Fridays for Future: Welche Strategie führt zum Sieg?

Jan Hektik, Neue Internationale 238, Juni 2019

Seit Fridays for Future (FFF) hunderttausende Jugendliche
weltweit auf die Straße bringt, ist der Klimawandel ein Thema, das überall und
vermehrt diskutiert wird. Am 24. Mai gingen allein in Deutschland wieder über
300.000 SchülerInnen und erwachsene UnterstützerInnen auf die Straße. Weltweit
sollen sich 1,8 Millionen Menschen beteiligt haben. Für den 21. Juni plant die
Bewegung eine europaweite Massendemonstration in Aachen samt Unterstützung der
Aktionen von „Ende Gelände”. Am 20. September soll ein weiterer Klimastreik
samt Aktionswoche folgen, die mit einem weltweiten Generalstreik (Earth Strike)
am 27. September abgeschlossen werden soll.

Alle seriösen wissenschaftlichen Erkenntnisse belegen, dass
sich etwas ändern muss und zwar grundsätzlich und sehr schnell! Doch es ist
auch klar, dass die etablierten Parteien – insbesondere CDU, SPD, FDP und AfD –
dies weder durchsetzen wollen noch werden. Dass zumindest der Jugend dies klar
ist, zeigt alleine die explodierende Bekanntheit des Videos von Rezo, welches
beim Verfassen dieses Artikels 11 Millionen Views hatte. Folgerichtig
mobilisiert FFF auch weiter auf der Straße und an den Schulen. Hierbei sind vor
allem drei Aspekte maßgeblich für den Erfolg der Bewegung.

Aktionen auf der Straße

FFF mobilisiert die SchülerInnen aus den Klassenräumen auf
die Straße und trägt den Protest sichtbar an die Öffentlichkeit. Die
Jugendlichen bauen Druck auf, vernetzen sich und versuchen, die Bewegung zu
verstetigen. Vor unseren Augen entsteht eine fortschrittliche neue
Massenbewegung, die sich einer zentralen Überlebensfrage der Menschheit annimmt
und die das Potential hat, zu einer dauerhaften, langfristig kämpfenden Bewgung
zu werden. All dies verdeutlicht ihre Bedeutung.

Auch die Wahl des Mittels zeugt von einem richtigen
Verständnis, wie man politische Veränderungen erkämpfen kann. Das Mittel des
Streiks ist seit jeher die Waffe der Lohnabhängigen, der Ausgebeuteten, der
Unterprivilegierten gegen Staat und Kapital, um wirklichen und
gesellschaftlichen Druck aufzubauen. Leider richtet dieser, solange er nur
durch SchülerInnen praktiziert wird, keinen wirtschaftlichen Schaden an.
Solange „nur“ SchülerInnen streiken, stehen eben nicht alle Räder still.
Deshalb geht es darum, auch die Lohnabhängigen und die Gewerkschaften für die
Bewegung zu gewinnen – und zwar nicht nur als sympathisierende
UnterstützerInnen, sondern als eine zentrale Kraft der Bewegung. Der Streik an
der Schule muss zum Streik im Betrieb werden. Schon heute sind auch Tendenzen
der Solidarität zu erkennen, z. B. hat die GEW dazu aufgefordert, den Streik
der SchülerInnen solidarisch zu unterstützen. Entscheidend wird jedoch sein,
dass sie selbst auch zum Arbeitskampf aufruft. Die gewerkschaftliche Mobilisierung,
betriebliche Aktionen und Streiks beim globalen Klimastreik wären dazu ein
wichtiger Schritt. Die DGB-Gewerkschaften sollten ihre Mitglieder zu einem
Massenstreik an diesem Tag auf die Straße und vor die Betriebe mobilisieren!

Fokussierung auf die Jugend als Handelnde

Es ist auch besonders bedeutsam, dass es gerade die Jugend
ist, die sich gemeinsam erhebt und ihren Protest auf die Straße trägt. Dies ist
natürlich auch einleuchtend angesichts der Tatsache, dass sie die Folgen der
Politik der „Alten“ – genauer der Regierungen und PolitikerInnen, die die
Interessen des Kapitals vertreten -, ausbaden müssen. FFF legt dabei auch den
Grundstein für das Entstehen einer neuen, massenhaften Jugendbewegung, die sich
nicht nur der ökologischen Frage, sondern auch des gesamten Kampfes gegen
Ausbeutung und Unterdrückung, gegen Rassismus, Sexismus und Imperialismus
annehmen kann und sollte.

International

Die streikenden SchülerInnen haben die Notwendigkeit eines
internationalen Kampfes erkannt. FFF war von Beginn an eine globale Bewegung,
um ein globales Problem anzupacken. Und das ist gut so. Schließlich hält sich
der CO2-Ausstoß auch nicht an Landesgrenzen. Folglich ist es auch besonders
essentiell, internationale Proteste zu verbinden. Es wäre beispielsweise sinnvoll,
eine internationale Aktionskonferenz einzuberufen, um die Proteste inhaltlich
und aktionistisch miteinander zu verbinden und Strukturen zu schaffen, welche
eine Koodination des Protestes ermöglichen. Die Mobilisierung nach Aachen
stellt einen bedeutenden Schritt dar, die AktivistInnen aus verschiedenen
Ländern nicht nur in einer Aktion zu verbinden, sondern auch direkte Netzwerke
aufzubauen und in Aachen selbst über die Form und Notwendigkeit einer solchen
demokratischen Koordinierung zu diskutieren.

Doch die Bewegung hat auch einige Schwächen, die genau wie
ihre Stärken richtig erkannt und angegangen werden sollten und die es zu
überwinden gilt.

Pariser Abkommen

Zunächst ist hier ihre Orientierung am Pariser Abkommen zu
nennen. Sich Klimaziele zu setzen, ist zwar gut und richtig, aber absolut nicht
ausreichend. Weder wird erwähnt, wie und durch wen die Ziele erreicht werden
sollen. So bleiben sie – selbst wenn Länder wie die USA nicht ausgetreten wären
– letztlich unverbindliche Absichtserklärungen, die ihre Grenze an den
Profitinteressen des Kapitals finden. Angesichts der zunehmenden
internationalen Konkurrenz und eines erbitterten Kampfes um die Neuaufteilung
der Welt wollen natürlich alle bürgerlichen Regierungen dafür sorgen, dass
Klimaschutz nicht auf die eigenen Kosten geht. Die Entwicklung der letzten
Jahre bedeutet, dass die reichen, imperialistischen Länder denen des Südens die
Kosten für den Klimaschutz aufhalsen wollen. Solange die Profitinteressen die
Wirtschaft bestimmen, kann daher von einer nachhaltigen oder wirksamen
„Umweltpolitik” keine Rede sein.

Die Bewahrung und Regeneration der natürlichen
Lebensgrundlagen der Menschheit, die Rettung einer lebenswerten Umwelt stößt im
Kapitalismus an Systemgrenzen. Um 
wirksame, globale Maßnahmen durchzusetzen, müssen die Konzerne und die
großen VermögensbesitzerInnen enteignet und die Wirtschaft gemäß den Interessen
der arbeitenden Menschen und den Erfordernissen ökogischer Nachhaltigkeit
umgestaltet werden. Die Reichen müssen für die Rettung der Umwelt bezahlen, das
kapitalistische System muss beseitigt und durch eine demokratische,
sozialistische Planwirtschaft ersetzt werden.

Die Grünen

FFF scheint große Illusionen in die Grünen zu hegen. Wenn
wir uns den Zusammenhang von Kapitalismus und Umweltzerstörung vor Augen
halten, wird auch schnell klar, warum das problematisch ist. Mit den Grünen ist
keine Politik gegen die Konzerne möglich. Sie wollen die Quadratur des Kreises
und versprechen einen „Green New Deal“, der den Kapitalismus „zügeln“ und
ökologisch umgestalten soll. Doch das ist eine Illusion, ein leeres
Versprechen, wie die Grünen selbst beweisen, wenn sie an der Regierung sind.
Die Landesregierung in Baden-Württemberg sucht den Schulterschluss mit den
Automobilkonzernen, setzt auf private Elektroautos statt auf öffentlichen
Verkehr – und erfreut sich der Beliebheit der Konzernchefs. In
Nordrhein-Westfalen haben die Grünen an der Landesregierung der Rodung des
Hambacher Forstes zugestimmt – und tun jetzt so, also hätten sie damit nichts zu
tun. Und in der Kohlekommission haben sie einen faulen Kompromiss akzeptiert,
der vor allem die Kohle der Kohlekonzerne vergoldet. Die Grünen haben – wie
manche NGOs – auch immer wieder bewiesen, dass sie die Interessen des Kapitals
über ihre Grundsätze stellen, sofern jene diesen zuwiderlaufen.

Genau deshalb ist es auch problematisch, dass viele führende
Mitglieder von FFF bei den Grünen oder NGOs organisiert sind und faktisch die
Kontrolle über alle wichtigen Entscheidungen ausüben. Damit untergraben sie
nicht nur die Demokratie von FFF, sondern lenken auch die Bewegung in eine für
das Kapital ungefährliche Richtung. Damit verunmöglichen sie, sofern sie
erfolgreich bleiben, die Erreichung der Ziele, die sich FFF gesetzt hat. Dieser
Bewegung zu helfen, sich von der politischen Dominanz der bürgerlichen und
kleinbürgerlichen Kräfte zu befreien, ist Aufgabe revolutionärer Kräfte. Daher
braucht es eine offene politische Diskussion über die verschiedenen Programme,
Strategien, Taktiken – und vor allem über die Notwendigkeit, die Bewegung gegen
den Verursacher der Misere zu richten – den Kapitalismus.

Welche Klasse?

Große, ja entscheidende Teile des Kapitals haben kein
Interesse an einem wirksamen Umweltschutz, da er ihre Geschäftsinteressen
unmittelbar bedrohen würde. Die großen Öl-, Gas, und Bergbau-Konzerne, die
Energiewirtschaft und die meisten großen Monopole setzen nach wie vor auf
fossile Energieträger, weil sie fette Gewinne versprechen. Auch die Kapitale,
die auf erneuerbare Energien bauen, sind in erster Linie am Profit und nicht an
der Umwelt oder an Nachhaltigkeit interessiert. Schließlich führt das
marktwirtschaftliche System der Umweltpolitik nicht nur zu aberwitziger
Konzeptlosigkeit, sondern geradezu zu Verschwendung und zugleich dazu, dass
gerade jene Länder und Bevölkerungsschichten, die am meisten von Klimawandel
und anderen globalen Umweltproblemen (Wasserknappheit, Umweltverschmutzung,
Müll, …) betroffen sind, über die geringsten Mittel verfügen, um etwas gegen
die Probleme zu tun.

Dies liegt in der Natur des Kapitalismus, welcher durch
seine Konkurrenz nur Profitstreben ermöglicht. Auch die kleinbürgerlichen
Kräfte haben ein Interesse daran, die Last, die durch den Klimaschutz entstehen
könnte, für die Masse der Lohnabhängigen und BäuerInnen möglichst gering zu
halten.

Eigentumsfrage

Die einzige Kraft, die ein langfristiges, grundlegendes
objektives Interesse am Klimaschutz hat, ist die ArbeiterInnenklasse, weil sie
selber von Marktwirtschaft und Privateigentum an Produktionsmitteln ausgebeutet
wird. Sie profitiert nicht von der Zerstörung der Umwelt, sondern leidet im
Gegenteil sogar unter steigenden Preisen für Lebensmittel, Trinkwasser und
sonstige knapp werdende Ressourcen. Sobald saubere Luft beispielsweise immer
rarer wird, werden sich nur die reichsten Menschen die entsprechenden Filter
oder Ähnliches leisten können. Umgekehrt stellen die Lohnabhängigen – im
Bündnis mit den Ausgebeuteten auf dem Dorf – jene gesellschaftliche Kraft dar,
die über das Wissen und die Kompetenz verfügt, die Produktion auf globaler
Ebene sowohl im Interesse der ProduzentInnen wie im Sinne ökologischer
Nachhaltigkeit zu reorganisieren.

Nur die ArbeiterInnenklasse ist in der Lage, einen
weltweiten Plan zur Reorganisierung der Produktion mit Blick auf die Umwelt zu
ermöglichen, während die nationalen Kapitale und ihre Staaten in Konkurrenz
zueinander stehen und immer darauf bedacht sein werden, bloß nicht mehr für den
Klimaschutz zu zahlen als die Kapitalistenklassen der anderen Nationen. Ein
solcher Plan ist aber absolut notwendig. Keine noch so tolle Subventionspolitik
kann die Produktionsweise radikal genug umstellen, um die Bedürfnisse der
Weltbevölkerung zu erfüllen und gleichzeitig eine weitere Zerstörung der Umwelt
zu verhindern. Zudem kann sie erst recht nicht die entstandenen Umweltschäden
beseitigen.

Hierfür ist es absolut notwendig, die Produktionsmittel der
Konzerne entschädigungslos zu enteignen und unter die Verwaltung der
ArbeiterInnenklasse zu stellen. Diese Planung darf nicht wie in den
stalinistischen Staaten von einer Bürokratie bestimmt werden, welche ihre
eigenen Interessen im Kopf hat, sondern muss demokratisch beschlossen und
umgesetzt werden. Nur so können die Interessen der überwiegenden Mehrheit der
Weltbevölkerung zum Maßstab allen Wirtschaftens geraten.




Gewerkschaftslinke: Strategiekonferenz 2020 und ihre Aufgaben

Leo Drais, Neue Internationale 238, Juni 2019

Am 18. Mai 2019 trafen sich in Frankfurt am Main AktivistInnen aus dem Bereich der Gewerkschaftslinken, um eine Strategiekonferenz für kämpferische Gewerkschaften im kommenden Jahr vorzubereiten (vernetzung.home.blog). In der Diskussion waren sich fast alle politischen Kräfte einig, dass die Konferenzen der Rosa-Luxemburg-Stiftung eigentlich nur Austauschforen darstellen. Die zur Koordinierung einer klassenkämpferischen Gewerkschaftspolitik notwendige strategische Diskussion findet dort ebenso wenig statt wie eine Beschlussfassung zur verbindlichen gemeinsamen Aktion – ein Resultat der Dominanz des linken Gewerkschaftsapparates, der diese Versammlungen auf unverbindlichen Austausch beschränken will. Daher beschloss die Gewerkschaftslinke, eine eigene Strategiekonferenz, vermutlich im Januar oder Februar 2020, durchzuführen.

