Nordirland: Die Rückkehr von Stormont

Bernie McAdam, Infomail 1246, 29. Februar 2024

Vor zwei Jahren kündigte die Democratic Unionist Party (DUP) das Karfreitagsabkommen (GFA) auf und verließ Stormont, das nordirische Parlament. Die dezentralen Institutionen der nordirischen Exekutive und Versammlung brachen damit zusammen. Die DUP bestand darauf, dass dies so lange andauern würde, wie das nordirische Protokoll zum Brexit-Austrittsabkommen und die Grenze zur Irischen See existierten, da dies eine Bedrohung für die Union mit Großbritannien darstelle. Das neue Abkommen „Safeguarding the Union (Schutz der Union)“, dem alle Parteien zugestimmt haben, hat die Rückkehr ins Stormont sichergestellt.

Hat die DUP also erreicht, was sie will? Natürlich sagt sie, dass sie es hat und es nun keine Seegrenze mehr zwischen Großbritannien und Nordirland gibt. Die wichtigste Errungenschaft des DUP-Vorsitzenden Jeffrey Donaldson ist eine Vereinbarung über die Abschaffung der Routinekontrollen für Waren, die von Großbritannien in den Norden gelangen und nicht für den Verkauf in der irischen Republik und damit in der EU bestimmt sind. Die bestehenden „grünen“ und „roten“ Fahrspuren für Waren hatten jedoch bereits ein ähnliches Verfahren eingeführt, und es bleibt die Tatsache bestehen, dass zur Verhinderung von potenziellem Schmuggel in die EU weiterhin Kontrollen durchgeführt werden können, bevor die Waren in Nordirland angelandet werden. Mit anderen Worten: Es gibt immer noch eine Zollgrenze an der Irischen See, wenn auch weniger sichtbar; das Protokoll ist nach wie vor intakt.

Donaldsons größter Erfolg ist vielleicht, dass er seine Partei, die größte Stimme innerhalb der Unionist:innen, für diese sehr geringfügige Verfahrensänderung gewinnen konnte. Sogar der loyalistische Dachverband, der Loyalist Community Council, dem auch loyalistische Paramilitärs angehören, hat die Vereinbarung unterstützt. Das bedeutet, dass mit Michelle O’Neil von Sinn Fein zum ersten Mal eine nationalistische Premierministerin akzeptiert wird. Für die DUP ist das natürlich schmerzlich, aber sie hat mit der nicht gewählten Emma Little-Pengelly eine willige stellvertretende Ministerpräsidentin gefunden. Aber auch hier gibt es wenig Substanzielles, da alle Entscheidungen von beiden Ministerinnen, die gleichberechtigt sind, mitgetragen werden müssen.

Sinn Feins Freude

Eine jubelnde Sinn Fein behauptet, dass ein vereinigtes Irland nun „in greifbarer Nähe“ sei, und Michele O’Neil spricht davon, dass „die Volksabstimmungen noch in diesem Jahrzehnt“ stattfinden werden, um die Zukunft der Union zu bestimmen. Das Karfreitagsabkommen enthält zwar eine solche Bestimmung, aber es liegt ganz im Ermessen der britischen Regierung, eine solche Grenzabstimmung zuzulassen. Der britische Minister für Nordirland, Chris Heaton-Harris, rechnet nicht damit, dass er eine solche Abstimmung noch zu seinen Lebzeiten erleben wird. Wer gedacht hat, dass die Labour-Partei mehr Sympathie zeigen würde, sollte sich anhören, wie ihr Vorsitzender Starmer ein mögliches Referendum herunterspielt, indem er es als „absolut hypothetisch“ und „nicht einmal am Horizont sichtbar“ bezeichnet.

Das Abkommen tut genau das, was es sagt, nämlich „die Union zu schützen“, genau wie das GFA, indem es einem zutiefst undemokratischen Staat ein „demokratisches“ Mäntelchen umhängt. Für den US-amerikanischen, europäischen und britischen Imperialismus ist die Struktur der Machtteilung des GFA das einzig Wahre, und Sinn Fein macht da gerne mit. Für die Unionist:innen ist die Teilung der Macht der Preis, den sie für die Fortsetzung der Union mit Großbritannien zahlen müssen.

Der Staat ist jedoch immer noch ein Affront gegen die demokratischen Bestrebungen des irischen Volkes als Ganzes, und es ist die Bevölkerung, die die Zukunft der sechs Grafschaften bestimmen sollte, frei von jedem britischen Veto. Stormont ist nach wie vor eine sektiererische Struktur und wird auch weiterhin die Ämter auf sektiererischer Basis in einem Staat verteilen, der existiert, um den Kapitalismus zu kontrollieren und die Teilung zu bewahren; ein Staat, der über die am meisten benachteiligte Region im Vereinigten Königreich herrscht.

Herausforderung für die Arbeiter:innenklasse

Was die Situation wirklich veränderte, war der Generalstreik im öffentlichen Dienst im Januar, als 150.000 Arbeiter:innen auf die Straße gingen. Das konzentrierte die Gedanken der DUP auf wunderbare Weise, als sie sich mit dieser Herausforderung der Arbeiter:innenklasse auseinandersetzte. Die Region wurde zum Stillstand gebracht, als sich katholische und protestantische Lohnabhängige zusammenschlossen, um ihre ausstehenden Lohnansprüche einzufordern. Abgesehen von der Wut über die Verschlechterung der Löhne und Dienstleistungen wurde die Wirkung durch den Trick der britischen Regierung noch verstärkt: „Wir werden euch bezahlen, wenn ihr die Exekutive wieder zum Laufen bringt“.

Betrachtet man den realen Wert der Löhne und Gehälter im öffentlichen Sektor, d. h. die Differenz zwischen den Lohnabschlüssen und der Inflation, so ist dieser zwischen April 2021 und April 2022 um mehr als 4 % gesunken. Im folgenden Jahr betrug der Rückgang 7 %. Hinzu kommt die erschreckende Tatsache, dass die Arbeiter:innen in Nordirland  weniger Lohn erhalten als die entsprechenden Kolleg:innen im übrigen Vereinigten Königreich. Die Lohngleichheit ist natürlich eine wichtige Forderung, aber sie reicht allein nicht aus, um mit der Inflation Schritt zu halten.

Der öffentliche Sektor wurde von den regierenden Tories jahrelang mit brutalen Kürzungen überzogen. In fast allen Bereichen schneidet das nordirische Gesundheits- und Pflegesystem (British Medical Association) schlechter ab als irgendwo sonst im Vereinigten Königreich. Die Wartelisten sind verhältnismäßig viel höher und verlängern sich. Der Haushalt für das Bildungswesen 2023 – 2024 wurde um 2,5 % gekürzt, und die Bildungsbehörde gab bekannt, dass eine beträchtliche Anzahl von Schulen mit einer „unhaltbaren finanziellen Situation“ konfrontiert ist. Die Gehälter der Lehrer:innen wurden seit drei Jahren nicht mehr erhöht, so dass sich eine große Lücke zum Rest des Vereinigten Königreichs auftut.

Wie geht es weiter?

Jetzt, da „die Union gesichert“ ist und die britische Regierung 3,3 Milliarden Pfund freigegeben hat, obliegt es der von Sinn Fein und DUP geführten Exekutive, mit den Gewerkschaften über die Lohnzahlungen zu verhandeln. Genau darum ging es beim GFA, um die Übertragung der britischen Herrschaft mit all ihren wirtschaftlichen Angriffen. Natürlich ist die begrenzte Finanzierung durch Großbritannien der Kern des Problems, aber die Zuständigkeitsverlagerung entbindet die britische Regierung von einer direkten Beteiligung.

Die Wut auf den Straßen im Januar ist noch nicht verflogen. Bei Redaktionsschluss haben die Gewerkschaften Unite, GMB und SIPTU ein Lohnangebot von 5 % für das Verkehrspersonal abgelehnt und für den 27. bis 29. Februar zu einem dreitägigen Streik aufgerufen. Die Assistenzärzt:innen werden im März einen Tag lang streiken, nachdem 97 % für einen Streik gestimmt haben. In einem Streit, der bis ins Jahr 2018 zurückreicht, hat die GMB (General, Municipal, Boilermakers and Allied Trade Union) vor Streiks gewarnt, da laut Sprecher für Bildung Paul Girvan keine neuen Mittel für die Bezahlung und Einstufung des Schulpersonals zur Verfügung stehen.

Der Streik im Januar zeigt zwar die enorme Kraft der Arbeiter:innenschaft, die gemeinsam streikt, aber es ist klar, dass weitere Maßnahmen erforderlich sind. Carmel Gates, NIPSA (Nordirische Öffentliche Dienstallianz)-Generalsekretärin, sagte: „Dies ist der Anfang, wir werden eskalieren“. Aber diese Worte müssen in eine konkrete Strategie für den Sieg umgesetzt werden. Wir können uns dabei nicht auf unsere Führer:innen verlassen. Die Basis muss die Kontrolle über die Auseinandersetzungen übernehmen, indem sie Streikkomitees und Massenversammlungen bildet, um ihre Führungen zur Verantwortung zu ziehen. Gemeinsame gewerkschaftliche Aktionsräte müssen ein eskalierendes Aktionsprogramm bis hin zu einem unbefristeten Streik koordinieren.

Zurück nach Stormont

Die neue Exekutive wird also wieder die britische Herrschaft umsetzen, und zwar mit allen finanziellen Zwängen, die sich aus der Politik der Regierung ergeben. Der einzige „Vorteil“ der Rückkehr nach Stormont wird darin bestehen, dass die Rolle von Sinn Fein und der DUP bei der Kollaboration mit den Angriffen der britischen Regierung auf die Arbeiter:innen aufgedeckt wird. Ja, sie werden mehr Geld fordern und die Verantwortung leugnen, aber sie werden nicht kämpfen oder sich der Regierung widersetzen, um die Lohnforderungen der Beschäftigten zu erfüllen. Es wird interessant sein zu sehen, ob die Exekutive sich sogar weigert, die vom Finanzministerium geforderten zusätzlichen Einnahmen in Höhe von 113 Millionen Pfund aufzubringen!

Die Gewerkschaftsbürokrat:innen werden ihr Bestes tun, um die Aktionen zu begrenzen und schlechte Verträge unterhalb der Inflationsrate auszuhandeln. Auch sie sind für die Teilung und werden die Strukturen der Machtteilung nicht erschüttern wollen. Klar ist, dass ein entschlossener Kampf der Arbeiter:innen zur Verteidigung und Verbesserung ihres Lebensstandards das institutionalisierte Sektierertum, das die Gesellschaft in den sechs Grafschaften durchdringt, auf die Probe stellen und ins Wanken bringen wird.

Wenn der Brexit vielen gezeigt hat, wie störend eine Grenze in Irland ist, dann kann eine militante Herausforderung der Kürzungspolitik durch katholische und protestantische Arbeiter:innen die Augen für eine Zukunft öffnen, in der alle Arbeiter:innen in Irland ihre gemeinsamen Interessen gegen die britischen imperialistischen oder irischen kapitalistischen Bosse erkennen. Die kapitalistischen Regierungen im Norden und Süden werden keine Skrupel haben, den Widerstand der Arbeiter:innenklasse zurückzuschlagen, deshalb brauchen wir Einigkeit über die konfessionelle Kluft hinweg, um einen stärkeren Kampf gegen die Bosse zu organisieren. Dieser Kampf wird erst dann beendet sein, wenn die Gesellschaft in einer Arbeiter:innenrepublik in Irland der Arbeiter:innenklasse gehört und von ihr kontrolliert wird.




Britannien: Für Arbeiter:innenaktionen gegen den Gaza-Genozid!

