Steigbügelhalter in den Halbkolonien und Arbeiterstaaten koordinieren ihre Aktionen gegen das Proletariat auf internationaler Ebene mittels der UNO, dem IWF, der Weltbank, dem RGW und Militärblöcken wie NATO oder Warschauer Pakt. Gegen ihre „Internationalen“ müssen wir eine revolutionäre Internationale der proletarischen Massen stellen, um den von der bürgerlichen Gesellschaft der Weltarbeiterklasse auferlegten Chauvinismus und Rassismus zu überwinden. Das Ziel dieser Internationale soll die revolutionäre Zerstörung der kapitalistischen und stalinistischen Herrschaft auf der ganzen Welt sein. Sie wird die Führung im Befreiungskampf der gesamten Menschheit vom Doppeljoch der Ausbeutung und Unterdrückung übernehmen. Die internationale Diktatur des Proletariats wird die Grundlage für ein sozialistisches Weltsystem herstellen und damit beginnen, alle Spuren der alten Ordnung auf ihrem Marsch zum Weltkommunismus auszumerzen.

Vor und nach der Revolution ist die Aufgabe zur Schaffung eines revolutionären Programms und einer revolutionären Partei eine internationale. Es kann nicht die Frage sein, zunächst für die Bildung großer nationaler Parteien einzutreten und sie dann in einer Masseninternationale miteinander zu verbinden. In nationaler Isolation aufgebaute Parteien werden nationaler Beschränktheit und Einseitigkeit unterliegen. In den imperialistischen Ländern wird dies eine Neigung zur Anpassung an Ökonomismus und Sozialchauvinismus bedeuten. In den Halbkolonien wird es zur Nachgiebigkeit gegenüber kleinbürgerlichem Nationalismus und zur Verwischung der klassenmäßigen Unabhängigkeit des Proletariats führen. In den stalinistischen Staaten wird es zu einer Anpassung an den „Reform“flügel der stalinistischen Bürokratien führen. Zur Überwindung des nationalen Drucks ist die Entfaltung einer weltumspannenden Perspektive und das Eingreifen in den internationalen Klassenkampf lebenswichtig. Die Herstellung praktischer Solidarität zwischen Arbeiterinnen und Arbeitern verschiedener Länder ist jederzeit vonnöten.

Heute ist keine revolutionäre Arbeiterinternationale vorhanden. Die sozialistische Internationale ging 1914 endgültig ins Lager des Reformismus über, als seine Hauptsektionen die „eigene“ Bourgeoisie im Ersten Weltkrieg unterstützten. Sie fungiert nunmehr als Koordinationszentrum für die sozialdemokratischen Reformisten und ihre arbeiterfeindlichen Pläne.

Die Komintern brach unter der erdrückenden Bürde des Stalinismus 1933 politisch zusammen, als ihre Politik Hitlers Machtergreifung erleichterte. 1943 löste sie Stalin auf zynische Art auf. Nichtsdestotrotz sind die Bindungen zwischen den Kommunistischen Parteien und den herrschenden Kasten in den degenerierten Arbeiterstaaten weiterhin stark. Eine verschleierte bürokratische Internationale verbindet die Mehrheit aller KPen mit Moskau. Aber der Kreml verfügt nicht mehr über das Loyalitätsmonopol. Der Eurokommunismus hat die westlichen KPen von Moskau entfernt und für andere stellen Kuba oder China eine ideelle und materielle Alternative dar. All dies bezeugt den fortwährenden Prozeß der Desintegration der stalinistischen Weltbewegung.

Die letzte revolutionäre Internationale, die von Trotzki 1938 gegründete IV., gibt es nicht mehr. Sie wurde auf der Perspektive begründet, daß sie rasch zur Führung von Millionen während der durch den Zweiten Weltkrieg hervorgerufenen revolutionären Krisen gelangen würde. Dies trat nicht ein, da Stalinismus und Sozialdemokratie gestärkt aus dem Konflikt hervorgingen. Die IV. Internationale aber operierte weiter mit ihrer Vorkriegsperspektive von bevorstehendem Krieg und Revolution. Geschwächt durch stalinistische und imperialistische Verfolgung und infolge politischer und organisatorischer Verwirrung und Unordnung im Krieg war die IV. Internationale unfähig, unter den neuen Bedingungen nach Kriegsende für die Weltarbeiterklasse einen Kurs anzugeben.

Zwischen 1948 und 1951 entfernte sich die IV. Internationale immer mehr von der marxistischen Methode, als sie eine Reihe von politischen Anpassungen vornahm und die führende Rolle im Klassenkampf angeblich „zentristischen“ Kräften stalinistischen, sozialdemokratischen oder kleinbürgerlich-nationalistischen Ursprungs überließ. Erstes und dramatischstes Beispiel hiefür war die Haltung zu Jugoslawien. Nach dem Bruch Tito – Stalin 1948 erklärte die IV. Internationale, daß Tito kein Stalinist mehr sei, und trat der Losung für eine politische Revolution in Jugoslawien entgegen.

Dieser Verfall wurde untermauert durch eine unmittelbare Weltkriegserwartung und dessen alsbaldige Umwandlung in einen internationalen Bürgerkrieg. Das Scheitern an der Aufgabe, Programm und Perspektive wiederzuerarbeiten, führte zur Übernahme einer systematisch zentristischen Methode auf dem Weltkongreß der IV. Internationale 1951; die IV. Internationale war politisch zerstört. In der bolivianischen Revolution 1952 unterstützte die zentristische IV. Internationale eine bürgerliche Regierung der nationalistischen MNR und verschwendete auf kriminelle Art das Potential für eine Arbeitermacht. 1951 hörte die IV. Internationale auf, als revolutionäre Organisation zu bestehen. 1953 beendete sie ihr Dasein als einheitliche Organisation, als sie in einander befehdende zentristische Fraktionen zerbrach, von denen keine eine politische Kontinuität mit der revolutionären IV. Internationale von 1938 bis 1948 verband.

Nach 1953 leistete das Spaltprodukt Internationales Sekretariat (IS) Pionierarbeit für die rechtszentristische Abweichung der IV. Internationale. Mit seinem Nachfolger ab 1963, dem Vereinigten Sekretariat der IV. Internationale (VS), hat sich diese Richtung folgerichtig an verschiedene stalinistische, kleinbürgerlich- nationalistische und sozialdemokratische Strömungen angepaßt. Die Hauptopposition zum Internationalen Sekretariat nach 1953 verkörperte das Internationale Komitee (IK).

Trotz gewisser teilweise korrekter Kritik am Internationalen Sekretariat wandte das Internationale Komitee im Grunde weiter die Methode der zentristischen IV. Internationale an. Die tiefe Entrismusarbeit seiner britischen Sektion in der Labour Party war durch und durch opportunistisch. Das IK beugte die Knie vor kleinbürgerlichem Nationalismus und Maoismus. Sein Markenzeichen war eine katastrophistische Perspektive, ein hohles Echo auf das Übergangsprogramm von 1938.

Wie bei der „sozialistischen“ und „kommunistischen“ Internationale dauert das Erbe des politischen und organisatorischen Niedergangs der IV. Internationale bis heute fort. Es gibt mehrere internationale zentristische Strömungen, die dieses Vermächtnis beanspruchen und mit denen wir uns politisch messen. Doch alle zeigen dieselbe Unfähigkeit, die Methode Lenins und Trotzkis anzuwenden, um die Weltarbeiterklasse zum Sieg zu führen. Die Tagesaufgabe ist klar: der Aufbau einer neuen revolutionär kommunistischen Internationale.

Die Liga für eine revolutionär-kommunistische Internationale (LRKI) ist das Instrument für die Schaffung einer neuen leninistisch- trotzkistischen revolutionären Masseninternationale. Wir fangen diesen Kampf nicht bei Null an. Wir stehen in der politischen Tradition von Marx und Engels erster Internationale, dem Kampf der revolutionären Internationalisten in der zweiten Internationale, den ersten vier Kongressen von Lenins kommunistischer (dritter) Internationale, Trotzkis Kampf für die Verteidigung und Wiedererarbeitung des revolutionären Programms sowie der revolutionären Positionen der vierten Internationale von 1938 bis 1948. Wir beginnen daher unsere Arbeit auf der Grundlage von Kämpfen und programmatischen Errungenschaften eines runden Jahrhunderts.

Der Kampf gegen Zentrismus

Der Zentrismus belegt eine Mittelposition zwischen revolutionärem Kommunismus und Reformismus und vermischt auf eklektische Weise die dem Kommunismus entlehnte Theorie mit der Anpassung an die „praktische Politik“ des Reformismus. Diese Erscheinung ist nicht neu. Gleich vom Beginn der marxistischen Bewegung vor anderthalb Jahrhunderten hat sich der Zentrismus in Gestalt von Organisationen entwickelt, die sich nach rechts von revolutionärer Politik wegbewegten (die sozialistische Internationale vor 1914, die stalinistische Komintern der 20er und frühen 30er Jahre, die IV. Internationale Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre). Aber wie bei den Pivertisten in der französischen SFIO Mitte der 30er Jahre und Strömungen in der ungarischen Revolution 1956 sind wir auch Zeugen von zentristischen Tendenzen geworden, die sich nach links vom Reformismus wegentwickelt haben.

Der Zentrismus ist prinzipiell unfähig, die Arbeiterklasse zum Sieg zu führen. Er gibt wohlklingende „revolutionäre“ Verlautbarungen ab, aber sträubt sich gegen die Verbindlichkeit einer klaren Strategie und eines konkreten Programms. Außerstande, Theorie und Praxis in Einklang zu bringen, fußt die theoretische Methode des Zentrismus v.a. auf Impressionismus: eine leichtfertige Entwicklung von „neuen Theorien“ für eine stets „neue“ Wirklichkeit, wobei Lehre und Methode des Marxismus mit Füssen getreten werden. Aufgrund der wilden Zickzacks des Zentrismus gehen während der raschen Ereignisse einer Revolution entscheidende Gelegenheiten verloren und die Initiative wird den bewußt konterrevolutionären Kräften von Sozialdemokratie und Stalinismus zurückgegeben. Von daher rührt seine Gefahr für die Arbeiterklasse. Immer dort, wo der Zentrismus die Arbeiterinnen und Arbeiter in einem entscheidenden Konflikt angeführt hat (Deutschland 1919, Italien 1920, China 1927, Spanien 1937, Bolivien 1952, 1971 und 1976, um nur einige Beispiele zu nennen), war das Ergebnis eine Katastrophe.

Das Beispiel der POUM im spanischen Bürgerkrieg zeigt, wie eine zentristische Organisation den Aufbau einer revolutionären Partei behindern kann. Die zentristische POUM hat die Massen nicht im entferntesten zum Siege geführt, sondern war eine linke Flankendeckung für die konterrevolutionäre stalinistische Volksfront und verschleierte den Verrat der Anarchisten und half somit, den Weg zur Niederschlagung der spanischen Arbeiterklasse durch Franco zu ebnen.

Zentrismus ist vor allem ein Phänomen der Bewegung (Entfaltung oder Degeneration) nach links oder rechts. Aber in Abwesenheit sowohl von revolutionären Massenereignissen wie auch eines mächtigen revolutionären Anziehungspols kann sich der Zentrismus längere Zeit behaupten, allerdings in verknöcherter Daseinsform. Dies war auch der Charakter des beginnenden kautskyschen Zentrismus in der zweiten Internationale vor 1914. Ein solcher Rechtszentrismus ist konsequent reformistisch in seiner Praxis, ist aber bis zu seinem Übergang ins Lager des Reformismus auch bereit, scheinrevolutionäre Phraseologien zu benutzen. Das ist der Charakter vieler Organisationen in allen Erdteilen, die vorgeben, „trotzkistisch“ zu sein.

Das Sektierertum fürchtet die realen Kämpfe der Arbeiterklasse. Es rechtfertigt seine Passivität im Namen der „Wahrung der Prinzipien“. Das Sektierertum hält sich von den Massenorganisationen der Arbeiterinnen und Arbeiter fern und versteckt sich lieber in schein“revolutionären“ Strukturen. Kurzum, es hat nichts gemeinsam mit revolutionärem Marxismus, dafür aber alles mit Zentrismus. Trotz aller Wunschvorstellungen eingefleischter Sektierer sind Sektierertum und Opportunismus keine Gegenpole, sondern Produkte derselben politischen Methode: beide haben kein Vertrauen in die Fähigkeit der Arbeiterklasse, sich um das revolutionäre Programm zu mobilisieren. Der Opportunist trachtet danach, das Programm zu verwässern, der Sektierer scheut vor entschlossener Intervention in die Klasse auf Grundlage dieses Programms zurück. Die Wesensgleichheit der beiden Methoden zeigt sich in dem sektiererischen Schwenk der zentristischen Komintern von 1928 bis 1933 und dem Ultralinkstum des Vereinigten Sekretariats von 1967 bis 1974.

Der Kampf gegen den Zentrismus aller Schattierungen ist ein entscheidendes Merkmal beim Aufbau jeder revolutionären Internationale gewesen. Marx und Engels kämpften gegen die Anarchisten; Lenin und Luxemburg führten den Kampf gegen die zentristische Führung der sozialistischen Internationale. Die Komintern gewann die linkszentristischen Syndikalisten in Frankreich und die deutsche USPD und spaltete den linken Flügel von der italienischen PSI ab. Im Kampf für die Bildung der IV. Internationale richtete Trotzki seine Polemik gegen die zentristischen Kräfte, die von der Komintern (z.B. Bordiga, Treint, Souvarine) oder von der Sozialdemokratie (z.B. die unabhängige Labour Party, ILP in Britannien und Pivert in Frankreich) herkamen. Gleichzeitig schlug er Aktionseinheiten mit den Zentristen und Zentristinnen wo immer möglich vor. So stehen auch wir zu den heutigen zentristischen Kräften.

Der Übergang vom Zentrismus zu revolutionärer Politik bedeutet nicht nur eine Entwicklung, sondern auch einen markanten Bruch. Es ist kein allmählicher oder unvermeidlicher Prozeß. Die große Mehrheit der zentristischen Organisationen ist nicht revolutionär geworden. Entweder haben sie sich aufgelöst (wie die ILP und die POUM in den 30er Jahren) oder sie sind zum Reformismus verkommen (die MIRs in Lateinamerika). Wo zentristische Parteien zu beträchtlichen Massenformationen geworden sind, können sie nicht lange das Gleichgewicht zwischen Reform und Revolution halten. Die PUM in Peru und die Democrazia Proletaria in Italien weisen immer stärker ausgesprochen reformistische Flügel auf.

Formen des instabilen Zentrismus sind auch während der letzten 40 Jahre unter dem Einfluß des Maoismus und der kubanischen Revolution besonders in den Halbkolonien entstanden. Obwohl die chinesische Kulturrevolution (1964-69) in Wirklichkeit ein bürokratischer Fraktionskampf war, hat das radikale Getön des maoistischen Flügels Sympathie bei Gegnern des Moskauer Stalinismus und bei antiimperialistischen Kräften geweckt. Maoistische Gruppen in der BRD, in Italien und einer Reihe von Halbkolonien gründeten sich auf radikalisierte, meist jugendliche Kräfte, und viele von ihnen durchliefen kurz eine Periode zentristischer Entwicklung. Die reaktionäre Realität des Maoismus, die sich im Massaker an proletarischen Kräften in Wuhan und Guandong während der Kulturrevolution und der Wiederannäherung an Nixon und Pinochet ausdrückte, brachte im Zusammenhang mit dem Aufschwung der europäischen Sozialdemokratie Anfang der 70er Jahre das Ende dieses Abschnitts. In den halbkolonialen Ländern Lateinamerikas degenerierten die MIR-Gruppen, die unter dem Einfluß von Guevarismus und kubanischer Revolution entstanden waren, rasch zu sozialdemokratischen, kleinbürgerlich- nationalistischen oder gar ausgesprochen bürgerlichen Parteien. Zentristische Tendenzen eines anderen Ursprungs haben sich angesichts der Krise des Stalinismus in den degenerierten Arbeiterstaaten entwickelt. Sie vereinigen revolutionäre Feindschaft zum Regime mit oft sozialdemokratisch beeinflußtem programmatischen Wirrwarr.

Die derzeitige Hauptform des Zentrismus auf internationaler Ebene hat ihre Wurzeln im Verfall der IV. Internationale. Organisationen dieses Ursprungs haben Teilkritik an Sozialdemokratie, Stalinismus oder den degenerierten Bruchstücken der IV. Internationale geübt. Viele haben versucht, eine revolutionäre Kontinuität wiederherzustellen, aber alle uns bekannten Versuche sind gescheitert. Keine dieser Gruppen war in der Lage, ein revolutionäres Programm für die Massen konsequent auszuarbeiten, und konnte es weder in Alltagskämpfen noch in größeren revolutionären Situationen der letzten 40 Jahre umsetzen. Im allgemeinen waren ihre Fehler entsprechend ihrer fehlenden Verankerung in der Arbeiterklasse für den Ausgang von Kämpfen des Weltproletariats von geringer unmittelbarer Konsequenz. Nichtsdestotrotz haben sich trotzkistisch nennende Zentristen bedeutsame Rollen beim Fehlschlag der Revolution von 1952 in Bolivien und beim Ausverkauf einer Massenbewegung in Sri Lanka 1964 und in Peru 1978 bis 1980 gespielt.

Korrumpiert durch opportunistische Anpassung haben diese Organisationen die Fehler der zentristischen IV. Internationale wiederholt, indem sie an den „revolutionären Prozeß“ geglaubt haben und der einen oder anderen „linken“ Tendenz im Reformismus oder im kleinbürgerlichen Nationalismus in der Hoffnung nachgelaufen sind, daß sie sich als neues Instrument für die ins Stocken geratene „Weltrevolution“ erweisen würden.

Dies trifft für die systematische Anpassung des Vereinigten Sekretariats zu. Sie halten Nikaragua für einen gesunden Arbeiterstaat und kämpfen nicht für den Sturz des bürokratischen Castro-Regimes auf Kuba. Dies gilt auch für die von Moreno gegründete Internationale Arbeiter Liga, die sich zunächst an den Peronismus und dann an den Stalinismus in ihrem Ursprungsland Argentinien anpaßte. Nicht minder auffällig ist die Politik des Nachtrabens hinter kleinbürgerlichen Nationalisten und Reformisten, wie sie die von der lambertistischen Strömung gegründete IV. Internationale (internationales Zentrum für den Wiederaufbau) betreibt. Sie jubelte die algerischen Nationalisten als „Bolschewiken“ hoch und schlägt den Aufbau einer „Arbeiterinternationale“ auf einem reformistischen Programm vor, das sich auf bürgerlich demokratische Forderungen konzentriert. Die internationale Tendenz um die britische „Militant“-Gruppe, die ihre Ursprünge in der IV. Internationale verheimlicht, strebt nach der Umwandlung der sozialdemokratischen Parteien. Die Gruppierungen um die britische Socialist Workers Party und die französische Organisation Lutte Ouvriere passen sich an den spontanen Arbeiterkampf an und machen keinen praktischen Gebrauch vom Übergangsprogramm. Daß diese Organisationen in verschiedener Form seit 40 Jahren weiterbestehen, ist ein Beweis für ihre Isolation von der internationalen Arbeiterklasse, jedoch nicht für die Stärke oder Gültigkeit ihrer Politik.

Die Kräfte für eine neue Internationale werden viele der besten Klassenkämpferinnen und -kämpfer einschließen, die gegenwärtig in den zentristischen Organisationen gefangen sind. Die Sektionen unserer eigenen internationalen Organisation haben alle ihren Ursprung in Brüchen mit dem Zentrismus. Spaltungen, Fusionen und Umgruppierungen werden sich als notwendig erweisen, und für die LRKI ist es besonders wichtig, sich in Polemik und gemeinsamer Aktion mit jenen Zentristen zu engagieren, die sich fälschlicherweise als Trotzkisten bezeichnen. Zu diesem Zweck beginnen wir mit Trotzkis Devise „Zuerst das Programm!“

Baut die LRKI, baut eine revolutionär- kommunistische Internationale auf!

Der Imperialismus ist ein gewaltiger Feind. Er verfügt über reiche Reserven, die er nutzt, um die reformistischen Führer des Proletariats zu korrumpieren und gefügig zu machen; er unterhält einen riesigen Staatsapparat, mit dem er Arbeiterinnen und Arbeiter überall auf der Welt unterdrückt und tötet. Aber er kann den Klassenkampf, der unaufhörlich auf Grund der grundlegenden Widersprüche des Kapitalismus ausbricht, nicht unterbinden. Jeder Zyklus der Expansion und Prosperität bringt Vertrauen für den Kampf. In jeder Krise spornt es die ausgebeuteten zu weiteren Angriffen auf die Herrscher der Welt an.