Die Lage

Eine Strategiekonferenz muss die gegenwärtige Lage der
Gewerkschaften bewerten. Derzeit stehen wir vor einer neuen Verschärfung der
seit 2008 weltweit allgegenwärtigen Krise. Nach einem kurzen Aufschwung der
letzten Jahre werden zur Zeit die Wachstumsprognosen nach unten revidiert, für
Deutschland „halbiert“ (0,8 %). Bürgerliche PolitikerInnen und ÖkonomInnen
erwarten ein Ende der Konjunktur. Globale Konfliktherde nehmen zu: drohender
Brexit, Staatsschuldenkrise in Italien, Handelskonflikte – vor allem zwischen
USA und China – sind nur einige der Punkte.

Treibende und zugleich verschärfende Kraft hinter diesen
Entwicklungen ist die zugespitzte Konkurrenz zwischen den kapitalistischen
Mächten und der daraus resultierende Kampf um die Neuaufteilung der Welt.
Während die Herrschenden in den imperialistischen Zentren 2008 und in den
folgenden Jahren noch zu einem koordinierten Vorgehen gegen die Auswirkungen
der Krise fähig waren – vor allem durch Auslagern der Krisenfolgen in
Halbkolonien sowie durch eine Politik der Bankenrettung und des billigen Geldes
-, sind die Möglichkeiten beim nächsten Einbruch der Konjunktur deutlich
beschränkter. Erstens haben die Maßnahmen zur Rettung der großen Unternehmen
selbst dazu geführt, dass nicht so viel Kapital vernichtet wurde, wie zu einer
neuen nachhaltigen Expansion nötig wäre. Im Gegenteil: Die strukturellen
ökonomischen Probleme – Überakkumulation von Kapital, Verschuldung, neue
spekulative Blasen – sind größer geworden. Zugleich schwindet auch die
Möglichkeit und Bereitschaft der herrschenden Klassen, zu einem koordinierten
Vorgehen – stattdessen haben die Tendenzen zu Blockbildung und Unilateralismus
zugenommen. Die Kosten der Krise sollen auf die KonkurrentInnen abgeladen
werden, die um die Vormachtstellung kämpfen.

Vor diesem Hintergrund sind auch härtere Angriffe auf die
Kernsektoren der ArbeiterInnenklasse zu erwarten, auf die sich heute die IG
Metall, IG BCE usw. im Wesentlichen stützen.

Die Konzerne sind sich dieser verschärften Konkurrenz und
der drohenden Krise bewusst. In der Automobilbranche – einem, wenn nicht dem
zentralen Sektor der deutschen Industrie – werden bereits jetzt große
„Sparprogramme“ aufgelegt. So sollen bei VW 7.000, bei Daimler 10.000, bei
Ford-Deutschland 5.000 Jobs vernichtet werden. Trotz dieser klaren Kampfansage
schüren die GewerkschaftsführerInnen weiter die Illusion, all dies ließe sich wie
eh und je sozialpartnerschaftlich lösen.

Dabei mussten wir schon in der Vergangenheit die fatalen
Auswirkungen dieser Politik erleben. Sie schlägt sich nach den mitgetragenen
Generalangriffen der letzten Jahrzehnte (Ausverkauf der DDR, Agenda 2010) in den
Mitgliederzahlen nieder. 2017 wurde die 6-Milllionenmarke im DGB
unterschritten. Der Klassenfrieden, die Konzentration auf rein ökonomische
Aufgaben (Lohn, Arbeitszeit,..) und die Standortlogik stellen einen
wesentlichen Grund für die Rechtsentwicklung auch von Teilen der Mitgliedschaft
dar.

So fordert der Vorsitzende des VW-Gesamt- und
Konzernbetriebsrats Osterloh: „(…) wir wollen auch deutlich mehr Zusagen für
Zukunftsarbeitsplätze. Und diese Zukunftsarbeitsplätze entstehen nicht irgendwo
in der Welt, sondern in der VW-Heimat.“ Der Konzernbetriebsrat gibt sich hier
kämpferisch – doch nur für die Belegschaft an „seinem“ Standort. Die
VW-Beschäftigten in anderen Länden spielen bei dieser Art standortbornierter
Politik allenfalls am Rande eine Rolle.

Sie spielt dabei unwillkürlich RassistInnen und
RechtspopulistInnen in die Hände, die sich noch als die Anwälte „deutscher
Arbeitsplätze“ präsentieren – und damit Erfolge einfahren. 15 % der
DGB-Mitglieder wählten 2017 die AfD – ein Kampf dagegen oder auch nur eine
Diskussion über die Ursachen findet so gut wie nicht statt. Eine Aufnahme von
Geflüchteten in die Gewerkschaften erfolgt zumeist nur, wenn diese bereits in
ein Arbeitsverhältnis eingetreten sind. Ein Abschiebestopp wurde letztes Jahr
diskutiert – aber bloß für berufstätige Geflüchtete, ganz im Einklang mit der
Industrie.

Eine Frage der Kontrolle

Angesichts dieser Ausgangslage ist die Initiative zur
Strategiekonferenz der Gewerkschaftslinken wichtig und richtig. Ein erstes
Vorbereitungstreffen fand Mitte Mai 2019 statt. Aus unserer Sicht sollte eine
Strategiekonferenz der Startpunkt für den Aufbau einer klassenkämpferischen
Basisopposition in den Gewerkschaften sein. Das bedeutet einerseits, dass
Arbeitskampfmaßnahmen demokratischer und kämpferischer gestaltet werden.

Es muss darum gehen, die Kontrolle über die Kämpfe in die
Hände der Belegschaften selbst zu legen. Jeder Arbeitskampf, bei dem sich die
ArbeiterInnen selbst dazu ermächtigen, zu entscheiden, wie und für was sie
kämpfen wollen, wird jedoch unweigerlich einen Konflikt mit der
Gewerkschaftsbürokratie hervorrufen – auch mit deren linkem Flügel.

Die GewerkschaftsführerInnen und FunktionärInnen, der
gesamte bürokratische Apparat, sind nicht nur ideologisch auf
Klassenzusammenarbeit getrimmt. Die Politik der Sozialpartnerschaft entspricht
der Vermittlerrolle, die die Bürokratie im Kampf zwischen Kapital und Arbeit
einnimmt – eine Vermittlerrolle, die ihrerseits über Jahrzehnte
institutionalisiert wurde und mit einer engen Bindung der Bürokratie an Unternehmen
und Staat einhergeht.

Die opportunistische Haltung zu den Arbeit„geber“Innen
stellt daher keinen politischen Ausrutscher dar, sondern bildet vielmehr das
Lebenselixier dieser Funktionärsschicht, selbst wenn sie gelegentlich gezwungen
sein kann, linker und kämpferischer aufzutreten, als ihr lieb ist. Darüber
hinaus ist die heutige Struktur der Gewerkschaften hierarchisch
durchorganisiert und auch kämpferische FunktionärInnen können dadurch
Repressionen von höheren Instanzen ausgesetzt werden. Genau deshalb geht es
nicht bloß um eine andere Politik der Gewerkschaften – es geht um ihre
grundsätzliche Reorganisation auf klassenkämpferischer, antibürokratischer
Basis.

Eckpunkte dessen sind:

  • Aufbau von Streikkomitees, die gegenüber den Vollversammlungen in den Betrieben verantwortlich, von diesen gewählt und jederzeit abwählbar sind! Diese Versammlungen müssen alle Beschäftigten einschließen, auch die gewerkschaftlich unorganisierten, um sie in den Kampf einzubeziehen und den Druck auf die Routine des Apparats zu erhöhen. Die Komitees müssen zentralisiert und zu einer schlagkräftigen Führung ausgebaut werden!
  • Streiks und Kämpfe müssen gegen StreikbrecherInnen, Polizei und ProvokateurInnen geschützt werden! Dazu sind demokratisch kontrollierte Streikposten zu Selbstverteidigung der ArbeiterInnen nötig!
  • Für das Recht aller politischen und sozialen Gruppierungen (mit Ausnahme faschistischer und offen gewerkschaftsfeindlicher), sich in den Gewerkschaften zu versammeln, zu artikulieren und Fraktionen zu bilden!
  • Für die Wählbarkeit und jederzeitige Abwählbarkeit der FunktionärInnen! Kein/e FunktionärIn darf mehr als ein durchschnittliches FacharbeiterInnengehalt verdienen!
  • Aufhebung aller Einschränkungen des Streikrechts, insbesondere des Rechts auf politischen Streik! Für klassenkämpferische Gewerkschaften, strukturiert nach Branchennähe, Streikfähigkeit und gemäß dem Prinzip „Ein Betrieb – eine Gewerkschaft“.

Ein Programm gegen die Krise

Entscheidend für den Erfolg der Strategiekonferenz und der
Gewerkschaftslinken wird sein, ob ihre Isolation innerhalb der
ArbeiterInnenbewegung durchbrochen werden kann. Dazu bedarf es aber auch der
Diskussion und Formulierung einer politischen Alternative zum Bürokratismus und
Reformismus des Apparates.

Der Kampf um eine Politisierung der Gewerkschaften ist dazu
unerlässlich. Die drohenden Angriffe werden nicht nur in Betrieben stattfinden.
Die Frage von explodierenden Mieten, Kampf um die Erhaltung unserer
Lebensgrundlagen, imperialistische Aufrüstung, Rassismus, Schuldendiktate und
Generalangriffe auf demokratische Rechte bedürfen politischer Antworten bis hin
zum politischen Streik.

Daher sollte auch eine Verbindung der gewerkschaftlichen
Kämpfe mit bestehenden Bewegungen wie „Fridays for Future“ oder „Deutsche Wohnen
und Co. enteignen“ gesucht werden. Dies wird nur möglich sein durch
programmatische Forderungen, die in die kommenden Auseinandersetzungen getragen
werden und um die sich kämpferische ArbeiterInnen sammeln können:

  • Wir zahlen nicht für eure Krise! Gegen die staatliche Rettung maroder Banken und Konzerne. Keine Subventionsprogramme zur Steigerung der Profite!
  • Streiks und Besetzungen gegen die kommenden Massenentlassungen! Anstelle einer sozialpartnerschaftlichen „Lösung“: entschädigungslose Enteignung der Schlüsselindustrien und der Banken unter ArbeiterInnenkontrolle!
  • Weg mit allen Hartz-Gesetzen sowie Leih- und Zeitarbeitsverhältnissen! Nein zu allen Privatisierungen! Demokratische Kontrolle der Arbeitslosenversicherung, des Sozial-, Gesundheits- und Bildungswesens durch die Beschäftigten! Die Gewerkschaften müssen auch für die kämpfen und die aufnehmen, die nicht im Produktionsprozess stehen.
  • Kampf für eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche in ganz Europa! Für einen europaweiten Mindestlohn und internationale Tarifverträge, um der Standortkonkurrenz entgegenzutreten!
  • Nein zu Rassismus, Sexismus, Militarismus, Umweltzerstörung! Offene Grenzen statt Festung Europa! Europaweiter und internationaler Klassenkampf statt Nationalismus!

Auf dem Vorbereitungstreffen wurde von verschiedenen Kräften
der Vorschlag eingebracht, eine Kampagne zur Arbeitszeitverkürzung auf 30
Stunden pro Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich zu starten –
angesichts der drohenden Massenentlassungen eine richtige und wichtige
Forderung, vor allem im Zusammenhang mit den zu erwartenden
Produktivitätssteigerungen durch die Digitalisierung. Die Forderung sollte aber
dahingehend erweitert werden, eine von ArbeiterInnen kontrollierte Aufteilung
der Arbeit auf alle, die in Europa leben, zu erreichen – so kann auch der
Spaltung der Lohnabhängigen entgegengetreten werden.

Um zu einem Attraktionspol für kämpferische
GewerkschafterInnen zu werden, reicht natürlich die Bewerbung einer
Strategiekonferenz nicht aus. Die Initiative muss vielmehr auch in den Kämpfen
und Mobilisierungen bekannt gemacht werden.

Vor allem aber geht es auch darum, dass die
Gewerkschaftslinke eine klassenkämpferische Antwort in den laufenden
Auseinandersetzungen und Aktionen – sei es gegen die drohenden
Massenentlassungen, sei es gegen den Pflegenotstand, sei es bei Fridays for
Future oder der zentralen Mobilisierung 
der IG Metall am 29. Juni – vertritt.




Sofortige Einstellung aller Strafen gegen streikende SchülerInnen!

Wilhelm Schulz, Neue Internationale 238, Juni 2019

Seit Monaten streiken
Freitag für Freitag in Deutschland und international SchülerInnen gegen die
Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlage – teilweise seit August 2018. In
der Öffentlichkeit stoßen sie auf viel Sympathie und Unterstützung.

Doch die Aktiven erfahren
zunehmend auch Widerstand, Hetze und Repression – an ihren Schulen. So ergeht
es zur Zeit 13 SchülerInnen der 9. und 10. Klasse des Berliner Lessing-Gymnasiums.
Ihnen droht die Nicht-Versetzung aufgrund ihrer Streikteilnahme, also ihres
Engagements für unsere Zukunft. Konkret: Um in einem Fach benotet zu werden,
müssen SchülerInnen pro Halbjahr entweder 6 Wochen am Stück oder 8 Wochen
insgesamt anwesend sein. Für manche Fächer, die nur einen Block pro Woche
haben, ist dies unvereinbar mit dem Streik, sofern sie freitags stattfinden.
Für die SchülerInnen ist dies teilweise Sport, Kunst, Musik oder Geographie.
Sollten sie auch in anderen Fächern schlecht stehen, so können sie sitzenbleiben.

Das wollen die
SchülerInnen nicht auf sich sitzen lassen. Denn als SchwänzerInnen lassen sie
sich nicht abstempeln. Es geht ihnen vielmehr um die Anerkennung des
politischen Streikrechts für SchülerInnen.

