Sri Lanka: Präsident Wickremesinghe nimmt Student:innen aufs Korn

Peter Main, Infomail 1196, 25. August 2022

Nachdem Ranil Wickremesinghe Gotabaya Rajapaksa als Präsident abgelöst hat, hat er eine Welle der Repression gegen die Massenbewegung ausgelöst, die Rajapaksa aus dem Amt gezwungen hat.

Täglich werden Hunderte von Menschen verhaftet, viele von ihnen auf Grundlage des Gesetzes über öffentliches Eigentum, das ihnen eine Woche lang eine Kaution verwehrt. Noch schlimmer ist, dass drei Anführer der IUSF (Inter-University Student Federation = Interuniversitäre Student:innenvereinigung), Wasantha Mudalige, Galwewa Siridhamma und Hashan Jeevantha, die eine wichtige Rolle in der Protestbewegung spielten, auf der Grundlage des berüchtigten Gesetzes zur Verhinderung von Terrorismus inhaftiert wurden, das Haft ohne Gerichtsverfahren von bis zu einem Jahr ermöglicht.

Weitere 16 Student:innen, die ebenfalls bei einer Demonstration am 18. August verhaftet worden waren, wurden später freigelassen, allerdings nur gegen eine Kaution von 500.000 Rupien (rund 1.400 Euro).

Mit dem Versuch, Protestdemonstrationen als eine Form des Terrorismus darzustellen, sollen eindeutig die Hunderttausende eingeschüchtert werden, die sich an der Massenbewegung gegen das Rajapaksa-Regime beteiligt haben.

Er wurde bereits von Amnesty International verurteilt, deren Direktorin für Südasien, Yamini Mishra, erklärte: „Dies zeigt, dass die Behörden nicht gewillt sind, jede Form von Kritik zu ertragen, und abweichende Meinungen systematisch unterdrücken. Dies verstößt gegen die internationalen Menschenrechtsverpflichtungen Sri Lankas, insbesondere gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung“.

Die UN-Sonderberichterstatterin für Menschenrechtler:innen, Mary Lawlor, bezeichnete Wickremesinghes Entscheidung, einen ersten 90-tägigen Haftbefehl gegen Mudalige und seine Kommilitonen zu unterzeichnen, als „einen schwarzen Tag für Sri Lanka“.

Wickremesinghes Handeln zeigt sehr deutlich eine grundlegende politische Lektion: Die Ersetzung eines Präsidenten durch einen anderen, ohne dass sich an den wichtigsten Institutionen des Staates etwas ändert, kann die Krise des Landes nicht lösen. Der Ruf nach Neuwahlen ist angesichts des fehlenden Regierungsmandats des neuen Präsidenten zwar verständlich, aber auch keine Lösung – nur Wickremesinghe selbst kann das Parlament auflösen und Neuwahlen ausrufen!

Die Frontline Socialist Party (FSP), der die IUSF angehört, hat den Ruf nach „Volkskampfkomitees“ auf der ganzen Insel erhoben, und viele in der Protestbewegung haben auch „Volksräte“ gefordert, um eine demokratische Grundlage für eine neue Verfassung zu schaffen. Diese Forderungen drücken natürlich eine berechtigte Ablehnung des bestehenden politischen Systems aus, sind aber dennoch zu vage und möglicherweise irreführend.

Das „Volk“ umfasst alle Bürger:innen, als ob alle Einwohner:innen ein gemeinsames Interesse hätten, aber das haben sie nicht. Das „Volk“ umfasst auch jene Bevölkerungsschichten, die über den Reichtum und die Verbindungen verfügen, um sicherzustellen, dass sie bekommen, was sie wollen. Die Sozialist:innen in der Bewegung müssen für klassenbasierte Ausschüsse oder Räte eintreten, vor allem für Arbeiter:innen-, Bäuer:innen- und Fischer:innenausschüsse, die sich bei einer Zuspitzung des Kampfes zu Räten entwickeln können.

Nur Klassenorganisationen können die Forderungen aufstellen, die die Bedürfnisse ihrer Mitglieder deutlich machen – die absolut nicht mit den Bedürfnissen der Unternehmer:innen, der Konzerne, der Banken und, hinter all diesen, des Internationalen Währungsfonds und der anderen internationalen Institutionen übereinstimmen. Sozialist:innen, die die Notwendigkeit von Klassenorganisationen verstehen, müssen sich in einer politischen Partei organisieren, einer Arbeiter:innenpartei, die diesen Namen verdient, und innerhalb derer sie die zentralen Forderungen zur Lösung der Krise aufstellen.

Es gibt einen wachsenden Druck für einen vollständigen Wandel, einen demokratischen Wechsel in Sri Lanka, und Sozialist:innen sollten dies auf jeden Fall unterstützen – durch die Forderung nach einer verfassunggebenden Versammlung, deren Wahl von den Massenorganisationen der Arbeiter:innen Bauern und Bäuerinnen beaufsichtigt werden sollte, nicht von dem repressiven Apparat des bestehenden Staates.

Die Bewegung in Sri Lanka braucht und verdient unbedingt auch Unterstützung und Solidarität aus der ganzen Welt, einschließlich Protesten vor den Botschaften Sri Lankas, Forderungen an die Regierungen, die Freilassung aller politischen Gefangenen zu fordern, und Solidaritätsbekundungen und Spenden, in erster Linie an die IUSF.




Sri Lanka: Alles hat sich geändert – aber nicht wirklich!

Peter Main, Infomail 1193, 17. Juli 2022

Die große Protestbewegung in Sri Lanka hat Staatspräsident Gotabaya Rajapaksa schließlich zum Rücktritt gezwungen. Nachdem er angekündigt hatte, bis Mittwoch, den 13. Juli 2022, zu gehen, verzögerte er seinen Rücktritt, bis er seine diplomatische Immunität als Staatschef nutzte, um aus dem Land nach Singapur zu fliehen.

Sein Abgang ist zweifellos ein Sieg für die Demonstrant:innen, die ihn im wahrsten Sinne des Wortes zum Gehen gezwungen haben, indem sie seine Amtsresidenz besetzt haben. Nach jubelnden Feiern am Hauptprotestort, dem Galle Face Green in Colombo, löste sich die Menge schnell auf und übergab die Initiative an die Verfassungsorgane zurück.

Es wurde sofort klar, dass diese Behörden entschlossen waren, die Kontrolle nicht wieder zu verlieren. Innerhalb weniger Stunden wurde Ranil Wickremasinghe, Rajapaksas Premierminister, als amtierender Staatspräsident vereidigt, und es wurde ein Zeitplan für die Wahl eines neuen Staatsoberhaupts innerhalb einer Woche angekündigt.

Das Verfahren wird die wirklichen Grenzen dessen aufzeigen, was die Protestbewegung erreicht hat: Der neue Präsident wird von den Abgeordneten gewählt, von denen die große Mehrheit Mitglieder der Partei von Rajapaksa sind und ihn und seine Regierung bis zum bitteren Ende unterstützt haben. Revolutionär:innen werden mit einigem Recht zu dem Schluss kommen, dass sich alles geändert hat – aber nichts wirklich.

Insbesondere die wichtigsten Institutionen des Staates, Armee, Polizei und Verwaltung, haben dem Ansturm der Bevölkerung standgehalten, sie haben sich nicht verändert. Auch die grundlegenden Probleme der sri-lankischen Gesellschaft haben sich nicht verändert. Das Land verfügt nach wie vor über keine Finanzreserven. Es gibt praktisch keinen Diesel und kein Benzin, so dass keine Waren transportiert werden können. Die Ernte bleibt aus, die medizinische Versorgung ist fast völlig zusammengebrochen und Kochgas ist nicht zu bekommen.

Für Millionen von Menschen auf der Insel wird der Kampf ums Überleben weitergehen, auch wenn die Regierung wechselt. Die große Protestbewegung wurde durch die harte Realität von Armut und Hunger angetrieben. Sie sah die Rajapaksa-Bande als das unmittelbare Problem an und machte es sich zur Aufgabe, sie zu beseitigen. Und sie hat gewonnen. Eine solche Bewegung und Errungenschaft wird nicht einfach spurlos an der Geschichte vorbeigehen.

Aber jetzt muss sich die Bewegung selbst ändern, neue Ziele setzen. Anstatt eine neue Regierung mit ehrlichen Politiker:innen zu fordern, die die Probleme des Volkes lösen, muss sie sich organisieren, um anzufangen, diese selbst in den Griff zu bekommen.

Viele linke Gruppen haben zur Bildung von lokalen Räten oder Komitees aufgerufen. Die Frontline Socialist Party zum Beispiel fordert „People’s Struggle Committees“ (Kampfkomitees des Volkes), um die Protestbewegung zu organisieren und Maßnahmen zu ergreifen, um die Verteilung der knappen Ressourcen sicherzustellen. Lokale Organisationen sind sicherlich notwendig, aber die Sozialist:innen müssen sich darüber im Klaren sein, dass wir Arbeiter:innenorganisationen vorschlagen, die möglichst auf den wichtigsten lokalen Arbeitsplätzen fußen.

Wo immer sie existieren, können die Gewerkschaften solche Organisationen initiieren, aber auch ohne sie sind die Arbeitsplätze selbst ein organisatorischer Rahmen, auf dem man aufbauen kann. Ihre Leitlinie sollte die Forderung nach Arbeiter:innenkontrolle und Arbeiter:inneninspektionen sein.

In den kommenden Wochen und Monaten wird wahrscheinlich eine Art „geschäftsführende“ Regierung eingesetzt werden. Um einen völligen sozialen Zusammenbruch zu vermeiden, werden internationale Organisationen wie der Internationale Währungsfonds und die Weltbank sowie „Geber“-Länder wie Indien oder Japan „Nothilfelieferungen“ organisieren. Diese werden unweigerlich an Bedingungen geknüpft sein: Forderungen nach einer Wirtschaftspolitik, die die Rückzahlung der Kredite sicherstellt, und die Privatisierung dessen, was vom öffentlichen Sektor übrig geblieben ist.

Alle Arbeiter:innenorganisationen – Gewerkschaften, betriebliche Ausschüsse, Aktionsräte der Arbeiter:innen – müssen sich organisieren und mobilisieren nicht nur, um sich einer solchen Politik zu widersetzen, sondern auch, um die Kontrolle über die Verteilung der Hilfe zu erlangen. Darauf muss sich die Massenbewegung jetzt konzentrieren. In diesem Kampf müssen die Arbeiter:innenorganisationen die Führung übernehmen und die Organisationen der Unterdrückten, der nationalen Minderheiten, der Frauen und der Jugend einbeziehen, indem sie deren Kämpfe als ihre eigenen aufgreifen.