Gleich, ob die Gelegenheit früher oder später kommt, alle Agenten des Kapitalismus in den Abgrund zu stürzen – die Weltarbeiterklasse braucht eine internationale revolutionäre Partei. Die LRKI schickt sich an, eine solche Weltpartei der kommunistischen Revolution aufzubauen. Wir haben mit der Erarbeitung einer Reihe von revolutionären Positionen zu wichtigen internationalen Kämpfen und mit der Neuerarbeitung des internationalen revolutionären Programms begonnen. Diese Aufgabe ist seit beinah 50 Jahren überfällig, aber mit unserem Herangehen stellen wir unser Programm auf Politik und Methoden des unverfälschten Trotzkismus, des revolutionären Marxismus. Unser Ziel ist der Aufbau einer neuen Weltpartei der kommunistischen Revolution, einer wiederbegründeten leninistisch-trotzkistischen Internationale.

Ist die LRKI weit von diesem Ziel entfernt? Sind ihre Kräfte zu gering angesichts einer Herausforderung dieser Größenordnung? Es stimmt zwar, daß unsere Kräfte schwach sind, weit schwächer noch als Trotzkis IV. Internationale bei der Gründung 1938. Wir haben bislang nur eine Handvoll Kader in nur wenigen Ländern. Aber wir haben keine Veranlassung, uns davon entmutigen oder von der Inangriffnahme des Kampfes abschrecken zu lassen. Trotz einer langen Periode imperialistischer Stabilität zur Jahrhundertmitte bleibt die imperialistische Epoche eine Epoche von Kriegen und Revolutionen. Doch die Ereignisse vollziehen sich nicht in einem gleichmäßigen Tempo, ebensowenig wie Parteien einfach durch allmähliche Kaderakkumulation aufgebaut werden. Es kommen Perioden von Krieg und Revolution, wo die Aufgaben von Jahren oder Jahrzehnten in Wochen oder Monaten vollendet werden können. Aber damit das Proletariat solche Perioden nützen kann, müssen wir ein Programm haben, auf dem wir aufbauen können, und Kader, die zur Führung fähig sind. Deshalb gilt es, keine Zeit zu verlieren. Wir müssen die Fundamente jetzt legen. Wir appellieren an alle Kämpferinnen und Kämpfer, die sich auf die revolutionären Traditionen des internationalen Proletariats berufen und die sich von den zentristischen Schwankungen abgestoßen fühlen; wir appellieren an alle kämpferischen Arbeiterinnen und Arbeiter, die gegen den Verrat des Reformismus, des kleinbürgerlichen Nationalismus und der Gewerkschaftsbürokratie revoltieren:

Schließt euch uns an!




Linkspartei: Die Bewegungslinke als Retterin in der Not?

Jaqueline Katherina Singh, Neue Internationale 276, September 2023

Es ist wie ein Unfall, bei dem man nicht wegsehen kann, oder Gossip Girl im Real Life: die Krise der Linkspartei. Seit Beginn des Jahres hat sich die Situation stetig zugespitzt.

Mitte März gab Wagenknecht ein Interview bei ZDFheute, in dem sie erklärte, über die Gründung einer neuen Partei nachzudenken. Nachvollziehbar fand das der aktuelle Parteivorstand weniger unterhaltsam – nach mehreren offenen inhaltlichen Abweichungen von Positionen der Parteitage und nach Veröffentlichung des Buches „Die Selbstgerechten“, was als Gegenprogramm zur eigenen Partei gelesen werden kann.

Es folgte am 25. Juni ein Treffen von Wissler, Schirdewan und Wagenknecht mit Amira Mohamed Ali und Bartsch als Vermittler:innen, bei dem Wagenknecht eine Frist gesetzt wurde.

Dies wurde ihrerseits mit einem weiteren Interview, diesmal für Die Welt, beantwortet. Der Parteivorstand verabschiedete daraufhin Mitte Juni einen Brief mit einem Appell, dass jene, die darüber nachdenken, eine neue Partei zu gründen, ihr Mandat niederlegen sollten. Das ist sicher nachvollziehbar, denn welche Partei will schon die Neugründung ihrer Konkurrenz aus eigenen Mitteln finanzieren? Somit ging die öffentliche Schlammschlacht in die nächste Runde.

Die Fraktionsvorsitzende Mohamed Ali trat Anfang August zurück und Klaus Ernst stellte nach 15 Jahren Mandat fest, dass es Leute in der Partei gibt „deren Kontakt zur Arbeit sich darauf beschränkt, dass sie mal als Schüler oder Student ein Regal bei Aldi eingeräumt haben“. Der Parteivorstand wäre „eine große Truppe politikunfähiger Clowns in der Partei“. Kurzum: Die Grabenkämpfe verschärfen sich und die Stimmen, die nach Einheit rufen wie Gysis oder Pellmanns, wirken nur noch unfreiwillig komisch. Denn es ist mittlerweile klar, dass es so nicht weitergehen kann und ein Parteitag zur „,Verständigung und Versöhnung’ der verschiedenen ‚Lager’“, wie es der Leipziger Verband vorschlägt, nichts richten kann.

Seit der Bundestagswahl haben rund 8.000 Mitglieder die Partei verlassen. Bei einem offenen Bruch der Wagenknecht-Anhänger:innen wird noch ein Teil mitgehen, der sich rund um #aufstehen oder die Populäre Linke formiert hat.

Von den Landtagswahlen in Bayern erhofft man in der Regel nicht viel, daher spielt das Resultat für die Zukunft der Partei keine große Rolle. Doch Hessen konnte in der Vergangenheit auch Wahlerfolge erzielen. Daher kommt den zu erwartenden Verlusten Bedeutung zu. Der öffentliche Zersetzungsprozess hilft natürlich recht wenig im Wahlkampf, zum anderen ist der hessische Landesverband seit dem #linkemetoo ohnedies nicht bestens aufgestellt.

Das Problem ist Folgendes: Auch wenn Schirdewan und Wissler jetzt konsequent erscheinen wollen und harte Kante gegenüber Wagenknecht zeigen, so ist die Partei seit Jahren in einer Krise. Wagenknecht macht dies, Wagenknecht sagt das, Wagenknecht geht – die politischen Debatten um die inhaltlichen Fragen werden dabei medial um sie fokussiert. Das scheint die Debatte zu entpolitisieren. Eine inhaltliche Abgrenzung erfolgt zwar teilweise, aber auch nur indirekt, beispielsweise durch die Vorschläge für die Kandidat:innen zur Europawahl. Trotzdem bleibt es dabei: Darauf zu warten, dass Sahra geht, bedeutet für die, die bleiben, eine Schwächung ihrer eigenen Position. Doch wenn Wagenknecht geht, wird zwangsläufig die Frage aufgeworfen: Was machen die Hinterbliebenen? Und wer bleibt überhaupt?

Wer bleibt?

Denn es gibt sie. Die Leute, die weitermachen wollen. Die glauben, dass die Partei zu retten ist, und Hoffnung hegen. Bisher am deutlichsten dazu bekannt haben sich Anhänger:innen der Bewegungslinken, die seit den letzten beiden Parteitagen auch zahlreich im Vorstand der Partei vertreten sind. Sie planen ihrerseits eine „Zukunftskonferenz“, bei der ganze 350 Leute teilnehmen können. Nach diversen internen Regionalkonferenzen versuchen sie, die Grundlage für einen „Neustart“ in die Wege zu leiten.

Natürlich werden auch die Regierungssozialist:innen bleiben, denn schließlich sind sie – und nicht der Vorstand – neben der Parlamentsfraktion das eigentliche Machtzentrum der Partei. Beiträge zur Debatte liefern sie wenig bis keine. Weder Bodo Ramelow noch Klaus Lederer lassen vernehmen, was sie eigentlich von der Krise der Partei halten und wie beziehungsweise wo sie ihre eigene Zukunft sehen. Das haben sie aber auch nicht nötig, denn ihre Regierungspolitik wird von der Bewegungslinken nicht in Frage gestellt (und sie wurde es auch nicht von den Wagenknecht-Leuten).

So kommt es, dass seit rund 1,5 Monaten die Debattenseiten brodeln und vornehmlich Ideen aus dem linken Flügel diskutiert werden, ob bei luXemburg, Jacobin, dem nd oder den Kommentarspalten der sozialen Medien. Die Ideen sind dabei vielfältig. Da mit der Partei fast nichts möglich scheint, kann auch jede/r eigene Utopien mit zum Besten geben. So formuliert Thomas Goes den Wunsch nach einer neuen ökologischen Arbeiter:innen- und Volkspartei, Ulrike Eifler fordert, dass sich DIE LINKE mehr auf Gewerkschaften zu fokussieren hätte. Thies Gleiss spricht von der Notwendigkeit des Neustarts durch die Einbindung der Basis und Abschaffung von Posten.

Die Linke und der Neustart?

Die beiden bekanntesten Texte sind wohl der erste Aufschlag von Mario Candeias „Linke Krise und Neubeginn“ sowie die Antwort von Ines Schwerdtner und Michael Brie „Für eine konstruktive Erneuerung der Partei DIE LINKE“.

Candeias beginnt damit, dass sich DIE LINKE gesamtgesellschaftlich in der Defensive befindet. Dieser Zustand würde ein Jahrzehnt anhalten und verursacht durch eine „innergesellschaftliche Polarisierung zwischen den Trägern einer grün-liberalen Modernisierung und den autoritären Verteidigern einer fossilistischen Lebensweise“.

Hochgestochene Worte, die nichts anderes heißen als eine Zunahme der Zersplitterung und Fragmentierung innerhalb der Flügel des bürgerlichen Lagers anhand der Klimakrise. So weit so gut. Es ist letztlich eine Stärke des Texts, sich zuerst mit den gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen auseinanderzusetzen, um daraus Schlüsse für die kommende Zeit abzuleiten.

Neben der Fragmentierung des bürgerlichen Lagers, der Defensive der Linken darf die zunehmende Krisenhaftigkeit nicht fehlen. Auch wenn dies alles richtige Punkte sind, so muss man diese eher aus den Thesen herausfiltern. Verloren geht dabei das Verhältnis der unterschiedlichen Problematiken zueinander, was dann letzten Endes dazu führt, dass die Krise der Partei recht unspektakulär in der 2. These heruntergebrochen wird:

„Ursächlich für die Krise der Partei war auch, dass politische Konfliktlinien und Widersprüche sich mit Fragen innerparteilicher Macht und des Kampfes um Ämter und Positionen verwickelten. Es geht um eine Neuordnung des Parteiensystems, sowohl zwischen den Parteien wie auch in ihrem Inneren. Besonders zugespitzt trifft es jene, bei denen der reale Wille zur Macht angesichts von Wahlergebnissen und Umfragen nicht mehr als Kitt zwischen den Strömungen und Flügeln wirkt. Dann schlägt die mediale Dynamik zu, die eben solche Differenzen zu mächtigen Gegensätzen werden lässt, in denen einzelne sich gegen die Partei profilieren und die Zentrifugalkräfte die Partei auseinandertreiben.“

Diese Aussage bringt gleich mehrere Probleme mit sich. Zum einen stellt sie den Machtkampf zwischen den politischen Flügel um Ämter als Problem besagter Posten dar. Auch wenn die Art und Weise, wie die Ämter in der Linkspartei gestaltet sind, problematisch ist (und sinnvoll durch Thies Gleiss kritisiert wurde), so ist es doch nur logisch, dass jede politische Strömung versucht, den eigenen Einfluss zu stärken.

Das heißt: Das grundlegende Problem besteht viel eher darin, dass die inhaltlichen Differenzen zu groß sind und sich dementsprechend die Partei im internen Machtkampf jahrelang selber blockiert hat. Die Fliehkräfte, die dabei entstehen, werden durch die Medien (und mangelnde Parteidisziplin) verschärft, aber nicht, wie im Folgenden behauptet, erst durch die Medien verursacht.

Nicht sie sind es, die Differenzen zu mächtigen Gegensätzen ausarten lassen, sondern die inhaltlichen Punkte an sich. Denn zwischen Regieren und Nicht-Regieren, offenen Grenzen und Abschottung, Militarismus, Pazifismus und Internationalismus kann man letztlich keine Kompromisse herbeireden und versuchen, ihre friedliche Koexistenz herbeizuzaubern. Spätestens wenn diese Fragen praktisch gestellt werden, fliegt die „Einheit“, die nie eine war, auseinander. Das Problem der Linkspartei ist nicht, dass jetzt Wahlniederlagen und mangelnde Machtoptionen, also Regierungsämter, die Partei auseinandertreiben. Die reformistische Partei war vielmehr schon immer auf der Unvereinbarkeit des Unvereinbaren aufgebaut – Regierung und „Opposition“ gleichzeitig sein zu wollen. Richtig an Candeias’ Bemerkung ist letztlich nur, dass sich die inneren Gegensätze leichter kitten lassen, wenn die Partei elektoral erfolgreich ist, wenn also alle Seiten ihren Anteil am Erfolg und den Pfründen, die damit einhergehen, erhalten können.

Das eigentlich „Neue“ ist letztlich bloß die Einschätzung, dass auf das „linkskonservative Spektrum um Sahra Wagenknecht keine Rücksicht mehr genommen werden (muss) – von ihr selbst erklärt, haben wir bereits eine Situation Post-Wagenknecht.“

Zu wirklichen Ideen der Erneuerung treibt das aber nicht. So heißt es unter anderem in These 2: „Solidaritätsinitiativen können wichtige Ausgangspunkte dafür sein. Im besten Falle gesellen sich dazu Enklaven eines rebellischen Regierens in Städten und Räumen, in denen es der Linken gelingt, relative Mehrheiten zu organisieren und gesellschaftliche Bewegungen, Organisierung und institutionelle Politik in ein produktives Verhältnis zu bringen.“

Dies ist nichts anderes als Gramscis Konzept des Stellungskrieges, reformistisch neu aufgewärmt, verbunden mit einer klaren Ansage, dass Regieren auf jeden Fall möglich sein sollte. Kritiker:innen fragen sich an dieser Stelle zu Recht: Wo ist dann der Unterschied zur bisherigen Politik und Strategie? Denn die Phrase des rebellischen Regierens wurde auch fleißig in Berlin verwendet, wo dann durch die Berliner Linkspartei der Volksentscheid zu Deutsche Wohnen & Co enteignen erfolgreich verschleppt wurde – aus Angst, die Koalition zu sprengen, die Posten zu verlieren und in Opposition für die Verbesserungen der Klasse zu kämpfen. Besonders viel hat das nicht gebracht. Aber gut, man konnte die Umfragewerte auch immer auf den Zustand der Bundespartei schieben.

Candeias redet auch nicht unmittelbar von der Notwendigkeit des Sturzes des Kapitalismus, sondern formuliert nur den alten Gedanken des reformistischen Gradualismus neu, indem er den Sozialismus zur weit entfernten Zukunftsvision erklärt:  „Dazu gehört, eine Perspektive offenzuhalten, die an einem Ende des Kapitalismus arbeitet, an einer solidarischen Gesellschaft“. Dazu gehört die langsame Transformation durch „selbstverständliche Dinge“ wie kostenlose Gesundheitsvorsorge, bezahlbaren Wohnraum oder „demokratische Mitsprache, die etwas bewegt“. Die Bewegung ist – wie schon bei Bernstein – alles, das Ziel ein schöner Trost, also nichts.

Die Partei soll dadurch gerettet werden, dass man inhaltlich weitermacht wie bisher. Aber – und das ist jetzt die „Neuerung“ – es brauche eine disruptive Neugründung. Wem der Begriff jetzt nichts sagt, der/die braucht sich nicht dumm zu fühlen. Vielleicht könnte man auch einfach meinen, dass der Begriff an sich nicht sinnvoll gewählt ist. In der Praxis heißt das laut Candeias ein „umgekehrter Weg von #aufstehen, vergleichbar eher mit Momentum in Großbritannien: Es wird eine Struktur für Aktive, Gewerkschafter*innen und zivilgesellschaftliche Organisationen geschaffen, die nicht Teil der Partei sein wollen (oder können) und sich dennoch in eine verbindliche Unterstützungsstruktur einbringen wollen.“ Denn sobald die „mediale Diskursdynamik“ einsetzt, hat man eh nur zwei Wege: diese Form der Neugründung nach Corbyn oder die Gründung einer neuen Organisation wie Podemos in Spanien. Es geht also nur um einen Imagewechsel, damit man nicht als Verlierer:innen dasteht, wenn Wagenknecht geht. Das ist zwar ein reales Problem, was sich aus der mangelnden Politisierung des Bruchs heraus ergibt, löst aber die Kernprobleme nicht, sondern sorgt allenfalls dafür, dass Aktivist:innen getäuscht und letztlich enttäuscht werden.

Drei Gespenster gehen um

Eine Antwort auf den Beitrag ließ nicht lange auf sich warten. Die wohl bekannteste stammt von Ines Schwerdtner und Michael Brie. Während ihre Kritik an Candeais nur mäßig ist, werfen sie im zweiten Abschnitt ihres Textes zentrale Fragen auf.

Ihr Gegenmodell zur disruptiven Neugründung ist die „konstruktive Erneuerung“. Damit diese erfolgreich ist, müssen ihrer Meinung nach mehrere Fragen diskutiert werden:

„Eine solche konstruktive Erneuerung der Partei DIE LINKE verlangt, dass Richtungsentscheidungen getroffen werden. […] Es geht erstens um Inhalte, zweitens den Politikstil und drittens die Führungsfähigkeit in einer aktiven Mitgliederpartei, es geht um das Was, es geht um das Wie und es geht um das Wer. […] Die erste Entscheidung, die die Partei DIE LINKE treffen muss, ist die nach ihrer Funktion. Was will sie sein: Will sie der soziale Flügel des herrschenden Parteienblocks von Grünen und SPD bis FDP und CDU/CSU sein, oder will sie einen eigenen parteipolitischen Pol einer Politik repräsentieren?“

Diese Feststellungen mögen banal scheinen, doch wer längere Zeit in der Partei oder ihrem Umfeld verbracht hat, weiß, dass das die Fragen sind, die DIE LINKE seit Jahren umtreiben. Ohne klare Aussage zur Regierungsbeteiligung, wer das Subjekt der Veränderung ist, oder zum Verständnis des bürgerlichen Staates kommt es unweigerlich immer wieder zu den Flügelkämpfen, wie oben bereits ausgeführt.

Ebenso der 2. Punkt: „Die zweite Entscheidung betrifft den Typus von Politik. Es geht um das Wie: Soll Politik – und sei es die richtige – verordnet werden oder aus demokratischen Prozessen und der Selbstermächtigung der Betroffenen hervorgehen?“ Kritischer zu sehen ist jedoch die im Anschluss aufgestellte These: „Sozialistische Klassenpolitik bedeutet, die Fragen ausgehend von den Lohnabhängigen zu stellen, ihre Lage, ihre Sichtweisen, ihren Stolz auf die eigene Leistung, ihre Ansprüche auf Selbst- und Mitbestimmung zum Ausgangspunkt zu nehmen. Die Gewerkschaften sind dabei der wichtigste gesellschaftliche Partner. Zugleich ist linke Politik nur dann möglich, wenn sie dazu beiträgt, dass Klimabewegung, Friedensbewegung, feministische, antirassistische und antifaschistische Bewegungen sich aktiv in die sozialen Kämpfe einbringen und sie gemeinsam prägen. Eine wirklich linke Partei ist vor allem der politischen Vertretung der Lohnabhängigen im weitesten Sinne verpflichtet und hat die Aufgabe, dies mit Projekten des solidarischen Umbaus der Gesellschaft mit sozialistischem Ziel zu verbinden. Das ist radikale, transformatorisch orientierte Realpolitik im Sinne von Rosa Luxemburg.“

Auch hier treten zwei Probleme auf: Während es richtig ist, dass es Aufgabe einer revolutionären Organisation ist, zentrale Fragen seitens der Lohnabhängigen aufzuwerfen, muss auch dazu gesagt werden, dass es ihre Aufgabe ist, eine Perspektive zu zeigen, wie die jeweiligen Fragen positiv beantwortet werden können. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass man nicht immer das gegebene Bewusstsein als Ausgangspunkt nehmen kann und auch manchmal Bewegung initiieren muss, wenn es keine gibt. So wäre es beispielsweise notwendig gewesen, während der Coronapandemie nicht nur auf dem Balkon zu stehen und zu klatschen, sondern praktische Initiativen zu setzen wie eine Solidaritätskampagne für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege, die im Kern aufzeigt, warum Reproduktionsarbeit im Kapitalismus immer schlechter bezahlt wird. Darüber hinaus kann man vieles über Rosa Luxemburg sagen, sie aber als Ausgangspunkt für „radikale, transformatorisch orientierte Realpolitik“ zu nehmen, stellt eine komplette Verkehrung ihrer Theorie und Praxis dar. Dies wird spätestens da ersichtlich, wo man sich ihr Staatsverständnis anschaut, das nicht darauf hindeutet, dass man sich an realpolitischen Fragen dauerhaft abarbeiten sollte. In ihrer Polemik gegen Bernstein bringt Luxemburg bekanntlich das Verhältnis von Reform und Revolution auf den Punkt:

„Die gesetzliche Reform und die Revolution sind also nicht verschiedene Methoden des geschichtlichen Fortschritts, die man in dem Geschichtsbuffet nach Belieben wie heiße Würstchen oder kalte Würstchen auswählen kann, sondern verschiedene Momente in der Entwicklung der Klassengesellschaft, die einander ebenso bedingen und ergänzen, zugleich aber ausschließen, wie z. B. Südpol und  Nordpol, wie Bourgeoisie und Proletariat.

