Iran im Zentrum von Krise und Pandemie

Robert Teller, Neue Internationale 245, April 2020

Schon lange vor Ausbruch der COVID-19-Pandemie war der Iran ein Brennpunkt im Kampf um die politische Hegemonie im Nahen Osten – und steckt zudem inmitten einer Krise, die wiederholt Hunderttausende in den offenen Kampf gegen das Regime getrieben hat. Ausgerechnet hier schlägt die Pandemie am heftigsten zu.

Laut offiziellen Angaben des Regimes wurden bis zum 31. März 44.600 Infizierte im Land nachgewiesen, von denen 2.900 verstorben sind. Eine kanadische wissenschaftliche Untersuchung hingegen schätzte auf Grundlage verfügbarer Daten bereits einen Monat früher, am 25. Februar, die Zahl der Infizierten auf etwa 18.000 (mit großer Unsicherheit). Verschiedene Berichte aus lokalen Krankenhäusern legen nahe, dass in den schwer betroffenen Regionen die tägliche Zahl an Verstorbenen die offiziell gemeldeten Zahlen um ein Mehrfaches übersteigt. Auf Satellitenbildern wurden Massengräber nachgewiesen. Die bürgerliche Oppositionsbewegung der Volksmudschahedin (Modschahedin-e Chalgh) gibt auf Grundlage von Berichten ihres Netzwerkes bis zum 31. März 14.700 Verstorbene an. Es ist keine Spekulation, zu vermuten, dass Iran gemessen an den wirklichen Todesopfern bislang das am schwersten von der Pandemie getroffene Land weltweit ist.

Erste Reaktionen

Bereits im Februar hatte der Ausbruch im Iran bedrohliche Ausmaße angenommen. Doch anstatt Schutzmaßnahmen zu ergreifen, leugnete das Regime den Ausbruch. Ein Lockdown zu diesem Zeitpunkt hätte die Feiern zum Jahrestag der Iranischen Revolution, die eine wichtige Machtdemonstration des Regimes darstellen, gefährdet. Selbst bis zur Parlamentswahl am 21. Februar ergriff das Regime keine Maßnahmen, die Ausbreitung zu kontrollieren. Präsident Rohani bezeichnete die Epidemie als Lüge der USA, die mit dem Ziel verbreitet wird, die iranische Wirtschaft zu schädigen und die IranerInnen von der Stimmabgabe abzuhalten. Ein Sprecher des Parlaments verkündete, dass alle, die „Gerüchte“ über die Epidemie verbreiten, mit ein bis drei Jahren Haft und Peitschenhieben zu bestrafen sind.

Tatsächlich lag die Wahlbeteiligung landesweit bei 42 % – fast 20 % weniger als bei der letzten Wahl – und war damit die geringste Wahlbeteiligung seit der Iranischen Revolution. In Teheran wurde sogar mit nur 26 % der geringste Wert aller Provinzen erreicht. Doch für diejenigen, die sich der Stimme enthielten, war ganz überwiegend nicht die grassierende Coronavirusepidemie ausschlaggebend, sondern der politische Charakter der Wahl, die im Wesentlichen eine Stimmenentscheidung zwischen den Rechten und den Ultrarechten des Mullah-Regimes zuließ. Fast alle Oppositionskräfte hatten zum Wahlboykott aufgerufen.

Sinnbildhaft für die Unfähigkeit des Regimes, auf die Epidemie zu reagieren, stand der stellvertretende Gesundheitsminister Iraj Harirchi, der hustend, fiebernd und mit Schweißperlen im Gesicht vor der Presse verkündete, dass Berichte über einen großen Krankheitsausbruch in der Stadt Ghom Lügen seien. Am darauffolgenden Tag wird bei ihm selbst die Virusinfektion nachgewiesen. Weitere RegierungsvertreterInnen und 23 Parlamentsabgeordnete hatten sich bis Anfang März nachweislich infiziert.

Erst Anfang März reagierte das Regime, indem es Schulen und Universitäten schloss. Seither richtet es regelmäßig Appelle an die Bevölkerung, Vorsichtsmaßnahmen zu beachten, und verurteilt in schärfer werdendem Tonfall das „unverantwortliche Verhalten“ der Massen, die sich den Appellen widersetzen würden. Doch selbst zum persischen Neujahrsfest am 20. März, wenn Millionen IranerInnen gewöhnlich zu ihren Familien reisen, war der öffentliche Verkehr weiter in Betrieb, Industriebetriebe liefen weiter, Märkte und Geschäfte waren weiterhin geöffnet. Erst in der letzten Märzwoche wurden Fernverkehrsverbindungen eingestellt. Einen umfassenden Stopp nicht notwendiger Produktions- und Dienstleistungsbetriebe gibt es bis heute nicht. Zehntausende Gefangene wurden in Anbetracht der Epidemie aus den Gefängnissen entlassen. Politische Häftlinge wurden jedoch bislang trotz gegenteiliger Versprechungen nicht auf freien Fuß gesetzt. Auch die 7.000 Gefangenen der Novemberproteste sitzen bis heute in den Knästen ein und sind damit in akuter gesundheitlicher Gefahr. In Gefängnissen in Saqqez und Schiraz brachen in Anbetracht der Gefahr in den vergangenen Tagen Aufstände aus.

Wirtschaftliche Krise

Der (halb-)staatliche Sektor, insbesondere die Ölförderung samt nachgelagerter petrochemischer Industrie, die Fahrzeugproduktion, die pharmazeutische Industrie und andere sind durch die erneuten US-Sanktionen seit 2018 massiv beschädigt. 2019 schrumpfte die iranische Wirtschaft laut IWF um 9,5 %. Die Ölexporte, die den größten Teil des Staatshaushalts ausmachten, brachen um fast 90 % ein. Angesichts des jüngsten Einbruchs des Ölpreises beantragte des iranische Regime Anfang März einen Kredit von 5 Mrd. US-Dollar beim IWF.

Konsumgüter verteuerten sich 2019 um 31 % (IWF). Die wegbrechenden Staatseinnahmen zwangen das Regime zu sozialen Angriffen wie der Abschaffung von Subventionen. Die Novemberproteste 2019, die Hunderttausende trotz blutiger Repression auf die Straße trieben, waren ein Ausdruck der Radikalität und der Wut, die diese neoliberalen Maßnahmen eines korrupten, theokratischen Regimes hervorrufen‚ aber auch der Verzweiflung des Regimes, das mit blutiger Gewalt reagierte und viele hundert DemonstrantInnen tötete.

Der Grund für die Unfähigkeit, auf die Epidemie angemessen zu reagieren, ist klar: Das iranische Regime steht sowohl ökonomisch als auch politisch mit dem Rücken zur Wand. Präsident Rohani erklärte treffend: „Gesundheit ist für uns ein Prinzip, aber Produktion und die Sicherheit der Gesellschaft ist für uns auch ein Prinzip.“ (29.03.)

Regionalmachtambitionen

Milliarden versickern in den militärischen Interventionen im Irak, in Syrien und im Jemen und in den korrupten Geschäften der iranischen Revolutionsgarden. Das offizielle Verteidigungsbudget liegt bei 16 % des Staatshaushaltes. Nicht berücksichtigt dabei sind weitere Milliarden, die die Revolutionsgarden aus dem Staatshaushalt und aus ihrem Wirtschaftsimperium abzweigen und etwa zur Finanzierung regimetreuer Milizen im Irak verwenden.

Diese Interventionen sind für das Regime einerseits eine politische Lebensversicherung im Angesicht einer drohenden US-Intervention. Sie dienen aber ebenso sehr der Durchsetzung der wirtschaftlichen Interessen eines wichtigen Teils der iranischen Bourgeoisie, der mittels der Revolutionsgarden im Irak wichtige Absatzmärkte für eigene Produkte erschlossen hat und hofft, einen Zugang zum irakischen Ölsektor zu erhalten und beim Wiederaufbau Syriens zum Zuge zu kommen. Ein Lockdown würde nicht nur die Profite der vom internationalen Kapitalmarkt weitgehend abgeschnittenen Bourgeoisie bedrohen, sondern auch die Regionalmachtansprüche des iranischen Regimes.

Widerstand

Vor allem aber ist klar, dass ein umfassender Lockdown, sofern er nicht mit einem massiven staatlichen Nothilfeprogramm verbunden wird, die Lohnabhängigen, die Millionen KleinbürgerInnen, Arbeitslosen und Prekarisierten von heute auf morgen ihrer Lebensbedingungen berauben wird. Die soziale Sprengkraft einer solchen Situation wäre enorm und sie würde den spontanen Widerstand breiter Teile der Bevölkerung herausfordern. Wie bereits im November und nach dem Abschuss der ukrainischen Passagiermaschine Anfang Januar würde eine solche Bewegung sich nicht auf ökonomische Ziele beschränken. Sie würde unmittelbar politischen Charakter annehmen und – wie bereits im November – die reaktionären Militärinterventionen und den korrupten Charakter des iranischen Regimes als Hauptgrund für die Krise anprangern. Die Bewegung könnte sich zudem auf die Massenproteste im Irak beziehen, die ihre Stimme gegen das sektiererische politische System erheben, das vom iranischen Regime dort maßgeblich geformt wurde. Das heißt, das Regime kann zu den drastischen Maßnahmen, die zur Eindämmung der Epidemie nötig wären, nicht greifen, ohne soziale Verwerfungen zu erzeugen, die nicht mehr zu beherrschen wären.

Die Reaktion des iranischen Regimes auf die Pandemie mag im Vergleich zur Politik der westlichen Industrienationen als unverantwortlich erscheinen. Doch die zugrunde liegende Methode ist die gleiche, die alle bürgerlichen Regierungen verfolgen: Die Folgen der Pandemie sollen die Massen schultern. Hierzulande sind in den vom Lockdown betroffenen Branchen Millionen von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit bedroht, die wirtschaftlichen Kosten der Krise werden auf die Massen abgewälzt. Das iranische Regime dagegen lässt die Pandemiewelle ungebremst übers Land hinweg rollen – nach dem Motto: Wer krank ist, wehrt sich nicht.

Die Pandemie verdeutlicht nicht nur den reaktionären Charakter des iranischen Regimes, das im eigenen Machtinteresse bereitwillig hunderttausende Opfer in Kauf nimmt. Sie verdeutlicht auch, dass der Handlungsspielraum des Regimes dabei gegen null geht. Die einzige realistische Möglichkeit, die sich anbahnende Katastrophe abzuwenden, besteht darin, dem Regime und den mit ihm verbundenen Revolutionsgarden die Kontrolle über die Betriebe zu entreißen und unter Kontrolle der Beschäftigten ein Notprogramm zur Bewältigung der Pandemie umzusetzen. Alle nicht notwendigen Betriebe und Einrichtungen müssen sofort stillgelegt werden, bei Fortzahlung der Löhne – zugleich müssen die Reichtümer der KapitalistInnen, insbesondere im Wirtschaftsimperium der Revolutionsgarden, konfisziert werden, um die Produktion lebenswichtiger Konsumgüter für die Bevölkerung aufrechtzuerhalten. Arbeitslose und alle, deren Einkommen auf Grund der Pandemie weggebrochen ist, müssen kostenlosen Zugang zu Grundbedarfsgütern erhalten. Das Gesundheitssystem, die pharmazeutische Industrie und die medizinischen Einrichtungen des Militärs, der Revolutionsgarden und der religiösen Organisationen müssen unter Kontrolle der ArbeiterInnen gestellt und mit einem Sofortprogramm aus konfisziertem Vermögen aufgerüstet werden, um die Behandlungskapazitäten zu steigern.

In dieser Situation müssen die politisch bewusstesten und entschlossensten KämpferInnen und mit der ArbeiterInnenklasse verbundene Intellektuelle den Aufbau einer revolutionären, kommunistischen Partei mit dem Kampf gegen Pandemie und Krise verbinden. Eine solche Partei muss sich auf ein Programm von Übergangsforderungen stützen. Sie muss die revolutionäre Perspektive gegen das Mullah-Regime als Teil des Kampfes für eine sozialistische Umwälzung im gesamten Nahen und Mittleren Osten begreifen, eines Kampfes, der sich sowohl gegen die reaktionären Regime aller Art wie die imperialistische Herrschaft über die Region richtet.




Wohnungsfrage: Enteignung – was sonst?

Veronika Schulz, Neue Internationale 245, April 2020

Die aktuelle Misere auf dem deutschen Wohnungsmarkt mit rasant steigenden Mieten ist das Resultat des stetigen Abbaus sozialer Förderprogramme bei gleichzeitiger Privatisierung.

Bundesweit wurden 1990 die Wohnungsgemeinnützigkeit ersatzlos abgeschafft, die Wohnungsbauförderung 2001 faktisch beendet und 2006 die Zuständigkeit dafür an die Bundesländer delegiert.

Aktueller Mietenwahnsinn …

Allein zwischen 1995 und 2010 wurden mehr als 1 Million öffentlicher Wohnungen privatisiert. Auch heute noch fallen jedes Jahr durchschnittlich 130.000 günstige Mietwohnungen weg. Die ImmobilienspekulantInnen wie „Deutsche Wohnen“ und „Vonovia“ machen Milliardengewinne – auf unsere Kosten.

Die Zahl der Wohnungslosen hat sich innerhalb der letzten 10 Jahre von 200.000 auf 1,2 Millionen versechsfacht. Ein Grund hierfür sind die in diesem Zeitraum extrem gestiegenen Mieten. Andere Ursachen sind stagnierende Einkommen, Billiglohn, Hartz IV oder Armut.

All diese Entwicklungen beschleunigen die Verdrängung von Gering- und NormalverdienerInnen in die Vorstädte sowie ein allmähliches Absterben der städtischen Vielfalt und Kultur.

Die Filetgrundstücke luxussanierter Wohnungen teilen sich InvestorInnen, Hedgefonds und Immobilienverwaltungen untereinander auf, um sie einer kleinen, finanzkräftigeren Klientel als den bisherigen BewohnerInnen anzubieten.

