Frankreich: 2 Millionen auf den Straßen – was ist der nächste Schritt?

Marc Lassalle, Neue Internationale 271, Februar 2023

Die Zahlen sprechen für sich. Mehr als zwei Millionen Arbeiter:innen demonstrierten am 19. Januar gegen den jüngsten Versuch von Präsident Emmanuel Macron, das Rentensystem zu reformieren. Ein Zeichen für den weit verbreiteten Widerstand unter den Lohnabhängigen war eine seltene Einheitsfront, bei der alle großen Gewerkschaftsverbände streikten und so den Verkehr, die Energieversorgung und die Schulen zum Stillstand brachten.

Heftiger Angriff

Die Reform ist ein schwerer Angriff auf die Arbeiter:innenklasse. Die Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre wird sich unverhältnismäßig stark auf Industriearbeiter:innen und weniger qualifizierte Arbeitskräfte auswirken, die bereits eine kürzere Lebenserwartung und weniger Rentenjahre haben.

Nachdem er einen früheren Versuch im Jahr 2019 wegen der Covid-Pandemie aufgegeben hatte, hat Macron beim aktuellen Projekt nicht um den heißen Brei herumgeredet: Die Beschäftigten müssen mehr arbeiten, um die verschiedenen Maßnahmen der Regierung zur Stützung der Wirtschaft zu bezahlen, sowohl während der Pandemie als auch in letzter Zeit wegen der steigenden Energiekosten.

Die Regierung argumentiert, dass die Reform notwendig ist, um ein prognostiziertes Defizit von 14 Milliarden Euro bis zum Ende des Jahrzehnts zu schließen. Aber während der Pandemie hat der „Präsident der Reichen“ nicht zehn, sondern hunderte von Milliarden Euro in die Stützung der kapitalistischen Wirtschaft gesteckt, und niemand hat das vergessen.

Während Macron mit einer Schwächung der Kampfbereitschaft der Arbeiter:innenklasse rechnete, hat der Aktionstag vom 19. Januar ihn und seine bürgerlichen Expert:innen eines Besseren belehrt. Selbst die gemäßigte Gewerkschaft CFDT, die die Reformen der ersten Regierung Macron zum Arbeitsschutz (Code du Travail) unterstützt hatte, verurteilte sie als „eine der brutalsten Rentenreformen seit 30 Jahren“. Philippe Martinez, Vorsitzender der linkeren Gewerkschaft CGT, sagte, der Plan bündele „die Unzufriedenheit aller“ mit der Regierung. Umfragen zufolge sind etwa 9 von 10 Arbeiter:innen gegen die Vorschläge.

Macron begründete seine beiden Präsidentschaftswahlen mit dem Versprechen, das zu tun, was früheren Regierungen in den letzten 30 Jahren nicht gelungen ist: den Widerstand der Gewerkschaften gegen die Rentenreform zu brechen. Der Präsident, dessen Partei der bürgerlichen Mitte La République en Marche (Die Republik im Vorwärtsgang) bei den letztjährigen Parlamentswahlen ihre Mehrheit im französischen Parlament verloren hat, ist auf die Stimmen der rechten Republikanischen Partei  angewiesen. Die Überreste des Gaullismus werden sich jedoch nicht so leicht dazu überreden lassen, die politischen Kosten für Macrons Reformvorhaben zu übernehmen.

Gelingt es ihm nicht, eine parlamentarische Mehrheit zusammenzuschustern, könnte der Präsident auf Notstandsgesetze zurückgreifen, die es ihm erlauben, das Parlament zu überstimmen, auch auf die Gefahr hin, Neuwahlen zu erzwingen. Macron hat die Zukunft seiner Regierung von der Verabschiedung dieser Reform abhängig gemacht. Der letzte Versuch im Jahr 2019 löste die längste Streikperiode seit dem Generalstreik von 1968 aus. Alle Seiten spielen um die höchsten Einsätze.

Entscheidender Kampf

Millionen von Arbeiter:innen bereiten sich jetzt auf einen entscheidenden Kampf mit der Regierung vor. Trotz des großen Erfolgs des ersten Tages muss die Arbeiter:innenklasse ernsthafte Schwächen in ihrem eigenen Lager überwinden. Während die Parole eines Generalstreiks auf den Demonstrationen weithin aufgegriffen wurde, steht sie nicht auf der Tagesordnung der Gewerkschaftsführungen – im Gegenteil. Sie drohen lediglich mit einer langen Kampagne und haben für den 31. Januar einen weiteren Aktionstag mit Streiks und Demonstrationen angekündigt.