Dave Stockton, Workers Power (Britannien), Infomail 1242, 17. Januar 2024

Das Jahr begann mit dem anhaltenden Martyrium der Menschen im Gaza-Gebiet. Bis zum Neujahrstag gab es über 22.000 Tote – davon 8.633 Kinder – und 57.000 Verletzte zu beklagen. Etwa 29.000 Bomben haben 300.000 von 493.000 Häusern zerstört. Die Weltgesundheitsorganisation meldete, dass nur neun von 36 Gesundheitseinrichtungen im Gazastreifen in Betrieb sind, und zwar alle nur teilweise und sämtlich im Süden.

Zwei Millionen der 2,3 Millionen Einwohner:innen sind in den Süden getrieben worden. Rund um Rafah sind riesige Zeltstädte entstanden, und bei strömendem Regen und knappen Wasser- und Lebensmittelvorräten könnten bald Krankheiten grassieren. Bombardierungen und Drohnenangriffe verfolgten die Menschen auf ihrer Flucht nach Chan Yunis und dann nach Rafah, die laut israelischen Flugblättern „sichere Zonen“ sein sollen. Der Gazastreifen ist auch nicht der einzige Schauplatz zionistischer Gräuel. Im besetzten Westjordanland wurden 350 Menschen getötet, und das Flüchtlingslager von Dschenin wurde aus der Luft bombardiert.

Rassismus

Israelische Regierungsminister aus den unverhohlen rassistischen „religiösen Parteien“, wie der Minister für Nationale Sicherheit Itamar Ben-Gvir und der Finanzminister Bezalel Smotrich, haben zur „freiwilligen Migration“ nach Ägypten und in andere Nachbarländer aufgerufen. Avi Dichter, Landwirtschaftsminister des Likud, sagte: „Wir sind dabei, die Nakba des Gazastreifens auszurollen“, während der Minister für Heimaterbe, Amihai Eliyahu, im 103FM-Radio erklärte, dass Israel „Wege für die Menschen im Gazastreifen finden muss, die schmerzhafter sind als der Tod“, so wie es die USA mit Japan getan haben, um seine Moral zu brechen und „seinen nationalen Traum zu beenden“.

Das Ziel solcher Parteien, auf die Netanjahu seine Mehrheit in der Knesset, dem israelischen Parlament, stützt, ist eindeutig die vollständige Vertreibung der einheimischen Bevölkerung Palästinas. Israels westliche Unterstützer:innen befürworten dies aufgrund ihrer Beziehungen zu ihren Verbündeten wie Saudi Arabien, Jordanien oder den Emiraten nicht, was Israel jedoch nicht daran hindert, das Projekt voranzutreiben. Zumindest beabsichtigt es, die palästinensische Bevölkerung in immer kleinere Zonen zu drängen, die von der IDF (Israelische Armee) und den immer schwerer bewaffneten Siedler:innen im besetzten Westjordanland umgeben sind.

Natürlich verurteilen US- und EU-Politiker:innen die extremen Ansichten dieser Minister, aber sie bleiben in einer Regierung, die in der Praxis das tut, was nur sie zu sagen wagen. Unterdessen berichten mutige israelische Friedensaktivist:innen, dass jüdischen Bürger:innen die Schrecken, die sich in Gaza abspielen, nicht vor Augen geführt werden und sie glauben, dass der Tod von Zivilist:innen ein unbeabsichtigter, aber unvermeidlicher Kollateralschaden der Kampagne gegen die Hamas ist.

Die Tötung von Zivilist:innen auf breiter Front ist das bewusste Ziel der israelischen Taktik; die Auslöschung ganzer Stadtteile dient dem strategischen Ziel, „den nationalen Traum zu beenden“. Die immer strengere Belagerung des Gazastreifens, die systematische Zerstörung seiner Infrastruktur und die Lähmung seiner Wirtschaft haben den Widerstand jedoch nicht gebrochen. Im Gegenteil, sie haben die Unterstützung für die Hamas als die unnachgiebigste und zum Gegenschlag fähigste Partei verstärkt. Ihre Verankerung in der Bevölkerung wird sich als unausrottbar erweisen, wenn nicht die Menschen selbst ausgerottet werden.

Vor diesem schrecklichen Hintergrund ist die Weigerung westlicher Regierungen, zu einem Waffenstillstand aufzurufen unter dem Mantra, dass Israel das Recht hat, sich selbst zu verteidigen, eine kriminelle Absprache. Dies sollte uns nicht überraschen. Die USA, Großbritannien, Deutschland und Frankreich haben alle völkermörderische Kriege auf ihrem Gewissen, nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in der Gegenwart, in Afghanistan, oder im Irak.

Labour

Die Vereinigten Staaten, Schirmherr und Geldgeber Israels und all seiner Aggressionen seit den 1950er Jahren, haben alle Versuche der Mehrheit in der UN-Vollversammlung und im Sicherheitsrat, ein Ende des Tötens zu fordern, mit ihrem Veto blockiert. Großbritannien unter Rishi Sunak folgt der Linie aus Washington, ebenso wie die Labour-Partei unter Keir Starmer. Dies passt zu seinem Interview mit der Times of Israel nach seiner Wahl zum Labour-Vorsitzenden, in dem er betonte: „Ich unterstütze den Zionismus ohne Einschränkung.“ Darauf folgte eine Hexenjagd auf Antizionist:innen, die als Antisemit:innen verleumdet wurden, darunter viele jüdische Verteidiger:innen der palästinensischen Rechte.

Dennoch sind Starmers Ansichten nicht die der Labour-Basis oder der Parteipolitik. Die Jahreskonferenz hat wiederholt Entschließungen verabschiedet, die Israel verurteilen und Maßnahmen gegen Israels Gräueltaten unterstützen. Erst 2021 verabschiedete sie einen Antrag, in dem es hieß:

„Die Konferenz beschließt, die von der palästinensischen Zivilgesellschaft geforderten ,wirksamen Maßnahmen’, einschließlich Sanktionen, gegen die völkerrechtswidrigen Handlungen der israelischen Regierung zu unterstützen, insbesondere um sicherzustellen, dass Israel den Siedlungsbau stoppt, jegliche Annexion rückgängig macht, die Besetzung des Westjordanlands und die Blockade des Gazastreifens beendet, die Mauer abbaut und das im Völkerrecht verankerte Recht der palästinensischen Bevölkerung auf Rückkehr in ihre Heimat respektiert.“

Diese Entschließungen bleiben die offiziell beschlossene Politik der Labour Party und der ihr angeschlossenen Gewerkschaften, die für sie gestimmt haben. Wie viele andere Entschließungen werden sie natürlich vom Schattenkabinett und dem Nationalen Exekutivkomitee völlig ignoriert. Und nur einige dieser Gewerkschaften wagen es noch, sie zu äußern, weil sie damit erpresst werden, dass jede Kritik an Starmer die Wahlchancen von Labour gefährdet. Nichtsdestotrotz sind eine Reihe von kommunalen Labour-Abgeordneten aus Protest zurückgetreten oder drohen damit, bei den nächsten Wahlen auf einer Plattform für Palästina gegen Labour zu kandidieren.

Aktionen

In Großbritannien und anderen Ländern gab es wöchentliche Massendemonstrationen, die einen Waffenstillstand und das Ende der Blockade forderten. In London marschierten Hunderttausende, und in den meisten britischen Großstädten fanden beträchtliche Mobilisierungen statt. Dutzende von lokalen Gaza-Solidaritätsgruppen sind entstanden und organisieren regelmäßig Kampagnen. Aktivist:innen haben auch direkte Aktionen gegen Elbit Systems, den größten israelischen Waffenhersteller, der mindestens 85 Prozent der vom israelischen Militär verwendeten Drohnen liefert, geplant.

An einer Aktion in Sandwich in Kent am 26. November nahmen Gewerkschaftsmitglieder von Unite, Unison, der National Education Union, der University and College Union, der British Medical Association und der Bakers‘ Union teil und trugen ein Transparent mit der Aufschrift „Workers for a free Palestine (Arbeiter:innen für ein freies Palästina)“. Sie haben auch eine gleichnamige Gruppe  gegründet.

Solche Maßnahmen sind wichtige Schritte auf dem Weg zu einer landesweiten Kampagne für den Boykott aller Institutionen und Firmen, die Material liefern, das Israels Gräueltaten in Gaza unterstützt. Wir müssen diese Forderung in den Gewerkschaftsgruppen in Fabriken und Büros, an Universitäten und Schulen aufgreifen.

Wir müssen die Informationsverbote über den Gazastreifen durchbrechen, die von Verwaltungen und Bildungsbehörden verhängt werden. Dies ist von entscheidender Bedeutung, da der Gesetzesentwurf der Regierung „Economic Activity of Public Bodies (Overseas Matters) Bill“ (Gesetz zur ökonomischen Aktivität öffentlicher Körperschaften in Außenangelegenheiten), der darauf abzielt, Boykotte, Desinvestitionen und Sanktionen zu verbieten, demnächst im Unterhaus eingebracht werden soll. Dieser Angriff auf die Redefreiheit muss aufgedeckt, bekämpft und, falls er verabschiedet wird, abgewehrt werden.




Britannien: Widerstand gegen das reaktionäre Schlachtfest der Tories!

George Banks, Infomail 1234, 18. Oktober 2023

Dreizehn Jahre konservativer Toryherrschaft haben uns Haushaltssparkurs, Pandemie und Inflation gebracht – zusätzlich zu den dreifachen Bedrohungen durch Klimachaos, Rezession und Krieg. Es ist Zeit für sie zu gehen.

Im Jahr 2010, als die Konservative Partei gewählt wurde, gab es 29 Milliardär:innen in Großbritannien – jetzt sind es 171. Das Nationale Gesundheitswesen (NHS) des Landes wird in den Ruin getrieben. Unsere Schulen kollabieren. Schätzungsweise 14,5 Millionen Menschen – 22 % der Bevölkerung – leben unterhalb der Armutsgrenze.

Für diejenigen unter uns, die berufstätig sind, hat die Inflation unsere Löhne dezimiert, während die Zinsen steigen, die Wohnkosten in die Höhe schießen, Unternehmen in den Konkurs treiben und Arbeitsplätze und Existenzen vernichten. Trotz heldenhafter Streiks lagen die Lohnerhöhungen unter der Inflationsrate, und nun planen die Tories, Leistungen und Renten zu kürzen.

Aber für die reichen Freund:innen der Konservativen sieht die Sache anders aus. Die Öl- und Gasunternehmen haben Rekordgewinne erzielt, während die Gehälter der Vorstände der  100 FTSE-börsennotierten Spitzenfirmen durchschnittlich um 16 % – das Doppelte der Inflationsrate – auf 3,9 Millionen Pfund pro Jahr und Kopf gestiegen sind (FTSE: Financial Times Stock Exchange).

Die Tories verkörpern die Korruption und selbstgefällige Anmaßung im Herzen des britischen Kapitalismus. Johnsons „Partygate“-Skandal hat aufgedeckt, dass die Tories und ihre Kumpane während der Abriegelung tanzten und sich besoffen haben, während der Rest von uns keinen Kontakt zu unseren Lieben hatte und einige sogar die Beerdigung ihrer Angehörigen verpassten.

Hart rechts

Dreizehn Jahre Austerität, die Folgen des Brexit und  die verpfuschten, äußerst rechten Wirtschaftsreformen der ehemaligen Premierministerin „Liz“ Truss haben die Reichen reicher gemacht, aber den Niedergang des britischen Kapitalismus nicht aufgehalten und die Arbeiter:innen ärmer gemacht. Der amtierende Premier Rishi Sunak – der das ganze Charisma des Investmentbankers ausstrahlt, der er ist – hat die Tories in den Umfragen um 20 % hinter Labour zurückfallen lassen.

Der Parteitag der Konservativen fand vom 1. bis 4. Oktober in Manchester statt, inmitten einer Protestwelle der Arbeiter:innenklasse. Sunak und die erzreaktionäre Innenministerin „Suella“ Braverman, die verzweifelt versuchen, ihre Popularität bei der Rechten zu steigern, haben ihre „Wahlkampagne“ mit einer Reihe reaktionärer Maßnahmen gestartet.