Und zwar ist die jeweilige gesetzliche Verfassung bloß ein Produkt der Revolution. Während die Revolution der politische Schöpfungsakt der Klassengeschichte ist, ist die Gesetzgebung das politische Fortvegetieren der Gesellschaft. Die gesetzliche Reformarbeit hat eben in sich keine eigene, von der Revolution unabhängige Triebkraft, sie bewegt sich in jeder Geschichtsperiode nur auf der Linie und solange, als in ihr der ihr durch die letzte Umwälzung gegebene Fußtritt nachwirkt, oder, konkret gesprochen, nur im Rahmen der durch die letzte Umwälzung in die Welt gesetzten Gesellschaftsform. Das ist eben der Kernpunkt der Frage.“ (Luxemburg, Sozialreform oder Revolution, Luxemburg, Gesammelte Werke 1/1, S. 427f.)

Brie und Schwerdtner hingegen fassen die „Revolution“ letztlich rein reformistisch, als in die Länge gezogene kontinuierliche gesetzliche und soziale Reform auf. Der Klassenkampf zielt nicht auf die revolutionäre Machteroberung der Arbeiter:innenklasse, sondern bildet nur das Druckmittel zur stetigen Reform, die auf wundersame Weise zur Transformation der Gesellschaft führen soll.

So ist es nicht verwunderlich, dass auch der dritte Punkt Bauchschmerzen hervorruft. „Die dritte Entscheidung, die getroffen werden muss, ist die der Herstellung eines strategischen Zentrums, das zugleich die wichtigsten vorhandenen kooperationswilligen Orientierungen in der Partei zusammenführt und in der Lage ist, die oben genannten zwei Aufgaben des Was und Wie überzeugend anzugehen. Es ist diese Aufgabe, die zuerst gelöst werden muss, um endlich überzeugend das Was und Wie linker Politik anzugehen. Es gibt Anzeichen, dass Kräfte in der Linken zunehmend bereit sind, sich dieser Aufgabe gemeinsam zu stellen, doch sie bedingt eine politische Führung, die konstruktiv integrierend agiert.“

Man könnte auch sagen – zuerst brauchen wir eine Führung, dann ergeben sich Strategie und Taktik. Dass diese Auffassung ernsthaft vertreten wird, verweist aber auch darauf, dass die beiden verbliebenen Flügel der Linkspartei – Bewegungslinke und Regierungssozialist:innen – beide fest auf dem Boden des Reformismus stehen, dass beide mit der Formel des „rebellischen Regierens“ einverstanden sind, wobei die Bewegungslinke das Rebellieren, die Ramelows und Lederer das Regieren übernehmen. Die Aufgabe des „strategischen Zentrums“ besteht dann vor allem darin, die Politik der beiden Flügel, Parlamentarismus und Protestbewegung, zu vermitteln.

Reformismus reloaded?

Aus den Debattenbeiträgen zeichnet sich ab: Es gibt ein Bewusstsein, dass die Krise der Linkspartei weit tiefer geht als Sahra Wagenknecht. Zugleich wird jedoch auch deutlich: Weder bei der „disruptiven Neugründung“ noch bei der „konstruktiven Erneuerung“ geht es im eine grundsätzliche Veränderung der Politik der Linkspartei.

Wenn große Worte wie „Arbeiter:innenpartei“ oder „sozialistische Klassenpolitik“ mehr als Phrasen sein wollen, braucht es eine Bilanz der inhaltlichen Orientierung, der programmatischen Grundlagen und Praxis der letzten Jahre. Während Anhänger:innen der vereinenden Flügel mit den Augen rollen werden, so bleiben die Probleme der Linkspartei weiterhin gleich.

Natürlich ist es nicht ausgeschlossen (wenn auch keineswegs gesichert), dass ein reformistischer Neustart eine Zeit lang gelingt und man sich unter einem Label Linke+ vorübergehend retten kann. Doch selbst wenn er DIE LINKE als Partei retten sollte, so werden die Problem, die zu ihrer aktuellen Krise führten, nur in neuer Form wieder auftauchen.

Man sollt sich daher auch nicht der Illusion hingeben, dass Machtkämpfe verschwinden oder Demoralisierung Geschichte wird. Denn was Candeias wie auch Brie und Schwerdtner vorschlagen, ist nur der gleiche Inhalt neu eingekleidet. Ein bisschen radikaler, ein bisschen direkter. Aber wer keine klare Linie aufzeigt, wird sich früher oder später an einem ähnlichen Punkt wiederfinden wie heute, spätestens wenn es darum geht. mitzuregieren oder die Interessen einer Bewegung praktisch zu erkämpfen.

Was ist also die Aufgabe von Revolutionär:innen und Linken innerhalb und außerhalb der Linkspartei?

Erstens muss die aktuelle Debatte mit Inhalten gefüllt werden. Und das heißt, es muss nach der tiefen Existenzkrise der reformistischen Partei grundsätzlich die Frage gestellt werden, welche Partei wir brauchen? Eine reformistische, also auf dem Boden mehr oder weniger „radikaler“ Reformpolitik verbleibende, bürgerliche Partei – oder eine revolutionäre Kampfpartei, deren Ziele die Errichtung der Herrschaft der Arbeiter:innenklasse und die sozialistische Weltrevolution bilden?

Diese Grundsatzfrage müssen sich gerade die Sozialist:innen und Kommunist:innen in um die Partei stellen. Denn auch sie haben in den letzten Jahren keine Politik betrieben, in der Partei den Bruch mit dem Reformismus herbeizuführen, sondern das Elend mehr oder weniger mitverwaltet oder, im Falle von marx21, auch mitgestaltet.

Damit diese Frage nicht bloß auf der Ebene eines Bekenntnisses verbleibt, einer bloßen Überzeugung und Gesinnung, braucht es auch eine Diskussion um ein Aktionsprogramm, das zentrale Fragen des gewerkschaftlichen und betrieblichen Kampfes, der Klima- und Frauenbewegung beantworten kann, aber auch gleichzeitig aufzeigt, wie man dem bürgerlichen Staat und dem Reformismus innerhalb der Arbeiter:innenklasse die Stirn bietet. Vor allem aber muss es eine Brücke von den gegenwärtigen Tageskämpfen zum Kampf für den Sozialismus schlagen.

Um dieses lohnt es sich, in der aktuellen Situation klassenkämpferische Aktivist:innen zu sammeln, die Interesse haben, eine solche Kraft aufzubauen – in dem Wissen, dass man nicht alle anderen mitnehmen kann. Klar, es ist schöner, wenn man größer ist. Es ist bequemer und man kann sich selbst der eigenen Wichtigkeit vergewissern. Doch jene, die auf die Notwendigkeit einer breiten, politisch aber in Grundfragen gespaltenen Linken verweisen, weil man sonst so zersplittert und geschwächt ist, sollten auch beantworten, ob ein sich streitender Haufen, der keine Kämpfe für die Verbesserung der Arbeiter:innenklasse und Unterdrückten praktisch anführt, wirklich so relevant ist, dass man daran festhalten muss. Denn eine andere Welt ist möglich, wenn wir einen Plan haben, wie wir den Kapitalismus zerschlagen können.




Marx21, DIE LINKE und der Cliffismus

Martin Suchanek, Neue Internationale 274, Juni 2023

Die Krise und drohende Spaltung der Linkspartei ist auch eine Krise der strategischen Ausrichtung von marx21. Wie keine andere sozialistische oder marxistische Strömung, die in der Partei DIE LINKE agiert, ging sie in der Tagesarbeit des Aufbaus einer reformistischen Partei auf.

2007 gehörte marx21 zu den enthusiastischen Befürworter:innen der Gründung der Partei DIE LINKE. Die Bildung einer linksreformistischen Kraft betrachtete das Netzwerk als einen geradezu historischen Fortschritt für die Arbeiter:innenklasse in Deutschland.

Den Aufbau einer offen antikapitalistischen Strömung lehnte marx21 von Beginn ab, ja bekämpfte alle Ansätze dazu.

Methode von marx21

Eine solche Politik verfolgte schon die Vorläuferorganisation Linksruck bei Gründung der WASG und in ihr bei der Fusion mit der PDS zur Partei DIE LINKE. In den „7 Thesen zur Diskussion um eine neue Linkspartei“ aus dem Jahre 2004 trat Linksruck für ein „konsensfähiges Reformprogramm“ als programmatische Basis einer neuen Arbeiter:innenpartei links von der SPD ein. Revolutionär:innen sollten sich darauf beschränken, „innerhalb einer solchen Linkspartei um die Erkenntnis der Unreformierbarkeit des Kapitalismus zu streiten“ und „mittel- und langfristig“ dafür einzutreten, dass „der Kampf für Reformen ein Kampf um die Überwindung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung sein wird.“

Das Eintreten für ein revolutionäres Aktionsprogramm wurde als Sektier:innentum angegriffen. Wider besseres Wissen sollten Revolutionär:innen darauf verzichten, den Reformismus grundlegend zu kritisieren. Diese Politik wurde jahrelang von marx21 verteidigt, sämtliche Kritiker:innen daran wurden als mehr oder minder unverbesserliche Sekten abgestempelt.

Über Jahre schien zumindest vordergründig der Erfolg marx21 recht zu geben. Man betrieb schließlich Massenarbeit, das Netzwerk wuchs rasch an und konnte mehr Mitglieder auf sich vereinen. Die Kader von marx21 stiegen in der Hierarchie der Linkspartei auf: Christine Buchholz und andere errangen Bundestagsmandate, Janine Wissler schaffte es zur Fraktionsvorsitzenden im Hessischen Landtag und handelte noch als marx21-Mitglied fast eine rot-grün-rote Landesregierung aus.

Schon damals unterschieden sich die Abgeordneten und die Führungsmitglieder von marx21 in der öffentlichen Wahrnehmung kaum von „normalen“ reformistischen. Die Interviews und Stellungnahmen der heutigen Vorsitzenden der Linkspartei, Janine Wissler, unterschieden und unterscheiden sich bis heute oft kaum von den Erklärungen, die sie noch während ihrer Zeit bei marx21 abgab. Das störte aber im  Netzwerk kaum jemanden. Man bog sich vielmehr diese reformistischer Realpolitik als den Preis, den man für wachsenden Einfluss eben zahlen müsse, zurecht.

Doch je mehr die Linkspartei selbst aufhörte zu wachsen, je mehr sie arbeiter:innenfeindliche und rassistische Maßnahmen in Landesregierungen durchzog, je mehr sie stagnierte oder gar schrumpfte, desto zweifelhafter wurde auch das Narrativ vom eigenen Erfolg.

Reformismusverständnis

Nichtsdestotrotz hielt das Netzwerk auch angesichts des katastrophalen Ausgangs der Bundestagswahl an der eigenen Methode fest. Im Sommer 2022 veröffentlichte der KoKreis von marx21 unter dem Titel „Die Linke in der Krise: Scheideweg“ seine Einschätzung der Lage. Darin wird der Linkspartei ein „insgesamt gutes Wahlprogramm“ attestiert, das jedoch durch ständige Anbiederungen an die SPD als Regierungspartnerin konterkariert worden wäre. Vor allem aber legt marx21 das eigene Verständnis des Reformismus der Linkspartei nieder:

„DIE LINKE trägt als reformistische Partei Widersprüche in sich. Der linke Reformismus unterscheidet sich vom rechten erst einmal dadurch, dass er proletarische Klasseninteressen aufnimmt und bis zu einem gewissen Grad Ausdruck verleiht und für sie mobilisiert. Aber der linke Reformismus trägt latent zwei Potenzen in sich: Entweder er verrät das Aktionsprogramm, für das er antrat, und fällt zurück ins Lager der sozialdemokratischen Kapitulation. Oder er radikalisiert sich und bewegt sich nach links zu einem Programm und einer Praxis des sozialistischen Klassenkampfs. In der LINKEN erleben wir zur Zeit beides, …“

Diese Passage legt die Vorstellungen, aber auch methodischen Fehler offen, die der Politik von marx21 zugrunde liegen. Der „rechte Reformismus“ wird als bürgerliche Politik abgelehnt und in der Linkspartei mit den Regierungsozialist:innen identifiziert. Dem linken Reformismus hingegen wird eine Art Doppelcharakter unterstellt: Er hätte zwei Potenzen – entweder verrät er und wird erst dadurch wieder zu bürgerlicher Politik. Oder er radikalisiert sich hin zum Sozialismus, indem er konsequent für grundlegende Verbesserungen eintritt. Der Kampf für radikale Reformen erscheint damit schon als, wenn auch unbewusster Weg zum Sozialismus.

Anders als in früheren Texten wird allerdings die Bedeutung einer revolutionären Strömung als Korrektiv, gewissermaßen revolutionäres Salz in der reformistischen Suppe, betont: „Es braucht eine LINKE als sozialistische Massenpartei, und es braucht darin eine organisierte revolutionäre Strömung, die die kapitalistischen Zwänge durchbricht und dem Sog der Anpassung standhält. Wir wollen dafür kämpfen, dass eine solche LINKE weiterhin besteht und gleichzeitig neu entsteht.“

Diese Passagen werfen unwillkürlich die Frage auf: Ist DIE LINKE nun eine „sozialistische Massenpartei“ oder muss sie es erst werden?

Da für marx21 jedoch der Linksreformismus schon durch Radikalisierung zum Programm und zur Praxis des Klassenkampfes kommen kann, finden sich lt. marx21 zumindest Teile in der Linkspartei, die schon auf dem Weg dahin sind oder diesen beschreiten könnten (Im Juni 22 wird hier insbesondere die Bewegungslinke angeführt).

Eine grundlegende inhaltliche Scheidung zwischen revolutionärer und reformistischer Politik kennt marx21 in diesen Texten letztlich nicht. Dazu müssten nämlich die Politik und der Klassencharakter einer Partei diskutiert und bestimmt werden. Darin würde sich zeigen, dass auch der Linksreformismus eine Form bürgerlicher Politik darstellt, weil er letztlich auf dem Boden der bestehenden bürgerlichen Verhältnisse stehen bleibt. Das zeigt sich insbesondere bei der Frage des Kampfes um die Macht. Revolutionäre, kommunistische Politik unterscheidet sich von reformistischer nämlich nicht dadurch, dass sie die grundlegende Bedeutung des Klassenkampfes anerkennt, sondern durch die Betonung der Notwendigkeit der revolutionären Eroberung der Staatsmacht durch die Arbeiter:innenklasse und der Errichtung ihrer Klassenherrschaft, der Diktatur des Proletariats.

Daher müsste für Marxist:innen eigentlich klar sein, dass es auf Dauer keine gemeinsame Partei von Revolutionär:innen und Reformist:innen geben kann, dass die Arbeit in einer reformistischen Partei allenfalls ein vorübergehendes taktisches Manöver sein kann, um nach links gehende Reformist:innen für ein revolutionäres Programm zu gewinnen.  Das setzt aber voraus, dass man von Beginn an offen für ein solches eintritt.

Ansonsten nährt man unwillkürlich die Illusion, dass die Entwicklung vom kämpferischen Reformismus zum revolutionären Kommunismus eine bloß graduelle darstelle. In Wirklichkeit handelt es sich hier jedoch um einen qualitativen Bruch, einen, der nur bewusst erfolgen kann.

Appell an Einheit

Es ist aber kein Zufall, dass marx21 die drohende Spaltung der Linkspartei und deren Schwächung fürchtet wie kaum eine andere Kraft. Während alle Flügel der Partei an der Spaltung arbeiten, appelliert marx21, genauer dessen Redaktion, an die Einheit:

„Konsequente Opposition statt Spaltung“ fordert Christine Buchholz. Die Linkspartei müsse sich „neu erfinden“ mit „einem klaren Profil gegen Krieg und Establishment“.

Der Untergang der Linkspartei wäre eine Katastrophe für Buchholz: „Doch eine Spaltung der LINKEN zum jetzigen Zeitpunkt würde weder die Krise der Partei beenden noch eine vielversprechende neue Formation entstehen lassen. Im Gegenteil: Es wäre eine Schwächung der gesamtgesellschaftlichen Linken in Deutschland und womöglich der Anfang vom Ende der ersten relevanten politischen Kraft links von der Sozialdemokratie in der Geschichte der Bundesrepublik.“

Wir wollen keineswegs bestreiten, dass der ersatzlose Zusammenbruch der Linkspartei eine Schwächung wäre. Die Frage, die es aber zu stellen gilt, lautet: Ist die Partei dennoch zu retten und mit welcher Politik? Buchholz und marx21 geben hier eine falsche, letztlich perspektivlose Antwort:

„Das bedeutet innerparteilich, die Auseinandersetzung nicht zu scheuen – weder mit Wagenknecht noch mit Lederer, Vogt, Oldenburg und Ramelow. Und nach außen bedeutet das, den Kampf gegen diejenigen aufzunehmen, die die sozialen Interessen der Mehrheit mit Füßen treten; diejenigen, die statt mit dem russischen Diktator mit saudischen Diktatoren Energie- und Waffen-Deals machen; diejenigen, die Deutschland auf die Kriege der Zukunft vorbereiten und für riesige Profite der Rüstungskonzerne sorgen; und gegen diejenigen, die Hass säen und berechtigten Unmut nach rechts lenken wollen.“

Diese Ausrichtung auf eine „Bewegungspartei“ fordert marx21 seit Jahren. Noch nach dem Wahldebakel bei der letzten Bundestagswahl 2021 konnten wir lesen: „DIE LINKE ist in diesen Auseinandersetzungen (gegen Inflation, Krise, Krieg, Umweltzerstörung; Anm. d. Red.) als Sprachrohr, Ort des Austausches und Motor für Organisierung von Widerstand und Gegenmacht gefragt. DIE LINKE hat vor Ort einen breiten Fundus von Erfahrung, wie sich die Partei als Bewegungspartei aufbauen kann. Die guten Erfahrungen in vielen Kreisverbänden in den letzten Jahren sollten die Grundlage für eine ‚Neuausrichtung’ der Partei sein.“ (https://www.marx21.de/page/2/?s=DIE+LINKE)

DIE LINKE mag ja „gefragt“ sein, „Motor für Organisierung von Widerstand und Gegenmacht“ ist sie nicht. Das weiß auch marx21. Aber die Ursachenanalyse für die Krise der Linkspartei greift zu kurz. Für das Netzwerk erscheinen der Populismus von Wagenknecht und deren Opportunismus gegenüber rechts sowie die Fixierung auf Parlamentarismus und opportunistische Politik der Regierungssozialist:innen jedoch nicht als Ausdruck des bürgerlichen Charakters der Partei selbst.

Daher unterstellt die Perspektive für die Linkspartei nicht nur, dass eine Einheit der drei Flügel der Partei möglich wäre, sondern dass sie auch zu einer wirklichen „Bewegungspartei“ werden könnte.

Dies hängt damit zusammen, dass die Wurzeln bürgerlicher Arbeiter:innenpolitik selbst unzureichend analysiert und benannt werden. Bürgerliches Bewusstsein in der Arbeiter:innenklasse erwächst nämlich, wie im Marx im „Kapital“ zeigt, aus der Lohnform selbst und der gesamte Lohnkampf, also der ökonomische Klassenkampf, bewegt sich noch im Rahmen diese Form. Die reformistische Partei stellt letztlich eine Verlängerung dieser Elementarform des Klassenkampfes auf der Ebene parlamentarischer Reformpolitik dar.

Zweitens findet diese Politik vor allem in den imperialistischen Ländern in den privilegierteren Schichten der Lohnabhängigen, in der Arbeiter:innenaristokratie eine soziale Stütze. Diese stellt die eigentliche Basis der Arbeiter:innenbürokratie sowohl in der Linkspartei wie auch in den Gewerkschaften und der SPD dar. Daher auch die Nähe zur Gewerkschaftsbürokratie, deren Politik letztlich von allen Flügeln der Linkspartei verteidigt wird, aber auch zum Sozialchauvinismus, und die Ausrichtung auf Regierungsbeteiligungen erfolgt letztlich als notwendige Konsequenz aus dieser reformistischen Strategie und ist keine Abweichung.

Marx21 hingegen unterstellt, dass auf den bestehenden politischen Grundlagen der Linkspartei eine Gesundung, eine Abkehr von der Ausrichtung auf Parlamentarismus und Regierungsbeteiligungen möglich wäre, eine bürgerliche Reformpartei wirklich dauerhaft zu einer „Bewegungspartei“ werden könne.

In Wirklichkeit muss jedoch eine Partei nach Regierungsverantwortung streben, die den revolutionären Sturz des Kapitalismus kategorisch ausschließt. Jede Kritik am Reformismus, die nur die Folgen dieser Beschränkung auf den Kampf innerhalb der bürgerlichen Institutionen angreift, nicht aber die Strategie selbst, muss daher zu kurz greifen, ja verbleibt letztlich auf einer rein moralischen Ebene.