In München haben sich die Mieten seit 2010 um 50 % erhöht. Im Schnitt kostet der Quadratmeter 17 Euro! Doch nicht nur in der „Mietenhauptstadt“ Deutschlands gehen die Preise durch die Decke: Außer in den Metropolen verschärft sich auch in deren „Speckgürteln“ die Situation. Zusätzlich zu den Mieten für Wohnungen in den Vorstädten haben auch die Bodenpreise massiv angezogen.

 … und seine Ursachen

Mangels Renditesteigerungsmöglichkeiten durch Investitionen im produktiven Sektor (Maschinen, Anlagen, Einstellungen…) nach der Krise 2008/2009 schaufelt der parasitäre Kapitalismus lieber Geld in Finanzanlagen (Aktien, Wertpapiere…) und Immobilien. Angesichts stagnierender Profite in Industrie und Gewerbe wird auf sichere Verzinsung und Rentengewinne gesetzt. Das treibt zum einen die Bodenpreise (kapitalisierte Grundrente) hoch, zum anderen den Aktienkurs der Vonovia, DW & Co.

Sie müssen sich eben auf diese einzige Weise den nötigen Kapitalzufluss verschaffen, in dieser historischen Krisenperiode unerlässliches Schmiermittel, um das durch Verschuldung angetriebene Akkumulations- und Bereicherungsregime eines maroden kapitalistischen Gesamtsystems am Laufen zu halten. Diese Systemkrise bildet den spezifischen Hintergrund für die in den letzten 10 Jahren aberwitzig gestiegenen Immobilienpreise und in deren Gefolge die Mietsteigerungen.

Symptombekämpfung oder Ursachen ins Visier nehmen?

Bürgerliche Wohnungs- und Bodenreformpolitik richtet sich aber lediglich gegen „spekulative Auswüchse“, also nicht gegen das private Grund- und Immobilieneigentum. Unions-Parteien, FDP und AfD springen den ProfiteurInnen der Wohnungsmisere bei und fordern noch mehr Privatisierung und einen noch „freieren“ Markt. Die SPD „bremst“ mit leeren Worten und halbherzigen Maßnahmen, die, wie die sog. Mietpreisbremse, noch zusätzlich verwässert werden.

Nach Jahren relativer Ruhe und nur vereinzelten Protests tut sich jedoch etwas. Die rasanten Preissteigerungen am Wohnungsmarkt und immer größere Gewinne der Immobilienhaie haben eine neue Massenbewegung entstehen lassen – nicht nur in Deutschland, sondern europaweit. Und sie ist längst überfällig.

Die Gruppe ArbeiterInnenmacht ist in verschiedenen Städten in der MieterInnenbewegung aktiv. In Berlin unterstützen wir die Initiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ und deren Forderung nach einem Volksentscheid. In München sind wir aktiv in „ausspekuliert“, um die Organisierung von MieterInnen in den Vierteln voranzutreiben.

Es ist richtig, dass viele lokale Initiativen und Bündnisse auf die Berliner Kampagne von „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ schielen. Die große Stärke dieser Initiative ist sicherlich, dass von Beginn an konsequent die Eigentumsfrage gestellt wurde. Im Rahmen der Unterschriftensammlung für den titelgebenden Volksentscheid wurden eben nicht nur steigende Mieten, sondern auch die zugrunde liegenden Eigentumsverhältnisse sowie mögliche Alternativen breit in der Öffentlichkeit thematisiert und diskutiert. Dies stellt ohne Zweifel einen wichtigen Schritt dar, einerseits was den notwendigen Druck auf die Politik betrifft, andererseits und noch wichtiger ermöglicht es, die Mietenfrage als Klassenfrage zu begreifen.

Von Bürgerinitiativen zum Klassenkampf

Der Wohnungssektor ist Teil des kapitalistischen Gesamtsystems. Der MieterInnenkampf muss daher als Klassenkampf geführt werden. Hausbesetzungen, welche den Leerstand aufzeigen, können dabei ein Mittel gegen Wohnungs- und Mietspekulation sein. Allerdings stoßen sie rasch an ihre Grenzen, wenn diese Kämpfe isoliert von der Klasse stattfinden.

Daher ist es wichtig, die Gewerkschaften und andere Organisationen, die sich auf die ArbeiterInnenklasse beziehen, in diesen Kampf einzubinden.

Ebenso sollten wir uns nicht ausschließlich auf legalistische Maßnahmen wie Volksentscheide oder Volksbegehren verlassen. Sie können, wie bereits beschrieben, ein Mittel zur Themensetzung und Mobilisierung darstellen. Die große Schwäche liegt aber in der Abhängigkeit von den Institutionen des bürgerlichen Staates. Dieser sowie die Verwaltungen und Gerichte haben in der Vergangenheit mehrfach bewiesen, wie sie derartige Bestrebungen wahlweise verschleppen (Mietentscheid Frankfurt), abändern bzw. im Vorfeld eigene, schwächere Maßnahmen beschließen (Berliner Mietendeckel) oder gar gerichtlich abschmettern (Volksbegehren Pflegenotstand Bayern).

Es ist zwar nur folgerichtig, die Enteignung dieses großen Kasinos und seiner InhaberInnen zu fordern. Ebenso logisch ist aber der hartnäckige Widerstand der Immobilienkonzerne dagegen. Er wird sich allein mit einer Kampagne für den Volksentscheid nicht bekämpfen lassen, hängt doch das Schicksal des ganzen Systems an der Spekulation als Hauptantrieb für die Akkumulation des Kapitals, vermittelt über die Finanzmärkte.

Es bedarf deshalb eines Plans B, wie wir den Kampf um bezahlbare Mieten, Enteignung und lebenswerte Städte auch mit anderen, viel wirksameren Mitteln des unmittelbaren Klassenkampfs (Streiks, Mietboykotte…)  führen. Ziel muss dabei sein, eine Bewegung verschiedener BürgerInneninitiativen in eine Klassenbewegung zu transformieren. Wie bereits erwähnt, sollten dabei neben den betroffenen MieterInnen auch Gewerkschaften eingebunden werden. Die Klassenfrage spiegelt sich somit auch in der Organisierung wider. Statt legalistischer Bürgerinitiativen, die einzelne Personen zusammenfassen und auf die Ausnutzung der Rechte im Rahmen des Systems orientieren, brauchen wir ihre Transformation in die geballte Kraft proletarischer Organisationen, die sich zu einer Gegen- und Kontrollmacht in der Mietenfrage formiert.

Aktiv werden – auch in Zeiten von Corona!

Insofern ist die bundesweite Koordination im „Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn“, das europaweit für den 28. März den „Housing Action Day“ geplant hat, ein Fortschritt, was Organisierung und Vernetzung angeht. Eine Vielzahl von Städten mit all ihren lokalen Initiativen und Gruppen hat sich ein einheitliches Motto gegeben und gemeinsame Forderungen aufgestellt.

Auf Grund der Corona-Pandemie mussten die geplanten Demonstrationen und teilweise auch Aktionen abgesagt bzw. verschoben werden. Doch auch und gerade jetzt darf unser Kampf nicht pausieren. Wir müssen zeigen, dass unsere Forderungen wichtiger sind denn je: Ausgerechnet diejenigen, die im kapitalistischen „Normalbetrieb“ unter Armut oder Wohnungslosigkeit leiden oder durch ein unregelmäßiges und/oder niedriges Einkommen sowieso schwer eine bezahlbare Wohnung finden, geraten aktuell in existenzielle Not.

Durch Corona wird deutlich, dass ausgerechnet die ArbeiterInnen, die den Laden am Laufen halten, also Pflege- und Krankenhauspersonal, VerkäuferInnen, MüllwerkerInnen und BusfahrerInnen, gemessen an ihrer Rolle extrem unterbezahlt sind. Viele von ihnen sind es, die sich die Mieten in den Städten schon lange nicht mehr leisten können und daher weite Wege zur Arbeit in Kauf nehmen müssen, was bei der in diesen Bereichen üblichen Schichtarbeit eine zusätzliche Belastung darstellt. Auch an dieser Stelle sehen wir, wie der Kampf um höhere Löhne mit dem Kampf um bezahlbare Mieten zusammenhängt und daher auch in der Praxis verbunden werden muss.

Zwar hat die Bundesregierung im Eilverfahren ein Gesetz verabschiedet, was MieterInnen vor Kündigung schützen soll, wenn corona-bedingt die Miete nicht bezahlt werden kann. Die nicht gezahlten Monatsmieten werden aber lediglich aufgeschoben und müssen dann auch noch verzinst (nach jetzigem Stand ca. 4 %) nachgezahlt werden. Außerdem werden auf diese Weise der Immobilienwirtschaft sonst entgangene Gewinne garantiert – die Lasten tragen letztendlich die MieterInnen.

Die kommende Rezession, soviel steht bereits jetzt fest, wird die Löhne und Einkommen von Millionen Menschen europaweit schmälern, sei es durch kurzfristige Abstriche wie beim Kurzarbeitergeld oder dauerhaft, wenn Stellenabbau in der Industrie, aber auch ausbleibende Aufträge für Kleingewerbetreibende und Solo-Selbstständige zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führen.

Dringliche Sofortforderungen!

Die Forderungen des Bündnisses wurden um weitreichendere Direktmaßnahmen ergänzt, um die absehbaren Folgen der Corona-Pandemie abzufedern, aber auch gesundheitlichen Schutz zu garantieren. Wir unterstützen einen Großteil der Forderungen für Sofortmaßnahmen:

  • Stopp von Räumungsklagen und Zwangsräumungen!
  • Keine Energie- und Wassersperren!
  • Moratorium für Mietzahlungen, Erlass von Mietschulden und Renditeverzicht!
  • Mietendeckel und Mieterhöhungsstopp!
  • Moratorium für Hypothekenzahlungen!
  • Auflösung von Sammelunterkünften wie Lagern und die menschenwürdige Unterbringung!
  • Beschlagnahmung von leerstehenden Wohnungen und Ferienwohnungen zum Zweck der Unterbringung!
  • Legalisierung von Besetzungen leerstehender Wohnungen und Häuser!

Langfristig schlagen wir ein Programm öffentlicher Wohnungsbau- und Sanierungsmaßnahmen zu Tariflöhnen und bezahlt aus Unternehmerprofiten vor:

Schluss mit Mietenmonopoly! Bezahlbarer Wohnraum für alle!

  • Der Staat soll selbst sozialen Wohnungsbau betreiben, nicht das private Wohnungskapital subventionieren. Die Immobilienwirtschaft und WohnungsbauspekulantInnen müssen entschädigungslos enteignet werden – unter Kontrolle der MieterInnen!
  • Kommunalisierung des Grund und Bodens, Baubetrieb in kommunale Hand für Neubau und Altbausanierung!
  • Bezahlung des Wohnungsbaus und von Sanierungen im Interesse der MieterInnen durch das beschlagnahmte Vermögen des Wohnungs- und Baukapitals und eine progressive Besteuerung der Profite!
  • Kontrolle der Wohnungsbaugesellschaften, Verwaltungen und der Mietpreise durch die MieterInnen, deren VertreterInnen und MieterInnengemeinschaften, begleitet von ArbeiterInnenkontrolle über das Wohnungsbauwesen!



Ver.di: Tarifrunde Nahverkehr ausgesetzt – bis wann?

Lukas Resch, Neue Internationale 245, April 2020

Für 87.000 Beschäftigte, die gemeinsam den täglichen Transport von 13 Millionen Menschen in Deutschland ermöglichen – unter ihnen FahrerInnen und Beschäftigte in Verwaltung, Werkstätten und Service – stünde eigentlich im Juni dieses Jahres die größte Tarifrunde im Bereich Nahverkehr seit über 20 Jahren an. Das hat Sprengkraft und bietet die Gelegenheit, gleich mehrere Probleme unserer Zeit anzugehen, darunter Umweltschutz und die Frage der Finanzierung öffentlicher Dienstleistungen.

Dass das passiert, ja dass es überhaupt zur Tarifrunde kommt, ist jedoch, besonders in der aktuellen Lage, ungewisser denn je. Schon in der Vergangenheit hat die Führung von ver.di gezeigt, dass sie im Zweifelsfall die ArbeiterInnenklasse für faule Kompromisse ausverkauft. Ganz getreu der Politik der Sozialpartnerschaft eben. Die Corona-Pandemie bringt diese erneut mit ganzer Stärke zum Vorschein.

Bereits zu Beginn der Pandemie ließ der DGB zusammen mit dem BDA in einer Presseerklärung verlauten, dass ihre gemeinsame Verantwortung wichtiger sei als ihre Differenzen. So sagte auch ver.di alle bisher geplanten Demonstrationen und (Warn-)Streiks schon jetzt ab. „Angesichts der dramatischen Entwicklung der Corona-Pandemie wird die Tarifkampagne #tvn2020 in Abstimmung mit den Tarifkommissionen vorerst ausgesetzt,“ heißt es auf der Homepage. Natürlich ist es wichtig, angemessen auf die aktuelle Situation zu reagieren und die Notwendigkeit und Durchführbarkeit von Aktionen aufs Genaueste zu prüfen. Das Ausbleiben jeder Verlautbarung, wie der Kampf stattdessen geführt werden kann oder unter welchen Umständen eine Demonstration und Streiks stattfinden können, setzt aber das deutliche Zeichen, dass erneut die Interessen des Kapitals über eine Chance für die ArbeiterInnenklasse gestellt werden. Schließlich ist ja nicht damit zu rechnen, dass die Arbeit„geber“Innen aufgrund der Corona-Gefahr ihre Interessen zurückstellen werden.

Mutiges Vorgehen wäre nötig

Das Handeln von ver.di spielt für Zustandekommen oder Nichtzustandekommen der Tarifrunde also eine entscheidende Rolle. Um einen Erfolg ihrer Anliegen und für die ArbeiterInnenklasse allgemein zu erzielen, bedarf es eines mutigen Vorangehens. Die Gewerkschaft müsste ihre Mitglieder um klare, kämpferische Forderungen sammeln und andere politisch progressive Elemente, wie die Umweltbewegung, in ihren Kampf einbinden, beispielsweise durch gegenseitige Unterstützung von Streiks. Dabei sollte auch das Mittel des unbegrenzten Streiks zur Durchsetzung der Forderungen integraler Bestandteil einer Mobilisierungs- und Eskalationsstrategie sein. Bindet man rechtzeitig auch andere Gewerkschaften ein, die dann bei den Betroffenen um Solidarität werben oder selbst in Streik treten, reicht die Masse von 13 Millionen betroffenen Menschen, um einem Generalstreik zumindest in manchen Ballungsgebieten gefährlich nahezukommen.