Klar ist, dass eine solche inselweite Bewegung Führung und Verantwortlichkeit braucht. Kurz gesagt, die Arbeiter:innen und Unterdrückten Sri Lankas brauchen eine neue politische Partei, die sich ihren Interessen und dem Sturz nicht nur einzelner korrupter Politiker:innen, sondern des gesamten Systems, das sie hervorgebracht hat, widmet.

Nichts hat sich geändert – aber alles muss sich ändern!




Sri Lanka: Für eine konstituierende Versammlung!

Peter Main, Infomail 1188, 15. Mai 2022

„Rajapaksa schickt seine Schläger:innen, um uns zu töten“, so lautete die einzeilige Botschaft, die ein Unterstützer des Protestcamps an der Strandpromenade Galle Face Green in Colombo am 9. Mai an die Liga schickte. Bei dem fraglichen Rajapaksa handelte es sich um Mahinda, den Premierminister, aber der Angriff wurde zweifellos von seinem Bruder Gotabaya, dem Präsidenten, unterstützt.

Die Tötung von Gegner:innen war ein ständiges Merkmal des Aufstiegs des Rajapaksa-Clans zur Macht, aber nicht dieses Mal. Diesmal drehten die politischen Oppositionellen, die Masse der Demonstrant:innen, die sieben Wochen lang vor dem Büro des Präsidenten kampierten, den Spieß um. Rajapaksas Schläger:innen wurden schnell überwältigt, einige wurden gefangengenommen, der Rest floh.

Bankrottes System

Der Angriff im Stadtpark Galle Face erwies sich als letzter verzweifelter Schlag des Premierministers. Innerhalb weniger Stunden trat er zurück und überließ dem Präsidenten die Bewältigung der größten Krise in der Geschichte Sri Lankas. Im Mittelpunkt dieser Krise steht der wirtschaftliche Bankrott, der auf die Politik der Regierung zurückzuführen ist. Berichten zufolge verfügt die Zentralbank nur noch über 50 Millionen US-Dollar. Die Schulden belaufen sich jedoch auf einen zweistelligen Milliardenbetrag.

Das gesamte System ist politisch ebenso bankrott. Ein Beweis dafür waren die Versuche Gotabayas, eine Koalitionsregierung aus den wichtigsten Parlamentsparteien zu bilden. Eine nach der anderen lehnten deren Führungen seine Vorschläge ab. Das heißt, alle bis auf eine. Am Ende reichte die Aussicht auf das Amt aus, um den Vorsitzenden der United National Party (Vereinigte Nationalpartei, UNP), Ranil Wickremesinghe, dazu zu bewegen, das Angebot anzunehmen. Er ist mit der Rolle vertraut, denn er war bereits fünfmal Premierminister – obwohl er noch nie eine volle Amtszeit absolviert hat.

Einst galt die UNP als „natürliche Regierungspartei“ in Sri Lanka, da sie die städtische Elite vertrat, der die britischen Kolonialherr:innen die Macht überließen, als sie das Land 1948 verließen. Bei den letzten Parlamentswahlen im August 2020 erhielt sie jedoch gerade so viele Stimmen, dass sie einen Abgeordneten stellen konnte. Das reicht nun aus, um diesem Abgeordneten, Wickremesinghe, das Amt des Premierministers zu geben. So viel zur Demokratie.

Zweifellos werden der Präsident und der Premierminister nun gemeinsam versuchen, eine Regierung zusammenzustellen. Ebenso wahrscheinlich ist, dass andere führende Parlamentarier:innen die Regierung zwar öffentlich verurteilen, aber im Stillen andeuten werden, dass sie bestimmte Maßnahmen, mit denen sie einverstanden sind, dennoch unterstützen könnten. In der gegenwärtigen Situation, in der es im ganzen Land zu Massenprotesten und Demonstrationen kommt, werden die meisten zustimmen, dass das Letzte, was sie wollen, Neuwahlen sind.

Repression und Widerstand

Die Repression der Massenbewegung ist eine ständige Bedrohung. Die Armee wurde bereits angewiesen, ohne Vorwarnung auf jede/n zu schießen, die/der die erneute Ausgangssperre bricht. Darüber hinaus bliebe Gotabaya Rajapaksa nur noch die Möglichkeit, das Militär einzuschalten, um entweder die Auflösung der Demonstrationen und einen strengen Ausnahmezustand durchzusetzen oder sogar das Kriegsrecht zu verhängen. Es ist nicht klar, ob der Generalstab dem zustimmen würde, aber die bestehende Massenbewegung muss diese Möglichkeit eindeutig erkennen.

Abseits der Regierungsmanöver haben Organisationen wie das Trade Union Coordinating Centre (Gewerkschaftskoordinationszentrum) und das Collective of Trades Unions and Mass Organisations (Kollektiv der Gewerkschaften und Massenorganisationen) für den 11. Mai zu einem Generalstreik aufgerufen. Dies ist der vielversprechendste Aspekt der gesamten Krise in Sri Lanka. In dieser Bewegung kann die Saat für eine veränderte sri-lankische Gesellschaft aufgehen.

Die für die Ausbreitung und Aufrechterhaltung des Streiks notwendigen Basisorganisationen, die Versorgung der Streikenden mit Lebensmitteln und anderen Gütern sowie der Aufbau von Verbindungen über die lokale Ebene hinaus können dazu dienen, eine Arbeiter:innenbewegung, die nach der Niederlage des Generalstreiks von 1980 zusammengebrochen war, wiederzubeleben und neu aufzubauen.

Dieses Potenzial ist jedoch weder automatisch noch garantiert. Es gibt Tausende von kleinen Gewerkschaften, die eine Schlüsselrolle bei dieser Wiederbelebung spielen könnten. Viele von ihnen unterhalten jedoch Verbindungen zu liberalen und bürgerlichen politischen Parteien. Ihre Mitglieder sollten die Beendigung aller dieser Verbindungen fordern. Sozialist:innen sollten nicht nur für den Zusammenschluss kleiner und ineffektiver Gewerkschaften zu demokratisch kontrollierten Massenorganisationen eintreten, sondern auch für die Bildung einer neuen Arbeiter:innenpartei, die in den Gewerkschaften verwurzelt ist.

Die Arbeiter:innenbewegung sollte auch Frauen- und Student:innenorganisationen mit einbeziehen. Die Inter-University Student Federation, (Universitätsübergreifende Student:innenföderation), die stark von der Front Line Socialist Party beeinflusst ist, hat bereits eine führende Rolle in der „GotaGoHome“ (Gota, geh nach Hause)-Bewegung gespielt. Es sollten alle Anstrengungen unternommen werden, um solche Jugendbewegungen zu koordinieren und in die Arbeiter:innenbewegung auf allen Ebenen zu integrieren.

Was all die verschiedenen Stränge der Bewegung derzeit eint, ist die Forderung nach dem Rücktritt von Gotabaya Rajapaksa als Präsident. Sozialist:innen sollten diese Forderung sicherlich unterstützen, aber sie müssen auch darüber hinausgehen – wenn er geht, was dann? Die Krisen, die Sri Lanka seit Jahrzehnten erschüttern, beweisen, dass das bestehende politische System den Interessen der Masse des Volkes nicht dienen kann.

Verfassunggebende Versammlung

Die Bewegung sollte die Forderung nach einer souveränen verfassunggebenden Versammlung erheben, die bestimmen kann, wie das Land in Zukunft regiert werden soll. Die Bewegung, die gegründet wurde, um den Rajapaksa-Clan abzusetzen, sollte selbst die Einberufung einer solchen Versammlung kontrollieren und allen, die auf der Insel leben und arbeiten, das gleiche Stimmrecht garantieren.

In diesem Rahmen werden die Sozialisten für eine Arbeiter:innen- und Bauern- und Bäuerinnenregierung eintreten, die sich nicht auf parlamentarische Wahlkreise, sondern auf ihre eigenen Organisationen stützt und das Recht der tamilischen Bevölkerung auf Selbstbestimmung und, wenn sie es wünscht, auf Sezession anerkennt.

Zur Bewältigung der Wirtschaftskrise ist es notwendig, alle wichtigen Sektoren entschädigungslos zu verstaatlichen und einer demokratisch verantworteten Planung im Interesse der breiten Masse der Bevölkerung zu unterwerfen. Alle Schulden bei ausländischen Banken und Konzernen, die von den aufeinanderfolgenden kapitalistischen Regierungen aufgenommen wurden, sollten annulliert und ein Appell an die Arbeiter:innen der Welt für Unterstützung und Solidarität gerichtet werden.




Sri Lanka: Präsident verhängt den Notstand

Peter Main, Infomail 1184, 3. April 2022

Zwei Tage, nachdem er sich im Fernsehen an die Nation gewandt hatte, um sein jüngstes Versprechen zur Wiederbelebung der Wirtschaft zu verkünden, hat Präsident Gotabaya Rajapaksa den Notstand ausgerufen. So will er die Flut der Proteste, die seine Herrschaft bedrohen, eindämmen.

Was war der Grund für diese plötzliche Ankündigung? Tausende Verzweifelte demonstrierten vor seinem Haus und forderten nicht nur seinen Sturz als Präsident, sondern auch seine Ausweisung aus dem Land.

Wirtschaftskrise

Ihre Verzweiflung wird durch den faktischen Zusammenbruch der Wirtschaft der Insel angetrieben. Die Währung hat allein in den letzten zwei Wochen mindestens 30 Prozent ihres Wertes verlorgen. Die Devisenreserven waren im Februar auf 2,2 Mrd. US-Dollar gesunken, aber in diesem Jahr müssen 7 Mrd. zurückgezahlt werden. 12-stündige Stromausfälle sind jetzt die Norm. Vier Menschen sind an Erschöpfung gestorben, während sie in immer längeren Schlangen auf Lebensmittel warteten.

Rajapaksa und seine Brüder, der Premierminister und der Finanzminister, sind hauptverantwortlich für diesen raschen Absturz in die Hölle nach Jahren des langsamen, aber unerbittlichen Niedergangs. Diese Schuldenrückzahlungen sind das direkte Ergebnis der Herrschaft von Mahinda Rajapaksa, als er riesige Prestigeprojekte wie den Hafen von Hambantota und einen neuen „internationalen Flughafen“ mit Darlehen aus China finanzierte.

