Ecuador: Massenbesetzung der Hauptstadt gegen Sozialraub-Programm des IWF

Liga Socialista, Infomail 1072, 12. Oktober 2019

Ecuador wurde
von Massenprotesten indigener Völker, Gewerkschaften und StudentInnen gegen ein
neoliberales Sparprogramm des IWF in Aufruhr versetzt, das zu Kürzungen bei den
Treibstoffsubventionen und zu einer Erhöhung der Kosten für grundlegende
Konsumgüter geführt hat.

Am Montag, den
7. Oktober, verlegte Präsident Lenín Moreno seine Regierung 150 Meilen von
Quito nach Guayaquil, um der bevorstehenden Ankunft von Tausenden von Indigenen
zu entkommen, die entlang der Hauptstraßen der Anden in Richtung Hauptstadt
voranschritten. Moreno wirft dem ehemaligen Präsidenten Rafael Correa und
seinen Verbündeten vor, die Massen für ihre eigenen politischen Ziele aufzustacheln.

Seit Beginn der
Demonstrationen wurden mehr als 500 Menschen verhaftet. Der Verkehr auf den Brücken,
die nach Guayaquil führen, wurde durch Regierungsverfügungen vorübergehend
unterbrochen, und das Bildungsministerium kündigte erneut die Einstellung des
Unterrichts an.

Am Dienstag, den
8. Oktober, stürmten DemonstrantInnen, die nach Straßenblockaden und
gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Polizei, Militär und Marschierenden in der
Hauptstadt ankamen, die Nationalversammlung und nahmen Kurs auf den Präsidentenpalast.

Die indigenen FührerInnen
kündigten an, dass in den nächsten Tagen mehr als 20.000 DemonstrantInnen nach
Quito kommen würden, um Präsident Moreno zu zwingen, die Sparmaßnahmen
aufzuheben.

„In diesem
Moment mobilisieren sich unsere Völker und Nationalitäten und rücken in
Richtung der Stadt Quito vor, um zu fordern, dass diese Maßnahmen abgelehnt
werden müssen, die die Taschen aller EcuadorianerInnen treffen“, sagte der Präsident
des Verbandes der indigenen Völker, Jaime Vargas, während Tausende von Menschen
die Straßen im Norden des Landes verstopften.

Gleichzeitig kritisierte der Anführer der „Volksfront der ArbeiterInnen und StudentInnen“, Nelson Erazo, die Erklärungen des Verteidigungsministers Oswaldo Jarrín vom Sonntag, in denen er die DemonstrantInnen warnte, die Streitkräfte nicht herauszufordern oder zu provozieren. Laut Erazo klangen diese Erklärungen wie eine Kriegserklärung an das Volk, und er sagte auch, dass die Mobilisierung nicht aufhören wird, bis die Regierung nachgibt. Für Mittwoch, den 9. Oktober, wurde ein nationaler Streik ausgerufen.

Nach Angaben von
Regierung wird der Wegfall der staatlichen Benzinsubvention dem Staat 1,4
Milliarden US-Dollar einsparen. Die TransportarbeiterInnen initiierten die
Proteste mit einem nationalen Streik, der zu größeren Zusammenstößen zwischen den
Massen und Sicherheitskräften führte, so dass die Regierung den Ausnahmezustand
ausrief. Die Versammlungsfreiheit wurde eingeschränkt, und das Militär wurde in
den wichtigsten Städten und auf den Straßen stationiert.

Dennoch griffen die sozialen Bewegungen und der Verband der indigenen Völker den Aufruf auf und verstärkten den Druck. Die Regierung setzte Fahrzeuge zur Aufstandsbekämpfung, berittene Polizei und Tränengas ein, um auf die massiven Konzentrationen von DemonstrantInnen zu reagieren, die mit Stöcken und Steinen bewaffnet waren. Hunderttausende beteiligten sich am 9. Oktober am Generalstreik allein in Quito. Die Armee und Polizei gingen mit brutaler Gewalt vor, hunderte wurden festgenommen. Die Lage wird sich in den nächsten Tagen weiter zuspitzen.