Selbst die begrenzten umweltpolitischen Maßnahmen, die Boris Johnson versprochen hatte – die schrittweise Abschaffung benzinbetriebener Fahrzeuge und die Dekarbonisierung der Stromerzeugung bis 2030 – wurden fallengelassen. Diese dürftigen Versprechen waren bereits völlig unzureichend, aber jetzt wurde sogar die Illusion von Regierungsmaßnahmen, für Klimaschutz zu handeln, aufgegeben.

Auch die so genannte „Nivellierungsagenda“ ist gescheitert, wie die Entscheidung, die Verlängerung der Eisenbahnhochgeschwindigkeitsstrecke 2 nach Manchester zu streichen, zeigt. Die Bevorzugung des motorisierten Individualverkehrs gegenüber der Modernisierung des Schienennetzes wird die Fähigkeit des Vereinigten Königreichs, seine international vereinbarten Klimaziele zu erreichen, weiter schwächen. Politische Maßnahmen wie diese entlarven Sunaks widerwärtigen neuen Slogan „langfristige Entscheidungen für eine bessere Zukunft“.

Da er der Arbeiter:innenklasse, von der die Tories dennoch erwarten, dass sie in großer Zahl für sie stimmen wird, nichts zu bieten hat, nutzte Sunak seine Grundsatzrede für einen gemeinen Angriff auf die am stärksten Ausgegrenzten der Gesellschaft – die trans Gemeinschaft. Er erklärte, die britische Öffentlichkeit werde „gezwungen“ zu glauben, dass „Menschen jeden Geschlechts sein können, das sie sein wollen“, und fügte hinzu: „Ein Mann ist ein Mann und eine Frau ist eine Frau, das ist einfach gesunder Menschenverstand“. Obwohl diese Äußerungen international verurteilt wurden, ernteten sie lauten Beifall von den anwesenden Fanatiker:innen.

Dies sind nicht nur leere Worte, sondern zeitigen Konsequenzen im realen Leben: Im vergangenen Jahr wurden 4.732 Hassverbrechen gegen trans Personen registriert, ein Anstieg von 11 % gegenüber dem Vorjahr und die höchste Zahl seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2012. Im Bericht des Innenministeriums über Hassverbrechen heißt es, dass die intensive Diskussion von „Transgenderthemen“ durch Politiker:innen und Medien zu diesem Anstieg geführt haben könnte.

In den letzten Monaten haben die Angriffe auf Flüchtlinge und Migrant:innen zugenommen. Obwohl erste Versuche, traumatisierte Asylbewerber:innen dort unterzubringen, gescheitert sind, ist das Bibby Stockholm (schwimmendes Gefängnis) weiterhin bereit, 500 „Insass:innen“ einzusperren. Dasselbe könnte man von Ruanda sagen (Abkommen mit der britischen Regierung, aus Großbritannien Abgeschobene dort aufzunehmen). Obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Bravermans Pläne gestoppt hat, hat er das Projekt nicht grundsätzlich abgelehnt. Ihr jüngster Appell, die UN-Menschenrechtskonvention neu zu schreiben, ist nur die jüngste reaktionäre Aktion.

Während im staatlichen Gesundheitsdienst 110.000 Stellen unbesetzt sind, die Gemeinden in Konkurs gehen und die Schulen verfallen, schlagen die Tories vor, die Erbschaftssteuer „abzuschaffen“ – ein Segen für die Reichsten, die diese Dienstleistungen nicht einmal in Anspruch nehmen.

Auch „Liz“ Truss nutzte die Gelegenheit, um wieder auf der politischen Bühne zu erscheinen, nachdem sie die Unterstützung von 60 Abgeordneten für ihre „Wachstumsgruppe“ zusammengeschustert hatte (so viel wie die Torymehrheit im Unterhaus). Offensichtlich unbeeindruckt von ihrer katastrophalen Amtszeit als Premierministerin, die nach nur 49 Tagen endete, schlug sie ihre Lösung für die wirtschaftliche Misere des Landes vor: mehr Steuersenkungen, ein kleinerer Staat und mehr Fracking. Ihre Zuversicht, dass solche Maßnahmen den Bau von „einer halben Million Wohnungen pro Jahr“ fördern würden, zeigt, wie wahnwitzig sie wirklich ist.

Nicht zuletzt greifen die Konservativen weiterhin unsere demokratischen Rechte an, indem sie das kürzlich verabschiedete Gesetz über die öffentliche Ordnung (Public Order Act) dazu nutzen, Demonstrant:innen zu überwachen und zu inhaftieren, die gewerkschaftsfeindliche Gesetzgebung verschärfen, um wirksame Arbeitskampfmaßnahmen illegal zu machen, und eine Überprüfung versprechen, die darauf abzielt, bewaffneten Polizeibeamt:innen nach der Mordanklage gegen den Mörder von Chris Kaba (am 5.9.2022 in Streatham Hill, Südlondon, erschossener Rapper) Straffreiheit zu gewähren.

Stoppt die Tories!

Alles in allem handelt es sich um eine zutiefst reaktionäre Agenda. Sie muss gestoppt werden. Der Sieg der Labour Party bei den nächsten Wahlen ist jedoch alles andere als ausgemachte Sache. Trotz der Versuche Starmers, sich bei den Bossen als sichere Bank zu präsentieren, und trotz seiner Zurückhaltung, auch nur die bescheidensten Reformen für die Arbeiter:innenschaft zu versprechen, wird er bei der Wahl den Angriffen der rechten Medien ausgesetzt sein.

Seine mangelnde Bereitschaft, eine positive politische Vision für die Arbeiter:innenklasse zu präsentieren, wird viele apathisch zurücklassen. Er wird sich nicht auf das Heer begeisterter Freiwilliger verlassen können, zu dem Corbyn Zugang hatte, und er wird immer noch den Zorn der Milliardärsmedien zu spüren bekommen, für die die Tories immer die bevorzugte Option darstellen.

Die Stärke von Labour beruht auf ihren Verbindungen zu den Spitzen der prokapitalistischen britischen Gewerkschaftsbürokratie, die es ihr ermöglichen, den Widerstand der Arbeiter:innenklasse gegen die Wiederherstellung der „wirtschaftlichen Verantwortung“ effektiver zu beschwichtigen und zu kontrollieren. Deshalb wird die Strategie der Gewerkschaftsspitzen „Warten auf Labour“ nicht ausreichen, um die Forderungen der Arbeiter:innen zu erfüllen. Starmer hat deutlich gemacht, dass seine Regierung genauso migrant:innenfeindlich, kriegsbefürwortend und taschenfüllend für die Reichen sein wird wie die Tories – nur unter einem „humaneren“ und „effizienteren“ Deckmantel.

Es ist daher zu begrüßen, dass Sharon Graham von der Gewerkschaft Unite einen politischen Kampf mit Starmer angekündigt hat. Aber ihre alternativen Politikvorschläge sind unzureichend und in einigen Fällen – z. B. mehr Ölbohrlizenzen – reaktionär. Unite sollte eine Versammlung aller Organisationen einberufen, die bereit sind, die Agenda des ehemaligen Labourvorsitzenden Blair in Frage zu stellen und für sozialistische Maßnahmen zu kämpfen. Auf diese Weise kann die Arbeiter:innenklasse und können nicht nur ein paar Gewerkschaftsbürokra:innen über die Politik entscheiden, die wir brauchen, um den Planeten zu retten, die Reichen für die Wirtschaftskrise zahlen zu lassen und künftige Kriege zu verhindern.

Aber nur Massenaktionen der Arbeiter:innen – Demonstrationen, Streiks, ziviler Ungehorsam – können die Tories im Hier und Jetzt aus dem Amt jagen. Nur Massenunruhen können Starmer, sollte er Premierminister werden, in die Schranken weisen und Druck auf ihn ausüben, damit er politische Reformen im Interesse der Arbeiter:innenklasse durchführt.

Indem wir Schritte unternehmen, um uns als Klasse zu organisieren, können wir ein Gegengewicht zum Einfluss der Kapitalist:innen bilden und einen erfolgreichen Kampf gegen die Bosse führen, um unsere Löhne, unsere Dienstleistungen und unsere Lebensbedingungen zu verteidigen.

Letztlich kann nur eine Regierung, die sich auf Arbeiter:innenorganisationen wie Streikkomitees, Aktionsräte und Selbstverteidigungseinheiten stützt, zu einer echten Arbeiter:innenregierung werden, die in der Lage ist, die kapitalistische Herrschaft zu stürzen und den Weg für die sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft zu ebnen. Nur eine revolutionäre Partei – nicht die Labour-Partei, die sich immer der herrschenden Klasse beugt – kann den Kampf für diese politische Umgestaltung führen. Das ist die Partei, die Workers Power aufbauen will. Wenn Ihr das auch wollt – schließt Euch uns an!




Britannien: Für eine Kampagne gegen den Tarifabschluss bei Royal Mail

Workers Power Postal Workers Bulletin, Infomail 1223, 27. Mai 2023

Royal Mail: Baut die Nein-Kampagne auf!

Gegenwehr gegen Angriffe auf unsere Löhne und Arbeitsbedingungen!

Organisiert eine klassenkämpferische Basisbewegung zur Zurückweisung des Abkommens!

Als die Vereinbarung mit Royal Mail (Britische Post) im April veröffentlicht wurde, löste sie eine Gegenreaktion der Gewerkschaftsmitglieder aus, als klar wurde, dass die Führung der CWU (Communication Workers Union) den meisten Forderungen von Royal Mail nachgegeben hatte.

Nach drei Abstimmungen, 18 Tage Lohnverlust an Streiktagen und über 400 suspendierten und entlassenen betrieblichen Gewerkschaftsertreter:innen und Mitgliedern, bedeutet die Vereinbarung einen Rückschlag in Bezug auf Löhne, Tarife und Arbeitsbedingungen.

Grundsätzlich ebnet sie den Weg für einen massiven Anstieg der Arbeitsbelastung, insbesondere für die Beschäftigten im Zustelldienst, und untergräbt die Kampfkraft der Gewerkschaften.

Aus diesem Grund haben einige CWU-Postangestellte und -Vertreter:innen eine Kampagne für die Belegschaft gestartet: Postangestellte sagen, stimmt mit Nein. Macht online mit, ladet das Bulletin herunter, um es an eure Kolleg:innen weiterzugeben, und beteiligt euch: www.tinyurl.com/PostiesSayNo.

Gewerkschaftsführer:innen kapitulieren

Auf den ersten beiden Seiten des Abkommens geht es um die katastrophale Lage von Royal Mail und darum, „das Schicksal des Unternehmens umzukehren“. Die Gier der Bosse hat das Unternehmen in den Ruin getrieben, aber die Vereinbarung stellt sicher, dass die Beschäftigten dafür zahlen, das Unternehmen wieder flottzumachen, und dass sie durch Erhöhungen der Arbeitsbelastung und Umstrukturierungen ihre Gewinne steigern können. Die CWU-Führerung wird die Kürzungen und Veränderungen in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit dem Management überwachen – und dann erwarten, dass die betrieblichen Gewerkschaftsvertreter:innen sie umsetzen.

Das Abkommen kann zu Recht als Niederlage bezeichnet werden. Die Führung hat den Streik für viermonatige Gespräche beendet, die zu nichts geführt haben. Für Arbeiter:innen enthält es kaum Positives. Viele begrüßen zwar die Zahlungen, aber bei steigenden Preisen bedeutet das Dreijahreslohnabkommen einen Reallohnverlust von über 10 Prozent. Der Rest akzeptiert, was die Bosse wollten oder hat ihre Forderungen (völlige Flexibilität, Fahrer:innen als Scheinselbstständige) nur dadurch „besiegt“, dass er ihnen auf halbem Wege mit Zugeständnissen bei der Arbeitsbelastung, 30 Minuten „formalisierter Flexibilität“ und saisonalen Arbeitszeiten entgegenkam.