Allein die Zinszahlungen für diese Kredite – 53 Millionen US-Dollar an die China Development Bank, 77 Millionen US-Dollar an die Export Import Bank – zeigen, was diese „weißen Elefanten“, die Monumente ihrer Herrschaft sind, kosten.

Die schiere wirtschaftliche Rücksichtslosigkeit, mit der sie das Land ausgeraubt haben, wird durch eine einzige Statistik unterstrichen: Zwischen Januar 2020 und März 2022 hat die Zentralbank 23 Mal mehr Geld gedruckt als im gesamten Zeitraum 1952 bis 2020! Der Zusammenbruch der Rupie war garantiert, und die große Masse des Volkes sieht sich nun mit der Aussicht auf eine Hyperinflation konfrontiert.

Kein Wunder also, dass Tausende das Haus des Präsidenten belagerten. In den Medienberichten wird betont, dass der Protest „spontan“ war. Es gab keine Parteifahnen, keine Reden von Politiker:innen, nur Tausende von wütenden Einwohner:innen. Aber wie Trotzki über die Februarrevolution von 1917 sagte, bedeutet „spontan“ nur, dass wir nicht wissen, wer ihn organisiert oder zumindest die Initiative ergriffen hat, ihn Freund:innen, Nachbar:innen und Arbeitskolleg:innen vorzuschlagen. Tausende von Menschen beschließen nicht plötzlich, alle zur gleichen Zeit das Gleiche zu tun.

Krise der Arbeiter:innenbewegung

Sicher ist leider, dass es nicht die Arbeiter:innenparteien oder Gewerkschaften waren, die ihn organisiert haben. Das macht nur allzu deutlich, dass es den Sozialist:innen in Sri Lanka trotz der vielen Krisen der letzten Jahrzehnte nicht gelungen ist, die Organisierung der Arbeiter:innenklasse wiederzubeleben. Die Gewerkschaftsbewegung ist in Hunderte von Organisationen zersplittert, von denen die meisten winzig und ineffektiv sind, während diejenigen, die sich mit der revolutionären Tradition identifizieren, in eine Reihe von kleinen Gruppen gespalten sind, auch wenn sie sich oft Parteien nennen.

Dennoch erfordern soziale Krisen des Ausmaßes, mit dem Sri Lanka konfrontiert ist, drastische Lösungen, die zu einer Wiederbelebung der Linken führen könnten. Unter diesen Gruppen und Gewerkschaften gibt es Hunderte, wahrscheinlich Tausende von Menschen, Männer und Frauen, die nicht nur die Notwendigkeit einer Organisation der Arbeiter:innenklasse sehen, sondern auch über eine Fülle von praktischen Erfahrungen verfügen, um diese trotz aller Widrigkeiten aufrechtzuerhalten. Das Gleiche gilt zweifellos für viele lokale Gemeindegruppen, Mieter:innen-, Frauen- und Student:innenorganisationen.

Die Aufgabe der Sozialist:innen besteht jetzt darin, all diese Aktivist:innen zu ermutigen, sich kollektiv und demokratisch zu organisieren, um ihre Interessen und Rechte zu verteidigen, trotz des Notstands und sogar der Gefahr der Verhängung des Kriegsrechts.

Alle diese massenhaften, demokratischen Organisationen sind wichtig, aber am wichtigsten ist die Organisierung am Arbeitsplatz. Die Gewerkschaften sollten sicherlich Rekrutierungskampagnen starten, aber Massenversammlungen aller Beschäftigten sollten die Grundlage für die Wahl von Ausschüssen bilden, die die gesamte Belegschaft vertreten. Wenn sich die Gewerkschaften als effektiv erweisen, werden sie Mitglieder werben, wenn nicht, haben sie keinen Anspruch auf eine automatische Führungsrolle.

Die bestehenden Gewerkschaftsführungen, insbesondere die größeren und einflussreicheren, haben sich oft als Hindernis für wirksame Maßnahmen zur Verteidigung von Löhnen, Arbeitsbedingungen und Arbeitsplätzen erwiesen. Allzu oft sind sie über politische Parteien, deren einziger Zweck es ist, die Interessen der Geschäftswelt zu vertreten, in Regierungs- und Wirtschaftskreise eingebunden.

Haltung zu Gewerkschaften

Dies ist eine fatale Schwäche der Gewerkschaftsbewegung und hat einige Sozialist:innen zu der Idee geführt, dass die Gewerkschaften ignoriert werden sollten, oder, wie die Socialist Equality Party (Sozialistische Gleichheitspartei), zu dem Glauben, dass die Gewerkschaften nur existieren, um ihre Mitglieder zu betrügen. Ihre Antwort beseht darin, solche Führer:innen zu denunzieren und zu versuchen, eine alternative Arbeiter:innenbewegung aufzubauen.

Das ist eine bankrotte Strategie. Die Denunziation von der Seitenlinie aus ändert nichts an der Fähigkeit dieser Führer:innen, zu betrügen und in die Irre zu führen. Ihre Stärke liegt in der einfachen Tatsache, dass sie wichtige Teile der Klasse kontrollieren, deren Arbeit die Grundlage für die gesamte Gesellschaft stabilisiert. Die andere Seite der Medaille ist jedoch, dass diese Arbeiter:innen einen gewissen Nutzen von ihrer Mitgliedschaft erwarten.

In der gesamten internationalen Geschichte der Arbeiter:innenbewegung hat sich immer wieder gezeigt, dass die Beseitigung solcher Führer:innen am besten durch die Mobilisierung dieser Erwartungen gegen sie erfolgt. Statt zielloser Denunziationen sollten die Arbeiter:innen klare Forderungen an diese Führer:innen stellen, zum Beispiel, wie derzeit, Lohnforderungen, die einen Schutz vor Inflation beinhalten.

Jedes Gewerkschaftsmitglied kann erkennen, wie wichtig das ist. Die entscheidende Rolle des Sozialist:innen besteht darin, die Arbeiter:innen zu warnen, sich nicht auf ihre Führer:innen zu verlassen, sondern sich zu organisieren, um ihre Forderungen selbst durchzusetzen, wenn die Führer:innen nicht liefern, was sie im Allgemeinen nicht tun. Hier zeigt sich der Wert einer demokratischen Betriebsorganisation, die alle über Fortschritte oder deren Ausbleiben informiert, Taktiken erörtert, Aktionen wie Demonstrationen organisiert und eine direkte Vertretung bei Verhandlungen fordert.

Auf diese Weise kann eine andere, zuverlässigere und demokratischere Führung aufgebaut werden – stark genug, um nicht nur die falschen Anführer:innen zu ersetzen, sondern es mit den Bossen selbst aufzunehmen.

Programm

Wo immer möglich, sollten betriebliche Organisationen ihre Aktivitäten koordinieren, mit der Perspektive, andere Massenorganisationen einzubeziehen, um lokale oder städtische Delegiert:innenräte zu bilden. Solche Organisationen sind unerlässlich, aber sie sind kein Selbstzweck. Eine ihrer Hauptaufgaben besteht darin, eine Strategie, ein Programm für die gesamte Arbeiter:innenklasse und die Unterdrückten zu diskutieren und beschließen, um die Offensive der Regierung zu bekämpfen und besiegen.

Ein Vorschlag für ein solches Programm wurde bereits von der Vereinigten Sozialistischen Partei (VSP) unterbreitet. Zu Recht fordert sie gegen die Entscheidung Rajapaksas, das Diktat des Internationalen Währungsfonds zu akzeptieren, zum Beispiel den Erlass der Schulden bei den imperialistischen Banken, die Kontrolle des Kapitalverkehrs, Investitionen in wichtige Industrien, die Verstaatlichung von Banken und Schlüsselindustrien unter Arbeiter:innenkontrolle, Preisüberwachung und einen Mindestlohn.

Was jedoch fehlt, ist eine klare politische Strategie für die Umsetzung dieser wesentlichen Maßnahmen – denn Rajapaksa wird sie sicher nicht durchführen. Zwar ruft die VSP zum Sturz der gegenwärtigen Regierung auf, zu Streiks, sogar Generalstreiks durch die Gewerkschaften und sie fordert auch eine „nationale Volksversammlung, um alle am Kampf Beteiligten zusammenzubringen“. Gut, aber wenn ein Generalstreik Rajapaksa zu Fall bringen würde, was dann?

Das VSP-Programm wird als Vorschlag und nicht als Ultimatum präsentiert, und in diesem Sinne schlagen die Unterstützer:innen der Liga für die Fünfte Internationale vor, die Arbeiter:innenkontrolle in alle ihre Forderungen zu integrieren, sowohl um ihre Umsetzung zu gewährleisten als auch um die Fähigkeit der Arbeiter:innen zur Kontrolle der Wirtschaft zu entwickeln. In Anbetracht des Ausnahmezustands möchten wir auch die Notwendigkeit betonen, dass die proletarischen Organisationen die Sicherheit ihrer eigenen Demonstrationen und Versammlungen durch die Bildung und Ausbildung von Selbstverteidigungsstrukturen gewährleisten.

Darüber hinaus sollten wir den Aufbau demokratischer Arbeiter:innenorganisationen, letztendlich von Arbeiter:innenräten, in allen Bezirken betonen, und dass es diese Gremien sind, die ihre eigene „Nationalversammlung“ einberufen sollten, um den Kampf auf nationaler Ebene zu führen. Dieser Kampf wird nicht nur auf den Sturz des Rajapaksa-Clans abzielen, sondern auch darauf, dass der landesweite Arbeiter:innenrat selbst zur Grundlage der Regierung wird und mittels der Organisationen regiert, die in dem aktuellen Kampf aufgebaut wurden, der nicht so schnell vorbei sein wird.

Die Unterstützung für eine solche Strategie zu gewinnen, wird nicht spontan oder automatisch erfolgen, sondern erfordert einen entschlossenen Kampf gegen alternative, vermeintlich sicherere oder schnellere Strategien. Diejenigen, die die Notwendigkeit einer revolutionären Strategie erkennen, müssen sich organisieren, unabhängig davon, welcher Gewerkschaft oder Gruppierung sie heute angehören, um dafür in allen Organisationen der Arbeiter:innenklasse sowie unter den unterdrückten Schichten der Gesellschaft, den Frauen, der Jugend und den nationalen Minderheiten zu kämpfen. Auf diese Weise kann die herannahende Krise zum Dynamo für die Entstehung einer neuen, revolutionären Arbeiter:innenpartei in Sri Lanka werden.




