Ein Jahr Trump – Schrecken ohne Ende?

Christian Gebhardt, Neue Internationale 226, Februar 2018

Am 20. Januar jährte sich die Amtseinführung Donald Trumps: Ein Tag, der nicht nur durch den Überraschungssieg des rechtspopulistischen, Anti-Establishment-Kandidaten in die Geschichte eingehen wird. Nicht minder beeindruckend war der Tag danach, als bei der größten Mobilisierung seit den Protesten gegen den Irakkrieg weltweit schätzungsweise 5 Millionen Menschen im Rahmen des „Women’s March“ auf die Straße gingen. Der internationale Charakter der Mobilisierungen nahm schon damals die tief gehenden internationalen Auswirkungen von Trumps Amtsantritt vorweg.

Kritik der Liberalen

Der Versuch einer Bilanz des ersten Jahres kann dabei unter unterschiedlichen Gesichtspunkten angegangen werden. Die liberalen GegnerInnen fokussieren sich stark auf Trumps angebliche und auch reale Ineffizienz. Seine Versprechen, die er großspurig im Wahlkampf angekündigt hatte – wie z. B. Einschränkung der Einwanderung, den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko, die Initiierung eines großen Infrastruktur- und Arbeitsplatzprogramms – hätte er nicht erfüllen können. Ein Blick auf die „Ausnahme“ – die vor kurzem beschlossene Steuerreform (http://www.fifthinternational.org/content/usa-another-trickle-down-tax-scam), eine massive Umverteilung zugunsten der Reichen und Superreichen, der Kapital- und VermögensbesitzerInnen – zeigt freilich, wie schwachbrüstig diese „Kritik“ im Kern ist.

Sie dient offenkundig mehr als Beweis für seine Unfähigkeit und die Krise innerhalb seines Arbeitsstabes sowie als tröstender Rekurs auf die Stärke der amerikanischen Demokratie, die ihn schon in seine Schranken weisen würde, denn als sachliche Bilanz. Die liberalen Kräfte in Amerika scheinen Trump zu einem guten Bürger erziehen zu wollen, statt ihn zu bekämpfen und aus dem Amt zu jagen. Allein das zeigt schon, dass sich die AktivistInnen, die auf die Straße gegangen sind, um ihren Slogan „Dump Trump!“ auch umzusetzen, nicht auf diese politischen Kräfte verlassen dürfen.

Ein anderes Bild wird aber offenbar, wenn man sich mit einer Bilanz nicht darauf konzentriert, welche neuen Gesetze Trump durchgesetzt, sondern welche alten Gesetze und Entscheidungen Trump rückgängig gemacht hat. Hier wird auch deutlich, warum ihn die amerikanische Bourgeoisie nicht durchgängig als Problem betrachtet, sondern vielmehr hinsichtlich ihrer Haltung zum Präsidenten selbst gespalten ist und schwankt. Hier seien nur beispielhaft die Einschränkung der Befugnisse der Umweltbehörde, die Verkleinerung der Nationalparkbereiche und die gleichzeitige Ausweitung von Flächen, die zur Rohstoffgewinnung verwendet werden dürfen, der Austritt aus dem Pariser Klimavertrag, die Aufhebung von NAFTA genannt – allesamt Maßnahmen, die auch Teilen des US-Kapitals zugutekommen.

Wann man die rassistische Nichtverlängerung der Aufenthaltserlaubnis für die sogenannten „Dreamers“, die mehr oder weniger klare Unterstützung offen rassistischer Aktionen wie anlässlich der Proteste in Charlottesville und die Gleichsetzung von „linker“ und „rechter“ Gewalt in Rechnung stellt, macht das sehr deutlich, dass sich Trump eher um seine rechte WählerInnen- und UnterstützerInnenbasis kümmert, als sich vom Establishment „einfangen zu lassen“.

Wirtschaftliche Hintergründe inner-imperialistischer Rivalitäten

Viele der politischen Entwicklungen der letzten Jahre und der Aufstieg Trumps müssen samt ihren wirtschaftlichen Hintergründen analysiert werden. Auseinandersetzungen wie die mit Nordkorea oder Iran rund um deren Atomprogramm liegen wirtschaftliche Entwicklungen zu Grunde. Dies sind vor allem der Aufstieg des chinesischen Imperialismus im Verhältnis zur Weltmarktposition der USA und die damit einhergehenden inner-imperialistischen Auseinandersetzungen. Die AnalystInnen der Deutschen Bank sprechen davon, dass innerhalb von 5 Jahren China einen größeren Anteil am weltweiten Bruttoinlandsprodukt (BIP) haben wird als die USA – eine Dynamik, die von ihnen als „der relative Abstieg einer Weltsupermacht“ beschrieben wird. Diese Aussage kann und muss natürlich kritisch gesehen werden, da die USA bei vielen Wirtschaftsindikatoren weiterhin deutlich vor China liegt und die amerikanische Wirtschaft weiterhin den Kern des globalen Finanzsystems darstellt. Allein die Tatsache, dass über 80 % aller weltweiten Finanztransaktionen in Dollar abgewickelt werden, spricht dafür. Nichtsdestotrotz werden die Muskelspiele Chinas immer kräftiger und einschüchternder für die USA.

Ein Beispiel, wo diese direkten oder indirekten Konflikte zwischen dem chinesischen und amerikanischen Imperialismus schon zu realen Veränderungen geführt haben, ist die kürzlich verkündete Entscheidung der USA, ihre bisherigen „Sicherheitszahlungen“ an Pakistan in Höhe von 225 Millionen Dollar einzustellen. Das ist ein Ausdruck des zunehmenden Einflusses Chinas. Da wird als „Weltpolizei“ dann lieber die Sicherheitslage in Pakistan angeheizt.

Auch die aggressivere Vorgehensweise in Lateinamerika, die Unterstützung der rechten Opposition in Venezuela gegen die Regierung Maduro und des Temer-Putsches in Brasilien, sind ein Anzeichen dafür, dass die USA in Zukunft außenpolitisch offensiver agieren müssen, um verlorenes Terrain zurückzuerobern oder nicht zu verlieren. Dies spricht ganz klar gegen einen „Rückzug“ auf einen isolationistischen Kurs, den das Land Anfang des 20. Jahrhunderts verfolgte. Wohl aber verabschieden sich die USA unter Trump von einem ironischerweise selbst aufgebauten und lange dominierten internationalen imperialen Herrschaftssystem, das auf einer ganzen Reihe von multilateralen Verträgen und Abkommen wie WTO, TTIP/TPP, IWF/Weltbank usw. usf. beruhte oder noch unter Obama Bestand haben sollte. Die Aufkündigung von NAFTA, TTP und der Abbruch der TTIP-Verhandlungen zeigen an, dass den USA die „Kosten“ dieser Dominanz zu hoch erscheinen, dass diese durch bilaterale Abmachungen ersetzt werden sollen, wo das Übergewicht des US-Imperialismus noch stärker zur Geltung kommen soll.

Für all diese wirtschaftlichen und politischen Veränderungen bildet der derzeitige Niedergang der US-Hegemonie den Hintergrund, den Donald Trump durch seinen Slogan „Make America Great Again“ auf den Punkt brachte. Dieser Niedergang wurde z. B. durch die Unfähigkeit der Obamaregierung verdeutlicht, der es nicht möglich war, eine Position zur syrischen Revolution und zum Bürgerkrieg zu entwickeln. Auch die Tatsache, dass Baschar al-Assad und seine Verbündeten daraus als Sieger hervorgingen und der russische Imperialismus gestärkt wurde, beschreibt diesen Abstieg. Noch deutlicher wird es darin ausgedrückt, dass Xi Jinping eine neue globale Rolle für China ankündigt. All das erhöht auch den Spielraum, den langjährige US-Verbündete wie die Türkei zu nutzen versuchen – durchaus auch im partiellen Gegensatz zur dominierenden Großmacht.

Die Präsidentschaft Trumps wird diese Entwicklungen weiter beschleunigen und den Kampf um die Neuaufteilung der Welt zuspitzen.

Der Aufstieg Trumps und die Führungskrise der ArbeiterInnenklasse

In der amerikanischen Linken werden unterschiedliche Gründe für den Aufstieg Donald Trumps diskutiert. In der marxistischen Linken kommen häufig folgende richtige Argumente zum Vorschein: Er sei ein Ausdruck (a) der globalen wirtschaftlichen Krise und (b) der Krise der herrschenden Klasse in den USA. Das ist sicher richtig.

Aber Trumps Präsidentschaft verdeutlicht auch die Führungskrise der ArbeiterInnenklasse – eine Führungskrise, die in den USA soweit geht, dass nicht einmal eine reformistische ArbeiterInnenpartei wie z. B. in den europäischen Ländern existiert. Das Fehlen einer fortschrittlichen, linken Alternative für die derzeitigen Probleme der ArbeiterInnenklasse – sprich eine klassenunabhängige und sozialistische Perspektive – fördert auch die Rechtsentwicklung, das Aufkommen rechtspopulistischer Bewegungen und deren Einfluss in Teilen der (weißen) ArbeiterInnenschaft.

Auch wenn die politische Krisensituation, welche weiter durch Trump angeheizt wird, Möglichkeiten für den Aufbau einer solchen Alternative bietet, muss auch vor den Gefahren gewarnt werden. Sherry Wolf, eine Aktivistin der International Socialist Organization (ISO – eine der größten „trotzkistischen“ Organisationen in den USA), vertrat auf einem Vortrag vor dem „Anderen Davos“ in Zürich am 13. Januar die oben angegebenen Analyse, ohne die Krise der ArbeiterInnenklasse anzusprechen. Auch die strategisch wichtigste Aufgabe der Bildung einer ArbeiterInnenpartei wurde von der Genossin leider nicht angesprochen. Nach einer direkten Nachfrage wurde auf beide Punkte von Seiten Sherry Wolfs nur sehr abstrakt und ausweichend eingegangen.

Eine der einflussreichsten Organisationen innerhalb der radikalen Linken in Amerika sollte jedoch in diesem Punkt klarer und deutlicher eine Position beziehen können. Die Vorschläge der Genossin beschränkten sich darauf, auf kommende und unausweichliche Aufstände zu warten, welche das Bewusstsein der Menschen transformieren würden. Ihr sei es hier egal, ob diese Aufstände progressiver oder reaktionärer Natur seien. Ihr sei nur wichtig, dass sie stattfänden. Diese fatalistische und passive Art ist leider ein sehr verhängnisvoller Ausdruck der Strategielosigkeit der ISO-GenossInnen. Ohne eine revolutionäre Organisation, die in kommende Klassenkämpfe oder gar Aufstände mit einem Programm, einer Strategie, einer Taktik zum Aufbau einer revolutionären Partei intervenieren kann, werden solche Kämpfe unvermeidlich auf halben Wege steckenbleiben. Die ISO überlässt fatalerweise diese Schlüsselaufgabe kommunistischer Politik der „spontanen“ Entwicklung, dem „objektiven“ Prozess.

Aufbau einer ArbeiterInnenpartei!

Jedoch bestehen es derzeit Möglichkeiten in den USA, wichtige Schritte hin zu einer ArbeiterInnenpartei zu gehen. Die UnterstützerInnen der Liga für die 5. Internationale in den USA argumentieren derzeit dafür, in die Democratic Socialists of Amerika (DSA) einzutreten, um sich an der dort stattfindenden, sehr wichtigen strategischen Debatte zu beteiligen. Eine Debatte, die sich darum dreht, ob die DSA ihre traditionellen Verknüpfungen mit der Demokratischen Partei aufgibt oder nicht. Ein solcher notwendiger Bruch, verbunden mit einer Initiative zum Aufbau einer ArbeiterInnenpartei, wäre ein riesiger Schritt in die richtige Richtung, letztere auch ein Attraktionspool für viele ArbeiterInnen in den USA. RevolutionärInnen – und auch die subjektiv revolutionären GenossInnen von der zentristischen ISO rund um Sherry Wolf – sollten aktiv und offen den Kampf für eine solche Perspektive aufnehmen und koordiniert innerhalb der DSA für ein revolutionäres Aktionsprogramm und eine ebensolche Führung kämpfen.




Münchner Sicherheitskonferenz 2018: Auf dem Weg zur EU-Armee?

Jürgen Roth, Neue Internationale 226, Februar 2018

Dies 54. diesjährige Münchner Sicherheitskonferenz (SiKo) findet vom 16.-18. Februar im Bayerischen Hof statt. Ein offizielles Motto gibt es (noch) nicht. Klar ist jedoch, dass die Themen Krieg, Terrorismus und Flüchtlingskrise wieder ganz oben auf der Tagesordnung stehen werden.

Relativer Abstieg einer Supermacht

An der russischen Grenze stehen sich aufgrund vorgerückter NATO-Truppen die größten Militärmächte der Welt gegenüber. Der Konflikt zwischen Nordkorea und den USA trägt das Potenzial eines Atomkriegs in sich. Die Türkei überfällt den mehrheitlich von KurdInnen bewohnten Kanton Afrin in Nordsyrien. Die Kriegsgefahr wächst also.

Die aktuelle Weltlage ist durch den Niedergang der USA als globale Hegemonialmacht gekennzeichnet. Präsentierte sie sich noch in den 1990er Jahre als „unilaterale Supermacht“, verliert sie zunehmend an Boden gegenüber ihren (potentiellen) Rivalen. Am meisten Kopfzerbrechen bereitet dabei der Aufstieg Chinas als wirtschaftlicher Konkurrent. Schon heute hat die Volksrepublik die USA als Welthandelsmacht weit hinter sich gelassen. So betrug 2015 das chinesische Exportvolumen 2,27 Billionen US-Dollar gegenüber „nur“ 1,505 Billionen der Vereinigten Staaten. Zweifellos ist das nur eine Kennzahl, die den Aufstieg des fernöstlichen Rivalen verdeutlicht, der in vielen anderen wirtschaftlichen Bereichen und erst recht auf militärischem Gebiet noch weit hinter den USA zurückliegt. Aber die Dynamik der Entwicklung ist eindeutig.