Als eines der schlimmsten Zugeständnisse hat die Gewerkschaft die Zweistufigkeit der Belegschaft akzeptiert, d. h. neue Mitarbeiter:innen erhalten Verträge mit einer Arbeitszeit von mehr als 40 Stunden bei geringerer Bezahlung und Sonntagsarbeit. Persönliche digitale Assistent:innen und andere Daten werden als Anfang von der Geschäftsleitung für Leistungen und bestimmte Verhaltensweisen verwendet und missbraucht. Die Arbeiter:innen müssen die Worte über „unterstützende“ Ansätze für Anwesenheit und Leistung, „gesicherte Garantien“ oder noch schlimmer „gemeinsame Bestrebungen“ für die kürzere Arbeitswoche (wenn sie die Stunden für Neueinsteiger:innen erhöhen) in den Mülleimer werfen, wo sie hingehören, denn sie sind wertlos.

Die geopferten gewerkschaftlichen Vertreter:innen und Mitglieder sind nicht wieder eingestellt worden. Stattdessen wird ein „unabhängiger“ Richter, der selbst kein Freund militanter Gewerkschafter:innen ist, Lord Falconer, der 2016 für die gewerkschaftsfeindlichen Gesetze der Tories gestimmt hat, die Fälle überprüfen.

Das Abkommen trifft die Zusteller:innen besonders hart und wird die körperliche Arbeit im Freien ausweiten und viele aus dem Job drängen. Wie ein Zustellervertreter dies online fragte: „Im schlimmsten Fall kürzt eine Revision Hunderte Außendienststunden zur Erholung von den Gängen und macht sie länger plus 35 Minuten Streichung vom Innendienst und Anrechnung auf den Außendienst plus 2 Stunden länger im Winter plus 30 Minuten ,formalisierter Flexibilität’ an einigen Tagen. Man könnte also im Außendienst bis zu anderthalb Stunden länger als jetzt, um Weihnachten herum vielleicht sogar mehr, arbeiten.“

Einzuberechnen wären spätere Anfangszeiten bis zu 90 Minuten und Flexibilität, was bliebe dann noch übrig von „familienfreundlichen“ Schichten? Wenn man dann noch Anwesenheitszeiten, Verhaltensdaten, Kürzungen bei krankheitsbedingt vorzeitiger Verrentung zurechnet, kann Royal Mail schneller und billiger Arbeitskräfte loswerden, und mit dem zweistufigen Arbeitskräftesystem wird dem Unternehmen das gelingen.

Ein selektiver Ausverkauf

Die CWU-Führung sagt, sie wolle eine informierte Diskussion, damit Mitglieder eine informierte Entscheidung treffen können, aber während sie nicht bestimmte Fragen umgehen kann, sind andere (wie Zweiklassen-Arbeitskräfte, Verhaltensdaten, 20 – 35-minütige Kürzung für Innendienst bei Zustellungen), wenig bis gar nicht angesprochen worden. Die betrieblichen gewerkschaftlichen Vertreter:innen sollten darauf aber Antworten verlangen. Wenn diese nicht gegeben werden, könnte sich Royal Mail aus dem Abkommen herausstehlen, was bedeuten würde, seine Profitabilität auf unsere Kosten wiederherzustellen.

Das Abkommen läuft bis April 2025, doch seine Verpflichtungen zu keinen zwangsweisen Entlassungen sind kaum abzuschätzen angesichts der großen Anzahl von unbesetzten Stellen in Büros und billigen Berufseinsteiger:innen. Royal Mail sagt nur, dass sie „nicht plane“, Briefzentren auszulagern, zu verpachten und rationalisieren oder getrennte Paketgesellschaften zu gründen.

Das sind keine Garantien und neue, einschneidende Änderungen, ein einheitliches Großpaketnetz zu schaffen, wird mehr direkte Konkurrenz mit Anbieter:innen wie Amazon hervorrufen, wenn die Bosse noch sagen, wir seien 40 % überbezahlt und unausgelastet, und das wird  uns immer weiter in einen Dumpingwettbewerb treiben.

Die Gewerkschaftsführer Ward und Furey versuchen uns eine Vision zu verkaufen, wonach wir zum normalen Alltag mit einem stabilen sicheren Arbeitsplatz und ruhigem Leben zurückkehren können. Doch in Wirklichkeit wird es dauerhaft Veränderungen geben, die in der gemeinsamen Arbeitsgruppe vereinbart worden sind. Wenn das Abkommen nicht den Profiterwartungen entspricht, könnte Royal Mail sich sogar Stück um Stück aus der Vereinbarungen herausziehen, wie sie es letztes Jahr getan hat. Günstigstenfalls tickt die Uhr bis 2025 herunter zu einem neuen Kampf, mit untergrabener Kraft unserer Stärke an der Basis.

Die Alternative

Wenn es keine Zustimmung gibt, könnte die Gewerkschaft Royal Mail ein paar Zugeständnisse abringen. Aber die wirkliche Alternative zu diesem faulen Abkommen bedeutet, dass die Streiks wieder aufgenommen werden. Dieses Mal mit einem wirkungsvollen Plan, sie umfassend zu steigern, und Solidaritätskomitees aufzubauen, so wie es Workers Power von Beginn der Auseinandersetzungen an vertreten hat. Jetzt ist es an der Zeit, die Kampagne zur Wiederverstaatlichung von Royal Mail als CWU-Politik zu führen, den Bossen nicht zu gestatten, uns mit der Bankrottdrohung zu erpressen. Wenn wir dieses Abkommen jetzt annehmen, was würden wir tun können, wenn sie uns 2025 oder schon vorher wieder angreifen?

Ein Ablehnungskampagne könnte die Kräfte entfalten, die die CWU seit langem gebraucht hat: eine Basisbewegung, die die Gewerkschaften unter Kontrolle der Beschäftigten bringt, mit Abrufbarkeit und Facharbeiter:innengehältern für alle Funktionär:innen. Streikkomitees sollen an der Basis gebildet werden, um den Gewerkschaften von unten neues Leben einzuhauchen. Das würde uns nicht nur für Kampf und Sieg ausrüsten, sondern auch eine neue Führung aus den militanten Elementen fördern helfen, eine, die die Gewerkschaften am Arbeitsplatz verankert.

Teilt Eure Antworten und Erfahrungen mit oder kontaktiert uns für mehr Information über Workers Power: https://workerspower.uk/contact/. Artikel zur CWU in Workers Power: www.tinyurl.com/WPCWU.




Britannien: Postbeschäftigte dürfen erpresserischer Drohung nicht nachgeben!

Andy Young, Workers Power (Britannien), Infomail 1222, 3. Mai 2023

Bevor die Einigung zustande kam, behaupteten die Chef:innen von Royal Mail, der britischen Post, das Unternehmen stehe kurz vor dem Bankrott, und drohten mit einer Insolvenz, falls die Kommunikationsarbeiter:innen-Gewerkschaft CWU keine Einigung erzielen würde.

Nicht zu glauben, hat die CWU-Führung dieser Erpressung nachgegeben und der aktuellen Vereinbarung zugestimmt, die die Bedingungen der Beschäftigten verschlechtert, um die Rentabilität wiederherzustellen. Auf den ersten Seiten des Abkommens werden die Bestimmungen ausdrücklich mit der Rückkehr der Gewinne verknüpft.

Der Vorsitzende der Londoner CWU, Martin Walsh, der die Einigung verteidigt, hat sich dieser Meinung angeschlossen. Er argumentiert, dass weitere Streiks die Situation von Royal Mail verschlimmert und das Unternehmen gezwungen hätten, noch stärkere Kürzungen als die in der Vereinbarung vorgeschlagenen vorzunehmen oder in die Verwaltung zu gehen, was bedeuten würde, dass „Tausende von Arbeitsplätzen verlorengingen, die nicht direkt mit der USO (Universal Service Obligations; Umfassende Pflichtdienste) verbunden sind“.

In einem anderen Beitrag (auf den Hunderte von verärgerten Antworten von Postangestellten eingingen) sagte er: „Diejenigen, die behaupten, dass die Regierung uns aus der Patsche helfen wird, haben nur teilweise Recht. Sie hätten die USO weitergeführt, aber alles andere, einschließlich Paketen, LAT (Briefverteilung), CSPs (Fracht, Schwerpakete) usw., wäre wahrscheinlich eingestellt worden, was zu Tausenden von sofortigen Arbeitsplatzverlusten geführt hätte, wobei nur die gesetzlichen Abfindungen zur Verfügung gestanden hätten.“

Das ist nicht unbedingt richtig und auch nicht realistisch.

Wenn wir mit Nein stimmen, geht das Unternehmen dann bankrott?

Zunächst einmal kennen wir die tatsächliche finanzielle Lage von Royal Mail nicht und werden sie auch nicht erfahren, bevor der Streik beendet ist und eine Einigung mit den Beschäftigten erzielt wurde.

Zweitens bedeutet die Annahme der Vereinbarung, dass die Bosse dafür belohnt werden, dass sie im letzten Jahr eine halbe Milliarde Gewinn eingestrichen und uns dann in der Vorweihnachtszeit zum Streik gezwungen, sie Konkurrent:innen für die Übernahme profitabler Paketzustellungen bezahlt haben und für Leiharbeitskräfte tief in die Tasche greifen mussten, um einen von ihnen provozierten Streik zu brechen.

Drittens: Ist es wirklich glaubhaft, dass ein Unternehmen, das vor der Pandemie profitabel war (in Höhe von 100 Millionen Pfund) und mehr Pakete denn je zustellt, unter normalen Bedingungen rote Zahlen schreibt?

Letztendlich bedeutet dies, dass man der Politik des Vorstands von Royal Mail nachgeben muss. Die internationale Holdinggesellschaft der Royal Mail, IDS, ist profitabel und schottet ihren Betrieb im Vereinigten Königreich absichtlich ab, um die im Ausland erwirtschafteten Profite den Aktionär:innen zukommen zu lassen und die Belegschaft unter Druck zu setzen. Das ist eine bewusste Politik, vor der wir nicht in die Knie gehen sollten. Die Profite der Royal Mail wurden verwendet, um die internationalen Vermögenswerte zu erwerben, und man war froh, die Aktivitäten damals miteinander zu verbinden!

Öffnung der Geschäftsunterlagen

Wir haben keinen Grund, die Behauptungen der Geschäftsführung für bare Münze zu nehmen. Öffnet die Geschäftsbücher und lasst uns sehen, wie es wirklich um das Unternehmen steht! Wenn es als gewinnorientierte Firma nicht lebensfähig ist, dann muss es verstaatlicht werden.

Die Wahrheit ist, dass das Unternehmen ohnehin wieder verstaatlicht werden sollte. Die Versprechungen, dass die Privatisierung dringend benötigte Investitionen in das Unternehmen bringen würde, waren immer ein Schwindel: Sie haben in den letzten 10 Jahren fast 2 Milliarden Pfund an Gewinnen entnommen.

Die 670 Millionen Pfund Gewinn, die im letzten Jahr gemacht worden sind, hätte man nutzen können, um das Unternehmen von Grund auf zu modernisieren. Wir könnten jeden Lieferwagen durch einen umweltfreundlichen Elektrotransporter ersetzen, die Büros gut isolieren, um die Heizkosten zu senken, und uns neue Arbeitsschuhe zulegen, ohne monatelang warten zu müssen!

Unabhängig davon, wie es um die Finanzen des Unternehmens bestellt ist, ist es eine harte Wahrheit, dass die Royal Mail nicht gleichzeitig ein gut geführter Betrieb sein kann, der eine wichtige öffentliche Dienstleistung erbringt und seinen Mitarbeiter:innen anständige Arbeitsbedingungen bietet, und zugleich eine Goldgrube für milliardenschwere Aktionär:innen.

Wie bei allen anderen öffentlichen Diensten, die privatisiert wurden – von der Wasser- bis zur Energieversorgung – haben die Dividenden die Investitionen bei weitem übertroffen, und das Ergebnis ist ein schlechterer Dienst, der die Nutzer:innen mehr kostet und von Arbeiter:innen erbracht wird, deren Löhne, Arbeitsbedingungen und Renten bis auf die Knochen gekürzt wurden.