Sri Lanka: Rajapaksas Griff nach der Verfassungsmacht

Peter Main, Infomail 1119, 26. September 2020

Am 22. September nutzte Präsident Gotabaya Rajapaksa seinen Sieg bei den Parlamentswahlen im August voll aus, um umfassende Verfassungsreformen einzuführen, die das Parlament praktisch machtlos werden lassen.

Sein Vorschlag für die zwanzigste Verfassungsänderung würde die neunzehnte aufheben, die die Befugnisse des/r PräsidentIn erheblich einschränkte. Diese Einschränkungen wurden 2015 als Reaktion auf die zunehmend autokratische Herrschaft von Mahinda Rajapaksa, dem Bruder des derzeitigen Präsidenten angenommen, der bei einer Wahl Anfang 2015 geschlagen worden war.

Rolle des Präsidialamts

Diese Niederlage war durch ein Bündnis zwischen Maithripala Sirisena, einem früheren Verbündeten von Rajapaksa und einem führenden Mitglied seiner Sri Lanka Freedom Party, SLFP, und Ranil Wickremesinghe, dem Führer der United National Party, UNP, der traditionellen Partei der herrschenden Klasse des Landes, herbeigeführt worden. Trotz der Wahlversprechen, das Amt des Exekutivpräsidenten abzuschaffen, spiegelte der 19. Verfassungszusatz lediglich das gegenseitige Misstrauen dieser beiden wider, indem er die Macht zwischen ihnen aufteilte.

Die Befugnisse des Exekutivpräsidenten sind umstritten, seit das Amt 1978 als Kernstück einer neuen Verfassung geschaffen wurde, deren letztendlicher Zweck darin bestand, das Parlament zu umgehen, um die Verabschiedung neoliberaler Reformen zur Demontage von Staats- und Sozialeinrichtungen zu gewährleisten.

Der 20. Zusatzartikel von Gotabaya Rajapaksa verfolgt einen sehr ähnlichen Zweck. Normalerweise würde ein solcher Änderungsantrag eine Mehrheit in einem Referendum erfordern, aber diese Bestimmung der bestehenden Verfassung kann außer Kraft gesetzt werden, wenn es eine parlamentarische Zweidrittelmehrheit gibt, die heute effektiv garantiert ist.

Die wichtigsten Auswirkungen der Änderung bestehen darin, dass der Präsident die Befugnis erhält, alle MinisterInnen der Regierung, einschließlich des/r PremierministerIn, zu ernennen und abzusetzen, das Parlament bereits nach einem Jahr statt wie bisher nach viereinhalb Jahren aufzulösen, die Vorsitzenden wichtiger Kommissionen wie des Wahlausschusses, der Polizei- und der Finanzkommission zu ernennen, RichterInnen, den/die Generalstaatsanwalt/-wältin und andere Rechtsbeistände zu berufen und Gesetzesvorschläge innerhalb von 24 Stunden durch das Parlament zu bringen, wenn sie als „dringend“ erachtet werden.

Darüber hinaus wird dem Präsidenten Immunität vor jeglicher Strafverfolgung gewährt. Warum der Präsident dies für notwendig erachten sollte, darüber kann man spekulieren, aber viele haben angedeutet, dass seine Zeit als Verteidigungsminister in der letzten und barbarischsten Phase des Bürgerkriegs gegen die TamilInnen nicht näher untersucht werden dürfe. Darüber hinaus würde die vorgeschlagene Änderung auch die Ernennung von Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft in Regierungsämter ermöglichen. Dies wird als eine Reform im Interesse der Gleichberechtigung dargestellt, soll aber eher den Weg für die Einsetzung eines weiteren Bruders, Basil Rajapaksa, als Finanzminister ebnen.

Drohende Angriffe

Nur ein Präsident, der äußerst unpopuläre Maßnahmen durchsetzen will, bräuchte solche Befugnisse, und genau damit sind die ArbeiterInnenklasse und die Unterdrückten Sri Lankas jetzt konfrontiert. Die Kombination aus dem Abschwung des Welthandels und der Tourismusindustrie, die durch die Verschuldung des Landes noch verschlimmert wird, garantiert einen Angriff auf Arbeitsplätze, Löhne, Arbeitsbedingungen, Rechte und soziale Dienste.

Die Kehrseite der Medaille von Rajapaksas Wahlerfolg war natürlich die völlige Niederlage der anderen Parteien – die UNP selbst wurde auf nur einen Sitz reduziert – aber viel wichtiger war, dass die Wahl das völlige Fehlen einer Partei zeigte, die in der ArbeiterInnenklasse und den Unterdrückten verankert ist und für sie kämpft. Die Ergebnisse der verschiedenen sozialistischen Gruppen, die sich an der Wahl beteiligten, einige hundert Stimmen hier und da, unterstreichen dies nur.

Die Aufgabe, vor der sie jetzt stehen, ist eine doppelte: alle Kämpfe der ArbeiterInnenklasse gegen die unvermeidlichen Attacken von Rajapaksa zu unterstützen und so weit wie möglich eine vereinten Widerstand aller bestehenden ArbeiterInnenorganisationen zu fordern und zu organisieren und parallel dazu ein Aktionsprogramm zu entwickeln, das die ArbeiterInnenklasse von diesen Auseinandersetzungen zum Kampf um die Macht führen und die Grundlage für eine Partei der ArbeiterInnenklasse bilden kann.

Alle SozialistInnen in Sri Lanka, ob Mitglieder von Organisationen oder nicht, sollten die Notwendigkeit einer gründlichen Untersuchung der Ursprünge der gegenwärtigen Situation anerkennen. Die Liga für die Fünfte Internationale hat ein bestehendes Aktionsprogramm für Sri Lanka, das im Lichte der jüngsten Entwicklungen aktualisiert werden muss, und wir laden alle Genossen und Genossinnen ein, mit uns über die wichtigsten Lehren zu diskutieren und darüber, wie die ArbeiterInnenklasse jetzt voranschreiten sollte.




Sri Lanka – Erklärung zu den Bombenanschlägen

Liga für die Fünfte Internationale, 26. April 2019, Neue Internationale 237, Mai 2019

SozialistInnen auf der ganzen Welt sollten
die jüngsten Bombenanschläge in Sri Lanka, bei denen nach letzten Zählungen
mehr als 300 völlig unschuldige Menschen getötet wurden, bedingungslos
verurteilen. Solche Terroranschläge kommen zwangsläufig reaktionären Kräften
zugute, sowohl international als auch innerhalb Sri Lankas selbst, unabhängig
davon, ob diese vom Staat unterstützt werden oder nicht. Die Regierung von
Ranil Wickremesinghe hat bereits den Ausnahmezustand ausgerufen, eine
Ausgangssperre verhängt und die sozialen Medien auf der ganzen Insel blockiert.

Es wird allgemein berichtet, dass die
Angriffe von Mitgliedern des National Thowheed Jama’ath (NTJ, Nationale
Monotheismusorganisation) durchgeführt wurden, einer kleinen, in Sri Lanka
ansässigen, islamistischen Gruppierung, die eher dafür bekannt ist,
buddhistische Tempel zu verwüsten. Die Annahme, dass für die Durchführung einer
solchen Operation internationale Unterstützung erforderlich gewesen wäre, wird
durch die Übernahme der Verantwortung durch ISIS verstärkt. Wer auch immer
tatsächlich verantwortlich war, die Motivation dieser Behauptung besteht eindeutig
darin, einen Gegenschlag gegen die muslimische Gemeinschaft der Insel zu
provozieren und die Islamfeindlichkeit überall zu stärken.

Die Mobilisierung zur Verhinderung einer
solchen Gegenreaktion, beispielsweise von Seiten buddhistischer ExtremistInnen
wie der faschistischen Bodu Bala Sena (BBS, Buddhistische Streitmacht), muss
für SozialistInnen und GewerkschafterInnen, ja alle aufrichtigen DemokratInnen,
oberste Priorität haben. Zweifellos werden viele von ihnen die Kräfte des
Staates um Schutz bitten, aber das sind unzuverlässige VerteidigerInnen. Es ist
klar, dass Elemente innerhalb des Sicherheitsapparats schon vorher von den
Osteranschlägen wussten, sehr wohl wussten, wie tödlich sie sein würden, und
dennoch nichts taten, um sie zu verhindern.

Zu behaupten, dass dies nur ein Versagen
der Kommunikation war, ist absurd. Dies kann nur eine bewusste Entscheidung,
nicht zu handeln, von denen gewesen sein, 
die es wussten. Diese Entscheidung hatte weder mit dem Islam noch mit
dem Christentum zu tun, diese Entscheidung war von einem politischen Kalkül
getrieben, um die bereits bestehenden Spaltungen innerhalb der
Regierungskoalition zu vertiefen. Sich auf solche Kräfte zu verlassen, um
muslimische Gemeinschaften zu verteidigen, wäre in der Tat eine Torheit.

Stattdessen müssen diese Gemeinschaften und
ihre Verbündeten ihre eigene Verteidigung durch demokratisch kontrollierte
lokale und Distriktausschüsse organisieren. Wenn solche Kräfte wie ISIS hoffen,
einige wenige Individuen anzuziehen, zu Recht empört über die vorhersehbare
islamfeindliche Gegenreaktion, sollten SozialistInnen versuchen, die gesamte
Gemeinschaft zu mobilisieren, AktivistInnen aus anderen Gemeinschaften
hinzuzuziehen und eine politische Alternative der ArbeiterInnenklasse zu allen
bürgerlichen Parteien zu fördern.

Die wahrscheinliche Beteiligung von ISIS
unterstreicht auch die Bedeutung des internationalen Kontextes. Die Rivalität
zwischen den verschiedenen Weltmächten, insbesondere den USA und China,
bedeutet, dass sie, auch wenn sie ihre Finger nicht direkt in den
Bombenanschlägen hatten, sicherlich nach Möglichkeiten suchen werden, die
Situation zu nutzen und ihre jeweiligen Marionetten auf der Bühne der
sri-lankischen Politik zu unterstützen. Letztendlich war das Blutbad in Colombo,
Negombo und Batticaloa eine reaktionäre Folge jahrzehntelanger Kriege im Nahen
Osten. Das hat einen globalen Konflikt geschaffen, der nur auf globaler Ebene
gelöst werden kann – ebenso wie eine ArbeiterInnenpartei in Sri Lanka, brauchen
wir eine Weltpartei der ArbeiterInnenklasse, eine Fünfte Internationale.