Die Hauptlinie des innerimperialistischen Konflikts liegt also auf dem Gegensatz zwischen China und USA, ohne dass jedoch ersteres kurzfristig die USA ablösen könnte. Im Moment verzeichnen wir ein globales „Konzert der Mächte“, bei dem mehrere Zentren um Macht und Einfluss bzw. die gesamte Erde umgreifend um eine Neuverteilung der Macht ringen.

Die „realistische“ Außenpolitik Trumps spiegelt diese Entwicklung wider, trägt stark unilaterale Züge. „Make America first again“ heißt: Konzentration auf die eigene Wirtschaft, Aufholen des Außenhandelsdefizits, Kündigung von TTIP, Kritik an der „antiquierten Mission und Struktur“ der NATO. Die USA wollen sich dabei keineswegs auf eine isolationistische Linie zurückziehen, sie versuchen vielmehr durch bi-laterale Abkommen und eine aggressivere Politik gegenüber ihren Rivalen verlorenes Terrain gutzumachen.

Daher zerbrachen auch die Ankündigungen einer „Entspannung“ gegenüber Russland unter Trump. Dessen Außenminister Sergej Lawrow analysierte auf seiner jährlichen Pressekonferenz das Verhältnis der beiden nuklearen „Supermächte“ zueinander. Dabei kritisierte er scharf die Politik Trumps zum Atomabkommen mit Iran. Ferner seien die Pläne der USA zur Schaffung von Grenzsicherheitszonen in Syrien Ausdruck ihres Desinteresses an der Integrität dieses Staates. Das Thema Ukraine werde weiter künstlich aufgeblasen, die Sanktionen gegen Russland hielten an. Zudem versuche die US-Administration, das Projekt „Nord Stream 2“ (russische Gaslieferungen nach Europa über eine 2000 km kürzere Pipeline, die nicht durch die Ukraine führt) zu verhindern.

Lawrow sieht also keine Änderung in der US-Politik seinem Land gegenüber mit den Zeiten Bushs und Obamas. Seiner Meinung nach verlören die Vereinigten Staaten und der gesamte historische Westen derzeit ihre absolut dominierende Stellung in der Welt, neue Zentren der Finanzkraft, des wirtschaftlichen Wachstums und politischen Einflusses seien entstanden.

Zweifellos. Neben den USA und den „alten“ westlichen Mächten Europas und Japan sind mit China und Russland zwei, wenn auch recht unterschiedliche imperialistische Rivalen auf den Plan getreten.

Pulverfass Naher und Mittlerer Osten

Dieses neue Parallelogramm der Kräfte bildet auch den Hintergrund für die zunehmenden Konflikte in den Reihen der den imperialistischen Blöcken nachfolgenden Regionalmächte, die ihren eigenen Einfluss ausdehnen wollen.

Neben der Türkei zündeln Saudi-Arabien, aber auch der Iran und Israel in diesem Gebiet von höchst geostrategischer Bedeutung an der Lunte. Für die Saudis steht dabei der Konflikt mit einer anderen Regionalmacht, dem Iran, im Vordergrund. Dessen Einfluss im Irak, Jemen, Libanon und in Syrien ist dem Königshaus in Riad ein Dorn im Auge. So versucht es schon mal, den libanesischen Ministerpräsidenten bei sich festzuhalten, Katar zu isolieren, Teile der iranischen aufständischen Bevölkerung zu beeinflussen und legt Jemen im Krieg gegen die Huthi-Rebellen in Schutt und Asche.

Nun soll auch die Sahelzone in die Auseinandersetzungen einbezogen werden. Die EU baut hier gerade eine „G5-Sahelkampftruppe“ mit Beteiligung von Soldaten aus Burkina Faso, Mali, Mauretanien, Niger und dem Tschad auf. Ideologisch gerechtfertigt wird das Programm im Namen des Kampfes gegen Dschihadisten und „islamischen Terror“. In Wirklichkeit geht es um das Stoppen von Flüchtlingsströmen und die Ausweitung des wirtschaftlichen und geo-strategischen Einflusses. Auf einem Gipfeltreffen in Paris Ende 2017 sagte Saudi-Arabien eine finanzielle Unterstützung von 100 Millionen US-Dollar zu. Auch militärisch soll sich eine von Saudi-Arabien im Dezember 2015 gegründete Allianz aus 40 mehrheitlich sunnitisch geprägten Staaten beteiligen, die „Islamic Military Counter Terrorism Coalition“ (IMCTC). Nach manchen Fehlschlägen bleibt Riad nur der Weg in die Eskalation, will es führende Regionalmacht im Nahen Osten werden.

Das imperiale Raumkonzept der EU

Im Stühlerücken um die besten Posten im „globalen Konzert“ will die Europäische Union nicht nachstehen. Ihr geostrategisches Konzept geht zurück auf Arbeiten der „Group on Grand Strategy“ (GoGS). In seiner Schrift „A New Geography of European Power?“ entwickelte der britische Universitätsdozent James Rogers 2011 die Grenzen eines EU-Imperiums und bezeichnete diesen Raum als „Grand Area“. Er umfasst große Teile Afrikas, die ölreiche kaspische und zentralasiatische Region sowie den Nahen und Mittleren Osten, aber auch die Seestraße von Malakka, wo es gelte, die Schifffahrtsrouten nach Ostasien zu kontrollieren. Über diese „Grand Area“ sollen ein dichtmaschiges Netz aus Militärbasen geknüpft, deren Länder permanent in ein EU-geführtes Sicherheitssystem aus diesen Stützpunkten, besseren Kommunikationswegen und engeren Partnerschaften integriert werden.

Der erste Schritt dahin wurde im Rahmen der EU-Osterweiterung von 15 auf 28 Länder gesetzt. Seit dem Jahr 2004 existiert zudem die Europäische Nachbarschaftspolitik mit 15 Staaten, die sich von Nordafrika bis zum Kaukasus erstrecken. Sie sollen mittels Assoziierungsabkommen der großeuropäischen Wirtschaftszone angegliedert und neoliberal umstrukturiert werden, aber keine reale Beitrittsperspektive haben. In diesem Raum erhebt die EU offen den Anspruch, als „Ordnungsmacht“ zu fungieren. Die Verschiebung des Augenmerks der USA auf die asiatisch-pazifische Region unter Obama wird dabei auch als Begründung des Ausbaus eigener Einflusssphären herangezogen. Nachdem sich die USA mehr zurückzögen, müssen die EU oder Deutschland mehr „Verantwortung“ für die Ordnung einer zunehmend unsicheren Welt übernehmen.

Der Weg zum EU-Militär

Vor diesem Hintergrund wurden ab 1999 die Bemühungen, einen schlagkräftigen EU-Militärapparat aufzubauen, erheblich intensiviert. Die Ministerratsgipfel in Köln und Helsinki gelten als Begründer der „Gemeinsamen Außen-/Verteidigungs- und Sicherheitspolitik“ (GASP/GSVP). Ins Stocken geriet das Projekt zunächst mit dem Scheitern des 2003 verabschiedeten Verfassungsvertrags anlässlich der Referenden in Frankreich und den Niederlanden. Dieser trat unter vielen Tricksereien 2009 doch noch als Vertrag von Lissabon in Kraft.

Unter Obama gaben die USA ihren Widerstand gegen eine EU-Militarisierung auf. Zugleich offenbarten die Aktionen der Militärmächte Frankreich und Großbritannien z. B. im Libyenkrieg, dass sie allein noch weit davon entfernt waren, eine Schlagkraft ähnlich den USA zu entwickeln. Die EU-Anstrengungen kam nicht recht vom Fleck. Der Schwenk zu einer deutlich offensiveren deutschen Militärpolitik ab 2014, v. a. aber der Amtsantritt von Donald Trump (Januar 2017) und der Brexit (Juni 2016) leiteten jedoch einen neuen Aufschwung für die Militärpläne ein.

Nur 5 Tage nach dem britischen Austrittsvotum nahm der EU-Rat am 28. Juni 2016 eine neue Globalstrategie (EUGS) an. Sie ersetzt die Europäische Sicherheitsstrategie (ESS) aus dem Jahr 2003 und folgt den Vorgaben der GoGS. Weitere Schritte auf dem Weg zu einer Militärmacht EU folgten nun auf fast allen Treffen der EU-Außen- und VerteidigungsministerInnen. Schließlich veröffentlichte die EU-Kommission am 30. November 2016 den sog. Verteidigungs-Aktionsplan, der im Dezember desselben Jahres vom Rat gebilligt wurde. Anfang März 2017 verständigten sich die EU-Außen- und VerteidigungsministerInnen auf das Ziel einer gemeinsamen „militärischen Planungs- und Führungsfähigkeit“. All das gipfelte in der Unterzeichnung eines Abkommens zur gemeinsamen Verteidigungspolitik.

Der vorläufige Höhepunkt: PESCO/SSZ

Auf der EU-Ratssitzung am 11. Dezember 2017 wurde PESCO (Permanent Structural Cooperation)/SSZ (Ständige Strukturierte Zusammenarbeit) gegründet. Außer Dänemark, Großbritannien und Malta nehmen alle 25 EU-Länder an der SSZ teil. Das Konsensprinzip wird hierfür abgeschafft. Die Teilnehmerländer müssen ihre Verteidigungsfähigkeit ständig weiterentwickeln durch Teilnahme an multinationalen und europäischen Ausrüstungsprogrammen und innerhalb von 5 bis 30 Tagen in der Lage sein, für einen Zeitraum von 30 bis 120 Tagen Truppen und logistische Unterstützung bereitzustellen. Sie verpflichten sich auf folgende Maßnahmen:

  • regelmäßige Erhöhung der Verteidigungsetats;
  • mittelfristige Anhebung der Rüstungsausgaben auf 20 % der Verteidigungshaushalts;
  • Durchführung gemeinsamer strategischer Rüstungsprojekte, unterstützt vom Europäischen Verteidigungsfonds;
  • Erhöhung der Forschungsausgaben auf 2 % des Verteidigungshaushalts;
  • engere Zusammenarbeit bei der sog. Cyberdefence („Computerkrieg“);
  • gemeinsame GSVP-Einsätze, Einsatztruppen und Logistik für die EU-Battlegroups (EUFOR);
  • Verbesserung der Interoperabilität von Streitkräften, Strategie und Waffensystemen;
  • gemeinsame Finanzierung von GSVP-Missionen;
  • mehr Wettbewerb auf dem europäischen Rüstungsmarkt („Rüstungs-Binnenmarkt“).

Europa und Amerika

Aus Sicht der Generaldirektion des EU-Rates sprach vor der Wahl Trumps alles für eine Ergänzung der US-Pläne, nicht für eine Konkurrenz zu ihnen. Dies hatte zudem den Vorteil, eigene Ambitionen nicht offen deklarieren zu müssen.

Nach der Wahl Trumps ist die Lage nicht nur komplizierter geworden, es offenbaren sich auch innere Gegensätze in der EU wie den führenden imperialistischen Staaten des Kontinentes.

Vordergründig wird alles in die Formel der „gemeinsamen Verantwortung” gehüllt, als ein bloß arbeitsteiliges Verfahren dargestellt. Donald Trump fordert ohnedies größere militärische Anstrengungen der europäischen Verbündeten ein. Im Windschatten dieser „gemeinsamen Verantwortung“ kann der Weg zu einer wahrhaften Weltmacht „Europa“ eingeschlagen werden. Auf dieser Linie liegen der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger und Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Die andere Linie in Richtung Abkopplung von den USA und hin zu einer EU-Armee verfolgen z. B. Juncker, Unions-Fraktionschef Kauder und auch Außenminister Gabriel.

Die erstgenannte Fraktion dürfte deshalb zur Zeit die Oberhand behalten, weil die SSZ-Ziele weit von einer Realisierung entfernt sind und die westliche Welt ohne US-Militärschutz auf längere Frist nicht auskommen wird. Doch die Stellung der USA zu einem deutsch geführten Europa kann, ja wird sich ändern, sollte letzteres zu einer militärisch durchsetzungsfähigen Großmacht mit divergenten geostrategischen Zielen mutieren. Umgekehrt sondieren die EU und ihre Führungsmächte angesichts einer USA, die ihren eigenen Niedergang auch auf Kosten Europas aufhalten will, andere mögliche geostrategische Optionen. Auch auf diesem Gebiet werden die Karten neu gemischt.

Widerstand aufbauen!

Obwohl in den letzten Jahren die Militarisierung sowie Kriegsanstrengungen größer geworden sind und diese sich im letzten Jahr zumindest rhetorisch auch immer weiter zuspitzten, Terroranschläge als Begründung für imperialistische Kriege und innere Repression herhalten müssen, wurden die Proteste gegen die SiKo immer kleiner.

Die Sozialdemokratie und Gewerkschaften trugen die Politik der deutschen Regierung mehr oder minder offen mit, ja würden durch eine mögliche Verlängerung der Großen Koalition um weitere 4 Jahre als mitregierende Vermittlerinnen der KapitalistInnen innerhalb der ArbeiterInnenbewegung fungieren. Auch Teile der Friedensbewegung gingen in den letzten Jahren nach rechts: Manche betrachten den russischen Imperialismus als willkommenen Ausgleich zum Westen oder führen mit wehenden Fahnen des Pazifismus die Bewegung in eine Sackgasse. Während ein Teil der radikalen Linken imperialistische Kräfte wie Russland und China in Konflikten wie in Syrien anscheinend unterstützt oder deren Rolle herunterspielt, sind andere gar ins Lager der angeblich „progressiven“ Imperialismen wie der USA im „Kampf gegen den islamistischen Terror“ übergelaufen.

Der einzige Weg, um Schluss zu machen mit Krieg, Ausbeutung und Zerstörung ist der Aufbau eines effektiven Widerstands gegen die VerursacherInnen! Dazu ist es auch nötig, die ArbeiterInnenklasse und ihre Organisationen verstärkt für diesen Widerstand zu gewinnen und diesen mit einer antikapitalistischen Ausrichtung zu verbinden. Dies beinhaltet auch, den Zusammenhang zwischen der verstärkten militärischen Absicherung der Absatzmärkte und Ressourcen und den Angriffen auf die Lohnabhängigen im Allgemeinen aufzuzeigen. Der Kampf gegen Ausbeutung, Billiglohn, Lohnverzicht und Spaltung entlang nationaler und rassischer Linien ist untrennbar mit dem Kampf gegen Imperialismus und Militarismus verbunden.