Das Lessing-Gymnasium ist
freilich kein Einzelfall. Daher muss Friday for Future politischen Druck
aufbauen und jede Bestrafung von SchülerInnen bekämpfen. Hierfür braucht es
auch Unterstützung durch die Gewerkschaften, um dem Berliner Senat und den
einzelnen Schulleitungen Paroli zu bieten. Teilweise passiert dies aktuell. So
solidarisiert sich die GEW Berlin mit den Streiks und fordert alle PädagogInnen
auf, keine Strafe walten zu lassen. Doch der Appell wirkt nur bei denen, die
einsichtig sind. Wir brauchen eine Ausweitung des Streiks, auch auf die
LehrerInnen sowie die ArbeiterInnenklasse als Ganzes – dies würde die Frage der
Durchsetzung von Strafen auf eine höhere Ebene stellen. Zugleich fordern wir
vom Berliner Senat und den „klimafreundlichen“ Fraktionen, auf die er sich stützt,
jede Repression und Drohung gegen SchülerInnen aufzuheben.

Um das Problem öffentlich
zu machen, haben die SchülerInnen am Donnerstag, dem 23. Mai, eine Kundgebung
vor ihrer Schule organisiert. An dieser nahmen knapp 60 SchülerInnen und
Unterstützende aus FFF und der kommunistischen Jugendorganisation REVOLUTION
teil. Vor Ort wurde ein offener Brief an die SchülerInnenvertretung
veröffentlicht. Dieser fordert sie auf, sich auf die Seite der SchülerInnen zu
stellen, jede Bestrafung zu bekämpfen und eine Vollversammlung durchzuführen.
Diesen Brief unterschrieben am ersten Tag schon knapp 70 Personen, weitere
folgten. Die Initiative zwang die Schulleitung dazu, auf die Kundgebung
zuzugehen und Rede und Antwort zu stehen. Doch das allein beendet die Repression
nicht. Es braucht eine Fortsetzung des Drucks, eine Öffentlichmachung des Falls
und eine Integration in den Kampf von FFF.

  • Gemeinsam können wir die Repression stoppen – wenn wir uns auf die Waffe der Solidarität besinnen!



Indien: Hindutva, das neue Gesicht der KapitalistInnenklasse

Shahzad Arshad, Neue Internationale 238, Juni 2019

Die
hindutva-chauvinistische Bharatiya Janata Party (Indische Volkspartei, BJP)
unter der Leitung von Narendra Modi, hat die Wahlen zum indischen Unterhaus Lok
Sabha (Volksversammlung, 1. Kammer) gewonnen. Ihr politisch-ideologisches
Konzept, Hindutva, zielt auf die Gestaltung Indiens nach hinduistischen Regeln,
praktisch handelt es sich um aggressiven Hindu-Nationalismus gepaart mit
Neo-Liberalismus.

Von den 900
Millionen Wahlberechtigten entschieden sich 67 Prozent dafür dieses
wahrzunehmen. Dies ist die höchste Beteiligung in der Geschichte Indiens. Die
BJP und ihre Verbündeten in der Nationaldemokratischen Allianz erhielten 342
Sitze, davon gingen 303 allein an die BJP, was die Partei in die Lage versetzt,
die Regierung ohne Koalitionspartner zu stellen. Dies ist erst das zweite Mal
seit 1971, dass eine Partei in Delhi eine zweite aufeinander folgende
Alleinregierung bilden konnte. Die Kongresspartei gewann nur 52 Sitze, das von
ihr geführte Bündnis erreicht insgesamt auch bloß 92. Gleichzeitig fungierte
die Wahlkommission als Modis rechte Hand und ignorierte seine Hassreden.
Unterdessen behauptet eine Reihe von Oppositionsparteien, dass die Wahlen
manipuliert wurden.

Fast 50 Prozent
der kürzlich gewählten Parlamentsmitglieder sind mit zahlreichen Strafverfahren
konfrontiert, darunter Vorwürfe wegen Vergewaltigung und Mord. Ein
Parlamentarier der Kongresspartei sieht sich mit 204 Strafverfahren
konfrontiert, darunter Mord und Raub. Gegen mindestens 232 der 542
ParlamentarierInnen sind Gerichtsprozesse anhängig. Gegen 29 der 52 gewählten
Abgeordneten der Kongresspartei laufen Verfahren, bei der BJP sind es 116 von
303. Ein BJP-Parlamentarier ist sogar wegen Terrorismus angeklagt.

Sieg der
KapitalistInnenklasse

Als offiziell
bestätigt wurde, dass Modi wieder Premierminister Indiens werden sollte,
erlebte der Aktienmarkt einen rasanten, geradezu historischen Aufstieg. Die
Freude der KapitalistInnenklasse über Modis Wahlsieg zeigt, dass sie überzeugt
ist, dass sein Erfolg die Umsetzung der Politik zu ihren Gunsten beschleunigen
wird und dass weitere Angriffe gegen das Arbeitsrecht gestartet werden.

Es wird erwartet,
dass Indiens Bevölkerungszahl bis 2024 jene Chinas übersteigt. Das Land wird
voraussichtlich zur fünftgrößten Volkswirtschaft werden. Die Handelskriege und
die daraus resultierende Geopolitik in diesen Zeiten werden von der
kapitalistischen Klasse nicht nur als Herausforderung, sondern auch Chance
betrachtet, ihre Klasseninteressen gezielt durchzusetzen.

Diese Wahlen
waren mit Abstand die teuersten in der Geschichte Indiens. Es wurden 7
Milliarden US-Dollar ausgegeben, mehr als für die Wahlen 2016 in den
Vereinigten Staaten (6,5 Milliarden US-Dollar). Ein großer Teil des bei den
Wahlen investierten Kapitals war Schwarzgeld. Bis zu 92 Prozent der Mittel, die
der Unternehmenssektor den Parteien zur Verfügung stellte, gingen allein an die
BJP, während 91 Prozent ihrer gesamten Mittel aus dem Unternehmenssektor
stammten. Dies ermöglichte es der BJP, Millionen für Propaganda in den
„sozialen Medien“ auszugeben. Die Kongresspartei hingegen konnte nicht so viel
aufwenden. All dies zeigt genau, woher das Modi-Establishment seine
Unterstützung erhält. BJP hat die Position der Kongresspartei als zentraler
Partei der Bourgeoisie abgelaufen.

Modis
Neoliberalismus

Seit der
Einführung der neoliberalen Politik in Indien Anfang der 1990er Jahre ist die
Zahl der MilliardärInnen drastisch gestiegen. Seitdem hat sich das Vermögen
dieser Gruppe vervielfacht. Alle Richtlinien des Modi-Establishments zielen
darauf ab, diese Klasse zufriedenzustellen. Dies hat zu einer beschleunigten
Verschärfung der Kluft zwischen Reichen und Armen in Indien geführt: 80 Prozent
der Bevölkerung verfügen über ein tägliches Pro-Kopf-Einkommen von höchstens 3
US-Dollar. Modi versprach, jedes Jahr 10 bis 12 Millionen Arbeitsplätze zu
schaffen, aber die Arbeitslosigkeit ist derzeit auf dem höchsten Stand der
letzten drei Jahrzehnte. In den letzten fünf Jahren hat sich der Reichtum von
Ambani und verschiedenen anderen großen KapitalistInnen weiter vermehrt, da die
Regierung große Projekte arrangierte, von denen sie profitieren konnten.

Unterdessen wurden
auch menschenverachtende Programme wie die Entwertung von Banknoten
aufgegriffen, um Banken und Finanzinstitute profitieren zu lassen. Durch den
abrupten Einzug von 86 Prozent aller Banknoten war jedeR BürgerIn gezwungen,
ein Bankkonto zu eröffnen. Ziel war es, das bestehende Kapital in Banken zu
vervielfachen. Infolgedessen verlor eine Reihe von Menschen ihr Leben, die
unter der sengenden Sonne in der Schlange standen. Außerdem wurde ein neues
Mehrwertsteuer ähnliches System eingeführt, das sich nachteilig auf die kleinen
Unternehmen auswirkte und den großen KapitalistInnen zugutekam, indem es ihre
Gewinne maximierte.

Soziale Angriffe
und Aggression

Während der
fünfjährigen Amtszeit von Modi beschleunigte sich die neoliberale Politik und
die Gewerkschaften sahen sich schweren Angriffen ausgesetzt. Der Rechtsschutz
für Festanstellungen wurde aufgehoben. Schon vorher wurde einer großen Zahl von
Menschen dieser Schutz vorenthalten und sie arbeiteten zu extrem niedrigen
Löhnen. Außerdem wurde der Mindestlohn nicht entsprechend der steigenden
Inflationsrate erhöht und auch die Arbeitszeitbegrenzung des Achtstundentags
abgeschafft. Als Reaktion auf all diese Angriffe des Modi-Regimes auf die
ArbeiterInnen fanden landesweit Proteste in großem Stil statt. Zu Beginn dieses
Jahres organisierte die indische ArbeiterInnenklasse den größten Protest der
Welt mit 200 Millionen ArbeiterInnen, die in den Streik getreten waren. Ebenso
marschierte gegen Ende letzten Jahres die bäuerliche Organisation Mukti Morcha
(Befreiungsfront), die politisch der Kommunistischen Partei nahesteht, in Delhi
und erhielt Unterstützung von einer großen Zahl von Jugend-, Frauen- und
ArbeiterInnenorganisationen.

In dieser
Situation hat Modi seine Kampagne auf hinduistischen Nationalismus und Feindschaft
mit Pakistan gebaut. Auf diese Weise hat er ein Bild von sich selbst als Hüter
Indiens angesichts der Bedrohung durch den Feind vermittelt. Während des
Wahlkampfes wurden eine Reihe von BJP-FührerInnen, darunter Modi, der
BJP-Parteichef Amit Shah und verschiedene ehemalige MinisterInnen, für die
Luftangriffe in Pakistans nördlicher Balakot-Region geehrt. Der
Selbstmordanschlag auf paramilitärische Kräfte in der Region Pulwama in
Kaschmir wurde voll ausgenutzt. Die Kriegshysterie wurde durch Modis Aussage
nach dem Attentat angeheizt: „Wir werden ihre Häuser betreten und sie töten“.
Modi vermittelte der indischen Öffentlichkeit die Botschaft, dass die
Souveränität des Landes unter der Regierung seiner Partei in guten Händen ist.
Nach dem Angriff auf Balakot stiegen die chauvinistische Demagogie und die
Beliebtheitswerte von Modi in einem beispiellosen Tempo.

Hindutva

Narendra Modi
ist ein knallharter hinduistischer nationalistischer Führer und fördert
unverschämt die Ideologie der Hindutva. Er nahm ein Bad im heiligen Wasser des
Ganges am Zusammenfluss mit dem Yamuna und dem hindu-mythischen Strom Saraswati
anlässlich der Kumbh Mela, dem größten religiösen Fest des Hinduismus, was noch
kein Premierminister zuvor getan hat. In der letzten Woche der Wahlen
meditierte er auch in einer heiligen Höhle. Unterdessen sagte Pragya Singh
Thakur (Sadhvi Pragya), die den Wahlkreis Bhopal (der gesamte Distrikt Bhopal
und Teile des Sehore-Distrikts) auf dem Ticket der BJP gewann, dass Nathuram
Godse, der hinduistische Nationalist, der Mahatma Gandhi 1948 ermordete, ein
Patriot war. Godse füllte immer einen wichtigen Status in der
Hindutva-Ideologie aus und eine Reihe von BJP-FührerInnen hat ihn zuvor
gefeiert. Pragya Singhs Aussage über Godse erhielt Beifall von Anant Kumar
Hegde, einem leitenden Minister der Regierung, und dem Parlamentsabgeordneten
Nalin Kumar Kateel.

Ebenso ist Modis
Rolle bei den Unruhen in Gujarat (Bundesstaat an der Westküste) kein Geheimnis.
Während seines Regimes stiegen die Angriffe auf MuslimInnen und andere
Minderheiten, und diese sind in den sich schnell ändernden Zeiten nicht sicher.
Es ist klar, dass Modi nicht davor zurückschreckt, seine extremistische
Hindutva-Ideologie auszudrücken, d.h. hinduistischen Chauvinismus im Gegensatz
zum Hinduismus als Religion, und dass er den Hass zum Grundstein seiner Politik
gemacht hat. Die Ideologie der Hindutva macht Muslime/a und Dalits (ehem. Kaste
der Unberührbaren) für Armut und Arbeitslosigkeit verantwortlich, die in
Wirklichkeit durch Wirtschaftskrisen, Ausbeutung und Korruption verursacht
werden, so dass, anstatt gegen das kapitalistische System zu kämpfen, die
Menschen entlang religiöser Grenzen gespalten werden. Diese Situation hat zum
Untergang des indischen Säkularismus geführt und faschistische Tendenzen
gewinnen an Bedeutung. Sollte sich die Wirtschaftskrise verschärfen, ist die
Möglichkeit eines faschistischen Regimes in Indien nicht auszuschließen. Die
BJP hat bereits halbfaschistische Merkmale, die eine große Gefahr für die
indische Gesellschaft darstellen.

Medien und
dynastische Politik

Ein weiterer
wichtiger Grund für Modis Sieg ist die Tatsache, dass ihn fast alle großen
Medienhäuser unterstützt haben. Wo die BJP auf irgendeine Art von
Schwierigkeiten stieß, benutzte die Regierung alle möglichen undemokratischen
Methoden, um die Medienfreiheit zu beseitigen. Einige renommierte
JournalistInnen, die das Regime kritisieren wollten, wurden getötet. Auf diese
Weise entstand eine Atmosphäre der Angst, in der Modi, anstatt mit Fragen über
die Ergebnisse der Regierung konfrontiert zu werden, von den Medien als einzige
Person gefeiert wurde, die Indien schützen und zu einer Supermacht machen
könne.

Die
Kongresspartei (Indischer Nationalkongress, INC) unter der Leitung von Rahul
Gandhi erlitt bei den diesjährigen Wahlen eine massive Niederlage. Während
seine Popularität im Vergleich zu den Vorjahren gestiegen ist, zeigt sein
Abschneiden bei den Wahlen auch, dass die indische Öffentlichkeit die Idee der
dynastischen Politik ablehnt. Seit der Unabhängigkeit  regierte die Kongresspartei über Jahrzehnte, mit einer
kurzen Ausnahme, in der einige Allianzen an die Macht kamen. Doch sie war nicht
in der Lage, den Massen den guten Lebensstandard zu geben, den Jawaharlal
Nehrus „Sozialismus“ versprochen hatte. Stattdessen verwandelte sich seine
Herrschaft in eine groß angelegte Zunahme von Dominanz nur einer Familie. So
ist es nicht verwunderlich, dass die Kongresspartei in den 1990er Jahren den
Grundstein für eine neoliberale Politik legte. Es ist diese politische Linie,
die Modi heute mit noch mehr Nachdruck umgesetzt hat. Das indische Volk ist
sich daher der Tatsache bewusst, dass die Kongresspartei seinen Lebensstandard
nicht verbessern kann. Gleichzeitig hat die Partei ihren Status als
traditionelle Vertreterin der bürgerlichen Klasse verloren.