Die Gewerkschaftsspitzen verfolgen ihre übliche, gefährliche und in der Regel tödliche Taktik gelegentlicher „Aktionstage“ mit Pausen dazwischen, die der Regierung nur zum Vorteil gereichen, die sie nutzen wird, um einen Deal mit der CFDT zu schließen, das Bündnis der Gewerkschaftsverbände zu schwächen und schließlich zu brechen.

Die beiden großen linken Parteien sind gegen die Reform, aber für die Arbeiter:innenschaft unzuverlässige Verbündete. Die Überbleibsel der Sozialistischen Partei haben die letzte Rentenreform 2014 eingeführt. Jean-Luc Mélenchon, Parteivorsitzender von France Insoumise (Unbeugsames Frankreich), fordert eine Senkung des Renteneintrittsalters auf 60 Jahre, ist aber mehr auf die parlamentarische Bühne konzentrierte, als einen ernsthaften sozialen Widerstand in den Betrieben und auf den Straßen aufzubauen. Die Schwäche der „Revolutionär:innen“ lässt sich an der prekären Lage der NPA (Neue Antikapitalistische Partei) ablesen. Nach einer Spaltung im vergangenen Dezember gibt es derzeit zwei NPAs mit demselben Namen, wenn auch sehr unterschiedlichen politischen Einschätzungen und Ausrichtungen. Keine von ihnen ruft zu einem Generalstreik auf.

Welche Strategie, welche Kampfmethoden?

Die Frage, die sich allen Lohnabhängigen und Jugendlichen stellt, ist, welche Organisation und Strategie erforderlich ist, um diesen Angriff abzuwehren. Diese Aufgaben müssen in den betrieblichen Vollversammlungen und in Arbeiter:innenausschüssen behandelt werden. Macrons Regierung steht und fällt mit der Frage, ob er diese Reform verabschiedet – aber unsere Bewegung muss die Lohnabhängigen für eine umfassende Antwort auf die Krise mobilisieren: nicht nur die Abschaffung der Rentenreform, sondern den Kampf für Lohn- und Rentenerhöhungen, einen massiven Plan für Investitionen in den öffentlichen Sektor, insbesondere in Schulen und Krankenhäuser, mehr hochwertigen bezahlbaren Wohnraum, einen speziellen Plan für junge Menschen und die Aufhebung der rassistischen Anti-Migrationsgesetze.

Die Beschäftigten der Ölraffinerien planen bereits, ihre Streiks Ende des Monats auszuweiten. Diesem Beispiel sollten wir folgen, aber angesichts der Tatsache, dass sich die Gewerkschaftsführer:innen der Verantwortung entziehen, indem sie die Entscheidung den verschiedenen Sektoren überlassen, müssen wir eine alternative Strategie und Führung im Hier und Jetzt vorbereiten.

Der 31. Januar muss zum Ausgangspunkt für eine Reihe eskalierender Streiks werden für die Bildung von Aktionsräten der Arbeiter:innenklasse zur Koordinierung und Kontrolle der sozialen Bewegung, die in einem Generalstreik gipfeln, um Macron und den Arbeit„geber“:innen eine umfassende Niederlage zuzufügen und den Weg für eine Arbeiter:innenregierung zu ebnen, die mit dem kapitalistischen System in seiner Gesamtheit abrechnen kann.

Eine schwere Niederlage Macrons würde den Weg weisen, den viele andere europäische Länder einschlagen sollten.




Lützerath ist zerstört – wir sind es nicht

Leo Drais, Infomail 1211, 19. Januar 2023

Mir brutaler Gewalt haben Staat und RWE Fakten geschaffen, Lützerath innerhalb einer Woche gestürmt, geräumt und abgerissen. Hunderte Aktivist:innen wurden aus Baum- und besetzten Häusern vertrieben – Orte, die sie als Zuhause empfanden. 35.000 Klimaschützer:innen kamen am Wochenende und riefen laut: „Lützi bleibt!“ Viele rangen in Schlamm und Sturm mit der Polizei, einige mussten wegen hemmungslos prügelnder Cops ins Krankenhaus. Die Proteste gingen bis zum 18. Januar weiter, einige hundert beteiligten sich an einem dezentralen Aktionstag von Ende Gelände.