Sri Lanka: Geschichte zweier Streiks

Peter Main, Infomail 1046, 13. März 2019

Ein Großteil der Nachrichten aus Sri
Lanka konzentriert sich entweder auf die Folgen des Bürgerkriegs gegen die
TamilInnen oder auf die Rivalität zwischen den imperialistischen Mächten, die
von den politischen Parteien des Mainstreams zum Ausdruck gebracht werden. Zwei
langwierige gewerkschaftliche Dispute offenbaren jedoch die verzweifelte
Situation, in der sich ArbeiterInnen aller Nationalitäten auf der Insel
befinden.

Seit zwei Jahren fordern die Beschäftigen
auf den Tee-, Kautschuk- und Kokosnussplantagen des Landes einen täglichen
Grundlohn von 1000 Rupien (derzeit etwa 5 Euro) – eine Forderung, die Ranil
Wickremasinghe, der amtierende Premierminister, während des Wahlkampfes
unterstützte. Der vorherige, im Jahr 2016 vereinbarte Tarifvertrag lief im
November aus. Seitdem wurden die ArbeiterInnen nicht bezahlt. Ihre Kampagne,
die Streiks auf der Distriktebene im vergangenen November und Dezember
einschloss und auch eine Demonstration am 23. Januar von Tausenden
ArbeiterInnen und ihren AnhängerInnen in der Hauptstadt Colombo umfasste,
enthielt die Forderung nach der Rückzahlung der Löhne zum neu vereinbarten
Stundenlohn.

Am 27. Januar wurde
den drei für Verhandlungen anerkannten Gewerkschaften ein Angebot des
Arbeitgeberverbands unterbreitet, das auf den ersten Blick als ein großes
Zugeständnis erschien, wenn es auch nicht alle Forderungen berücksichtigte. Sie
schlugen vor, den Tagessatz von 500 auf 700 Rupien anzuheben: Faktisch stellte
sich die Erhöhung jedoch als eine völlige Täuschung dar. Seit 2016 besteht der
Tageslohn der Lohnabhängigen aus vier Elementen: dem Grundlohn von 500 Rupien
und drei Zulagen, die zusammengenommen ein tatsächliches Entgelt von 730 Rupien
ausmachen. In dem vorgeschlagenen neuen Vertrag wurden zwei dieser Vergütungen
gestrichen, die dritte wurde von 30 auf 50 Rupien erhöht. Der tatsächliche
Anstieg des Gehalts betrug also 20 Rupien oder etwa 10 Cent!

In der Frage der Nachzahlung haben sich
die „Arbeitgeber“ bereiterklärt, ein Drittel zu zahlen, und die Regierung, die
auch eine Verhandlungspartei ist, wird zwei Drittel übernehmen. Mit anderen
Worten: Die Chefs wollen das Geld der Steuerzahler verwenden, um die Löhne der
ArbeiterInnen zu zahlen!

Rolle der Bürokratie

Wenn das Angebot schon beleidigend niedrig
war, stellte die Antwort der VerhandlungsführerInnen der Gewerkschaften eine
Schande dar. Zwei von ihnen, der Ceylon Workers’ Congress, angeführt von
Arumugan Thondoman, und der Lanka Jathica Estate Workers‘ Union unter der
Leitung von Wadiwel Suresh akzeptierten den Vorschlag! Die dritte Gewerkschaft,
das von Mano Ganeshan geführte Joint Trade Union Center, lehnte das Angebot
jedoch ab. In acht Distrikten wehten daher noch einige Tage lang schwarze
Flaggen, um zu zeigen, dass die Streiks auch nach der „Einigung“
fortgesetzt würden. Trotz der Vereinbarung hat die Regierung den Deal jedoch
noch nicht offiziell gebilligt, obwohl er sogar auf dem Wohnsitz des
Premierministers verhandelt wurde.

Wie aber konnte ein solch lächerliches
Angebot von den Gewerkschaften akzeptiert werden? Die Antwort liegt nicht so
sehr in der Unnachgiebigkeit und Gier der „ArbeitgeberInnen“, die immer noch
hauptsächlich britischen Unternehmen zuzuodnen sind, als bei den politischen
Prioritäten der Gewerkschaftsführer. Suresh ist nicht nur ein Mitglied der
United National Party (UNP) des Premierministers Wickremasinghe, sondern auch
ein Minister seiner Regierung. Thondoman war zuvor Kabinettsmitglied und blieb
Abgeordneter, während Ganeshan ebenfalls Minister ist, aber die Demokratische Volksfront
innerhalb der Tamil Progressive Alliance vertritt. Er ist  Koalitionspartner der regierenden UNP.
Da dieses Jahr Wahlen stattfinden werden, ringt jeder von ihnen um eine
Position.

Es muss jedoch betont werden, dass es in
der Auseinandersetzung um die Lohnforderungen auch Anzeichen für die
Entwicklung einer größeren Militanz der ArbeiterInnenbasis gab, die über die
Politik der Gewerkschaftsführungen hinausgehen könnte.

1000-Rupien-Bewegung

Ein Merkmal der Kampagne für 1000 Rupien
(1000-Bewegung), das auf zukünftige Fortschritte hinweisen könnte, war die
Unterstützung, die sie in den wichtigsten Städten, auch weit weg von den
Plantagenbezirken, erhielt. Junge AktivistInnen mit Familien, die sich noch auf
den Plantagen befinden, sowie Mitglieder linker Gruppen und Parteien
organisierten Demonstrationen und Versammlungen in Solidarität mit streikenden
ArbeiterInnen. Vor diesem Hintergrund wurde auch die „1.000-Bewegung“
gebildet, die die Unterstützung und Solidarität für die PlantagenarbeiterInnen
organisiert.

Die Bedeutung des Plantagenstreiks wurde auch
durch die Reaktion der Regierung auf eine von der „1000-Bewegung“ für den 24.
Februar geplante Demonstration in Bogawanthalawa, einem städtischen Zentrum der
Plantagenregion, unterstrichen. Am 23. Februar wurden AnhängerInnen der „1000-Bewegung“,
darunter auch andere GewerkschafterInnen und StudentInnen, von Schlägern
belästigt, die von Palani Digamburan, einem Mitglied der Regierung, organisiert
wurden, als sie für die Bewerbung der Demonstration Flugblätter verteilten. Am
24. Februar kündigte die Regierung eine gerichtliche Anordnung zum Verbot der
Kundgebung an. Mehrere AktivistInnen wurden festgenommen, zu einer
Polizeistation gebracht und erst wieder freigelassen, als AnhängerInnen der Bewegung
dagegen protestierten. Daraufhin hat Digamburan in Ranaw eine
Gegendemonstration für Wickremasinghe in Bogawanthalawa organisiert. Angesichts
dieser Regierungsoffensive verschoben die OrganisatorInnen der Protestdemo ihre
Kundgebung auf Sonntag, den 3. März.

Die Gründung der „1000-Bewegung“ und die
wachsende Unterstützung der Bevölkerung für die Ansprüche der PlantagenarbeiterInnen
sind zu begrüßen, aber auf lange Sicht ist klar, dass die Beschäftigten weder
in Bezug auf die Bezahlung noch auf die Arbeits- und Lebensbedingungen entscheidende
Fortschritte machen werden, solange sie von Gewerkschaften vertreten werden,
die von bürgerlichen Politikern geführt werden. Die „1000-Bewegung“ selbst fordert
die Bildung von ArbeiterInnenorganisationen in den Siedlungen, wo die
Beschäftigten und ihre Angehörigen wohnen. Dies ist eine unterstützenswerte
Initiative, vorausgesetzt, sie werden als demokratische Gremien etabliert, die
den ArbeiterInnen gegenüber rechenschaftspflichtig sind. Lokale Organisationen
können jedoch nur ein Teil der Antwort sein, und das langfristige Ziel sollte
die Gründung einer gemeinsamen Gewerkschaft aller PlantagenarbeiterInnen sein.
Zur Zeit gibt es mindestens sieben Gewerkschaften auf den Plantagen, von denen
die größten seit Jahrzehnten eng mit dem Staatsapparat verbunden sind und
praktisch als gelbe Gewerkschaften agieren.

Wie lässt sich also das Ziel am besten
erreichen, eine einheitliche Gewerkschaft auf klassenkämpferischer und
demokratischer Basis aufzubauen? Dazu bedarf es einer Kombination aus Bildung einer
klassenkämpferischen Basisopposition innerhalb der etablierten Gewerkschaften
und auch der Stärkung der noch nicht anerkannten kämpferischen Gewerkschaften oder
auch Neugründungen. Insgesamt könnte dies zur Bildung einer einheitlichen
Massengewerkschaft führen, die von den BürokratInnen und bürgerlichen
PolitikerInnen gesäubert ist. Dies wird die Schlüsselfrage für alle
PlantagenarbeiterInnen sein, ob diese bereits gewerkschaftlich organisiert sind
oder nicht.

Streik in der Freihandelszone

In einem völlig anderen Zusammenhang
streikten 500 Beschäfigte bei ATG, einem Unternehmen für industrielle
Handschuhe, das sich in der Freihandelszone in der Nähe des Flughafens von
Colombo befindet. Der Streik, der am 11. Januar begann, wurde zunächst gegen
die Entlassung von fünf ArbeiterInnen ausgerufen, die führende AktivistInnen
der Gewerkschaft in der Freihandelszone sind. Die Firma
war erst vor zwei Jahren nach einem vorangegangenen Konflikt gewerkschaftlich
organisiert worden, und es ist klar, dass das Management nun beabsichtigt, die
Gewerkschaft wieder zu zerschlagen. In seiner Antwort an die UnterstützerInnen
des Streiks in Großbritannien schrieb John Taylor, Vorsitzender des Board of
Directors von ATG, dass das Unternehmen „den Dialog mit den ArbeiterInnen
und ArbeitnehmervertreterInnen durch den Betriebsrat und die täglichen Kontakte
zu den USA weiter verstärken werde“. Dies zeigt, dass er nur mit der
Gewerkschaft verhandeln wird, wenn er dazu gezwungen wird!

Am 16. Januar wurden Gewerkschaft und
Management zu einem Treffen des stellvertretenden Kommissars für Arbeit
(Assistant Commissionar of Labour =ACL) für den Distrikt eingeladen. Die
Gespräche wurden jedoch abgebrochen, weil ATG einen Vorschlag des Kommissars
für Arbeit, die entlassenen ArbeiterInnen betreffend, nicht akzeptierte. Bei
weiteren Treffen am 21. und 24. Januar kam es ebenfalls zu keiner Einigung,
doch zwischenzeitlich erstritt sich das Unternehmen eine gerichtliche
Anordnung, durch die Gewerkschaftsfunktionäre vom Treffen mit Streikenden
abgehalten werden sollten.