Royal Mail sollte wieder verstaatlicht werden, ohne einen Penny Entschädigung für die Profiteur:innen.

„Aber die Tories wären schlimmer!“

Das Argument, dass eine von einer konservativen Tory-Regierung geführte Royal Mail in öffentlichem Besitz schlimmer wäre als die derzeitige private Verwaltung, wird von den Befürworter:innen des Deals gewöhnlich vorgetragen. Aber es ist schwer zu erkennen, wie es noch schlimmer kommen könnte.

Sie mussten die Zähne zusammenbeißen und Liberty Steel vor zwei Jahren verstaatlichen, als das Unternehmen in Konkurs ging. Die East Coast Mainline (elektrifizierte Eisenbahnlinie zwischen London King’s Cross und Edinburgh Waverley) wird von einem öffentlichen Unternehmen betrieben, nachdem sich private Betreiber:innen zurückgezogen hatten.

Ein wichtiger Grund für die Privatisierung war, dass es für eine Regierung politisch viel schwieriger ist, einen öffentlichen Dienst so zu zerstören, wie es private Eigentümer:innen mit der Notwendigkeit einer Profitsteigerung rechtfertigen können. Die von einem verstaatlichten Unternehmen erwirtschafteten Gewinne werden in den Dienst reinvestiert oder tragen zur Finanzierung anderer staatlicher Ausgaben bei – bei einem privaten Unternehmen werden sie in Jachten oder Steuerparadiesen investiert.

Eine Wiederverstaatlichung der Royal Mail und eine anschließende Kürzung der allgemeinen Dienstleistungen wäre also selbst für die Tories politisch schwierig, ebenso wie eine Abspaltung des Paketdienstes, wie Martin Walsh sagt. Die neuen Paketzentren wurden über Jahre hinweg mit den Gewinnen der Royal Mail bezahlt, und man kann nicht davon ausgehen, dass die Regierung sie absichtlich inoperabel und unrentabel macht – wenn es eine öffentlichkeitswirksame, mit Streiks verbundene Kampagne zur Wiederverstaatlichung der Post gibt.

Derzeit kann sich Premierminister Rishi Sunak noch zurücklehnen, während der Milliardär Kretinsky und seine Marionette Simon Thompson (Hauptgeschäftsführer von Royal Mail) unsere Arbeits- und Tarifbedingungen auseinandernehmen – „mit mir hat das nichts zu tun, Regierungschef“.

Aber das ändert sich, sobald Sunak dafür am Haken hängt. Wenn wir kämpfen, wird es für die Tories zu einem politischen Problem, wenn sie dabei beobachtet werden, wie sie die USO kürzen oder eine Gewerkschaft zerschlagen.

Würde die Bevölkerung uns dennoch unterstützen?

Es wird gesagt, dass die Royal Mail und ein Zustellsystem in der Öffentlichkeit nicht mehr beliebt genug sind oder nicht mehr gebraucht werden. Aber das ist nicht wahr. Der Rest der Gewerkschaftsbewegung würde uns sicherlich unterstützen, wenn wir kämpfen.

Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Survation vom August 2022 ergab, dass 68 Prozent der Öffentlichkeit der Meinung sind, dass die Royal Mail verstaatlicht werden sollte. Eine Kampagne für die Wiederverstaatlichung, die ohnehin die Politik der CWU zum Ziel hat, würde breite Unterstützung finden, weil ein ehemals öffentlicher Dienst dem Profit geopfert wurde, und ein Bankrott würde dies deutlich machen.

Wenn wir gewinnen würden, dann wären die Wiederverstaatlichung der Eisenbahn, der Rauswurf der Profitgeier aus dem Nationalen Gesundheitswesen, die Kontrolle über die Profiteur:innen, die die Energierechnungen in die Höhe treiben und die Abwässer in unsere Flüsse leiten, echte Möglichkeiten und die logischen nächsten Schritte.

Die Vorstellung, dass eine Wiederverstaatlichung unter einer Labour-Regierung wahrscheinlicher ist oder Parteichef Keir Starmer netter wäre als die Tories, ist nur ein Trugbild. Ohne massiven Druck würde er das nicht tun. Die Tatsache, dass Royal Mail sagt, es sei fast bankrott und nicht mehr tragfähig, erzeugt jetzt den stärksten Druck für seine Wiederverstaatlichung.

Und das Argument, dass eine Renationalisierung durch die Torys automatisch schlechter wäre als das Ergebnis der aktuellen Vereinbarung, ist zwar verständlich, aber nicht wahr. Anstatt einer rücksichtslosen Unternehmensleitung nachzugeben, die nur noch mehr fordern wird, kann sich die CWU gegen alle Versuche der Tories wehren, die USO oder unsere Arbeitsbedingungen in einem wiederverstaatlichten Unternehmen zu beschneiden, und eine Solidaritätsbewegung um uns herum aufbauen.

Das setzt jedoch voraus, dass die CWU-Führer:innen ihre Strategie der Absprachen mit der Unternehmensleitung, der Zusammenarbeit bei Umstrukturierungen und der Kürzung unserer Löhne und Arbeitsbedingungen aufgeben und stattdessen für die Gewerkschaftspolitik kämpfen – die lautet: Wiederverstaatlichung.

Und das wiederum setzt voraus, dass sich die Basis der Gewerkschaft organisiert, um einen solchen Richtungswechsel voranzutreiben und unsere Macht wiederherzustellen, damit wir ihn von der Basis aus durchsetzen können.

Als Sozialist:innen würden wir noch weiter gehen. Das Unternehmen sollte verstaatlicht werden, ohne dass die Bonzen, die das Vermögen und die Gewinne abgeschöpft und den öffentlichen Dienst in die Knie gezwungen haben, auch nur einen Cent erhalten. Es sollte nur eine Entschädigung für die Kleinaktionär:innen geben, und der Postdienst sollte unter der demokratischen Kontrolle der Arbeiter:innen und Kund:innen geführt werden.




Britannien: Klassenkampf gegen die Krise des Gesundheitswesens

Andy Yorke, Fight! Revolutionäre Frauenzeitung, März 2023

Der Winter ist da und mit ihm die bisher schwerste Krise des Gesundheitssystems. Trotz der Atempause nach der Covidpandemie im Jahr 2022 erreichten die Wartelisten im Dezember einen neuen Rekord von 7,2 Millionen, mit bis zu 500 zusätzlichen Todesfällen pro Woche als Folge von Verzögerungen.

Eine Rekordzahl von Patient:innen wartete über 12 Stunden auf eine Behandlung in der Notaufnahme. Daher herrschte weithin Ungläubigkeit, als der Sprecher der konservativen Sunak-Regierung bestritt, dass es sich bei dieser „beispiellosen Herausforderung“ um eine Krise handele, und behauptete: „Wir sind zuversichtlich, dass wir den Nationalen Gesundheitsdienst (NHS) mit den erforderlichen Mitteln ausstatten“. So versuchte er, die Krise auf die Pandemie zu schieben.

Doch diese begann lange davor. Das jährliche Wachstum der Ausgaben von 6 % im Gesundheitswesen unter der letzten Labour-Regierung wurde durch die Sparmaßnahmen auf weniger als 1,8 % gesenkt. Das Vereinigte Königreich liegt bei der Bettenzahl pro Kopf weit unter dem internationalen Durchschnitt, selbst im Vergleich zu ärmeren Ländern, und weist seit 2010 eine dauerhaft zu niedrige Zahl freier Betten auf. Das Ziel, die durchschnittliche Belegung auf 18 Patient:innen pro Woche und Bett zu erhöhen, wurde seit 2016 nicht mehr erreicht.

In der Winterkrise 2017 war der NHS gezwungen, Zehntausende von Operationen abzusagen. Im Jahr 2022 lag die Zahl bei 350.000, also fast tausend pro Tag! Schon vor der Pandemie warteten 8.270 Patient:innen in der Notaufnahme im Jahr 2019 mehr als 12 Stunden auf eine Behandlung (ein Sechsfaches gegenüber 2015). Die Krise des Gesundheitssystems wird durch die des unterfinanzierten, überwiegend privaten Sozialfürsorgesektors noch verschärft.

Das Scheitern des NHS

Der Schlüssel zum Verständnis der Krise sind unzureichende Finanzierung und Personalmangel. Die Zahl der unbesetzten Stellen für medizinisches Personal und die Wartelisten sind parallel angestiegen. Jede Regierung der britischen Konservativen (Tories) führt eine weitere schmerzhafte Umstrukturierung durch, doch trotz der Forderungen der Gewerkschaften und der Britischen Medizinischen Vereinigung nach transparenten Personalbewertungen hat keine Regierung seit 2003 eine nationale Personalstrategie für den Gesundheitssektor vorgelegt. Stattdessen verlassen sich die Tories auf „Lückenbüßer:innen“, d. h. den privaten Sektor, Leiharbeitsagenturen mit Aushilfskräften für die Krankenhäuser.

46.000 unbesetzte Stellen für Krankenschwestern und -pfleger (11,7 % der Belegschaft) zeigen den Zusammenhang zwischen der Unterfinanzierung von Seiten der Tories und Privatisierung. In einem Teufelskreis verlassen nun tausende Pflegekräfte den NHS aufgrund von Überlastung, Stress und sinkender Bezahlung. Ihr Streik setzt einen ersten Schritt, um diese von den Konservativen verursachte Katastrophe rückgängig zu machen.

Die Regierung Sunak nutzt die Krise wie alle ihre Tory-Vorgänger:innen, um die Privatisierung weiter voranzutreiben. Sie umgeht Gespräche mit den Gewerkschaften und setzt die Covidpolitik fort, private Krankenhäuser und Pflegeheime für Betten zu bezahlen, was den öffentlichen Gesundheitsdienst bis zu eine Milliarde Pfund kostet.

Für die Tories blockieren Krankenhäuser weitere Privatisierungen. Deshalb sind die Pläne, 150 psychiatrische Behandlungszentren zu bauen und Patient:innen von den Notaufnahmen fernzuhalten, Teil des Vorhabens, die Gesundheitsversorgung in die Wohnviertel zu verlegen und den NHS zu zerschlagen.

Die Tories wollen nicht mehr Krankenpfleger:innen finanzieren, sind aber sehr darum besorgt, den NHS immer wieder umzustrukturieren, um mehr Profit herauszuholen. Bei der jüngsten Umstrukturierung wurden 42 integrierte Pflegegremien für den NHS England eingerichtet. Diese sind Teil des Ansatzes der Tories, den NHS zu fragmentieren und den Zugang für private Unternehmen auf jeder Ebene, einschließlich der Auftragsvergabe und Planung, zu verbessern.

In der Zwischenzeit schloss eine halbe Million Menschen im Jahr 2022 eine private Krankenversicherung ab, und viele weitere bezahlten für eine private Behandlung, mit der sie die Warteschlange des staatlichen Gesundheitsdienstes praktisch überspringen konnten und eine Untersuchung oder Operation beim selben Arzt/bei derselben Ärztin im gleichen Krankenhaus erhielten, von der ihnen gesagt worden war, dass sie erst in einigen Monaten verfügbar wäre!

Wird Labour das Gesundheitswesen retten?

Viele setzten ihre Hoffnungen auf Labour. Doch die New-Labour-Regierung verband die Aufstockung der Mittel mit Kürzungen bei Betten und Personal und einer weiteren Öffnung des staatlichen Gesundheitsdienstes für die Privatisierung. Labour-Vorsitzender Keir Starmer verspricht, dass seine Regierung die Mittel aufstocken wird, aber „Investitionen allein nicht ausreichen“. Das bedeutet noch mehr Umstrukturierungen und eine größere Rolle für den privaten Sektor.