Der Kampf gegen die Militarisierung und Aufrüstung der EU und die Politik des deutschen Imperialismus müssen dabei im Zentrum unseres Widerstandes stehen: Nein zu allen Militärpakten, raus aus NATO und EU! Keine Waffenexporte an die Türkei, Saudi-Arabien und andere reaktionäre Regime! Keinen Groschen, keinen Cent für die Bundeswehr! Sofortiger Rückzug aller Auslandstruppen!

Wir rufen deshalb alle Linken und Jugendlichen, alle KollegInnen und GewerkschafterInnen dazu auf: Beteiligt auch an der Großdemonstration gegen die Münchner SiKo am 17. Februar, 13.00 Uhr, Karlsplatz (Stachus)!




Antisemitismus und Antizionismus: Reaktionäre Gleichsetzung

Markus Lehner, Neue Internationale 226, Februar 2018

Als US-Präsident Donald Trump am 6. Dezember Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannte, hatte er damit nicht nur dem schon maroden Nahost-Friedensprozess („Oslo-Verträge“) den Todesstoß versetzt. Mit dem offenen Bruch völkerrechtlicher Vereinbarungen zum Status von Jerusalem, der de facto Anerkennung der Okkupation Ost-Jerusalems und der Übereignung eines Mega-Symbols der islamischen Welt an Israel hat Trump die gesamte Region in Bewegung und Aufruhr versetzt.

In der Bundesrepublik beherrschte jedoch schon bald ein anderes „weltpolitisches Thema“ in diesem Zusammenhang die öffentliche Debatte: hatten doch bei zwei Demonstrationen in Berlin unter den hunderten empörten DemonstrantInnen einige wenige TeilnehmerInnen eine auf Papier gemalte Israelfahne verbrannt. Seitdem beherrscht die Sorge über „hasserfüllten Antisemitismus“ unter MuslimInnen in Deutschland die Szene. Umstandslos wird dies in einem Atemzug genannt mit tatsächlich widerlichen antisemitischen Attacken wie der eines Rechtsradikalen, der den jüdisch-stämmigen Restaurantbesitzer Yorai Feinberg in Schöneberg nicht nur unflätig beschimpft, sondern ihm auch gleich mit der Gaskammer gedroht hatte.

Kern der öffentlichen Debatte

Der Gipfelpunkt wurde schließlich in der Bundestagsdebatte zur Einrichtung einer/s Antisemitismus-Beauftragten der Bundesregierung Mitte Januar erreicht. Dabei begründete AfD-Frontfrau von Storch die Zustimmung ihrer Partei zu dieser Einrichtung damit, dass Antisemitismus in Deutschland heute nur noch ein Problem sei, da es hierzulande so viele muslimische MigrantInnen gäbe. RednerInnen anderer Fraktionen wiesen dies zwar zurück – immerhin weisen sogar die offiziellen Statistiken nach, dass die Mehrzahl antisemitisch motivierter Straftaten von rechtsextremen Deutschen verübt wird. Aber von Storch trifft hier schon den ideologischen Kern der Debatte von Politik und MeinungsmacherInnen und ihrer Funktion im Rahmen einer allgemeinen Diffamierung von Menschen mit muslimischem Migrationshintergrund.

In Politik umgesetzt wird die AfD-Polemik tatsächlich von CDU/CSU: Noch im Januar wollen die Unionsfraktionen im Bundestag einen Antrag einbringen, mit dem Antisemitismus-Vorwürfe als Abschiebegrund verwendet werden können. „Wer jüdisches Leben in Deutschland ablehnt oder das Existenzrecht Israels in Frage stellt, kann keinen Platz in unserem Land haben“, heißt es da. Wer Hass gegen Israel schüre, müsse mit allen Mitteln des Rechtsstaates bekämpft werden. Daher soll auf die Bundesländer eingewirkt werden, beim Entzug des Aufenthaltsrechtes bestimmte Verhaltensweisen „deutlich gravierender einzustufen“.

Damit wird tatsächlich der Eindruck erweckt, der muslimische Antisemitismus sei in Deutschland das vordringliche Antisemitismus-Problem bzw. alle, die gegen die Politik des Staates Israel protestierten, stünden in der Geschichtslinie des klassischen Antisemitismus. VerfassungsschützerInnen und akademische ForscherInnen sprechen hier gerne von „antizionistischem Antisemitismus“. Speziell in der muslimischen Welt habe sich aus diesem von Europa in den 1920er/30er Jahren importierten Antisemitismus in Verbindung einerseits mit dem aufkommenden Islamismus, andererseits mit der Radikalisierung im zugespitzten Israel/Palästina-Konflikt ein gefährlicher „Antisemitismus neuer Form“ herausgebildet, in dem Antisemitismus und Antizionismus aufs Engste verwoben seien.

Zu fragen ist, was der in Europa und vor allem in Deutschland und Österreich im 19. Jahrhundert entstandene politische Antisemitismus tatsächlich mit dem in der arabischen Welt verbreiteten Antizionismus zu tun hat.

Wurzeln des Antisemitismus

Der klassische Antisemitismus stützte sich auf einen alten reaktionär-christlichen Anti-Judaismus (die Juden als die ChristusmörderInnen, als BrunnenvergifterInnen, als KindermörderInnen,…) sowie auf jahrhundertelange Ausgrenzung und zwangsweise Beschränkung der jüdischen Bevölkerung auf bestimmte Berufszweige im Bereich von Handel und Finanzen. Beides mündete in eine lange Geschichte von Verleumdungen, Pogromen und Vertreibungen. Aufklärung und liberaler Frühkapitalismus führten zu gewissen Erleichterungen, ermöglichten einer kleinen Schicht den Aufstieg ins liberale Bürgertum bzw. lösten die jüdische Gesellschaft langsam in die entstehende bürgerliche Klassengesellschaft der jeweiligen europäischen Nationalstaaten auf.

Zwei Ereignisse änderten ab Anfang der 1870er Jahre diese Entwicklung schlagartig. Einerseits führte die mit dem Finanzkrach 1871 beginnende 20-jährige Stagnationsphase zu einer Diskreditierung der liberalen Eliten, was nicht nur zum Aufstieg der organisierten ArbeiterInnenbewegung beitrug, sondern auch Nährboden für populistische reaktionäre Bewegungen wurde – unter anderem wurden die „jüdischen Liberalen und Kapitalisten“ zu allgemeinen Sündenböcken für Bewegungen wie die Christsozialen in Österreich oder diverse deutschnationale Konservative in Deutschland. Zweitens setzte mit den anti-jüdischen Pogromen im Zarenreich in den 1880er Jahren eine massive Flüchtlingswelle osteuropäischer JüdInnen ein. Die Reaktion darauf war in den verschiedenen europäischen Ländern ziemlich dieselbe wie die anti-muslimische Hetze, die nach 2015 und der jetzigen sogenannten „Flüchtlingskrise“ einsetzte.

Im antisemitischen Rassismus verbinden sich Angst und Hass auf das „Fremde“, auf angeblich nicht „Integrationswillige“ mit Verschwörungs- und Unterwanderungstheorien, die mit einem „völkischen Abwehrkrieg“ zu beantworten seien. Speziell beim Antisemitismus wird durch die Verbindung der angeblichen „jüdischen Finanzmacht“ mit sagenhaften universalistischen und globalistischen Plänen der jüdischen Netzwerke eine Untergrabung aller „gesunden Nationen“ und ihrer „natürlichen“ Unterschiedlichkeit konstruiert. Insofern geht der Antisemitismus deutlich über „gewöhnlichen“ Rassismus hinaus und fordert in letzter Konsequenz die „Befreiung aller Völker“ von dieser globalen Bedrohung, wird also in letzter Konsequenz eliminatorisch.

Der Erfolg des Antisemitismus im frühen 20. Jahrhundert lässt sich jedoch nur im Kontext von Imperialismus und des Scheiterns der sozialistischen ArbeiterInnenbewegung verstehen. Seit den 1890er Jahren hatte der liberale Kapitalismus sein Gesicht wesentlich verändert. Immer größere Bedeutung des Weltmarktes, immer größere international agierende Kapitale und darauf basierende aggressive Großmachtpolitik, eine Weltordnung, bestimmt durch wenige ImperialistInnen etc., führten zum Aufbrechen der traditionellen nationalstaatlichen Politik, zu wachsender Kriegsgefahr und raschem sozialen Wandel (schneller Aufstieg und ebenso schneller sozialer Abstieg).

Der Imperialismus ist ein Nährboden für Herrenmenschenideologien, die zur Herrschaft geborene Nationen und „Arschloch-Nationen“ unterscheiden – und natürlich die „Parasiten-Völker“, die sich in gesunde „Herrenvölker“ einnisten. Letzteres wurde widerlich glasklar so von Friedrich Nietzsche über die JüdInnen formuliert: Sie seien ein Volk, das seinen natürlichen Untergang durch das Einnisten in Herrenvölkern überdauert habe, um diese mit ihrer universalistischen „Sklavenmoral“ letztlich zu unterwerfen (siehe Nietzsche, „Antichrist“). Diese Logik von der notwendigen Befreiung vom jüdisch-demokratisch-bolschewistisch-avantgardistischen Parasitentum findet sich dann immer politischer gewendet in den antisemitischen Kernschriften von Chamberlain bis Rosenberg, der sie bekanntlich als „Ostminister“ der Nazis dann auch in die Tat umgesetzt hat.

Zionismus und Kolonialismus

Der arabische Antizionismus ist in einem völlig anderen Kontext entstanden. HistorikerInnen sind sich weitgehend einig, dass ein spezifischer arabischer Anti-Judaismus bis in die 1930er Jahre hinein nicht allgemein feststellbar ist (mit sporadischen Ausnahmen wie den AlmohadInnen in Andalusien). Bis ins 18. Jahrhundert lebte sogar ein Großteil der JüdInnen weltweit in der muslimischen Welt – und die Umkehrung seitdem hatte mehr mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in Europa und der beginnenden Liberalisierung dort als mit irgendwelchen Vertreibungen aus der islamischen Welt zu tun. Außerdem war, wie auch neuere israelische HistorikerInnen wie Shlomo Sand darlegen, anders als im Gründungsmythos des Staates Israel behauptet, die jüdische Diaspora in ihrer überwiegenden Mehrheit bis spät ins 19. Jahrhundert „anti-zionistisch“. Das heißt, trotz vergleichsweise geringer Hindernisse, ins muslimisch geprägte Palästina oder nach Jerusalem zu siedeln, war dies jahrhundertelang kein erstrebenswertes Ziel für jüdische Einwanderung.

Die rabbinischen Gemeinden bezogen sich spirituell auf Jerusalem und sahen als Bedingung für eine Rückkehr in das gelobte Land die Ankunft des Messias. Nur einige kleine Sekten wie die KaräerInnen (AnanitInnen) im 9. Jahrhundert brachen dieses Gebot. Diese Haltung begann, sich erst Ende des 19. Jahrhunderts langsam zu ändern. Dazu trugen zwei Entwicklungen wesentlich bei: Einerseits wurde die besagte Flüchtlingswelle seit den 1880er Jahren aus Osteuropa sowohl von den integrierten jüdischen Gemeinden als auch von den politisch Herrschenden in den westeuropäischen Nationalstaaten zu einem „Problem“ gemacht. Verschiedenste Einwanderungsgesetze versuchten, den Zustrom der „Ostjuden“ zu unterbinden beziehungsweise diesen weiterzuleiten. Dies betraf letztlich auch das „liberale“ England und später auch die USA. Palästina als Zielland der Auswanderung war durchaus naheliegend, aber damals noch Teil des osmanischen Reiches und daher eine Auswanderung dorthin weder leicht zu organisieren noch besonders attraktiv.

Die zionistischen Bemühungen dieser Zeit brachten nur einen ganz geringen Zuzug nach Palästina. In einem zynischen kolonialistischen Akt, der an die heutigen Deals der EU mit der Türkei oder Libyen erinnert, versprach der britische Kolonialminister Chamberlain 1903 dem Führer der zionistischen Bewegung, Theodor Herzl, das „weitgehend menschenleere“ Gebiet Uganda als neue Heimstätte für das jüdische Volk. Herzl nahm dieses Angebot begeistert an. Nicht weil es irgendeine realistische Perspektive auf Umsetzung hatte, der wesentliche Punkt war, dass damit die zionistische Bewegung von einer imperialistischen Großmacht als Verhandlungspartnerin und als mögliches koloniales Projekt anerkannt wurde.

Imperialismus

Und genauso kam es später: Zum wesentlichen Erfolgsfaktor des Zionismus wurde, dass er zu einem Element der kolonialistischen Politik von Großmächten wie Britannien und den USA wurde. Als am Ende des Ersten Weltkriegs klar wurde, dass Palästina künftig von Britannien kontrolliert würde, machte der britische Außenminister Balfour der zionistischen Bewegung das Angebot, dort eine „Heimstätte“ zu finden. Schon lange vorher hatten die Kolonialstrategen des Vereinigten Königreichs erkannt, dass eine Kontrolle Palästinas ohne ein verstärktes jüdisches Siedlungsprojekt dort schwer möglich sei. Einige Kolonialbeamte sahen sogar vor, dass man die dort bisher lebende Bevölkerung in Reservate umsiedeln müsse, ähnlich wie in Nordamerika.