Um diese Kampfkraft aufzubauen und aufrechtzuerhalten, müssen außerdem in den einzelnen Betrieben Streikkomitees gewählt werden, die über den Verlauf des Streiks und der Verhandlung beraten und auch entscheiden.

Hindernisse

Doch selbst wenn sich innerhalb der Gewerkschaften jene durchsetzen würden, die mit diesem Vorgehen brechen, stünden diese einigen bürokratischen Hürden gegenüber. So sind Gewerkschaften an eine mehrwöchige Friedenspflicht gebunden, während der sie verhandeln können und allenfalls  Warnstreiks durchführen dürfen. Außerdem sind nicht alle für die Beschäftigten relevanten Dinge verhandel- bzw. regulär bestreikbar. So sind zum Beispiel Streiks gegen Betriebsschließungen tariflich nicht zugelassen. Die Arbeitsniederlegung wäre zwar keine Straftat, aber der/die Arbeit„geber“In wäre in seinen/ihren Repressionsmaßnahmen auch weit weniger eingeschränkt als bei einem legalen Streik.

Sind diese Widrigkeiten überwunden, gibt es da noch die Hürden, die die Gewerkschaften sich selbst auferlegt haben. So muss, um einen Streik auszurufen, eine sog. Urabstimmung durchgeführt werden, bei der alle Mitglieder stimmberechtigt sind und dafür eine Stimmenzahl von 75 % zu überwinden ist. An sich ist ein Einbeziehen aller Mitglieder ein positiver Schritt, stellt man diesem jedoch die Schwelle von 25 %, die es in einer zweiten Urabstimmung braucht, um einen verhandelten Vorschlag anzunehmen, wird der Eingriff, der hier in die Dynamik der Gewerkschaftsbasis vorgenommen wird, deutlich.

So braucht es einen großen Moment der Einheit, um einen Streik zu initiieren und nur einen kleinen Moment der Uneinigkeit, um einen vielleicht fatalen Vorschlag oder einen faulen Kompromiss anzunehmen. Eine wichtige Alternative wäre hier die tatsächliche Entscheidungskraft der Gewerkschaftsbasis über Anfang, Ende und Verlauf eines Streiks durch einfache Mehrheit. So wäre es schwerer, dass eine Gewerkschaftsführung beim ersten verkraftbaren Angebot einknickt und einen Streik abbügelt. Das wäre aber für einen Streik im Nahverkehr momentan essentiell.

Gesellschaftliche Frage

Von den Forderungen her ginge es erstmal um den massiven Ausbau sowohl der Infrastruktur als auch des Personals. Dabei sollte letzteres nicht nur proportional zu den neu entstehenden Aufgaben einer Verbesserung der Infrastruktur eingestellt werden, auch die bereits bestehenden Bereiche müssen aufgestockt werden, um einen zuverlässigen, effizienten und sicheren Ablauf des Fahrbetriebs gewährleisten zu können. Neue sowie bestehende Stellen müssen gleichzeitig attraktiver gemacht werden durch Verringerung der Arbeitszeit auf 30 Stunden bei gleichem Lohn sowie die automatische Anpassung der Einkommen an Teuerungen.

Auch müssen jegliche (Teil-)Privatisierungen und Finanzoptimierungen zurückgenommen werden. Auch die Forderung von ver.di nach Änderung des Personenbeförderungsgesetzes und der Bevorzugung von kommunalen Verkehrsunternehmen stellt zweifellos einen Schritt in die richtige Richtung dar. Um wirklich gut und reibungslos zu funktionieren, braucht der Nahverkehr keinen künstlichen Wettbewerb, sondern eine bundesweite Vereinheitlichung unter Kontrolle der Beschäftigten und NutzerInnen des ÖPNV.

Die Ausweitung des Nahverkehrs, insbesondere des Schienennetzes, ist zudem von grundlegender gesellschaftlicher Bedeutung. Hier gibt es die Möglichkeit, eine Verkehrswende zu initiieren, die im Gegensatz zu Elektroautos tatsächlich klimafreundlich ist. Um all das zu erreichen, bedarf es eines Kampfs innerhalb ver.dis. Beschäftigte, die sich für solche Ziele einsetzten möchten, müssen den Aufbau der „Vernetzung kämpferischer GewerschafterInnen“ (VKG) nutzen, um eine Oppositionsbewegung zum Apparat aufzubauen, zu vernetzen und so ihrer Sache eine gemeinsame Stimme zu verleihen. Auch muss der Status quo der Finanzierung angegriffen werden. Nicht Kommunen und Länder sollen für dieses Projekt aufkommen, sondern diejenigen, die sich durch Umweltzerstörung bereichert haben. Allen voran die Auto- und Energiekonzerne müssen drastisch besteuert und, falls die sich weigern oder mit Schließungen oder Stellenabbau drohen, enteignet werden.

Auf dieser Grundlage kann auch ein öffentlicher, kostenloser Nahverkehr finanziert werden – ein Projekt, das nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern im Interesse der gesamten ArbeiterInnenklasse, der Beschäftigten wir auch der Millionen NutzerInnen liegt. Dafür lohnt es sich zu streiken – und dafür sollten wir in der nächsten Tarifrunde auch einen Arbeitskampf organisieren, die die Arbeit„geber“Innen in die Knie zwingt.




Von der Pandemie zur Weltwirtschaftskrise, Teil 2: Die drohende Katastrophe

Markus Lehner, Neue Internationale 245, April 2020

Diese Krise der Gesundheitssysteme, mit der wir uns im ersten Teil des Artikels beschäftigt haben, ist der Vorlauf für eine allgemeine ökonomische Krise. Mehr oder weniger alle betroffenen Länder müssen große Bereiche des Wirtschaftslebens aufgrund der Pandemie für einen bestimmten Zeitraum stillstehen lassen. Bei der „Herden-Immunität“-Politik wird das Wirtschaftsleben durch die große Zahl der gleichzeitig Erkrankten und das – angeblich – schnelle Abebben der Pandemie danach zwar nur kurz unterbrochen, die größere Zahl von Toten kostet aber viel mehr Arbeitskräfte und KonsumentInnen. Die restriktive Bekämpfung der Epidemie würde weite Teile der Produktion für mehrere Monate still legen, erlaubt aber dann mit weitgehend voller Menschen-Stärke die Produktion wieder aufzunehmen.

Prognosen

Die „Flatten the curve“-Strategie, die von den meisten
imperialistischen Staaten betrieben wird, soll das Stillstehen auf ein bis zwei
Monate beschränken, dann aber, aufgrund der sich länger hinziehenden Epidemie,
für den Rest des Jahres weitere teilweise Einschränkungen in Produktion und
Zirkulation mit sich bringen. Die Schätzungen für OECD-Länder, basierend auf
Stillstand von 50 % der Wirtschaftsbereiche in einem Monat und 25 %
für einen zweiten Monat, prognostizieren einen Einbruch des BIP
(Bruttoinlandsprodukt; engl.: gross domestic product, GDP) in diesem Jahr um
6,5 %. Die sehr wahrscheinliche Annahme von einem weiteren Monat mit
25 % Einschränkung führt sogar schon zu einem Rekord-Minus von 10 %.
Die Chefin der EZB, Lagarde (FAZ, 18.3.), rechnet optimistisch für den
Euro-Raum mit einem Minus von 5 % in diesem Jahr und hält die 10 %
für noch etwas zu pessimistisch. Jedenfalls sind alle Prognosen bereits jetzt
schlimmer als der Einbruch, der bei der „großen Rezession“ 2008/2009 gemessen
wurde (damals: -4,4 % im Euro-Raum). Auch die Chefin des IWF, Georgiewa
(SZ, 27.3.), erklärte, dass sich die USA und der Euro-Raum schon in einer
Rezession befinden, die schlimmer als die letzte große werden würde. Und
schließlich erklärte auch der OECD-Generalsekretär, Gurria (SZ, 27.3.), dass
jeder Monat mit den jetzt üblichen Einschränkungen etwa 2 %
Wirtschaftswachstum kostet. Mit den Mehrbelastungen im Gesundheitssektor kommt
man dann auch auf sicher über 5 % BIP-Schrumpfung.

Hinzu kommt aber, dass sich der Einbruch nicht nur im
nationalen Maßstab abspielt, sondern die Pandemie die Weltwirtschaft als Ganze
betrifft. Ökonomische Einschränkungen für die Weltwirtschaft gibt es sowohl
beim Angebot wie bei der Nachfrage. Einerseits bedeutet Stillstand bestimmter
Produktionen auch weniger Export von Waren und Dienstleistungen, ob es sich um
Produktions- oder Konsumgüter oder aber auch Einschränkungen beim Transport
handelt. Andererseits bricht gerade auch die Nachfrage, z. B. nach
Rohstoffen wie Öl oder Metallen, stark ein. Der Welthandel setzt heute Waren
und Dienstleistungen im Wert von etwa 50 % des Weltsozialprodukts um.
D. h. jeder Einbruch bei einer größeren Zahl von Export-/Import-Nationalökonomien
muss sofort eine Kettenreaktion von Problemen mit Gütermängeln in anderen
Ökonomien auslösen. Insbesondere der Einbruch bei der „Lokomotive“ der
industriellen Weltproduktion, der prognostizierte Rückgang des chinesischen
Wirtschaftswachstums in diesem Jahr von den bereits „schwachen“ 6 % des
Vorjahres, auf unter 4 %, bedeutet hier eine dramatische Abwärtsspirale.

Praktisch alle großen globalen Produktionsketten sind heute
von dem mehrwöchigen Stillstand in wichtigen chinesischen Industriezentren
betroffen. Dies, nicht so sehr die Pandemie-Politik, war auch der wesentliche
Grund für den Produktionsstillstand wesentlicher europäischer Industrien
(z. B. der Automobilindustrie in Deutschland). Die andere Seite des
Angebotsrückgangs auf dem Weltmarkt betrifft eine tatsächliche Verknappung
wichtiger Güter. Dies wurde schon erwähnt in Bezug auf medizinische Produkte,
trifft aber selbst alltägliche Konsumgüter. Die Probleme mit Grenzschließungen
führen selbst in europäischen Ländern zu Einbrüchen beim Import von Lebensmitteln
oder Arbeitskräften für die Lebensmittelproduktion. Zur Aufrechterhaltung der
Grundversorgung wird auch hier zu staatlichen Maßnahmen (bis hin zur
Zwangsarbeit von Geflüchteten) gegriffen. Die Einbrüche auf dem Weltmarkt, der
Zusammenbruch des Tourismus und der Rückgang der Rohstoffnachfrage treffen die
ohnehin schon stark gebeutelten halbkolonialen Ökonomien aber besonders heftig.

Finanzmärkte und Finanzpakete

Während die letzte globale Krise durch die Finanzmärkte
ausgelöst wurde, schienen diese lange Zeit von der heraufdämmernden Gefahr
unbeeindruckt. Erst Ende Februar begann an den Börsen Panik um sich zu greifen,
um Anfang März, als die wirtschaftlichen Folgen absehbar waren, in einem der
größten Börsenabstürze der Geschichte zu münden. Dies an sich könnte noch als
zu erwartende Korrektur der überbewerteten Anteilswerte gesehen werden.
Gleichzeitig bringt die Neubewertung vieler Unternehmen deren tatsächlich
schlechte finanzielle Situation zum Vorschein, sowohl was ihre reale
Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung angeht, als auch in Bezug auf ihre
Verschuldung.

Tatsächlich ist in den letzten Jahren aufgrund der niedrigen
Zinsen der Markt für Unternehmensanleihen als eine Art festverzinslicher
Wertpapiere mit scheinbar hoher Rendite extrem stark gewachsen, inzwischen auf
13 Billionen US-Dollar weltweit. Dabei wurden wie vor der letzten Krise immer
weniger Bonitätsprüfungen gefordert, so dass heute etwa zwei Drittel dieser
Anleihen als fragwürdig gelten (es wurden immer mehr schlecht laufende Unternehmen
finanziert, um darauf spekulativ „hoch-rentable“ Wertpapiere zu verbriefen).
Auf diesen Märkten stiegen die Zinsen (insbesondere für kurzfristige
Unternehmensanleihen) schon seit geraumer Zeit und explodierten geradezu mit
der aufkommenden Corona-Panik. Hier drohte die Differenz zwischen Anleihezinsen
und langfristigen US-Staatsanleihen das Niveau der letzten Finanzmarktkrise zu
erreichen. Mit den fallenden Kursen tendieren die AnlegerInnen, aus den immer
riskanter werdenden Anleihen auszusteigen. Angesichts der einbrechenden
Realwirtschaft und der schwachen Liquiditätsausstattung droht damit eine akute
Zahlungsunfähigkeit vieler, auch großer Unternehmen (insbesondere in den USA
und China). Fürs Erste wurde dies durch die massiven Aufkäufe der Zentralbanken
von Unternehmens- und Staatsanleihen verhindert (EZB: 750 Milliarden Euro, FED:
700 Milliarden US-Dollar). Entgegen ihrer ursprünglichen Funktion pumpen sie
nicht mehr nur über die mit ihnen handelnden Banken, sondern über direkte
Kreditbeziehungen Geld an Unternehmen und Staaten. Im Grunde werden die
mächtigsten Zentralbanken der Welt, die von den USA, China, Japan und der EU,
zu den Agenturen einer vom Finanzkapital kontrollierten Vergesellschaftung
weiter Teile der globalen Ökonomie.