In Wirklichkeit wird die Wiedereinführung des Spitzensteuersatzes von 45 Prozent nicht annähernd ausreichen, um das schwarze Loch in der Finanzierung des staatlichen Gesundheitsdiensts zu stopfen, und es gibt keinen Plan, um die Schäden von vier Jahrzehnten Marktwirtschaft und Privatisierung rückgängig zu machen. Schlimmer noch, die Lösung des Schattengesundheitsministers besteht darin, den privaten Sektor zu nutzen, um die Wartelisten zu verkürzen.

Ein siegreicher Streik der Krankenschwestern und -pfleger erfordert nicht nur das Festhalten an einer voll finanzierten realen Gehaltserhöhung, sondern hängt von der Gründung einer Massenbewegung zur Verteidigung des staatlichen Gesundheitswesens und dem Kampf für den Ausbau des öffentlichen Dienstes ab, der durch die Besteuerung der Reichen finanziert wird. Dies ist der erfolgversprechendste Weg, um sicherzustellen, dass die Beschäftigten und Nutzer:innen des NHS in der Lage sind, Labour dazu zu bringen, ihn wirklich zu verteidigen.

Streikwelle geht weiter

In einer historischen Premiere haben sich die Krankenschwestern und -pfleger der Gewerkschaft RCN (Royal College of Nursing; Britanniens größte Gewerkschaft und Berufskörperschaft für Pflegende), die bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit getrieben wurden, der Streikwelle gegen die Lebenshaltungskostenkrise angeschlossen. Und trotz der Versuche der Medien, die öffentliche Missbilligung auszutesten, erhalten sie massive Unterstützung. Eine Million Mal werden Patient:innen alle 36 Stunden im öffentlichen Gesundheitsdienst behandelt, und sie sind dem hart arbeitenden Personal in überwältigender Weise dankbar und unterstützen es.

Jahrelang sinkende Reallöhne (um mehr als 20 % seit 2010), unterbesetzte und chaotische Stationen, die nur mit Überstunden arbeiten, und der unerbittliche Druck der Covid- und Grippewinterepidemien haben viele Krankenpflegekräfte veranlasst, trotz der Ängste um ihre Patient:innen zu streiken. Weit davon entfernt, den Patient:innen zu schaden, wie in den Medien behauptet wird, scheint ein Arbeitskampf für viele die einzige Möglichkeit zu sein, nicht nur die Löhne zu erhöhen, sondern auch mehr Personal anzuwerben und das staatliche Gesundheitssystem zu retten. Es gibt über 132.000 unbesetzte Stellen.

Erstmals schließen sich auch die Krankenwagenfahrer:innen der Gewerkschaften GMB (National Union of General and Municipal Workers) sowie Unison und Unite (zwei weitere Gewerkschaften im öffentlichen und privaten Dienstleistungssektor) und außerdem Physiotherapeut:innen, Hebammen und Röntgenassistent:innen dem Kampf gegen die sinkenden Löhne an. Bei der Urabstimmung der gewerkschaftlichen medizinischen Vereinigung BMA von 45.000 Ärzt:innen in der Ausbildung über eine beleidigende Gehaltserhöhung von 2 % in diesem Jahr wird wahrscheinlich mit „Ja“ für eine Aktion gestimmt werden. Mit einer für März geplanten 72-stündigen Arbeitsniederlegung werden sich noch mehr Ärzt:innen dem Kampf für Gehalt und Finanzierung anschließen. Am 6. Februar fand der bisher größte Streik im Gesundheitswesen statt, bei dem Krankenschwestern und -pfleger, Sanitäter:innen und andere Beschäftigte die Arbeit niederlegten.

Organisiert die Basis!

Die Beschäftigten müssen Einigkeit, Koordinierung und eskalierende Maßnahmen fordern. GMB- und Unison-Ambulanzbeschäftigte streiken bisher zumeist getrennt. Das RCN lässt verschiedene Sektionen von Krankenpersonal an unterschiedlichen Tagen streiken. In Schottland und Wales haben die Gewerkschaften ihre Streiks für Gespräche mit den (dezentralen) Regionalregierungen ausgesetzt.

Belegschaftsversammlungen zur Bildung von Delegiertenausschüssen in und zwischen Krankenhäusern und weiteren Einrichtungen (z. B. ausgelagerten, privatisierten Abteilungen) sind der Schlüssel zum Erfolg der Streiks. Diese können die Entschlossenheit stärken, diejenigen unterstützen, die noch an der Urabstimmung teilnehmen, und auf weitere Maßnahmen drängen, um den Konflikt zu kontrollieren.




UK und Irland: Stoppt Rassismus und Bigotterie!

Dave Stockton, Infomail 1215, 1. März 2023

Rechtspopulistische und faschistische Gruppen starten im gesamten Vereinigten Königreich und in der Republik Irland eine breit angelegte Offensive, bei der sie Rassismus gegen Migrant:innen und Bigotterie gegen Transsexuelle als ihre Visitenkarte abgeben. Die Entscheidung der Regierungen, ukrainische Flüchtlinge aufzunehmen und gleichzeitig – zumindest im Falle Großbritanniens – diejenigen zu verteufeln, die den Ärmelkanal in wackeligen Booten überqueren, bietet einen fruchtbaren Boden für die Hassprediger:innen.

In Zeiten zunehmender wirtschaftlicher Not in strukturschwachen Gebieten, die sowohl von den regierenden Torys als auch von der Labour-Partei lange Zeit vernachlässigt wurden, bringen die Regierungen diejenigen, die es hierher geschafft haben, in heruntergekommenen Hotels unter, oft in Badeorten, wo sie unter erbärmlichen Bedingungen eingepfercht sind, weit weg von Freund:innen oder Unterstützungsnetzen der eigenen Community.

Dort hetzen die rassistischen Gruppen die Einheimischen auf, diese vermeintlichen Zufluchtsorte für Demonstrationen und Schlimmeres anzusteuern, und finden ein Publikum, das zwar noch nicht groß ist, aber wächst und gefährlich ist. Die antirassistische Kampagne „Hope not Hate“ weist in ihrem Bericht 2023 darauf hin:

„Die Proteste und Aktionen gegen Migrant:innen vor deren Unterkünften und Hotels haben sich im vergangenen Jahr verdoppelt. In der Zwischenzeit gab es eine Reihe von Aktionen zur Störung oder Absage von Buchveranstaltungen der Drag Queen Story Hour, die sich gegen Transrechte und die LGBTIA+-Community richteten.“

Die Tory-Boulevardblätter wie die Daily Mail mit ihrer Propaganda über eine Invasion von Bootsflüchtlingen oder Lehrer:innen, die versuchen, das Geschlecht „unserer“ Kinder zu ändern, haben den Boden bereitet, um diese Verbreitung reaktionärer Aktivitäten zu schüren. Daher rühren auch die Slogans auf diesen Demonstrationen, die Boote zu stoppen oder die „Pädos“ zu bekämpfen.

Die einwanderungsfeindliche Innenministerin Suella Braverman, die zunächst vorschlug, die Marine zu veranlassen, die Boote zurück in französische Gewässer zu „schieben“ und dann diejenigen, die die Überfahrt überleben, auf alten Kreuzfahrtschiffen festzuhalten, versucht immer noch, die Gerichte dazu zu bringen, die Menschen nach Ruanda abschieben zu lassen.

Warnung aus Merseyside

Das bedrohlichste Ereignis war der große Aufruhr am 11. Februar vor dem Suites Hotel in Knowsley, Merseyside, wo sich eine große Menschenmenge, darunter viele Einheimische, versammelte und rassistische Parolen rief. Die Aufregung wurde durch Behauptungen im Internet angeheizt, eine fünfzehnjährige Schülerin sei von einem Mann aus dem Hotel belästigt worden. Diese Behauptungen haben sich inzwischen als unbegründet erwiesen. Jemand aus dem Mob hatte eine Benzinbombe mitgebracht, offensichtlich in der Absicht, ein Pogrom zu veranstalten. Ein Polizeiauto geriet zur Zielscheibe.

Weitere Angriffe auf Hotels, in denen Migrant:innen untergebracht sind, fanden in Long Eaton (Derbyshire) bei Nottingham und Newquay in Cornwall statt. Hunderte nahmen an einer Demonstration in Skegness (Lincolnshire) teil. Rechtsextreme Gruppen wie Patriotic Alternative und Britain First haben in diesen Gebieten Flugblätter über „Luxushotels für Migrant:innen“ verteilt, während „unsere Leute“ obdachlos sind.

Das gemeinsame Muster ist die bewusste Entscheidung der Regierung für unwirtliche Orte für Menschen, die in ihren Heimatländern unter Kriegstraumata leiden, was durch lange Verzögerungen bei der Bearbeitung ihrer Asylanträge noch verstärkt wird. Dies geht auf Theresa Mays Politik der „feindlichen Umgebung“ zurück, als sie Innenministerin war (2010 – 2016).

Auch in der irischen Republik finden seit November landesweit antimigrantische Mobilisierungen unter dem Motto „Irland ist voll“ statt. Im Jahr 2022 gab es 307 solcher Proteste, 2023 waren es bereits 64. Bei der letzten Demonstration in Dublin gingen mehr als 2.000 Demonstrant:innen auf die Straße, wobei der Schwerpunkt auf einem Gebäude lag, das zu einem Wohnheim für Migrant:innen umgebaut worden war und in dem sich Woche für Woche Hunderte von Menschen versammelten. Im Dezember weiteten sich die Demonstrationen auf andere Gebiete aus: die Vororte Dublins Drimnagh, Finglas und Ballymun sowie Fermoy (Cork).

Auch in Schottland kam es in der dritten Woche in Folge zu Zusammenstößen zwischen Demonstrant:innen vor einem Hotel in Renfrewshire (bei Glasgow) wegen Plänen zur Unterbringung von Asylbewerber:innen. Mitglieder der Patriotic Alternative versammeln sich jeden Sonntag vor dem Muthu Glasgow River Hotel in Erskine (nahe Glasgow), um gegen die geplante Unterbringung von 200 Asylbewerber:innen zu protestieren.

Weitere Ziele der Rechten bilden die fortschrittlichen Vorschriften zur Geschlechtsanerkennung und transkulturelle Veranstaltungen. Transphobie war das Thema der jüngsten Veranstaltungen in London vor der Tate Modern-Kunstgalerie, und vor kurzem versuchten ein Dutzend Rechtsextremist:innen der Gruppe Turning Point, eine Drag Queen Storytelling-Veranstaltung im The Honor Oak Pub in Lewisham (London) zu verhindern, wurden aber von 200 Gegendemonstrant:innen empfangen.

Runter von unseren Straßen

Glücklicherweise haben sich in vielen dieser Fälle lokale Antirassist:innen, oft von der Organisation Stand Up to Racism, schnell mobilisiert und dazu beigetragen, mögliche gewalttätige Übergriffe zu verhindern. Obwohl die Polizei in Knowsley eingegriffen hat, können wir es nicht ihr überlassen, denn sie wird immer das „Recht auf friedlichen Protest“ der Faschist:innen verteidigen. Es ist klar, dass die neuen Antiprotestgesetze, die sich gegen diejenigen richten, die gegen die Umweltzerstörung durch den Kapitalismus protestieren, in erster Linie gegen Antirassist:innen und nicht gegen Faschist:innen eingesetzt werden.

Es ist die Pflicht der Arbeiter:innenbewegung, unsere Brüder und Schwestern zu verteidigen, die vor Umweltzerstörung, Armut, Verfolgung und Krieg fliehen. Wir müssen sagen: Öffnet die Grenzen für diejenigen, die vor Kriegen, Naturkatastrophen und wirtschaftlicher Not Zuflucht suchen!

Wir müssen uns auch dafür einsetzen, dass Asylbewerber:innen eine angemessene Unterkunft in Städten zur Verfügung gestellt wird, in denen es Gemeinschaften aus ihren Herkunftsländern gibt und in denen Gewerkschaften, Labourstadträte und sozialistische Gruppen sie willkommen heißen und ihnen bei der Verfolgung ihrer Ansprüche mit Rechtsberatung helfen können. Wir müssen die Beschränkungen bekämpfen, die ihnen das Recht auf Arbeit oder den Nachzug ihrer Familienangehörigen verwehren.