Scheitern der
Linksfront

In diesem
Szenario hat die Linksfront, die von der Kommunistischen Partei Indiens
geführte Allianz, die Westbengalen jahrzehntelang regierte, kein alternatives
politisches und wirtschaftliches Programm angeboten. Stattdessen wurde sie zur
Handlangerin der Kongresspartei. Ihre Haltung besteht darin, dass der indische
Säkularismus aufgrund der steigenden Popularität der BJP gefährdet sei. Sie
ignoriert jedoch die Tatsache, dass die Bilanz der Kongresspartei mit dem
Säkularismus auch nicht herausragend war. Tatsächlich war es eine
Verschlechterung, und darüber hinaus ist es die Kongresspartei, die den
Neoliberalismus in Indien eingeführt hat. Die Haltung der Linksfront hat die
Unterstützerbasis der BJP in keiner Weise beschädigt. Im Gegenteil, die
BJP-Popularitätswerte stiegen weiter an.

Die indische
Linke, die bei den Wahlen 2005 die dritte Kraft war, sieht sich heute auf
insgesamt fünf Sitze begrenzt. Von diesen wurden mindestens drei Sitze durch die
Allianz mit der Dravidian Progressive Conference (Dravida Munnetra Kazhagam,
DMK) in Tamil Nadu gewonnen (Dravidisch = nicht-indo-arische Sprache in
Südindien). Bengalen, wo die KommunistInnen lange Zeit an der Macht blieben,
hat sich nun in Richtung BJP verschoben. Dies ist auf die Unterstützung der KPI
für kapitalistische Unternehmungen, Versuche, das Land der Bauern und
Bäuerinnen zu enteignen, und Korruption zurückzuführen. Tatsächlich ist einer
der erfolgreichen Kandidaten der BJP ein ehemaliger Bundesstaatsabgeordneter
der Linken Front.

Bei den letzten
Wahlen gewann die Linke Front in Bengalen 29,9 Prozent der Stimmen. In diesem
Jahr erreichte sie nur 7,1 Prozent. Hingegen steigerte sich die BJP von nur 17
Prozent beim letzten Mal auf diesmal 40,3 Prozent. Der Hauptgrund dafür ist,
dass die kommunistischen Parteien ihre soziale Basis nicht gegen die Angriffe
der Trinamool Congress Party (bengalische Abspaltung vom INC, AITC) in den
letzten fünf Jahren verteidigt haben. Dadurch konnte sich die BJP als
Alternative präsentieren. Auch in Kerala verloren die KommunistInnen, obwohl
(oder weil) die KPI an der Regierung waren.

Eine Partei der ArbeiterInnenklasse

Die
Wahlniederlage des radikalen Studentenführers Kanhaiya Kumar (Vorsitzender der
Allindischen Studierendenföderation, StudentInnenorganisation der KPI) und
anderer vergleichsweise radikaler Persönlichkeiten zeigt, dass Veränderungen
nicht durch reformistische Parteien und Programme erreicht werden können. Die
jungen FührerInnen, die sich gegen die neoliberalen und faschistischen
Tendenzen der BJP stellen, müssen sich vom Reformismus lösen und auf
revolutionärer Grundlage agitieren. Sie müssen sich in der
ArbeiterInnenbewegung auf der Grundlage eines revolutionären Programms
organisieren und gleichzeitig Einheitsfronten zu bestimmten Themen mit Kräften
wie der Linken Front, den Gewerkschaften und verschiedenen sozialen Bewegungen
vorschlagen, um die Wirkungen der ArbeiterInnenkämpfe zu maximieren. Eine
solche Bewegung muss völlig unabhängig vom Kongress oder anderen bürgerlichen
Parteien sein.

Revolutionäre
Kräfte sollten sich auch mit der Verteidigung der Interessen der Bauern und
Bäuerinnen und der ländlichen Armen befassen. Auf diese Weise kann das
Potential der ArbeiterInnenklasse, der Frauenbewegung und der Jugend, die
insbesondere beim Generalstreik am Beginn des Jahres sichtbar wurden, zum Kampf
gegen das Modi-Regime und das kapitalistische System gebündelt werden.




Nach dem Sturz der Regierung Kurz in Österreich: Klassenkämpferische Perspektive!

Michael Märzen, Neue Internationale 2019, Juni 2019

Nach dem
Ibiza-Skandal am 17. Mai ging es sehr schnell – FPÖ-Chef Heinz-Christian
Strache ist zurückgetreten, die schwarz-blaue Regierung zerbrochen, der Bundeskanzler
Sebastian Kurz gestürzt. Ein Grund zur Freude, keine Frage, aber schon mit den
Neuwahlen im September droht die Fortsetzung der
konservativ-rechtspopulistischen Allianz. Die sozialdemokratische Opposition
steckt selbst in der Krise und scheint unfähig, die Regierungskrise für eine
fortschrittliche Offensive zu nutzen. Was also tun?

Ein Rückblick

Das Ibiza-Video
um Vizekanzler H. C. Strache und FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus wird als einer
der größten Skandale in die Geschichte der österreichischen Republik eingehen.
Dort sieht man die beiden, wie sie mit einer angeblichen Oligarchen-Nichte
korrupte Deals aushandeln. Am brisantesten scheint, wie hier die verdeckte
Einflussnahme von GroßkapitalistInnen auf die FPÖ beschrieben wird: in Form von
Großspenden an gemeinnützige Tarnvereine. Mit einer solchen Indiskretion kann
eine Regierung der herrschenden bürgerlichen Klasse selbstverständlich nicht
leben. Strache und Gudenus mussten abtreten. Der folgende Machtkampf um das
FPÖ-geführte Innenministerium kostete nicht nur dem Innenminister Herbert Kickl
den Kopf, sondern schließlich dem Bundeskanzler selbst, dem die FPÖ gemeinsam
mit der SPÖ und der Liste Jetzt das Misstrauen aussprach.

Das Video

Am Freitag, den
17.5., veröffentlichten Süddeutsche Zeitung und Spiegel Videoausschnitte, in
denen der FPÖ-Parteiobmann und Vizekanzler Strache sowie der Klubobmann Gudenus
gegenüber einer vermeintlichen russischen Investorin Einblicke in die korrupten
Pläne und Spendenkonstruktionen ihrer Partei geben. Konkret steht der Vorschlag
im Raum, die Frau solle die größte Tageszeitung Österreichs, die
Kronen-Zeitung, übernehmen, unangenehme JournalistInnen entlassen und
Wahlkampfhilfe für die FPÖ leisten. Außerdem solle sie über Tarnvereine Geld an
die Partei spenden, wie das angeblich auch einige österreichische
KapitalistInnen tun würden. Strache spricht von Beträgen in der Höhe von
500.000 bis 2 Millionen Euro. Im Gegenzug würde die angebliche Nichte eines
Oligarchen lukrative Staatsaufträge im Straßenbau erhalten, die im Moment an
die STRABAG (an der ein Unterstützer der liberalen NEOS, Hans Peter
Haselsteiner, beteiligt ist) gehen. Auch eine Privatisierung der
österreichischen Wasserversorgung, gegen die sich die FPÖ offiziell ausspricht,
wird angeboten.

Zusammengefasst
lassen Strache und Gudenus in dem Ausschnitt die Maske der „sozialen
Heimatpartei“ fallen und sprechen Klartext über ihr wirtschaftsfreundliches und
klientelpolitisches Programm.

Eine vorsichtige
Bilanz

Eine
tatsächliche Bilanz der Ereignisse ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt, wo sich
Enthüllungen und parlamentarische Manöver halbtäglich ändern, nur begrenzt
sinnvoll. Einige Aspekte der letzten Tage sind aber von entscheidender
Bedeutung.

Am
offensichtlichsten ist das politische Problem für die FPÖ, deren Führungsspitze
zeigt, wie sie Politik für KapitalistInnen auf Kosten der lohnabhängigen
Bevölkerung macht. Dazu kommen abstoßende Details wie die geplante
Gleichschaltung der Medienlandschaft und die staatliche Auftragsvergabe an
politische UnterstützerInnen.

Schwerwiegend
ist sicher, dass Strache ausplaudert, welche KapitalistInnen den rechten Umbau
der Republik zahlungskräftig unterstützt haben. Mit Heidi Goess-Horten, René
Benko und dem Glücksspielkonzern Novomatic nennt er hier SpenderInnen, die eher
als ÖVP-nahe gelten. Diese Indiskretion wird ihn als Person für wichtige Teile
der herrschenden Klasse untragbar machen (zumindest für einige Zeit).

Die Reaktion von
Kurz ließ auf sich warten, wohl weil er die Koalition gerne fortgeführt hätte.
Schließlich kündigten sich Kurz und Kickl die Koalition gegenseitig und
schrittweise auf. Der Bundeskanzler forderte den Abzug des FPÖ-Ministers
Herbert Kickl vom Innenministerium, worauf die FPÖ mit ihrem geschlossen
Rückzug aus der Koalition antwortete. Die ÖVP versucht jetzt, in die
Wahlkampfoffensive zu gehen, und hebt das „gelungene Projekt“ Schwarz-Blau
hervor. Eine Neuauflage der Koalition, die die restlichen geplanten Reformen
(Steuersenkungen für Reiche, Zerschlagung des Sozialversicherungssystems,
Angriffe auf die ArbeiterInnenkammer) zu Ende führt, ist also alles andere als
ausgeschlossen.

Regierungssturz und SPÖ-Debakel

Die Frage des
Misstrauensvotums hat die Sozialdemokratie selbst in eine (kleine) politische
Krise geworfen und sogar links davon Verwirrung gestiftet. Die SPÖ war und ist
hin und her gerissen zwischen einer Fundamentalopposition zu Kurz‘ „neuer
Volkspartei“ und einer staatstragenden, sozialpartnerschaftlichen Politik. Aus
der Logik der Fundamentalopposition musste sie den Bundeskanzler stürzen, aus
der staatstragenden Logik müsste sie ihn stützen. Letztlich scheint es der
drohende Gesichtsverlust vor der eigenen Parteibasis gewesen zu sein, der sie
zum Misstrauensantrag bewegte. Doch selbst noch im Misstrauensantrag hat sie
ihre staatstragende Haltung nicht aufgegeben und ihr Misstrauen damit
begründet, dass die ÖVP die restlichen Parlamentsparteien in die Bestellung der
Übergangsregierung nicht genügend einbezogen habe, somit keine stabilen
Verhältnisse geschaffen hätte.

Daher solle es
eine neue „ExpertInnenregierung“ geben. Diese Argumentation war selbst für
viele sozialdemokratische WählerInnen nicht nachvollziehbar, wenngleich hier
eine gewisse opportunistische Angst mitschwang. Natürlich konnte und sollte die
SPÖ die ÖVP-Übergangsregierung nicht unterstützen. Nicht aber weil sie nicht
sozialpartnerschaftlich genug agierte, sondern weil sie die Behüterin der schon
umgesetzten schwarz-blauen Verschlechterungen ist. Diese Verschlechterungen –
12-Stundentag, Kürzung der Mindestsicherung, Angriff auf die
Sozialversicherung, diverse rassistische Maßnahmen – müssten jetzt mit der
Krise des schwarz-blauen Projekts wieder zurückgenommen werden. Der richtige
Weg dafür wäre eine klare klassenkämpferische Offensive unter Mobilisierung der
ArbeiterInnenklasse. Eine solche Strategie ist aber unvereinbar mit einer
sozialpartnerschaftlichen Orientierung bzw. einer Zusammenarbeit von
Sozialdemokratie und Gewerkschaften mit offen bürgerlichen Parteien – Stichwort
Rot-Grün-NEOS. Das gilt ebenso für die „ExpertInnenregierung“, die hinter einer
vorgeblichen unpolitischen Fassade den politischen Status quo zementiert.

Das Versagen
links der SPÖ

Die sich
überstürzenden und politisch neuen Ereignisse haben offenbar auch die Kräfte
links der Sozialdemokratie überfordert. Unter dem Motto „Neuwahlen sind gut,
weil es besser werden könnte“ orientiert sich die KPÖ voll auf eine linke
Opposition im Parlament. Dass sie diese Opposition nicht einfach so stellen
wird (siehe EU-Wahlen) und dass die verzweifelte Hoffnung darauf kein Hebel
ist, um jetzt etwas zu ändern, zeigt ihre Perspektivlosigkeit.

Das andere
Extrem beschwört den Aufbau von unmittelbarem oder langfristigem Widerstand auf
der Straße und einer neuen revolutionären Kraft (RKOB, RSO, …). Wenngleich
abstrakt richtig, fehlen hier konkrete Forderungen des „Widerstands“ (gegen
was?) und konkrete Ansätze zum Aufbau einer revolutionären Partei. Die
Perspektive wird zur inhaltslosen Formel. Die „Sozialistische Linkspartei“ gibt
mit der Rücknahme der Verschlechterungen und darüber hinausgehenden Forderungen
wie Arbeitszeitverkürzung und Mindestsicherung eine Perspektive für eine
Bewegung, sie lehnt es aber ab, entsprechende Forderungen an die
Sozialdemokratie zu stellen, denn von der dürfe man sich gar nichts mehr
erwarten. Damit wird ein wichtiger Ansatz ignoriert, über den wir die lähmende
Dominanz der SPÖ über die ArbeiterInnenbewegung in Österreich brechen könnten.
Auch wird keine klare Opposition zu einer „ExpertInnenregierung“ formuliert.
Der „Funke“ schweigt dazu gänzlich und die SLP streut die Illusion, dass so
eine Regierung angreifbarer wäre für die Rücknahme von Verschlechterungen.

