Sudan: Krieg der Generäle erschüttert Illusion in friedlichen Übergang

Andy Young, Infomail 1221, 26. April 2023

Am 15. April griffen sich die regulären sudanesischen Streitkräfte (SAF) und die paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) gegenseitig mit Luftangriffen, schwerem Beschuss und Feuergefechten in den Straßen der Hauptstadt Khartum sowie in anderen Städten und Regionen an.

Beide Seiten haben keine Rücksicht auf die Zivilbevölkerung in den dicht besiedelten Gebieten genommen und sie in ihren Häusern eingeschlossen, so dass sie nicht in der Lage waren, sich Lebensmittel, Wasser oder medizinische Versorgung zu beschaffen. Innerhalb weniger Tage wurden Hunderte von Zivilist:innen getötet und die Straßen sind noch gefährlicher geworden, so dass eine Flucht vor den Kämpfen kaum mehr möglich ist. Anderswo, auch in Darfur, sollen Tausende Flüchtlinge die Grenzen des Landes überschreiten.

Die Kämpfe zeigen, wie zynisch die Behauptung des Militärs ist, einen „Übergang zur Demokratie“ zu vollziehen. In Wirklichkeit wurde die demokratische Revolution von 2019 mit dem Militärputsch vom 25. Oktober 2021 unter der Führung von General Abdel Fattah Burhan von der SAF und Mohamed Hamdan Daglo von der RSF, auch bekannt als Hemetti, zu Ende gebracht. Beide vertreten Fraktionen, die die großen Goldreserven des Sudan sowie Öl und andere Mineralien ausbeuten. Jetzt haben sich diese Diebe zerstritten und lassen ihr Volk den Preis dafür zahlen.

Diese Entwicklung hat einmal mehr gezeigt, wenn während einer Massenrevolution des Volkes die Kontrolle der Generäle über die Armee nicht gebrochen wird und die einfachen Soldat:innen nicht zu den Aufständischen überlaufen, eine Konterrevolution folgt wie die Nacht auf den Tag. Nur wenn die Generäle sich in ihren internen Konflikten erschöpfen, die Soldat:innen sich gegen das Töten auflehnen und die Massen wieder auf die Straße gehen können, besteht Hoffnung, den revolutionären Vormarsch wieder aufzunehmen.

Aber dieses Mal dürfen sie nicht aufhören, bis sie mit ihren eigenen Widerstandskomitees, denen sich die Delegierten der Soldat:innen anschließen, die Macht übernommen haben. Nur eine siegreiche Revolution der Arbeiter:innen und Bäuer:innen kann den Völkern des Sudan dauerhaften Frieden, demokratische Rechte und soziale Entwicklung bringen und die Völker in allen umliegenden Regionen zur Nachahmung anregen.

Bürger:innenkrieg

Die sudanesischen Streitkräfte (SAF) unter Burhan werden von seinem Verbündeten Ägypten ausgebildet und verfügen über schwerere Waffen, darunter Panzer und die Luftwaffe, die der RSF fehlen. Aber die 100.000 Personen starke RSF unter Hemetti ist kein Schwächling. Als Veteran:innen der Aufstandsbekämpfung und ethnischen Säuberung in Darfur und anderen Regionen haben bis zu vierzigtausend RSF-Soldat:innen im Jemen im Auftrag Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) gekämpft.

Die VAE sind Hemettis Gönner und der Hauptabsatzmarkt für das Gold aus den von ihm kontrollierten Minen, was seine Familie zu einer der reichsten im Sudan macht. Dieser Reichtum hat seinen Streitkräften beträchtliche Unabhängigkeit von der SAF und dem sudanesischen Staat verschafft. Die Elite in Khartum mag die RSF als provinzielles „Gesindel“ betrachten, aber sie sind eine kampferprobte, gut ausgebildete und mit gepanzerten Fahrzeugen ausgestattete Truppe. Auch Hemettis Verbindungen zur mächtigen russischen Söldnergruppe Wagner, die gemeinsam die Minen im Sudan und in der Zentralafrikanischen Republik ausbeuten, können mehr Ausrüstung und Fachwissen, einschließlich Hubschraubern, liefern.

Hemetti, Sohn eines lokalen Häuptlings und Kamelhändlers, begann seine Karriere als Mitglied der um Ressourcen und Beute kämpfenden Stammesmilizen der „Dschandschawid“, die während des 2003 in Darfur ausgebrochenen Krieges in Erscheinung traten. Diese für ihre Grausamkeiten berüchtigten Milizen wurden 2013 von dem brutalen Diktator Omar (Umar) al-Baschir in der RSF organisiert und in die Hauptstadt und andere Großstädte gebracht, wo sie inzwischen Stützpunkte eingerichtet haben. Allein in Khartum sind 20 000 RSF-Kräfte stationiert. Al-Baschirs Ziel war es, sich vor Putschen des Militärs und einer wachsenden Opposition auch in Teilen der herrschenden Klasse zu schützen.

Doch Burhan und Hemetti wandten sich gemeinsam gegen al-Baschir und stürzten ihn im April 2019 in einem Präventivputsch, um eine Massenrevolution zu verhindern. Seitdem waren die RSF-Kräfte in einige der schlimmsten Angriffe auf die demokratische Volksbewegung verwickelt, darunter das Massaker vom 3. Juni 2019 in Khartum bei dem Versuch, die Revolution niederzuschlagen und die Militärherrschaft aufrechtzuerhalten, wobei mehr als hundert Demonstrant:innen getötet wurden.

Hemetti mag ein kriminelles Subjekt und Kriegsverbrecher sein, aber er ist nicht dumm. Sein erster Schachzug, der den Konflikt auslöste, war der Angriff auf Luftwaffenstützpunkte, wobei er sich auf Merowe konzentrierte und dabei zahlreiche ägyptische Truppen und Ausbilder:innen in seine Gewalt brachte. Burhan verfügt jedoch weiterhin über ausreichende Luftstreitkräfte, um Stützpunkte und Stellungen der RSF in Khartum, Omdurman und mehreren anderen Städten zu beschießen und zu bombardieren, und er hat die Kontrolle über einige Fernseh- und Radiosender, die neben Stützpunkten und Flughäfen ein Hauptziel der RSF-Revolte sind, aber auch die RSF verfügt über Kanäle für ihre Propaganda. Beide haben Verhandlungen ausgeschlossen, es ist ein Kampf auf Leben und Tod.

Regionale Hinterleute

Es gibt Berichte, dass die ägyptische Luftwaffe Burhan unterstützt und RSF-Depots angegriffen hat, während andere behaupten, dass Hemetti Waffen vom libyschen Armeechef Chalifa Hafta erhalten hat. Hemetti hat bereits Unterstützung von bewaffneten Oppositionsgruppen in den vom Krieg zerrissenen Gebieten Südkordofan (Dschanub Kurdufan) und Blauer Nil sowie im Osten gesucht, wo Milizen, die sich auf das Volk der Beja (Bedscha) stützen, Port Sudan (Bur Sudan) besetzt haben.

Die sudanesische Küste des Roten Meeres ist ein strategisch wichtiges Gebiet für ausländische Mächte, wobei die Genehmigung für einen russischen Marinestützpunkt seit 2019 in der Schwebe ist. Das nahegelegene Dschibuti, das an der Bab-al-Mandab-Straße liegt, die den Golf von Aden vom Roten Meer trennt, kontrolliert die Zufahrten zum Suezkanal. Daher beherbergt das Land einen chinesischen Marinestützpunkt, einen französischen Luftwaffenstützpunkt, einen italienischen und einen japanischen Stützpunkt. Und nicht zuletzt ist Camp Lemonnier die Heimat der „Vereinigten Kombinierten Eingreiftruppe am Horn von Afrika“ des U.S. Afrika-Kommandos, der einzigen ständigen U.S. Militärbasis in Afrika.