Dasselbe trifft logischerweise auf alle anderen Ebenen zu. Jede reformistische Partei muss letztliche eine Realpolitik betreiben, die im Rahmen dessen bleibt, was im bürgerlichen System als „vernünftig“ und „normal“ erscheint. Was das genau sein soll, darüber scheiden sich die Geister.

Die Krise von marx21

Doch das Gespenst der Spaltung treibt nicht nur die Linkspartei um. Es sucht auch marx21 heim. In den letzten Jahren haben sich in Zusammenhang mit der Arbeit in der Linkspartei auch im Netzwerk verschiedene Lager herausgebildet.

Lange setzte marx21 seinen Schwerpunkt auf die „Sozialistische Linke“ (SL) und den Aufbau des SDS. Die Arbeit in der SL brach aber mit deren Hinwendung zum Wagenknecht-Lager ein. Parallel entwickelten SDS-Kader aus marx21 über die Luxemburg-Stiftung und Organizingkampagnen enge Verbindungen zu einem Flügel der Gewerkschaftsbürokratie. Hinzu kommt, dass die Arbeit an der Universität auch mit einer Anpassung an antimarxistische, kleinbürgerliche Ideologien einherging.

In der innerparteilichen Auseinandersetzung der Linkspartei findet sich dieser Flügel besonders in der Bewegungslinken wieder. Eine gewisse Ironie besteht sicher darin, dass auch diese ihre Politik mit ähnlichen Formeln begründet wie marx21 selbst – so wie umgekehrt noch 2022 die Bewegungslinke vom marx21-KoKreis als zentrales Mittel zur klassenkämpferischen Erneuerung der Linkspartei charakterisiert wurde.

So will die Bewegungslinke eine „klassenorientierte“ Politik, in der Identitäts- und Klassenpolitik jedoch keinen Gegensatz bilden sollen. Auch die Bewegungslinke will, dass DIE LINKE eine „Friedenspartei“ bleibt und Nein sagt zu NATO und Auslandseinsätzen, sie für Antirassismus, offene Grenzen und Antifaschismus einsteht, vor allem auf Bewegung und nicht auf Parlamentarismus setzt.

Auch wenn sie eine „kritische“ Bilanz der bisherigen Regierungspraxis zieht, so hindert sie das nicht daran, vom „rebellischen Regieren“ zu phantasieren:

„Der Staat sichert die Eigentumsverhältnisse durch Gewalt und Konsens. Gleichzeitig beinhaltet er historische Errungenschaften. Er ist Kräfteverhältnis und Kampffeld zugleich. Die Aussicht auf linkes Regieren kann für uns nur als rebellisches Aufbegehren gegenüber dem Kapital, dem bürgerlichen Staatspersonal und den Medien gedacht werden.“ (https://bewegungslinke.org/5-2/selbstverstaendnis/)

Auch wenn sich die Ausführungen kritisch gegenüber der bestehenden Politik der Linkspartei geben, so versuchen sie – ganz im Einklang mit den neoreformistischen Transformationsstrategien –, letztlich Beteiligungen an bürgerlichen Regierungen neu zu „begründen“.

Nicht nur auf dieser Ebene stellt dieser Flügel von marx21 damit auch theoretisch und programmatisch die marxistischen Grundpositionen der Strömung in Frage.

Offenkundig ist das der Redaktion von marx21 durchaus bewusst. Zwei Artikel zur Kritik an Nicos Poulantzas (https://www.marx21.de/poulantzas-und-die-frage-der-macht/; https://www.marx21.de/04-05-10-der-staat-und-die-linke/) und dessen Revision der marxistischen Staatstheorie können indirekt als Polemik gegen das „rebellische Regieren“ verstanden werden.

Doch die in vielen Punkten lesenswerte Kritik beinhaltet auch eine wichtige Schwäche. Sie umschifft die Frage, welchen Klassenstandpunkt die Theorie von Poulantzas zum Ausdruck bringt. So zieht Yaak Pabst in „Poulantzas und die Frage der Macht“ eine Bilanz des Scheiterns des Eurokommunismus an der Regierung und folgert:

„Letztlich mussten sich all diese Projekte dem kapitalistischen Sachzwang beugen. Nicos Poulantzas sah diese Gefahr. Allerdings scheute er sich davor, jene Schlussfolgerung zu ziehen, für die so viele revolutionäre Marxistinnen und Marxisten vor ihm eingetreten waren: den revolutionären Bruch mit dem bürgerlichen Staat.“

Dass Poulantzas genau diese Folgerungen nicht ziehen wollte, wirft die Frage nach dem Charakter seiner Staatstheorie auf. Letztlich ist diese nur eine geschmeidigere Begründung für bürgerliche Reformpolitik. Er begründet eine bürgerliche, keine proletarische Klassenpolitik. Eine solche Charakterisierung würde nicht nur die Differenzen zum rechten Flügel von marx21 deutlicher machen, sie würde auch den Klassencharakter der Linkspartei, die ihr Regierungshandeln viel pragmatischer rechtfertigt, und damit den illusorischen Charakter einer dauerhaften Koexistenz von Revolutionär:innen und Reformist:innen in einer Partei hervorheben. Der Verzicht darauf, den gegensätzlichen Klassenstandpunkt auf praktischer wie theoretischer Ebene zu nennen, bedeutet aber nicht nur einen Verzicht auf den theoretischen Klassenkampf, sondern auch auf den Kampf gegen die Grundlagen bürgerlicher Politik in der Linkspartei.

Die Entstehung des rechten Flügels in marx21 hat zwar Genoss:innen wie Yaak Pabst und Christine Buchholz auch zu indirekten Polemiken gegen die Bewegungslinke bewegt, aber so wie sie in der Linkspartei die Einheit unbedingt aufrechterhalten wollen, so wollen sie auch eine Zuspitzung des politischen Kampfes in marx21 vermeiden. Auch dort stellen sie wie bei der Linkspartei die „Einheit“ über alles – eine Einheit um den Preis, dass immer mehr praktische und theoretische Zugeständnisse an reformistische oder kleinbürgerliche Ideologie und Theorie eingegangen werden müssen.

Sie verkennen dabei aber insbesondere, dass gerade das, was am Beginn scheinbar den Erfolg von marx21 begründete, nämlich der Verzicht auf ein eigenes, bestimmtes revolutionäres Programm und auf ein gemeinsames darauf basierendes Handeln, die eigentliche Ursache ihrer Anpassung an nicht-revolutionäre Ideen und der Herausbildung einer eigenen rechten Strömung darstellt.

Bis zu einem gewissen Grad radikalisiert der rechte Flügel von marx21 nur, was das Netzwerk immer schon propagiert hat, nämlich den Verzicht auf einen offenen Kampf um ein revolutionäres Programm, das sich von jeder Spielart des Reformismus abhebt.

Das Zentrum von marx21 betrachtet das „nur“ als eine besonders kluge Taktik, um den Marxismus prozesshaft durch die Verbindung von Kämpfen für Reformen und allgemeine sozialistische Propaganda zu verbreitern, also um Reformist:innen zu Revolutionär:innen zu machen, ohne dass diese bewusst mit ihren bürgerlichen Vorstellungen brechen müssen. Das Problem an der Methode besteht allerdings darin, dass das Programm verwässert wird, dass sich die Revolutionär:innen dem Reformismus anpassen – und nicht umgekehrt.

Der rechte Flügel von marx21 geht jedoch insofern einen Schritt weiter, als er eine politische Konfrontation mit der Bürokratie sowohl in den Gewerkschaften als auch in der Linkspartei ablehnt. Dabei wird der Kampf um eine antibürokratische Basisbewegung in den Gewerkschaften und für eine kommunistische Organisation durch die Fetischisierung von Organizingmethoden ersetzt. Für diesen Flügel von marx21 wird der Bezug auf die Ursprünge der eigenen marxistischen Strömung zunehmend zu einem Hindernis, das eigentlich entsorgt werden muss.

Mit Cliffismus zurück zur revolutionären Politik?

Ein sich formierender linker Flügel des Netzwerks geht hingegen davon aus, dass sich marx21 auf seine theoretischen Ursprünge bei den „International Socialists“ besinnen müsse, um die eigene Organisation wieder revolutionär auszurichten.

Diese Vorstellung mag zwar naheliegen, wir halten sie jedoch für eine Illusion, wie wir im abschließenden Teil des Artikels darlegen wollen. Marx21 entstand aus einer bestimmten Strömung des Nachkriegstrotzkismus, dem Cliffismus, benannt nach dem langjährigen Anführer und theoretischen Gründungskopf. Seit den 1970er Jahren existiert sie auch als internationale Strömung, als International Socialist Tendency (IST).

Wir haben in der Broschüre „The politics of the SWP – a Trotskyist critique“ die Grundlagen dieser Strömung ausführlicher kritisiert. An dieser Stelle wollen wir uns auf ihre theoretische Konzeption zu Klassenbewusstsein und damit zusammenhängend Partei und Programm beschränken, die unserer Meinung nach in der aktuellen Krise von marx21 selbst zum Vorschein tritt.

Den Kern des Problems betrifft die Frage nach Entstehung revolutionären Klassenbewusstseins selbst. Tony Cliff und seine Strömung grenzten sich bei der Herausbildung ihrer eigenen Ideologie grundsätzlich vom Lenin’schen Verständnis ab. In „Was tun?“ zeigt Lenin, dass die revolutionäre Theorie des Marxismus nicht direkt aus dem ökonomischen und politischen Klassenkampf entstand – und auch nicht daraus entstehen konnte.

Das spontane Bewusstsein der Arbeiter:innenklasse kann vielmehr nur ein bürgerliches sein. Er knüpft damit an Marx und seine Analyse der Lohnform an. „Auf dieser Erscheinungsform, die das wirkliche Verhältnis unsichtbar macht und grade sein Gegenteil zeigt, beruhn alle Rechtsvorstellungen des Arbeiters wie des Kapitalisten, alle Mystifikationen der kapitalistischen Produktionsweise, alle ihre Freiheitsillusionen, alle apologetischen Flausen der Vulgärökonomie.“ (Marx, Das Kapital, Band 1, MEW 23, Seite 562)

Die Lohnform verschleiert nicht nur das kapitalistische Ausbeutungsverhältnis, sondern bildet auch den Rahmen, in dem sich nicht nur der ökonomische Kampf, sondern in abgeleiteter Form auch Kämpfe um Demokratie und Gleichberechtigung bewegen.

Dieses grundlegend entfremdete und verdinglichte Bewusstsein ist natürlich wie die gesellschaftliche Basis, auf der es fußt, in sich widersprüchlich – und in den Klassenkämpfen rücken diese Widersprüche auch ins Alltagsbewusstsein. In diesem Sinn treibt er auch zur Infragestellung bestehenden Bewusstseins und zur Entwicklung von Klassenbewusstsein.

Aber wirklich revolutionäres, proletarisches Klassenbewusstsein bedarf zugleich auch einer Kritik, die diese Oberflächenformen durchdringt und so die Möglichkeiten schafft, dass der Klassenkampf bewusst über deren Grenzen hinaustritt und mit einem Programm zur sozialistischen Umwälzung verbunden wird. Daher ist die Verknüpfung mit revolutionärer Theorie unerlässlich. In diesem Sinne muss revolutionäres Bewusstsein von außen in die Klasse getragen werden; ob nun von bürgerlichen Intellektuellen oder zunehmend von Lohnabhängigen, die sich als Theoretiker:innen, Strateg:innen des Kommunismus betätigen, ist an dieser Stelle zweitrangig.

Die revolutionären Partei bildet das Verbindungsglied, die Vermittlung zwischen den spontan kämpferischen und bis zu einem gewissen Grad auch sozialistischen Tendenzen der Arbeiter:innenklasse einerseits und der wissenschaftlichen Theorie andererseits. Das revolutionäre Programm stellt dabei einen Kernbestandteil dieser Vermittlung dar, weil darin wissenschaftliche Analyse der objektiven Lage, die aktuellen und historischen Erfahrungen mit den Aufgaben und Zielen, mit Strategie und Taktiken zu einem in sich schlüssigen Ganzen, zu einem System verbunden werden. Nur so kann es als Anleitung zum revolutionären Handeln überhaupt fungieren.

Die Qualität eines Programms zeigt sich darin, ob es diese Aufgabe erfüllen kann. Für reformistische und kleinbürgerliche Programme stellt sich Frage im Grunde nicht, weil sie weder Anspruch auf eine wissenschaftliche Fundierung erheben noch als verbindliche Richtschnur zur Praxis dienen sollen. Dass z. B. die Linkspartei zentrale Forderungen bei Koalitionsverhandlungen über Bord wirft, wundert niemanden wirklich, auch die Mehrheit ihrer Mitglieder nicht.

Für eine revolutionäre Organisation hingegen stellt das Programm ein unverzichtbares Kernelement ihrer Politik dar, auch wenn das strategische Ziel, die sozialistische Revolution, die Eroberung der Macht der Arbeiter:innenklasse, die Errichtung einer demokratischen Planwirtschaft weit entfernt scheinen mögen. Selbst zeitweiliger Verzicht auf ein solches Programm bedeutet unwillkürlich, das Feld der Bestimmung „linker“ Politik anderen, bürgerlichen Programmen zu überlassen.

Diese essentiellen Bestimmungen zum Verhältnis von Klassenbewusstsein, Partei und Programm stellt Cliff in Frage. Für ihn besteht zwar auch die Notwendigkeit einer revolutionären Organisation. Doch diese erwächst ihm zufolge aus der Ungleichzeitigkeit der Entwicklung des spontanen Bewusstseins, also aus der Tatsache, dass das Bewusstsein der Klasse nie einheitlich sein kann, dass in allen Kämpfen bewusstere und rückständigere Teile hervortreten. Die Aufgabe der Partei besteht daher vor allem in der organisatorischen Zusammenfassung der sich im Kampf herausbildenden Avantgardeschichten.

Jede revolutionäre Partei oder jeder Parteibildungsprozess inkludiert zwar auch diese Aspekte. Das beantwortet aber nicht die Frage nach dem Programm, dessen objektiver inhaltlicher Fundierung und innerem Zusammenhang.

Mit den Erfolgen von marx21 wurde jedoch die Vorstellung genährt, dass ein Programm, eine gemeinsame theoretische Grundlage und eine verbindliche, demokratisch bestimmte gemeinsame Praxis ein Hindernis für den raschen und erfolgreichen Aufbau darstellen würden. Dafür sind sicher nicht bloß Cliff oder die IST verantwortlich. Aber ihre falsche Kritik des Leninismus, ihr falsches Verständnis des Klassenbewusstseins und ihre Unterschätzung der Bedeutung des Programms haben diese Entwicklung massiv begünstigt.

Jetzt, wo ein Teil von marx21 dabei ist, auch mit dem Cliffismus und dessen revolutionären Elementen zu brechen, muss sich die Organisation und vor allem ihr linker Flügel die Frage stellen, ob das etwas mit den eigenen vermeintlich korrekten Grundlagen zu tun hat.

Das Problem von marx21 war und ist dabei nicht, dass die Organisation in größeren Bewegungen und Strömungen – in diesem Fall der Linkspartei – gearbeitet hat oder arbeiten wollte. In allen Bewegungen, sozialen Milieus, seien es Schüler:innen, Studierende, bestimmte Schichten der Arbeiter:innenklasse oder reformistische Parteien herrschen bestimmte Formen bürgerlicher Ideologie vor. Die revolutionäre Intervention muss dabei immer darauf zielen, das bestehende Bewusstsein zu verändern, die Aktivist:innen und vor allem deren politisch fortgeschrittenste von der bürgerlichen Ideologie zu brechen und für den Kommunismus zu gewinnen. Dies kann und wird natürlich nicht nur durch Kritik vonstattengehen, aber diese stellte ein unerlässliches Element in dieser Auseinandersetzung, genauer des theoretischen und ideologischen Klassenkampfes dar.

Damit eine revolutionäre Organisation und deren Mitglieder das z. B. in Gewerkschaften, unter der Jugend, in sozialen Bewegungen leisten können, braucht es eben ein gemeinsames Verständnis, eine systematische Diskussion und Bestimmung dieser Politik. Nur so können opportunistische Anpassung wie auch Sektierertum verhindert werden.

Der Verzicht auf eine solche inhaltliche Bestimmung revolutionärer Politik mag zwar sektenhaftem Verhalten vorbeugen. Ganz sicher öffnet man damit aber dem Opportunismus Tür und Tor, wie die Entwicklung von marx21 und besonders des rechten Flügels zeigt.

Hinzu kommt, dass die Vorstellung, revolutionäres Bewusstsein könne direkt aus dem Klassenkampf entstehen, dazu führt, „kämpferisches“ reformistisches Bewusstsein schon als eine Vorstufe zum revolutionären zu begreifen. Die linksreformistische Partei stellt dann keine bürgerliche Kraft, sondern einen möglichen Schritt zur revolutionären Formation dar, die nur weiter nach links getrieben und zur „Bewegungspartei“ vorangebracht werden müsse.

Organisationen wie marx21, aber auch viele andere Linke begreifen das Verhältnis von revolutionärer Klarheit und Intervention nicht als einander bedingendes, wenn auch schwieriges Wechselverhältnis, sondern als einander ausschließenden Gegensatz. Dieser fundamentale Fehler ist im Cliffismus selbst schon angelegt. Die Krise von marx21 erfordert daher nicht nur eine Kritik ihres rechten Flügels, sondern auch eine selbstkritische und offene Diskussion und Überwindung des eigenen theoretischen Erbes.




Für einen revolutionären Bruch der Lohnabhängigen mit dem Reformismus!

Minderheitsposition der Konferenz „15 Jahre Solid und Linkspartei“, Infomail 1211, 19. Januar 2023

Bis 150 Menschen diskutierten auf der Konferenz „15 Jahre Solid und Linkspartei – Welche Organisation für den Klassenkampf?“ über die Notwendigkeit eines revolutionären Bruchs mit der Linkspartei und dem Reformismus. Im Folgenden veröffentlichen wir die Abschlusserklärung der Konferenz, die von einer Mehrheit von zwei Dritteln der Anwesenden angenommen wurde, und die Minderheitsresolution. Die Mehrheitsresolution basiert auf einem Entwurf der Revolutionären Internationalistischen Organisation / Klasse Gegen Klasse. Die Minderheitsposition wurde von vier Genoss:innen einbracht wurde und von der Gruppe Arbeiter:innenmacht und von REVOLUTION unterstützt.

Für einen revolutionären Bruch der Lohnabhängigen mit dem Reformismus!

Antragsteller:innen: Carlos, Pauline, Stephie (REVO, GAM), Willi (GAM)

1. Seit 15 Jahren vertieft die Partei DIE LINKE stetig ihre Perspektive der Mitverwaltung des kapitalistischen Elends. In 13 Regierungsbeteiligungen haben sie Abschiebungen, Zwangsräumungen, Privatisierungen, Polizeigewalt und vieles mehr mitverantwortet. Alle Versuche, die Partei in die Richtung einer Fundamentalopposition zu lenken, sind gescheitert. Die Partei und ihre Jugendorganisationen, die Linksjugend [’solid] sowie Die Linke.SDS sind durch diese Entwicklung in eine Krise geraten. Auf der Konferenz für einen revolutionären Bruch mit der Linkspartei und Solid haben sich Mitglieder von [‘solid!] und DIE LINKE, kürzlich ausgetretene Genoss:innen, sowie Gruppen und Einzelpersonen aus der kommunistischen Bewegung versammelt. Wir nehmen das Zusammenfallen der Krise der Linkspartei und der gesamten gesellschaftlichen Opposition mit einer verschärften ökonomischen, politischen und sozialen Krise auf nationaler und globaler Ebene als Anlass, um die praktische Vorbereitung sowie die Debatte über den Aufbau einer Partei der arbeitenden Klasse mit einem fundamentaloppositionellen, revolutionären Programm in Deutschland wieder ins Rollen zu bringen.

Zur Ausgangslage in Deutschland und der LINKEN

2. Wir stellen uns gegen den deutschen Imperialismus und gegen die Ampelregierung, die die größte militärische Aufrüstung seit Jahrzehnten vorantreibt, und für die internationale Solidarität der Arbeiter:innen aller Länder untereinander. Mit Einmalzahlungen im Gießkannenprinzip versucht diese dem Widerstand gegen Inflation und Krieg den Wind aus den Segeln zu nehmen. Auch in der Krise erkauft sich der imperialistische deutsche Staat die politische Loyalität von wirtschaftlich zentralen Teilen der Arbeiter:innenklasse mithilfe der Gewerkschaftsbürokratie, um einen übergreifenden Kampf aller Lohnabhängigen in Deutschland und auf globalem Maßstab auf Basis gemeinsamer Klasseninteressen vorzubeugen. So können die Kosten der Militarisierung auf die Lohnabhängigen in Deutschland und anderswo abgewälzt werden — wodurch Kriege finanziert werden, unter denen wiederum vor allem die Lohnabhängigen anderer Länder tagtäglich leiden müssen. Die Militarisierung nach außen geht auch einher mit einer Stärkung des Repressionsapparats und der rechtsterroristischen Verankerung innerhalb derselben. Der rechte Terror im Innern ist ein Widerhall des erstarkenden Imperialismus nach außen. Daher kann der Aufstieg der Rechten nicht mit einer Logik des „geringeren Übels“, der prinzipienlosen Unterstützung von „linken“ oder „fortschrittlichen“ Regierungen bekämpft werden.