Die Streikenden und ihre UnterstützerInnen
aus anderen Gewerkschaften und der Öffentlichkeit planten daraufhin am 27.
Februar eine große Demonstration in der Freihandelszone.

Wie bei den meisten ArbeiterInnen in der
Freihandelszone kommen die Streikenden, von denen 150 junge Frauen sind, aus
weit entfernten Dörfern und sind in Hostels und Pensionen untergebracht, für
die sie Miete zahlen müssen. Es werden daher dringend Streikgelder benötigt,
und die FTZ & GSEU, die der internationalen Organisation der
Industriegewerkschaften IndustriALL angehört, zu der unter anderem die RMT in
Großbritannien und die IG Metall in Deutschland gehören, hat
Gewerkschaftsmitglieder international um Unterstützung gebeten. Unterstützt die
Streikenden!

Solidaritätsadressen und Spenden an: ftzunionlanka@gmail.com




Sri Lanka und die Lage der Frauen

Jonathan Frühling, REVOLUTION, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 7, März 2019

Sri Lanka ist eine Insel mit rund 20 Millionen
Einwohner_Innen vor der Südostküste Indiens mit einem nominalen
Bruttoinlandsprodukt von gut 80 Mrd. US-Dollar. Nur 1,9 % der Bevölkerung
lebt in extremer Armut. Sri Lanka gehört angesichts dieser wirtschaftlichen
Kennziffern nicht zu den ärmsten Ländern der Welt, gerade wenn man die Lage der
Bevölkerung mit Ländern wie Indien, Pakistan oder Bangladesch vergleicht.
Problematisch ist allerdings die Jugendarbeitslosigkeit von ca. 20 %. Mit
18,4 % Stadtbevölkerung ist das Land nach wie vor sehr agrarisch geprägt.

Sri Lanka ist ein multiethnischer Staat, in dem alle
großen Weltreligionen aufeinandertreffen. Der Buddhismus kann mit über
70 % am meisten Gläubige zählen, gefolgt vom Hinduismus (12,6 %), dem
Islam (9,7 %) und dem Christentum (7,4 %). Die Lebenserwartung ist in
den letzten 68 Jahren von 55 auf 75 Lebensjahre gestiegen.

Regierungskrise in Sri Lanka 2018/19

Zuletzt war das Land in den Schlagzeilen, weil es eine
wochenlange Regierungskrise gab. Der Präsident Sirisena hatte den von USA und
Indien unterstützten Premierminister Wickremesinghe von der UNP (United
National Party; Vereinte Nationalpartei) entlassen und stattdessen den
china-freundlichen und rechten Politiker Rajapaksa von der SLPP (Sri Lanka
Podujana Peramuna; Sri-Lankische Volksfront) eingesetzt und das Parlament
suspendiert. Diese Regierungskrise machte deshalb die Rivalität, die zwischen
China und USA in Bezug auf die Einflussnahme in Sri Lanka herrscht, deutlich.
China weitet seinen Einfluss auf Sri Lanka aus. Seit 2007 macht es Rahmen
seiner „Neuen Seidenstraße“ zu einem wichtigen Handelsstützpunkt. Z. B.
hat es einen großen Hafen auf Sri Lanka finanziert. Später wurde ihm dieser auf
99 Jahre verpachtet, weil Sri Lanka den gewaltigen Kredit nicht abbezahlen
konnte.

Die Regierungskrise wurde vorerst gelöst, indem der
Präsident den alten Premierminister auf Druck des Parlaments hin wieder
eingesetzt hat. Trotz dieser Lösung der Krise wurde verständlicherweise dem
Glauben an die Berechtigung des politischen Systems in der Bevölkerung
nachhaltig geschadet, z. B. wurde das Amt des Präsidenten diskreditiert.
Außerdem wurde die Wirtschaft durch die Krise erschüttert, da die Währung an
Wert verlor, die Zinssätze angehoben wurden und der Tourismus zurückging.

Trotz der undemokratischen Absetzung Wickremesinghes, die
wir angreifen müssen, darf er von uns nicht politisch unterstützt werden. Er
ist ein bürgerlicher Politiker unter dem sich seit seiner Einsetzung als
Regierungschef 2015 die wirtschaftliche Lage beispielsweise durch
Privatisierungen immer weiter verschlechtert hat. Rajapaksa dagegen stellt eine
starke reaktionäre Kraft dar, die sich auch auf bewaffnete faschistische Banden
stützt. Übernimmt er die Macht, sind vermehrte Angriffe auf die
Arbeiter_Innenklasse, die zum Teil gegen Wickremesinghes Sparmaßnahmen kämpft,
sehr wahrscheinlich. Auch die ethnischen und religiösen Minderheiten haben von
seiner nationalistischen Politik nichts zu erwarten. Beide repräsentieren
Spielarten bürgerlicher Politik, die ein halbkoloniales Land wie Sri Lanka
nicht voranbringen kann.

Wirtschaftliche Lage von Frauen

Insgesamt ist der Anteil an Frauen, die keiner bezahlten
Beschäftigung nachgehen, mit 69 % recht hoch. Dabei sind 25 % der
erwerbstätigen Frauen im formellen, 57 % im informellen Sektor tätig, was
zeigt, wie unsicher ihre wirtschaftliche Situation ist. Außerdem verdienen sie
meistens sehr viel schlechter und müssen zudem oft deutlich länger arbeiten als
ihre männlichen Kollegen, weil ihre Arbeit weniger entlohnt wird. An den
Universitäten machen sie etwa die Hälfte der Studierenden aus. Allerdings gehen
sie selten in die Politik und müssen ihre Jobs aufgeben, sobald sie Kinder
bekommen. Auch müssen sie Missbrauch und Belästigungen ertragen, wenn sie in
ihrem Beruf weiter kommen wollen, sehr ähnlich, wie es die #MeToo-Kampagne in
der westlichen Welt offenbarte.

Frauen stellen in der Tee-, der Textilproduktion und
unter den im Ausland arbeitenden Sri Lanker_Innen die meisten Beschäftigten.
Obwohl dies die wichtigsten Wirtschaftszweige sind, sind Bezahlung und
Arbeitsbedingungen in allen dreien sehr schlecht. Außerdem sind sie oftmals als
Haushälterinnen auf der arabischen Halbinsel besonderer Unterdrückung ausgesetzt.
Auf den Teeplantagen gab es sogar 2018 einen Generalstreik für eine 100%ige
Lohnerhöhung. Allerdings fokussieren sich die Gewerkschaften leider nicht auf
die Branchen mit hohem Frauenanteil.

Gewalt gegen Frauen

Häusliche Gewalt ist seit 2005 (!) verboten und trotzdem
kommt es häufig zu physischen Übergriffen von Männern gegen ihre Frauen. Diese
Verbrechen werden in der Gesellschaft toleriert bzw. akzeptiert. Die
Vergewaltigung in der Ehe ist nicht verboten und wird als „eheliches Recht des
Mannes“ verstanden. Der staatliche Schutz ist mangelhaft. Oft sind die Frauen
bei einer Anzeige weiteren Belästigungen durch die Polizei ausgesetzt. Mehr
noch: Im von 1983 bis 2009 andauernden Bürger_Innenkrieg im Norden des Landes
war das Militär oft selbst in Gewaltverbrechen gegen Frauen verwickelt und ist
es bis heute, da dort immer noch eine erhöhte militärische Präsenz zu
verzeichnen ist. Auch die Prostitution hat in und seit dem Bürger_Innenkrieg
dadurch und durch die katastrophale Situation der Bevölkerung zugenommen.
Traumatisierung und übermäßiger Alkoholkonsum infolge des Bürger_Innenkriegs
hat auch zu einer Zunahme der häuslichen Gewalt beigetragen. Zudem sind Frauen
in Haft von Vergewaltigung, Erniedrigung und Missbrauch bedroht. Es sind Fälle
belegt, in denen Aktivist_Innen entführt und gefoltert worden sind und erst
nach Lösegeldzahlungen wieder freikamen.

Welche Perspektive?

Das alles zeigt uns, dass Gewalt gegen Frauen in Sri
Lanka weit verbreitet ist und die Täter fast immer straflos davonkommen. Der
Staat ist bei der Aufklärung und Bekämpfung keine Hilfe, sondern durch Militär,
Polizei und Gerichte oft selbst in Misshandlung, Menschenhandel, Prostitution
und Vergewaltigung verwickelt und deckt sie. Nur wenn die fortschrittliche
Bevölkerung sich erhebt und durch Solidarität mit den Betroffenen Druck auf die
Regierung ausübt, kann man sie dazu zwingen zu handeln. Das beweist der Fall
einer 18-jährigen Schülerin, die vergewaltigt und ermordet wurde. Erst aufgrund
großer Proteste wurde ein Prozess gegen die Täter geführt. Eine revolutionäre
Politik in Sri Lanka müsste sich die Ausweitung und Durchsetzung der Rechte der
Frau auf die Fahne schreiben.

Die Bewegung müsste sich aber auch für die Erhaltung und
Ausweitung der beschränkten demokratischen Möglichkeiten einsetzen, wie die
letzte Regierungskrise gezeigt hat. Außerdem muss die Macht von Militär und
Polizei gebrochen und müssen die ethnischen und religiösen Konflikte überwunden
werden. Das kann nur einer sozialistische Arbeiter_Innen- und Bauern-/Bäuerinnenregierung
in Kombination mit einer revolutionären Partei tun. Sie muss den Bauern und
Bäuerinnen zu Land und den Arbeiter_Innen zur Kontrolle über die und letztlich
Aneignung der Produktionsmittel verhelfen. Diese Politik muss aber auch einen internationalistischen
und antiimperialistischen Charakter tragen und sich gegen die imperialistische
Einflussnahme z. B. Chinas und der USA richten.




Sri Lanka: Regierungskrise gelöst, aber nur vorerst

Peter Main, Infomail 1037, 9. Januar 2019

Die Verfassungskrise Sri Lankas, in der es scheinbar zu
einem Zeitpunkt zwei Regierungen und zu einem anderen überhaupt keine gab, ist
zumindest formell gelöst worden. Am 16. Dezember entschied der Oberste
Gerichtshof des Landes einstimmig, dass Präsident Maithripala Sirisena
verfassungswidrig gehandelt hatte, als er den damaligen Premierminister Ranil Wickremesinghe
entließ und ihn durch Mahinda Rajapaksa ersetzte, dann das Parlament auflöste und
vorgezogene Wahlen für Januar einberief. Nachdem er zuvor gesagt hatte, dass er
Wickremesinghe nie wieder zum Premierminister ernennen würde, auch wenn jedeR
Abgeordnete für ihn stimmte, hat Sirisena ihn nun wieder eingesetzt.