Trotzdem, und es tut weh, das zu schreiben – haben wir trotz eines großen Mobilisierungserfolgs und eines riesigen Rückhalts im ganzen Land und weltweit Lützerath an RWE verloren.

Wer noch da ist, sind wir. Wir werden Lützi nicht vergessen, und daraus lernen:

1. Besetzungen sind richtig, aber das Mittel hat Grenzen

Hambi, Danni, Lützi: drei Orte, die wie keine anderen in Deutschland für Kämpfe gegen den fossilen Kapitalismus stehen, gegen Braunkohleabbau und ein aberwitziges Verkehrssystem.

Weitgehend unbemerkt von einer breiten Öffentlichkeit gab und gibt es daneben eine Reihe weiterer, kleinerer Waldbesetzungen. Am 19. Januar räumte die schwarz-grüne Landesregierung Hessens den Fechenheimer Wald in Frankfurt für den Ausbau der A66. Man bleibt sich eben treu.

In Lützerath dauerte der Einsatz anstatt erwarteter bis zu vier Wochen dann doch nur einige Tage. Im Vergleich zum Danni und Hambi eine kurze Zeit (dort knapp 70 bzw. 35 Tage), obwohl die Anzahl der Besetzer:innen ähnlich hoch war. Klarer Weise liegt dieser Unterschied darin, dass ein kleines Dorf leichter zu räumen ist und die Polizei den Ort mit RWE abgesperrt hatte, während im nicht absperrbaren Dannenröder Wald viele Aktivist:innen, die heute geräumt wurden, morgen wieder vor Ort waren.

Dass die Polizei in Lützerath von einer Räumungsdauer von bis zu vier Wochen ausging, liegt sicher auch daran, dass sie mehr militante Gegenwehr erwartet hatte. Doch die Gewalt blieb auf Seiten der Aktivist:innen fast komplett aus, ging wesentlich nur von den Bullen aus, die dabei wiederholt Menschenleben gefährdeten.

Auch wenn es nur wenige Tage dauerte – Lützerath zu besetzen und zu verteidigen, war richtig. Jeder Kampf braucht wirkmächtige Symbole, und Lützi ist so eins. Viele Menschen wurden um diesen Kampf mobilisiert, entwickelten sich politisch weiter, brachen mit den Grünen und hinterfragen einen Staat, der ihnen auf die Fresse gab. Für viele, die durch FFF politisiert wurden, war das die erste größere Konfrontation mit organisierter Polizeigewalt.

Auch wenn die Räumung gelang, so ging das Ziel, die Bewegung zu spalten, nicht auf. Im Gegenteil: Die Repression führte zu einer massiven Solidarisierung mit der Besetzung, einem Gefühl der Gemeinsamkeit aller Demonstrant:innen, ob nun radikaler Linker, entschlossener Aktivist:innen, Gewerkschafter:innen, Mitgliedern von Umweltverbänden, der Linkspartei oder enttäuschten Basismitgliedern von Grünen und SPD. Aus Sicht antikapitalistischer Klimapolitik bedeutet Lützerath einen moralischen, inhaltlichen Sieg, weil eine breite, sich radikalisierende Massenbewegung sichtbar wurde, die nach der Räumung sicher nicht verschwinden wird.

Zudem war Lützi viel mehr als nur die Besetzung. Es gab und gibt eine breite Verankerung in der Region. Über die Grenzen Deutschlands hinweg wurden Menschen mobilisiert – weil es einen Ort, ein Symbol gab, um das sie sich sammeln konnten. Selten hat der Staat auf so einfach verständliche Weise Kapitalinteressen verteidigt, und immer mehr gerade jungen Aktivist:innen wird klar, dass es keine andere Wahl gibt, als sich dem zu widersetzen.

Lützi bedeutet aber auch die Erkenntnis, dass eine Besetzung alleine, selbst mit der Unterstützung von 35.000 Demonstrierenden, die fossile Profitimaschine nicht ausschalten kann.