Ein Ansatz zur
Offensive

Trotz all dieser
Schwächen wollen wir eine Forderung der SLP aufgreifen, nämlich die nach einer
Konferenz noch im Juni für eine Kampagne, die mit Offensivforderungen in einem
Aktionstag vor den Wahlen münden soll. Das würde die Klärung einer
klassenkämpferischen Perspektive ermöglichen, insbesondere die Frage einer
„linken Kandidatur“ (die uns gegenwärtig unrealistisch erscheint). Viel
wichtiger wäre dabei, verschiedene soziale Bewegungen (Donnnerstagsdemos,
Fridays for Future, Gleicher Lohn für gleiche Arbeit), Kräfte der radikaleren
Linken und linke SozialdemokratInnen und GewerkschafterInnen in einer
Einheitsfront gegen Schwarz-Blau zu vereinigen.

Wir schlagen
daher allen AktivistInnen vor, eine Einheitsfront um die folgenden Forderungen
zu bilden, die insbesondere auch an die Sozialdemokratie gerichtet werden
müssen:

  • Offenlegung aller politischen Spenden, um das Ausmaß der Klientelpolitik in der kapitalistischen Politik zu untersuchen. Ebenso Offenlegung der Geschäftsbücher der Konzerne und Banken für VertreterInnen der ArbeiterInnenbewegung.
  • Rücknahme aller schwarz-blauen unsozialen und rassistischen Verschlechterungen – 12-Stunden-Tag, Sozialhilfe, Zerschlagung der Kassen, Abschieberegime, etc. -, gestützt auf Mobilisierungen auf der Straße und gewerkschaftlichen Kampf bis hin zum Generalstreik. Statt Steuergeschenken für die Reichen, Vermögenssteuern und Enteignung zur Finanzierung einer „sozialstaatlichen“ Offensive.
  • Schluss mit der sozialpartnerschaftlichen Anbiederung, nein zu jeglicher Unterstützung der „ExpertInnenregierung! Deren Bildung muss durch den Aufbau einer klassenkämpferische Opposition und Mobilisierungen in den Betrieben und auf der Straße beantwortet werden.



Bundestagsbeschluss: Staatsräson kontra BDS

Robert Teller, Neue Internationale 238, Juni 2019

Die Resolution,
die der Bundestag am 17. Mai mit den Stimmen von CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen
beschlossen hat, trägt den Titel „BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten –
Antisemitismus bekämpfen“. Substanziell Neues enthält sie nicht, denn ihre
Kernaussage – die Gleichsetzung von Antizionismus mit Antisemitismus – ist
bereits seit geraumer Zeit ein reaktionärer Grundkonsens dieser
Parteienkoalition. Eigentliches Ziel der Resolution ist es auch nicht, einen
Beitrag zum Kampf gegen Antisemitismus zu leisten, der angesichts des
gesellschaftlichen Rechtsrucks und des Aufstiegs rechtspopulistischer Parteien
europaweit auf dem Vormarsch ist.

Bundestagsresolution

So heißt es im
Beschluss : „Wer Menschen wegen ihrer jüdischen Identität diffamiert, ihre
Freizügigkeit einschränken will oder das Existenzrecht des jüdischen und
demokratischen Staates Israel oder dessen Recht auf Landesverteidigung infrage
stellt, wird auf unseren entschiedenen Widerstand stoßen.“

Hier werden
kurzerhand grundverschiedene Dinge in einen Topf geworfen, um den Brückenschlag
vom antifaschistischen hin zum bellizistischen Grundkonsens zu bewerkstelligen.
Wer gegen antijüdischen Rassismus kämpft, muss nicht die israelische
„Landesverteidigung“ – selbst ein Euphemismus angesichts der vorsätzlichen
Ermordung von 183 palästinensischen DemonstrantInnen durch israelische
ScharfschützInnen am Sperrzaun um Gaza seit März 2018 – befürworten. Und auch
umgekehrt beweisen die AfD ebenso wie Viktor Orbán und viele andere
RassistInnen, dass die Unterstützung des Staates Israel keinesfalls profunde
antisemitische Überzeugungen ausschließt.

Dass derartige
Überzeugungen nicht nur ein Problem des Denkens, sondern eine physische
Bedrohung für JüdInnen sind, zeigen offizielle Zahlen, die 2018 einen Anstieg
antisemitischer Gewaltakte um 74 % in Frankreich bzw. um 60 % Prozent in
Deutschland gegenüber dem Vorjahr ausweisen. Und selbst das BKA – unverdächtig,
die Gefahr von rechts zu übertreiben – gibt an, dass diese Gewaltakte zu 90
%von rechtsextremen Einheimischen verübt werden.

BDS-Kampagne

BDS geht auf
einen Aufruf 171 palästinensischer Organisationen aus dem Jahr 2005 zurück.
Seine Ziele sind der Abriss der vom Internationalen Gerichtshof 2004 als
illegal beurteilten Sperrmauer in der West Bank, die Beendigung der Besetzung
arabischen Landes, die völlige rechtliche Gleichstellung von PalästinenserInnen
in Israel und das Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge, das in der
UNO-Resolution 194 gefordert wird. Die Ziele von BDS gehen letztlich nicht
einmal über die Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen und
bürgerlich-demokratischer Grundsätze hinaus. Ungeachtet der Frage, ob der
Aufruf an KonsumentInnen, israelische Waren nicht zu kaufen, für deren Durchsetzung
das wirksamste Mittel ist – antisemitisch ist er gewiss nicht.

Die BDS-Kampagne
prangert lediglich in besonders öffentlich wirksamer Weise die systematische
Diskriminierung von PalästinenserInnen durch den israelischen Staat an und
versucht, durch Anwendung des Boykotts das Bewusstsein für diese
Ungerechtigkeiten zu vergrößern und zugleich den Staat Israel unter Druck zu
setzen. Dies als antisemitisch zu brandmarken, basiert auf der falschen
Gleichsetzung des Staates Israel mit der jüdischen Nation – eine Gleichsetzung,
der selbst eine nationalistische bis völkische Vorstellung nationaler Einheit
zugrunde liegt.

Die Diffamierung
dieser Bewegung, deren Ziele vom gesamten palästinensischen politischen
Spektrum unterstützt werden, leistet auch dem rassistischen Generalverdacht
Vorschub, PalästinenserInnen oder AraberInnen besäßen per se antisemitische
Tendenzen – wie auch der im Rahmen der Asylrechtsverschärfungen diskutierte
Vorschlag, von muslimischen EinwandererInnen ein Bekenntnis zu Israel zu verlangen.

Ein offener
Brief, der von 66 jüdischen und israelischen AkademikerInnen unterzeichnet
wurde, charakterisiert die Resolution durchaus zutreffend:

„Ein
Bundestagsbeschluss, der die palästinensische BDS-Bewegung mit Antisemitismus
gleichsetzt, ist ein Angriff auf und eine Stigmatisierung von
PalästinenserInnen in Deutschland und unterdrückt ihre freie Meinungsäußerung
und ihre Sorgen. Dies könnte sie und andere Gruppen in der deutschen
Gesellschaft auch vom Kampf gegen Antisemitismus entfernen, anstatt sie dafür
zu gewinnen. Die Gleichsetzung von BDS mit Antisemitismus wird von der
rechtesten Regierung in der israelischen Geschichte betrieben. Dies ist Teil
der ständigen Bestrebungen, jeglichen Diskurs über die Rechte der
PalästinenserInnen und jegliche internationale Solidarität mit ihnen zu
delegitimieren, die unter Besatzung und schwerer Diskriminierung leiden.“

Kritik unter
Generalverdacht

„Berechtigte
Kritik“ an der israelischen Regierung muss laut den BefürworterInnen der
Bundestagsresolution „natürlich“ erlaubt sein, Aktionen selbst symbolischer
Art, die sich gegen den Staat Israel richten, müssen es jedoch nicht. Das
bedeutet: Kritik ist nur insofern erlaubt, als sie den Vorstellungen der
deutschen imperialistischen Außenpolitik passt. Praktische internationale
Solidarität mit den PalästinenserInnen gilt nicht nur als unerwünscht, sie wird
diffamiert und kriminalisiert. Denn eine internationale Solidaritätskampagne,
die sich gegen die systematische und institutionalisierte Diskriminierung von
PalästinenserInnen durch die Regierung Israels wendet und sich zum Ziel setzt,
diese Diskriminierung zu beenden, kommt letztlich nicht umhin, Mittel
anzuwenden, die den Staat Israel unter Druck setzen, diesem ökonomisch oder
politisch schaden und seine unterdrückerischen Aktionen delegitimieren.

Das Problem bei
der Bandmarkung von BDS als antisemitisch ist nicht nur, dass fortschrittliche
Kräfte zu Unrecht als RassistInnen abgestempelt werden. Der Begriff
„Antisemitismus“ wird hierbei auch seines Inhalts beraubt. Wenn im Namen der
deutschen Staatsräson jede BDS-UnterstützerIn oder jede Menschenrechts-NGO erst
einmal auf ihren heimlichen Antisemitismus durchleuchtet werden muss, dann
lässt das die wahren AntisemitInnen ebenso unbeeindruckt wie die Hexenverfolgung
Unwetter, Missernten und Pestepidemien. Die Gleichsetzung von Antizionismus mit
Antisemitismus dient nicht nur der Einschränkung demokratischer Rechte, sondern
auch als Entschuldigung des bürgerlichen Lagers und der reformistischen
Parteien dafür, den RechtspopulistInnen nichts entgegenzusetzen und sie durch
Anpassung ihrer eigenen Politik auch noch zu stärken.

Und die
Linkspartei?

Neben dem
fraktionsübergreifenden Antrag stand aber noch einer der LINKEN zur Abstimmung.
Die Partei verweigerte dem Regierungsantrag zwar die Zustimmung. Zugleich legte
sie jedoch einen eigenen vor, nachdem Petra Pau damit gedroht hatte,
andernfalls mit der Regierung zu stimmen. Wer nun denkt, dass die LINKE dem
Regierungsantrag eine linke Kritik entgegensetzt, liegt falsch. Auch dieser
Antrag charakterisiert BDS als generell antisemitismusverdächtig. Der
wesentliche Unterschied zum Regierungsantrag ist, dass die LINKE dem Text ein
Bekenntnis zur längst begrabenen Zweistaatenlösung hinzufügt:

„Für uns steht
fest, dass eine friedliche Lösung auf Basis der bisherigen UN-Resolutionen
sowie der zwischen beiden Parteien geschlossenen Abkommen nur mit zwei
unabhängigen, lebensfähigen, demokratischen und miteinander kooperierenden
Staaten umsetzbar ist.“

Dies ist zwar
offiziell auch die Position der Bundesregierung. Dass dieses Thema im
Regierungsentwurf mit keinem Wort erwähnt wird, mag aber auch daran liegen,
dass nur die LINKE noch „ernsthaft“ an der Illusion von der Zweistaatenlösung
festhält. In Wirklichkeit ist sie nur eine diplomatische und „völkerrechtliche“
Fassade, hinter der die zionistische Version der Einstaatenlösung Stück für
Stück Realität wird. Auf einem zerstückelten, von Trennmauern und Checkpoints
durchzogenen Flickenteppich von palästinensischen Inseln ohne Grundwasser,
Hauptstadt, Währung, Finanz- und Grenzkontrolle, Hafen oder Flughafen wird kein
„lebensfähiger Staat“ entstehen – höchstens eine Karikatur dessen, die das
heutige System rassistischer Segregation zementiert. Auch heute übt letztlich
Israel in den besetzten Gebieten die Staatsgewalt aus. Die sogenannte
„Palästinensische Autonomiebehörde“ stellt einen verlängerten Arm der Besatzung
dar, die Hamas-„Regierung“ hat etwa soviel „Eigenständigkeit“ wie eine
Gefangenenvertretung in einem Freiluftgefängnis.

Entscheidend ist
aber auch, was die LINKE in ihrem Entwurf nicht schreibt: Zweck der Resolution
ist nicht der Kampf gegen Antisemitismus, sondern die Beschneidung von
demokratischen Grundrechten. Indem die Resolution explizit BDS in die Nähe zu
NS-Parolen rückt, soll nicht nur die öffentliche Ächtung und Ausgrenzung von
BDS legitimiert werden, was beispielsweise in München in Form eines
Stadtratsbeschlusses realisiert wurde, der es BDS-UnterstützerInnen untersagt,
öffentliche Räumlichkeiten zu mieten. Es soll hiermit auch jede öffentliche
Positionierung für die Rechte der PalästinenserInnen delegitimiert werden. Die
AfD denkt im Grunde nur diesen Ansatz konsequent zu Ende, indem sie gleich das
Verbot von „BDS“, das als einheitliche Organisation gar nicht existiert,
fordert. Dies könnte im nächsten Schritt zu Vereinsverboten führen, wie sie
bereits vielfach gegen die kurdische Solidaritätsbewegung, türkische auch
palästinensische Linke in Deutschland eingesetzt wurden. Schon heute beschränkt
sich die Diffamierung nicht auf BDS, sondern trifft auch viele andere Linke –
einschließlich von Initiativen wie der „Jüdischen Stimme für einen gerechten
Frieden im Nahen Osten“.

Hände weg von
BDS!

Und solche
Maßnahmen werden sich nicht auf BDS-Gruppen beschränken, sondern auch gegen die
gesamte internationalistische und anti-imperialistische Linke eingesetzt
werden.

Folglich müsste
auch die gesamte Linke den Kampf gegen derartige Angriffe führen, die wir als
Ausdruck der allgemeinen Rechtsentwicklung in Deutschland und weltweit sehen
sollten. Vor allem aber müssen sie auch als Schritt zur ideologischen
Vorbereitung weiterer reaktionärer imperialistischer und zionistischer
Aggression im Nahen Osten begriffen werden – sei es die Annexion der
Golan-Höhen, ein drohender Angriff gegen den Iran, Bombardements von
pro-iranischen Stellungen im Irak und vor allem die fortgesetzte Vertreibung
der PalästinenserInnen. Jede Kritik an solcher Kriegstreiberei, Intervention,
Mord und Vertreibung soll im Voraus mundtot gemacht werden.

Die ArbeiterInnenbewegung
und die Linke müssen in diesem Kampf einen unabhängigen Standpunkt einnehmen
und ihn mit dem Kampf gegen RassistInnen gleich welcher Art verbinden. DIE
LINKE dagegen reiht sich ein in eine bürgerliche „Einheitsfront”, die uns die
Unterstützung des militaristischen, rassistischen Staates Israel als
„Entschuldigung“ für den Holocaust verkauft. InternationalistInnen sollten für
die einzige Lösung kämpfen, die die Grundlage für jeglichen Rassismus
beseitigen kann: einen multinationalen, sozialistischen Staat in ganz
Palästina, der allen dort lebenden Bevölkerungsgruppen die gleichen Rechte
gewährt.