Wenn Hemetti sich erfolgreich verschanzt, könnte die Hilfe der USA, Großbritanniens, Chinas und Russlands sowie ihrer regionalen Verbündeten es den beiden Seiten ermöglichen, ihren Kampf fortzusetzen.

Hemetti appelliert jedoch an die Beendigung des Konflikts, die Wiederaufnahme des Übergangs, die Durchführung von Wahlen und an die unterdrückten Minderheiten in den Regionen. Dies könnte jedoch ein Zeichen dafür sein, dass die RSF in den Seilen hängt. Einige Kommentator:innen berichten, die SAF kontrolliere alle fünf Hauptstädte der Provinzen in Darfur, ein Gebiet, das die RSF eigentlich beherrschen sollte. Ein auf Al Jazeera (Al Dschasira) zitierter Analyst erklärte, die RSF habe keine Stützpunkte mehr, sondern nur noch Truppenteile „ohne Führung oder zentrales Kommando“.

Zweifellos würden Millionen einfacher Sudanes:innen jedes Ende der Kämpfe und des Leids begrüßen, aber ein Sieg von Burhan oder Hemetti, geschweige denn eine Annäherung zwischen ihnen, wird weder die demokratischen Rechte bringen, für die Arbeiter:innen, die Jugend und die Armen des Sudan seit 2019 kämpfen, noch eine Befreiung von der immer tieferen Armut, die durch Inflation, Schulden und vom Internationalen Währungsfonds erzwungene Sparmaßnahmen verursacht wird. Burhan klebt ebenso viel Blut an seinen Händen wie Hemetti und war für Baschirs Regime und dessen Völkermord ebenso wichtig, da er als Oberst des militärischen Geheimdienstes von 2003 bis 2005 die Angriffe der Armee und der Milizen in West-Darfur koordinierte.

Die demokratische Fiktion

Der Krieg zwischen Burhans SAF und Hemettis RSF ist nicht nur eine Auseinandersetzung zwischen zwei „starken Männern“, sondern die bittere Frucht der unvollendeten Revolution von 2019. Nachdem Massenkämpfe und Streiks die SAF-Soldat:innen zu beeinflussen begannen, wurde im August ein Kompromiss geschlossen, dem zufolge Burhan und Hemetti als Vorsitzender und stellvertretender Vorsitzender einen „Souveränitätsrat“ beaufsichtigen, der zur Hälfte aus Militärs und zur Hälfte aus Zivilist:innen besteht, sowie den dreijährigen „Übergang“ zur Demokratie bis 2022.

Diese Strategie, die von den liberalen und reformistischen Führer:innen der Kräfte für Freiheit und Wandel und ihren US-amerikanischen und britischen Unterstützer:innen vorangetrieben wird, hat sich für die arbeitenden Menschen im Sudan als eine sehr blutige Sackgasse erwiesen. Was viele Arbeiter:innen, die 2019 kämpften, im August 2019 widerwillig als Notwendigkeit akzeptierten, um Blutvergießen zu vermeiden, hat das Militär und die Sicherheitsdienste intakt gehalten und die wiederholte Tötung von Demonstrant:innen nicht nur durch die RSF-Truppen, sondern auch Polizei und SAF ermöglicht.

Im September 2021 erklärte der Außenminister der Übergangsregierung, Mariam Sadiq al-Mahdi (Sadiq Abd ar-Rahman) von der Umma-Partei, dummerweise, dass der Sudan mit seinem gemeinsamen militärisch-zivilen Übergang „putschsicher“ geworden sei. Weniger als einen Monat später stürzte Burhan mit Hemettis Unterstützung die Zivilregierung, bevor er einen neuen „Übergangs“-Rat mit handverlesenen, loyalen Zivilpolitiker:innen ernannte und sogar den Premierminister und UN-Wirtschaftsexperten Abdalla Hamdok zur Rückkehr bewegen konnte, bis ihn Massenproteste im Januar 2022 zum Rücktritt zwangen.

Laut Sara Abdelgalil, einer Sprecherin der Sudanesischen Berufsvereinigung (SPA) im Jahr 2022, hat es „keine Reform der Justiz und keine Reform des Sicherheitssektors“ gegeben. Die Gerichte haben mehrere islamistische Führer freigesprochen, darunter auch den ehemaligen Vorsitzenden der Nationalen Kongresspartei (NCP), Ibrahim Ghandour, der den Staatsstreich von 2021 vorhersehbar als „Korrektiv“ unterstützte. Seit dem Putsch hat Burhan Schlüsselpositionen mit alten Baschir-Anhängern besetzt, vom Außenminister über den Gouverneur der Zentralbank bis hin zu den Ministern für Arbeit, Handel und Kabinettsangelegenheiten. Entscheidend ist, dass der Direktor des allgemeinen Nachrichtendienstes und der Leiter des Justizwesens beide aus der Baschir-Ära stammen und direkt für die Rehabilitierung der Figuren des alten Regimes oder die Unterdrückung von Aktivist:innen der Demokratiebewegung verantwortlich sind. Der Korruptionsuntersuchungsausschuss wurde kalt gestellt und neben diesen hochkarätigen Ernennungen wurden Hunderte von Beamt:innen aus der NCP-Ära, die wegen Korruption aus dem Amt entfernt worden waren, wieder eingesetzt. Die Sudan-Wissenschaftlerin Willow Berridge wies auf ein offenes „Iftar“ (Ramadan-Essen) hin, das von NCP-Führer:innen kurz vor dem Staatsstreich in dem Bezirk Kobar, in dem Baschir inhaftiert ist, veranstaltet wurde.

Hemetti hat jede politische Karte ausprobiert, um seine Position zu stärken, einschließlich des Vorwurfs, Burhan bringe die Islamisten zurück. Doch schließlich hat die alte Baschir-Hierarchie nichts übrig für diese verräterischen Dschandschawid. Unter dem Druck der „Viererbande“ aus den USA, dem Vereinigten Königreich, den Vereinigten Arabischen Emiraten und den Saudis stimmte Burhan am 5. Dezember 2022 einem anderen Plan für einen Übergang zu, einem „Rahmenabkommen“, das den Übergang noch weiter in die Zukunft verschob. Da dieser Plan jedoch eine frühzeitige Verschmelzung der RSF mit den Streitkräften vorsieht, wodurch Hemetti seine unabhängige Machtbasis verlieren könnte, von der aus er die Wirtschaft ausplündern kann, war nach Ablauf der Frist am 11. April eine große Auseinandersetzung unvermeidlich.

Permanente Revolution

Die Gewerkschaften und Widerstandskomitees, die die Revolution 2019 mobilisiert haben, wurden während des Putsches gezwungen, sich in Hilfsorganisationen zu verwandeln, die die Menschen mit Nahrungsmitteln und medizinischer Hilfe versorgen und die Zivilbevölkerung schützen. Wenn dies möglich ist, sollten sie sich mit den einfachen Soldat:innen verbrüdern und, wo immer möglich, politische Proteste organisieren, um Nahrung, Wasser und Krankenhäuser zu fordern und diese Dienste unter ihre eigene Kontrolle zu stellen.