Diese Institutionen sind es auch, die ihren Regierungen
erlauben, staatliche Ausgabenprogramme zur Corona-Krisenbekämpfung zu
finanzieren, nach dem Motto von Mario Draghi: „Koste es, was es wolle!“. In
Deutschland wurde ein Fiskalpaket aufgelegt, das etwa 4,6 % des BIP
entspricht, ergänzt durch einen Stabilisierungsfonds für Garantien,
Anleihekäufe und Kredite der staatlichen KfW, was die Summe der Maßnahmen auf
22 % des BIP bringt. Ähnliches lässt sich vom 2-Billionen-US-Dollar-Paket
des US-Kongresses sagen. Auch wenn für die Kosten des Gesundheitssystems und
die sozialen Abfederungen beträchtliche Teile abgerechnet werden, so wird
behauptet, dass diese Summen ein Einbrechen des BIP um 10 % abfedern
können.

Allerdings weiß niemand, ob die Anleihekäufe von Zentralbanken
und Staaten wie auch die Garantien für Bankkredite die Finanzmärkte und Banken
tatsächlich zu einer weiteren Finanzierung von Unternehmen bewegen werden, die
in nächster Zeit wenig Profiterwartung, aber große Schuldenberge aufzuweisen
haben. Sollte es somit zu einer Welle von Insolvenzen kommen, werden die
Regierenden schnell vor die Alternative gestellt: noch mehr Billionenprogramme
von Staat und Zentralbank,  direkte
Verstaatlichung (z. B. von als „strategisch“ bezeichneten
Luftfahrtunternehmen) oder doch, den Bankrott dieser „Millionengräber“
zuzulassen. Die Banken, die derzeit aufgrund restriktiverer Kredit- und
Wertpapiergeschäfte nach der letzten Krise noch relativ günstige Bilanzen
aufweisen, könnten durch die neuerliche Tendenz zur Übernahme von Risiken
schnell selbst wieder zu Problemfällen werden – weshalb ihre Bereitschaft zur
„Krisenintervention“ wohl nicht so ausgeprägt sein wird. Angesichts der Größe
des maroden Anleihemarktes (13 Billionen US-Dollar) sind die Summen, die bisher
geflossen sind, wahrscheinlich nicht ausreichend, um gezielte Spekulationen
gegen Zusammenbrüche bestimmter Staaten und Unternehmen zu unterbinden.
Immerhin deuten die Bewegungen auf den Derivatemärkten (Finanzmärkte, auf denen
verbriefte Wertpapiere wie Optionen, Futures etc. gehandelt werden) schon
wieder darauf hin, dass die großen Finanzkapitale sich nicht besonders von den
Aktionen der Zentralbanken beeindrucken ließen. In Erinnerung an die Euro-Krise
spricht vieles dafür, dass dieses Mal andere, schwer von der Krise getroffene
Staaten wie Italien und Spanien das „neue Griechenland“ werden könnten.

Die unmittelbaren sozialen Folgen

Wie auch immer diese Rettungsmaßnahmen ausgehen, die
Unternehmen setzen schon jetzt die Maßnahmen um, durch die sie am schnellsten
Kosten einsparen können. Zuerst fällt ihnen dabei natürlich ein, diejenigen
Arbeitskräfte „freizusetzen“, die sie aufgrund der derzeitigen Maßnahmen oder
der Folgeerscheinungen der Krise nicht einsetzen können. Ob dies durch Formen
des Zwangsurlaubs, Formen der Übernahme der Kosten durch den Staat (z. B.
in Deutschland durch das Kurzarbeitergeld) oder der Entlassung in die
Arbeitslosigkeit geschieht – immer handelt es sich um Wege, wie das Kapital die
Krise auf die ArbeiterInnen oder die Allgemeinheit abschiebt.

So schnellte die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosengeld
in den USA in der ersten Woche der Einschränkungsmaßnahmen um 3,3 Millionen
Betroffene in die Höhe (ein Teil des Billionenpakets des Kongresses dient der
bescheidenen Aufstockung dieses Hungerlohns). In gleicher Weise wird in
Deutschland mit einer Höhe von über 2 Millionen Anträgen auf Kurzarbeit
gerechnet (bei dem sich die deutsche Bundesregierung beharrlich geweigert hat,
über die üblichen 60 % aufzustocken). Ein anderer Teil wird über Formen der
Lohnfortzahlung von Erkrankten oder von der Arbeit Freigestellter, die
teilweise vom Staat (oder Krankenkassen) finanziert wird, auch dem Kapital
abgenommen. Dazu kommt, dass schon die letzte Krise dazu genutzt wurde, vieles
an Arbeit in prekäre Beschäftigung auszulagern (z. B. Teilzeit,
Scheinselbstständigkeit, Leiharbeit, Zero-Hour-Contracts). Hier kann das
beauftragende Kapital ganz einfach Kosten reduzieren, ohne dass die staatlichen
Schutzmaßnahmen für „Normalbeschäftigte“ wirken. Auch wenn die Fiskalpakete für
manche dieser Formen (insbesondere wenn sie als „Selbstständige“ verkauft
werden können) kleine Unterstützungen vorsehen, ist die langfristige
Einkommensperspektive für viele verzweifelt. Größere Konflikte trägt das
Kapital derzeit mit sich selbst aus, wenn es um die Nichtbezahlung von Mieten
oder die Stornierung/Verschiebung von Aufträgen geht. Auch dies wird in einigen
Ländern durch spezielle Fonds des Staates abgefedert. Solche Ausfälle bei den
Mieten könnten ja die für das Finanzkapital so wichtigen Immobilienmärkte ins
Rutschen bringen.

Die Krise in den Halbkolonien

Alle diese Maßnahmen nach dem Motto „Koste es, was es wolle,
wir haben genug Geldmittel!“, mit denen Staaten und Zentralbanken hier jetzt
agieren, gelten nur für die imperialistische Welt. In den Halbkolonien sind
nicht nur die Gesundheitssysteme mit der gegenwärtigen Krise völlig
überfordert. Dass in den imperialistischen Ländern in Zeiten der Krise „genug
Geld“ da ist, hat seinen Grund, ja gehört zu den Zentralelementen der
imperialistischen Architektur der Weltökonomie.

Die Krise, die sich schon vor Corona in der Weltwirtschaft
abgezeichnet hat, hat schon seit mindestens 3 Jahren zu einem massiven Abfluss
von Kapital auch aus einst gelobten „Schwellenländern“ (wie der Türkei, Indien
oder Brasilien) in die „sicheren Häfen“ der Weltökonomie geführt, d. h. in
Anlagen in den USA, Europa, Japan und China. Dies wird insbesondere an der
Konjunktur der Auslandsdirektinvestitionen deutlich, deren Wert (der
Neuinvestitionen) seit 2016 um mehr als 50 % gesunken ist. Noch stärker
ist sogar der Abfluss von Finanzinvestitionen (insbesondere zurück in die USA,
seit den Steuerreformen der Trump-Regierung). Die Halbkolonien, die zur
Stützung ihrer oft lebensnotwendigen Importe Währungsabwertungen und damit
Handelsbilanzdefizite und Kapitalabfluss vermeiden müssen, sind daher zu extrem
restriktiver Haushalts- und Geldpolitik bei gleichzeitiger Konzentration der
Wirtschaftspolitik auf den Export gezwungen (beides auch, um genügend
Dollarreserven für die Verteidigung der eigenen Währung aufzubauen).

Dies bedeutete auch, dass gegenüber der Niedrigzinspolitik
in den imperialistischen Metropolen der Rest der Welt zu hohen Zinsen und
Schuldenabbau gezwungen war – dies führte auch nach der Finanzkrise zunächst zu
einem Zufluss von Kapital. Mit dem stagnierenden Wachstum der Weltwirtschaft,
der schlechten Rohstoffkonjunktur und dem Nachlassen des China-Effekts für die
Wirtschaftszyklen der Halbkolonien ließ sich diese Haushalts- und Geldpolitik
immer weniger aufrechterhalten. Kapitalabfluss, Währungsabwertungen und
Zinssenkungen (Wiedererhöhung der Verschuldung) gingen Hand in Hand und führten
in vielen Schwellenländern seit 2017 zu schweren Krisen, sowohl im Wachstum wie
auch in Bezug auf Inflation (Argentinien, Brasilien, Indien, Pakistan, Türkei,
Ägypten, …).

Von der jetzigen neuerlichen Weltwirtschaftskrise werden
diese Länder daher besonders schwer getroffen. Es gibt weder für die
Gesundheitssysteme noch für kriselnde Unternehmen die Mittel des „Koste es was
es wolle“-Prinzips. Natürlich gibt es wieder Versprechungen von IWF und den
G-20 auf Billionen-Hilfen – die es aber wie immer nicht gratis gibt. Die
meisten dieser Länder stöhnen schon jetzt über IWF-Auflagen oder den neuen
„Washington Consensus“ – was in den meisten Ländern (z. B. in
Lateinamerika) große soziale und politische Unruhen ausgelöst hat. Eine weitere
Erhöhung von Massenarbeitslosigkeit und vermehrt zusammenbrechende staatliche
Unterstützungsleistungen wird dies weiter zuspitzen – entweder in eine
revolutionäre Richtung oder sehr viel offener diktatorischer Regime, die sich
jetzt schon im Zeichen des Corona-Krisenmanagements aufzubauen drohen.

Der Kapitalismus ist die Krise

Bei allen Betrachtungen der unmittelbaren Krisenentwicklung
und dem gegenwärtigen Krisenmanagement des Kapitals müssen MarxistInnen die
grundlegenden Veränderungen im Kapital/Arbeit-Verhältnis, die hinter jeder
kapitalistischen Krise stehen, aufdecken. Und natürlich ist auch diese Krise
nicht einfach im für alle überraschende Auftreten einer Pandemie begründet,
ebenso wie die letzte Krise nicht einfach auf einen schlecht regulierten
Finanzmarkt zurückzuführen war.

D. h. die Pandemie ist nur das Element, dass das Fass
zum Überlaufen gebracht hat, das schon vorher bis zum Rand voll war. Der
deutlichste Ausdruck davon sind die seit der letzten Krise in den großen
Industrienationen zu bemerkenden ökonomischen Kernindikatoren: geringe Rate an
Neuinvestitionen insbesondere im produzierenden Gewerbe, erst stagnierende,
dann fallende Profitraten für die nicht-finanziellen Unternehmen, steigende
Abhängigkeit des operativen Geschäfts von Verschuldung, Abhängigkeit des
Wachstums von Finanz-, Immobilien- und unproduktiven Dienstleistungsbereichen.
Dies wurde bis Mitte des letzten Jahrzehnts durch China noch konterkariert, das
aber seitdem selbst unter stark steigender privater Verschuldung und sinkenden
Profitraten leidet. Damit haben sich wie vor der letzten Krise große
Kapitalmengen aufgebaut, für die es ein ernstes Verwertungsproblem gibt. Diese
Kerndaten wurden seit mehreren Jahren z. B. im Blog von Michael Roberts
(https://thenextrecession.wordpress.com/) ausführlich dokumentiert und müssen
hier nicht weiter ausgeführt werden.

Wie Marx im „Kapital“ festgestellt hat, besteht in jedem Gesellschaftssystem die Notwendigkeit, die Produktivkräfte (ob es sich um materielle Produktionsgüter oder um Arbeitskräfte handelt) periodisch zu reproduzieren. Im Kapitalismus ist dieser Zwang zur Reproduktion der realen Produktionsvoraussetzungen verbunden mit der Notwendigkeit, den Wert derselben, also das investierte Kapital, auf erweiterter Stufenleiter zu reproduzieren. D. h. es geht nicht nur darum, das Kapital zu erhalten, sondern dasselbe um mindestens den gesellschaftlichen Durchschnittsprofit vermehrt aus dem Produktions- und Zirkulationsprozess zurückzuerhalten. Der ökonomische Reproduktionsprozess ist im Kapitalismus zugleich ein Verwertungsprozess.

Natürlich ist der gegenwärtige teilweise Stillstand von
Produktion und Zirkulation daher auch ein enormes Verwertungsproblem. Durch die
verschiedenen Finanzzuwendungen an das Kapital kann der ausfallende Umsatz
teilweise ersetzt werden, um die grundlegenden Kapitalkosten zu decken. Sie
bewirken aber nicht die für die Reproduktion des Kapitals notwendige
Verwertung. Schlimmer noch: Die gegenüber dem überakkumulierten Kapital zu
geringe Profitmasse hatte schon vor der Krise Verschuldung als Ersatz für
fehlende Investitionen und (preisbedingt) sinkenden Umsatz zur Verwertung
notwendig. Sollte die Masse des Kapitals in den Metropolen auch durch diese
Krise hindurch wieder durch noch größere Steigerung der Verschuldung vor der
Zahlungsunfähigkeit bewahrt werden, so stehen daher dann noch viel weniger
Mittel für Neuinvestitionen und den eigentlich dringenden Umbau der Ökonomien
in Bezug auf digitale, ökologische und jetzt auch gesundheitssystemische
Herausforderungen bereit.

Dieser Mangel an Mitteln für Neuinvestitionen nach der Krise, das Verbrennen von Milliarden für den bloßen Erhalt von Kapital, die nochmals gewachsene Verschuldung, alles was die Verwertungskrise des Kapitals ausmacht, ist entscheidend für die Frage, wie die Weltökonomie aus der Krise kommt. Die ursprüngliche Prognose vieler ÖkonomInnen, dass die Entwicklung eine U- oder V-Form annehmen würde, also nach einem starken Einbruch (der mehr oder weniger lang eingeschätzt wurde), ein ebenso rascher Aufschwung folgen würde, setzte gerade auf die Impulse von Investitionen und den nachholenden Konsum, die nach so einem Einbruch rasch einsetzen würden. Dies ist also angesichts der erwähnten Kapitalknappheit, die am Ende der Krise zu erwarten ist, sehr unwahrscheinlich. Auch viele bürgerliche ÖkonomInnen gehen daher bei einem längeren Stillstand auch von einem sehr schleppenden Aufschwung aus. Tatsächlich besteht die Gefahr, dass durch Firmenzusammenbrüche, langfristige Schwäche des Welthandels und der nur langsamen Wiederherstellung der globalen Produktionsketten den großen in Umlauf gebrachten Geldmengen ein weiterhin nur langsam wachsendes Angebot gegenübersteht. Das heißt, eine langfristige Depression mit inflationären Tendenzen ist eine ebenso wahrscheinliche Entwicklung.