Alle
internationalistischen, proletarischen, ja alle demokratischen Kräfte müssen
offen gegen den Bundestagsbeschluss auftreten: Hände weg von BDS! Hände weg von
der Solidaritätsbewegung mit dem palästinensischen Volk und dessen Widerstand!




EU-Wahlen 2019: Vor der nächsten Krise

Tobi Hansen, Neue Internationale 2019, Juni 2019

Wie beim parlamentarischen
Schauspiel üblich freuten sich zunächst alle SpitzenkandidatInnen und Parteien
über die gestiegene Wahlbeteiligung. Erstmals seit 1994 ging mit 50,97 %
europaweit mehr als die Hälfte der Stimmberechtigten an die Urne. Kein Wunder,
denn verschiedenste gesellschaftliche Kräfte stilisierten die Europawahlen zu
einer „Schicksalswahl“ – seien es die „europaskeptischen“ und
rechtspopulistischen AkteurInnen, welche schon 2014 einige Erfolge feiern
konnten, seien es die VertreterInnen des „Mainstreams“ um die Konservativen und
SozialdemokraInnen, seien es Liberale oder Grüne.

Allesamt betrachteten die Wahlen
als eine Art „Kampfabstimmung“ über die Zukunft Europas – selbst wenn sie
natürlich nur diese keineswegs entscheiden. Ihr Ausgang verdeutlicht jedoch
nicht nur, dass eine größere Zahl politischer Kräfte wie auch der Bevölkerung
den Urnengang als eine wichtige politische Auseinandersetzung betrachteten – er
brachte auch, wenn auch nur wenig überraschende, Verschiebungen des
Kräfteverhältnisses in der EU bzw. in den einzelnen Staaten zum Ausdruck.

Weitere Zersplitterung des
bürgerlichen Lagers

Die sogenannten „Volksparteien“,
die etablierten Regierungskräfte aus Europäischer Volkspartei (EVP) und S&D
(Fraktion der Progressiven Allianz der SozialdemokratInnen) haben wieder Wahlen
verloren. Dies ist weder national noch europäisch eine Überraschung derzeit.
Die EVP erhielt gerade noch 178 Sitze, verlor also gegenüber 2014 39, also gut 20
Prozent. Besonders dramatisch fielen die Verlust der Konservativen in
Deutschland aus. Die Niederlage der Tories reiht sich darin ein, auch wenn die
britischen Konservativen der EVP-Fraktion seit längerem nicht mehr angehören
und deren Niederlage durch das Brexit-Desaster extrem verschärft wurde.

Auf der Ebene des EU-Parlaments
haben Christ- und SozialdemokratInnen zusammen keine Mehrheit. Sie sind
angewiesen auf die Unterstützung von Liberalen und/oder Grünen für die nächste
Kommission. Die ehemalige „Große Koalition“ in der EU stellte die klare
Wahlverliererin.

Angesichts der gleichzeitigen
Stärkung der rechtspopulistischen Parteien setzt sich die Fragmentierung des
bürgerlichen Lagers weiter fort. Es ist „zersplittert“. Dies zeigt auch die
unterschiedliche Orientierung der bürgerlichen Kräfte in der EU auf und einen
eindeutigen Verlust der Hegemonie der konservativen Parteien im bürgerlichen
Lager.

Klare Verliererinnen sind auch die
bürgerlichen ArbeiterInnenparteien der Sozialdemokratie und der europäischen Linkspartei.
Zusammen stellen sie weniger als 200 von 751 Abgeordneten.

Die S&D-Fraktion errang nur
noch 153 Mandate und verlor 32 Sitze gegenüber den vorherigen Wahlen. Die
Vereinigte Europäische Linke/Nordische Grüne Linke stellt zukünftig 38
ParlamentarierInnen – 14 weniger als in der letzten Periode.

Gegensätze

Dieser Wahlausgang verdeutlicht
die Krise der EU, des bürgerlichen Lagers wie auch der ArbeiterInnenbewegung.
Was die bürgerlichen Klassen betrifft, so finden die herrschenden
Kapitalfraktionen der EU-Mitgliedsstaaten immer weniger zu einer gemeinsamen
Perspektive und Zielsetzung für die Union. Dies kommt auch beim Streit um
den/die nächste/n KommissionschefIn zum Ausdruck. Die EVP und damit die
Christliche Union schicken den CSUler Weber ins Rennen, den der französische
Präsident Macron offen ablehnt. Er fürchtet zu viel „deutschen Einfluss“, zumal
die Neubesetzung des EZB-Chefs durch Bundesbankchef Weidmann nur schwer
verhinderbar erscheint. Diese und andere Personalfragen werden vor dem Hintergrund
des Kampfes um die zukünftige Ausrichtung der EU erst verständlich – und
bewegen sich daher nicht zufällig zwischen heftiger Zuspitzung und
Postenschacher hinter den Kulissen. Während alle – von den Konservativen,
Liberalen, Grünen bis zu den SozialdemokratInnen – nicht müde werden, sich zu
„Europa zu bekennen“, so fürchtet doch jede/r, von den „PartnerInnen“ über den
Tisch gezogen zu werden. Darüber hinaus darf niemand vergessen, dass gerade die
größeren bürgerlichen Fraktionen eben keine „europäischen Parteien“, sondern
letztlich immer die herrschende Klasse oder eine Fraktion ebendieser aus einem
europäischen Nationalstaat repräsentieren. Dementsprechend werden auch die
Verhandlungen der nächsten Wochen geführt. Nur eines scheint sicher – Neoliberalismus,
Rassismus nach außen und nach innen, Aufrüstung und Verschärfung der
Repressionen werden auch durch die neue Kommission forciert.

Stärkung von Liberalen und Grünen

Während die Grünen speziell in
Deutschland stark zulegten, die SPD überrundeten und zweitstärkste Kraft
wurden, konnten die Liberalen von der neuen französischen Regierungspartei La
République en Marche, aber auch neue Parteien aus Osteuropa wie die
tschechische Regierungspartei ANO 2011 des Populisten und Oligarchen Babis
ebenso punkten. Die gestiegene Wahlbeteiligung, besonders unter Erst- und
JungwählerInnen, kam dem liberalen und grünen Spektrum zu Gute. Die Fraktion
der Allianz der Liberalen und DemokratInnen für Europa (ALDE) stellt nunmehr
105 Abgeordnete (gegenüber 69 in der letzten Periode), die europäischen Grünen
69 (plus 17).

Speziell ErstwählerInnen wurden
über die Klimafrage und die „Fridays-for-Future“-Bewegung mobilisiert. Dort
stellen grüne Parteien und Organisationen wie auch linksbürgerliche NGOs einen
entscheidenden Faktor für die Mobilisierung auf der Straße dar, was sich auch
bei den Wahlen widerspiegelt. Während manches vor den Wahlen über die
Einflussnahme Russlands via soziale Medien spekuliert wurde, lässt sich nun
feststellen, dass vor allem die grüne Mobilisierung viele WählerInnenstimmen
gebracht hat. Dadurch wurden auch Klima, Umwelt und Nachhaltigkeit Schlagworte
des Wahlkampfes, dort hatten sowohl Christ- als auch SozialdemokratInnen eher
wenig zu bieten.

Die Rechte konsolidiert sich

Derzeit ist noch nicht klar, wie
die neue gemeinsame Fraktion der RechtspopulistInnen und NationalistInnen
aussehen wird. Ziel soll es sein, die drittstärkste Fraktion zu stellen.
Symbolhaft für die Krise der EU lässt sich feststellen, dass bei den größten
Konkurrenten zum deutschen Imperialismus, in Frankreich und Italien, die
Rechten die stärkste Kraft geworden sind. Le Pen konnte auch mit dem
umbenannten RN (Rassemblement National – Nationale Sammlungsbewegung) das
Ergebnis von 2014 wiederholen und liegt einen Prozentpunkt vor der Macron
Partei La République en Marche (23 % zu 22 %), wie auch die italienische Lega
jetzt führende Kraft der europäischen Rechten ist. Mit Innenminister Salvini
als Spitzenkandidat holte sie 33 % und ließ den Koalitionspartner Fünf Sterne
mit 16 % klar hinter sich. Dies bestätigt auch den Trend der letzten
Regionalwahlen. In der bisherigen ENF-Fraktion (Europa der Nationen und der
Freiheit) sind die AfD und die FPÖ bislang sichere Partnerinnen. Wer dazu
kommen soll, gilt als unsicher.

Einheitliche Rechte?

Inwieweit sich die
SchwedendemokratInnen, die polnische Regierungspartei PiS, die „Brexit Party“
von Farage oder verschiedene flämische NationalistInnen (Nieuw-Vlaamse
Alliantie und Vlaams Belang), neue spanische FranquistInnen (Vox) einfangen
lassen, ist fraglich.

Mit Salvini versucht sich auch der
ehemalige US-Präsidentschaftsberater Bannon als Strippenzieher im EU-Parlament
zu beweisen. Der ehemalige „Breitbart-News“-Chef gründete eine Stiftung in
Brüssel und eine Akademie in Rom. Ziel ist es, möglichst viele Parteien aus den
Fraktionen der EKR (Europäische Konservative und ReformerInnen) und der EFDD
(Europa der Freiheit und der direkten Demokratie) zur ENF hinüberzuziehen.

Realistisch scheint eine „neue“
ENF-Fraktion, welche die Grünen und die Liberalen (ALDE) hinter sich lässt.
Damit hätte sich über die Wahlen 2014 und 2019 eine neue rechtspopulistische
Fraktion etabliert. Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die
RassistInnen und NationalistInnen durch innere Gegensätze zerrissen sind – sei
es bei der Finanzpolitik wie auch bei dem Verhältnis zu Russland, was speziell
für osteuropäische Parteien einen Knackpunkt darstellt.

Die bürgerlichen
ArbeiterInnenparteien

Auf der Iberischen Halbinsel
erschien die Farbe Rot auf der Wahlkarte. Gemeinsam mit den Niederlanden waren
Portugal und Spanien die einzigen Staaten, in denen die etablierte
Sozialdemokratie Siege einfahren konnte, zum Teil auch auf Kosten dortiger
Linksparteien wie Podemos. In Portugal vermochten auch der Linksblock und die KP
zuzulegen.

Auf der Pyrenäenhalbinsel konnte
sich die Sozialdemokratie als soziale Kraft für die EU und als soziale,
demokratische und fortschrittliche Alternative zu den Rechten präsentieren und
im Gegensatz zu fast allen anderen Staaten Hoffnungen der ArbeiterInnenklasse
auf sich ziehen. Jetzt kann sie noch als „Zünglein an der Waage“ auftreten, mit
den iberischen Regierungschefs ein gutes Ergebnis für die Kommission
aushandeln. Zu mehr wird es nicht reichen.

Verloren hat nicht nur die
Sozialdemokratie, sondern auch die europäische Linkspartei. Sie verlor  10 Sitze, speziell aufgrund der
Verluste der deutschen Linkspartei und von Podemos. Doch auch die geschwächte
Fraktion vermag keine gemeinsame europäische Strategie zu formulieren. Zwischen
einer nationalstaatlich orientierten Ablehnung der EU wie bei FI (La France
insoumise), welche auch von Podemos, der schwedischen Linkspartei und vom
portugiesischen Linksblock mitgetragen wird, und Reformhoffnungen wie sie z. B.
von Syriza und der Linkspartei in die EU transportiert werden, war und ist die
europäische Linkspartei nicht in der Lage, eine antikapitalistische Alternative
zur EU zu vertreten, geschweige denn dafür zu mobilisieren.

Zusammen mit den europäischen
Gewerkschaften waren diese reformistischen Kräfte nicht in der Lage, auch nur
zu einer ihrer Forderungen zu mobilisieren oder gar sichtbar zu werden. Die
Demonstrationen unter dem Motto „Ein Europa für Alle – Deine Stimme gegen
Nationalismus!“ wurden eben nicht durch Forderungen und Aktionen der ArbeiterInnenbewegung
begleitet bzw. aufgewertet, sondern hier wurde das Feld vielerorts NGOs wie den
Grünen überlassen.

Große Teil der ArbeiterInnenklasse
haben sich von „ihren“ Parteien abgewandt und werden von diesen Mobilisierungen
mitgerissen. Sei es durch die rechtspopulistische und nationalistische Rhetorik
gegen die EU oder durch die linksliberalen und grünen Versprechungen in die
Reformierbarkeit der EU wie auch die ökologische Frage. Das Versagen der
Gewerkschaften, der Sozialdemokratie und der Linksparteien führt dazu, dass
sich auch jener Teil der Lohnabhängigen und der Jugend, die Nationalismus und
Rechtsruck entgegentreten, den Grünen und anderen links-bürgerlichen Kräften
zuwenden.

Was tun?

Für eine radikale,
antikapitalistische und/oder sozialistische Linke ist dies eine immense
Herausforderung. Wir müssen eine klare klassenkämpferische Alternative zu
dieser EU präsentieren, dürfen weder den populistischen wie reformistischen
Illusionen hinterherlaufen, sondern brauchen eine Orientierung auf europäischen
Klassenkampf.

Wenn „wir“ real Rechtsruck,
Austerität, Neoliberalismus dieser EU die Stirn bieten wollen, dann brauchen
wir eine Perspektive für ein sozialistisches Europa und müssen mit den
reformistischen und populistischen AkteurInnen brechen. Dies ist die Aufgabe,
unabhängig von den Wahlergebnissen. Um eine solche revolutionäre Alternative
aufzubauen, braucht es freilich nicht nur Kampf und Bewegung – es bedarf vor
allem eines Aktionsprogramms, um die Lohnabhängigen europaweit zu mobilisieren.

Anhang: Krise der Großen Koalition setzt
sich fort

In Deutschland haben die Grünen
mit 20,5 % die SPD deutlich auf Platz 3 verwiesen (15,5 %) und damit
die nächste Krise der GroKo losgetreten. Während sich die Union noch über Platz
1 freuen darf und bei den Wahlen in Bremen die SPD als stärkste Partei ablösen
könnte, werden in der Sozialdemokratie wiederum Personaldebatten geführt.
Partei- und Fraktionsvorsitzende Nahles stellt die Vertrauensfrage in der
Fraktion. Dies kann die geschwächte SPD in ihre nächste existenzielle Krise
stürzen und somit auch die GroKo erneut gefährden.