Das britische Mandatsgebiet Palästina wurde so nach einer ersten Einwanderungswelle Anfang der 1920er Jahre zu einer typischen britischen Siedlerkolonie. Linke und kritische ZionistInnen kritisierten zwar sehr wohl die Behandlung der arabischen Bevölkerung und die schleichend vor sich gehende Okkupation, die damit begann. Mehrheitlich war der Zionismus jedoch auch in seiner labouristischen Form von Anfang an nicht auf eine friedliche Koexistenz oder gar multi-ethnische Gesellschaft in Palästina ausgerichtet. Die arabischen Aufstände in den 1920er und 1930er Jahren waren eine logische Konsequenz der Kolonialpolitik und folgten dem überall in der Welt zu beobachtenden Muster von anti-kolonialistischen nationalen Aufständen. Heute werden daraus häufig antisemitische Pogromversuche gemacht, da sich die Aufstände auch zu Übergriffen auf jüdische SiedlerInnen ausweiteten. Damit soll auch gerechtfertigt werden, dass sich der Zionismus schon von Anfang an stark militarisiert hat mit der klaren Zielrichtung, jederzeit gegen „arabische UnruhestifterInnen“ vorgehen zu können. Wie andere weiße Siedlerbewegungen in Kolonialgebieten auch entwickelte der Zionismus ein System der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und letztlich auch repressiven Diskriminierung der Mehrheitsbevölkerung in der Region.

Antizionismus – legitim und notwendig

Die AraberInnen und PalästinenserInnen tragen keine Verantwortung für den Holocaust, Pogrome, industriellen Massenmord und die Vertreibung von Millionen europäischer JüdInnen durch die Nazis. Dass die große Einwanderungswelle nach 1945 in Palästina die demographischen Verhältnisse wesentlich verändert hat, hätte an sich noch nicht zu der Zuspitzung der Situation 1948 führen müssen. Die konstanten Vertreibungen von PalästinenserInnen, die Umsiedlungspläne, die mit dem Teilungsplan von 1947 einhergingen, und die Etablierung eines eigenen hochgerüsteten jüdischen Staates mussten in der arabischen Welt als weiteres Projekt für ihre koloniale Unterdrückung gesehen werden. Der Widerstand dagegen war berechtigt und kein anti-semitischer Akt in Verleugnung des großen Leidens der jüdischen EinwanderInnen. Die Niederlage der arabischen Armeen, die Etablierung eines zionistischen Staates auf der Grundlage einer Vertreibung von 700.000 PalästinenserInnen und seine enge militärisch-politische Anbindung an die USA machten Israel von Anfang an zu einem eindeutig rassistischen und imperialistischen Projekt. Es basiert einerseits auf der systematischen Ausgrenzung der in seinem Staatsgebiet lebenden arabischen Bevölkerung (ob mit israelischer Staatsangehörigkeit oder in den besetzten Gebieten), andererseits auf einem gewaltigen Militarismus.

Angesichts der Bedeutung des Nahen Ostens für Weltwirtschaft und Weltpolitik ist es klar, dass der Vorposten Israel für die imperialistische Kontrolle der Region von unschätzbarem Wert war und ist. Noch jeder US-Präsident hat vorgerechnet, wie viel mehr Israel für seine Interessen wert ist als die jährlichen Haushaltsmittel speziell für US-Militärhilfe. Inzwischen hat sich Israel natürlich weit über eine ökonomisch subventionierte „Siedlerkolonie“ hinaus entwickelt. Es ist eine der fortgeschrittensten kapitalistischen Ökonomien der Region, in der sich verschiedenste gesellschaftliche Bruchlinien, von der sozialen Frage bis hin zu vielerlei ethnischen Konflikten, aufgetan haben. Weiterhin bleibt aber die zionistische Unterdrückungspolitik gegenüber der arabischen Bevölkerung auf israelischem Territorium und in den besetzten Gebieten bestimmend für den Charakter des Staates.

Israel – ein Schutz gegen Antisemitismus?

Auch die Auffassung, dass Israel endlich das Instrument sei, mit dem JüdInnen eine langfristige Garantie für Selbstverteidigung vor anti-jüdischer Verfolgung haben werden, ist sehr fragwürdig. Ein Staat von 6 Millionen JüdInnen, der auf der Unterdrückung von (die palästinensische Diaspora mitgerechnet) 9 Millionen PalästinenserInnen beruht, mit denen sich etwa 350 Millionen AraberInnen solidarisch fühlen, bedarf eines beträchtlichen militärischen Aufwands, um sich unter Bedingungen kompromissloser Nicht-Friedenspolitik in der Region behaupten zu können. Sollte, aus welchen weltpolitischen Gründen auch immer, das Interesse der Großmächte an Israel verlorengehen, kann dies für die dort lebenden JüdInnen rasch zu einer sehr bedrohlichen Situation führen. Jedenfalls führt die kompromisslose zionistische Apartheidpolitik der letzten Jahrzehnte zu einer schiefen Ebene Richtung Rechtspopulismus und immer extremer werdenden anti-arabischen Rassismus. Inzwischen hören sich die Pläne der Regierungsparteien immer mehr nach denjenigen der Reservatspläne der vormaligen britischen Kolonialbeamten an. Die unbegrenzte Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten und das Agieren der israelischen Sicherheitskräfte mitsamt der Beerdigung jeglichen Friedensprozesses lässt unweigerlich eine nächste Vertreibungswelle befürchten.

Der arabische Anti-Zionismus ist also an sich eine gerechtfertigte Reaktion auf nationale Unterdrückung und das imperialistische Ausbeutungsregime im Nahen Osten. Er hat an sich nichts zu tun mit einer Herrenvolkideologie, die mit der Behauptung einer jüdischen Weltverschwörung ihre eigenen imperialen Abenteuer und Pogrome zu rechtfertigen versucht. Auch nach Deutschland geflüchtete PalästinenserInnen und AraberInnen haben natürlich das Recht, diese Protesthaltung zu zeigen, und nicht die Verpflichtung, die Schuld des eliminatorischen deutschen Antisemitismus als eine Art „Integrationsleistung“ gleich mit auf sich zu nehmen. Daher ist auch die Verbrennung einer Nationalfahne (und eine solche ist auch die Fahne des Staates Israel vornehmlich, so sehr der Davidstern auch religiös interpretierbar ist) in einer großen Demonstration an sich nicht ein Zeichen des Antisemitismus, sofern dies nicht mit der Herabwürdigung sonstiger Symbole des Judentums und pauschalisierender anti-jüdischer Hetze verbunden ist. Auch das Verbrennen türkischer Fahnen auf kurdischen Demonstrationen ist ja keine anti-muslimische oder generell gegen alle TürkInnen gerichtete Symbolik, sondern veranschaulicht nur die Entschlossenheit zum Widerstand gegen die Politik des türkischen Staates.

Ebenso ist auch die beliebte Zuschreibung von „sekundärem Antisemitismus“ (Schuldentlastung über: „Die JüdInnen sind ja auch RassistInnen und FaschistInnen“) für diejenigen Deutschen, die sich mit palästinensischem Protest solidarisieren, verallgemeinernd und falsch. Natürlich ist es für die deutsche Solidaritätsbewegung notwendig, klar zu machen, dass sich die Kritik gegen die Politik des israelischen Staates richtet, und jegliche generalisierende Behauptung in Bezug auf „die JüdInnen“ und ihre Verantwortung für diese Politik zurückzuweisen. Schließlich kommt es ja auch auf die israelische Linke, die sozialen Bewegungen und letztlich die israelische ArbeiterInnenklasse an, den Irrweg des Zionismus zu überwinden und gemeinsam mit den PalästinenserInnen eine Gesellschaft des gleichberechtigten Miteinanders von AraberInnen und JüdInnen in Palästina, das Rückkehrrecht für alle Vertriebenen und einen gemeinsamen multi-ethnischen Staat zu erkämpfen.

Historisches

Das bedeutet keineswegs zu negieren, dass sich auch unter AraberInnen ein Antisemitismus entwickelt hat, der mit dem Erstarken des militanten Islamismus stärker geworden ist. Während der religiös bestimmte Anti-Judaismus in der langen Geschichte der muslimischen Welt im Vergleich zu der des Christentums relativ gering ausgeprägt war, gruben die Islamisten alle erdenklichen Schmähungen Mohammeds aus dem Koran über die JüdInnen aus und vervollständigten sie richtiggehend zum System. Mohammed selbst hatte eine pragmatische Beziehung zum Judentum. Immerhin ist der Gründungsmythos von den Söhnen Abrahams, von denen Isaak der Stammvater der JüdInnen und Ismael derjenige der AraberInnen sei, auf eine Koexistenz der beiden Religionen ausgelegt.

Auch übernahm Mohammed viele der Lehren und Gebräuche der jüdischen Stämme von Medina (ein bedeutender Teil der jüdischen Diaspora). So ist denn auch der Begriff „Scharia“ eine unmittelbare Übersetzung der jüdischen „Halacha“, aus der auch viele der Gebote und rechtlichen Regeln übernommen wurden. Andererseits war Mohammed, wie viele Staatengründer dieser Epoche, unerbittlich, als die jüdischen Stämme ihm die Gefolgschaft verweigerten. Aus ihrer Vernichtung nach der Schlacht von Chaibar stammen auch die übelsten Verse über JüdInnen im Koran, die sie mit Schimpfwörtern wie „Schweine“, „Verräter“, „Verfälscher“ etc. bezeichnen. Gerade diese Verse werden von modernen IslamistInnen zur Lehre Mohammeds über „die Juden“ gemacht und zur Begründung tatsächlich eliminatorischer Phantasien verwendet. Sprüche wie „Chaibar, Chaibar, ihr Juden, Mohammeds Armee wird zurückkehren“ sind daher ein deutliches Zeichen, wer in einer Demonstration den Ton angibt.

Islamismus

Entgegen auch vielen pragmatischen und mehr oder weniger liberalen Rechtsschulen im Islam haben sich über die Jahrhunderte immer wieder fundamentalistische und gegenüber Nicht-MuslimInnen unterdrückerische Strömungen entwickelt, wie z. B. die WahabitInnen seit dem 18. Jahrhundert, bei denen sich nicht nur reaktionäre Scharia-Vorstellungen, sondern auch die These vom permanenten Dschihad gegen Ungläubige findet (die WahabitInnen dominieren heute nicht nur das Saudi-Regime). Die Geschichte des modernen Islamismus wird jedoch im Allgemeinen mit der Gründung der Muslimbrüderschaft in Ägypten in den 1920er Jahren festgemacht. Sie entstand einerseits aus einem anti-kolonialen Impuls, aber gleichermaßen in Ablehnung der liberalen und sozialistischen Bewegungen, die sich teilweise ebenso in der anti-kolonialen Opposition befanden. Insofern ist der moderne Islamismus eine anti-westliche Utopie von einer natürlich unmöglichen Rückkehr zu den „seligen Zeiten islamischer Größe“, zur Einheit des Islam im legendären Kalifat.

Tatsächlich sahen die Führer der Muslimbrüderschaft die Nazis und italienischen Faschisten als ihre Verbündeten im Kampf gegen die britischen Kolonialherren und übernahmen auch ungefiltert wesentliche Teile von deren antisemitischen Hetzschriften. Unsäglicherweise ist seitdem „Mein Kampf“, aber besonders das Fake der „Protokolle der Weisen von Zion“ auf Arabisch übersetzt. Die Charta der Hamas (die aus dem Ableger der Muslimbrüder in Palästina entstand) zitiert immer wieder aus den „Protokollen der Weisen von Zion“, um zu begründen, warum „die Juden“ die Wurzel allen Übels seien und aus Palästina vertrieben werden müssen. Bekanntlich suchte der Mufti von Jerusalem, Amin al-Husseini, Unterstützung bei den Nazis und fand nach seiner Flucht aus Palästina in Nazi-Deutschland Unterschlupf, von wo er den arabischen Aufstand mit antisemitischer Hetze zu befeuern versuchte. All das hat sicher dazu beigetragen, dass der moderne Islamismus einen primitiven Weltverschwörungs-Antisemitismus als eines seiner Kernelemente enthält. Teile dieses Islamismus wie z. B. der sog. „Islamische Staat“, die sich gewalttätig organisieren und auch alle anderen Strömungen im antiimperialistischen Kampf bis aufs Messer bekämpfen, müssen inzwischen sicherlich als ein neuer Typus eines (islamistischen) Faschismus bezeichnet und bekämpft werden.

Dies kann jedoch nicht von allen IslamistInnen gesagt werden wie der Hamas oder den ägyptischen Muslimbrüdern – also von Gruppen, von denen sich die radikalen IslamistInnen zumeist abgespalten haben. Der Islamismus konnte in den letzten Jahrzehnten ja nur durch das Versagen und die Niederlagen von säkularen Bewegungen wie dem pan-arabischen Nationalismus groß werden. Von daher wurden viele „zivile“ Elemente von diesen Bewegungen übernommen und zum Teil pragmatische Übereinkommen mit ihnen getroffen. Insofern haben sich diese Teile des Islamismus in eine mehr bürgerlich-nationalistische Richtung entwickelt – ohne ihre Gefährlichkeit für demokratische und linke Kräfte zu verlieren.

Internationalismus und Anti-Zionismus

Vollkommen falsch wäre es jedoch, arabischen und palästinensischen Menschen im Allgemeinen den Antisemitismus der IslamistInnen als Allgemeingut zu unterstellen. Die Muslimbrüder waren lange in den arabischen Ländern eine verschwindende Minderheit. Erst mit der Erfolglosigkeit der anderen „westlichen“ Konzepte kam die Stunde der IslamistInnen. Der Aufstieg der Hamas begann erst in den 1990er Jahren, zunächst sogar von der israelischen Regierung als Gegengewicht zur PLO gefördert.