Sozialist:innen müssen dem rechtsextremen Hass in all seinen Formen, einschließlich der Transphobie, unbeirrt entgegentreten. Wo immer möglich, müssen wir diese rassistischen und transphoben Mobs von unseren Straßen vertreiben und sicherstellen, dass alle naiven Einheimischen, die sich ihnen anschließen, eine unangenehme Erfahrung machen, und die Faschist:innen, die sie wütend machen, in die Flucht schlagen.

Workers Power wird sich für eine große Beteiligung an den Demonstrationen am 18. März in London einsetzen. Auch in Glasgow und Cardiff wird es im Rahmen des weltweiten Tages der antirassistischen Proteste Demonstrationen geben. Angesichts der bösartigen Antimigrationspolitik vieler EU-Staaten, insbesondere der neuen extrem rechten italienischen Regierung unter Giorgia Meloni, und der Tragödie des Schiffsunglücks in Italien, bei dem 63 Flüchtlinge, darunter auch Kinder, ums Leben kamen, ist ein internationales Vorgehen dringend erforderlich.




Britannien: Rapist police off our streets!

Jeremy Dewar, Infomail 1214, 24. Februar 2023

Die Londoner Metropolitan Police (Met) ist von brutalen Frauenhassern durchsetzt. Dies ist nicht etwa eine rhetorische Übertreibung. Es ist eine Tatsache.

Seit der Ermordung Sarah Everards im März 2021 wurden zwölf aktive Beamte der Met wegen Sexualdelikten verurteilt, also alle zwei Monate einer.

Met-Commissioner Mark Rowley räumt ein, dass dies nur die Spitze des Eisbergs ist. Er überprüft derzeit 1.071 weitere Beamte, gegen die 1.633 Fälle von sexueller Gewalt und anderer Dienstvergehen gemeldet wurden. Rowley geht davon aus, dass mindestens bis ins Jahr 2025 wöchentlich „zwei oder drei” Beamte wegen Sexualdelikten und häuslicher Gewalt angeklagt werden.

Es kommen ständig neue Meldungen hinzu. Bei einer für die Öffentlichkeit eingerichteten Notfallhotline gehen derzeit durchschnittlich 40 Anrufe pro Tag ein. Derartige Straftaten werden viel zu selten gemeldet; die tatsächliche Zahl ist sicher um ein Vielfaches höher.

David Carrick

Die Mauer des Schweigens wurde am 16. Januar endgültig durchbrochen, als der Polizeibeamte David Carrick wegen 85 Fällen von Vergewaltigung sowie weiteren gegen Frauen gerichtete Sexualstraftaten verurteilt wurde, was ihn zu einem der schlimmsten Sexualstraftäter in der Geschichte des Vereinigten Königreichs macht.

Carrick vergewaltigte Frauen, sperrte sie in Schränke, urinierte auf sie, nannte sie seine „Sklavinnen” und drohte ihnen mit Mord, „ohne irgendwelche Beweise zu hinterlassen”. Er nutzte regelmäßig seine Position, um seine Opfer zu ködern und ihnen zu drohen, falls sie von seinen Taten erzählen würden.

Wie auch Wayne Couzens, der Sarah Everard ermordete, gehörte Carrick dem „Parliamentary and Diplomatic Protection Command” an, der bewaffneten Eliteeinheit, die Ministerien und Botschaften betreut. Dies zeigt einerseits, wie ineffektiv der so genannte Auswahlprozess der Met ist und belegt andererseits, dass sich Polizeibeamt:innen umso schlechter verhalten, je näher sie der staatlichen Macht kommen.

Carrick war für seine Frauenverachtung und Brutalität bekannt. Sein Spitzname lautete „Bastard Dave”. In seinen 20 Dienstjahren wurde er sage und schreibe neun Mal wegen gegen Frauen gerichteter Übergriffe bei der Met angezeigt. Nur ein einziges Mal wurde er zu eingeschränktem Dienst verdonnert und erhielt einige Monate später seine Waffe zurück, als das Opfer nicht mehr mit der Polizei kooperierte. Suspendiert wurde er nie.

Kapitalistenschweine

„Bereiten Sie sich auf weitere schmerzhafte Geschichten vor, wenn wir uns mit Fällen konfrontiert sehen, … die unsere Integrität untergraben”, warnte Commissioner Rowley und gab zu, dass Carrick nicht das letzte Monster wäre, das in den kommenden Monaten entdeckt würde. Auch in anderen Polizeidienststellen herrscht die gleiche sexistische Kultur wie in Londons „Elite” und die gleichen Verbrechen werden begangen.

Die Polizei ist institutionell sexistisch. Aber sie ist auch institutionell rassistisch, homophob, transphob und arbeiter:innenfeindlich. Sie verhaftet und misshandelt Umweltschützer:innen, streikende Gewerkschafter:innen, Schwarze und Minderheiten und greift bei friedlichen Demonstrationen von Frauen und LGBTIA+-Personen zu. Seit 1990 gab es 1.740 Todesfälle von Menschen in Gewahrsam oder nach Konfrontationen mit der Polizei.

Die Polizei wird nicht nur mit mehr Waffen, darunter CS-Gas, Schusswaffen und Taser, sondern auch mit immer mehr Rechten ausgestattet – der sogenannte „Police, Crime, Sentencing and Courts Act” (Polizei-, Verbrechens-, Verurteilungs- und Gerichtsgesetz) vom letzten Jahr gab ihr die Befugnis, Proteste aufzulösen, die zu „lästig” sind, zu lange andauern oder den Wirtschaftsbetrieb stören.

Das Gesetz über die öffentliche Ordnung („Public Order Bill”), das kurz vor der Verabschiedung steht, wird es der Polizei ermöglichen, Demonstrant:innen mit sogenannten „Serious Disruption Prevention Orders” (SDPO; Verordnungen zur Vorbeugung ernster Störungen) zu belegen. Dabei geht es [ähnlich der in Bayern bereits angewandten Präventivhaft; Anm. d. Red.] darum, eine Art Gedankenpolizei zu etablieren, die schon gegen diejenigen, die nur verdächtigt werden, künftig eine Straftat zu begehen, Maßnahmen verhängen darf. Die von diesen SDPO Betroffenen könnten u. a. elektronisch markiert, aus Teilen der Stadt oder des Landes verwiesen oder auch gezwungen werden, sich auf Polizeistationen zu melden. Es ist sogar möglich, unter eine 24-stündige Ausgangssperre gestellt zu werden, was einem Hausarrest gleichkommt.

Dass diese Ausweitung der polizeilichen Befugnisse jetzt im Eiltempo durchgesetzt wird, ist kein Zufall. Wie auch das neue Antistreikgesetz kommt die „Public Order Bill” zu einem Zeitpunkt, an dem die Regierung weiß, dass die Umwelt- und Wirtschaftskrisen noch mehr wütende Menschen auf die Straße bringen werden. Statt ihre Auswahlverfahren zu überprüfen, bereitet sie sich auf ein hartes Durchgreifen vor.

Gegenwehr

In der Nacht, als Carrick sich schuldig bekannte, skandierten die Aktivist:innen vor dem New Scotland Yard den Slogan „No justice, no peace – no rapist police!” (Kein Frieden, keine Gerechtigkeit – keine Vergewaltigerpolizei!). Sie hätten auch „no racist police” (keine rassistische Polizei) hinzufügen können, wie es „Black Lives Matter“ immer wieder gefordert hat, oder gar „no police”, wie es die „Kill-the-Bill”-Bewegung forderte.

Um all diese Forderungen zu erreichen, brauchen wir eine Bewegung all jener, die allein wegen ihres Geschlechts, ihrer Sexualität, ihrer Hautfarbe, ihrer Geschlechtsidentität oder, weil sie bereit sind, sich gegen ihre Unterdrücker:innen zu wehren, von Polizeigewalt bedroht sind.

Wir müssen für Gerechtigkeit für alle Frauen kämpfen, die unter der Hand von Polizeibeamten gelitten haben. Alle Polizisten, die beschuldigt werden, Verbrechen gegen Frauen begangen zu haben, müssen ohne Bezahlung suspendiert werden. Wir fordern eine unabhängige Untersuchung aller Vorwürfe durch die Arbeiter:innenklasse und die Strafverfolgung aller Beamten, die für schuldig befunden werden, um sie an weiteren Gewalttaten zu hindern. Außerdem brauchen wir die Entwaffnung und Auflösung von Spezialeinheiten, die glauben, sie stünden über dem Gesetz.

Um jedoch die Polizei abzuschaffen, müssen wir ihre wahre Natur verstehen. Sie bildet einen Arm des kapitalistischen Staates, der dazu da ist, Eigentumsrechte zu verteidigen, Proteste und Streiks zu brechen und Sexismus, Rassismus, Homo- und Transphobie, die uns spalten, zu verstärken. Das Ziel der Polizei besteht in der Aufrechterhaltung der kapitalistischen und patriarchalen Ordnung. Wenn wir die Polizei abschaffen wollen, müssen wir den kapitalistischen Staat selbst zerschlagen.

Nur eine demokratisch rechenschaftspflichtige Verteidigungseinheit der Arbeiter:innenklasse kann sowohl die Polizeigewalt zurückdrängen als auch die Polizei selbst durch Einheiten ersetzen, die uns gegen die wahren Verbrecher:innen verteidigen – die Kapitalistenklasse, die Schläger wie Carrick und Couzens gegen uns einsetzt.




Britannien: Bilanz des Aktionstages vom 1. Februar

KD Tait, Infomail 1213, 8. Februar 2023

Am 1. Februar streikten Hunderttausende Lehrkräfte, Dozent:innen, Beschäftigte des öffentlichen Dienstes und Lokführer:innen im Rahmen des größten koordinierten Aktionstages seit vielen Jahren.

Allein in London zogen 50.000 Streikende durch die Straßen bei der größten Demonstration an einem Werktag seit dem Protest gegen den Besuch von Donald Trump im Jahr 2018. Weitere Zehntausende demonstrierten im ganzen Land.

Die Gewerkschaften fordern Lohnerhöhungen, um der Krise bei den Lebenshaltungskosten zu begegnen. Inflationsraten von mehr als 11 % und ein Jahrzehnt des Einfrierens der Löhne und Gehälter bedeuten, dass ihr realer Wert für Millionen von Beschäftigten des öffentlichen Sektors niedriger ist als im Jahr 2010.

Mehr als Löhne

Aber bei diesen Streiks geht es um viel mehr als nur um die Löhne. Jede/r kann sehen, dass ein Jahrzehnt der Sparmaßnahmen, der Privatisierung und des wirtschaftlichen Rückschlags durch den Brexit die öffentlichen Dienste an den Rand des Zusammenbruchs gebracht hat. Für die regierenden Konservativen ist dies ein Schritt in Richtung Abschaffung der universellen, kostenlosen öffentlichen Dienstleistungen vor Ort. Für die Streikenden geht es bei dieser Aktion um den Schutz von Arbeitsplätzen und Arbeitsbedingungen. Sie kämpfen für vollständig finanzierte öffentliche Dienstleistungen, auf die wir alle angewiesen sind.

Die Privatisierung des Gesundheits- und Bildungswesens, die Verarmung und Bestrafung der Arbeitslosen, der katastrophale Zustand unseres öffentlichen Nahverkehrs, der Anachronismus von Arbeitsbedingungen, die so schlecht sind, dass Zehntausende von teuer ausgebildeten, neu qualifizierten Lehrer:innen und Krankenpfleger:innen innerhalb der ersten zwei Jahre kündigen – all das sind Gründe genug für einen Streik.

Aber das ist noch nicht alles. Die Regierung nutzt die Streiks, um noch drakonischere Antistreikgesetze zu verabschieden, die das Streikrecht im Gesundheits-, Verkehrs- und Bildungswesen sowie bei den Notdiensten faktisch abschaffen werden.