Wenn Burhan gewinnt, aber ein Bürger:innenkrieg mit den RSF-Truppen an der Peripherie ausbricht, sollten diese fortschrittlichen Kräfte den Massenkampf für volle demokratische Rechte und Klassenforderungen nach sozialen Rechten, Arbeitsplätzen und Gewerkschaftsrechten wiederbeleben. Ein solcher Kampf ist die beste Voraussetzung, um die Widerstandskomitees in echte Räte der Massen (Sowjets) umzuwandeln, die von der organisierten Arbeiter:innenklasse geführt werden und die Autorität besitzen, sich an die wehrpflichtigen Soldat:innen, die Söhne und Töchter der arbeitenden Massen zu wenden. Das setzt voraus, dass die Widerstandskomitees zu einem nationalen Kongress von Fabrikkomitees und Räten ausgebaut werden, die sowohl die Macht als auch das produktive Eigentum der Generäle, Großgrundbesitzer:innen und Kapitalist:innen an sich reißen können.

Sozialist:innen im Sudan müssen sich darüber im Klaren sein, dass die Wiederherstellung der Revolution und der Widerstand gegen den Bürger:innenkrieg eine Auseinandersetzung mit den militärischen Befehlshabern beider Seiten, die Ablehnung der bürgerlichen Politiker:innen aller Couleur, aber auch das Eintreten für das Selbstbestimmungsrecht der unterdrückten Minderheiten bedeuten. Die Position der einflussreichen sudanesischen Kommunistischen Partei, die sich auf die stalinistische Strategie einer Revolution stützt, bietet eine reaktionäre Utopie: „eine professionelle, einheitliche nationale Armee auf der Grundlage von Kompetenz, Integrität und nationalem Bekenntnis, unabhängig von parteipolitischen, regionalen, nationalen, kommunalen und stammesbezogenen Zuordnungen“. In Wirklichkeit brachten die Arbeiter:innen und Bäuer:innen ihre eigenen Milizen und müssen die Soldat:innen vom Kommando ihrer reaktionären Offiziere brechen.

Nach dem gescheiterten Experiment des Zusammenlebens von ziviler und militärischer Herrschaft können Millionen erkennen, dass die Einführung der Demokratie die Zerschlagung des gesamten repressiven Staates mit den korrupten Generälen in seinem Zentrum bedeutet. Nur eine revolutionäre verfassunggebende Versammlung, organisiert von einer revolutionären Arbeiter:innenregierung, kann die brennenden Fragen der Demokratie, des Eigentums und der Unterdrückung lösen. Sie könnte die Bodenschätze des Sudan, seine Industrie und die großflächige Landwirtschaft in der Kornkammer Gezira für einen demokratischen Plan für die Bedürfnisse der Massen unter Führung der Arbeiter:innenklasse nutzbar machen und die Ausbeutung des Reichtums des Landes durch die räuberische Elite und die westlichen Banken beenden. Sie könnte eine wichtiges Sprungbrett für die Errichtung einer Arbeiter:innen- und Bäuer:innenregierung werden, die sich auf Räte stützt. Dieser sozialistische Übergang kann durch die Ausweitung der Revolution auf Afrika und den Nahen Osten dauerhaft gemacht werden.




Sudan: Zerschlagung der Junta ist der alleinige Weg zur Freiheit

Internationales Sekretariat der Liga für die Fünfte Internationale, Infomail 1175, 12. Januar 2021

Einmal mehr erleben wir im ganzen Sudan einen massiven revolutionären Aufstand gegen die Militärjunta von General Abdel Fattah al-Burhan und seinem Stellvertreter, Generalleutnant Mohammed Hamdan Daglo (Hemeti), die durch den Staatsstreich vom 25. Oktober an die Macht gekommen ist.

Seit dem 2. Januar ist das Militär seines Feigenblattes als Premierminister, des zivilen Technokraten Abdalla Hamdok, beraubt. Sein Rücktritt erfolgte nach sechs Wochen im Amt, als klar wurde, dass er absolut keine Autorität besaß und die Massendemonstrationen wieder aufflammten, ebenso wie die Repression, die seit Oktober vergangenen Jahres bereits über 60 Tote gefordert hat.

Am 6. Januar füllten Demonstrationen, die von den OrganisatorInnen als „Marsch der Millionen“ bezeichnet wurden, die Straßen der Hauptstadt Khartum und der angrenzenden Städte Omdurman (Umm Durman)  und Ombada sowie Bur Sudan (Port Sudan). Andere Städte im Norden des Landes, Atbara, Ad-Damir (Ed Damer) und Dunqula (Dongola), schlossen sich ebenfalls an. Die DemonstrantInnen zogen durch die Straßen und skandierten „die drei Keins“: Keine Abkommen! Keine Verhandlungen! Keine Kompromisse! (und „Die Macht dem Volke!“). Sie forderten die SoldatInnen auf, in ihre Kasernen zurückzukehren und die Bildung einer vom Volk gewählten, rein zivilen Regierung zuzulassen.

Die Koordination der Widerstandskomitees von Khartum hatte den Republikanischen Palast als Ziel der DemonstrantInnen festgelegt. Die Junta reagierte wie am 19. Dezember und im Oktober 2021 mit harter Repression. Das Regime kappte die Internet- und Telefonnetzwerke in Khartum, blockierte die Nilbrücken mit Schiffscontainern und die Hauptstraßen mit Barrikaden aus Stacheldraht.

Paramilitärs der Schnellen Unterstützungstruppen (RSF) von Hemeti, die ihren Ursprung in den Dschandschawid-Milizen (sinngemäß: Teufel auf Pferden) haben, die in Darfur Völkermord begingen, sowie die Zentrale Reservepolizei und AgentInnen des Allgemeinen Nachrichtendienstes (GIS) setzten Blendgranaten und gefährliche Konzentrationen von Tränengas ein. In Umm Durman und Khartum wurden mindestens drei Tote und Dutzende von Verletzten gemeldet. Krankenhäuser, in denen DemonstrantInnen behandelt wurden, standen unter Beschuss. Dennoch gelang es einigen DemonstrantInnen, zum Republikanischen Palast im Zentrum von Khartum vorzudringen.

Die „demokratischen“ und „autoritären“ imperialistischen Mächte hüllten sich bisher in Schweigen

Auf seinem Online-„Demokratie-Gipfel“ im vergangenen Monat sprachen US-Präsident Joe Biden und sein Außenminister Antony Blinken das Problem der Unterdrückung und Militärdiktatur im Sudan nicht einmal an. Vielmehr hat Washington weiterhin die Legitimität von al-Burhan anerkannt und die MilitärführerInnen sogar gelobt. Blinken unterstützte eifrig die Vereinbarung zwischen dem Militär und Hamdok vom letzten Oktober.

Das Weiße Haus, Regierungssitz der USA, hat sogar angedeutet, dass die Forderungen der DemonstrantInnen nach „keinen Verhandlungen, keiner Partnerschaft und keiner Legitimität für das Militär“ „unrealistisch“ seien. Tatsächlich sind die USA und ihr britischer Staatsgefolge damit beschäftigt, ihre Sudan-Politik an ihre alles andere als demokratischen Verbündeten am Golf auszulagern, wie ihre mit Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten unterzeichnete Erklärung vom 16. Dezember 2021 zeigt, in der das Militärregime sogar für seine Bemühungen gelobt wird. Dies wiederum ist die Belohnung dafür, dass Saudi-Arabien sudanesische Streitkräfte, darunter auch Hemetis RSF-SchlägerInnen, zur Unterstützung seiner Interventionen im blutigen Bürgerkrieg im Jemen eingesetzt hat.