Der teilweise Erfolg solcher Gruppen bedeutet nicht automatisch, dass ihr Programm und ihre Ideologie tatsächlich tiefe Verbreitung haben. Auch die Strategie der Hamas und ihrer korrupten Führung hat zu weitgehender Desillusionierung ihr gegenüber geführt. Zu behaupten, weil die Hamas (noch) eine Führungsposition in Gaza einnimmt, seien alle EinwohnerInnen Gazas eliminatorische AntisemitInnen und deswegen ihre Zerbombung durch die IDF gerechtfertigt, ist nicht nur zynisch, sondern auch direkt rassistisch und pro-imperialistisch. Selbst wenn die Hamas eine widerliche antisemitische Ideologie vertritt, ist jeder Vergleich mit Nazi-Deutschland Unsinn: Es steht hier ein Hungerreservat mit ein paar lächerlichen Kassam-Raketen einer der schlagkräftigsten und hochgerüstetsten Armeen der Welt gegenüber. Israel braucht die üblich gewordenen Solidaritätsdemonstrationen mit Merkelreden bei den Gazakriegen nicht – trotz „terroristischer Bedrohung“ und ungeziemer Solidaritätsdemos schafft es die israelische Armee ganz alleine, Gaza in Grund und Boden zu bombardieren. Es ist die palästinensische Bevölkerung, der die vollständige Vertreibung droht.

Auch der Arabische Frühling hat deutlich gezeigt, wie notwendig eine alternative, sozialistische Führung jenseits des Islamismus und der vom Westen abhängigen korrupten Herrschaftsapparate in der arabischen Welt ist. Mit der Niederlage der Revolutionen sind viele damals aktiv Gewordene und oftmals zur Flucht Gezwungene jetzt auf der Suche nach neuer Orientierung. Für viele gehört der Protest gegen die neuen/alten Diktaturen, die sich radikalisierenden IslamistInnen genauso zur Grundorientierung wie der Protest gegen die für die Region immer unheilvoller werdende Politik des rassistischen israelischen Staates. Der Kampf gegen antisemitische und faschistische Strömungen im Islamismus muss von den MigrantInnen selbst geführt und von uns unterstützt werden. Die Instrumentalisierung des pauschalen Antisemitismusvorwurfes gegen alle muslimischen MigrantInnen und sein Verwenden als Repressionsmittel ist dabei nicht nur nicht hilfreich. Er ist im Kern selbst rassistisch, dient zur Diffamierung und Stigmatisierung von MigrantInnen und MuslimInnen, die gegen die Unterdrückung ihre Stimme erheben, und zur Rechtfertigung der Politik des zionistischen Staates und der imperialistischen Mächte. Und natürlich wird er vor allem gegen politisch aktive linke MigrantInnen verwendet werden – gerade um jede fortschrittliche Perspektive mundtot zu machen.

Reaktionärer Zweck

Schließlich sind Solidarität mit Israel, die Unterstützung seines „bedingungslosen Kampfes gegen den Terror“ und die Zurückweisung des „Anti-Amerikanismus“, der natürlich auch gleich mal gerne in Verbindung zum Antisemitismus gesetzt wird, Kernelemente der deutschen Staatsräson. Wer die bestehende Ordnung im Nahen Osten mitsamt dem aggressiven zionistischen Militarismus in Frage stellt, attackiert ein Kernelement der globalen Ordnung. Insofern sind die pauschalisierten Vorwürfe des Antisemitismus gegen Linke und MigrantInnen Teil des neo-konservativen globalen „Kriegs gegen den Terror“ der USA, an dem sich auch die Bundesrepublik beteiligt.

Die Gleichsetzung von Antizionismus und Antisemitismus ist historisch falsch, politisch jedoch zweckmäßig – für die herrschenden Mächte der Welt. Die Gleichsetzung verharmlost nicht nur den realen, bedrohlichen Antisemitismus. Sie hat auch gar nicht zum Ziel, ihn zu bekämpfen. Unter den engsten FreundInnen Israels und seiner Unterdrückungspolitik finden sich nicht zufällig zahlreiche echte AntisemitInnen, sei es in der Trump-Administration, aber auch bei rechten PolitikerInnen in der Bundesrepublik und der EU. Das ist kein Zufall. Schließlich dient die Gleichsetzung von Antisemitismus und Antizionismus vor allem dazu, die Kritik an einer repressiven, nationalistischen Ideologie und einem rassistischen Unterdrückerstaat mundtot zu machen und den Widerstand der Unterdrückten gegen die UnterdrückerInnen zu bekämpfen.




Studie zur Flüchtlingsgewalt: So wird Rassismus “wissenschaflich” bedient

Nina Berger, Neue Internationale 226, Februar 18

Geradezu passend zur Auffrischung der rassistischen Flüchtlingsdebatte erschien Anfang Januar 2018 eine durch den hannoverschen Kriminalitätsforscher Dr. Christian Pfeiffer und Kollegen veröffentliche Studie zu tatverdächtigen GewalttäterInnen in Niedersachsen. Die Studie wurde vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegeben und basiert auf Zahlen des niedersächsischen Landeskriminalamts.

Für Co-Autor Pfeiffer ist es nicht das erste Mal, dass er durch seine Studien bemerkenswerte Zusammenhänge konstruiert. Fokussiert auf junge Flüchtlinge stellt die Studie aufgrund statistischen Materials einen Zusammenhang zwischen Kriminalität und Flüchtlingszuzug fest.

War die Debatte über einen gewalttätigen jungen Mann aus Afghanistan in den Medien gerade abgeebbt, sorgte kurz danach die niedersächsische Gewaltstudie für Furore, gefolgt von der Diskussion um die weitere Aussetzung des Familiennachzuges für subsidiär Schutzberechtigte.

Verwendung

Statt das Ergebnis, das wir weiter unten vorstellen werden, als ein klares Votum für Unterstützung, insbesondere des Familiennachzugs zu werten, wie es Pfeiffer sogar selbst angedeutet hatte, und die Frauen und Familien der oft männlichen Geflüchteten nachzuholen, soll es zur Begründung für verstärkte Abschiebungsbemühungen herhalten. Darüber hinaus wird es mit Forderungen verknüpft, die Resultate weiterer schwerwiegender politischer Fehlentscheidungen bei der Einschätzung der Gefährdungslage in Fluchtländern darstellen.

Berufene der bundesdeutschen Politprominenz legen in puncto Rassismus auch gleich nach: Da ruft AfD-Chef Meuthen lauthals nach „Heimreise“, also Abschiebungen. Der ehemalige Fraktionsvorsitzende der SPD Thomas Oppermann fordert milliardenschwere Rückkehrprogramme und Pfeiffer selbst plädiert für radikale Abschottung. Andernfalls käme es zu einer sogenannten Sogwirkung für nordafrikanische Flüchtlinge. O-Ton Pfeiffer gegenüber N24 am 2. Januar 2018: „Man müsste ja nur nach Deutschland gehen (sic!) und Flüchtling werden, dann schieben die einen wieder ab und man hat sogar Vorteile davon.“ Wer solch eine Aussage trifft, hat sich eigentlich schon komplett diskreditiert und bedient mit billiger Rhetorik den rechten Sumpf. Frau Weidel, mit der SPD-Mann Pfeiffer schon öffentliche Dispute pflegte, klatscht wahrscheinlich immer noch Beifall.

Auch wenn die Studie sicherlich nicht jede rechte Interpretation von PolitikerInnen aus der AfD, aber auch von Union, SPD und FDP stützt, so ist sie auch weit davon entfernt, selbst ein bloß „missbrauchtes“ Ergebnis statistischer Forschungsarbeit zu sein.

Worauf stützt sich die Studie?

Das fängt schon bei der „Datenbasis“ an. Die Polizei führt eine sogenannte PKS, eine Polizeiliche Kriminalstatistik, deren Daten einmal pro Jahr vom Bundeskriminalamt und in den Ländern veröffentlicht werden. In dieser PKS erscheinen die Zahlen der erhobenen Strafanzeigen, darunter auch jene, die nur von Nichtdeutschen begangen werden können wie Verstöße gegen das rassistische Ausländer- und Aufenthaltsgesetz.

Pfeiffers Studie stellte nun nach jahrelangem Rückgang der angezeigten Gewalttaten in Niedersachsen (2007-2014) ihren mit der Zunahme der Geflüchtetenzahlen korrelierenden Anstieg (2014-2016) fest, und zwar um 10,4 Prozent. Daraus wird gefolgert, dass jeder 8. Gewalttäter ein Geflüchteter sei, was damit zu einem Anstieg der Kriminalität führt, für den Geflüchtete zu 92,1 Prozent verantwortlich seien.

Als Geflüchtete zählen die Forscher alle die, die Asyl suchen, internationalen Schutz haben, Menschen mit einer Duldung und auch Personen mit „unerlaubtem Aufenthalt“. Sieht man sich diese Gruppe Menschen genauer an, stellt man fest, dass in den Jahren 2015/ 2016 in großer Zahl junge Männer zwischen 14 und 30 Jahren einreisten, die in allen Ländern der Welt in puncto Gewalt- und Sexualdelikte die Statistiken anführen. Diese machten in Niedersachsen unter den Geflüchteten einen Anteil von 26,9 Prozent aus, also mehr als ein Viertel, während es in der Durchschnittsbevölkerung nur 9,3 Prozent sind.

Zu erwähnen ist auch, dass 2014-2016 sich die Zahl der in Niedersachsen registrierten Flüchtlinge mehr als verdoppelt hat (117 Prozent). Obwohl Geflüchtete aus Afghanistan, Syrien und dem Irak 54 Prozent unter den Geflüchteten in Niedersachsen stellen, sind sie nur für 34 Prozent aller Gewaltverbrechen und 16 Prozent aller Raubdelikte verantwortlich gemacht worden. Da ihr Aufenthaltsstatus weniger prekär als bei Menschen aus Nordafrika ist, zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen Bleibeperspektive sowie Aussicht auf Nachzug von Angehörigen und Kriminalitätsverdacht.

Dass unter den Geflüchteten der Anteil junger Männer überdurchschnittlich groß ist, ist jedoch keineswegs nur eine zufällige Sache, sondern hängt auch damit zusammen, dass die rassistische Abschottung der EU und der selektive Markt für „illegale“ Arbeitsverhältnisse diesen noch eher eine Chance auf Überwindung der Außengrenzen und zum Überleben verspricht. Die Politik der europäischen und der deutschen Regierungen bringt also selbst eine Selektion unter den Menschen auf Flucht hervor, die bei der Studie ausgeblendet wird. Mehr noch: Die deutsche Politik verkehrt diese Folge ihrer eigenen menschenverachtenden Maßnahmen zu einer Rechtfertigung noch härterer rassistischer Abschottung.

Dennoch: Geflüchtete sind weiterhin nur für etwas mehr als ein Zehntel aller Gewaltkriminalität verantwortlich.

Methodisch fragwürdig

Methodisch sowieso fragwürdig, aus lediglich angezeigten Gewaltverdächtigungen ein höheres Kriminalitätslevel abzuleiten, stellt Pfeiffer aber „gerechterweise“ in Rechnung, dass Gewaltdelikte, bei denen Geflüchtete als Verdächtige in Frage kämen, weitaus häufiger angezeigt würden als die, bei denen man Deutsche als TäterInnen vermute. Welche rassistischen Motive hier zum Tragen kommen, bleibt medial meist völlig unreflektiert, obwohl Pfeiffer auf sogenannte Verzerrungseffekte hinweist. So erwähnt die Studie schon, dass Opfer insbesondere mutmaßliche Täter anzeigten, die sie nicht persönlich kennen, dass Fremde eher als bedrohlicher empfunden würden, dass bei Gewalttaten durch Personen aus dem persönlichen Umfeld des Opfers aus Angst vor dem/der TäterIn auf Anzeige verzichtet würde und es aufgrund der Sprachbarrieren eher zu Gewalt in Auseinandersetzungen und durch selbige im Nachgang oftmals nicht zu Verständigungsmöglichkeiten käme.

Laut den Daten der Studie sind zwei Drittel der Opfer von Gewaltkriminalität, die Flüchtende verübt haben sollen, außerdem andere Geflüchtete oder sonstige AusländerInnen, bei Tötungsdelikten sogar 91 Prozent. Diese Korrelation ist auch im Fall sexueller Nötigung und Vergewaltigung anzunehmen. Die Mehrheit der Opferanzeigen stammen hier zwar von deutschen Frauen (58 Prozent), doch welche im Lager lebende Flüchtlingsfrau zeigt schon ihre Vergewaltiger an? Welche/r PolizistIn nimmt nicht bereitwilliger Anzeigen von Deutschen und gegen AusländerInnen auf statt umgekehrt – ganz abgesehen von sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten?

An welcher Stelle Pfeiffer das Anzeigen von Gewaltverbrechen und die Verurteilungen zusammenwirft, bleibt unklar. Macht auch nichts, solange im Mainstream das politische Fazit stimmt. Aber das wissen wir auch schon seit der bekannten Silvesternacht aus Köln: Es gibt Geflüchtete, die aus dem Irak, Syrien und Afghanistan kommen und die anderen aus den „neuen sicheren Herkunftsländern“ und aus Nordafrika, die hier sowieso keine Bleibeperspektive haben, weil diese politisch bald auch offiziell als „sicher“ erklärt werden. Merkwürdigerweise ist Afghanistan nach Ansicht des BAMF auch ziemlich sicher, weswegen immer weniger AfghanInnen in Deutschland einen dauerhaften Aufenthaltsstatus erhalten. Im ersten Halbjahr 2017 waren es gerade mal 6 %. Trotzdem folgert Pfeiffer zwar richtig, dass die, die ihre guten Perspektiven, in Deutschland bleiben zu dürfen, nicht durch Gewalttaten gefährden möchten, auch weniger gewalttätig wären. Umgekehrt sei es aber nicht richtig, die Bleibeperspektiven für aus „sicheren“ Herkunftsländern und aus Algerien, Marokko und Tunesien Stammende zu verbessern, sondern diese abzuschieben. Es wird also passend gemacht, was zusammenpassen soll.

Was tun?

Natürlich gibt es Probleme, wenn Menschen nach traumatisierenden Erlebnissen durch Unterdrückung, Bedrohung, Verfolgung, Elend und Krieg, einer lebensgefährlichen, langjährig andauernden Flucht, einer völlig inhumanen Behandlung durch von Deutschland mitunterstützte sogenannte Grenzsicherungssysteme gegenüberstehen. Wenn sie durch Unterbringung in überfüllten Sammellagern ohne jede Privatsphäre, die laut Sondierungsergebnis Aufnahme- und Abschiebelager in einem werden sollen, durch Trennung von Familie, FreundInnen und Verwandten geschwächt, der Härte und Eiseskälte der strukturell rassistischen deutschen Bürokratie und dem rassistischem Mob der Straße ausgesetzt sind. Wenn tagtäglich Flüchtlingsunterkünfte bedroht werden und den geflüchteten Menschen offene Gewalt entgegenschlägt, was wird erwartet, wie dann das Konfliktverhalten funktionieren soll?