3. Die Kapitalist:innen und ihre Regierungen haben der Jugend nur eine Perspektive des Verzichts, des Militarismus und der Klimakatastrophe anzubieten. Wir schulden ihnen nichts! Anstelle der Logik des geringeren Übels oder der politischen Resignation wollen wir eine Jugendorganisation aufbauen, die für eine ganz andere Zukunft kämpft: Eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung, die die Ressourcen dieses Planeten nachhaltig nutzt und statt absurder und gesundheitsschädigender Lohnarbeit die freie Entfaltung all unserer schöpferischen und kreativen Potenziale ermöglicht. Wenn deshalb die Regierenden von einer „Zeitenwende“ sprechen und uns auf künftige Kriege im Dienste des Kapitals vorbereiten wollen, sagen wir: Kein Cent, kein Mensch dem Militarismus! Gerade im imperialistischen Deutschland ist es unsere Aufgabe, eine revolutionäre, antiimperialistische Jugendorganisation an der Seite der Arbeiter:innen und aller Unterdrückten aufzubauen, die sich weder dem imperialistischen Kriegsgetrommel der „Heimatfront“ und der NATO anpasst noch reaktionäre Führungen wie Putin unterstützt und entschuldigt.

4. Die einzige Kraft, die nicht nur einen Kampf gegen die imperialistische Politik der Regierung führen, sondern tatsächlich ein Ende von Ausbeutung und Unterdrückung erkämpfen kann, ist die Arbeiter:innenklasse. Aber nicht als gesichtslose Masse ohne Ansehen von Sexismus-, Queer- und Transfeindlichkeit sowie Rassismuserfahrung(en), sondern im Gegenteil als Klasse, die insbesondere in einem Land wie Deutschland auch sehr migrantisch ist und immer weiblicher und immer mehr offen queer wird. Sie kann aufgrund ihrer Stellung im kapitalistischen Produktionsprozess nicht nur die zentralen Hebel der Wirtschaft lahmlegen. Sondern sie kann die Gesamtheit aller unterdrückten Teile der Bevölkerung im Kampf gegen Staat und Kapital anführen. Dafür muss sie sich deren Forderung zu eigen machen und sich selbst an die Spitze der Kämpfe gegen Sexismus, Rassismus und jeglicher Form von Unterdrückung stellen, anstatt nur eine von vielen gleichrangig getrennt voneinander agierenden Bewegungen zu bilden, wie es beispielsweise die Bewegungslinke propagiert. Das wird ihr nur gelingen, wenn sie die Selbstorganisierung der auf unterschiedliche Weise unterdrückten Teile der Arbeiter:innenklasse nicht als Konkurrenz sieht, sondern begrüßt und aktiv zu einem großen Ganzen zusammenfügt.

5. Die Trennung von Fragen der Unterdrückung (Sexismus, Rassismus, LGBTQIA+-Feindlichkeit, Behindertenfeindlichkeit usw.) vom Kampf gegen die kapitalistische Ausbeutung zementiert die Spaltung der Arbeiter:innenklasse. Diese ist für das Kapital funktional und wird vom Staat und den Bürokratien in der Arbeiter:innenbewegung aufrechterhalten. Sie steht auch der Perspektive des Kampfes für eine Gesellschaft, die frei von jeglicher Ausbeutung und Unterdrückung ist, unmittelbar entgegen. Deshalb haben wir nichts gemeinsam mit der populistischen Perspektive von Sahra Wagenknecht, die unter dem Vorwand einer Rückkehr zu mehr „Klassenpolitik“ bestimmte Unterdrückungs- und Ausbeutungsformen herunterspielt. Die Strategie von Wagenknecht ebenso wie die ihres französischen Pendants Jean-Luc Mélenchon und La France Insoumise ist darauf ausgelegt, die Interessen der „weißen Arbeiterklasse“ mit den Interessen der imperialistischen Bourgeoisie zu vereinen. Ihre links klingenden Phrasen sind in Wahrheit nichts anderes als die Verteidigung des Standortnationalismus der Konzerne. Anstatt den Rechten das Wasser abzugraben, überlässt sie ihnen mit dieser Strategie das Feld.

6. Ihre Perspektive teilt die Linkspartei auch mit reformistischen oder linkspopulistischen Projekten der vergangenen Jahre wie Syriza in Griechenland, Podemos im Spanischen Staat oder La France Insoumise in Frankreich, welche den Klassenkampf in ihren jeweiligen Ländern in staatstragende Bahnen umgelenkt haben. Das linkspopulistische Podemos hat ihre Opposition zur Monarchie abgelegt und setzt als Teil der spanischen Regierung derzeit die Aufrüstung und die Abschottungspolitik gegen Migrant:innen und die Zusammenarbeit mit Marokko zur kolonialen Unterdrückung der Westsahara fort. Die linksreformistische Wahlfront Syriza setzte 2015 an der griechischen Regierung die Spardiktate von IWF, EZB und EU um, obwohl sie sich vorher ausdrücklich dagegen positioniert hatte. In Griechenland zeigt sich auch, dass die EU ein imperialistischer Block ist, der den Interessen vor allem des deutschen Kapitals dient. Sozialist:innen müssen die EU als imperialistisches Projekt ablehnen, aber ohne die Perspektive der Rückkehr zum Nationalstaat — wie es beispielsweise Sahra Wagenknecht oder Jean-Luc Mélenchon vorschlagen —, sondern in der Perspektive der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.

7. Wir lehnen den zögerlichen Umgang der Linkspartei mit ihrem stalinistischen Erbe deutlich ab. Die stalinistische Konterrevolution in der Sowjetunion und ihr Abdruck in der DDR und anderswo, die Unterdrückung von nationalen und religiösen Minderheiten, Frauen und Homosexuellen, die Sabotage der Kämpfe der Arbeiter:innen und strategische Orientierung auf bürgerliche und reaktionäre Kräfte unter dem Vorwand der Verteidigung des sozialistischen Aufbaus, der Verteidigung gegen den Faschismus, der nationalen Befreiung usw. — auf diesem Erbe kann keine revolutionäre Politik fußen. Ein revolutionärer Bruch mit der reformistischen Linkspartei schließt einen Bruch mit der Toleranz gegenüber allen Erscheinungsformen des Stalinismus als linker Spielart des Reformismus mit ein.

8. Die Krise der Linkspartei ist kein Zufall oder Produkt widriger Umstände, sondern eine Konsequenz ihrer gesamten Strategie. Als „demokratisch sozialistische“ bürgerliche Arbeiter:innenpartei ist sie strategisch auf Wahlen und Parlamentssitze ausgerichtet, um auf diesem Weg an die Regierung des bürgerlichen Staates zu gelangen. Daran ändert auch nichts, dass eine kleine Minderheit der Partei Regierungsbeteiligungen „kritisch“ sieht, ebenso wenig einzelne „linkere“ Ortsgruppen ihres Jugendverbandes. „Rebellisch regieren“, wie es die Bewegungslinke immer wieder vorschlägt, ist nur eine linkere Rhetorik für denselben Vorschlag. Die Mobilisierung und Organisierung auf der Straße oder in den Betrieben, Schulen und Universitäten ist in dieser Sichtweise nur ein Druckmittel, um parlamentarische Mehrheiten zu erlangen. Obwohl sie sich also sozial auf die Lohnabhängigen stützt, macht sie ihre Strategie letztlich zu einer Stütze der kapitalistischen Ordnung. Gegen diese Strategie, die letztendlich zur Unterordnung unter die Interessen des Kapitals führt, setzen wir die Notwendigkeit der politischen Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse vom Kapital, von der Regierung und von den Bürokratien der Gewerkschaften, die sie stützen. Für uns bedeutet diese Unabhängigkeit keine Summe an Allgemeinplätzen, sondern muss auf dem Ziel der gemeinsamen Entwicklung eines revolutionären Programms fußen. Ein Prozess in den die verschiedenen Differenzen, die uns trennen diskutiert werden müssen.

Das Aktionsprogramm mit dem wir gegen die unterschiedlichsten aktuellen Krisen kämpfen wollen

9. Angesichts der Verschärfung der Klimakatastrophe, angesichts von Krieg und Aufrüstung, angesichts von fortgesetzter Inflation und Wirtschaftskrise braucht es eine konsequente Opposition in den Betrieben, Schulen und Universitäten und auf der Straße. Sie muss für ein soziales Notfallprogramm kämpfen, das die kapitalistischen Profitinteressen angreift und angesichts von Krise, Krieg und Klimakatastrophe eine sozialistische Perspektive aufwirft. Für sofortige Preisstopps, für die automatische Angleichung von Löhnen, Renten, Sozialleistungen, BAföG, etc. an die Inflation für hohe Gewinn- und Vermögenssteuern, für die Enteignung von Immobilien- und Energiekonzernen in der Perspektive der entschädigungslosen Enteignung aller Großunternehmen unter Kontrolle der Arbeiter:innen, für einen sozialen und ökologischen Umbau des Energiesystems und der gesamten Wirtschaft, gegen den Krieg, Sanktionen und Waffenlieferungen, gegen die 100-Milliarden-Aufrüstung. Weder Putin noch die NATO und gegen den Militarismus des deutschen Imperialismus.

10. Um ein solches Notfallprogramm umzusetzen, müssen wir eine Einheitsfront für den Kampf gegen die Regierung und das Kapital mit allen grundsätzlich bereitwilligen Kräften aufbauen, wobei wir uns ausdrücklich an alle Genoss:innen an der Basis sowie in führenden Positionen der Linkspartei richten, die alle oder einige der Forderungen teilen und zu einer transparenten und diskussionsoffenen Zusammenarbeit bereit sind. Da ein Großteil der Lohnabhängigen in Deutschland reformistische Illusionen hegen, wird ein Aktionsbündnis kleiner linksradikaler Gruppierungen nicht reichen, um die notwendige Massenkraft rund um unsere Forderungen zu mobilisieren. Für den Erfolg einer Einheitsfront wird es aber notwendig sein, die bremsende Rolle der SPD, der Gewerkschaften zu überwinden und ihr eine Perspektive der Selbstorganisation und der Koordinierung der Kämpfe gegenüberzustellen — für klassenkämpferische Gewerkschaften und für die Selbstorganisation der Arbeiter:innen. Nicht nur in vereinzelten Kämpfen, sondern auch als Perspektive einer politischen Alternative jenseits kapitalistischer Regierungen. Denn die Führungen unserer Gewerkschaften zeigen aktuell wieder mit der konzertierten Aktion (regelmäßige Treffen, bei denen sie sich mit Politik, Unternehmensverbänden und der Deutschen Bank abstimmen), dass sie lieber mit der Regierung und den Kapitalist:innen schlechte Kompromisse aushandeln. Den Preis dafür zahlen wir heute als Arbeiter:innen und als Jugendliche. Aber auch die Ausweitung befristeter Verträge wurde von unseren Gewerkschaftsführungen mitunterschrieben. Gegen die sozialpartnerschaftliche Politik versuchen wir in Streiks, Kämpfe und Bewegungen durch (Streik-)Versammlungen, imperative Mandate und die jederzeitige Abwählbarkeit von Vertreter:innen das Bewusstsein der Lohnabhängigen für ihre eigene Macht als Klasse zu erwecken. Um erfolgreich eine revolutionäre Perspektive in die Einheitsfront hineinzutragen, müssen wir zugleich den Aufbau einer vom Kapital unabhängigen Massenpartei der Lohnabhängigen mit einem marxistischen, revolutionären Programm anvisieren, die die fortschrittlichsten Teile der Arbeiter:innenklasse, wie in der Jugend, der Frauen und LGBTQIA+, der Migrant:innen und anderer besonders unterdrückter Teile der arbeitenden Klasse im Kampf für den Sturz des Kapitalismus und für die sozialistische Revolution anführen kann.

11. Die Konferenz sieht sich also einer doppelten Aufgabe gegenüber: Einerseits die Dominanz bürgerlicher Ideologien in der Arbeiter:innenklasse (v.a. den Reformismus) herauszufordern und andererseits eine revolutionäre Kraft aufzubauen. Zu diesem Zweck schlagen wir vor:

a. Die baldige Vorbereitung einer wirklich breiten Konferenz, auf der gemeinsam mit allen interessierten Kräften — inklusive mit denjenigen, die bisher nicht mit der Linkspartei gebrochen haben — über den aktuellen Zustand des globalen Kapitalismus und über die Ursachen und Erscheinungsformen des Reformismus diskutiert werden soll. Darüber hinaus wollen wir über die historischen und aktuellen Bedingungen, Probleme und Chancen eines radikalen Bruchs mit dem Reformismus auf nationaler und globaler Ebene reden, welche materielle Basis er in der Arbeiter:innenbewegung hat. Sowohl die Bedingungen eines Zusammenschlusses der kommunistischen Bewegung wie auch die Beziehung von Revolutionär:innen zu reformistischen Kräften sollen ausführlich diskutiert werden.

b. Die Anwesenden sind sich einig, dass eine gemeinsame Intervention auf der Grundlage der in dieser Erklärung vorgelegten Eckpunkte nötig ist, um eine revolutionäre Opposition ins Leben zu rufen zu können, die in den Kämpfen außerhalb und innerhalb des Parlaments eine tatsächliche Alternative zum Reformismus darstellen kann. Um heute schon das Fundament zu legen für einen radikalen Bruch der Lohnabhängigen mit dem Reformismus, wollen wir: im Rahmen der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) in die kommende Tarifrunde des öffentlichen Dienstes (TVöD) mit einem Programm intervenieren, das die Forderung nach einem realen Inflationsausgleich erhebt und mit einem weitergehenden Programm gegen Krise, Krieg und Klimakatastrophe verbindet; Angesichts des Verrats der Linkspartei am Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co. enteignen einerseits die politische Selbstorganisierung und Aktion der Mieter:innen als Lohnabhängige auf allen Ebenen vorantreiben, andererseits mit einer Kritik an der Taktik der Regierungsbeteiligung der Berliner Linkspartei bzw. an ihrem Umgang mit dem Volksentscheid in die kommende Abgeordnetenhauswahl treten. Dort, wo es möglich ist: Aufruf zur Wahl von Kandidat:innen der Linkspartei, die sich auf glaubwürdige Weise gegen die Regierungsbeteiligung ihrer Partei in Land und Bund stellen, wie der Genosse Ferat Koçak in Neukölln. Solche Unterstützungen müssen jedoch mit der Forderung des Aufbaus einer Strömung in der Partei verbunden werden, die den Kampf um Mehrheiten im Parlament nur als Mittel zum Zweck der Enteignung großer Immobilienkonzerne nutzt und nicht die Interessen ihrer Wähler:innen für die Regierungsbeteiligung aufopfert. Solidarität und kritische Unterstützung des parteiinternen Flügels in ihrem Kampf gegen die Regierungsbeteiligung, nicht zuletzt mit Marx21 in Berlin — für einen breiten Zusammenschluss innerhalb und außerhalb der Linkspartei für eine Fundamentalopposition!




Abschlusserklärung der Konferenz für einen revolutionären Bruch mit der Linkspartei und Solid

Infomail 1211, 19. Januar 2023

Bis 150 Menschen diskutierten auf der Konferenz „15 Jahre Solid und Linkspartei – Welche Organisation für den Klassenkampf?“ über die Notwendigkeit eines revolutionären Bruchs mit der Linkspartei und dem Reformismus. Im Folgenden veröffentlichen wir die Abschlusserklärung der Konferenz, die von einer Mehrheit von zwei Dritteln der Anwesenden angenommen wurde, und die Minderheitsresolution. Die Mehrheitsresolution basiert auf einem Entwurf der Revolutionären Internationalistischen Organisation / Klasse Gegen Klasse. Die Minderheitsposition wurde von vier Genoss:innen einbracht wurde und von der Gruppe Arbeiter:innenmacht und von REVOLUTION unterstützt.

Abschlusserklärung der Konferenz für einen revolutionären Bruch mit der Linkspartei und Solid

Gegen die Logik des geringeren Übels: Für den Aufbau einer von Staat und Kapital unabhängigen revolutionären sozialistischen Kraft der Arbeiter:innen, der Jugend, der Frauen, LGBTQIA+ und Migrant:innen!

1. Die Partei DIE LINKE und ihre Jugendorganisationen, die Linksjugend [’solid] und Die Linke.SDS, sind gescheitert. Seit 15 Jahren vertiefen sie stetig ihre Perspektive der Mitverwaltung des kapitalistischen Elends. In 13 Regierungsbeteiligungen haben sie Abschiebungen, Zwangsräumungen, Privatisierungen, Polizeigewalt und vieles mehr mitverantwortet. Die Partei, all ihre Hauptströmungen – egal ob der “Reformer”-Flügel um Dietmar Bartsch, die Bewegungslinke oder der Wagenknecht-Flügel – und ihr gesamter Apparat sind fest in den deutschen Staat verankert. Angesichts der Verschärfung der Klimakatastrophe, angesichts von Krieg und Aufrüstung, angesichts von fortgesetzter Inflation und Wirtschaftskrise, angesichts der Stärkung der AfD und der extremen Rechten sagen wir: Nur eine sozialistische Perspektive, die die Interessen des Kapitals wirksam angreift, kann eine Antwort auf die Probleme der Ausgebeuteten und Unterdrückten geben. Deshalb brechen wir mit der Strategie der Linkspartei und ihrer Jugendorganisationen und erklären unseren Austritt.

2. Das Scheitern der Linkspartei ist kein Zufall oder Produkt widriger Umstände, sondern eine Konsequenz ihrer gesamten Strategie. Sie ist eine strategisch auf Wahlen und Parlamentssitze ausgerichtete Partei, um auf diesem Weg an die Regierung des bürgerlichen Staates zu gelangen. Jegliche Veränderung geht laut dieser Strategie von Regierungs- und Parlamentsposten aus. Daran ändert auch nichts, dass eine kleine Minderheit der Partei Regierungsbeteiligungen “kritisch” sieht, ebenso wenig einzelne “linkere” Ortsgruppen ihres Jugendverbands. “Rebellisch regieren”, wie es die Bewegungslinke immer wieder vorschlägt, ist nur eine linkere Rhetorik für denselben Vorschlag. Die Mobilisierung und Organisierung auf der Straße oder in den Betrieben, Schulen und Universitäten ist in dieser Sichtweise nur ein Druckmittel, um parlamentarische Mehrheiten zu erlangen. Unsere Perspektive ist dem radikal entgegengesetzt: Das strategische Zentrum für die Veränderung der Gesellschaft – d. h. für die Enteignung des Kapitals und die Errichtung einer Arbeiter:innenregierung in der Perspektive einer weltweiten sozialistischen Revolution – ist der Klassenkampf; parlamentarische Positionen können diesen lediglich unterstützen, nicht ersetzen. Gegen die Unterordnung unter die Interessen des Kapitals setzen wir die Notwendigkeit der politischen Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse vom Kapital, von der Regierung und von den Bürokratien der Gewerkschaften und der NGOs, die sie stützen.

3. Wir stellen uns gegen den deutschen Imperialismus und gegen die Ampelregierung, die die größte militärische Aufrüstung seit Jahrzehnten vorantreibt. Sie erkauft im Bündnis mit den Gewerkschaftsbürokratien und den Bossen mit kleinen Zugeständnissen das Stillhalten der Massen angesichts der Krise – in der Perspektive werden aber die Ausgebeuteten und Unterdrückten nicht nur hierzulande, sondern auch international für die militärische “Zeitenwende” zahlen müssen. Die Militarisierung nach außen geht auch einher mit einer Stärkung des Repressionsapparats nach innen, wie nicht zuletzt die Razzien und Präventivhaft gegen die “Letzte Generation” zeigen. In diesem Kontext lässt die Regierung auch den letzten Anschein von Klimaschutz fallen, wie die anstehende Räumung von Lützerath im Interesse des Energiekonzerns RWE zeigt – ein weiterer Beweis dafür, dass der “grüne Kapitalismus” unmöglich ist.