Es überrascht auch nicht, dass der Rivale der westlichen Demokratien, das neue Mitglied der imperialistischen Bande, das „kommunistische“ China, sich ebenfalls über die Verbrechen des sudanesischen Militärs ausschweigt. Seine globale Spezialität stellt die Unterstützung mörderischer Militärjuntas wie in Myanmar sowie die Begehung eigener Verbrechen in Xinjiang und Hongkong dar.

Kurzum, keiner der rivalisierenden Imperialismen, die sich in ihrem „neuen Kalten Krieg“ befinden, hat den KämpferInnen für Freiheit und Sozialismus weltweit etwas zu bieten, wie Putins Russland jetzt in Kasachstan zeigt. Die ArbeiterInnenklasse und die revolutionären Bewegungen in allen Ländern müssen alles tun, um ihre mutigen Klassenschwestern und -brüder im Sudan zu unterstützen.

Die Opposition

Eine Reihe ineinandergreifender demokratischer Bündnisse unterstützt die Massendemonstrationen und zielt darauf ab, das Militärregime durch eine zivile Regierung zu ersetzen. Von Beginn der Bewegung an spielte die Sudanese Professionals Association (SPA) eine wichtige Rolle. Sie wurde Mitte des letzten Jahrzehnts gegründet, als die Opposition gegen al-Baschir wuchs, und bestand im Kern aus drei der größten Freiberufsgruppen des Sudan: dem Zentralkomitee der sudanesischen ÄrztInnen, dem sudanesischen JournalistInnennetzwerk und der Demokratischen JuristInnenvereinigung.

Im Laufe der Entwicklung der Bewegung schlossen sich ihr rund 18 Gewerkschaften an, darunter AkademikerInnen und LehrerInnen, IngenieurInnen und Gesundheitsfachleute. Kurz gesagt, sie repräsentiert eine Kombination aus der radikalen Mittelschicht und ArbeiterInnenorganisationen, die sich gegen al-Baschirs erdrückenden politischen Islamismus und seine völkermörderischen Kriege in Darfur und Südsudan auflehnten.

Es gibt eine „breite Front“, die Kräfte der Freiheit und des Wandels (Forces of Freedom and Change, FFC), der große bürgerliche Parteien wie die National Umma Party (NUP) und die Sudanesische Kongresspartei angehören, aber auch die SPA und die Sudanesische Kommunistische Partei. Diese Konstellation nennen TrotzkistInnen eine Volksfront. Die konservativeren Teile des FFC, wie die NUP, haben Hamdoks Abkommen mit al-Burhan vom November aktiv unterstützt und seinen Rücktritt bedauert. Es liegt auf der Hand, dass diese Kräfte einen weiteren Kompromiss mit den Militärs begrüßen würden.

Siddig Yousef, ein Führer der Kommunistischen Partei (SKP), erklärte dagegen, Hamdoks Rücktritt sei längst überfällig. Die AktivistInnen seiner Partei stellen in der Tat eine ernstzunehmende Kraft der ArbeiterInnenklasse innerhalb der Widerstandskomitees dar, die die Demonstrationen und Streiks organisiert haben, die in den zwei Jahren seit dem Sturz der Diktatur von Umar al-Baschir im Jahr 2019 stattgefunden haben.

Die Parteiführung verfolgt jedoch eine, wie sie es nennt, „Doppelstrategie“, die für den radikaleren Flügel des Stalinismus in vielen halbkolonialen Ländern typisch ist. Während sie sich also für einen Generalstreik einsetzt, ArbeiterInnen- und BäuerInnenkomitees organisierte und kontrollierte, will sie gleichzeitig diese „breite Front“ mit liberalen und patriotischen bürgerlichen Kräften aufbauen. Ihr Plan ist es, radikalere Kräfte einzubinden, denn sie sieht vor, dass die Militärdiktatur durch eine demokratische, d. h. immer noch kapitalistische, Regierung ersetzt wird. Natürlich prangert sie auch den Einfluss der USA, des IWF, des Neoliberalismus usw. an.

Dies zeigt sich in der Antwort von Fathi Alfadl, ihrem Sprecher, auf die Fragen „In welchem Stadium befindet sich Ihrer Meinung nach die sudanesische Revolution? Wie wird sie sich entwickeln?“ in einem Interview auf Facebook. Er antwortete: „Im Moment laufen Gespräche, um die Führung der ,breiten Front’ zu erreichen, die Frauen- und andere zivilgesellschaftliche Organisationen und politische Parteien umfassen kann. Die Führung eines solchen Gremiums wird die vollständige Niederlage des derzeitigen Regimes und die Übernahme der Macht durch das Volk erleichtern.“ (https://www.facebook.com/SudaneseCommunistParty)

In der Tat wird diese Strategie der Klassenkollaboration und Volksfront jede unabhängige Aktion der Massen von ArbeiterInnen, BäuerInnen und Jugendlichen behindern, die nicht nur darauf abzielt, das Militär aus der politischen Macht zu drängen, sondern auch das Oberkommando und die gesamte korrupte Militärkaste und ihre Kontrolle über die einfachen Soldaten zu zerbrechen. Die letzten zwei Jahre im Sudan und davor der Arabische Frühling, vor allem im benachbarten Ägypten, sollten uns lehren, dass ein Putsch nach dem anderen stattfinden wird, wenn diese Kräfte intakt bleiben und die Kontrolle über die Streitkräfte behalten. Demokratie, d. h. die bürgerlich-kapitalistische Demokratie mit der Erlaubnis der Generäle, ist eine reaktionäre Utopie.

In Wirklichkeit wird die einzige Demokratie das sein, was die ArbeiterInnenschaft, die Jugend, die Frauen und die armen BäuerInnen aus den bestehenden Widerstandskomitees und den für einen aufständischen Generalstreik notwendigen Koordinierungsorganisationen schaffen können. Um wirksam zu sein, selbst wenn es nur darum geht, al-Burhan und Hemeti von der Macht zu vertreiben, muss die Bewegung die einfachen SoldatInnen dafür gewinnen, sich gegen die RSF-SchlägerInnen zu wenden, ihre OffizierInnen zu verhaften, die ArbeiterInnen zu bewaffnen und selbst SoldatInnenräte zu bilden.

Die Basis der SKP muss dem Weg Lenins von 1917 folgen und sich für eine ArbeiterInnen- und BäuerInnenregierung starkmachen, die in Wirklichkeit eine Diktatur des Proletariats im Bündnis mit allen kämpfenden Volkskräften ist. Wenn die sudanesische Revolution hingegen auf halbem Weg stehenbleibt, wird sie das Schicksal der mutigen KämpferInnen in Ägypten erleiden, die am Ende eine Diktatur bekamen, die noch repressiver ist als die von Husni Mubarak.




Stoppt den Putsch im Sudan!

Internationales Sekretariat der Liga für die Fünfte Internationale, Infomail 1168, 26. Oktober 2021

Am Morgen des 25. Oktober kam es in Khartum zu einem Staatsstreich. General Abdel Fattah Abdelrahman Burhan, Vorsitzender des Souveränen Rates, der die Macht zwischen Militär und ZivilistInnen teilt, kündigte die Verhaftung von Premierminister Abdalla Hamdok und seines Kabinetts an. Hamdok, ein Wirtschaftswissenschaftler und ehemaliger hoher UN-Beamter, der 2019 zum technokratischen Premierminister ernannt wurde, befindet sich derzeit an einem unbekannten Ort, nachdem er sich geweigert hatte, den Putschversuch zu unterstützen.