2. Es knirscht in den Grünen

Lützerath bedeutet auch eine gewisse Zerreißprobe der Grünen. Die Wirkung dessen, dass schon wieder sie daran beteiligt sind, den Braunkohleabbau durchzusetzen, sollte nicht überschätzt werden. Gerade ihre Wähler:innenschaft zeichnet sich durch hohe opportune Elastizität aus, zumal es keine wirklich taugliche Wahlalternative für sie gibt. Sie sollte aber auch nicht unterschätzt werden.

Die Grüne Jugend alleine mobilisierte wahrscheinlich weit über tausend Menschen zur Großdemo und allen ist klar, dass dieser riesige Lochfraß wegen der Grünen passiert, auch wenn ihre Führer:innen noch so oft sagen, dass sie darüber nicht glücklich seien.

So was muss Spuren im Bewusstsein hinterlassen haben. Vor vier Jahren wuchsen die Grünen und besonders die Grüne Jugend auf der Welle von FFF an, auch ohne offen aufzutreten (im Hintergrund dafür umso mehr). Jetzt kommen Zweifel auf und das ist aus antikapitalistischer Sicht gut so. Denn letztlich sind die Grünen dem Kapitalismus verpflichtet, die Welt ist mit ihnen nicht zu retten. Der Bruch mit ihnen ist für alle, die ihnen Lützerath übelnehmen, notwendig und richtig.

Ob es jetzt zu größeren Brüchen mit den Grünen kommt, wird sich zeigen. Es hängt davon ab, ob die Linke eine Alternative formulieren kann und liegt auch an Figuren wie Luisa Neubauer, die dadurch, dass sie sich einerseits als Aktivist:innen verkaufen können, andererseits aber den Bruch mit den Grünen nicht vollziehen, diese Partei von links decken.

Nicht nur die Partei, auch die Ideologie vom grünen Kapitalismus, die Hoffnungen in den „Green New Deal“ der Bundesregierung wurden in Lützerath erschüttert.

So oder so. Wir bieten allen, die nach einer Alternative suchen, die offene Diskussion darüber an, wie wir gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlage kämpfen und gewinnen können.

3. Gewalt, die so nicht heißen darf

Alle, die in und um Lützerath unterwegs waren, nehmen auch eine gewaltvolle Erfahrung mit, die in der bürgerlichen Presse entweder sehr stark relativiert oder uns gleich ganz in die Schuhe geschoben wird.

Dabei belegen unzählige Videos, wie brutal die Polizei gegen uns vorgegangen ist. Viele tragen Platzwunden, Prellungen oder Knochenbrüche davon.

Es ist zynisch, dass wir in der Schule lernen mussten, der Staat verfüge über das Gewaltmonopol, aber wenn er es in aller Schärfe anwendet, soll die Gewalt nur von den anderen ausgegangen sein. Die Gewalt der Bullen wird nicht beim Namen genannt.

Zudem wird unser Protest auf die Frage der Rechtmäßigkeit gelenkt – und damit weg von unseren eigentlichen Forderungen und Zielen, einem effektiven Klimaschutz. Es heißt, die Bullen haben das Recht, Gewalt anzuwenden, RWE habe das Recht, die Kohle abzubaggern, wir hätten kein Recht, uns dem entgegenzustellen. Aber alles, was damit gesagt wird, ist, dass das bürgerliche Recht eben eines ist, das die Zerstörung von Dörfern und Wäldern für Profite zulässt. Es ist das Recht der Kapitalist:innen, ihre Macht zu behalten.

Dagegen zu protestieren, ist legitim, genauso wie, dagegen organisiert Widerstand zu leisten, solange wir untereinander Rücksicht nehmen und Gewalt kein Selbstzweck ist. Dann kann dieser auch der Arbeiter:innenklasse vermittelt, von dieser mitgetragen werden.

4. Antikapitalismus rocks, aber er braucht Klimaklassenkampf!

Womit wir wieder bei der Frage sind: Was sind eigentlich die Mittel, die uns das nächste Lützerath erfolgreich verteidigen lassen?

Eine Besetzung alleine ist es nicht, auch wenn, wie oben beschrieben, es verkürzt wäre, Lützi nur auf die Besetzung zu reduzieren. Wie auch im Danni hätte es sie nie ohne die breite Unterstützung insbesondere vor Ort gegeben.