Während diese Entscheidung das politische Duell zwischen
Wickremesinghe und Rajapaksa hinsichtlich dessen, wer wirklich der
Premierminister ist, beendet, werden die politischen Nachwirkungen dieser
Ereignisse die Insel im kommenden Jahr weiter erschüttern. Ganz abgesehen von
den rechtlichen Verwicklungen, die sein Vorgehen gegen die Verfassung mit sich
bringen wird, ist Sirisena als politische Gestalt stark geschwächt worden. Alle
Hoffnungen, die er auf eine zweite Amtszeit hatte, sind nun definitiv zunichte
gemacht worden. Ebenso sind die Aussichten für die Sri-lankische
Freiheitspartei (Sri Lanka Freedom Party, SLFP), deren Vorsitzender er ist, bei
den kommenden Parlamentswahlen, die innerhalb dieses Jahres abgehalten werden
müssen, nicht gut. Schon jetzt hat sie Mitglieder an die Sri-lankische
Volkspartei (Sri Lanka People’s Party, SLPP) von Rajapaksa verloren.

Auch Rajapaksa selbst ist nicht gut aus der Krise gekommen.
Anfang des Jahres erschien er als ein aufsteigender Stern, da die SLPP bei den
Kommunalwahlen stattliche Gewinne einfuhr. Jetzt ist er jedoch eindeutig in der
Volksmeinung mit der hinterhältigen und verfassungswidrigen Verschwörung von
Sirisena assoziiert. Zudem wird seine eigene Position als Abgeordneter
wahrscheinlich angefochten werden, da er als Mitglied der Vereinigten
Volksfreiheitsallianz (United People’s Freedom Alliance, UPFA) gewählt wurde,
sich aber später der SLPP angeschlossen hat. Die Verfassung verlangt aber, dass
Abgeordnete zurücktreten, die ihre Partei gewechselt haben.

Da die Unpopularität von Ranil Wickremesinghe wahrscheinlich
einer der Hauptfaktoren war, um Sirisena davon zu überzeugen, ihn zu entlassen,
ist es ziemlich ironisch, dass ausgerechnet er von dem ganzen Debakel am
meisten profitierte. Mit seiner Weigerung, seine Amtsenthebung anzuerkennen,
der Organisation einer parlamentarischen Mehrheit zu seiner Verteidigung sowie
der Mobilisierung signifikanter Massendemonstrationen zu seiner Unterstützung
hat er viel getan, um sich vor dem Gericht der „öffentlichen Meinung“ zu
rehabilitieren.

Aussichten

Die formale Rückkehr zum „business as usual“ kann jedoch das
tiefe Unbehagen innerhalb des gesamten politischen Systems Sri Lankas nicht
verbergen. Es kann im Bewusstsein der Öffentlichkeit die Vorfälle nicht
ungeschehen machen, dass Rajapaks Abgeordnete Möbel auf den
Parlamentspräsidenten schleuderten und mit Chilipulver gefärbtes Wasser auf andere
Abgeordnete warfen, um ein Vertrauensvotum zu verhindern, welches Wickremesinghe
bestätigen sollte.

Am wichtigsten ist vielleicht, dass es die Politik, die Wickremesinghe
so unbeliebt gemacht hat, nicht verändern wird. Der Vorteil, aus einer Krise als
Sieger hervorzugehen, mag von kurzer Dauer sein und es mangelt nicht an RivalInnen,
die der/die nächste PräsidentschaftskandidatIn der Vereinten Nationalpartei
(United National Party, UNP) sein könnten. Der hierbei am häufigsten genannte
ist sein derzeitiger Stellvertreter, Sajith Premadasa. Angesichts der schweren
volkswirtschaftlichen Schäden durch die Krise, die zu einem Zusammenbruch des
Tourismus, einer Abwertung der Rupie und einer Anhebung der Zinssätze führte, als
alle Rating-Agenturen den Status des Landes herabstuften, ist die
wirtschaftliche Situation heute weitaus schlechter. Das Finanzministerium soll
berechnet haben, dass die Krise 102 Milliarden Rupien (ca. 566 Millionen Euro)
gekostet hat.

Die öffentliche Desillusionierung mit Politikern und
Parteien ist natürlich völlig gerechtfertigt, aber, wie wir in vielen anderen
Ländern gesehen haben, kann sie in sehr reaktionäre Bewegungen münden. Dies war
zweifellos die Strategie von Mahinda Rajapaksa in der Vergangenheit und ihm
wird wahrscheinlich immer noch die Stimme der chauvinistischen SinghalesInnen
garantiert sein. Zusätzlich zur Unterstützung eines Großteils der buddhistischen
Geistlichen und Gruppen wie den klerikalen FaschistInnen von Bodu Bala Sena
(Buddhistische Streitmacht, BBS). Um jedoch eine Präsidentschaftswahl zu
gewinnen, muss er möglicherweise eine breitere Unterstützung finden und sein
Schwerpunkt liegt jetzt auf „Maßnahmen zum Wohle aller Sri LankesInnen“. Wenn
nicht Mahinda, dann hat er zwei Brüder, Gotabhaya und Basil Rohana, die seinen
Platz einnehmen könnten.

Während die Rechten versuchen, die Übel des Landes auf eine
Kombination aus ihren politischen GegnerInnen und unterdrückten Minderheiten
zurückzuführen, muss die Linke die wahren Lehren aus der Krise ziehen. Die
Unzufriedenheit der Bevölkerung wurzelt letztlich im Sinne des Verrats an
demokratischen Prinzipien und das ist die Frage, auf die die Linke ihre
Mobilisierungen konzentrieren sollte. Sirisena ist vielleicht nicht mit seinem
fast diktatorischen Plan durchgekommen, die Regierung zu stürzen und das
Parlament zu schließen, aber das Volk hatte dabei nichts zu sagen ebenso wenig,
wie es ein Mitspracherecht bei der Wirtschaftspolitik Wickremesinghes hatte
oder bei einer ernsthaften Aufarbeitung der Versäumnisse wie der
Kriegsverbrechen gegen die tamilische Bevölkerung oder der Korruptionsskandale.
Aber auch bei einfachen Fragen wie der Festsetzung des Termins der kommenden
Parlamentswahlen hat es nichts zu melden.

Demokratie

Wenn die Leute sagen, dass das ganze System verfault ist,
haben sie Recht – und die Antwort darauf lautet, das ganze System zu verändern.
Für uns SozialistInnen muss der Wandel einer sein, welcher den bestehenden
Staatsapparat beseitigt und durch ein System demokratisch gewählter
ArbeiterInnen- und Bauern-/Bäuerinnenräte ersetzt, die eine Regierung
unterstützen, die alle wichtigen Wirtschaftssektoren sozialisiert und dann ihre
Nutzung plant, um die Erfüllung menschlicher Bedürfnisse und nicht privater
Gewinne zu maximieren.

Obwohl dies unser strategisches Ziel ist, können wir uns
nicht direkt darauf zubewegen. Es erfordert die Unterstützung durch die
Mehrheit der ArbeiterInnen, welche durch die Anwendung von Taktiken gewonnen
werden muss, die von der Mehrheit unterstützt werden und zu diesem Ziel führen
können. Die parlamentarische Demokratie wird immer durch die Realität begrenzt,
dass die wirtschaftliche Macht in der Gesellschaft in den Händen einer kleinen
Klasse von KapitalistInnen liegt.

Dennoch sind wir für die radikalsten Formen von Demokratie
innerhalb einer kapitalistischen Gesellschaft. Wir wollen gleiche Stimmen für
alle ab 16 Jahren. Wir wollen, dass alle Regierungszweige, sowohl die Justiz
als auch die Sicherheitskräfte, gewählten Behörden gegenüber
rechenschaftspflichtig sind. Wir wollen die Abschaffung des gesamten
Präsidialsystems, das nur dazu dient, die Macht der gewählten Abgeordneten zu
begrenzen. Wir wollen, dass alle gewählten VertreterInnen von ihren WählerInnen
abberufen werden können und einen Durchschnittslohn erhalten. Wir wollen, dass
die Rechte der Minderheiten, einschließlich dessen auf nationale
Selbstbestimmung, garantiert werden.

Die Liste könnte natürlich weitergehen, aber der springende
Punkt ist, dass die meisten dieser Rechte, obwohl demokratisch, nicht in die
bestehende Verfassung aufgenommen wurden. Wir brauchen eine neue Verfassung und
deshalb eine demokratisch gewählte verfassunggebende Versammlung. Das ist eine
Forderung, die weit über die Reihen der engagierten SozialistInnen und sogar der
ArbeiterInnenklasse hinausgehen kann. Das ist eine potenzielle Stärke. Obwohl
wir unsere eigenen, sozialistischen Ziele nicht verbergen, können wir Kampagnen
und Aktionen vorschlagen, die von anderen unterstützt werden können, die diese
Ziele nicht teilen.

Die bestehenden HerrscherInnen werden einer solchen Reform
nicht zustimmen – selbst sie würde an die Wurzeln ihrer Macht gehen. Sie muss
daher erkämpft werden und wir werden Kampagnen- und Aktionsformen der
ArbeiterInnenklasse vorschlagen, um sie dazu zu zwingen, unsere Forderungen zu
erfüllen. Im Zuge einer solchen Kampagne können wir nicht nur die Forderung
nach einer verfassunggebenden Versammlung popularisieren, sondern auch den
Aufbau von Organisationen der ArbeiterInnenklasse vorschlagen, in denen ihre
besonderen ArbeiterInnenforderungen wie Gewerkschaftsrechte, gleiches Entgelt,
Gesundheits- und Arbeitsschutzvorschriften, Krankenversicherung, die Offenlegung
der Geschäftskonten usw. ausgemacht und formuliert werden können.