Widerstand

Tausende von DemonstrantInnen gingen sofort auf die Straße, wie bei der Revolution 2019. Sie marschierten, um das Hauptquartier des Militärs in der Hauptstadt zu belagern, wurden aber von den SoldatInnen unter Beschuss genommen. Zur Speerspitze der Konterrevolution gehören die Truppen der Rapid Support Forces (Schnelle Unterstützungskräfte; RSF), einer Einheit, die aus den Milizen hervorgegangen ist, die während des Krieges in Darfur und später während der Revolution 2019 mörderische Verbrechen verübt haben.

Unterdessen rief die Sudanese Professionals Association (Sudanesische Vereinigung der professionellen Berufe; SPA), eine der HauptorganisatorInnen der Revolution 2019, zum Widerstand auf:

„Wir rufen die Massen auf, auf die Straße zu gehen und sie zu besetzen, alle Straßen mit Barrikaden zu sperren, einen allgemeinen Arbeitsstreik durchzuführen und nicht mit den Putschisten zu kooperieren und ihnen mit zivilem Ungehorsam entgegenzutreten.“

Auch die Sudanesische Kommunistische Partei rief die ArbeiterInnen zum Streik und zum massenhaften zivilen Ungehorsam gegen den Putsch auf. Die KP hatte seit einem gescheiterten Putsch am 21. September vor der drohenden Gefahr gewarnt, als sie erklärte: „Wir brauchen ernsthaftere Maßnahmen, um die Säulen des früheren Regimes zu beseitigen, insbesondere in den Streitkräften, dem Sicherheitsdienst und der Polizei.“

Bei dieser Gelegenheit eilten Hemeti (Mohammed Hamdan Dagalo; Vizechef des Militärrates und Oberbefehlshaber der RSF) und Abdel Fattah Burhan in die Kasernen, die damit beschäftigt waren, den Putsch zu unterdrücken, und letzterer beruhigte die Soldaten: „Die Streitkräfte führen den Wandel an und bringen ihn dorthin, wo sie wollen“. Jetzt wissen wir genau, wohin sie wollen.

Die Machtübernahme durch das Militär erfolgte nach einem Putschversuch im September und einer Blockade der Häfen des Landes am Roten Meer, die von Kräften geschürt wurde, die der ehemaligen Diktatur von Umar al-Baschir treu ergeben sind.

Darüber hinaus hatten in den letzten Wochen knüppelschwingende Banden von AnhängerInnen des früheren Regimes mobilisiert und LoyalistInnen unter dem Schutz des Militärs zu einem Sitzstreik aufgerufen, bei dem sie offen einen Staatsstreich forderten. Diese wurden von Zehntausenden von DemonstrantInnen beantwortet, die das Primat ziviler Herrschaft verteidigen wollen, was von der Polizei mit Gewalt beantwortet wurde.

Es ist wahrscheinlich, dass die ominösen Ereignisse der letzten Wochen eine Vorbereitung der Generäle und konterrevolutionären Rebellen auf einen Staatsstreich darstellten. Gleichzeitig geriet die amtierende Regierung unter zunehmenden Druck der Bevölkerung, Schritte in Richtung einer stärkeren zivilen Kontrolle zu unternehmen, verbunden mit Frustrationen über die wirtschaftliche und soziale Leistung des Regimes.

In den Städten kam es zu einer zunehmenden Lebensmittelknappheit, die durch die Zustimmung der Hamdok-Regierung zu Preiserhöhungen bei Treibstoff und anderen lebenswichtigen Gütern, die der IWF als Bedingung für einen Schuldenerlass für den Sudan gestellt hatte, noch verstärkt wurde und zu einer galoppierenden Inflation führte. Aus Angst vor einer fortschrittlichen Lösung der gegenwärtigen Krise durch eine Welle sozialer Mobilisierungen haben sich die Militärs offenbar zum Handeln entschlossen.

Inzwischen haben die EU und die USA den Putsch verurteilt und sich für die Demokratie ausgesprochen. Aber es waren Institutionen unter ihrer Kontrolle, die zu dieser Situation beigetragen haben, sei es durch die Finanzierung der schnellen Eingreiftruppen im Rahmen des Khartum-Prozesses der EU, der darauf abzielt, Flüchtlinge zu stoppen, oder durch die Wirtschaftspolitik des IWF.

Dies zeigt die Gefahr der imperialistischen Mächte als Verbündete im Streben nach Demokratie. Ihre Demokratie fordert immer einen hohen Preis von den ArbeiterInnen und Armen. Ein Drittel der Bevölkerung leidet bereits unter schwerer Nahrungsmittelknappheit. Da die Regierung in ihrem Sinne gehandelt hat, haben die USA und die EU den Staatsstreich in diesem Fall scharf verurteilt. Ein US-Gesandter hatte Hamdok sogar gerade besucht.

Revolutionäre Aufgaben

Die Zukunft der 2019 errungenen begrenzten Demokratie hängt nun von der Macht der ArbeiterInnenklasse und der Jugend ab, um das Land zum Stillstand zu bringen, die einfachen SoldatInnen für sich zu gewinnen und die Revolution, die durch die Vereinbarung mit dem Militär über ein gemeinsames Regime bis zu den Wahlen im Jahr 2023 gestoppt wurde, fortzuführen. Die 2019 gebildeten Widerstandskomitees bestehen weiter und müssen zu Räten gestärkt werden, die alle ArbeiterInnen, Frauen, StudentInnen und SoldatInnen vertreten, die auf die Seite der Massen übergehen. Der Putsch beweist, dass die Teilung der Macht mit den Generälen des alten Regimes eine gefährliche Illusion war und bestätigt den Ausspruch des französischen revolutionären Jakobiners Saint Just: „Wer die Revolution nur halb macht, schaufelt sich sein eigenes Grab“.

Wir haben immer argumentiert, dass jedes stehende Heer – solange es unter dem Kommando der Generäle und des Offizierskorps steht – eine tödliche Waffe gegen das Volk bildet. Eine wesentliche frühe Aufgabe jeder echten Volksrevolution ist es, ihnen die Herrschaft über den Repressionsapparat zu entreißen, die einfachen SoldatInnen vom Kommando der Offiziere zu brechen und sie auf die Seite der Massen, insbesondere der ArbeiterInnen, zu bringen und ein revolutionäre Selbstverteidigungskräfte unter der demokratischen Kontrolle der ArbeiterInnen- und Volksräte zu bilden.

Entscheidend ist, dass der Generalstreik und der Massenwiderstand auf der Straße wirksam sind und die einfachen SoldatInnen sowie die UnteroffizierInnen und niederen Offiziersränge dazu bringen, zum Volk überzulaufen. Die aktuelle Widerstandsbewegung muss sich insbesondere auf die Stärke der revolutionären Frauen und Jugendlichen stützen, die bei der Revolution 2019 eine führende Rolle gespielt haben. Und wenn dies geschieht, darf die Revolution dieses Mal nicht auf halbem Wege stehen bleiben. Sie darf sich auch nicht mit einer Regierung aus zivilen TechnokratInnen zufrieden geben, die Hand in Hand mit dem IWF, den USA, der EU und den anderen imperialistischen Mächten arbeiten.