In der letzten Krise wurde die große Kapitalvernichtung
insbesondere dadurch vermieden, dass Profitabilität durch Mittel der absoluten
Mehrwertsteigerung verbessert wurde – insbesondere durch Zunahme prekärer
Beschäftigung, Verschlechterung von Arbeitsbedingungen, Intensivierung der
Arbeit und schlechtere Entlohnung. Während das Kapital in dynamischen Zeiten
die Produktivkräfte revolutioniert und über die Steigerung des relativen
Mehrwerts eine längerfristige Aufschwungperiode ermöglicht, hat man im letzten
Jahrzehnt im Wesentlichen von den Errungenschaften der Globalisierungsperiode
in Kombination mit erhöhter Ausbeutung gelebt. Natürlich gab es einige
wesentliche Neuerungen (vor allem im digitalen und ökologischen Bereich), die
aber noch nicht zu einem nachhaltigen neuen Produktionsmodell geführt haben.
Wenn das Kapital, wie es derzeit aussieht, wiederum versucht, einem großen Schnitt
auszuweichen, und damit wiederum die Mittel für einen grundlegenden Umbau
fehlen, so ist zu erwarten, dass dies auf eine weitere Orientierung in Richtung
Ausdehnung der absoluten Mehrwertproduktion hinausläuft. Also weiterer Abbau
von „Normalarbeitsverhältnissen“, indem die gegenwärtigen Krisenmaßnahmen zu
einem Abbau von Beschäftigtenrechten und zu weiterem Outsourcing benutzt
werden. Dies wird jedenfalls in der ersten Phase, sowohl bei einem langsamen
Aufschwungszenario als auch bei der Abwärtsspirale einer Stagflation, zunächst
durch einen großen Aufbau von offener oder versteckter Arbeitslosigkeit
vermittelt werden. Die Deregulierungen der letzten Jahrzehnte ermöglichen dann,
dass Neueinstellungen vor allem wieder in prekäre Beschäftigung stattfinden
werden.

Vor einem „neuen Kapitalismus“ oder welche Antwort brauchen
wir?

Einige vermuten einen „neuen Kapitalismus“, der wieder sehr
viel mehr Staat und nationale Orientierung beinhaltet. Die staatlichen
Stützungsmaßnahmen und de facto Wirtschaftsplanungen werden als etwas verkauft,
das nach der Krise wieder einen sehr viel aktiver in die Wirtschaft
eingreifenden Staat schaffen würde. Ebenso werden die in Folge von
Exportbeschränkungen und Problemen in den globalen Lieferketten entstandenen
Substitutionsbestrebungen als etwas so Positives gesehen, dass im Kapitalismus
nach der Krise wieder verstärkt auf eigene Produktion und lokale Zulieferketten
gesetzt würde (von der Globalisierung zur „Lokalisierung“). Beides sind eher
unwahrscheinliche, die eigentlich der Krise zugrunde liegenden
Verwertungsprobleme missachtende Extrapolationen:

(1) Die imperialistischen Staaten können ihre besondere
Krisenrolle nur durch ihre Verbindung zu den globalen Finanzmärkten spielen,
von denen sie durch die gestiegene Verschuldung sogar noch abhängiger sein
werden. Nach der Krise werden sie rasch das gerettete Kapital wieder an seine
Finanziers privatisieren. Der bürgerliche Staat spielt hier in Krisen- oder
Kriegszeiten nicht zum ersten Mal die Rolle des ideellen Gesamtkapitalisten,
der dann wieder im freien Spiel der konkurrierenden Kapitale virtualisiert
wird.

(2) In Zeiten der Überakkumulation stehen der
Renationalisierung der Weltwirtschaft enorme Hindernisse entgegen. Im
nationalen Rahmen schlagen Überkapazitäten und Profitabilitätsprobleme noch
schneller zu! Die Globalisierung ist eine wesentliche entgegenwirkende Ursache
gegen diese Probleme. Ein nationaler Rückzug würde die internationale
Konkurrenz um die Abwälzung von Krisenfolgen auf andere Kapitale noch verschärfen
durch noch mehr Protektionismus, noch mehr Währungskriege, noch mehr Kampf um
Weltmarktanteile. Die Illusion von der Rückkehr von starken Nationalstaaten und
-ökonomien wird weiterhin eine an den kapitalistischen Realitäten scheiternde
Chimäre sein, die sozialdemokratisch-reformistische Politik diskreditieren und
nur der Rechten für ihre nationalistischen Mobilisierungen nützen wird.

Die Re-Nationalisierung droht natürlich, jedoch nicht, weil
sich dabei ein neues, vorgeblich harmonischeres „Modell“ des Kapitalismus
abzeichnet, sondern weil die Krise die Frage aufwirft, welches Kapital
vernichtet, welches nationale Kapital, welche imperialistische Macht gestärkt
hervorgeht, welche zu noch mehr Protektionismus greift. Kurzum, jede
Renationalisierung würde unweigerlich einem verschärften Kampf um die
Neuaufteilung der Welt einhergehen.

Die ArbeiterInnen, prekär Beschäftigten, Arbeitslosen, arme
Landbevölkerung, sozial Unterdrückten werden weder von den Billionen-Pakten
gerettet noch von einem guten, fürsorglichen Staat noch von einem Pakt mit den
auf „nationale Produktion“ umschwenkenden UnternehmerInnen – weder was die
Krise des Gesundheitssystems betrifft, noch in Bezug auf die Folgen der jetzt
einsetzenden Wirtschaftskrise!

Die kapitalistische Klasse, ihr Staat und ihre
internationalen Institutionen werden vielmehr versuchen, diese Krise ein
weiteres Mal zu wenden, um ihr Ausbeutungssystem zu retten, das eben auch diese
jetzt für alle offensichtlichen Mängel im Gesundheitssystem hervorgebracht hat.
Bei all den Mitteln, die uns heute zur Verfügung stehen, um ein gesundes und
gutes Leben zu ermöglichen, die ökologischen Folgen unserer Lebensweise zu
korrigieren und Arbeit gerecht aufzuteilen und enorm zu verkürzen, ist es klar,
dass es vor allem ein Hindernis dafür gibt, dies wirklich anzupacken: die
kapitalistische Produktionsweise und ihre Marktwirtschaft! Statt Burgfrieden
mit dem Kapital in den beiden heutigen Krisen brauchen wir einen klaren
Klassenstandpunkt. Die Gewerkschaftsführungen und reformistischen Parteien
dagegen machen mit bei den „Rettungspakten“, stimmen für die Einschränkung von
ArbeiterInnenrechten und schüren die Illusion in die große segensreiche Rolle
„unseres Staates“ – alles für ein paar Brosamen, die unsere „Existenzen
sichern“, tatsächlich aber unsere bessere Ausbeutbarkeit für das Kapital
erhalten und ausbauen sollen. Deswegen ist es so entscheidend, jede Maßnahme zum
Gesundheitsschutz, zur Verhinderung von Entlassungen, zur Sicherung von
Einkommen, ja selbst zur Verstaatlichung mit dem Kampf um
ArbeiterInnenkontrolle zu verbinden.

Nur durch die aktive Organisierung und gesellschaftliche
Kontrolle kann der Kampf dagegen angegangen werden, dass all diese Maßnahmen
nur die weiteren Angriffe auf das Gesundheitssystem und unsere sozialen Rechte
vorbereiten. Nur aus diesem international zu führenden Kampf um die Kontrolle
unserer Klasse über diese Maßnahmen kann die Macht erwachsen, die dieses
krisenhafte und lebensbedrohende System ersetzt durch eine Wirtschaftsweise,
die das enorme Potential der heutigen Produktivkräfte und Wissenschaft nutzt
für eine soziale und ökologische Wende, hin zu einer sozialistischen Gesellschaft.

Wenn die Klasse aus dem pandemischen Halbschlaf erwacht sein
wird, werden wir uns nicht nur in den Halbkolonien auf schwere soziale
Auseinandersetzungen um die Krisenbewältigung vorbereiten müssen. Der Gegner
hat nicht nur gewichtige finanzielle Waffen – er wird jegliche Alternative zu
seinem Krisenprogramm auch mit sehr realen Geschützen bekämpfen. Daher kann der
Kampf um ArbeiterInnenkontrolle nur erfolgreich sein, wenn er organisiert
verteidigt und letztlich von einer revolutionären Organisation geführt wird.
Unser Programm der antikapitalistischen Krisenbewältigung kann nur erfolgreich
sein, wenn es mit dem Kampf um die politische Macht, dem um eine sozialistische
Revolution verbunden wird, der von Anfang an international ausgerichtet sein
muss!




Von der Pandemie zur Weltwirtschaftskrise, Teil 1: Der drohende Zusammenbruch des Gesundheitssystems

Markus Lehner, Neue Internationale 245, April 2020

Die derzeitige Krise ist aus ökonomischer Sicht zunächst
eine gewaltige Belastungswelle, die die nationalen Gesundheitssysteme global in
sehr kurzen Abständen und mit enormem Tempo überrollt. Jedes Gesundheitswesen,
in welchem gesellschaftlichen System auch immer, wäre von der explosionsartigen
Verbreitung mit so wenig Vorwarnzeit vor große Herausforderungen gestellt. Im
gegenwärtigen Wirtschaftssystem trifft die Pandemie auf mehrfach überforderte
Strukturen. Sie trifft, wenn auch unterschiedlich, Zentren wie Peripherie.
Zugleich erweist sich die kapitalistische Ordnung als unfähig zur notwendigen
internationalen Reaktion – mit tödlichen Konsequenzen für wahrscheinlich
Millionen von Menschen.

Herausforderung und mögliche Antworten

Die Dramatik der Pandemie ergibt sich aus der exponentiellen
Kurve der Neuinfektion. Zu Beginn der Infektionsexplosion, mit einem Kern von
um die 100 Infizierten, werden Verdoppelungsraten von 2–3 Tagen erreicht. Bei
einer Verdopplung alle 2 Tage werden so aus 100 Infizierten schon nach 14 Tagen
mehr als 12.000. Das Problem stellt einerseits die unscheinbare Symptomatik zu
Beginn der Inkubation (etwa eine Woche lang) dar. In dieser Zeit können schon
2–3 andere Menschen infiziert werden. Dies macht die Eindämmung speziell in den
Frühphasen der Infektion schwierig und befördert die rasche Verbreitung des
Virus.

Andererseits ist der ausgelöste Krankheitsverlauf – einer
schweren Lungenentzündung ähnlich – 
die Herausforderung. Denn etwa 5–10 % der Erkrankten brauchen
intensivmedizinische Behandlung, wenn man sie vor dem Erstickungstod bewahren
will. Mit der exponentiellen Kurve der Neuinfektionen steigt also in gleichem
Tempo der Bedarf an den benötigten intensivmedizinischen Einheiten (ICU =
Intensive Care Units). Bei der erwähnten Verdopplungsrate lässt sich also
einfach ausrechnen, wann die Kapazität an ICUs eines Gesundheitssystems von der
Zahl der schwer Erkrankten überholt wird. Was dann passiert, konnte man aus den
Berichten von den Intensivstationen in Norditalien auf das Grausamste
mitverfolgen. Völlig überlastetes Personal, ohne genügend Gerätschaft, musste
bei Neueinlieferungen zur Selektion schreiten, bei wem sich überhaupt noch die
Verteilung der letzten freien ICUs lohnen würde.

Modelle

In Deutschland beispielsweise gab es vor der Krise 28.000 ICUs, die zu 70-80 % ausgelastet waren. Auch nach der Freimachung von Plätzen (z. B. durch Verschiebung von Operationen) wurde erst eine zusätzliche Kapazität für Infizierte von um die 8.000 ICUs erreicht. Bei einer Verdopplungsrate von 3 Tagen und einem Ausgangspunkt von 115 Infizierten am 1. März hätte man Ende März die Kapazitätsgrenze der Beatmungsplätze erreicht. Die Entscheidung, die daher bei allen Ländern (mit mehr oder weniger Verzögerung) anstand, war die Wahl zwischen den folgenden Modellen der Infektionsbekämpfung:

1. Das Modell der „Herdenimmunität“, in dem das Virus ohne
Gegenmaßnahmen sich ausbreitet. Dabei soll sich bei den Infizierten
natürlicherweise eine Immunität gegen das Virus herausbilden, während die
Risikogruppen isoliert werden. Da weder die Risikogruppen so klar abgrenzbar
sind noch ihre gezielte Isolation praktikabel ist, bedeutet dieses Modell im Wesentlichen,
dass eine große Welle von IntensivpatientInnen auf das Gesundheitssystem
zugerollt wäre. In der Konsequenz bedeutet diese Methode, den Tod aller
Fallzahlen oberhalb der ICU-Kapazitätsgrenze zu riskieren. Dies ist in der
Grafik mit der ausgefüllten Fläche oberhalb dieser Kapazitätsgrenze gemeint.

2. Die von den meisten Regierungen, angefangen mit der
chinesischen, angewendete Reaktion war eine mehr oder weniger konsequente
Kontaktreduzierung ihrer Bevölkerungen, um das Infektionsrisiko zu minimieren
und damit die Wachstumsrate der Neuinfektionen zu bremsen. Verschiedene Formen
von Einschränkungen des öffentlichen Lebens bis hin zur Quarantäne kritischer
Gebiete oder von Risikogruppen wurden angewandt. Dabei wird erhofft, dass die
Rate der gleichzeitig in Intensivstationen eingelieferten Patienten auf
genügend ICUs und Personal trifft – vor allem, da man Zeit gewonnen hat, diese
Kapazitäten auszubauen. Denn mit dem Modell „moderate Kontaktreduzierung“ wird
das Wachstum der Neuinfektion zwar eingebremst, aber die Infektionswelle
zugleich auf einen längeren Zeitraum von mindestens einem Jahr ausgedehnt.

Damit kann zwar ein Kollaps des Gesundheitssystems (wie wir
ihn in Italien gesehen haben) abgewendet werden, aber es wird immer noch eine
hohe Zahl von Toten geben, die jene normaler Grippewellen bei weitem
übersteigt. Bei diesem Modell wurde fast überall versucht, das Schließen nicht
lebensnotwendiger Unternehmen zu verhindern. Es wird auch versucht, die
geschlossenen Betriebe so schnell wie möglich wieder zum Produzieren zu
bringen. Mit der zu erwartenden vorschnellen Aufhebung der meisten Maßnahmen
zur Einschränkung der Produktion oder nicht essentieller Dienstleistungen wird
die Krise nach einer gewissen Pause wiederkehren.