Es geht nicht nur um die Beschäftigten des öffentlichen Sektors. Die Löhne und Gehälter in der Privatwirtschaft bleiben weit hinter der Inflation zurück, aber die Lohnerhöhungen sind immer noch doppelt so hoch wie im öffentlichen Bereich. Die Regierung will die Löhne  dort  niedrig halten, um einen Maßstab für die Lohnsumme insgesamt zu setzen.

Es steht für alle viel auf dem Spiel: Löhne, Renten, Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung sowie das Streikrecht sind in Gefahr. Die Aktion am 1. Februar war beeindruckend. Um sie zu organisieren, waren nachhaltige Organisationsbemühungen in den Gewerkschaften erforderlich, die Zehntausende neuer Mitglieder und Hunderte von Vertreter:innen und Aktivist:innen rekrutiert haben. Die Demonstrationen spiegelten eine jüngere, vielfältigere Mitgliedschaft wider, die sich der politischen Implikationen und des Einsatzes bewusst ist.

Aber die zentrale Frage: „Wie geht es weiter?“ bedeutet, dass man sich fragen muss, ob die Strategie der Gewerkschaftsführer:innen funktioniert.

Rolle der Bürokratie

Erstens wurden die Streikenden am 1. Februar von der Gewerkschaft des Pflegepersonals (RCN) im Stich gelassen, deren Vorsitzende Pat Cullen darauf bestand, dass sie keine gemeinsamen Aktionen unterstützen würde, weil sie nur Pflegekräfte vertrete. Hinter diesem „Mandat“ verbirgt sich engstirniger Sektionalismus, der die Interessen einer Gruppe von Beschäftigten über kollektive Bemühungen stellt und damit alle schwächt.

Schlimmer noch: Geplante Verhandlungen mit den „Arbeitgeber:innen“ wurden von den Gewerkschaften im Kommunikations- (CWU) und Verkehrswesen (RMT), deren Führer Dave Ward und Mick Lynch die profiliertesten Befürworter einer koordinierten Aktion waren, als Vorwand benutzt, um sich von der Aktion fernzuhalten (mit Ausnahme einer kleinen Zahl von Lokführer:innen). In keiner der beiden Auseinandersetzungen hat die Seite der Bosse ein Angebot vorgelegt, das diese Entscheidung auch nur annähernd rechtfertigt. Sie schwächten damit ihren Arbeitskampf ebenso wie die Position aller anderen.

Die Regierungspartei der Tories spielt „Teile und herrsche“, und die Weigerung des Gewerkschaftsdachverbandes und der Führer:innen der wichtigsten Gewerkschaften, eine geschlossene Koalition zu bilden, die die Macht der Stärkeren nutzt, um die Forderungen der Schwächeren durchzusetzen, hilft ihnen dabei. Für diese Gewerkschaftsführung ist das Motto unserer Bewegung – „Einigkeit macht stark“ – nur ein leerer Slogan, gut für Reden und Transparente, aber aus dem Verhandlungssaal verbannt.

Zweitens, und verbunden mit dem vorrangigen Wunsch der Gewerkschaftsspitze, die Kontrolle über ihre eigenen Auseinandersetzungen zu behalten und zu vermeiden, dass sie sich zu einer politischen Offensive ausweiten, die ihre eigenen Forderungen durchsetzt, ist die Strategie eine von gelegentlichen ein- oder zweitägigen Streiks, gefolgt von langen Verhandlungsperioden, deren Ziele und Verlauf die Mitglieder, die Lohneinbußen hinnehmen müssen, weder mitbestimmen noch kennen.

Der Beweis ist eindeutig: Gegen eine Regierung, die entschlossen ist, die Profite der Bosse zu stützen und das Vermögen der Reichen zu verteidigen, indem sie die Löhne niedrig hält, reichen eintägige Streiks nicht aus, um zu gewinnen. Bestenfalls werden sie bescheidene Zugeständnisse für einige wie Pflegekräfte und Bahnbeschäftigte bringen, die Bewegung spalten und andere Teile isoliert zurücklassen, die sich mit weniger zufrieden geben müssen.

Die Universitäts- und Hochschulgewerkschaft UCU hat für Februar und März 18 Streiktage angekündigt, während die Bildungsgewerkschaft NEU zu regionalen Streiks übergeht. Eine Eskalation, die so schnell wie möglich vonstattengeht, ist die einzige Alternative zu einer langwierigen Kampagne, die die Initiative und die Macht der Regierung überlässt, die  einfach länger abwarten kann.

Strategiewechsel ist nötig

Drittens: Streiks sind zwar die wirksamste Waffe der organisierten Arbeiter:innen, um für ihre Interessen zu kämpfen, aber die allgemeine soziale Krise, die den Lebensstandard drückt, erfordert die Mobilisierung der gesamten Arbeiter:innenklasse und nicht nur bestimmter Gewerkschaften. In jeder Gemeinde brauchen wir eine soziale und politische Kraft, die sich für Maßnahmen gegen Energierechnungen, Mieten und die ungezügelte Profitmacherei der großen Banken und Energieunternehmen einsetzt. Lasst uns Aktivist:innen aus Mieter:innenkampagnen, Umweltgruppen, Schwarzen- und Frauenorganisationen mit Gewerkschafter:innen zusammenbringen, um eine gemeinsame Strategie zu entwickeln.

In den Gewerkschaften müssen die Aktivist:innen der Basis, die die Notwendigkeit eines Strategiewechsels erkannt haben, auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene zusammenkommen, um einen Aktionsplan auszuarbeiten, mit dem sie die Kontrolle über die Streiks und Verhandlungen übernehmen können.

Der nächste Aktionstag ist erst am 15. März, dem Tag der Verabschiedung des Haushalts, vorgesehen – also in sechs Wochen. Diese Wochen werden einen entscheidenden Wendepunkt im Kampf darstellen. Was wir brauchen, ist ein gezieltes Eingreifen in die Bewegung, um die Organisation und Kontrolle der Basis und die Einheit der sozialen Kampagnen wie People’s Assembly (Volksversammlung) und Enough is Enough (Genug ist Genug) aufzubauen. Für diese Strategie, die Organisation von Aktivist:innen hinter einem Aktionsprogramm, um unsere Bewegung kampffähig zu machen, kämpfen die Mitglieder von Workers Power. Wenn ihr einverstanden seid, schließt euch uns an!




Britannien: Alle auf die Straße am 1. Februar!

Workers Power, Neue Internationale 271, Februar 2023

Die Arbeiter:innenklasse sieht sich dem schwersten Angriff auf ihren Lebensstandard seit der Einführung der Kürzungsmaßnahmen nach der Finanzkrise von 2007/2008 gegenüber.

Die Lohnabhängigen haben darauf mit der größten Streikwelle seit den 1980er Jahren reagiert. Millionen von Beschäftigten im privaten und öffentlichen Sektor haben für Lohnerhöhungen gestreikt, um mit den rasant steigenden Preisen für Lebensmittel, Energie, Mieten und Rechnungen Schritt zu halten.

Die Regierung versteckt sich hinter Lohnprüfungsausschüssen (Gesundheit) oder fadenscheinigen Behauptungen, sie sei nicht die „Arbeitgeberin“ (Verkehr), und blockiert seit Monaten Verhandlungen und Vereinbarungen. Ohne einen Plan zur Bewältigung der Krise des britischen Kapitalismus, die durch jahrelangen Produktivitätsrückgang und die Selbstbeschädigung durch den Brexit noch verschärft wurde, greifen die Tories zu einer Offensive gegen die Gewerkschaften und Arbeitsmigrant:innen, die von der Notwendigkeit angetrieben wird, die populistische Rechte und Mitglieder der Partei zu beschwichtigen.

Es ist diese Schwäche der Regierung, die trotz ihrer großen Mehrheit den Brexit-Extremist:innen im eigenen Lager verpflichtet ist, die entschlossen sind, ihr Projekt der Zerstörung des Sozialstaates und der Zerschlagung der verbleibenden Arbeiter:innen- und Umweltschutzbestimmungen zu vollenden, die sie so gefährlich macht.

Premierminister Sunaks Einladung zu Scheinverhandlungen am 9. Januar, unmittelbar gefolgt von der Ankündigung des Gesetzes über Mindestdienste im Streik, zeigt, dass sie ihrer Überleben mit einer Machtdemonstration gegenüber den Gewerkschaften verknüpft haben. Wir müssen unsere Organisationen in Kampfform bringen, um den Versuch abzuwehren, die Lohnabhängigen durch die Aushöhlung unseres Lebensstandards und streikfeindliche Gesetze, die jede wirksame Gewerkschaftsarbeit verbieten würden, für die Krise bezahlen zu lassen.

Doch trotz der inspirierenden Streikwelle seit letztem Sommer sind viele Gewerkschaften bereits dabei, die Aktion zu demobilisieren, bevor sie nennenswerte Lohnerhöhungen durchsetzen können. Die andere Hälfte, der linke Flügel der Bewegung, hat kaum angefangen oder nur gelegentliche Aktionen organisiert, die keinen Sieg erzwingen können.

Dem TUC-Kongress im Oktober ist es nicht gelungen, ein ernsthaftes Programm für koordinierte Aktionen zu vereinbaren. Dies und der schwache Aufruf zu einem „Aktionstag zur Verteidigung des Streikrechts am 1. Februar“ zeigen, dass die offizielle Führung verzweifelt versucht zu verhindern, dass die sich ausbreitenden Streiks eine Eigendynamik entwickeln, die sie nicht kontrollieren kann.

Wenn sich die Gewerkschaften ungeordnet zurückziehen, nachdem sie nur symbolischen Widerstand geleistet haben – wie 2011/12 während des Rentenkonflikts –, werden wir eine schreckliche Niederlage erleiden, die das beginnende Wachstum der Gewerkschaftsmitgliedschaft und des Kampfgeistes, das sich in unzähligen Streiks und der massenhaften Teilnahme an „Enough is Enough“ (Genug ist genug)-Kundgebungen im ganzen Land zeigt, sicherlich zunichtemachen wird.

Deshalb müssen wir uns jetzt organisieren, um den 1. Februar zum Anfang – und nicht Ende – einer echten Kampagne zu machen, um die Antistreikgesetze zu Fall zu bringen und Lohnerhöhungen zu sichern, die die zweistellige Inflation wirklich ausgleichen. Jede Gewerkschaft mit einem gültigen Aktionsmandat sollte streiken. Aktivist:innen sollten Anträge und offene Briefe von Zweigstellen und Betrieben koordinieren und die Gewerkschaftsvorstände mit Forderungen nach gemeinsamen Kampfmaßnahmen bombardieren. Mittagsdemonstrationen und Kundgebungen, wenn möglich mit Arbeitsniederlegungen, sollten in allen Städten und Gemeinden organisiert werden. Um dies zu gewährleisten, sollten lokale Solidaritätsausschüsse gebildet werden.

Das Ausmaß des Angriffs erfordert eine entsprechende Reaktion. In der Realität bedeutet dies, dass wir darauf vorbereitet und organisiert sein müssen, den undemokratischen Gesetzen zu trotzen, die uns daran hindern, wirksame Maßnahmen zu ergreifen – Massenstreikposten, um Streikbrecher:innen zu stoppen, Betriebsversammlungen und Abstimmungen für Maßnahmen, Solidaritätsstreiks bis hin zu einem Generalstreik.

Schlüsselaufgaben für die Bewegung:

  • Verteidigung des Streikrechts: Alle auf die Straße am 1. Februar!

  • Gemeinsame Streikkomitees in jedem Betrieb!

  • Eine Basisbewegung in den Gewerkschaften!

  • Aktionsräte, um den Widerstand zu vereinen!

  • Zerschlagt die Lohnobergrenze: 15 % für alle!

  • Anpassung der Löhne, Renten und Sozialleistungen an die Inflation!

  • Generalstreik zur Zerschlagung der gewerkschaftsfeindlichen Gesetze!