4. Während­dessen stärkt sich die extreme Rechte, insbe­sondere im Innern der staatlichen Institutionen (Militär, Polizei, Justiz usw.). Der rechte Terror im Inneren ist ein Widerhall des erstarkenden Imperialismus nach außen. Die Ampel-Regierung verstärkt den staatlichen Rassismus, baut die Polizei weiter aus, schiebt Menschen in Kriegsgebiete ab und ist für den Massenmord an Außengrenzen der EU verantwortlich – und setzt somit die Politik um, die von der AfD und der extremen Rechten gefordert werden. Daher kann der Auf­stieg der Rechten nicht mit einer Logik des “ge­ringeren Übels” der Unterstützung von “linken” oder “fortschrittlichen” Regierungen bekämpft werden. Die herrschende Klasse und rechte Kräfte machen durch die bürgerlichen Medien die migrantischen Teile unserer Klasse für die Wirtschaftskrise verantwortlich. Nicht zuletzt bei der rassistischen Hetzkampagne um Silvester haben wir gesehen, dass die Medien die Abschiebung von vermeintlich “nicht-integrierbaren” migrantischen Kindern und Jugendlichen forderten.Die Reihen der multiethnischen Arbeiter:innenklasse in Deutschland sollen durch den anti-muslimischen Rassismus gespaltn werden. Es ist eine dringlichere Aufgabe denn je zuvor, sich dagegen zur Wehr zu setzen – unter anderem auch gegen die Politik der Rot-Rot-Grünen Regierung in Berlin, an der die LINKE beteiligt ist, die aus Razzien in Schischa-Bars, Racial Profiling in migrantischen Kiezen sowie Hexenjagden auf Jugendliche besteht. Wir müssen für die Abschaffung der Geflüchtetenlager und das Recht auf eine eigene und bezahlbare Wohnung kämpfen. Abschiebungen müssen gestoppt und Asylanträge anerkannt werden.Schluss mit unterschiedlichen Behandlung von Geflüchteten je nach Herkunftsland. Gegen die Logik der Spaltung von Geflüchteten durch besonders qualifizierten oder unqualifizierten Teile. Arbeitsrechte und volle Staatsbürger:innenrechte für alle Menschen, die hier leben. Auch wenn wir bei den Abgeordnetenwahlen keine unterstützenswerte Partei erkennen, kämpfen wir für das Wahlrecht aller Menschen, die hier leben. Es braucht Kampagnen in Gewerkschaften für antirassistische Forderungen und für den Ausschluss der GdP aus dem DGB, was wir als eine der Aufgaben der antibürokratischen und klassenkämpferischen Strömung sehen, die wir in den Gewerkschaften aufbauen wollen.

5. Die Kapitalist:innen und ihre Regierungen haben der Jugend nur eine Perspektive des Verzichts, des Militarismus und der Klimakatastrophe anzubieten. Wir schulden ihnen nichts! Anstelle der Logik des geringeren Übels oder der politischen Resignation wollen wir eine Jugend aufbauen, die für eine ganz andere Zukunft kämpft: Eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung, die die Ressourcen dieses Planeten nachhaltig nutzt und statt hirnloser und gesundheitsschädigender Lohnarbeit die freie Entfaltung all unserer schöpferischen und kreativen Potenziale ermöglicht. Wenn deshalb die Regierenden von einer „Zeitenwende“ sprechen und uns auf künftige Kriege im Dienste des Kapitals vorbereiten wollen, sagen wir: Kein Cent, kein Mensch dem Militarismus! Gerade im imperialistischen Deutschland ist es unsere Aufgabe, eine revolutionäre, antiimperialistische Jugend an der Seite der Arbeiter:innen und aller Unterdrückten aufzubauen, die sich weder dem imperialistischen Kriegsgetrommel der „Heimatfront“ und der NATO anpasst noch reaktionäre Führungen wie Putin unterstützt oder entschuldigt.

6. Wir sind der Meinung, dass die einzige Kraft, die nicht nur einen Kampf gegen die imperialistische Politik der Regierung führen, sondern tatsächlich ein Ende von Ausbeutung und Unterdrückung erkämpfen kann, die Arbeiter:innenklasse ist. Aber nicht als gesichtslose Masse ohne Ansehen von Sexismus-, Homophobie- und Rassismuserfahrung(en), sondern im Gegenteil als Klasse, die insbesondere in einem Land wie Deutschland auch sehr migrantisch ist und immer weiblicher und offen queerer wird. Sie kann aufgrund ihrer Stellung im kapitalistischen Produktionsprozess nicht nur die zentralen Hebel der Wirtschaft lahmlegen. Sondern sie kann die Gesamtheit aller unterdrückten Teile der Bevölkerung im Kampf gegen Staat und Kapital anführen. Dafür muss sie sich deren Forderungen zu eigen machen und sich selbst an die Spitze der Kämpfe gegen Sexismus, Rassismus und jegliche Form von Unterdrückung stellen, anstatt nur eine von vielen gleichrangig getrennt voneinander agierenden Bewegungen zu bilden, wie es beispielsweise die Bewegungslinke propagiert.

7. Die Trennung von Fragen der Unterdrückung (Sexismus, Rassismus, LGBTQIA+-Feindlichkeit usw.) vom Kampf gegen die kapitalistische Ausbeutung zementiert die Spaltung der Arbeiter:innenklasse. Diese ist für das Kapital funktional und wird vom Staat und den Bürokratien in der Arbeiter:innenbewegung aufrecht erhalten, die stets versuchen, ökonomische von sozialen und politischen Kämpfen zu trennen. Sie steht auch der Perspektive des Kampfes für eine Gesellschaft, die frei von jeglicher Ausbeutung und Unterdrückung ist, unmittelbar entgegen. Deshalb haben wir nichts gemeinsam mit der populistischen Perspektive von Sahra Wagenknecht, die unter dem Vorwand einer Rückkehr zu mehr “Klassenpolitik” die Fragen der Unterdrückung herunterspielt. Die Strategie von Wagenknecht, ebenso wie die ihres französischen Pendants Jean-Luc Mélenchon und La France Insoumise ist darauf ausgelegt, die Interessen der “weißen Arbeiterklasse” mit den Interessen der imperialistischen Bourgeoisie zu vereinen. Ihre links klingenden Phrasen sind in Wahrheit nichts anderes als die Verteidigung des Standortnationalismus der Konzerne. Anstatt den Rechten das Wasser abzugraben, überlässt sie ihnen mit dieser Strategie das Feld.

8. Ihre Perspektive teilt die Linkspartei auch mit „neo-reformistischen“ oder linkspopulistischen Projekten der vergangenen Jahre wie Syriza in Griechenland, Podemos im Spanischen Staat oder La France Insoumise in Frankreich. Sie sind keine Ausdrücke des Klassenkampfes. Im Gegenteil: Sie lenken den Klassenkampf in staatstragende Bahnen um. Podemos hat ihre Opposition zur Monarchie abgelegt und setzt als Teil der spanischen Regierung derzeit die Aufrüstung und die Abschottungspolitik gegen Migrant:innen und die Zusammenarbeit mit Marokko zur kolonialen Unterdrückung der Westsahara fort. Die linksreformistische Wahlfront Syriza setzte 2015 an der griechischen Regierung die Spardiktate von IWF, EZB und EU um, obwohl sie sich vorher ausdrücklich dagegen positioniert hatte. In Griechenland zeigte sich auch, dass die EU ein imperialistischer Block ist, der den Interessen vor allem des deutschen Kapitals dient. Sozialist:innen müssen die EU als imperialistisches Projekt ablehnen, aber ohne die Perspektive der Rückkehr zum Nationalstaat – wie es beispielsweise Sahra Wagenknecht oder Jean-Luc Mélenchon vorschlagen –, sondern in der Perspektive der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.

9. Der Stalinismus hat die revolutionäre Tradition weltweit, aber gerade auch in Deutschland zutiefst beschädigt. Denjenigen, die heute aus der Krise der Linkspartei Schlussfolgerungen ziehen wollen, raten wir dringend, auch aus dem Erbe des Stalinismus die nötigen Lehren zu ziehen. Die Bürokratisierung der Arbeiter:innenstaaten – nicht zuletzt der DDR –, die Unterordnung von Fragen der Unterdrückung, die Unterstützung für bürgerliche Parteien im Namen der nationalen Befreiung (sowohl linkerer Varianten wie die des frühen Chavismus als auch die Unterstützung für reaktionäre Anführer wie Assad in Syrien im Namen des „Antiimperialismus“), die offene oder verdeckte Sabotage unzähliger revolutionärer Prozesse, und die absolute Geringschätzung der selbstorganisierten Demokratie der Arbeiter:innen sind nur einige Elemente, die uns dazu veranlassen zu sagen: Das ist nicht unser Sozialismus. Im Gegenteil: Eine revolutionäre Kraft in Deutschland kann nur entstehen, wenn sie dieses Erbe hinter sich lässt.

10. Angesichts der Verschärfung der Klimakatastrophe, angesichts von Krieg und Aufrüstung, angesichts von fortgesetzter Inflation und Wirtschaftskrise braucht es eine konsequente Opposition in den Betrieben, Schulen und Universitäten und auf der Straße. Sie muss für ein soziales Notfallprogramm kämpfen, das die kapitalistischen Profitinteressen angreift und angesichts von Krise, Krieg und Klimakatastrophe eine sozialistische Perspektive aufwirft. Für sofortige Preisstopps, für die automatische Angleichung von Löhnen, Renten, Sozialleistungen, Bafög etc. an die Inflation, für hohe Gewinn- und Vermögenssteuern, für die Enteignung von Immobilien- und Energiekonzernen in der Perspektive der entschädigungslosen Enteignung aller Großunternehmen unter Kontrolle der Arbeiter:innen, für einen sozialen und ökologischen Umbau des Energiesystems und der gesamten Wirtschaft, gegen den Krieg, Sanktionen und Waffenlieferungen, gegen die 100-Milliarden-Aufrüstung. Weder Putin noch die NATO, und gegen den Militarismus des deutschen Imperialismus.

11. Um ein solches Programm umzusetzen, müssen wir in den Betrieben, Schulen und Universitäten und auf der Straße eine Einheitsfront für den Kampf gegen die Regierung und das Kapital aufbauen. Dazu ist es notwendig, die bremsende Rolle der Bürokratien der SPD, der Gewerkschaften und NGOs zu überwinden und ihr eine Perspektive der Selbstorganisation und der Koordinierung der Kämpfe gegenüberzustellen –  für klassenkämpferische Gewerkschaften und für die Selbstorganisation der Arbeiter:innen. Nicht nur in vereinzelten Kämpfen, sondern auch als Perspektive einer politischen Alternative jenseits kapitalistischer Regierungen. Denn die Führungen unserer Gewerkschaften zeigen aktuell wieder mit der Konzertierten Aktion (regelmäßige Treffen, bei denen sie sich mit Politik, Unternehmensverbänden und der Deutschen Bank abstimmen), dass sie lieber mit der Regierung und den Kapitalist:innen schlechte Kompromisse aushandeln. Den Preis dafür zahlen wir heute als Arbeiter:innen und als Jugendliche. Aber auch die Ausweitung befristeter Verträge wurde von unseren Gewerkschaftsführungen mit unterschrieben. Gegen diese sozialpartnerschaftliche Politik versuchen wir in Streiks, Kämpfe und Bewegungen Instanzen der Selbstorganisation und der breitestmöglichen Demokratie der Kämpfenden zu entwickeln, wie beispielsweise Streikversammlungen, imperative Mandate und die jederzeitige Abwählbarkeit von Vertreter:innen. Wir wollen schon heute durch ein Bewusstsein erzeugen, dass Leute zu dem Schluss kommen: “Die Bosse und die Herrschenden brauchen wir nicht, wir nehmen die Wirtschaft selbst in die Hand und wollen den Staat stürzen.”

12. Dies kann nur der erste Schritt hin zum Aufbau einer unabhängigen revolutionären Partei der Arbeiter:innenklasse sein. Denn mit dem Bruch mit der Linkspartei fängt unsere Aufgabe erst an: eine Organisation aufzubauen, die die fortschrittlichsten Teile der Arbeiter:innenklasse, der Jugend, der Frauen und LGBTQIA+, der Migrant:innen im Kampf für den Sturz des Kapitalismus und für die sozialistische Revolution anführen kann. Zu diesem Zweck haben wir bei dieser Konferenz begonnen, Debatten über strategische Lehren aus dem Scheitern der Linkspartei und über die Strategie für die Revolution zu führen. Diese Debatten wollen wir fortführen:

a. Als Alternative zur Anpassung an den Reformismus hat sich vor über zehn Jahren in Frankreich die Neue Antikapitalistische Partei gebildet, als Prototyp einer „breiten antikapitalistischen Partei“, die alle Strömungen links vom Reformismus, die sich als antikapitalistisch verstanden, sammeln wollte. Im Dezember 2022 hat sich die NPA infolge der Anpassung der Leitungsmehrheit an den Reformismus/Linkspopulismus gespalten. So hat sich gezeigt, dass die „breite antikapitalistische Partei“ ohne klare strategische Abgrenzung und ohne strategisches Zentrum im Klassenkampf problematisch ist. Für den Aufbau einer revolutionären Organisation ist es wichtig, daraus die korrekten Lehren zu ziehen. Das wollen wir in weiteren Diskussionen vertiefen.

b. Die Anwesenden sind sich einig, dass eine gemeinsame Intervention auf der Grundlage der in dieser Erklärung vorgelegten Eckpunkte in kommende Kämpfe möglich und nötig ist. Wir wollen:

  • in die kommende Tarifrunde des öffentlichen Dienstes (TVöD) mit einem Programm intervenieren, das die Forderung nach einem realen Inflationsausgleich erhebt und mit einem weitergehenden Programm gegen Krise, Krieg und Klimakatastrophe verbindet; die ver.di Kampagne um die TVöD-Runde mitaufbauen, gemeinsam mit der VKG in die Betriebsgruppen intervenieren und auf das Organisieren von politischen Demonstrationen an Streiktagen hinarbeiten, die ein solches Programm erheben:
  • Inflationsausgleich für alle, Anpassung aller Sozialleistungen an die Inflation, Erlass eines Mietenstopps, DWE durchsetzen.
  • Milliarden Investitionen in Gesundheit, Bildung und Klima statt 100 Milliarden in Aufrüstung, Einführung von Vermögenssteuern und Abgaben,
  • Vergesellschaftung der Energieversorgung unter demokratischer Kontrolle der Beschäftigten und der Bevölkerung etc.,
  • Gegen die rassistische Hetze gegen unsere Kolleg:innen mit Flucht und Migrationserfahrungen und für Arbeits-und Studienerlaubnis für alle, Stopp aller Abschiebungen.
  • Solidarität mit Gewerkschaften und Arbeiter:innen anderer Länder, die unter Krise und Krieg leiden. Internationale Solidarität zwischen Arbeiter:innen, die unter gegenseitigen Sanktionen leiden.
  • in allen Kämpfen die Selbstorganisation der Arbeiter:innen unterstützen, wie bspw. aktuell in Kampf der Hebammen in Neuperlach gegen die Schließung ihres Kreißsaals.
  • angefangen mit dem Widerstand in Lützerath, mit einem sozialistischem Programm in die Klimabewegung intervenieren und Initiativen aus der Arbeiter:innenbewegung vorbereiten, um die Arbeiter:innenklasse als politisches Subjekt im Kampf gegen die Klimakatastrophe und eine demokratisch-ökologische Planwirtschaft aufzuzeigen.
  • uns an allen Mobilisierungen gegen den staatlichen Rassismus, Polizeigewalt, Abschiebungen und extremen/faschistischen Rechten beteiligen. An allen Orten besonders gegen die aktuelle rassistische Stigmatisierung von migrantischen Jugendlichen stellen.
  • uns an den Mobilisierungen um den 8.März beteiligen, darauf hinarbeiten, dass bundesweite Streikaktionen unterschiedlicher Bewegungen an diesem Tag mit einem feministischen Programm stattfinden.
  • uns an allen weiteren Mobilisierungen gegen Militarisierung und Krieg beteiligen, mit einer Perspektive der internationalen Solidarität der Arbeiter:innenklasse gegen die Agression der kapitalistischen Regierungen, für die Notwendigkeit des Kampfes der Arbeiter:innenklasse in Deutschland gegen ihre imperialistische Regierung.
  • Uns an Mobilisierungen gegen Kolonialismus zu beteiligen, mit einer bedingungslosen Solidarität mit dem Kampf der kolonisierten Völker wie in Kurdistan und Palästina für ihre Befreiung, die vom deutschen Staat insbesondere bekämpft werden. Wir treten für die Entkriminalisierung ihrer Widerstandsorganisationen und für den Stopp aller deutschen Waffenlieferungen an die Türkei, Israel, sowie anderer Länder ein.
  • angesichts des Verrats der Linkspartei am Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co. enteignen, tausenden Abschiebungen, Ausbau des rassistischen Polizeiapparates, weiterer Kürzungspolitik in Gesundheit und Bildung usw. lehnen wir eine Wahlunterstützung für die Linkspartei bei der Wiederho­lung der Abgeordnetenhauswahl ab. Dagegen betonen wir die Notwendigkeit der revolutionär-sozialistischen Kandidaturen abseits der reformistischen Parteien, organisieren gemeinsam mit allen Interessierten eine Kampagne gegen die erneuten Regierungsbeteiligungen der LINKEN an RRG und setzen uns für erneute Mobilisierungen für die Enteignung der großen Immobilienkonzerne durchführen.

c. Über die konkrete Intervention in Streiks und Kämpfe hinaus wollen wir eine politische Kraft aufbauen, die den Reformismus auf allen Ebenen – auch auf der Ebene der Wahlen – konfrontieren kann. Wir wollen dabei keine prinzipienlose Fusion verschiedener Organisationen mit unterschiedlichen Strategien oder eine breite Sammlung von antikapitalistischen Aktivist:innen ohne strategische Klarheit. Der Weg zu einer größeren programmatischen und strategischen Klarheit besteht darin, in gemeinsamen Kämpfen Positionen auszutesten und Übereinkünften weiterzuentwickeln – aber auch darin, beispielsweise gemeinsame Antritte bei Wahlen mit einem Programm der Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse anzustreben. Deshalb rufen die Unterzeichner:innen alle Organisationen, die dem Inhalt dieser Erklärung zustimmen, dazu auf, Schritte für den Aufbau einer gemeinsamen revolutionären Front zu gehen. Diese Front muss basieren auf gemeinsamen Erfahrungen im Klassenkampf und der politischen Intervention in Streiks, sozialen Kämpfen sowie perspektivisch Wahlen auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene. Mit den Lehren der Erfahrungen von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg sind wir der Meinung, dass ein Bruch der Revolutionär:innen mit den sozialdemokratischen Verwalter:innen des Kapitalismus nicht nur notwendig, sondern unumgänglich ist.




Revolutionäre Organisation braucht revolutionäres Programm

Wilhelm Schulz, Debattenbeitrag zur Konferenz „Für einen revolutionären Bruch“, Infomail 1209, 10. Januar 2023

Zu Recht stellt die Einladung zur Konferenz „Revolutionärer Bruch“ am 14. Januar die Notwendigkeit des Aufbaus einer neuen revolutionären Organisation auf. Schließlich reicht es nicht, sich von einer reformistischen (wie z. B. [’solid]) zu trennen. Wenn wir erfolgreich die Welt verändern wollen, braucht es auch eine politisch-organisatorische Alternative, genauer eine neue kommunistische Arbeiter:innenpartei und eine neue revolutionäre Internationale.

Im folgenden Beitrag wollen wir die Fragen diskutieren: Was muss unsere Grundlage sein, um dieses Ziel zu erreichen? Warum glauben wir, dass dafür ein revolutionäres Programm notwendig ist? Was bedeutet die Realität von Kleinstgruppen?

Revolution  – so weit das Ziel. In dieser Allgemeinheit teilen es jedoch eine ganze Reihe von subjektiv revolutionären Organisationen und Aktivist:innen einschließlich klassenkämpferischer Gewerkschafter:innen, Jugendlicher, Antiimperialist:innen, Kämpfer:innen in der Frauen- und Umweltbewegung. Schließlich betrachten sich selbst dutzende Gruppierungen als „revolutionär“, als konsequente Gegner:innen des Reformismus. Politisch umfassen diese Organisationen, die sich allesamt links von der Linkspartei verorten, so unterschiedliche Gruppierungen oder „Parteien“ wie die DKP, die MLPD, verschiedene kleinere maoistische Organisationen, das gesamte, in sich heterogene trotzkistische Spektrum, sowie unterschiedliche (post)autonome Strömungen und viele mehr. Insgesamt mögen das in Deutschland mehrere zehntausend Menschen sein. Zugleich offenbart schon eine oberflächliche Betrachtung der verschiedenen sich als „revolutionär“ deklarieren Strömungen tiefe, ja grundlegende politische Differenzen, selbst wenn alle oder die meisten allgemeinen Forderungen nach einer „unabhängigen Arbeiter:innenpolitik“, Schaffung einer kommunistischen Partei usw. zustimmen würden.

Zugleich impliziert diese gesonderte Existenz der verschiedenen Gruppierungen notwendigerweise auch eine Bezeichnung aller anderen als nicht oder nicht ausreichend revolutionär. Wäre dem nicht so, gäbe es keine politische Rechtfertigung für die eigene gesonderte Existenz. Dementsprechend liegt es in der Natur das Sache, dass die verschiedenen Gruppierungen einander als ultralinks oder opportunistisch, als zentristisch (also zwischen revolutionärer und reformistischer Politik schwankend) oder gar als konterrevolutionär charakterisieren.