Dass die CDU-Vorsitzende „AKK“
gleichzeitig eine Zensurdebatte aufgrund eines Youtube-Videos losstößt, zeigt
den krisenhaften Moment dieser Koalition auf.

Dass die Linkspartei viele ihrer
Stimmen an die Satire-Partei „Die Partei“ verloren hat, ist schon nicht mehr
lustig, sondern zeigt, dass diese „Partei“ teilweise sehr deutlich und
provokant sich für die Seenotrettung eingesetzt hat, während die Linkspartei
das Thema Antirassismus und Migration eher beiseitelegte.

Die AfD hat deutlich weniger
zugelegt als selbst erhofft (von 7 auf 10 %), dafür allerdings in
Brandenburg und Sachsen die Wahl vor der Union gewonnen. Dies sind die
Vorzeichen für die Landtagswahlen im Herbst in diesen beiden Ländern und
Thüringen.




Südafrika: ANC bleibt an der Macht, aber unter Druck von links

Jeremy Dewar,  Neue Internationale 238, Juni 2019

Am Ende war es
ein komfortabler Wahlsieg für den ANC (Afrikanischer Nationalkongress) von
Präsident Cyril Ramaphosa und seinen Verbündeten, der Gewerkschaftsföderation
COSATU und der Kommunistischen Partei Südafrikas (SACP). Mit 57,5 Prozent der
Stimmen bei einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung von 66 Prozent hielten
sie den Trend gegen sich auf unter 5 Prozent und behielten eine absolute
Mehrheit im Parlament.

Dies ist jedoch
mehr der Unterstützung zu verdanken, die der ANC erhält, weil er den
Anti-Apartheidkampf geführt hatte, als der Begeisterung für die
Regierungsgeschichte der Partei in den letzten 25 Jahren. Der ANC profitierte
auch von der Uneinigkeit sowohl in der neoliberalen Oppositionspartei, der
Demokratischen Allianz, als auch innerhalb der ArbeiterInnenbewegung.

Was können wir
erwarten?

Ramaphosa
startete seine Kampagne mit einer Rede in Durban, in der er die MigrantInnen
aus den Nachbarländern zum Sündenbock machte und versprach, gegen ArbeiterInnen
ohne Papiere vorzugehen. Zwei Monate später töteten RandaliererInnen drei
MigrantInnen und griffen ausländisch geführte Unternehmen in der blutigsten
Gewalt seit vier Jahren an. Bereits 2012 hetzte er gegen die streikenden
Bergleute in Marikana. Am nächsten Tag mähte die Polizei 34 unbewaffnete
Streikposten nieder.

In einem Land,
in dem die Arbeitslosigkeit bei 35 Prozent liegt, d. h. 9 Millionen von
geringen oder gar keinen staatlichen Leistungen leben müssen, entschied sich
der ANC für eine Kampagne zur Schaffung von 275.000 Arbeitsplätzen pro Jahr,
obwohl selbst diese unzureichende Maßnahme darauf abzielt, 1,2 Billionen Rand
(73 Milliarden Euro) private Investitionen anzuziehen, was angesichts der
stagnierenden südafrikanischen Wirtschaft illusorisch ist.

Südafrika ist
das ungleichste Land der Welt. 65 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der
„oberen Armutsgrenze“ von 3,33 US-Dollar pro Stunde.

Präsident
Ramaphosa, den das „Forbes“-Magazin in der Millionärsrangliste mit einem
Vermögen von 450 Millionen einschätzt, kümmert dies wenig. Der abtrünnige
Gewerkschaftsverband SAFTU startete im vergangenen Jahr einen Generalstreik
gegen den erbärmlichen Mindestlohn von 0,75-1,33 Dollar pro Stunde, den COSATU
jedoch pflichtbewusst begrüßte.

Südafrika hält
jedoch auch einen anderen, mehr Hoffnung verheißenden Rekord: Gemäß
Weltwirtschaftsforum waren seine GewerkschafterInnen die konfrontativsten in
den letzten 7 Jahren. Und sie stehen im Fadenkreuz des ANC. Weitere Angriffe
infolge der im letzten Jahr verabschiedeten Antigewerkschaftsgesetze, die
obligatorische Briefwahlen vor einem legalen Streik einführen, sind
wahrscheinlich.

Das
Landreformprogramm klingt vielversprechender. Der ANC verspricht, die
Verfassung zu ändern, damit den reichen weißen FarmerInnen Land entzogen werden
kann. Aber er droht auch damit, gegen illegale BesetzerInnen und die
Beschlagnahmungen von Eigentum durch die Landlosenbewegung vorzugehen.

Ebenso verhält
es sich mit dem Anti-Korruptionsprogramm von Ramaphosa: Die
Zondo-Untersuchungskommission zum „Raub“ am Staat durch Kumpane des
Ex-Präsidenten Jacob Zuma, die Brüder Gupta, wurde von der ANC-Regierung
ernannt. Das Vertrauen, dass sie viele vor Gericht bringen wird, ist nur
gering, da die Zuma-AnhängerInnen weiterhin stark in der Partei sind.

Opposition und
die EFF

Trotz all dieser
Misslichkeiten konnten die Demokratische Allianz (DA) und die EFF (KämpferInnen
für Ökonomische Freiheit) zwar punkten, aber den Vorsprung des ANC bei den
Umfragen nicht wettmachen.

Tatsächlich
verlor die DA fünf Sitze, nachdem ihre Kapstädter Bürgermeisterin und ihr
Stellvertreter zum ANC übergelaufen waren, und als Folge des unbeliebten
Sparprogramms, das sie in den von ihr geführten Gemeinden, viele in Koalition
mit der EFF, entfesselte.

Die EFF hingegen
erwies sich mit 1,9 Millionen Stimmen und 19 neuen Sitzen als echte
Wahlsiegerin und erhöhte ihre Gesamtzahl an Abgeordneten auf 44 (DA 84, ANC
230). Das EFF-Manifest konnte auf ihre Unterstützung für wichtige soziale
Bewegungen hinweisen einschließlich wichtiger Reformen in der Landfrage und bei
Studiengebühren, die sie dem ANC neben einer Vielzahl von kleineren
Verbesserungen abgetrotzt hat.

Das Manifest der
EFF heißt „Unser Land und unsere Arbeitsplätze JETZT!“ Sein Umfang beträgt 168
Seiten und trägt den Untertitel „Ein Volksmanifest und Aktionsplan“. Es enthält
jedoch grundlegende Fehler und stellt ein völlig reformistisches Programm dar,
das trotz der Forderungen nach einer Verstaatlichung der Nationalbank und der
Minen weder als konsequent antikapitalistisch noch antiimperialistisch
bezeichnet werden kann.

Besorgniserregend
ist, dass fast kein Bezug zu den Gewerkschaften, den sozialen Bewegungen in den
armen Vororten (Townships), der Landlosenbewegung oder der Solidarität mit
MigrantInnen hergestellt wird. Das Manifest appelliert an „Gaben von oben“ und
versteht sich keinesfalls als Aktionsprogramm zum Kampf.

Studentische
Reformen und die Studierendenbewegung werden zwar kontrastreich und ausführlich
erwähnt. Aber die bisherige Praxis der EFF zeigt, dass sie sich von breiteren
sozialen Bewegungen fernhält, die sie nicht kontrollieren oder zumindest
beeinflussen kann.

Methode der EFF

Die wichtige
Frage der Landumverteilung unterstreicht die autoritäre Methodik der EFF.
Obwohl das Land ohne Entschädigung verstaatlicht, kostenlos verteilt und Frauen
und Jugendlichen die Hälfte des Landes zur Verfügung gestellt werden soll,
werden die Rechte der „illegalen“ LandbesetzerInnen nicht erwähnt und die EFF
schweigt zur Frage der Landnahme, die derzeit grausam unterdrückt wird.
Tatsächlich verspricht die Partei, die mörderische Polizei massiv zu
verstärken.

Stattdessen soll
ein „Volksbodenrat“ das Land neu verteilen, und eine EFF verspricht, dass sie
an der Regierung „die Rechte der traditionellen FührerInnen bei der Zuweisung
und Umverteilung von Land nicht abschaffen wird“.

Wiederum werden
eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns und Millionen neuer Arbeitsplätze
zugesagt. Aber sie haben einen hohen Preis – für die Armen. Für die reichen
Sonderwirtschaftszonen, einschließlich aller wichtigen Townships, soll es keine
Besteuerung geben, solange sie 2.000 neue Arbeitsplätze schaffen.
Gewerkschaftsrechte werden in den Sonderwirtschaftszonen notorisch aufgegeben.

Vor allem die
BRIC-Länder (Brasilien, Russland, Indien, China) werden gezielt angesprochen,
sich auf Binneninvestitionen zu beschränken, während Südafrika bestrebt ist,
den afrikanischen Markt für sich zu erschließen. Der Anführer der EEF, Julius
Malema ist ein Türöffner für OligarchInnen und chinesische Mega-Konzerne.

Die EFF koppelt
dies mit dem „Schutz und der Lokalisierung von Industrien, die Grund- und
Gebrauchsgüter durch Importsubstitution herstellen“, von Löffeln und Seife über
Glühbirnen bis hin zu verarbeiteten Lebensmitteln. Dies mag einige
Arbeitsplätze auf Kosten der südafrikanischen NachbarInnen retten, aber es wird
die chinesische Stahlindustrie nicht ausbremsen.

Es sind
demokratische „Reformen“ vorgesehen, die den Staat zentralisieren sollen, indem
die Provinzregierung abgeschafft und die Kommunalverwaltungen direkt gegenüber
der Regierung verantwortlich gemacht werden. In den internationalen Beziehungen
würde die EFF Südafrika auf Russland und China ausrichten, was als Modell für
die Zukunft gilt.

Wo war die SWRP?

Die größte
Enttäuschung bei den Wahlen war das katastrophal schlechte Abschneiden der
Socialist Revolutionary Workers Party (SWPR). Trotz der Unterstützung durch die
MetallarbeiterInnengewerkschaft NUMSA erhielt sie jedoch nur 24.439 Stimmen und
dies bei einer NUMSA-Mitgliedsstärke von 339.000.

Die neue Partei
wurde erst am 4.-8. April 2019 ins Leben gerufen, obwohl sie schon 2014
angekündigt worden war. Gleichzeitig wurden NUMSA und der
COSATU-Generalsekretär Zwelinzima Vavi aus COSATU ausgeschlossen. Die militante
MetallarbeiterInnengewerkschaft forderte damals „eine Bewegung für den
Sozialismus, da die ArbeiterInnenklasse eine politische Organisation braucht,
die sich in ihrer Politik und ihren Aktionen für die Errichtung eines
sozialistischen Südafrikas einsetzt“.

Aber eine solche
Bewegung wurde nie aufgebaut. Vavi, der jetzt den neuen Gewerkschaftsbund SAFTU
leitet, zu dem NUMSA gehört, sagte am 1. Mai dem Sender SABC News, dass SAFTU
noch nicht über die neue Partei gesprochen habe und NUMSAs Unterstützung „bedeutet
nicht, dass SAFTU daher plötzlich die SRWP ohne interne Diskussion
unterstützt“.

Die CWI-Sektion
WASP (Schwesterorganisation der SAV) kritisierte auch die SRWP für ihren
Rückzug aus dem ArbeiterInnengipfel, den NUMSA selbst erst im Juli letzten Jahres
einberief, die Besetzung von Führungspositionen durch NUMSA-AnhängerInnen und
die mangelnde Transparenz darüber, woher das gesamte Geld für den Start kam.

Das Manifest der
Partei „Gleichheit, Arbeit, Land“ scheut sich nicht, revolutionär klingende
Erklärungen abzugeben. In der Präambel des Programms heißt es, dass die Partei,
„geleitet vom Marxismus-Leninismus“, darauf abzielt, die ArbeiterInnenklasse
„in ihrer historischen Mission, Imperialismus und Kapitalismus zu besiegen und
den Sozialismus in Südafrika, Afrika und auf der ganze Welt zu etablieren als
Auftakt für den Vormarsch zu einer wirklich freien und klassenlosen
Gesellschaft: zu einem kommunistischen Südafrika, Afrika und der
kommunistischen Welt“ anzuleiten.

Weiter heißt es:
„Die SRWP wird alle strategischen Industrien verstaatlichen, insbesondere die
Bergwerke, das Land und kommerzielle Farmen, die Banken, die großen Fabriken
und die Großunternehmen (…) und alle verstaatlichten Industrien in einen
demokratischen sozialistischen Produktionsplan für die menschlichen Bedürfnisse
und nicht für Profit integrieren.“

Aber die Vorlage
eines knappen und in etlichen Punkten auch verkürzten marxistischen Programms,
bevor es einen ernsthaften Versuch gab, die militanten Gewerkschaften dafür zu
gewinnen, war ein großer Fehler. Eine viel bessere Methode wäre der Kampf um
die Gewinnung der Massenorganisationen an den Arbeitsplätzen und in den
Gemeinschaften, um eine ArbeiterInnenpartei zu bilden, wie es Leo Trotzki in
seinen Schriften an seine AnhängerInnen in den USA dargelegt hat. Bei der
Gründung der SRWP gab es keine vorherige Diskussion, kein Engagement anderer
Kräfte oder von GewerkschaftsführerInnen. Dadurch sieht die Partei wie eine
Totgeburt aus.

Welche Partei?

Die
Basismitglieder von NUMSA müssen zusammen mit den TeilnehmerInnen des
ArbeiterInnengipfels und anderen radikalen Kräften der ArbeiterInnenklasse wie
der Bergleutegewerkschaft AMCU die Notwendigkeit der politischen Einheit in
einem Kampfprogramm diskutieren. Es darf kein parlamentarischer „Aktionsplan“
wie der der EFF-Führung sein, der in Koalitionsgesprächen mit dem Klassenfeind
als Verhandlungsgrundlage dienen soll. Wir brauchen keinen ANC 2.0.