Und viele von ihnen, aber eben nicht alle reagieren mit depressivem Rückzug. Manche/r wird auch versuchen, ihre/seine inneren Konflikte nach außen abzuleiten. Nichts anderes passiert hier. Doch statt das eigene imperiale Gebaren im Hinblick auf weltweite Kriege und Klimazerstörung zu hinterfragen und die eigene Rolle unter die Lupe zu nehmen, wird doch de facto mit jedem auch noch so menschenverachtendem Unterdrückerregime für die Profite des deutschen Rüstungs- und Exportkapitals ins Bett gegangen. Statt die Grenzen für die Geflüchteten zu öffenen, um damit auch den weltweiten Migrationsbewegungen Rechnung zu tragen, wird weiter gemauert und in klassisch deutscher Manier an der rassistisch definierten Grenze gespalten. Wir sind die Guten, die Flüchtlinge, die man so schnell nicht wieder los wird, tolerieren wir gerade noch, der Rest muss weg. Dazu taugt dann eben auch jene Statistik.

In Wirklichkeit können die realen Probleme der Geflüchteten wie auch Kriminalität, Gewalttägigkeit, Sexismus, sexuelle Übergriffe gegen Frauen oder sexuelle Minderheiten nur bekämpft werden, wenn dies mit einer klaren anti-rassistischen Perspektive verbunden wird.

Dazu gehört zum ersten, den Geflüchteten die einzige reale und sinnvolle Integrationsperspektive zu bieten, die es in der bürgerlichen Gesellschaft nur geben kann: das Recht auf Arbeit – und zwar nicht zu 80-Cent-Jobs oder in der Illegalität, sondern durch Mindestlohn und ein Programm gesellschaftlich nützlicher Arbeiten unter Kontrolle von Gewerkschaften und Geflüchteten.

Zweitens geht es um die Abschaffung des Lagersystems, der Zwangskasernierung unter unmenschlichen Bedingungen, also die freie Wahl des Wohnortes und Bekämpfung der Wohnungsnot durch öffentliche Wohnungsbauprogramme und Beschlagnahme leerstehender Räume.

Damit könnte zugleich eine Brücke für den gemeinsamen Kampf aller Lohnabhängigen geschlagen werden, der sich nicht gegeneinander, sondern gegen die WohnungsspekulantInnen, UnternehmerInnen und Spardiktate richtet.

Drittens muss der Zuzug für alle Angehörigen ermöglicht und das Damoklesschwert der Abschiebung, das über allen Geflüchteten droht, abgeschafft werden. Geflüchtete, die Straftaten begehen, die Frauen bedrohen oder gar vergewaltigen, müssen natürlich bestraft werden – und zwar genau so wie auch Deutsche. Abschiebungen für „kriminelle“ AusländerInnen lehnen wir ab wie jede Forderung nach einer rassistischen Sonderbehandlung von Geflüchteten. Viel wichtiger ist hingegen, die Selbstorganisation Geflüchteter, insbesondere auch jene der Frauen und sexuell Unterdrückter zu stärken.




Kassel: Solidarität mit AntirassistInnen!

Redaktion, Neue Internationale 226, Februar 2018

Am 29. November 2017 wurden zwei Mitglieder der revolutionären Jugendorganisation REVOLUTION in der Kneipe Mutter in Kassel von als antideutsch bekannten Personen angepöbelt, woraus sich eine hitzige „Diskussion“ zu den Themen Nahost-Konflikt, Kampf gegen Rassismus und vor allem Islam entwickelte, zu der weitere Antideutsche hinzukamen. Als beide später die Kneipe verließen, wurden sie plötzlich von zwei weiteren Antideutschen verbal und körperlich angegriffen. Die Mitglieder beschränkten sich darauf, die AngreiferInnen von sich zu schubsen, und versuchten, ihren Weg nach Hause fortzusetzen. Erst als sie schon 100 Meter von der Kneipe entfernt waren, drehten sich die AngreiferInnen um und kehrten zur Kneipe zurück.

Wer waren die AngreiferInnen? Was war der Auslöser?

Die Personen lassen sich dem Umfeld der Gruppen T.A.S.K. und Raccoons zurechnen. Einige der Personen, die unsere Mitglieder bepöbelt oder angegriffen haben, gehören zum aktivsten Teil der Kassler Antideutschen. Die Gesichter sind von Bündnistreffen, Demos und Kundgebungen bekannt. Der Vorfall kann nicht getrennt von der politischen Lage in Kassel betrachtet werden. REVOLUTION tritt seit langem offen für die Rechte unterdrückter Nationalitäten wie z.B. der PalästinenserInnen oder der KurdInnen ein. Deshalb waren Revolution und ArbeiterInnenmacht schon in der Vergangenheit immer wieder Drohungen von Antideutschen, z. B. in Form von Hausbesuchen, ausgesetzt.

Politisch setzen die Anti-Deutschen „den“ Islam mit „barbarischen Zuständen“ gleich, gegen die unsere „westliche Zivilisation“ verteidigt werden müsse, wie z. B. die Gruppe Raccoons in ihrem Text „Das Problem heißt Islam“ schreibt. Ihre „Religionskritik“ ist nichts anderes als antimuslimischer Rassismus und lässt sich von den Positionen und der Rhetorik der AfD nur schwer unterscheiden. Ihre Kritik am Kapitalismus ist pro-imperialistisch und chauvinistisch. Und sie schrecken offenkundig auch vor Angriffen auf andere Linke nicht zurück.

Wem nützt das?

Wer in Zeiten des globalen Rechtsrucks gegen Muslime und Muslima hetzt und angesichts der Schwäche und Zersplitterung der Linken antirassistische AktivistInnen bedroht und physisch angreift, hat jegliches Recht auf Anerkennung in der Linken verloren.

Wir fordern deshalb alle AktivistInnen auf, die physische Angriffe gegen Linke ablehnen und jede Spielart des Rassismus bekämpfen wollen, sich klar von den Kassler Antideutschen abzugrenzen.

 

Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung der ausführlicheren Stellungnahme von REVOLUTION zu dem Angriff.




TV Stud III – Studentische Hilfskräfte kämpfen für Tarifvertrag

Wilhelm Schulz, Neue Internationale 226, Februar 2018

Zwischen 16. und 25. Januar fanden vier Warnstreiktage der studentischen Hilfskräfte (SHKs) an den Berliner Hochschulen statt. Sie kämpfen für einen neuen Tarifvertrag. Der letzte wurde 2001 abgeschlossen. Seitdem gab es nur weitere Einsparungen und Verteuerungen der Lebenshaltungskosten. Als der Verhandlungsvorschlag der Hochschulen nicht einmal die Inflationsrate auszugleichen vermochte, wurde der Tarifvertrag zum 1. Januar gekündigt. Die zentralen Forderungen sind: Ein Stundenlohn von 14 Euro brutto, tariflich abgesicherte Vertragslaufzeiten von mindestens 4 Semestern und die Gleichbehandlung aller Hochschul-Beschäftigtengruppen bezüglich des Urlaubsanspruchs sowie dynamische Anpassung an Gehaltssteigerungen anderer Beschäftigtengruppen.

Nun fanden die ersten Warnstreiks der rund 8.000 SHKs statt. Zur ersten Mobilisierung vor der Humboldt Universität kamen etwa 1.200 Beschäftigte. An den dezentralen Aktionstagen und bei Streikaktionen am 23. und 24. Januar wurde unter anderem das Audimax der Alice Salomon Hochschule besetzt. Auch eine Versammlung des Akademischen Senats der Freien Universität wurde von einer Streikdelegation unterbrochen, um den Arbeitskampf auch dorthin zu tragen, wo die VerhandlungsgegnerInnen sitzen. Der Präsident der FU, der zuvor den Studierenden mit „möglichen rechtlichen Konsequenzen aufgrund der Streiks“ gedroht hatte, verließ fluchtartig die Veranstaltung. Angeblich wäre es zu laut gewesen. In Wirklichkeit fürchtete er die direkte Konfrontation. Auch eine Warnstreikkundgebung der IG Metall wurde von einer Solidaritätsdelegation besucht. Am 25. Januar fand eine zentrale Demonstration zur Technischen Universität statt, an der schätzungsweise 900 KollegInnen teilnahmen.

Wie weiter?

Eine der wichtigen Fragen für den Erfolg des Arbeitskampfes ist der aktuelle Spaltungsversuch von Seiten der Technischen Universität. Hier lagen weite Teile des Hochschullebens lahm. Bibliotheken mussten früher geschlossen werden. Dutzende Tutorien fielen aus. Die Studierenden-Cafés blieben geschlossen. Technische Verwaltungsaufgaben lagen brach. An dieser Universität ist auch der gewerkschaftliche Organisationsgrad unter den SHKs am höchsten.

Nun schlägt der Präsident der TU einen Haustarifvertrag vor, angeblich aufgrund des Verhandlungsunwillens der anderen Hochschulen. Ein separater Tarifvertrag für die TU würde jedoch die Kräfte spalten und die gemeinsame Aktion der Studierenden aller Hochschulen schwächen. Er würde zu unterschiedlichen Bedingungen an den verschiedenen Unis wie auch zu unterschiedlichen Verträgen und Laufzeiten führen und damit nicht nur die aktuelle Bewegung behindern, sondern auch einen gemeinsamen zukünftigen Arbeitskampf der SHKs massiv erschweren. Voneinander isolierte Auseinandersetzungen wären die Folge.

Diese Frage wurde unter den Kämpfenden kontrovers diskutiert. Schlussendlich beschlossen sämtliche Basisversammlungen der Studierenden und SHKs mehrheitlich, dass dieser Spaltungsversuch abgelehnt werden muss und ein gemeinsamer Tarifvertrag notwendig ist. Problematisch ist jedoch, dass diese Entscheidung aktuell nicht unter Kontrolle von Basisversammlungen und Organen der Gewerkschaftsmitglieder, sondern der Tarifkommission und, in deren Hintergrund, des Apparates von GEW und ver.di steht.

 

Bei Drucklegung dieser Zeitung ist offen, wie sich die Auseinandersetzung um den TV Stud weiter entwickelt. Weitere Informationen und Analysen zum Tarifkampf findet Ihr auf unserer Webseite:

Wie weiter im Kampf für einen Tarifvertrag aller studentisch Beschäftigen?




Tarifrunde Metall – Volle Mobilisierung für Streik!

Frederik Haber, Neue Internationale 226, Februar 2018

Die Warnstreikwellen hatten gezeigt, dass die Belegschaften bundesweit kampfbereit sind. Hunderttausende beteiligten sich in den ersten Wochen. Die hohe Auslastung der Werke verleiht zusätzlich Gewissheit, dass diesmal wirklich etwas durchzusetzen ist.

Die Unternehmerverbände haben ihre Taktik aufgegeben, die Forderung nach einer befristeten „verkürzten Vollzeit“ als illegal zu diffamieren, lediglich die Aufzahlung sehen sie noch als Ungleichbehandlung. Als ob nicht Tarifverträge immer für die Mitglieder einer Gewerkschaft etwas Besseres vereinbaren sollen!

Gegen die Blockade helfen keine faulen Kompromisse!

Dazu haben aber nicht nur die Warnstreiks beigetragen, sondern auch die Andeutung der IG Metall-Verhandlungsführung, dass sie bei der Flexibilisierung den UnternehmerInnen noch weiter entgegenkommen wolle. Die Rede ist von noch mehr 40-StünderInnen oder Öffnungen bei Ruhezeiten.

Solche faulen Kompromisse sind nicht nur völlig unnötig, sondern auch gänzlich kontraproduktiv. Erleichterungen für die einen dürfen nicht mit Mehrbelastungen für andere erkauft werden. Die Forderung nach einer „verkürzten Vollzeit“ trug von Anfang an den Geburtsfehler, nur ein Trostpflaster für einzelne statt einer generellen Entlastung zu sein, die allen nutzt, wie es auch von der Mehrheit in der großen Befragung der IG Metall gefordert worden war. Die Arbeitsbelastung würde mit einem solchen Deal noch schlimmer. Die Arbeitszeiten würden noch mehr auseinandergerissen und die „verkürzte Vollzeit“ zum Notnagel für diejenigen, die den noch weiter gestiegenen Stress nicht mitmachen können.

Das Ziel der Gewerkschaft muss aber darin liegen, gesunde, familien- und menschenfreundliche Arbeitszeiten für alle zu erreichen!

Der letzte Verhandlungstermin in Baden-Württemberg war am 24. Januar. Dieser sollte die Grundlage für die Entscheidung bilden, ob weiterverhandelt wird oder die Kampfmaßnahmen verschärft werden. Der IG Metall-Vorstand traf sich am 26. Januar, zum Zeitpunkt unserer Drucklegung war das Ergebnis seiner Beratungen aber noch nicht bekannt.

Szenarien

Nachdem diese Verhandlungen in der 4. Runde dann doch trotz viel Vorarbeit auf der zweiten Ebene und bis in den Abend des 25. Januar andauernd ohne Ergebnis abgebrochen wurden, sind verschiedene Möglichkeiten denkbar.

Erstens könnten die Unternehmerverbände bis zum 26. Januar noch einlenken und am folgenden Wochenende mit dem IGM-Vorstand einen Kompromiss zusammenzimmern. Dieser dürfte allerdings teuer werden. Gerade in Bayern und Baden-Württemberg, wo die Autoproduktion allen Skandalen zum Trotze derzeit auf Hochtouren läuft, sind die Erwartungen sehr hoch. So manche/r RednerIn auf den Warnstreikkundgebungen sprach davon, dass – würde die Forderung jetzt aufgestellt – man wohl eher 8 Prozent fordern würde. Mit anderen Worten: Ein Abschluss muss eine satte 4 vor dem Komma haben.