Was die gegenwärtige Krise auf soziale, demokratische und nachhaltige Weise lösen kann, ist eine Regierung, die sich voll und ganz der Revolution verschrieben hat, eine Regierung, die sich auf ArbeiterInnen- und Volksräte stützt und in der Lage ist, sozialistische Maßnahmen zu ergreifen, um die dringenden Bedürfnisse der Land- und Stadtbevölkerung zu erfüllen.

In anderen Ländern müssen sich SozialistInnen und GewerkschafterInnen mit den Exil-SudanesInnen zusammentun, um gegen den Putsch zu demonstrieren und Nahrungsmittel- und medizinische Hilfe zur Bekämpfung von COVID und der Wirtschaftskrise sowie ein Ende des Diktats des IWF zu fordern.




Sudan: Die Konterrevolution schlägt zu, unterstützt vom ägyptischen Diktator und der saudi-arabischen Monarchie

Liga für die Fünfte Internationale, 4. Juni 2019, Infomail 1058, 5. Juni 2019

Das
Blutvergießen in Khartum am Montag, den 3. Juni, beweist wieder einmal, dass
elementare demokratische Rechte für die Regime in den meisten Staaten des Nahen
Ostens und Nordafrikas unerträglich sind. Der Schlag gegen die Revolution, die
Omar al-Bashir am 11. April gestürzt hatte, insbesondere gegen die seit fünf
Monaten dauernde Sitz-Blockade vor dem Hauptquartier der Armee, forderte laut der
sudanesischen Ärztevereinigung 35 Tote, darunter ein achtjähriges Kind, und 116
Verletzte.

Bei der
Unterdrückung der Platzbesetzung wurden scharfe Munition, Blendgranaten und Gas
verwendet und Peitschen gegen Jugendliche, Frauen und Kinder eingesetzt. Es
werden auch Angriffe auf DemonstrantInnen aus den Krankenhäusern Al Mualim und
Royal Care gemeldet. Angesichts der vielen Berichte über Vermisste und über
Leichen, die im Nil treiben, werden die Zahlen vermutlich noch steigen.

Schwer
bewaffnete paramilitärische Einheiten der berüchtigten schnellen
Eingreifgruppen wurden am Dienstag in der Hauptstadt eingesetzt, um die Brücken
zu bewachen, die den Nil zur Partnerstadt Omdurman überqueren, und Konvois von
gepanzerten Fahrzeugen bewegten sich bedrohlich durch die Stadt. Diese
Sondereinheiten, die bei den völkermord-ähnlichen Kriegen in Darfur und
Südsudan eingesetzt worden waren, haben allen Grund, eine demokratische
Revolution zu zerschlagen, die ihre monströsen Verbrechen ans Tageslicht
bringen könnte.

Die neue
Diktatur im Sudan wird von General Abdel Fattah al-Burhan, dem Vorsitzenden des
Übergangsrates des Militärs TMC (Transitional Miltary Council), und seinem
Stellvertreter Mohamed Hamdan Dagalo („Hemeti“) geleitet. Er kündigte an, dass
der TMC „die Verhandlungen mit der Alliance for Freedom and Change“ einstellen
werde, dem einzigen Organ mit einem Hauch von demokratischer Legitimität im
Sudan. Tatsächlich war der Angriff des TMC zu erwarten gewesen, weil die AFC
(Alliance for Freedom and Change = Allianz für Freiheit und Veränderung) der
Kontrolle durch das Militär und der Beteiligung an zu einer bloßen Fassade
degradierten Zivilregierung nicht zustimmen wollten und weil die Massen ihre
Besetzung des Platzes vor dem Hauptquartier der Streitkräfte nicht aufgeben wollten.
Ein weiterer Faktor war der zweitägige Generalstreik vom 28. bis 29. Mai, der den
Generälen wohl Angst gemacht hat, aber ihre Macht nicht gebrochen hat. Dies
zeigt, dass in einer revolutionären Situation Generalstreiks, die nur Proteste
sind,  nicht ausreichend sind, um
die Machtfrage zu lösen.

Al-Burhan
behauptet nun, dass Wahlen innerhalb von neun Monaten stattfinden und die
Gespräche über diese unter „regionaler und internationaler Aufsicht“ geführt werden
sollen. Er denkt dabei zweifellos an seine finanziellen Förderer in Riad und an
den militärischen Geheimdienst Ägyptens und ist der Meinung, dass neun Monate Repression
ausreichen werden, um der Bewegung das Rückgrat zu brechen. Wenn die sudanesischen
Generäle in den nächsten Monaten nicht durch anhaltende Massenaktionen daran
gehindert werden, werden wir eine Welle von Verhaftungen, Folterungen von
AktivistInnen und die Wiederherstellung der Macht der regimetreuen
islamistischen Parteien und Milizen erleben. Dann und nur dann wird es möglich
sein, inszenierte „freie und faire“ Wahlen abzuhalten, so wie es Abdel Fattah
el-Sisi in Ägypten getan hat.

Die Massen in
Khartum und Omdurman reagierten auf die Niederschlagung der Besetzung mit der Errichtung
von Barrikaden aus brennenden Fahrzeugen. Jetzt hängt alles davon ab, ob die
sudanesischen Gewerkschaften einen allgemeinen, unbefristeten Generalstreik beginnen
und durchführen können, der von Milizen der Massen geschützt wird, und ob die
mutigen Jugendlichen und Frauen zu den einfachen Soldaten auf den Straßen und
in den Kasernen durchdringen und sie für Meuterei gegen ihre Offiziere und
Kommandeure gewinnen können.

Der
Berufsverband „Sudanese Professionals Association“ (SPA) hat am 3. Juni zu einem
„politischen Generalstreik und zivilem Ungehorsam“ aufgerufen, der „bis zum
Sturz des Regimes dauern soll“. Er fordert auch „die Streitkräfte des Volkes
und der Polizei auf, die Pflicht zu erfüllen, das sudanesische Volk vor den
Milizen, paramilitärischen Brigaden und Janjaweeds der TMC zu schützen und sich
dem Willen des Volkes anzuschließen, das Regime zu stürzen und ein völlig
ziviles Übergangsregime einzuführen“ (die Janjaweeds waren die Milizen, die für
die schlimmsten Gräueltaten in Dafur verantwortlich waren).

Es ist jetzt
klar, dass nur eine volle soziale Revolution, eine Revolution, die das
militärische Oberkommando zerschlägt und die Soldaten von der Disziplin
befreit, gegen unbewaffnete Zivilisten vorzugehen, die elementaren Freiheitsrechte
bringen kann, die in den imperialistischen Kernländern Nordamerikas und
Westeuropas als selbstverständlich gelten. Doch gerade diese imperialistischen
Staaten sind die wichtigsten Unterstützerinnen der saudischen absoluten
Monarchie und der ägyptischen Diktatur.

Regionale
Konterrevolution

Die Regime in
Nordafrika und im Nahen Osten, die dachten, sie hätten den arabischen Frühling
zerschlagen und könnten ihre Völker wieder ungehindert berauben, waren entsetzt
über das Wiedererwachen von Massenprotesten in Marokko und Algerien und
schließlich über die Revolution im Sudan.