Die Differenzen zwischen den verschiedenen Strömungen sind durchaus grundlegend. Zugleich sind die meisten politischen Gruppierungen der Mehrheit der Arbeiter:innenklasse, zumal ihrem mehrheitlich nichtrevolutionären Teil unbekannt. Auch die politisch bewussteren Lohnabhängigen, einschließlich großer Teile der Avantgarde der Klasse, stehen den verschiedenen Strömungen oft eher ratlos gegenüber.

Dies hat mehrere Gründe. Einerseits entspricht das einem vorherrschenden reformistischen oder nurgewerkschaftlichen, in letzter Instanz also bürgerlichem Bewusstsein der Lohnabhängigen. Die Differenzen unter den „radikalen“, subjektiv revolutionären Kräften erscheinen ihnen als unverständlich, nicht nachvollziehbar – auch weil sie selbst von der Notwendigkeit einer revolutionären Umwälzung, vom Sturz der Herrschaft der Bourgeoisie und der Errichtung der Diktatur des Proletariats nicht überzeugt sind. Wären sie das, wären sie ja schon ebenfalls subjektiv revolutionäre Arbeiter:innen. Daher erscheinen ihnen die Differenzen unter den „Radikalen“ als Haarspaltereien, als sekundär oder als bloßer Ausdruck von Sektierertum.

Zweitens kommt hinzu, dass die zersplitterte, subjektiv revolutionäre Linke bei allen inneren Differenzen eint, dass alle ihre Organisationen und Strömungen gesellschaftlich recht isoliert sind und nicht über genügend Einfluss in der Arbeiter:innenklasse verfügen, um ihre Politik für breitere Schichten der Lohnabhängigen nachvollziehbar und praktisch überprüfbar zu machen. Die größten, ihrem Anspruch nach revolutionären Organisationen oder selbstproklamierten Parteien zählen wenige tausende Mitglieder – und schon das gilt als „groß“. Dies scheint jedoch gering, wenn wir uns vor Augen halten, dass die Arbeiter:innenklasse in Deutschland rund 2/3 der Bevölkerung umfasst, also 50 – 60 Millionen. Natürlich macht es für den Aufbau einer revolutionären Gruppe einen Unterschied, ob sie 50, 100, 500 oder 3.000 Mitglieder zählt. Im Verhältnis zur gesamten Klasse oder selbst zu deren Avantgarde, die ihrerseits weiter reformistisch und gewerkschaftlich geprägt ist, macht das aber keinen qualitativen Unterschied.

Dieser Realität müssen wir uns bei unseren Diskussionen bewusst sein. Alles andere verklärt die eigene Rolle im Klassenkampf. Warum? Der begrenzte eigene Einfluss spielt eine Rolle, wen man praktisch mit seiner Politik erreichen kann. Kleinere Gruppen sprechen in der Regel bereits radikalisierte Individuen an, die in den Widerspruch mit dem Kapitalismus gekommen sind. Diese sind jedoch nicht unbedingt repräsentativ für die Situation der gesamten Arbeiter:innenklasse. Deswegen sollten wir uns bewusst sein, wenn wir die aktuelle politische Lage einschätzen, Artikel schreiben oder über unsere Taktiken diskutieren, wen wir wann erreichen können. Für Organisationen mit revolutionärem Anspruch halten wir es jedoch für essentiell, sich die Frage zu stellen, welche Forderungen und Taktiken für die gesamte Klasse notwendig wären, um das Aufbrechen des vorherrschenden Bewusstsein zuzuspitzen. Dazu aber später mehr.

Die bittere Realität

In Deutschland haben wir es mit einer Situation zu tun, wo alle politisch organisierten Gruppen der „extremen“ Linken im Grunde im Stadium von Propagandagesellschaften agieren. Es handelt sich nicht um revolutionäre Parteien im Sinne von Organisationen, die zumindest bedeutende Teile der Arbeiter:innenklasse umfassen und führen, wo also revolutionärer Marxismus und proletarische Avantgarde bereits zu einer Kaderpartei verschmolzen sind. Das heißt nicht, dass sie keine praktische Arbeit machen können oder sollen, aber es bedeutet, dass die Richtigkeit (oder Falschheit) ihrer Politik nur sehr eingeschränkt, wenn überhaupt praktisch überprüft werden kann.

Auch wenn keine der bestehenden „revolutionären“ Gruppen für sich beanspruchen kann, schon die „revolutionäre“ Partei darzustellen, so wird diese wohl auch nicht daraus entstehen können, indem eine dieser Gruppen darauf hofft, nur noch wachsen zu müssen. Eine neue revolutionär-kommunistische Partei wird nicht durch die Gewinnung von Individuen und kleinen Gruppen aufgebaut werden können, sondern sie erfordert auch die Überwindung der inneren Differenzen im subjektiv revolutionären Spektrum.

Dabei gehen wir aber davon aus, dass dies reale sind, also ihre Überwindung nicht einfach nur Zusammenarbeit und Verständigung auf die Punkte erfordert, die die Gruppen teilen, sondern auch und gerade die Diskussion um Knackpunkte ihrer politischen und programmatischen Differenzen. Werden diese nicht überwunden, ist eine revolutionäre Vereinigung, also eine, die auf einer gemeinsamen Programmatik, einer gemeinsamen Auffassung über die Ziele, Mittel, Kampfmethoden einer zu gründenden größeren revolutionären Organisation fußt, unmöglich. In Wirklichkeit würden diese dann unter einem Namen als verschiedene politische Strömungen wirken. Dies würde in Realität schnell zur gleichen Passivität in zentralen Fragen des Klassenkampfes führen, wie wir sie bei der Linkspartei oder IL sehen können, oder zur erneuten Spaltung.

Warum ist das Programm zentral?

Dies führt uns zur Frage, was eigentlich den Kern, das Wesen eines revolutionären Bruchs ausmacht. Die Frage ist für alle Revolutionär:innen zentral, besonders aber für kleine kommunistische Organisationen, die sich noch im Vorstadium des Aufbaus einer Partei befinden. Die zentrale Bedeutung des revolutionären Programms ergibt sich im Grunde schon aus dem spezifischen Charakter der sozialistischen Revolution. In dieser spielt die Frage des Bewusstseins eine qualitativ andere Rolle als in der bürgerlichen, antifeudalen Revolution.

Die kapitalistische Produktionsweise begann, sich schon lange im Schoße des Feudalismus zu entwickeln, die Bourgeoisie stieg schon zur ökonomisch vorherrschenden Klasse auf, bevor sie zur politischen Macht gelangte. Gerade deshalb konnte die antibürgerliche Reaktion nach den bürgerlichen Revolutionen auch keine vorkapitalistischen Eigentumsverhältnisse mehr etablieren. Sozialistische Eigentumsverhältnisse hingegen entwickeln sich im Kapitalismus nicht. Dieser schafft zwar die materiellen Voraussetzungen für eine sozialistische Umwälzung (Produktion auf großer, indirekt vergesellschafteter Stufenleiter und die Arbeiter:innenklasse), er schafft aber keineswegs „sozialistische“ Inseln inmitten der bürgerlichen Gesellschaft. Im Gegenteil: Alle Versuche, den „Sozialismus“ durch kapitalistische Verstaatlichungen, Genossenschaften, Selbstverwaltung schrittweise einzuführen, entpuppen sich letztlich als zum Scheitern verurteilte reformistische Utopie, ebenso die stalinistische Planwirtschaft.

Daher muss die Arbeiter:innenklasse auch die politische Macht erobern, die bürgerliche Staatsmaschinerie zerschlagen und durch die Räteherrschaft, also ihre Diktatur, ersetzen, um eine planmäßige, bewusste Reorganisation der Wirtschaft, von Produktion und Reproduktion gemäß den Bedürfnissen der ehemals Ausgebeuteten und Unterdrückten (und einem nachhaltigen Verhältnis von Mensch und Natur durchsetzen).

Aus obigen Überlegungen ergibt sich nicht nur das Problem, dass das Bewusstsein bei der sozialistischen Umwälzung eine qualitativ andere Rolle spielt als in früheren Revolutionen. Die kapitalistische Gesellschaftsordnung geht zugleich auch damit einher, dass sie das Bewusstsein der Ausgebeuteten auf eine besondere Art prägt, nämlich so, dass das Ausbeutungsverhältnis (die Produktion von Mehrwert und dessen Aneignung durch das Kapital) im Bewusstsein der Lohnabhängigen verschleiert wird.

Wie entsteht revolutionäres Bewusstsein?

Im Lohnarbeitsverhältnis erscheint es so, als würde die gesamte Arbeit des/r Lohnabhängigen bezahlt. Daher stellt der gewerkschaftliche Kampf, also der um die Verkaufsbedingungen der Ware Arbeitskraft, auch nur eine embryonale Form des Klassenkampfes dar, wie Lenin zu Recht in „Was tun?“ ausführt. Natürlich ist es für die Arbeiter:innenklasse (und ebenso für alle Revolutionär:innen) unerlässlich, diesen Kampf systematisch zu führen, aber daraus entsteht keinesfalls spontan, automatisch revolutionäres Klassenbewusstsein. Im Gegenteil. Für sich genommen bringt der rein gewerkschaftliche Kampf kein sozialistisches Klassenbewusstsein hervor, weil er sich noch ganz auf der Basis des Lohnarbeitsverhältnisses bewegt, also im Rahmen eines Verteilungskampfes innerhalb der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse, der sie letztlich unangetastet lassen muss. Bis zu einem gewissen Grad ist dieser gewerkschaftliche Kampf sogar notwendig, um das Lohnarbeit-Kapitalverhältnis selbst zu reproduzieren.Andernfalls könnte die Arbeitskraft auf Dauer nicht voll entgolten und damit auch ihr Gebrauchswert für das Kapital (ihr Arbeitsvermögen) unterminiert werden. Der Ausgang auch des erfolgreichen gewerkschaftlichen Kampfes ist daher zwiespältig. Er schult einerseits die Arbeiter:innenklasse und stärkt ihr Selbstvertrauen, er stärkt aber auch die Illusionen in die Möglichkeit der Reformierbarkeit oder gerechten Verteilung im Rahmen des Systems (eine Zwiespältigkeit, die in jedem Kampf für Reformen steckt).

Revolutionäres Klassenbewusstsein, also das Verständnis für die notwendig durchzuführende Zerschlagung des Kapitalismus hingegen ist weit mehr als bloßes Lohnarbeitsbewusstsein (rein ökonomisches Bewusstsein). Es kann nicht bloß aus der eigenen Erfahrung, aus dem Kampf erwachsen, sondern es muss von außen in die Arbeiter:innenklasse getragen werden. Es erfordert eine wissenschaftliche Fundierung, die auf einer dialektisch-materialistischen Analyse der Gesellschaft fußt – sowohl der allgemeinen Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Entwicklung, der Besonderheiten des Imperialismus wie auch auf einer Verallgemeinerung der Erfahrungen im Klassenkampf. Letzteres betrifft nicht nur die eigenen, sondern auch die vergangener Generationen sowie jene der Kämpfe in anderen Ländern, das Verhältnis zwischen allen Klassen und Schichten der Gesellschaft. Es umfasst sowohl ein Verständnis der ökonomischen wie auch der sozialen und politischen Verhältnisse in der bürgerlichen Gesellschaft.

Und spontanes Bewusstsein?

Das sich spontan entwickelnde Bewusstsein der Arbeiter:innenklasse im Kapitalismus ist hingegen bürgerlich – wenn auch in verschiedenen Abstufungen. So können wir ökonomische Kämpfe als embryonale Formen des Klassenkampfes betrachten und dementsprechend rein gewerkschaftliches Bewusstsein als eine embryonale Form des Klassenbewusstsein. Diese können sich zwar über rein gewerkschaftliche Auseinandersetzungen hinaus zuspitzen, wie wir an Generalstreiks oder bei Betriebsbesetzungen sehen. Sie schaffen dabei Potenzial für Revolutionär:innen zu intervenieren. Doch selbst, wenn sie politische und sogar antikapitalistische Fragen aufwerfen, so entwickelt sich automatisch daraus keine bewusste revolutionäre Antwort (also eine Strategie und Taktik, die ermöglicht, die Klasse zum Sieg zu führen), sondern allenfalls ein größere Bereitschaft, sich dieser zuzuwenden.

Reformistisches Bewusstsein wiederum baut auf dem gewerkschaftlichen auf. Hier besteht der Fortschritt darin, dass nicht nur eine gewerkschaftliche Organisierung notwendig ist, sondern die Erkenntnis, dass es auch einer eigenen Partei der Lohnabhängigen bedarf, um ihre Interessen im Rahmen des Kapitalismus durchzusetzen. Aber auch das bleibt noch bürgerlich. Die Bürokratie in den Gewerkschaften und reformistischen Parteien wie DER LINKEN und auch der SPD verstärkt dies, baut darauf auf. Sie kreiert aber diese objektiven entfremdeten, und ideologischen Formen (Lohnfetisch, Lohnform) nicht, sondern diese reflektieren vielmehr wesentliche gesellschaftliche Verhältnisse, wie Marx im Fetischkapitel des Kapitals ausführt.

Was bedeutet das für uns in der Praxis?

Ein revolutionäres Programm kann daher nie einfach „aus den Kämpfen“ entstehen, es muss vielmehr von Revolutionär:innen auf der Basis einer wissenschaftlichen Analyse erarbeitet werden. Darunter verstehen wir aber nicht bloß eine Wiedergabe der allgemeinen Bestimmungen des Kapitalismus (globales Ausbeutungssystems; allgemeine, historische Tendenzen der Kapitalakkumulation; Krisenhaftigkeit usw.; internationaler Charakter der Revolution; Rolle des bürgerlichen Staates) und der allgemeinen Aufgaben der Arbeiter:innenklasse (Organisierung, Eroberung der Staatsmacht, Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates, Enteignung des Kapitals, demokratische Planwirtschaft).

Ein revolutionäres Programm muss vielmehr diese allgemeinen Erkenntnisse gemäß den Erfordernissen einer konkreten Situation spezifizieren, sowohl im globalen Zusammenhang, der letztlich auch den Rahmen für die „Besonderheiten“ des Klassenkampfes in den einzelnen Nationalstaaten liefert, als auch angesichts des konkreten Kräfteverhältnisses in einem bestimmten Land oder einer bestimmten Periode. Das Programm muss dabei von der objektiven Lage ausgehen, aber zugleich versuchen, einen Weg zu finden, wie die sich daraus ergebenden Aufgaben mit dem aktuellen, rückständigen Bewusstsein der Arbeiter:innenklasse vermittelt werden können.

Es ist die erste Aufgabe von Kommunist:innen, eine Organisation auf einer solchen programmatischen Grundlage zu schaffen, wobei das Programm als Vermittlung von bewusster, revolutionärer Theorie und Praxis fungiert. Daher kann nur ein solches die Basis für die Einheit von Revolutionär:innen abliefern; ansonsten ist die Einheit bloß formal, bloß organisatorisch und nicht in der Lage, den Test des Klassenkampfes zu bestehen. Wir können hier kein umfassendes Programm niederlegen. Alle, die unsere konkreten Vorschläge nachlesen wollen, verweisen wir hier auf das Programm der GAM und der Liga für die Fünfte Internationale. Da dies aber für die gemeinsame Diskussion auf dieser Konferenz sicherlich den Rahmen sprengen würde, werden wir im Beitrag „Programm in der Praxis: ein paar Grundzüge“ auf einige Kernelemente eingehen, die auf dem Weg zur Schaffung einer revolutionären Organisation unserer Meinung nach systematisch diskutiert werden müssten (wir erheben hier bewusst keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

Programm heute

Im Diskussionsbeitrag „Programm in der Praxis: eine Skizze“ stellen wir zentrale Punkte eines revolutionären Programms vor.




Programm in der Praxis: eine Skizze

Jaqueline Katherina Singh, Debattenbeitrag zur Konferenz „Für einen revolutionären Bruch“, Infomail 1209, 10. Januar 2023

In unserem ersten Beitrag haben wir versucht, kurz herzuleiten, warum wir glauben, dass ein revolutionäres Programm die Grundlage für einen Bruch mit dem Reformismus darstellt. Im Folgenden wollen wir skizzieren, was die Kernelemente eines solchen sein könnten. Dabei ist uns bewusst, dass es im Kampf gegen die Inflation sowie gegen die Umweltzerstörungen viele Gemeinsamkeiten mit anderen, auf der Konferenz anwesenden Organisationen gibt. Wie bereits in der Vergangenheit sind wir auch in der Zukunft bereit, gemeinsam in Bündnissen dafür zu kämpfen. Zeitgleich gibt es jedoch viele Unterschiede. Wer das reale Interesse verfolgt, eine revolutionäre Organisation aufzubauen oder beispielweise eine Umgruppierung zu initiieren, muss deswegen nicht nur gemeinsame Aktionen fördern, sondern auch bereit sein, öffentlich über die existierenden Differenzen zu diskutieren. Anders können bestehende Unterschiede nicht aufgelöst werden und es droht entweder eine Einheit ohne Klarheit oder eine Abschottung, die der eigenen Mitgliedschaft suggeriert, dass Taktiken, die eine revolutionäre Organisation propagiert oder anwendet, nur durch die unmittelbaren Aufbaubedürfnisse und nicht durch die Interessen der Gesamtklasse bestimmt werden. Deswegen bieten wir allen Interessierten und beteiligten Kräften an, die aufgeführten Punkte vertieft weiter zu diskutieren und zu schauen, wo wir diese gemeinsam in der Praxis überprüfen können. Nun aber zum Wesentlichen:

A) Einschätzung der objektiven Lage selbst

Ein revolutionäres Programm – und auch ein Aktionsprogramm für Deutschland – muss von der Weltlage ausgehen. Ansonsten ist es nicht internationalistisch, sondern letztlich nationalzentriert. Dies beinhaltet eine klare Einschätzung der aktuellen Krisen (ökonomische, ökologische, Kampf um Neuaufteilung der Welt) und ihrer inneren Verbindung. Wir gehen davon aus, dass die aktuelle Weltlage vom Gegensatz zwischen den USA und China als den wichtigsten imperialistischen Mächten bestimmt wird, auch wenn die aktuell schärfste Konfrontation in Europa, an den Grenzen zwischen den imperialistischen EU-Mächten und dem imperialistischen Russland stattfindet. Den Gesamtcharakter des Kriegs um die Ukraine bestimmen wir als Konflikt zwischen zwei sich formierenden (und in sich durchaus gegensätzlichen) imperialistischen Blöcken. Daher treten wir in Russland und im Westen für eine Politik des revolutionären Defaitismus ein. Wir verteidigen zugleich aber auch das Recht der ukrainischen Massen, sich gegen die russische Invasion zu verteidigen.

Die Charakterisierung Russlands und Chinas als imperialistische Großmächte inkludiert aber auch weitere wichtige programmatische Konsequenzen. So stellen den Hauptfeind der Arbeiter:innenklasse in Russland oder China deren eigene herrschende Klassen dar (während hingegen bei einer Charakterisierung diese Länder als nichtimperialistisch die Frage zumindest offen bleibt, wer eigentlich ihn in diesen Ländern darstellt). Ohne eine klare Antwort darauf kann aber von einem internationalen revolutionären Programm keine Rede sein.

Wer sich weigert, China als imperialistisch zu charakterisieren, verkennt nicht nur einen der zentralen kommenden Konflikte um die globale Hegemonie, sondern die Ausbeutung von Millionen von Menschen in Afrika und Asien durch eine der größten imperialistischen Mächte und kann diesen nicht mit voller Schärfe führen. Ebenso droht Gefahr, im Zuge eines Krieges eine falsche Position einzunehmen, wie es bspw. Teile der aktuellen Friedensbewegung tun und sich auf die Seite des russischen Imperialismus stellen. Vor allem ist es aber ein Anzeichen für ein falsches Verständnis des Imperialismus als Weltsystem.

Wir gehen außerdem davon aus, dass eine Reihe von Niederlagen und der Rechtsruck der letzten Jahrzehnte auch zu einer Zerstörung proletarischen Klassenbewusstseins geführt haben. Das heißt, dass viele der Kämpfe, in die wir in den kommenden Jahren eintreten werden, als defensive Kämpfe beginnen dürften. Zugleich werden diese jedoch aufgrund der objektiven Lage sehr viel stärker zu Konfrontationen grundlegenden Charakters treiben, weil selbst die Durchsetzung umfassender Reformen Mittel des proletarischen Massenkampfes (Massenstreiks, Besetzungen) erfordert und gerade in den halbkolonialen Ländern auch viel rascher Formen des Aufstandes annehmen kann (Sri Lanka, Iran).

B) Kampf gegen Krieg und Krise

In Deutschland wird der Kampf gegen die Inflation und die kommende Rezession sicherlich im Zentrum der kommenden Monate, wenn nicht Jahre stehen. Anders als viele andere Länder verfügt der deutsche Imperialismus jedoch über gewisse Reserven zur Abfederung, was der Entstehung einer Antikrisenbewegung auch entgegenwirkt und einen gewissen Spielraum für faule sozialpartnerschaftliche Kompromisse bietet (Metall- und Elektroindustrie, Bergbau, Chemie, Energie. Ein solches Szenario könnte auch im öffentlichen Dienst drohen, auch wenn es dort schwerer durchzusetzen ist).