Dies zu verhindern, würde ein drittes Modell erfordern: eine
restriktive Quarantäne-Politik, die auch sofort alle nicht lebenswichtigen
Arbeitsprozesse beendet hätte, verbunden mit einer genügenden Zahl von Tests,
um rasch die Infizierten für die Zeit ihrer Erkrankung zu isolieren. Dies wurde
ansatzweise in China und Südkorea so umgesetzt, wo im Vergleich zur
Bevölkerungszahl die Neuinfektionskurve sehr viel flacher gehalten werden
konnte.

Pandemien und die Pharmaindustrie

Die andere Seite der Bekämpfung von Covid-19 ist die medizinisch-pharmazeutische.
Obwohl corona-artige Viren durchaus schon lange bekannt sind und der jetzt im
Umlauf befindliche Virustyp bei Tieren schon identifiziert wurde, wurde
angesichts der bekannten Gefahr viel zu wenig in die vorbeugende Erforschung
von Impfstoffen und Therapiemöglichkeiten investiert. Dieses Forschungsgebiet
war für die Pharmaindustrie zu wenig Profit versprechend, als dass man die
dafür notwendigen Geldmittel investiert hätte. Ohne die Pharmamillionen waren
die staatlichen Labore, die an diesen Themen durchaus gearbeitet hatten, zu
gering finanziert, um heute mit praktikablen Lösungen parat zu stehen. Mit dem
Ausbruch der Pandemie hat nun ein unwürdiges Schauspiel um die Sicherung von
Patenten und Forschungseinrichtungen durch Regierungen und Konzerne eingesetzt,
das die notwendige, konzentrierte internationale Forschung durch mögliche
Geheimhaltung zu Profit- oder Staatsinteressen noch zusätzlich behindern würde.
Auch wenn ein großes Wettrennen um den ersten Platz bei Impfstoffen und Therapien
begonnen hat, wird so der übliche Entwicklungszyklus derselben von mindestens
einem Jahr kaum beschleunigt werden können – noch dazu, wo die Anforderungen an
Erprobung und unabhängige Tests gerade angesichts eben dieser Profitgier der
Konzerne auch hier nicht verkürzt werden darf.

Tatsächlich zählt das jetzt wirkende SARS-CoV-2-Virus zu
einer Familie von 40 corona-artigen Viren, die zumeist bei Tieren entdeckt
worden sind. Spätestens seit das SARS-CoV-Virus auf den Menschen übersprang und
SARS (Severe Acute Respiratory Syndrom; Schweres akutes Atemwegssyndrom)
ausgelöst hat, war mit weiteren solchen Übergängen, sogenannten Zoonosen, zu
rechnen. Dies verweist auf ein tiefer liegendes Problem: Schon immer waren die
Viehwirtschaft bzw. das zivilisationsbedingte Zusammenleben mit Tieren eine
Quelle verheerender Epidemien. So wurden die Pestbakterien von Ratten, die sich
unter bestimmten hygienischen Verhältnissen in den Städten ballten, über Flöhe
auf Menschen übertragen. Einige bekannte Zoonosen haben erhebliches
Seuchenpotential (z. B. Pocken, Tuberkulose, Ebola), andere sind
chronische Massenkrankheiten (z. B. Malaria). Mit der industriellen
Viehzucht und ihrem massiven Einsatz pharmazeutischer Produkte wurde der Kampf
mit solchen Mikroorganismen auf eine neue Stufenleiter gebracht. Bekanntlich
ist der massive Einsatz von Antibiotika in der Fleischproduktion eine Quelle
der Antibiotikaresistenz von Bakterien. Aber auch die chemischen Keulen gegen
virale Erkrankungen bei Nutztieren tragen zur raschen Mutation der
entsprechenden Viren und zur Tendenz des Wirtswechsels bei. Was genau die
Quelle der Zoonose beim jetzigen SARS-CoV-2-Virus war, ist noch umstritten.
Klar ist, dass nach den Erfahrungen mit dieser Pandemie international sowohl
die Frage des Umgangs mit Tieren (Viehwirtschaft, exotische Tiermärkte, Tiere
in unseren Müllbergen etc.), als auch die konzentrierte Forschung zur
Verhinderung von Zoonosen, nicht nur der Corona-Viren, ganz oben auf der
Tagesordnung stehen müssen.   

Die Grenzen des Kapitalismus werden aufgezeigt

Weiter stellt auch die medizintechnische Produktion unter
kapitalistischen Bedingungen ein Hindernis für die Lösung der derzeitigen
Herausforderungen des Gesundheitssystems dar. Sowohl in den imperialistischen
Ländern als auch in den Halbkolonien ist offensichtlich, dass für die
Bewältigung des Anstiegs an IntensivpatientInnen zu wenig Gerätschaft und
Material zu Verfügung stehen – in den imperialistischen Ländern wegen der
kaputtgesparten, privatisierten Krankenhausbetriebe, in den Halbkolonien wegen
der von vornherein fehlenden finanziellen Mittel. Man könnte meinen, dass bei
den modernen globalen Produktionskapazitäten die Einrichtungen zur Produktion
von Schutzkleidung, Masken oder ICUs rasch zur Verfügung stehen würden. Weit
gefehlt! Die Produktionsketten erwiesen sich einerseits durch die Ausfälle in
China und anderen asiatischen Ländern als unterbrochen, die Lagerkapazitäten in
Zeiten von Just-in-time-Produktion als sehr beschränkt.

Die Produktion der lebensnotwendigen ICU-Einheiten ist gar
auf wenige Unternehmen weltweit konzentriert, die erstmal für den Bedarf ihrer
eigenen Länder herangezogen wurden. So orderte die deutsche Bundesregierung
inzwischen insgesamt über 20.000 Einheiten bei den deutschen ProduzentInnen,
die bisher neben einem schwedischen die einzigen nennenswerten LieferantInnen
für den EU-Raum waren – womit deren Kapazität für die nächsten Monate
ausgelastet ist! Die britische Regierung, der diese Möglichkeiten fehlten, kam
gar auf die wahnwitzige Idee, AutomobilherstellerInnen Anleitungen aus dem
Internet zum Bau solcher Einheiten zu senden. Tatsächlich haben verschiedene
Regierungen begonnen, die medizintechnische Produktion praktisch zu
nationalisieren. Es werden staatlich geplante oder koordinierte Produktionscluster
gebildet, die jetzt für den Bedarf der „eigenen“ Gesundheitseinrichtungen zu
produzieren haben, von Schutzkleidung, Desinfektionsmitteln, Beatmungsgeräten
bis hin zu Testkits.

Schließlich kommen noch die Begrenztheiten der
Krankenhausbetriebe selbst. Nicht nur an Material und Gerätschaft fehlt es,
sondern natürlich besonders an ausgebildetem Personal. Alle Kämpfe um eine
Erhöhung von Personalschlüsseln, um angemessene Arbeitsbedingungen und
Bezahlung wurden auch in Deutschland in den letzten Jahren auf Grund der
Kostendeckelung von der Finanzierungsseite (Krankenkassen) und den
Profitinteressen der privaten EignerInnen der Krankenhauskonzerne
hintertrieben. In Konsequenz stehen in der akuten Krise der exponentiell
ansteigenden Patientenzahlen jetzt die Krankenhäuser mit einer schon an sich
ausgedünnten und überbeanspruchten Zahl an Beschäftigten da. Die nunmehr
entwickelten Notpläne müssen in gerade „nicht so wichtigen“ Bereichen extreme
Lücken schlagen, um bei Anstieg der Fallzahlen das Intensivpersonal aufbauen zu
können. Verzweifelt wird jetzt alles mögliche Personal, z. B. aus der
Rente zurückgeholt, oder werden Auszubildende und StudentInnen vorzeitig „an
die Front“ geschickt.

Notpläne und Kapitalinteressen

Während die Krankenhäuser in der Krise praktisch über
staatlich koordinierte Notfallpläne quasi-verstaatlicht werden, wird ihre
privatkapitalistische Form nicht angerührt. Nichts drückt dies deutlicher aus
als die Tatsache, dass aus den Rettungsmilliarden für die deutsche Wirtschaft,
die im Nachtragshaushalt der Bundesregierung verabschiedet wurden, der für den
Gesundheitsbereich vorgesehene Teil vor allem zur Kompensation des „entgangenen
Geschäfts“ der privaten Krankenhauskonzerne verwendet wird – nicht etwa zur
wesentlichen Verbesserung der Lage derjenigen, die jetzt um unser aller Leben
kämpfen!

Eines ist klar: die gegenwärtige Überlastung des
Gesundheits- und Pflegesystems ist keine kurzfristige Ausnahmesituation, die in
wenigen Wochen wieder vorbei ist. Die „Flatten the curve“-Strategie ist ein
Weg, den Zusammenbruch des Systems zu vermeiden, führt aber auch dazu, dass
sich die Epidemie lange hinzieht und das System mehrere Monate in hoher Last
beansprucht wird. Wahrscheinlich werden die Interessen in Industrie- und
Dienstleistungswirtschaft auf eine rasche Rückkehr zur „Normalität“ drängen.
Dies wird mit Teilquarantänen (für „Risikogruppen“), extensiven Systemen von
Massentests und weiteren repressiv überwachten
„Kontaktvermeidungs“-Vorschriften verbunden sein. All dies wird aber neuerliche
Anstiege von Infektionen nicht verhindern, bis die vielbeschworene etwa
70 % „Durchseuchung“ der Bevölkerung erreicht ist (womit ein Ausmaß an
Immunität erreicht ist, das eine weitere Verbreitung des Virus in seiner
jetzigen Form verhindert – was nicht ausschließt, dass zu einem späteren
Zeitpunkt eine neue Variante diese Immunität wieder überwindet).

Wer zahlt

Jedenfalls wird das Gesundheitssystem sicherlich bis Ende
diesen Jahres, neben seinen sonstigen Problemen, mit dieser besonderen Überlast
zu kämpfen haben. So hat die deutsche Bundesregierung in ihrem „Nothaushalt“
nicht nur Milliarden für die akuten Kosten vorgesehen (z. B. 50.000 Euro
pro neu eingerichtetem Intensivbett), sondern auch den „Sicherstellungsauftrag“
des Krankenhausbetriebs praktisch bis Ende des Jahres in die öffentliche Hand
übertragen. Die Finanzierung läuft über Milliardenzuschüsse an die gesetzlichen
Krankenkassen, die Steuerung jedoch über die staatliche Koordination, der die
Krankenhäuser für den Notfallbetrieb Räumlichkeiten, Personal und Gerätschaft
zur Verfügung stellen müssen.

Weitere Kosten entstehen natürlich durch den starken
Wiederausbau der Gesundheitsämter, die vor der Krise stark zusammengekürzt
waren, jetzt aber als zentrale Organisation für die Seuchenbekämpfung in kurzer
Zeit mit hohen Kosten wieder hochgefahren werden müssen. Schließlich wird auch
der Ausbau der Massentestinfrastruktur zu hohen staatlichen Investitionen
führen, sowohl im Labor- als auch im Bereich der ärztlichen Versorgung. Rechnet
man, dass in den reichen Nationen die Gesundheitsausgaben schon in Normalzeiten
und trotz der Kürzungen der letzten Jahre um die 10 % des
Nationaleinkommens ausmachen, ist klar, dass schon eine Steigerung der Kosten
um 20–30 % im Gesundheitssystem, wie sie jetzt wahrscheinlich ist, einige
Wachstumsprozente im GDP kostet. Man braucht kein/e ProphetIn zu sein, dass die
Regierenden die „solidarische“ Finanzierung der Mehrkosten vor allem über
Massensteuern und Kassenbeiträge einzutreiben versuchen werden.

Halbkolonien

Klar ist auch, dass die Gesundheitssysteme in den
Halbkolonien noch um ein Vielfaches mehr von der Krise überfordert sind. Im
Durchschnitt wurden dort im Gefolge der imperialistischen Nicht-Entwicklung
bzw. der von den Verhältnissen am Weltmarkt geforderten Prioritäten nicht
einmal 5 % des Nationaleinkommens in die Gesundheitssysteme investiert.
Dahinter verbergen sich durchaus große Unterschiede im Grad der neo-kolonialen
Vernachlässigung. In Bezug auf die ICUs z. B. hat Brasilien in etwa so
viele Geräte wie Deutschland, bei einer fast dreimal so großen Bevölkerung –
und natürlich nicht die Möglichkeiten zum Kapazitätsausbau, der in letzterem
zur Verfügung steht. Pakistan dagegen, mit auch weit über 200 Millionen
EinwohnerInnen, steht mit gerade einmal 10 % der deutschen Kapazität der
gerade stark ausbrechenden Epidemie hilflos gegenüber. In afrikanischen Ländern
wie Uganda steht gerade einmal 1 % der deutschen Kapazität zur Verfügung.
Natürlich spricht die Demographie dieser Länder für eine schnellere „Herdenimmunität“.
Aber die dichtgedrängte Lebensweise in den Ballungszentren macht den raschen
Anstieg der Infektionsraten sehr wahrscheinlich. Die geringe Kapazität der
Gesundheitssysteme wird die Kurve der Epidemie-Entwicklung daher stark in den
Bereich der „Herden-Immunitätsstrategie“ verschieben – mit wahrscheinlich
Millionen von Toten. Aufgrund der sehr viel schärfer zu erwartenden
Wirtschaftskrise im Gefolge wird dieses Gesundheitsproblem noch durch
Unterernährung und weitere Seuchen (z. B. Tuberkulose) verschärft werden.

Die Corona-Gefahr bedroht also Millionen Menschenleben. Zugleich erweist sich das kapitalistische System als unfähig, der Pandemie Herr zu werden. Im Gegenteil. Sie wirkt selbst wie ein Katalysator auf die krisenhafte Entwicklung der Weltwirtschaft, mit der wir uns im 2. Teil des Artikels beschäftigen werden.