Es gibt eine gewisse Geschichte von Protesten gegen Umweltzerstörung, die sogar als Massenbewegung auftraten, die – teilweise auch dank roher Polizeigewalt – sogar eine breite moralische Unterstützung genossen und die Umweltschäden trotzdem nicht verhindern konnten. Dazu zählen die Proteste gegen die Startbahn West Frankfurt, Stuttgart 21, die A49 (Danni) oder eben Lützerath. Gorleben und Wackersdorf waren demgegenüber zumindest halb erfolgreich, wobei keineswegs ein schnellstmöglicher Ausstieg aus Atomstrom erreicht wurde und auch nicht, dass die Energiekonzerne die Kosten für Endlagerung und Rückbau der Meiler zahlten.

Alle diese Proteste hatten zumindest zeitweise tausende, teilweise sogar über 100.000e Menschen mobilisiert. Aber warum wurden sie nicht von Erfolg gekrönt trotz aller Entschlossenheit, die Aktivist:innen vor Ort an den Tag legten? Der Kampfgeist vieler anarchistischer Klimaaktivist:innen oder Ende-Gelände-Teilnehmer:innen ist etwas, wovon sich große Teile der sozialistischen Linken eine Scheibe abschneiden könnten.

Aber auch das allein reicht noch nicht. Wir müssen uns klarmachen, dass ohne die Beschäftigten von RWE und anderen Energieunternehmen sowie generell aus der Großindustrie der Kampf gegen diese Kapitale kaum gewonnen werden kann. Auch wenn diese oft jene Schichten der Arbeiter:innenklasse verkörpern, die nicht als erste gegen die Umweltzerstörung aktiv werden, auch wenn sich etliche aus Angst um ihren Arbeitsplatz und ihre Existenz an die Seite „ihres“ Unternehmens stellen, so ist dies kein Naturgesetz. Im Gegenteil: Viele Arbeiter:innen fragen sich selbst, was in Zukunft überhaupt für wen produziert werden soll. Vielen dämmert es längst, dass die ökokapitalistische Transformation der Ampelregierung und EU ein Schwindel ist, der auf ihrem Rücken ausgetragen wird.

Hinzu kommt, dass diese Beschäftigten eine Schlüsselrolle nicht nur bei der Enteignung dieser Konzerne spielen müssen, sondern vor allem bei der Reorganisation der gesamten Energieproduktion unerlässlich sind. Schließlich reicht es nicht, wenn nach einer etwaigen Verstaatlichung von RWE und Co. Staatsbeamt:innen anstelle kapitalistischer Manager:innen den Laden kontrollieren.

Entscheidend ist vielmehr, welche Klasse die Energieproduktion lenkt. Eine Kontrolle durch die Arbeiter:innenklasse – die Beschäftigten wie Vertreter:innen aller Lohnabhängigen, also im Grunde die gesamte Gesellschaft – lässt sich nur mit den Arbeiter:innen von RWE, Vattenfall, LEAG, eon usw. ausüben. Sie sind es, die wir gewinnen, davon überzeugen müssen, dass nicht sie die Energiewende durch Jobverlust bezahlen sollen, sondern sie diese selbst gestalten und vollziehen können.

Die Hürden dafür sind hoch, insbesondere weil mit den Führer:innen der größten Gewerkschaft des Sektors, der IG BCE, große Verfechter:innen fossiler Energien in die Arbeiter:innenklasse wirken. Aber vielleicht müssen wir auch gar nicht dort anfangen, die Verbindung zur Arbeiter:innenklasse zu suchen. Der Bereich des öffentlichen Nahverkehrs, der eine große Interessenüberschneidung mit der Klimabewegung aufweist, bietet sich vielleicht eher als Anknüpfung.

Nächstes Jahr steht dort eine Tarifrunde an. Wir sollten nicht einfach nur eine arbeitsteilige Unterstützung anbieten, sondern mit den Kolleg:innen diskutieren – zum Beispiel darüber, wie ein kostenloser Nahverkehr erreicht werden kann. Hier liegt vielleicht ein Ansatz für Klimaklassenkampf: Arbeitskämpfe nicht nur für höhere Löhne, sondern auch für Streckenausbau und kostenlosen Nahverkehr.

Aber – das wäre ja ein politischer Streik?! Stimmt! Denn Lützi lehrt uns, dass es nicht darauf ankommt, was erlaubt ist und was nicht, sondern auf das, was richtig und wirksam ist.