Darüber hinaus
kann keine neue Partei die jungen ArbeiterInnen und StudentInnen der EFF
umgehen, die zweifellos derzeit ein wichtiger Teil der Vorhut der Klasse sind.
Wenn RevolutionärInnen Wege finden können, mit ihnen zu kämpfen, ihre
FührerInnen auf die Probe zu stellen und die Mitglieder für den revolutionären
Marxismus und das Programm der permanenten Revolution zu gewinnen, dann kann
eine neue ArbeiterInnenpartei in Südafrika entstehen.




Kühnert: Mit dem Juso-Chef BMW enteignen?

Tobi Hansen, Neue Internationale 238, Juni 2019

Noch vor wenigen Wochen hatte der Vorstoß des Juso-Chefs
Kühnert für eine gewisse Irritation in der bürgerlichen Landschaft gesorgt.
Nach dem jüngsten Wahldebakel scheint man wieder beruhigt, dass der „Linke“ mit
der SPD untergeht, der Vorstoß also nicht so ernst zu nehmen sei.

Während der Abstimmung über die Große Koalition hatte
Kühnert in der SPD zumindest für die Ablehnung mobilisiert, sich allein dadurch
schon „links“ hervorgetan. Dass er aber auch über eine mögliche Enteignung von
BMW spekulierte, war nicht unbedingt zu erwarten.

Aber der Reihe nach. Schon das Berliner Volksbegehren
„Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ sorgte für relativ viel Aufregung in der
bürgerlichen Klasse und deren Parteien. Die Initiative, Miethaie zu enteignen
und MieterInnen vor Abzocke, Verdrängung und Spekulation zu schützen, erfährt
schließlich relativ offene Sympathie, sogar in einigen bürgerlichen Medien. Das
Thema Enteignung wird wieder öffentlich diskutiert und die dementsprechenden
Paragraphen aus Landesverfassungen und dem Grundgesetz werden ausgegraben.

Auch die Berliner Jusos unterstützen das Volksbegehren und
gehen damit auf Konfrontation mit dem Regierenden Bürgermeister Müller, welcher
Enteignungen entschieden ablehnt.

Dass die FDP eine Änderung des Grundgesetzes und der
Landesverfassungen fordert, um Enteignungen von KapitalistInnen auszuschließen,
und die Unternehmensverbände in heller Aufruhr sind, zeigt, dass die
Bourgeoisie an ihrem „wunden“ Punkt getroffen wurde, nämlich beim
Privateigentum. So steht es um das Nervenkostüm der besitzenden Klasse, sobald
die Quelle ihrer Bereicherung, das Privateigentum an den Produktionsmitteln,
auch nur ein Stück weit in Frage steht.

Alles in allem war es nicht sonderlich ungewöhnlich, dass
ein Juso-Vorsitzender mal „links“ ausholt und sich im Interview für die
Interessen von MieterInnen und nicht von Wohnkonzernen ausspricht. Bei BMW
wurde es deutlicher und gewissermaßen „gefährlicher“. Kühnert wollte, dass die
ArbeiterInnen bei BMW entscheiden sollen, was produziert wird, dass BMW auch
enteignet werden und in die Hände der ArbeiterInnen übergehen kann.

Betriebsrat gegen jede Enteignung

Interessant war, wer aus dem „eigenen Lager“ als erstes
gegen Kühnert ausholte. Dass die bürgerlichen Medien und Politik schon die SED
in der SPD wiederauferstanden sahen, war klar. Dass der
Seeheimer-Kreis-Sprecher Kahrs dem Juso-Vorsitzenden den Konsum illegaler
Drogen unterstellte („Was hat der denn geraucht, war bestimmt nicht legal“), war
bei diesem rechten Flügel der SPD-Bundestagsfraktion zu ahnen.

Spannender war der Auftritt des BMW-Betriebsratsvorsitzenden
Schoch. Dieser stellte fest, dass die SPD nun keine Option mehr für die
BMW-Beschäftigten wäre. So tolle Arbeitsplätze wie beim bayrischen Autokonzern
gäbe es fast nirgends. Die SPD sollte erst mal die Wirtschaft verstehen, bevor
sie darüber rede. Da haben wir viel gelernt vom und über den IGM-Betriebsrat.
Wenn die Wirtschaft gut funktioniert und die BesitzerInnen gut verdienen, geht es
anscheinend auch den Beschäftigten gut. Schochs Äußerung stellt freilich keinen
Ausrutscher dar. Er denkt gewissermaßen nur die Sozialpartnerschaft zu Ende,
frei nach dem Motto, wenn es dem/r HerrIn (dem/r EigentümerIn) gut geht, bleibt
auch für den Knecht/die Magd (die Lohnabhängigen) mehr übrig.

Nun wussten auch alle Medien, als Juso-Vorsitzender muss man
mal „richtig“ links sein können. Sicherlich hatte er mit der Kampagne „NoGroko“
für den Seeheimer Kreis, Gabriel und Co. schon genügend, wenn auch konsequenzlose
Opposition gezeigt. Dass er nun noch politische Forderungen aufstellte, war
dann für einige doch zu viel. Die Medien erinnerten uns daran, dass alle
Juso-Vorsitzenden der letzten 30–40 Jahre schon mal „marxistisch“ daherkamen.
Als wenn die ArbeiterInnen tatsächlich von Kühnert erwarten würden, dass dieser
Firmen enteignet! Aber im Zug der Debatte um das Berliner Volksbegehren war die
Enteignung für bundesdeutsche Verhältnisse erstaunlich oft in aller Munde und
hätte die Möglichkeit geliefert, diese Debatte als Vorlage zu benutzen.

Umso bescheidener war die Reaktion der Linkspartei. Deren
Vorsitzende Kipping verteidigte den Juso-Vorsitzenden zwar im Protesthagel
seiner eigenen Partei. Ihrer Ansicht nach wäre das ein Zeichen für einen
gesellschaftlichen Gesinnungswandel. Doch der Vorschlag Kühnerts, dass jede/r
nur eine eigene Wohnung haben sollte, ging Kipping dann doch zu weit. Sie hofft
weiterhin auf anständige VermieterInnen. Diese  Hoffnung wurde in Westdeutschland lange Zeit „soziale
Marktwirtschaft“ genannt und – hoppla! – schon ist Kipping bei Wagenknecht
gelandet. Wichtiger als die schützenden Worte für Kühnert war freilich, dass
sogar DGB-Chef Hoffmann dessen Gedanken lobte und seinen Kollegen Schoch auf
die Satzung der IGM hinwies. Dort wird wie auch bei Sonntagsreden anderer
GewerkschaftsfunktionärInnen eine Vergesellschaftung von Großbetrieben
zumindest in Betracht gezogen.

Perspektive Enteignung

Dabei müssten sich gerade die Gewerkschaften angesichts
einer möglichen Wirtschaftskrise Gedanken machen, wie mit Betrieben und
Konzernen umzugehen ist, die geschlossen werden und Massen in die
Arbeitslosigkeit schicken. Ohne Kampf für die entschädigungslose Enteignung und
Verstaatlichung unter ArbeiterInnenkontrolle wird es nicht möglich sein, die
Angriffe zu stoppen. Dazu reichen freilich keine Lippenbekenntnisse wie von
Kühnert – dazu braucht es Klassenkampf, Betriebsbesetzungen und Massenstreiks.
Dazu hat der Juso-Chef bezeichnenderweise nichts gesagt.




Kommunal- und Europawahlen in Sachsen: Eine letzte Warnung

REVOLUTION Sachsen, Neue Internationale 238, Juni 2019

Am 26. Mai waren auch in
Sachsen rund 3,3 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, nicht nur für das
EU-Parlament, sondern auch für die Kommunalwahlen ihre Stimmen abzugeben. Im vorläufigen
Endergebnis wird unmissverständlich deutlich, wovor wir schon lange warnen: Es
gibt einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Rechtsruck! Dieser äußert sich
nicht nur im Wahlsieg der RechtspopulistInnen in Ländern wie Frankreich,
Großbritannien und Italien, sondern schlägt sich auch im Ergebnis der „Alternative
für Deutschland“ (AfD) nieder und tritt am heftigsten in Sachsen zum Vorschein:
Die AfD ist in fast allen Landkreisen, in Chemnitz und fast auch in Dresden als
stärkste Kraft aus den Wahlen hervorgegangen. Lediglich im Vogtland und in
Zwickau schaffte es die CDU, den ersten Platz zu verteidigen. In Leipzig
konnten die Grünen die meisten Stimmen holen. In allen anderen Städten und
Gemeinden erhielt die AfD die meisten Stimmen und ließ die CDU erstmals hinter
sich.

Nach dem derzeitigen
Stand kommt die AfD bei der EU-Wahl insgesamt auf 25,3 % der Stimmen in
Sachsen und konnte somit ihr Ergebnis im Vergleich zu 2014 (10,1 %) mehr
als verdoppeln. Die CDU hingegen hat seit der letzten Europawahl 11,5 %
einbüßen müssen und kam damit gerade mal auf 23 %. Dahinter landete DIE
LINKE mit 11,7 % (-6,6 %). Die Grünen kamen auf 8,6 % und die
FDP konnte 4,7 % der Stimmen erreichen. Die SPD wurde ebenfalls abgestraft
und hat mit aktuell 8,6 % fast die Hälfte ihrer WählerInnen verloren (2014:
15,6 %). Die Satirepartei „Die Partei“ schaffte es auch in Sachsen, vor
allem von der Schwäche der Linken zu profitieren, und erzielte hier
bemerkenswerte 2,9 %.

Falls die AfD es schafft,
ihr derzeitiges Ergebnis zur Landtagswahl im September zu verteidigen, oder
schlimmstenfalls sogar noch zulegt, lässt sich eine Regierungsbildung durch CDU
und AfD nicht ausschließen. Um dies zu verhindern, müsste die CDU gemeinsam mit
den Grünen, der SPD und FDP eine Koalition eingehen, die jedoch knapp um die
Regierungsmehrheit bangen müsste. Unter Umständen würde notfalls DIE LINKE für
die nötige Mehrheit sorgen oder sogar eine Regierungsbeteiligung anbieten, um
sozusagen eine „Demokratische Allianz“ gegen die AfD zu bilden. Eine solche Koalition
würde zweifellos dem Image der AfD als einziger Anti-Establishment-Partei in
die Hände spielen und SPD und DIE LINKE durch den Ausverkauf der eigenen
sozialen Basis schaden. Ob die CDU sich überhaupt darauf einlassen würde, ist
allerdings ebenfalls fraglich. Es wäre auch denkbar, dass die CDU ihren
derzeitigen Kurs ändert und sich doch auf Gespräche mit der AfD einlässt,
welche zusammen eine stabilere Mehrheit im Landtag stellen könnten als die
erstgenannte Regierungsoption. Die Folgen einer CDU-AfD Koalition in Sachsen
wären schwerwiegend, gerade für uns Jugendliche und Menschen mit
Migrationshintergrund. Es ist nicht nur so, dass dann eine rechtspopulistische,
rassistische Partei mit in der Regierung säße und als stärkste Kraft womöglich sogar
den Ministerpräsidenten stellen würde. Die AfD leugnet außerdem offen den
Klimawandel, ist gerade in Sachsen eng mit faschistischen Strukturen und
militanten Neonazis vernetzt. Zudem gilt als Sachsen als einer ihrer rechtesten
Landesverbände. Neben einer Verschärfung der asylfeindlichen Politik und einer
zunehmend rassistisch aufgeheizten Stimmung können wir uns im Falle einer
CDU-AfD Koalition nach den Landtagswahlen auch auf Sozialkürzungen, den
weiteren Ausbau des Polizei- und Überwachungsstaates, die zunehmende
Einschränkung von Grundrechten und Kriminalisierung von Linken und der Fridays-for-Future-Bewegung
einstellen. Mit dem am 1. Januar 2020 in Kraft tretenden neuen Polizeigesetz
hätte eine solche Regierung auf alle Fälle ein großes Repertoire an Unterdrückungswerkzeugen
zur Hand. Es ist nicht übertrieben, davor zu warnen, dass gerade die
klimafeindliche und zu Teilen ultrarechte sächsische AfD insbesondere
antirassistische AktivistInnen, streikende SchülerInnen und linke Gruppen mit
harter Repression überziehen würde.

Daher ist es jetzt um so
wichtiger, Widerstand gegen die AfD zu organisieren und eine antirassistische
und soziale Bewegung gegen den Rechtsruck aufzubauen. Hierbei könnte die
aktuelle Fridays-for-Future-Bewegung einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie
auch offen gegen Rassismus und die AfD Stellung bezieht. Denn Umweltschutz
bedeutet Kampf dem Rechtsruck! Deshalb organisieren wir zum 28. Juni einen
antirassistischen Schul- und Unistreik. Unter dem Motto #FridayAgainstRacism
rufen wir vor allem die SchülerInnen, die sonst freitags gegen den Klimawandel
auf die Straße gehen, aber auch die Studierenden und Auszubildenden dazu auf,
an diesem Tag ein deutliches Signal gegen Rassismus, Neoliberalismus, Sexismus
und eine klimafeindliche Politik zu setzen. Wenn wir, statt im Unterricht oder
in den Hörsälen zu sitzen, vor der Landtagswahl unsere eigenen Positionen auf
die Straße tragen, können wir uns als Jugendliche Gehör verschaffen und ein
deutliches Zeichen gegen den Rechtsruck setzen. Hierzu müssen wir uns weiter
organisieren und vernetzen! Deshalb schreibt uns an, kommt zu unseren Treffen,
beteiligt euch an den Vorbereitungen, gründet an euren Schulen, in den
Betrieben und an den Unis Streikkomitees und lasst uns unmissverständlich klarmachen,
was wir Jugendlichen für eine Zukunft haben wollen: nämlich eine lebenswerte
ohne Rassismus, Abschiebungen und Sozialabbau. Eine Zukunft, in der
NS-Rhetorik, der Klimawandel und ein autoritärer Polizei- und Überwachungsstaat
der Vergangenheit angehören. Also eine Zukunft ohne Rechtspopulismus, eine
Zukunft ohne die AfD!

Get organized

  • 19. Juni, 17.00 Uhr, Dresden im Zentralwerk, Riesaer Str. 32, Seminarraum (1. Stock links): Diskussion „Umweltzerstörung & Rassismus“/ Streikvorbereitung
  • 28. Juni, 12.00 Uhr, am Goldenen Reiter: #FridayAgainstRacism – Schulstreik