Saudi-Arabien
und Ägypten sind die regionalen Bastionen der Konterrevolution und unterstützen
das blutrünstige sudanesische Militär, nicht zuletzt, weil sie sudanesische
Truppen für den völkermörderischen Krieg, den sie im Jemen führen, als Söldner
angeheuert haben. Darüber hinaus sind diese Staaten besonders vertrauenswürdige
Verbündete der USA, die gerade mehr als drei Milliarden Euro zur
„Stabilisierung“ des Sudans, seiner NATO-Verbündeten und des rechtsgerichteten
Premierministers Israels Benjamin Netanyahu überwiesen haben. So sehr Macron,
Merkel oder sogar Trump auch die Menschenrechtsverletzungen öffentlich beklagen
und ein Ende der Gewalt fordern mögen, so sehr dient dies bloß zur Beruhigung
der Öffentlichkeit in ihren Heimatländern. Sie werden die lukrativen
Waffenlieferungen an einen der regionalen Schlächter nicht stoppen. Frei nach
Roosevelts Bemerkung über einen lateinamerikanischen Militärdiktator: „Er
mag ein Hurensohn sein, aber er ist unser Hurensohn!“

Die anderen imperialistischen
Mächte, z.B. China, das Hunderttausende Angehörige der uigurischen Bevölkerung
in Konzentrationslager getrieben hat und den Völkermord der Generäle Myanmars
an den Rohyngia unterstützt, und Russland, das derzeit die brutale
Unterdrückung von Idlib in Syrien unterstützt, haben zweifellos ihre eigenen Interessen
und Rivalitäten mit den USA und Europa. Aber sie sind sich einig mit diesen,
die Vernichtung von jungen Menschen, Frauen und ArbeiterInnen, die für Freiheit
und Unabhängigkeit kämpfen, zu unterstützen.

Die sudanesische
Bevölkerung verdient und benötigt deshalb die Unterstützung von SozialistInnen,
Gewerkschaften, Frauen- und Jugendorganisationen in Europa und Nordamerika
sowie in Afrika und Asien. Wir müssen darum kämpfen, die gesamte Hilfe für das
sudanesische Regime und seine regionalen Verbündeten, wie die Saudis, zu
blockieren. Im Mai weigerten sich die italienischen HafenarbeiterInnen in Genua
ebenso wie die französischen Hafenarbeiter in Le Havre und Marseille, ein
Schiff mit Waffen für die Saudis zu beladen, die Krieg im Jemen führen. Die
SozialdemokratInnen, die Labour-Parteien, die Europäische Linke und die
Gewerkschaftsverbände sollten diese großartigen Beispiele aufgreifen und alles
in ihrer Macht stehende tun, um ihre Regierungen zu zwingen, die Hilfs- und
Waffenverkäufe an die Saudis einzustellen, nicht nur wegen des schrecklichen
Krieges im Jemen, sondern auch als Akt der Solidarität mit unseren
sudanesischen Brüdern und Schwestern. An Universitäten und Schulen sollten
Solidaritätsbekundungen organisiert werden.

Die
Herausforderungen der Revolutionen, die immer noch spontan in der ganzen Welt
ausbrechen, sowie die Notwendigkeit der Solidarität verdeutlichen die
Notwendigkeit revolutionärer Parteien und einer revolutionären Internationale. Die
Kämpfe für demokratische Rechte, für Revolution, für Frauenrechte und für die Rechte
der Lohnabhängigen, die zur ArbeiterInnenmacht führen, das sind untrennbare
miteinander verbundene Aufgaben, um den Sieg in Ländern wie dem Sudan zu
erringen und diesen über die gesamte Region und die darüber hinausgehenden
Kontinente zu verbreiten.




Revolution im Sudan: Ursachen und Perspektiven

Dave Stockton, Neue Internationale 237, Mai 2019

Der Sudan befindet sich inmitten einer wirklich
erstaunlichen Volksrevolution, bei der Frauen neben Jugendlichen,
GewerkschafterInnen und unterdrückten nationalen Minderheiten eine wichtige
Rolle spielen. Zu den Slogans gehörten „Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit“
und „Gerechter Sturz“. Als die Sicherheitsdienste Darfuris unter der Menge aufs
Korn nahmen, kam die Parole auf: „Ihr arroganten RassistInnen, wir sind alle
Darfur!“ (In der Region Darfur führt die sudanesische Regierung bis heute einen
besonders blutigen und rassistischen Krieg gegen die Bevölkerung). Teile der
einfachen SoldatInnen haben die DemonstrantInnen geschützt und sich ihnen sogar
angeschlossen.

Zuerst dachte das Regime, es könnte dies einfach
aussitzen und reagierte auf die sich entwickelnde Bewegung mit Repression,
einschließlich eines scharfen Feuers von den speziellen Sicherheitskräften und
islamistischen Parteimilizen. Eine Reihe von Protestierenden wurde getötet. Der
Stabschef der Armee, Kamal Abdelmarouf, warnte im Januar: „Wir werden nicht
zulassen, dass der sudanesische Staat zusammenbricht oder ins Chaos stürzt.“ Zu
seiner Bestürzung verteidigten junge OffizierInnen und SoldatInnen die Menge
und vertrieben ihre AngreiferInnen.

Absetzung des Diktators

Seitdem haben die Massen immer wieder Kompromisse des
Militärs und der Sicherheitsdienste, die die Grundlage des Regimes bilden,
abgelehnt. Die zentrale Forderung ist, dass das gesamte Regime, das Omar
al-Baschir 30 Jahre lang an der Macht gehalten hat, abgebaut wird und dass das
militärische Oberkommando die Macht abgeben und an die Zivilbevölkerung
aushändigen muss. Obwohl ihre Zukunft und ihr Ergebnis nicht gesichert sind,
wird die sudanesische Revolution in der gesamten Region eine Inspiration sein.

Nach viermonatigen Freitagsdemonstrationen, die in der
dauerhaften Besetzung des Gebietes um das Militär- und Präsidialhauptquartier
in Khartum gipfelten, feierten Hunderttausende die Verhaftung des brutalen
Diktators, der den Sudan seit der Machtergreifung bei einem Staatsstreich 1989
mit eiserner Faust regiert und einen Völkermordkrieg in Darfur durchgeführt
hatte, bei dem bis zu 400.000 Menschen starben, sowie den langen Krieg im
Südsudan, bei dem 2 Millionen Menschen starben, auch an Hunger und Krankheit.

Einige von den Protestierenden auf der Straße und in
der demokratischen Opposition werden sich zweifellos noch erinnern: Als
al-Baschir die Macht übernahm, beendete er vier Jahre relativer demokratischer
Freiheiten nach einer Revolution 1985, unterdrückte politische Parteien und
unabhängige Gewerkschaften und führte eine repressive „islamische“ Verfassung
ein. In dieser Zeitspanne töteten Geheimdienste, Polizei und
GefängniswärterInnen Tausende und viele weitere wurden von seinem Regime
gedemütigt, gefoltert und terrorisiert.

Als der Verteidigungsminister Ahmed Awad Ibn Auf das
Ende der Herrschaft al-Baschirs im nationalen Fernsehen ankündigte, setzte
massiver Jubel ein. Er kündigte aber auch an, dass ein Militärrat für die nächsten
zwei Jahre vor jeder Neuwahl die Exekutivmacht im Land behalten wolle. Es war
also kein Wunder, dass die Menschen auf den Straßen eindeutig klarmachten, sie
würden das auf keinen Fall akzeptieren.

Militärrat

Als angeblich versöhnlichere Figur wurde
Generalleutnant Abdel Fattah al-Burhan dann als Leiter eines Transitional
Military Council (Übergangsmilitärrat, TMC) angekündigt. Al-Burhan bestand
darauf, dass der TMC „komplementär zum Aufstand und zur Revolution“ stehe und
„verpflichtet ist, die Macht an das Volk zu übergeben“.