Eine zweite Möglichkeit ist der Einsatz der im Bürokratendeutsch „Zweite Eskalationsstufe“ genannten 24-Stunden-Streiks. Diese werden wie Streiks bezahlt und werden mit Sicherheit in den großen Produktionsbetrieben mit Kampftradition gerne befolgt. Tatsächlich dürften sie in manchen Betrieben auch zu wirtschaftlimem Druck auf die Unternehmen führen. Aber dieser ist begrenzt.

Diese Streiks können ohne Urabstimmung angesetzt werden. Die Mitglieder werden nicht befragt, ob es Streik geben soll oder ob sie diese bezahlten Warnstreiks wollen. Sie werden nachher nicht gefragt, ob sie mit dem Ergebnis zufrieden sind oder weiter streiken wollen.

Die Betriebe sind schon lange ausgewählt worden, sie hatten keine Mitsprache. Für die Entfaltung der Kampfkraft ist es am besten, wenn die Belegschaften selbst entscheiden, wie sie kämpfen wollen: ob sie sich zutrauen, den Betrieb längere Zeit stillzulegen, oder nur einen längeren Warnstreik durchhalten.

Die dritte Variante ist ein Streik in einem oder zwei Tarifbezirken. Wenn ernsthaft Druck auf die UnternehmerInnen ausgeübt werden soll, ist dies das beste Mittel. Tatsächlich scheint es sogar unter höheren Apparatschiks einige zu geben, die der Meinung sind, dass es effektiver ist, auf einen Teil der Unternehmen größeren Druck auszuüben, als flächendeckend mit Ein-Tages-Streik zu hantieren.

Kampftaktik

Uns geht es darum, die Kampfziele durchzusetzen, nicht um eine möglichst klug dosierte „Effektivität“, die zu einem „guten Kompromiss“ führen soll, also einem „vorzeigbaren“ oder schöngeredeten Ergebnis, das aber anderseits die Konkurrenzfähigkeit „unserer“ Betriebe, also des deutschen Kapitals, nicht gefährden soll.

Auch wenn von Vorstand und Bezirksleitungen zuletzt immer wieder betont wurde, dass es nur einen Abschluss mit allen drei Bestandteilen – Tariferhöhung, verkürzte Vollzeit und einen Teillohnausgleich für bestimmte Gruppen – geben wird, so darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie noch immer an möglichen Kompromisslinien basteln. Eine davon könnte – wieder einmal – der Osten sein. Dort steht 2018 auch eine Tarifrunde zur Angleichung der Arbeitszeit auf 35 Wochenstunden an. Damit diese ohne Lohnverlust und bei gleichzeitigen Neueinstellungen erkämpft und auch ohne längere „Übergangsfristen“ umgesetzt wird, braucht es die Solidarität aller MetallerInnen, ja der gesamten Gewerkschaftsbewegung. Eine Koordinierung der beiden Tarifrunden wäre dazu das beste und einfachste Mittel. Doch genau das fürchtet die Gewerkschaftsführung, weil sie letztlich den Arbeitskampf begrenzen will, nicht „zu viel“ und zu viel unkontrollierbare Dynamik sehen will.

Um eine möglichst effektive, breite Kampfbewegung herzustellen, braucht es daher eine entschlossene Kampftaktik – die möglichst rasche Einleitung der Urabstimmung und zwar nicht nur in ein, zwei Pilotbezirken, sondern in der ganzen Fläche.

Über diesen Schritt sollen nicht der Vorstand oder selbsternannte TarifexpertInnen, sondern die Mitglieder demokratisch entscheiden!

  • Die Kontrolle über den Kampf dadurch, dass die Entscheidung über die Aktionen bei der Belegschaft, den Gewerkschaftsmitgliedern, den Vertrauensleuten und von ihnen gewählten und abwählbaren Streikkomitees liegt.
  • Die Kontrolle über die Arbeitszeit: Die Beschäftigten müssen in ihren Abteilungen Forderungen nach mehr Personal zur Entlastung der Arbeitenden aufstellen. Die Betriebsräte müssen sich das zu eigen machen. Die Strategie der Konzernführungen, überall noch mehr aus den Menschen rauszupressen, muss von der Gewerkschaft generell bekämpft werden – nicht mit Trostpflastern für die, die nicht mehr können.
  • Zusammenlegung und enge Koordinierung des Kampfs um Entgelt, Verteidigung der Arbeitsplätze und Arbeitszeitregelung im Westen mit dem um Verkürzung auf 35 Stunden im Osten – dazu braucht es Kontrolle über die Kampftaktik und über etwaige Verhandlungen. Kein Abschluss, kein Aussetzen von Aktionen ohne Zustimmung der Basis!



Pakistan: Freiheit für Ahmad Azad! Freiheit für alle festgenommen belutschischen und paschtunischen Studierenden!

Solidaritätserklärung der Liga für die Fünfte Internationale und von REVOLUTION, 23. Januar 2018, Infomail 983, 24. Januar 2018

Am 23. Januar wurden mindestens 200, nach einigen Berichten sogar 400, belutschische und paschtunische Studierende von der Polizei des Punjab verhaftet, darunter der Generalsekretär der „Nationalen Studierendenföderation“ (NSF), Ahmad Azad. Die Massenfestnahmen und Übergriffe auf StudentInnenwohnheime fanden statt, nachdem sie von Anhängern der rechten Islamisten aus der Organisation Islami Jamiat -e- Talaba (IJT) an der Punjab-Universität von Lahore eingeschüchtert und angegriffen worden waren. Stundenlang umzingelte die Polizei zusammen mit den Islamisten die Wohnheime der BelutschInnen und PaschtunInnen!

Wir verurteilen aufs Schärfste diesen unentschuldbaren Akt der Einschüchterung und Terrorisierung von StudentInnen nationaler Minderheiten, aus Belutschistan, dem südlichen Punjab und von der KPK. Es zeigt einmal mehr, dass sich alle demokratischen, sozialistischen und MenschenrechtsaktivistInnen zusammenschließen und ihre Stimme erheben müssen, um der zunehmenden Gewalt seitens der ultra-reaktionären islamistischen Kräfte gegen StudentInnen zu widerstehen. Wir verurteilen auch die Passivität und Duldung dieser Angriffe durch die Universitätsverwaltung. Wir verurteilen ferner die Passivität und Unterstützung, die die Polizei des Punjab den Islamisten gewährt, indem sie sich auf die Seite derjenigen stellt, die Studenten nationaler und religiöser Minderheiten einschüchtern, bedrohen, verletzen oder sogar töten.

Wir fordern die sofortige Freilassung von Ahmad Azad und allen anderen StudentInnen! Wir solidarisieren uns mit allen BelutschInnen, PaschtunInnen und anderen StudentInnen, die ihre demokratischen Rechte gegen Angriffe und Drohungen von Islamisten oder anderen reaktionären Kräften ausüben wollen.

Wir rufen alle Organisationen der ArbeiterInnenklasse, Gewerkschaften und Parteien, alle sozialistischen und demokratischen Jugend- und StudentInnenorganisationen, demokratischen und MenschenrechtsaktivistInnen auf, gegen diese Festnahmen zu protestieren und ihre Solidarität zum Ausdruck zu bringen! Gemeinsam können und werden wir die Kräfte der islamistischen Reaktion und der staatlichen Repression besiegen! Gemeinsam können wir eine Welt gewinnen, die frei von Belästigung, Einschüchterung, Unterdrückung und Ausbeutung ist!

Liga für die Fünfte Internationale

REVOLUTION, Internationale Kommunistische Jugendorganisation




SPD-Parteitag votiert für Große Koalition – der „Zwergenaufstand“ ist nicht zu Ende

Tobi Hansen, Neue Internationale 226, Februar 2018

Am Ende musste das Präsidium auszählen lassen, so knapp war das Ergebnis auf dem Sonderparteitag der SPD am 21. Januar. Allein dies war schon ein Erfolg der GegnerInnen einer Neuauflage der Großen Koalition (GroKo). Mit 56,4 % (362 Ja-Stimmen) folgten die Delegierten dem Vorstand, aber 279 votierten dagegen.

Die Parteiführung nutzte alle Möglichkeiten, die Delegierten einzunorden. SPD-Vize „Malu“ (Maria Luise Anna) Dreyer, die Wahlgewinnerin in Rheinland-Pfalz 2017, eröffnete den Parteitag mit einer Begrüßung, sprach sich für die Verhandlungen aus und verstand natürlich auch alle Bedenken. Dann folgte NRW-Landeschef Groschek, dem die Niederlage bei den Landtagswahlen noch ins Gesicht geschrieben stand. Auch er schwadronierte geraume Zeit über Verantwortung und die tollen Möglichkeiten einer Regierung. Danach folgte noch eine Stunde Ex-Kanzlerkandidat und Noch-Parteichef Schulz. Nach ca. 2 Stunden durfte dann die offizielle Aussprache zum Sondierungsergebnis beginnen. Eigentlich konnten dabei alle, die sich gegen eine neue GroKo aussprachen, unter Applaus klar den Saal „rocken“, während die BefürworterInnen auch hier größtenteils aus dem Vorstand kamen und nur „Notwendigkeiten“ und Pragmatismus runterbeten konnten.

Die Union wolle keine Minderheitsregierung bilden, also müsse die SPD koalieren; denen (der Union, speziell der CSU) dürfe die SPD nicht allein das Land überlassen. Die „Franzosen und Europäer“ – Macron rief anscheinend stellvertretend für Millionen Menschen bei Schulz an – warteten auf eine neue Europapolitik, also müsse die Sozialdemokratie mit der Union eine Regierung bilden. Letztlich und noch verlogener: der Rechtsruck sei auf dem Vormarsch, die CSU ja auch irgendwie fremdenfeindlich, also müsse man …: die GroKo quasi als „antifaschistischer Schutzwall“ der SPD.

Die Rechtfertigung des Vorstands – Erneuerung durch GroKo

Die öffentlichen und internen Debatten zeigten bereits vor dem Sonderparteitag: Dieser wird kein einfacher Weg für den SPD-Vorstand. Nach dem Umfaller nach dem Ende der „Jamaika“-Verhandlungen, den kurzen sechstägigen Sondierungen mit der Union, war erkennbar, dass deren

Ergebnisse an der Parteibasis und somit auch bei den 600 Delegierten umstritten waren.

Nicht allein die Jusos hatten seit Dezember Widerspruch angemeldet, sondern auch der Landesverband Sachsen-Anhalt und der Berliner SPD-Vorstand sprachen sich gegen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen aus. Speziell im mitgliederstarken NRW und Hessen, die gemeinsam über 200 Delegierte stellten, wurde Widerspruch deutlich.

Aus diesem Grund wurde dem Parteitag auch eine „Kompromisslösung“ vorgelegt, also ein ergänzter Leitantrag. Dieser sieht vor, bestimmte Inhalte für die Koalitionsverhandlungen zu fordern. Dies ist an sich nichts Ungewöhnliches, hätten nicht die CDU und speziell die CSU schon angekündigt, dass sie auf weitere Forderungen der SPD nicht eingehen wollen. Die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung, der Einstieg ins Ende der „Zwei-Klassen-Medizin“ und höhere Kennzahlen für den Familiennachzug der Geflüchteten mit subsidiärem Status sind Forderungen, die sicher von allen unterstützt werden. Mit diesem Manöver sollte jedenfalls eine Mehrheit gesichert werden, was schließlich auch gelang.

Das Land zuerst

Dreyer, Schulz, Weil und Scholz spielten das bekannte Lied – zuerst das Land, dann die Partei. De facto heißt dies: erst die Kompromisse mit der Union, gestützt auf die Interessen des Großkapitals und sozialpartnerschaftliche Einbindung der Industriegewerkschaften, dann der Pragmatismus der Regierungsmöglichkeiten, schließlich die schillernden Auszüge zur EU-Politik. Zum Schulz´schen „hervorragenden Ergebnis“ wurde schnell festgestellt, dass soviel Hervorragendes sich nicht darunter befand. Bleibt also das alte Müntefering´sche Dogma „Opposition ist Mist“, also müsse man zumindest in die Regierung eintreten, um überhaupt „etwas“ tun zu können.

Als Nebenthema der letzten Wochen wurde die „Erneuerung“ der Partei diskutiert, speziell auf Veränderungen wie Industrie 4.0 und „neue Lebensrealitäten“ solle sie sich neu ausrichten. Der Vorstand verspricht, diese programmatische Erneuerung während der nächsten Legislaturperiode schaffen zu können. Warum das nach den Erfahrungen mit der letzten Koalition klappen soll, hat keine/r erklärt oder auch nur zu erklären versucht. Stattdessen wurde die Leier der staatspolitischen Verantwortung gespielt. Als Beispiele für „WählerInnenerwartungen“ mussten sogar Fluggäste herhalten, die dort Fraktionschefin Nahles sorgenvoll nach der Grundrente angesprochen hätten und fürchten würden, dass sich die SPD ihrer „Verantwortung entziehe“. Das kennen wir ja aus dem Alltag: erst den Mindestlohn und Grundrente durchrechnen und dann den Inlandsflug antreten. Aber egal, wie verlogen sich der Vorstand Beispiele zusammenzimmert, seine Kernbotschaft bleibt: Wir können nur etwas erreichen, solange wir regieren: also staatstragender Pragmatismus bis zum eigenen Ende.

Dieses alte Leid verfolgt die SPD schon länger. Als staatstragende Partei wurde der Klassenstandpunkt geschichtlich früh – also spätestens 1914 – beerdigt. Heute dienen vor allem die EU und Standortpatriotismus als Rechtfertigung für die Regierungsbeteiligung. Speziell DGB-Chef Hoffmann, welcher nochmals die Verbindung von Gewerkschaft und Partei bestärkte, will SPD und Gewerkschaften dazu bewegen, den „neoliberalen Geist“ in der EU zu überwinden. Und dieser Aufgabe will er ausgerechnet mit der GroKo nachkommen!