Längerfristig würden solche Organisationen wie Aktionskomitees
am Arbeitsplatz, Gewerkschaftsbetriebs- und -ortsgruppen,
Arbeiterinnenorganisationen, MieterInnenbünde, Gruppen junger ArbeiterInnen
zweifellos ihre Rollen erweitern, um in schwierigen Zeiten die OrganisatorInnen
von Aktionen der ArbeiterInnenklasse in größerem Umfang zu werden. Sie würden
schließlich die Mobilisierung der gesamten ArbeiterInnenklasse ermöglichen, um
den bestehenden Staat zu stürzen und eine ArbeiterInnenregierung einzusetzen.
Es ist heute die Aufgabe von RevolutionärInnen, solche Taktiken zu entwickeln
und zu verbreiten, die die heutigen Themen wie die jüngste Verfassungskrise mit
der Strategie des revolutionären Sturzes des Kapitalismus und des Aufbaus des
Sozialismus verbinden können.




Sri Lanka: Präsident löst das Parlament auf

Peter Main, Infomail 1029, 14. November

Am späten Freitagnachmittag, dem 9. November, gab Sri Lankas Präsident Maithripala Sirisena von der Sri Lanka Freedom Party (SLFP; Freiheitspartei Sri Lanka) bekannt, dass er das Parlament des Landes auflösen und im Januar Neuwahlen durchführen lassen würde. Obwohl er es nicht für notwendig hielt, sein Handeln zu erklären, ist der Grund dafür nicht schwer zu finden. Zwei Wochen zuvor hatte Sirisena, der bei den Wahlen 2015 gegen Mahinda Rajapaksa, den damaligen Führer der SLFP, an die Macht kam und mit Ranil Wickremesinghe von der UNP (Vereinigte Nationalpartei) eine Regierung bildete, Wickremesinghe kurzerhand entlassen und Rajapaksa zum Premierminister ernannt.

Innerhalb weniger Stunden hatten die Anhänger von Rajapaksa die Fernsehsender gestürmt und die Kontrolle über diese übernommen. Regionalregierungen, welche von seiner Partei, der Sri Lanka People’s Front (SLPP; Volksfront Sri Lanka), dominiert werden, sagten der neuen Regierung Unterstützung zu. Doch solche Taktiken funktionierten nicht überall. Als die SLPP-AnhängerInnen versuchten, am Sonntag dem 28. Oktober, den Erdölminister am Eintritt in sein Büro zu hindern, eröffneten seine Wachen das Feuer und verwundeten drei, von denen zwei später starben.

Wickremesinghe stellte selbstverständlich die Rechtmäßigkeit der Handlungen des Präsidenten in Frage und wies darauf hin, dass ein Premierminister im Amt bleibt, solange er die Unterstützung einer Mehrheit des Parlaments genieße. Sirisena war sich nicht sicher, ob Rajapaksa im Gegenzug beweisen konnte, dass er eine solche Mehrheit besitzt, und so suspendierte er – gleichzeitig mit der Entlassung des Premierministers – auch das Parlament bis zum 16. November. Zweifellos kalkulierte er damit, dass Rajapaksa und seine AnhängerInnen, zu denen auch die klerikalen FaschistInnen von Bodu Bala Sena (BBS; Buddhistische Streitmacht) gehören, mit ihrer Kontrolle über die Medien, gepaart mit Einschüchterungen und Bestechungen, den Weg zur Unterstützung des Parlaments bis dahin finden könnten.

Der verfassungsmäßig von der Regierung unabhängige Parlamentspräsident seinerseits forderte Sirisena auf, das Parlament wieder einzuberufen, damit es entscheiden kann, wer Premierminister werden soll. In einem Schreiben an die diplomatischen VertreterInnen bezeichnete er auch die Handlungen von Sirisena als verfassungswidrig. Sirisena schien dann nachzugeben, indem er eine kürzere Aussetzung des Parlaments bis zum 5. November vorschlug, diese aber später wieder zurückzog und erneut den 14. November vorschlug.

Unterdessen besetzte Wickremesinghe, der darauf bestand, dass er der rechtmäßige Premierminister blieb, die offizielle Residenz und mobilisierte seine AnhängerInnen, um in der Hauptstadt Colombo zu demonstrieren und alle Versuche, ihn zu entfernen, zu blockieren.

Rajapaksa seinerseits begann, ein Kabinett zu bilden, das eindeutig darauf abzielte, DeserteurInnen aus der UNP durch das Angebot von Ministerposten und Gehältern anzuziehen. Dies gelang mit 5 UNP-Abgeordneten, die Geschäftsbereiche akzeptierten, aber andere lehnten das Angebot ab und veröffentlichten die Bestechungsgelder, die ihnen angeboten wurden.

Rivalität

Parlamentarische Arithmetik und die Fähigkeit, AnhängerInnen zu mobilisieren, sind nicht die einzigen Faktoren in diesem Konflikt zwischen den wichtigsten bürgerlichen Parteien. Sri Lanka steht im Zentrum der Rivalität zwischen China und den USA, wobei letztere von Indien unterstützt wird, das die Insel als Teil seines „Interessenbereichs“ betrachtet. Tatsächlich wurde Rajapaksa erst 2015 durch die Intervention der „westlichen“ Mächte besiegt, die dafür sorgten, dass sich ihm nur ein Kandidat entgegenstellte – Maithripala Sirisena, sein ehemaliger Verbündeter! Es gibt keine Ehre unter Dieben!

Es ist daher von großer Bedeutung, dass der chinesische Botschafter Cheng Xueyuan zu den ersten gehörte, die dem neuen Premierminister zu seinem Amtsantritt gratulierten, während die BotschafterInnen aus den USA, Großbritannien und Indien zunächst eine Einladung von Sirisena ablehnten und stattdessen an einem von Wickremesinghe nach seiner Entlassung einberufenen Treffen teilnahmen.

Angesichts der Unbeliebtheit der Regierung Wickremesinghe, die die versprochenen großen Reformen nicht umgesetzt, Anschuldigungen gegen Mitglieder der früheren Regierung von Mahinda Rajapaksa nicht nachgegangen ist und eine sich ständig verschlechternde Wirtschaftslage zu verantworten hat, gibt es keinen Grund, warum sich die breite Masse der Bevölkerung zu seiner Verteidigung zusammenschließen sollte.

Seit Anfang des Jahres hat die Rupie 11 Prozent ihres Wertes verloren, so dass Importe, insbesondere Öl, immer teurer werden. Gemäß den Forderungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) hat sich die Koalition der „Good Governance“ (guter Regierungsstil) auch auf Pläne zur Privatisierung sowohl im Bildungs-, als auch im Gesundheitssektor geeinigt, die jedoch auf starken Widerstand stießen. In den letzten Monaten gab es auch große Streiks bei der Eisenbahn und zwei Tage vor der Entlassung des Premierministers einen Generalstreik, in der Landessprache Hartal genannt, auf den Plantagen. Die schreckliche Situation der ArbeiterInnen dort wird in ihrer Forderung nach einer 100-prozentigen Erhöhung der Löhne zusammengefasst – was ihnen immer noch weniger als 6 Euro pro Tag einbringen würde!

Die Auflösung des Parlaments durch Sirisena wird zweifellos vor Gericht angefochten werden. Aber unabhängig vom Ausgang darf Opposition zur undemokratischen Einsetzung einer Rajapaksa-Regierung nicht mit Verteidigung von Wickremesinghe verwechselt werden. Wie die aktuelle Situation zeigt, war die von der UNP geführte Regierung schwach und intern gespalten, abhängig von der Unterstützung durch Tamil National Alliance (Tamilischer Nationalbund) sowie der LSSP (Partei für soziale Gleichheit Sri Lankas) und der CP (Kommunistische Partei).

Rajapaksa stellt eine stärker konsolidierte rechte Kraft dar, zu der nun nicht nur DeserteurInnen aus der UNP, sondern auch außerparlamentarische Kräfte wie die klerikalen FaschistInnen gehören, die bereit sind, gegen den Widerstand der ArbeiterInnenklasse gegen das unvermeidliche Sparprogramm eingesetzt zu werden. Die ArbeiterInnenorganisationen sollten nicht danebenstehen und zusehen, wie eine solche Truppe die Regierungsgewalt übernimmt.

In dieser Situation haben die ArbeiterInnen und Bauern/Bäuerinnen Sri Lankas, ob im privaten oder öffentlichen Sektor, ob in den Städten, auf dem Land oder in den Plantagen, ob Singhalesinnen, Tamilinnen oder Musliminnen, ein gemeinsames Interesse daran, den Putsch zu verhindern. Es geht nicht um die Verteidigung von Wickremesinghe, sondern um die der beschränkten demokratischen Rechte des Parlaments. Wer regiert, sollte nicht dem parteipolitischen Kampf der herrschenden Cliquen, geschweige denn den rivalisierenden ImperialistInnen überlassen werden.

Die Gewerkschaften und diejenigen Parteien, die sich bekennen, die Interessen der ArbeiterInnen und Bauern/Bäuerinnen zu vertreten, sollten ihre Mitglieder und AnhängerInnen auf die Straße mobilisieren und demokratische Ausschüsse auf lokaler Ebene bilden, um nicht nur Demonstrationen, sondern auch Streiks bis hin zu einem unbefristeten Generalstreik zu organisieren. Dieser muss jede neue Regierung dazu zwingen, im Interesse der großen Mehrheit der Bevölkerung mit dem Sparprogramm des IWF zu brechen.

Diese jüngste politische Krise ist letztlich ein weiterer Beweis dafür, dass keine Partei, die sich für die Aufrechterhaltung des Kapitalismus einsetzt, ein halbkoloniales Land wie Sri Lanka voranbringen kann. Solange Regierungen nicht nur die Anforderungen der internationalen Institutionen wie des IWF, sondern auch die Ausbeutung der Ressourcen des Landes durch internationale Unternehmen akzeptieren, unabhängig davon, ob sie ihren Sitz in den USA, der EU, China oder Japan haben, müssen sie Maßnahmen wie Privatisierung und Kürzungen bei den Sozialleistungen durchsetzen.

Was wir brauchen, ist eine ArbeiterInnenpartei, die sich der Aufgabe widmet, eine Regierung auf der Grundlage der eigenen Organisationen der ArbeiterInnen zu bilden und den Kapitalismus durch ein Programm der Verstaatlichung der wichtigsten Wirtschaftssektoren unter der Kontrolle der ArbeiterInnen selbst zu stürzen. Nur so kann die wirtschaftliche Entwicklung im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung geplant werden. Alle solchen Schritte würden zweifellos durch den bestehenden Staatsapparat und seine Repressionskräfte in Gestalt der Polizei und des Militärs angegriffen werden, weshalb von Anfang an eine ArbeiterInnenpartei als revolutionäre Partei aufgebaut werden muss.