Corona-Gefahr und Zunahme häuslicher Gewalt – wie bekämpfen wir sie?

Jonathan Frühling, Neue Internationale 245, April 2020

Oft wird behauptet, die bürgerliche Familie sei ein Ort der Geborgenheit, des Schutzes und der engsten Solidarität in der Gesellschaft. Doch hinter dieser trügerischen Fassade verbirgt sich eine hässliche Fratze, für viele Kinder und Frauen oft tägliche Realität. Um sich des Ausmaßes häuslicher Gewalt bewusst zu werden, müssen wir nicht in die Ferne blicken, auf Länder wie Indien oder Kolumbien.

Selbst die Berichte der Bundesregierung belegen, dass in
Deutschland 40 Prozent aller Frauen seit ihrem sechzehnten Lebensjahr physische
und/oder sexuelle Gewalt erleben mussten. Jeder vierten Frau wird dieses
Verbrechen von ihrem eigenen (Ex-)Partner angetan. Alleine in Deutschland
betrifft das jedes Jahr ca. 115.000. Diese Gewalt passiert überwiegend bei den
Opfern zuhause. Der eigene Wohnraum stellt also oft keinen Schutzraum für
Frauen und Kinder, sondern für den Täter dar, indem Unterdrückung und
Gewaltverbrechen vor der Öffentlichkeit verborgen bleiben.

Drohende Zunahme

Während der Corona-Krise sind die Menschen fast
ausschließlich zuhause, haben keinen körperlichen Ausgleich und sind oftmals
frustriert, weil sie in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken. Der reale
Druck auf die Masse der Bevölkerung nimmt zu, wie auch die soziale Isolierung.

Zudem haben viele Betriebe sowie Bildungs- und
Betreuungseinrichtungen ihre Türen momentan geschlossen, was die Situation
weiter verschärft. Das erhöht das Potential für häusliche Gewalt drastisch.
Auch der vermehrte Alkoholkonsum steigert das Aggressionspotential.

Selbst bürgerlich-konservative Zeitungen, wie die Bild oder die FAZ, sehen sich in dieser Situation genötigt, über das Thema zu berichten. Wie real eine drohende Zunahme von Gewalt gegen Frauen ist, belegen auch die Erfahrungen Chinas in den letzten Monaten. Laut einer Pekinger Frauenrechtsorganisation war die Zahl von Frauen, die sich während der verordneten Quarantäne an Hilfsorganisationen gewandt haben, dreimal so hoch wie sonst). Ähnliche Zahlen sind bereits aus Spanien, Italien und Südkorea bekannt und deshalb auch für Deutschland und andere Länder zu erwarten.

Welchen Problemen sehen sich Frauen und Kinder momentan
ausgesetzt?

Besonders oft sind Frauen von physischer Gewalt betroffen. Einige Frauen suchen jedoch auch Hilfe, weil sie bevorstehende physische Angriffe von Familienmitgliedern befürchten. Ein großes Problem ist darüber hinaus Kontrolle und Stalking über das Internet.

Die immer noch existierende geschlechtsspezifische
Arbeitsteilung in der Familie sieht vor, dass die Frau den größten Teil der
Reproduktionsarbeit leisten muss. Dazu gehören die Betreuung und Erziehung der
Kinder, Kochen, Putzen und Waschen. Durch die Corona-Krise fällt noch mehr
dieser Arbeiten in den privaten Bereich, da fast ausschließlich in der eigenen
Wohnung gegessen wird und die Kinder und Jugendlichen zuhause bleiben müssen.
Die Schließung von Bildungs- und Betreuungseinrichtungen hat außerdem dafür
gesorgt, dass weibliche Beschäftige aus ihren Jobs gedrängt werden, um zuhause
auf die Kinder aufzupassen. GeringverdienerInnen müssen mit noch weniger Geld
über die Runden kommen.

Zudem werden viele Frauen bei der Reproduktionsarbeit
verstärkt kontrolliert und zurechtgewiesen, wenn ihre Partner ebenfalls
überwiegend zuhause sind. Zusätzlich steigt für Frauen der Leidensdruck, weil
sie aufgrund der Krise keine Bekannten treffen können, die ihnen sonst Beistand
leisten würden.

Für Kinder und Jugendliche tun sich ähnliche Probleme auf.
Sie sehen sich den ganzen Tag mit ihren Eltern konfrontiert, deren Regime sie
sich unterordnen müssen. Es fehlt ihnen jeglicher Ausgleich, wie Schule,
sportliche Aktivitäten oder das Treffen von Gleichaltrigen in der Freizeit.
Auch sie sind vermehrt körperlicher Gewalt und Unterdrückung ausgesetzt, was
sich massiv auf ihre körperliche und psychische Verfassung auswirkt.

Inanspruchnahme von Hilfe?

Ein großes Problem ist auch, dass die betroffenen Frauen
während strikter Ausgangsbeschränkungen kaum Hilfsangebote in Anspruch nehmen
können. In Italien sind nämlich z. B. nur die Wege zur Arbeit, zum
Supermarkt oder zum/r Arzt/Ärztin erlaubt. Zudem ist es für die Frauen
schwieriger, eine Beratungsstelle aufzusuchen, wenn der Täter die ganze Zeit
zuhause ist und Bescheid weiß, wie lange die Frau das Haus verlässt.

Frauenhäuser und Beratungsstellen stellen sich vor allem für
die Zeit nach der Corona-Krise auf einen stark erhöhten Andrang ein. Allerdings
sind die Frauenhäuser schon zu „normalen“ Zeiten total überlaufen. Laut der
Istanbuler-Konvention, die die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zum
Kampf gegen Gewalt gegen Frauen verpflichtet und die Deutschland im Oktober
2017 ratifiziert hat, müssten hierzulande 21.400 Betten in Frauenhäusern
bereitstehen. Die geforderten Maßnahmen wurden jedoch nie auch nur ansatzweise
umgesetzt. 

Momentan sind es aber gerade mal 6.800! Deshalb ist es
gängige Praxis, dass Frauen zu ihren gewalttätigen Partnern zurückgeschickt
werden. Auch eine angemessene psychische Betreuung findet unter diesen
Umständen zumeist nicht statt. Im Zug der Corona-Krise wird der Mangel auch
noch dadurch verschärft, dass das Personal nicht überall in voller Besetzung
zur Arbeit erscheint.

Gründe für Gewalt

Allerdings ist der Anstieg von häuslicher Gewalt, wenn
Menschen vermehrt Zeit auf engem Raum verbringen, kein unbekanntes Phänomen.
Die meisten Menschen kennen zumindest den alljährlichen Familienstreit während
der angeblich so besinnlichen Weihnachtszeit. Auch die extremen Formen der
häuslichen Gewalt nehmen während dieser Zeit nachweislich zu.

Die tiefere Ursache der häuslichen Gewalt ist in der
systematischen Unterdrückung der Frauen in der Klassengesellschaft zu suchen.

Im Kapitalismus ist die Trennung von gesellschaftlicher
Produktion und privater Hausarbeit dabei grundlegend – jedenfalls was die Lage
der proletarischen Frauen betrifft. Die Reproduktionsarbeit wird zu großen
Teilen privat verrichtet. Die ungleiche Entlohnung von Arbeiterinnen verglichen
mit Arbeitern manifestiert sich im Gender Pay Gap und damit größerer
finanzieller Abhängigkeit.

Die bürgerliche Familie sowie die geschlechtsspezifische
Sozialisierung sind ebenfalls Mechanismen, um das Unterdrückungsverhältnis
aufrechtzuerhalten und auch im Bewusstsein von Mann und Frau zu reproduzieren.
Obwohl gesellschaftlich, erscheinen sie als „natürlich“. Physische Gewalt, mit
der Frauen eingeschüchtert und gefügig gemacht werden, gehört untrennbar zu
diesem Verhältnis, es stellt dessen gewalttätigen Ausdruck dar.

Forderungen und Perspektive des Kampfes

Der Ausbau von Frauenhäusern und Beratungsstellen ist längst
überfällig und sollte nun das Gebot der Stunde sein. Das schließt auch mit ein,
die Technik und das Personal für eine Ausweitung der telefonischen Beratung zur
Verfügung zu stellen. Damit schnell Erfolge erzielt werden können, sollte
Leerstand, wie z. B. auch nicht ausgelastete Hotels oder Luxusvillen,
requiriert und für diese Zwecke genutzt werden. Frauenhäuser und
Beratungsstellen müssen zudem sofort in die Liste systemrelevanter Berufe
aufgenommen werden – und zwar international.

Das neoliberale Dogma der heutigen Zeit hat den Druck auf
Frauen schon vor der Corona-Krise massiv verschärft. In Deutschland gibt es
z. B. nicht genügend Kita-Plätze, weil der soziale Bereich systematisch
vernachlässigt wird. Auch die Ausweitung des Billiglohnsektors, wie z. B.
die flächendeckende Einführung von Minijobs, hat die ökonomische Situation von
Frauen weiter verschlechtert und deren Doppelbelastung durch Beruf und
Hausarbeit verschärft. Deshalb muss auch für politische Forderungen eingetreten
werden. Gleiches Geld für gleichwertige Arbeit ist dabei natürlich essenziell.
Flächendeckende Kitas und Betreuung nach der Schule würden es Frauen leichter
machen, sich von ihren Männern zu trennen und als Alleinerziehende zu leben.
Mindestlohn, höheres Arbeitslosengeld und günstigerer Wohnraum sind deshalb
auch wichtig.

Um diese Forderungen an den Staat durchzusetzen, darf es
aber nicht bei Appellen bleiben. Wir müssen schon selbst aktiv werden und eine
Bewegung aufbauen, die diese Ziele auch durchsetzen kann.

Ein wichtiger Aspekt wird dabei auch die Bildung von
Schutzstrukturen sein, die vor allem von lohnabhängigen Frauen gebildet werden
und von der ArbeiterInnenbewegung – von Gewerkschaften, linken Parteien und
Organisationen – initiiert und unterstützt werden sollen. Dies wäre ein wichtiger
Schritt, um entschieden gegen gewalttätige Männer vorgehen zu können.
Solidarische Männer sollen solche Initiativen natürlich unterstützen. Auf eine
Polizei, die Hilferufe von Frauen bekanntermaßen ignoriert, ist nämlich kein
Verlass.

An dem hier behandelten Thema zeigt sich auch, wie wichtig
es ist, dass die Lohnabhängigen für entschiedene Maßnahmen gegen die
Corona-Krise eintreten und dabei eigene Kontrollorgane zur Umsetzung und
Überwachung dieser Forderungen schaffen. Denn nur, wenn die Bevölkerungsmehrheit
diese kontrolliert, kann dafür gesorgt werden, dass die getroffenen Maßnahmen
uns Lohnabhängigen zugutekommen.

Die Regierung verfolgt dagegen vor allem das Ziel, mit ihrem
600 Milliarden Euro (!) schweren Rettungsschirm die Liquiditätsprobleme der
Unternehmen zu lösen. Das zeigt sich z. B. auch daran, dass nur ein
kleiner Teil dieses Geldes für einen Ausbau des Gesundheitssystems eingesetzt
werden soll. Zudem wäre eine politische Beteiligung nur logisch, da das Geld
letztlich aus unseren Steuerzahlungen stammt bzw. die Kredite mit unseren
Steuern zurückbezahlt werden müssen. Aber wie immer bleibt die deutsche
„Demokratie“ nur eine Farce. Wir müssen uns deshalb aktiv dafür einsetzen, dass
der  Corona-Rettungsschirm nicht
Großkonzernen, sondern z. B. von Gewalt betroffenen Frauen zugutekommt.

Letztlich lässt sich das Patriarchat und damit die Gewalt
gegen Frauen aber nur überwinden, wenn die Reproduktions- und Sorgearbeit
vergesellschaftet und von beiden Geschlechtern gleichermaßen erledigt wird. Der
Kapitalismus jedoch profitiert davon, wenn diese gesellschaftlich sehr wichtige
Aufgabe von Frauen privat und vereinzelt innerhalb der bürgerlichen
(Klein-)Familie verrichtet wird. Ihre Überwindung und Ersetzung durch eine
höhere gesellschaftliche Organisation des Zusammenlebens muss deshalb Hand in
Hand mit einer Überwindung des Kapitalismus gehen. Das würde auch dazu führen,
dass Frauen sich gleichermaßen wie Männer auf ihre berufliche Laufbahn
fokussieren können. Dafür brauchen wir eine sozialistische, proletarische
Frauenbewegung als Teil einer antikapitalistischen Bewegung.

Notruf

Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ (Rund um die Uhr, anonym, in 18 Sprachen): 08000 116 016

Hilfetelefon „Sexueller Missbrauch“ (montags, mittwochs und
freitags von 9 bis 14 Uhr sowie dienstags und donnerstags von 15 bis 20 Uhr): 0800
22 55 530




Schlüsselforderungen zu Corona-Gefahr – Die ArbeiterInnenklasse braucht ihr eigenes Aktionsprogramm

Gruppe ArbeiterInnenmacht, Infomail 1096, 20. März 2020

Die Virus-Infektion hat
sich zu einer Pandemie entwickelt. Die Zahl der Infizierten steigt weltweit –
und sie wird das auch weiter tun. Praktisch alle Regierungen der Welt –
einschließlich fast aller, die noch vor kurzem die Gefahr verharmlosten oder
bestritten – haben sich zu drastischen Maßnahmen entschlossen.

Die Eindämmung der
Krankheit, flächendeckende medizinische Versorgung der Bevölkerung, Sicherung
der Grundbedürfnisse und die schnellstmögliche Entwicklung eines Impfstoffes
stellen zentrale gesellschaftliche Ziele dar. Sie entsprechen dem Bedürfnis von
Milliarden.

Kein Vertrauen in die
bürgerlichen Regierungen!

Die Erfahrung – nicht
zuletzt jene der vergangenen Monate – verdeutlicht jedoch, dass diese Aufgabe
weder den bürgerlichen Regierungen noch den KapitalistInnen überlassen werden
darf.