Es mag den Vorstandsspitzen der DGB-Gewerkschaften ja nicht auffallen, aber dieser „neoliberale Geist“ hat ganz reale Ursachen in den Kapitalinteressen, welche von SPD, Union, den Grünen und der FDP in den letzten 15 Jahren in Deutschland in verschiedenen Bundesregierungen bedient wurden und somit auch die EU prägen. Letztlich war es auch der DGB, welcher die „Agendapolitik“ der letzten SPD-geführten Bundesregierung durchwinkte, somit Millionen ArbeiterInnen entrechtete und diese in Niedriglohn, Prekarität und Zwangsarbeit schickte.

Die Glaubwürdigkeitskrise

Natürlich entgeht auch der SPD-Führung nicht ganz, dass ihr ihre soziale Basis immer mehr schwindet. Selbst Teile des Vorstands stellen fest, die potentielle WählerInnenschaft nehme der SPD ihr „Engagement“ für die ArbeiterInnenklasse und kleinen Einkommen nicht mehr ab. Richtigerweise hatten die Jusos und andere Delegierte darauf hingewiesen, dass das Umfallen von Schulz und Co. unter Mitgliedern und WählerInnen nicht gut ankam. Auch die Sondierungen und potentiellen Koalitionsverhandlungen werden nicht als Erfolge gefeiert. De facto hat die CSU ihre „Flüchtlingspolitik“ durchgesetzt, die SPD dagegen bei Bürgerversicherung, sachgrundloser Befristung und Spitzensteuersatz nichts. Genügend Delegierte können sich ausmalen, was die nächste GroKo für die ArbeiterInnenklasse bedeuten wird.

Die SPD würde nur als Mehrheitsbeschafferin der Union wahrgenommen, als die Kraft, welche manche Schweinerei der Union allenfalls abschwächt, ansonsten aber nichts zu bieten hat. Gerade die Jusos stellen fest, das die SPD nicht mehr als Gegensatz, sondern als Ergänzung zur Union wahrgenommen wird und es somit auch schwer vorstellbar ist, dass die SPD bundesweite Wahlen gegen diese gewinnen kann.

Interessanterweise widersprach auch der Delegierte Grüber aus Hessen den Ansichten des DGB-Vorsitzenden, indem er die Debatten an der gewerkschaftlichen Basis der SPD anders bewertete als die offiziösen Stellungnahmen der DGB-Spitze, welche schon früh nach dem Ende der „Jamaika“-Sondierungen zur GroKo aufrief.

Zweifellos haben der Juso-Vorsitzende Kühnert und weitere RednerInnen der Parteijugend, aber auch Delegierte aus Hessen, NRW und Berlin die Stimmung der WählerInnen und aktiven Basismitglieder wiedergegeben. Auch wenn es auf dem Parteitag nicht für ein Nein reichte, so ist klar, dass die innere Krise und Zerrissenheit der SPD mit dieser Abstimmung sicher nicht vorbei sein wird. Vielmehr verdeutlicht es, dass eine große Minderheit der Delegierten trotz eines vereinten Vorstandes den Weg in die neuerliche Katastrophe einer Großen Koalition nicht mitgehen will.

Dabei kommt nicht nur „Herz“ zum Ausdruck, sondern auch weitaus mehr Hirn als bei den politischen Lemmingen des Vorstandes, die Merkel bis in den eigenen Abgrund folgen wollen. Vor allem aber offenbart die Debatte auch den widersprüchlichen Charakter der SPD als bürgerliche ArbeiterInnenpartei. Während sie seit über einem Jahrhundert fest auf dem Boden der bestehenden Ordnung steht, also durch und durch bürgerliche Politik macht, weil sie letztlich die kapitalistische Herrschaft verteidigt, so ist sie – anders als die Unionsparteien – eine „besondere“ bürgerliche Partei, weil sie sich organisch über historisch gewachsene Bindungen wie Wählerzusammensetzung, Mitglieder, vor allem aber über die Gewerkschaften auf die ArbeiterInnenklasse stützt. Zweifellos führt die Politik der SPD-Regierungen seit Schröder wie auch die Standortpolitik der Gewerkschaftsspitzen dazu, dass diese Bindung mehr und mehr aufweicht – und in den letzten Jahren leider vor allem nach rechts zur AfD hin.

Aber der Gegensatz, der sich zwischen den KoalitionsbefürworterInnen und GegnerInnen auf dem Parteitag zeigte und die SPD heute durchschüttelt, bricht nun zwischen ihrer bürgerlichen Politik und Führung einerseits und ihrer sozialen Basis andererseits offen aus.

Das Ziel von RevolutionärInnen muss es sein, diesen Widerspruch zuzuspitzen, zu vertiefen. Hier liegt auch die Chance für die nächsten Wochen. Ein mögliches Koalitionsergebnis muss in der Mitgliedschaft abgestimmt werden. Dies ist weiterhin eine große Möglichkeit für diejenigen, welche die GroKo verhindern wollen.

Die angekündigte Nein-Kampagne der Jusos kann trotz der politischen Grenzen ihres Reformismus ein Mittel werden, die Neuauflage der Koalition mit den Unionsparteien zu verhindern. Der Eintritt zahlreicher Jugendlicher, um an der Abstimmung teilzunehmen, verdeutlicht, dass diese innere Polarisierung voranschreitet und auch eine Chance auf Erfolg hat. Zweifellos werden Vorstände versuchen, diese Menschen als „OpportunistInnen“ zu diskreditieren und deren Abstimmungsberechtigung in Frage stellen. Die viel gepriesene „Öffnung“ und „Erneuerung“ der Sozialdemokratie soll schließlich nicht zu „falschen Ergebnissen“ führen.

So wichtig der Zulauf von neuen Mitgliedern einzuschätzen ist, entscheidend für die Abstimmung und vor allem für die weitere Zukunft der SPD werden ihre gewerkschaftlich organisierten Mitglieder sein. Während sich der Vorstand treu hinter die GroKo stellt, haben viele sog. „einfache“ Mitglieder schon mitbekommen, was sie eigentlich von einer SPD in der GroKo zu erwarten haben – nämlich nichts. Im öffentlichen Dienst wird weiter gespart und privatisiert, die Situation in der Pflege ist beschissen, obwohl die SPD mitregierte und nicht in der Opposition war, und die Europapolitik der Austerität, der Festung Europa und der schleichenden Aufrüstung passiert gerade mit und unter „großen“ Europäern wie Schulz und Macron.

Dieser Politik gehört ein Denkzettel verpasst, genau diese Möglichkeit ist weiterhin vorhanden. Diese Abstimmung an der Basis ist eben noch nicht klar entschieden, bietet Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die SPD-Basis wie schon lange nicht mehr z. B. für die Linkspartei, aber auch die „radikale, außerparlamentarische Linke“. Die linken Kräfte außerhalb der SPD müssen direkt den Dialog mit der Gewerkschaftsbasis, den Jusos, Naturfreunden und Falken suchen. Die Gewerkschaftsbonzen und die Naturfreunde waren für, Falken und Jusos deutlich gegen das Sondierungsabkommen. Sie gilt es aufzufordern, eine starke Opposition gegen den Ausverkaufskurs der Partei- und Gewerkschaftsführungen zu bilden. Mit ihnen zusammen müssen wir gegen den Koalitionsvertrag agitieren und zum Widerstand gegen die Politik der neuen Bundesregierung in Aktion treten.




Hände weg von Afrin! Solidarität mit den KurdInnen!

Martin Suchanek, Infomail 983, 22. Januar 2018

Seit dem 20. Januar läuft die „Operation Olivenzweig“. Allein am letzten Wochenende flog die türkische Armee über hundert Laufeinsätze. Schon Tage zuvor beschoss sie mit schwerer Artillerie die Stellungen der kurdischen Selbstverteidigungskräfte YPG/YPJ (deutsch: Volksverteidigungs-/Frauenverteidigungseinheiten). Seit Sonntag, den 21. Januar, dringen ihre Panzer und Infanterie, oft gestellt von Marionettentruppen türkisch gelenkter FSA-Verbände (Freie Syrische Armee) einschließlich zahlreicher islamistischer Ultrareaktionäre, in das von den KurdInnen gehaltene Gebiet um Afrin vor.

Es kämpft eine hochgerüstete NATO-Armee mit absoluter Lufthoheit gegen eine trotz US-Hilfen militärisch weit unterlegene Streitmacht. Erdogans Kriegziel ist dabei klar: Es geht darum, die Formen kurdischer Selbstbestimmung und Autonomie, die in den letzten Jahren etabliert wurden, zu zerschlagen. Er weiß sich darin einig mit der syrischen Regierung, den von ihm unterhaltenen Teilen der „Opposition“ und dem russischen Imperialismus. Formal drücken diese zwar ihre „Besorgnis“ aus, doch mehr oder minder offen lassen sie der Türkei und ihren Bodentruppen freie Hand – ein Teil der reaktionären Neuordnung des Landes nach Assads Sieg im Bürgerkrieg.

Die USA und der Westen, die sich der KurdInnen als Fußtruppen im Kampf gegen den islamischen Staat bedienten, lassen sie nun fallen wie eine heiße Kartoffel. Ihre Ankündigung, eine 30.000 KämpferInnen starke Grenztruppe im Verbund mit den kurdisch dominierten SDF (Demokratische Kräfte Syriens) zu schaffen, wurde als „Missverständnis“ dementiert. Am 21. Januar twitterte das US-Außenministerium: „Wir fordern die Türkei zur Zurückhaltung auf, um bei ihren militärischen Operationen zivile Opfer zu vermeiden.“ Im Klartext: Tote KämpferInnen der YPG/YPJ sind akzeptable Kollateralschäden einer an Zynismus kaum zu überbietenden US-Politik. Das deutsche Außenamt steht dem allerdings nicht viel nach, wenn es in diesem ungleichen Kampf „beide Seiten zur Zurückhaltung“ aufruft.

Während die Türkei ihren Einfluss als Regionalmacht mit dieser Operation festigen will und sie zugleich zur Abrechnung mit allen inneren „Feinden“ nutzt, so akzeptieren offenkundig die syrische Regierung, alle anderen Regionalmächte und die imperialistischen AkteurInnen die Invasion. Für die Rechte des national unterdrückten kurdischen Volkes will sich niemand die Finger verbrennen. Im Gegenteil: Alle hoffen, dass die türkische Offensive möglichst reibungslos vonstattengeht, dass sie rasch Fakten schafft. Daher mögen die KurdInnen zwar bedauert werden, vor allem aber sollen sie sich „mäßigen“, also gegen das zynische Spiel nicht aufbegehren.

Mit seiner Invasion hat das Land nicht nur der Bevölkerung von Afrin den Krieg erklärt. Auch der Krieg gegen das kurdische Volk und dessen Organisationen wie die HDP und die PKK wird verschärft. Die von der HDP ausgerufenen Proteste wurden mit brutaler Polizeigewalt im Keim erstickt. Unverhohlen droht Erdogan allen GegnerInnen, jedem demokratischen Protest mit brutaler Unterdrückung und Vernichtung: „Wir leiten gerade im Geiste der nationalen Einheit eine Operation gegen jene, die aus dem Ausland unsere Landesgrenzen bedrohen. Und ihr? Ihr versucht, uns von innen zu schlagen. So wie wir die einen aus ihren Höhlen in den Bergen herausgeholt haben, so werden wir auch euch niemals die Plätze und Straßen überlassen.“ (Tagesschau ARD, 21. Januar)

Der kurdische Widerstand gegen die türkische Invasion ist mehr als gerechtfertigt. Unabhängig von ihrer Haltung zur Politik der Führung der KurdInnen in Rojava und Afrin müssen alle Linken, die gesamte internationale ArbeiterInnenbewegung, alle Anti-ImperialistInnen die türkische Invasion verurteilen und deren sofortige Beendigung fordern.

Appelle an die Großmächte oder an die UNO werden dabei jedoch nicht weiterhelfen.

RevolutionärInnen unterstützen den berechtigten Widerstand des kurdischen Volkes in Rojava und in der Türkei. Wir treten für internationalistische Hilfe für die Kämpfenden ein, für deren materielle Unterstützung. Die kurdische Region im Nordirak muss ihre Grenzen für Rojava öffnen.

Wir rufen die ArbeiterInnenbewegung, alle linken Parteien, die Gewerkschaften, alle linken und anti-imperialistischen Kräfte auf, in Solidarität mit den KurdInnen auf die Straße zu gehen. Wir fordern die Öffnung der Grenzen für alle kurdischen Geflüchteten, die Aufhebung das Verbotes ihrer Organisationen, allen voran der PKK. Wir fordern die Einstellung aller Waffenlieferungen und Militärhilfe an die Türkei, den Abzug aller imperialistischen Truppen aus der Region!

Der Einmarsch türkischer Truppen droht, ein weiterer reaktionärer Schlag zur Neu-Aufteilung Syriens und vor allem gegen das kurdische Volk zu werden. Eine „Stabilisierung“ der Region wird er jedoch nicht bringen. Vielmehr wird er nur das Unrecht, die Unterdrückung festigen.

Die einzige Hoffnung liegt im Widerstand – nicht nur des kurdischen Volkes, sondern in der Vergeschwisterung der ArbeiterInnen und Ba(e)uerInnen, der städtischen und ländlichen Massen im gesamten Nahen Osten, der KurdInnen und PalästinenserInnen, der iranischen ArbeiterInnen und der wirklich demokratischen und sozialistischen Kräfte in Syrien, im Irak, in der Türkei.

Ein solche Politik – und auch das ist eine Lehre des kurdischen Kampfes und erst recht des Bürgerkriegs in Syrien – muss unabhängig von allen imperialistischen und reaktionären Kräften verfolgt werden. Sie muss die sozialen und demokratischen Fragen, den Kampf um das Selbstbestimmungsrecht mit dem Kampf um eine sozialistische Umwälzung in der gesamten Region verbinden. Dazu braucht es ein Programm und eine politische Organisation, eine revolutionäre ArbeiterInnenpartei und Internationale.