Es ist daher unbedingt notwendig für die subjektiv revolutionäre Linke, für den Aufbau einer bundesweiten, vor allem gewerkschaftlich orientierten Antikrisenbewegung zu agitieren. Diese darf sich jedoch nicht auf die „radikale“ Linke beschränken, weil diese allein letztlich nichts durchsetzen kann. Es muss vielmehr beständig Druck auf die bestehenden, bürokratisch geführten Massenorganisationen (Gewerkschaften, aber auch Linkspartei und SPD, insb. deren „linke“ Teile) ausgeübt werden. Es braucht eine aktive Politik der Einheitsfront, diese Organisationen – die Basis wie die Führung – zum Handeln aufzufordern. Dabei sollten sich solche Aufforderungen auf wenige Losungen und konkrete Absprachen zur gemeinsamen Aktion und zu Kampf- und Mobilisierungsstrukturen beschränken. Es geht nicht darum, gemeinsame „Programme“ zu entwickeln, sondern vor allem zur Massenaktion zu kommen.

Diese Herangehensweise betrifft nicht nur die Frage der Krise, sondern auch jene der Aufrüstung und Kriegstreiberei in politischer und ökonomischer Hinsicht.

Als Revolutionär:innen müssen wir darüber hinaus ein Aktionsprogramm gegen Krieg und Krise vorlegen, das einen Übergangscharakter hat, also unsere unmittelbaren Forderungen gegen die Inflation, für eine gleitende Skala der Löhne mit jenen nach Arbeiter:innenkontrolle und Enteignung des Großkapitals verbindet.

Als Revolutionär:innen muss es unser Ziel sein, in den Gewerkschaften das System der Bürokratie zu brechen. Dies passiert nicht, indem wir einfach nur solidarisch Arbeitskämpfe unterstützen oder uns als Organizer:innen „verstecken“. Wir müssen offen für den Aufbau einer basisdemokratischen, klassenkämpferischen Gewerkschaftsopposition kämpfen. Konkret heißt dies, nicht nur dafür einzustehen, dass linke Aktivist:innen Positionen im Gewerkschaftsapparat einnehmen, sondern diesen zu ersetzen durch rechenschaftspflichtige, wähl- und abwählbare Delegierte, die nicht mehr verdienen als der Durchschnittslohn von Arbeitenden. Das fällt jedoch nicht vom Himmel, sondern bedarf kontinuierlicher Arbeit – im Betrieb, aber auch in Gewerkschaftsstrukturen. Realistisch müssen wir uns auch darüber klar sein, dass die materielle Basis der Gewerkschaftsbürokratie (wie der Arbeiter:innenbürokratie überhaupt) nicht zu brechen sein wird ohne vorhergehende reale Erschütterungen ihrer Macht durch heftige Klassenkämpfe und eine allgemeine Krise der Gesellschaft selbst.

C) Das vorherrschende Bewusstsein in der Klasse

Der Aufbau einer revolutionären Organisation muss von einer nüchternen und realistischen Einschätzung der Lage der gesamten Klasse, nicht nur des kleinen Teils ausgehen, mit dem wir direkt in Kontakt stehen. Während in Deutschland rund 2/3 der Bevölkerung der Arbeiter:innenklasse zuzuordnen sind, ist davon nur ein Bruchteil organisiert. Rund 6 Millionen sind in einer DGB-Gewerkschaft aktiv, ein noch geringerer Teil in den reformistischen, bürgerlichen Arbeiter:innenparteien, wie wir an den rund 57.000 Mitgliedern der Linkspartei sehen. An dieser Stelle ist es nicht möglich, eine ausführliche Skizze der Entwicklung aller Organisationen der Arbeiter:innenklasse in den letzten Jahren zu entwerfen – auch wenn dies sicherlich hilfreich für die Diskussion auf der Konferenz wäre.

Kurz gefasst kann man jedoch sagen, dass diese Kräfte über die Jahre betrachtet kontinuierlich an Verankerung in der Klasse verloren haben – oder wie im Falle der Linkspartei diese nur rudimentär ausbauen konnten. Dies liegt vor allem am ausbleibenden Erfolge der Antikrisenproteste und der stattdessen fortwährenden Sozialpartner:innenschaft. Die folgende Desillusionierung brachte Austritte und einen Gewinn innerhalb der Wähler:innenschaft für die AfD mit sich.

Im Falle der Linkspartei kommt das fehlerhafte Verständnis hinzu, was „Bewegungspartei“ eigentlich heißt. Natürlich ist es wichtig, soziale Proteste zu unterstützen. Aber einfach nur darauf zu warten, dass was passiert, oder davor zu scheuen, Proteste zuzuspitzen, damit „Bewegungen“ ihre Kämpfe auch erfolgreich gewinnen, bringt einem/r nicht viel, wie die Coronapandemie oder auch die wenig sichtbare Intervention in die Klimabewegung zeigen.

Reicht das aber, um den Reformismus nun in die Geschichtsbücher als erledigt niederzuschreiben? Schön wäre es. Zum einen liegt dies an der Tatsache, wie revolutionäres Bewusstsein in unserer Gesellschaft entsteht (ausgeführt im ersten Beitrag), zum anderen aber auch am Charakter der bürgerlichen Arbeiter:innenparteien selbst.

Was also tun? Sicher, es stimmt, dass es einen großen Schritt für Linke in Deutschland bedeutete, wenn sich beispielsweise die linken Kräfte der Linkspartei und links davon in Deutschland zusammenschließen würden, um gemeinsam aktiv zu werden – auch wenn damit die Frage der politischen Ausrichtung einer solchen Strömung und möglichen politischen Organisation längst nicht gelöst, sondern nur gestellt wäre.

Zeitgleich ist es ein Fehlschluss, daraus abzuleiten, dass selbst dann die Stunde des Reformismus geschlagen hätte. Denn wer sich die reale Verankerung der Gewerkschaftsbürokratie ansieht, wird feststellen, dass man sich mit einer – ebenfalls oftmals für tot erklärten – SPD herumschlagen muss. Klar, politisch ist mittlerweile recht einfach die lange Liste mit deren Vergehen auszupacken und vorzulesen. Praktisch sorgt es aber nicht dafür, dass die Illusionen in solche Parteien gebrochen werden, wie man auch beispielsweise an der Verräterei der Berliner Linkspartei sehen kann.

Dies liegt am Charakter der bürgerlichen Arbeiter:innenparteien selbst. Denn für Marxist:innen wird der politische Charakter, das Wesen einer Partei dadurch bestimmt, welche Eigentumsverhältnisse sie verteidigt – nicht einfach durch eine soziologische Bestimmung ihrer Parteimitgliedschaft. In diesem Sinne bleibt sie bürgerlich, was ihr praktisches Agieren anbelangt, das v. a. auf Wahlen, Parlamentsarbeit und die Teilnahme an bürgerlichen Regierungen setzt anstatt auf Klassenkampf und Mobilisierungen. Ihr bürgerlicher Charakter zeigt sich auch im inneren Regime, wo ein bürokratischer Apparat (inkl. der parlamentarischen und exekutiven Vertretungen) das Parteileben und die eher inaktive Mitgliederbasis bestimmt. Obzwar sie sich also politisch nicht wesentlich von „normalen“ bürgerlichen Parteien unterscheidet, so grenzt sie sich von den „traditionellen“ bürgerlichen Parteien CDU/CSU und FDP, aber auch den Grünen hinsichtlich ihres historischen und organisatorischen Verhältnisses zur Arbeiterklasse (wie überhaupt zu den Klassen der Gesellschaft) wesentlich ab, weil sie diesbezüglich eben eine Arbeiter:innenpartei ist. Historisch stützt sie sich zunehmend auf die besser gestellten Schichten der Lohnabhängigen, auf die Arbeiter:innenaristokratie – also jene Teile der Klasse, für die eine Politik der graduellen Verbesserung jedenfalls in bestimmten Perioden Sinn zu machen scheint.

Das heißt, dass der Kapitalismus, zumal in einem imperialistischen Land auch eine materielle Basis für Reformismus in der Arbeiter:innenklasse hervorbringt – eine Basis, die nur über einen langwierigen Kampf gebrochen werden kann. Das damit verbundene Problem der Einheitsfront und aller Taktiken, um Arbeiter:innen vom Reformismus zu brechen, wird sich dabei, wie alle historischen Erfahrungen zeigen, bis zur revolutionären Machtergreifung (in gewisse Weise auch darüber hinaus) stellen. Eine korrektes Verständnis der Einheitsfronttaktik stellt daher eine Voraussetzung für den Aufbau jeder revolutionären Organisation dar.

D) Die drohende ökologische Katastrophe

Die „Umweltfrage“ ist längst zu einer der entscheidenden Zukunfts- und Menschheitsfragen geworden. Die ökonomische Krise und der Kampf um die Neuaufteilung der Welt werden diese weiter zuspitzen, also noch drängender auf die Tagesordnung setzen.

Zugleich ist nicht nur die reformistische Klassenmehrheit, sondern auch ein großer Teil der „radikalen“ Linken von der Umweltbewegung eher isoliert oder steht ihr vorsichtig, abwartend oder gar passiv gegenüber. Dies wird nur dazu führen, dass sich kleinbürgerliche Ideologien in einer solchen Bewegung ausbreiten und Skepsis gegenüber der Arbeiter:innenklasse wächst, obwohl zur Zeit ein, wenn auch widersprüchlicher Diskussions- und Klärungsprozess in der Bewegung stattfindet. In diesen müssen wir aktiv eingreifen ebenso wie in die Arbeiter:innenklasse, weil die aktuelle soziale und ökonomische Krise gerade auch von Entlassungen und Kürzungen bedrohte Belegschaften dazu zu treiben droht, den Schulterschluss mit „ihrem“ Kapital auf Kosten ökologischer Nachhaltigkeit zu suchen.

Sie treibt zur Zeit einen größeren Keil zwischen Arbeiter:innenklasse und Umweltbewegung, wenn wir dem nicht bewusst entgegenwirken – und das erfordert nicht nur allgemeine Appelle zu einem gemeinsamen Kampf, sondern vor allem auch ein antikapitalistisches Programm zur Reorganisation der gesamten Produktion und Reproduktion der Gesellschaft im Interesse der Arbeitenden wie ökologischer Nachhaltigkeit. Dies wird auch eine Veränderung von Produktionssystemen und des Konsums implizieren – einschließlich der Einstellung überflüssiger und gesellschaftlich schädlicher Produktion. Damit dies im Interesse der Lohnabhängigen stattfinden kann, sind Enteignung, Arbeiter:innen- und Konsument:innenkontrolle und gesellschaftliche Planung unerlässlich – und zwar nicht nur in Deutschland, sondern letztlich im globalen Maßstab.

E) Bewusster Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung

Das Verhältnis von sozialer Unterdrückung (Rassismus, Frauenunterdrückung, LGBTIAQ-Unterdrückung, Jugend) und kapitalistischer Ausbeutung bildet eine weitere wichtige Aufgabe programmatische Konkretion. Entscheidend ist auch dabei, dass es nicht nur eine allgemeine Einheit gehen darf, sondern konkrete Übereinstimmung in Schlüsselfragen notwendig ist, was zentrale Forderungen betrifft wie z.B. jene nach offenen Grenzen,  Staatsbürger:innenrechten für Alle oder Vergesellschaftung der Hausarbeit. Ansonsten bleibt die Positionierung gegen diese Unterdrückungen nur reine Lippenbekenntnisse. Dasselbe trifft auch beispielsweise die Frage der bedingungslosen Unterstützung von Halbkolonien im Krieg gegen den Imperialismus zu. Darüber hinaus reicht es aber nicht nur abstrakt richtige Forderungen aufzuwerfen. Es ist Aufgabe von Revolutionär:innen, wenn sie können, diese in aktuelle Kämpfe der Klasse hereinzutragen um so Verbindungen zwischen den Ausgebeuteten und Unterdrückten zu schaffen. Beispielsweise bedeutet der Kampf für bezahlbaren Wohnraum, dass wir dort wo wir dafür kämpfen auch hereintragen, gegen die Unterbringung in Lagern einzustehen, und die Vergesellschaftung für Wohnraum bedeutet, diese für alle nutzbar zu machen, unabhängig von ihrem Aufenthaltstitel. Darüber hinaus müssen wir anerkennen, dass es wir unterdrückten Gruppen auch die Möglichkeit geben, sich mit dieser in unseren Reihen auseinanderzusetzen. Deswegen halten wir es für notwendig, nicht nur in der revolutionären Organisationen, sondern in allen Organisation der Arbeiter:innenklasse für Schutzräume, beispielsweise in Form von Caucussen (das Recht sich gesondert zu treffen) einzutreten. Dies ermöglicht Betroffenen von Unterdrückung, sich über Erlebnisse innerhalb, aber auch außerhalb der Organisationen auszutauschen und diese  wieder in die Organisation hereinzutragen.

Wir haben hier nur einige wichtige Themenfelder für eine programmatische Klärung benannt, sollte die Konferenz den Schritt zur Inszenierung eine größeren Diskussion zwischen bestehenden subjektiv revolutionären Organisationen beginnen wollen. Ohne die systematische und organisierte programmatische Debatte obiger und zweifellos etlicher anderer Themen ist eine revolutionäre Einheit eine Utopie oder bloßer Schein.

Revolutionäre Einheit erfordert die Klärung solcher und andere Differenzen. Sie erfordert einen organisierten Rahmen der programmatischen Diskussion. Wir sind dafür bereit und freuen uns auf weitere Beiträge.

Empfehlung

Zur grundlegenden Bedeutung des Programms verweisen wir auf den Diskussionsbetrag „Revolutionäre Organisation braucht revolutionäres Programm“.




Kampf gegen Krieg bedeutet Kampf gegen die Inflation

Dilara Lorin, REVOLUTION, Debattenbeitrag zur Konferenz „Für einen revolutionären Bruch“, Infomail 1209, 9. Januar 2023

Die Welt, in der wir leben, beugt sich der kapitalistischen Ordnung und wird immer wieder durch Krisen heimgesucht. Aktuell treffen mehrere die Arbeiter:innenklasse oder verursachen neue oder gehen ineinander über. Eine, die Weltwirtschaftskrise, wurde vor allem durch den Ukrainekrieg und die Inflation noch einmal verschärft. Wir stehen jedoch an einem Wendepunkt der Entwicklung des globalen Kapitalismus, also inmitten einer Phase des globalen Klassenkampfes, die entscheidenden Einfluss auf die weitere Entwicklung nehmen wird. Die Krise geht notwendigerweise mit Angriffen auf die Arbeiter:innenklasse, die Bauern-/Bäuerinnenschaft, die Jugend, die unteren und ärmeren Teile des Kleinbürger:innentums und der Mittelschichten einher.

Heute stehen Preissteigerungen im Zentrum der Angriffe auf die Einkommen und Lebensbedingungen der Massen. Mit der Entwicklung der Krise könnte dies jedoch in Deflation umschlagen, die mit Massenentlassungen, Betriebsschließungen, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung einhergeht, wie dies heute schon für bedeutende Teile der Halbkolonien gilt. Und auch wenn die Arbeiter:innenklasse in einer tiefen Krise steckt, das Fehlen einer revolutionären Führung dies noch einmal verschärft, schaffen es auf der anderen Seite die Herrschenden nicht, eine gemeinsame Antwort auf die aufkommenden Krisen zu geben, geschweige denn diese anzugehen. Das markiert eine Phase des Umbruches und es kommt auf die Arbeiter:innen an, wie schnell sie sich aufraffen und als Macht auftreten können.

Die imperialistischen Mächte befinden sich währenddessen in einem Kampf, welcher immer mehr zur Blockbildung zwischen China und den USA führt. Die russische Invasion in der Ukraine hat ein neues Kapitel in den internationalen Beziehungen aufgeschlagen, das erhebliche Auswirkungen auf die globale Wirtschaftsordnung mit sich bringt. Der Ukrainekrieg hat sicherlich Bewegung in die Blockbildung (also die außen- und militärpolitische Ausrichtung der Staaten) gebracht. Die hirntot geglaubte NATO ist plötzlich wieder erwacht, die USA und die EU fanden wieder zueinander und die Beziehungen zwischen der EU und Russland scheinen ein für alle Mal zerbrochen. Die Integration von Schweden und Finnland in die Nato verdeutlicht dies zusätzlich und verschärft die Konfrontation mit Russland, welches nun tausende weitere Kilometer eine direkte Grenze mit einem NATO-Staat teilt. Das beispiellose Sanktionsregime der G7 zeitigt wegen der Unterbrechung der Getreide-, Gas- und Ölversorgung Folgen weit über Europa hinaus. Die Blockade bedroht die  Ernährungssicherheit von etwa 50 Ländern in Afrika und Asien. Die Lebensmittelpreise sind 2020 um 28 % und 2021 um 23 % gestiegen; in diesem Jahr sind sie allein zwischen Februar und März um 17 % in die Höhe geschnellt. Hungersnöte und Hungerkrisen sind damit vorprogrammiert. Westliche Beschränkungen für russische Gas- und Ölexporte tragen ebenfalls zum Inflationsdruck bei und bringen heute schon, vor allem in Großbritannien, die Arbeiter:innen auf die Straße. Massive Preissteigerungen führen zu Hunger und Not und treiben die Inflation in Ländern an, die weit vom Schauplatz des Konflikts entfernt sind. Deutschland sowie Frankreich liegen immer mehr auf Linie der USA und haben ihre bis vor dem Krieg guten Wirtschaftsbeziehungen zu Russland komplett auf Eis gelegt, ohne dabei die möglichen Auswirkungen auf die Arbeiter:innen einzubeziehen. Auf der anderen Seite treibt der Krieg Russland in die Armee des viel stärkeren chinesischen Imperialismus, und da Russland und China den Kern der riesigen eurasischen Landmasse bilden, stellen sie eine langfristige Bedrohung für die Welthegemonie der USA dar. Es wird deutlich, dass der Widerspruch zwischen USA und China die Weltlage maßgeblich bestimmt.

Im Kampf gegen Krieg, Aufrüstung und Militarisierung aber auch gegen die ökonomische Krise gab es in Deutschland mehrere Versuche, unterschiedliche Bündnisse aufzubauen. Doch keines war erfolgreich, eine wirkliche Kraft auf die Beine zu stellen. Wenn wir hier gegen den Krieg kämpfen wollen, müssen wir da anfangen, wo die Arbeiter:innenklasse am meisten betroffen ist und den Kampf auf Gewerkschaften und Betrieb ausrichten. Die Tarifrunde im öffentlichen Dienst bildet dazu eine aktuelle Gelegenheit.

Der Krieg verschärft immer mehr die Inflation in den NATO-Staaten. Der bewusst geführte Wirtschaftskrieg mit Sanktionen und Blockaden gegenüber Russland dient nicht dazu, dem russischen Imperialismus und dem Angriffskrieg in der Ukraine ein Ende zu setzen, sondern die eigenen wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen. Wir müssen als Antikapitalist:innen und Revolutionär:innen anfangen, den Kampf gegen den Krieg mit dem gegen Inflation und Krise zu verbinden. Hier formierten sich schon verschiedene Bündnisse aus Teilen der Linkspartei, Gewerkschaften und weiteren linken kleinen Gruppen. Doch auch diese leiden an einer Tendenz zur Zersplitterung.

Dem müssen wir bewusst entgegenwirken, die Kämpfe müssen verbunden werden. Wir brauchen dafür aber nicht etliche unterschiedliche Bündnisse, sondern eins, in welchem wir gemeinsam kämpfen. Dafür braucht es aber eine Aktionskonferenz, in welcher einerseits die verschiedenen Bündnisse zusammenkommen, andererseits gemeinsam diskutieren, welche Forderungen und Analysen aufgeworfen bzw. erstellt werden müssen. Wir sollten diese Vorschläge dabei nicht als Vorbedingungen überhaupt für eine gemeinsame Aktion unterbreiten. Einige mögliche Forderungen wären dabei:

  • Gegen alle Sanktionen, Aufrüstung, NATO-Truppenverlagerungen, Waffenlieferungen! Gegen die Ausweitung der NATO, für den Austritt daraus!
  • Keinen Cent für die imperialistische Politik! Abwälzung der Kosten, Preissteigerungen usw. auf die Herrschenden! Enteignung des Energiesektors und anderer Preistreiber:innen unter Arbeiter:innenkontrolle! Notprogramm für Erwerbslose, Rentner:innen, Niedriglöhner:innen, Übernahme gestiegener Wohnungskosten durch Besteuerung des Kapitals! Verstaatlichung der Rüstungsindustrie und Konversion unter Arbeiter:innenkontrolle!
  • Bei direkter Intervention (z. B. Errichtung von Flugverbotszonen, Entwicklung neuer Brandherde im Baltikum): politischer Massenstreik gegen den Krieg!
  • Aufnahme aller Geflüchteten, Bleibe- und Staatsbürger:innenrechte für alle an dem Ort, wo sie leben wollen – finanziert durch den Staat! Integration der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt, Aufnahme in die Gewerkschaften!