Morenos Verrat

Lenín Moreno,
der Vizepräsident des ehemaligen Präsidenten Rafael Correa, gewann die Wahlen 2017
in Ecuador, indem er vorgab, die Politik von Correa fortzusetzen. Im Gegensatz
zu den anderen lateinamerikanischen Ländern, in denen der US-Imperialismus seine
wirtschaftliche Belagerung verschärft und seinen Willen durch parlamentarische
und gerichtliche Putsche durchgesetzt hat wie in Brasilien, Paraguay, Nicaragua
und insbesondere Venezuela, wo er eine immense politische und wirtschaftliche
Krise auslöste, schienen in Ecuador die Weichen für eine Fortsetzung des links-populistischen
Programms von Rafael Correa gestellt zu sein.

Aber nach seinem
Amtsantritt zeigte Moreno sein wahres Gesicht. Sein Verrat wurde vom Anfang
seines Mandats an offensichtlich, mit politischer Verfolgung von Mitgliedern
desselben Bündnisses, das ihn zum Präsidenten machte. Die von dieser neuen
Regierung ergriffenen Maßnahmen beweisen, dass sie darauf abzielen, die Politik
ihrer Vorgängerin umzukehren. Unter dem Vorwand des „Kampfes gegen die
Korruption“ startete Moreno eine Hexenjagd gegen seine ehemaligen Verbündeten.
Rafael Correa selbst war Gegenstand von Anschuldigungen des Obersten
Rechnungsprüfungshofs, der Unregelmäßigkeiten bei der Verwaltung der öffentlichen
Schulden und der Aushandlung von Ölverträgen mit chinesischen Unternehmen während
Correas Amtszeit geltend machte.

Der Verrat geht
weiter mit neuen Allianzen mit den großen ecuadorianischen Bankiers, Abkommen
mit dem IWF, dem Ende des politischen Asyls in der ecuadorianischen Londoner
Botschaft für WikiLeaks-Gründer Julian Assange und ständigen Medienkampagnen,
die die sozialen Bewegungen und linken MilitantInnen verteufeln.

Eine Regierung
gegen das Volk

In weniger als drei Jahren hat die Regierung Moreno die Schulden Ecuadors um mehr als 20 Milliarden US-Dollar erhöht und gleichzeitig die Steuern für Unternehmen gesenkt, was sich auf 4.295 Millionen US-Dollar beläuft. Unterdessen haben die BankerInnen Gewinne von mehr als 500 Millionen US-Dollar erzielt.

Mit der
Umsetzung des IWF-Pakets hat die Regierung der ecuadorianischen
ArbeiterInnenklasse, den ländlichen Armen und den indigenen Völkern die Kosten
ihrer eigenen Krise aufgehalst.

Von da an
begannen die Demonstrationen einer Bevölkerung, die der Angriffe der Regierung
Moreno überdrüssig geworden ist. Mit den TransportarbeiterInnen, die die
Bewegung initiierten, schlossen sich bald andere Kräfte der sozialen Bewegungen
zusammen, die StudentInnen, Indigene und Bauern wie Bäuerinnen vereinten, die
sich trotz ihrer Unterschiede einig waren, um gegen die Regierung des Verräters
Moreno und seine neoliberale Anpassungspolitik zu kämpfen.

Diese Regierung,
die gegen die Interessen der Bevölkerung handelt und von der Unterdrückung und
den Kräften des Imperialismus getragen wird, muss von den vereinten
ecuadorianischen ArbeiterInnen, Bauern, Bäuerinnen und indigenen Völkern gestürzt
werden. Um die Bewegung aufrechtzuerhalten und zum Sieg zu gelangen, müssen die
indigene Konföderation und die ArbeiterInnenföderation Koordinierungsausschüsse
einrichten, die die verschiedenen Kampagnen miteinander verbinden und Märsche
und Proteste in einen revolutionären Generalstreik verwandeln, der den
Staatsapparat, die Unterdrückungskräfte und die Gewinne der Reichen lähmt.

Ziel der
Bewegung muss es sein, die Regierung der Bosse durch eine Regierung von
ArbeiterInnen, armen Bauern, Bäuerinnen und indigenen Völkern zu ersetzen, die
Wahlen zu einer souveränen verfassunggebenden Versammlung organisieren könnte,
in der das arbeitende Volk antikapitalistische und antiimperialistische Lösungen
für die Probleme des Landes beschließen kann. Dies wäre ein großer Schritt, um
die reaktionäre Flut zurückzudrängen, die über den Kontinent schwappt.