Manche Regierungen haben
die Gefahr unterschätzt, manche haben die Öffentlichkeit über die Sachlage
getäuscht, mittlerweile haben alle zu Maßnahmen gegriffen, die den einzelnen
Menschen die Verantwortung überlassen und die Lasten aufhalsen, während sie
immer versucht haben, die „Wirtschaft“, also die KapitalistInnen und die
besitzenden Klassen des jeweiligen Landes zu schützen und ihnen zu helfen.
Selbst wo sie die Pandemie einzudämmen versuchen, bewegen sich ihre Maßnahmen
im Widerspruch zwischen den Interessen der Bevölkerung nach wirksamem Schutz
ihrer Gesundheit und den Verwertungsinteressen des Kapitals.

Zu den nun in vielen
Ländern durchgesetzten Maßnahmen gehören die Schließungen von Schulen und
Geschäften, aber auch die Einschränkung der Reisefreiheit, Abriegelung der
Grenzen, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit.

Zugleich werden grundlegende
demokratische und gewerkschaftliche Rechte der Massen beschnitten und
ausgesetzt. Ein Aussetzen von Urlaubsreisen und die Streichung von Flügen in
die Tourismusgebiete stellt in der aktuellen Situation sicher eine vernünftige
Maßnahme dar. Anders verhält es sich mit der Abschottung der staatlichen
Außengrenzen, die vor allem Geflüchtete und MigrantInnen trifft, also besonders
unterdrückte und ausgebeutete Schichten der ArbeiterInnenklasse. Die
Regierungen nutzen die berechtigte Angst der Bevölkerung, um diese Maßnahmen zu
legitimieren. Sie überlassen Millionen einer besonders gefährlichen Situation
in Geflüchtetenlagern und Sammelunterkünften, deren auch ohne Corona-Gefahr
menschenunwürdiger und barbarischer Charakter noch auf die Spitze getrieben
wird.

Zugleich wird für alle
deutlich, dass die neo-liberale Austeritätspolitik der letzten Jahrzehnte, die
Ausdünnung des Gesundheitswesens, dessen Privatisierungen, die Zerschlagung
sozialer Sicherungssysteme das Virus weitaus gefährlicher machen. Selbst in den
reichsten imperialistischen Staaten droht der „Kollaps“ eines chronisch
unterversorgten, gemäß den Profitinteressen zugerichteten Gesundheitssystems.

Während
Freizeiteinrichtungen wie Bibliotheken, Bäder, Bars, Restaurants, Kinos
geschlossen und Veranstaltungen untersagt werden, soll die Produktion der
privaten Unternehmen möglichst weiterlaufen. Die Beschäftigen sollen allenfalls
im „Home-Office“ improvisieren. Wo dies nicht möglich ist, sollen
„systemrelevante“ Unternehmen weiterlaufen, andere möglichst rasch wieder die
Produktion aufnehmen.

So versuchten große
Autokonzerne wie Daimler-Benz und Fiat, Möbelhäuser wie Ikea,
Transportunternehmen und viele andere, selbst in den Risikogebieten
Norditaliens oder Spaniens, in Frankreich wie Deutschland lange die
Profitmaschine am Laufen zu halten – mit der willfährigen Unterstützung der
Regierungen und der EU. Es war nicht die Einsicht der ManagerInnen und
KapitaleignerInnen, die vielerorts den Stopp der Anlagen erzwang, sondern das
Aussetzen globaler Lieferketten und spontane Streiks von ArbeiterInnen wie in
Italien oder Spanien. Ähnlich agieren auch die Regierungen außerhalb Europas –
schließlich soll das Kapital angesichts einer beginnenden globalen Rezession
und dramatischer Einbrüche an den Börsen keine „zusätzlichen“ Einbußen
erleiden.

Profit oder Gesundheit

Wieder einmal wird
deutlich, dass im Kapitalismus nur die Profitinteressen „systemrelevant“ sind –
dazu setzen die Unternehmen die Gesundheit ihrer Beschäftigten bewusst aufs
Spiel. Diese Politik verdeutlicht, welchen Klasseninteressen die Regierungen
und Staatsapparate dienen – und stellt so zugleich ein Hindernis für die
Bekämpfung der Pandemie und die Gesundheit der Bevölkerung dar.

Pandemien oder Seuchen
erfordern natürlich in jeder Gesellschaft – nicht nur in einer kapitalistischen
– Zwangsmaßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung von Erkrankungen, zumal wenn
noch keine Impfstoffe gefunden sind. Daher stellt die Einschränkung des
sozialen Kontakts zwischen den Menschen oder die Schließung von zur Versorgung
der Bevölkerung nicht notwendigen Läden, kulturellen oder Freizeiteinrichtungen
einen durchaus sinnvollen Schritt dar.

Keine Einschränkung demokratischer Rechte!

Zugleich darf jedoch die
Einschränkung demokratischer und gewerkschaftlicher Rechte nicht einfach
hingenommen werden. Im Gegenteil. Wenn die ArbeiterInnenklasse, wenn die
Unterdrückten verhindern wollen, dass die Pandemie und die mit ihr
einhergehende und sich verschärfende Krise des Kapitalismus nicht auf ihre
Kosten „gelöst“ werden, brauchen sie Organisation, Kommunikation, politische
Diskussion und Gegenwehr – und vor allem ein Aktionsprogramm zur Mobilisierung.
Dieses Programm muss  entschlossene
Maßnahmen zum Kampf gegen die Pandemie enthalten, einschließlich von
Forderungen an den Staat, was z. B. die Ressourcen für medizinische Versorgung
betrifft.  Es muss zugleich und vor
allem auch ein Programm zur Mobilisierung der ArbeiterInnenklasse und von allen
nicht-ausbeutenden Schichten der Bevölkerung sein, um Maßnahmen durchzusetzen,
die dem privat-kapitalistischen Verwertungsinteresse zuwiderlaufen, und Organe
der ArbeiterInnenkontrolle zu etablieren.

Bei allen konkreten
Unterschieden zwischen den Ländern müssen die Organisationen der
ArbeiterInnenklasse, allen voran die Gewerkschaften, für folgende Maßnahmen
eintreten:

  • Kostenlose Gesundheitsversorgung für alle – von Tests bis zur Unterbringung in Krankenhäusern und Intensivmedizin. Die Kosten dafür müssen aus der Besteuerung der Gewinne und großen Vermögen bestritten werden.
  • Ausbau des Gesundheitswesens, Ankurbelung der Produktion von Mitteln zur Bekämpfung der Pandemie (Test-Kits, Desinfektionsmittel, Atemschutz, …), sachliche Information der Bevölkerung, Einstellung von medizinischem Personal und HelferInnen, unter Kontrolle der Gewerkschaften und der Beschäftigten. Massiver Ausbau der Intensivmedizin.
  • Aufhebung des Geschäftsgeheimnisses und Offenlegung aller Forschungsergebnisse staatlicher wie privater Institute. Internationale Koordinierung der Anstrengung zur Entwicklung eines Impfstoffes, der allen Menschen kostenlos zur Verfügung steht.
  • Koordination aller Forschungen und Entwicklungsbemühungen statt Wettbewerb um den schnellsten Profit: In rund dreißig Jahren Forschung zu HIV haben wir gesehen, dass einerseits jede Firma versucht, ihre Forschung und Entwicklung geheim zu halten, deshalb wurde viel (auch öffentliches) Geld in parallele Forschung gesteckt und wurde dann jedes mögliche Präparat mit höchstem Profit zu verkaufen versucht. Deshalb muss die Forschung und Entwicklung von Impfstoffen der Kontrolle von Privatfirmen, einzelner Länder oder Blöcke entrissen werden. Alle Untersuchungen und Ergebnisse müssen öffentlich im Netz verfügbar sein. Eine internationale Kommission gewählt aus SpezialistInnen soll die Entscheidungen, welche Teams in welche Entwicklung forschen, koordinieren.
  • Entschädigungslose (Wieder-)Verstaatlichung der privatisierten Teile des Gesundheitswesens, der pharmazeutischen und medizintechnischen Industrie, um die Ressourcen zu bündeln und unter Kontrolle der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften zu stellen.
  • Einstellung aller Arbeiten und Tätigkeiten, die zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung der Bevölkerung nicht nötig sind. Ausgenommen davon wären u. a.  Arbeit im Gesundheitswesen, Transport, Feuerwehr, Lebensmittelproduktion, medizinische Forschung, Kommunikation. Welche Tätigkeiten für die Menschen systemrelevant sind, welche weiter betrieben werden und welche nicht, muss von der arbeitenden Bevölkerung, nicht von den KapitalbesitzerInnen und ihren Regierungen entscheiden werden.
  • Volle Bezüge für alle Beschäftigten, die nicht zur Arbeit gehen. Extrazahlungen für alle im Gesundheitswesen und anderen Bereichen, die unter Einsatz ihrer Gesundheit weiter arbeiten müssen. Sollten sich Unternehmen weigern, diesen Maßnahmen Folge zu leisten, sollten sie ohne Entschädigung enteignet werden. Schnelle Einarbeitungen in den wirklich relevanten Berufssektoren wie dem Krankenhaus- und Versorgungswesen.
  • Keine Aussetzung der Rechte von Beschäftigten durch Erlasse und Selbstermächtigung von Unternehmen durch Anordnung von Mehrarbeit, Home-Office, Samstag- oder Sonntagsarbeit, Versetzungen etc. Statt die schwachen Rechte der Arbeitenden jetzt noch zu übergehen, ist es im Gegenteil nötig ,Kontrollausschüsse in den Unternehmen und übergreifend zu bilden, die alle Maßnahmen der Behörden und der Unternehmen kontrollieren und gegebenenfalls untersagen!
  • Aussetzen aller Miet- und Kreditzahlungen für die arbeitende Bevölkerung sowie für kleine Geschäfte, Läden, Restaurants, die zur Zeit schließen müssen; Enteignung der großen Immobilienkonzerne wie Deutsche Wohnen, Vonovia und Co. Sofortige Enteignung von leerstehendem Wohnraum, um Bedürftigen wie Geflüchteten und Obdachlosen zur Verfügung zu stellen.
  • Keine Abschottung der Grenzen; keine Aufhebung des Asylrechts, sondern offene Grenzen für Geflüchtete, Abschaffung des Lagersystems, Stopp aller Abschiebungen und Entlassung aller Abschiebegefangenen. Flüchtlinge sollen wie alle anderen Einreisenden medizinisch getestet und, im Fall einer Infektion, medizinisch und sozial versorgt werden. Streichung der Schulden der halb-kolonialen Länder, massive Unterstützung zum Aufbau von medizinischen Einrichtungen in diesen, bezahlt aus den Extraprofiten der imperialistischen Konzerne und Staaten.

Gegen die Pandemie und
für die dazu notwendigen Maßnahmen nimmt der Kampf um ArbeiterInnenkontrolle
eine Schlüsselrolle ein. Gewerkschaften, Vertrauensleute, Betriebsräte müssen
dabei eine aktive Rolle spielen. Auch die reformistischen Parteien, SPD und
Linkspartei, ordnen sich im Austausch für Maßnahmen der sozialen Abfederung den
Vorschlägen von Merkel und Co. unter – einschließlich der Einschränkung
demokratischer Rechte (bis zu einer möglichen Ausgangssperre).

Klassenkampf statt Sozialpartnerschaft!

Die Politik der
„Sozialpartnerschaft“ und Klassenzusammenarbeit erweist sich dabei wieder
einmal als Hindernis. Während DGB-Chef Hoffmann mit Unternehmerverbänden und
Regierung den nationalen Schulterschluss übt, werden Millionen Lohnabhängige,
vor allem alle Unorganisierten, Arbeitslosen oder prekär Beschäftigten in die
Rolle rein passiver ZuschauerInnen gedrängt, die entweder weiter arbeiten
müssen oder vor dem Bildschirm die Ereignisse verfolgen.

Dabei bieten die modernen
Medien selbst Möglichkeiten, die Isolation der Menschen zumindest teilweise zu
durchbrechen. Beschäftigte und GewerkschafterInnen, politische Kampagnen und
Initiativen können sich auch über diese Medien vernetzen, Audio- und
Video-Konferenzen durchführen. Menschen, die arbeiten (müssen), können sich
auch betrieblich koordinieren unter Berücksichtigung einfacher
Sicherheitshinweise.

Das Streik-,
Versammlungs- und Demonstrationsrecht muss daher verteidigt werden. Gegen
Maßnahmen, die die Kosten der Krise auf die ArbeiterInnen abwälzen, die
rassistisch Unterdrückte diskriminieren oder aussperren, brauchen wir auch alle
Mittel, um kämpfen zu können. Wenn wir sicherstellen wollen, dass Millionen
keinen Lohn- und Einkommensverlust erleiden, dann werden wir kämpfen müssen –
weder Regierung noch Kapital oder SozialpartnerInnen werden uns Geschenke
machen. Wir brauchen also mehr Organisiertheit, um unsere Interessen zu
verteidigen. Wir benötigen Kampforgane wie Aktionskomitees und Organe der
ArbeiterInnenkontrolle, die demokratisch legitimiert und ihrer Basis
verantwortlich sind.

Gerade weil Kapital und
Regierung auch die Lasten – und damit auch Risiken – der Pandemie der Masse
aufbürden wollen und werden, darf jene nicht leichtfertig die flächendeckende
Einschränkung demokratischer Rechte hinnehmen. Sie muss vielmehr diese mühsam
erkämpften Errungenschaften nutzen, um ein wirksames Programm zur Bekämpfung
der Pandemie durchzusetzen. Der Kampf um unsere Gesundheit und gegen die sich
ausbreitende Wirtschaftskrise sind aufs Engste miteinander verbunden. Um ihn
erfolgreich zu führen, reicht es nicht, sich auf unmittelbare Maßnahmen zur
Bekämpfung der Krankheit zu beschränken – wir müssen auch die
gesellschaftlichen Ursachen ins Visier nehmen, die das Virus erst so gefährlich
machen. Dass der Kampf gegen die Krankheit entschlossene Maßnahmen gegen die
Profitmacherei und die Marktwirtschaft erfordert, ist kein Zufall. Dieser
Umstand verdeutlicht vielmehr, dass der Kapitalismus selbst zu einer
Todesgefahr für die Menschheit geworden ist.