Diese Ankündigung war jedoch eindeutig nicht das
Ergebnis einer „demokratischen“ Bekehrung durch das Oberkommando, das
al-Baschir jahrzehntelang gedient hatte. So  brachen die ProtestführerInnen die Gespräche mit den
Militärbehörden rasch ab und erklärten, dass es der Militärjunta nicht ernst
damit sei, die Macht auf Zivilpersonen zu übertragen, sondern dass sie
tatsächlich aus Überresten des islamistischen Regimes von al-Baschir bestand.
Sie gelobten, die Demonstrationen zu intensivieren.

Kurz danach wurden die Verhandlungen jedoch wieder
aufgenommen und in einer Erklärung am 25. April verlängert, nachdem das Militär
einige weitere Zugeständnisse – so die Demission von 3 islamistischen Generälen
– gemacht hatte. Zur Zeit der Drucklegung des Artikels, am 26. April, werden
die Verhandlungen wie auch die Massenmobilisierung fortgesetzt.

Entwicklung

Seit vier Monaten befindet sich der Sudan inmitten
einer tiefgreifenden revolutionären Situation. Unmittelbarer Auslöser war die
Ankündigung von Preiserhöhungen bei Brot und Benzin. Deren Hintergrund bildet
die grassierende Arbeitslosigkeit, die steigende Inflation sowie die lähmende
Nahrungsmittel- und Kraftstoffknappheit. Rund 80 Prozent der Bevölkerung muss
mit weniger als einem US-Dollar pro Tag auskommen und fast 2,5 Millionen Kinder
leiden an schwerer Unterernährung.

Die Abspaltung des Südsudans im Jahr 2011 entzog dem
Land drei Viertel seiner Öleinnahmen und löste eine anhaltende Wirtschaftskrise
aus. Dennoch gab das Regime weiterhin schätzungsweise 70-80 Prozent der
verbleibenden Einnahmen für Kräfte der inneren Sicherheit und das Militär aus.
Es ist völlig korrupt und jede/r weiß das.

Obwohl die Nahrungsmittel- und Treibstoffknappheit die
Bewegung antrieb, erhoben die DemonstrantInnen schon bald politische Losungen –
„Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit“ und „Revolution ist die Wahl des Volkes“!

Junge Menschen und Frauen bildeten das Herzstück der
Bewegung, wobei die Kampagne „Nein zur Unterdrückung von Frauen“ eine führende
Rolle spielte. Die zentrale Stellung der Frauen bei den Protesten wird durch
die Figur von Alaa Salah symbolisiert, einer Frau, die während eines
Sitzstreiks im militärischen Hauptquartier ein Gedicht rezitierte, in dem sie
die Bewegung vom Dach eines Autos aus lobte und ihre Zeilen mit dem Schrei
„Thowra!“ – „Revolution“ auf Arabisch – unterlegte.

Die DemonstrantInnen fordern einen vollständigen Bruch
mit dem kulturell und bildungspolitisch unterdrückenden islamistischen Regime,
das besonders hart zu Frauen ist.

Der Aufstand begann in Städten nördlich der Hauptstadt
Khartum, an Orten wie Atbara, einem Eisenbahnproduktionszentrum und Wiege der
sudanesischen Gewerkschaftsbewegung. Die Straßenproteste am Freitag wurden
durch Besetzungen von Universitäten und Schulen, Streiks von ArbeiterInnen des
öffentlichen und privaten Sektors, einschließlich derjenigen in Port Sudan (Bur
Sudan) am Roten Meer, verstärkt. Die starke Organisationstradition der
sudanesischen ArbeiterInnenbewegung wurde am 5. und 13. März in landesweiten
Streiks demonstriert.

Die liberale Opposition und die Kommunistische Partei

Die Kundgebungen wurden von der „Allianz für Freiheit
und Wandel“ organisiert, zu der Berufsverbände, Gewerkschaften und
Oppositionsparteien gehören. Sitzungen des Koordinierungsgremiums fanden am
Sitz der sudanesischen Kommunistischen Partei SCP statt, die darauf abzielt,
„ein möglichst breites Bündnis von politischen Parteien, bewaffneten Gruppen,
demokratischen Massenorganisationen, Gewerkschaften der Freischaffenden,
ArbeiterInnen- und Bauern-/Bäuerinnenbewegungen sowie StudentInnen- und
Frauenverbänden aufzubauen“.

Die 1946 gegründete SCP war eine mächtige Kraft im
Land und in der Armee bis zu ihrer Teilnahme am gescheiterten Staatsstreich von
1971, der mit dem Sieg von General Dschafar Muhammad an-Numairi und der
Hinrichtung der wichtigsten FührerInnen der SCP endete. Seit vielen Jahren
operierte sie im Untergrund und die von ihr beeinflussten Gewerkschaften wurden
aufgelöst. In jüngster Zeit ist die Partei wieder aufgetaucht, obwohl ein Teil
ihrer Führung, darunter 16 Mitglieder ihres Zentralkomitees, immer noch im
Gefängnis sitzt.

Es ist zu erwarten, dass die SCP, die in
unerschütterlicher stalinistischer Tradition steht, die Strategie der
Volksfront übernehmen, d. h. auf eine Regierung drängen wird, die
VertreterInnen der besitzenden und der ausgebeuteten Klassen vereint. Dies
wäre, wie es immer war, ein Rezept für eine Katastrophe, und die
ArbeiterInnenklasse und die Armen würden der Früchte ihres revolutionären
Kampfes beraubt.

Die entscheidende Frage ist, wie bei jedem zutiefst
revolutionären Umsturz, ob die ArbeiterInnenklasse dabei eine unabhängige Rolle
spielt. Nur wenn die ArbeiterInnen die Führungsrolle übernehmen, die ihnen ihr
Platz in der Produktion ermöglicht, können die Ziele der Demokratie gesichert
werden, ganz zu schweigen von den sozialen Bedürfnissen der ArbeiterInnen,
Bauern/Bäuerinnen und Armen.

Der Verband der freien Berufe Sudans hat als Sprecher
der Bewegung eine herausragende Rolle gespielt. So hat er beispielsweise
wiederholt gefordert, dass das Oberkommando der Armee eingreift, um al-Baschir
zu beseitigen, ein Wunsch, der jetzt erfüllt wurde. Bisher sind seine
Bestrebungen hinsichtlich der Notwendigkeit einer radikalen Zerstörung des alten
Regimes bewundernswert klar. Er hat eine „Regierung aus patriotischen
ExpertInnen“ sowie eine „vollständig zivile Regierung“ verlangt.

Unabhängig von den demokratischen Bestrebungen ihrer
Mitglieder wird sie sich zweifellos gezwungen sehen, die Interessen des
Großkapitals und des ausländischen Imperialismus zu wahren, solange die
Repressionsmaschinerie, die über den Massen der Bevölkerung steht und ihnen
nicht verantwortlich ist, existiert und die reale Macht monopolisiert.

Sudanesische RevolutionärInnen werden zweifellos an
das Schicksal des arabischen Frühlings 2011 in Ägypten, Syrien, Jemen und
Libyen denken, wo trotz des Mutes der jungen RevolutionärInnen ihre Bewegungen
durch eine brutale Rückkehr des alten Regimes zerstört wurden. Solange das Oberkommando
der Armee, die islamistischen Parteien und die staatliche Bürokratie intakt
bleiben, auch wenn ihre derzeitigen FührerInnen zurück- oder beiseitetreten,
bleibt die Gefahr einer Konterrevolution bestehen. Die einzige Antwort ist eine
Revolution, die den ganzen Weg geht, die repressive Macht des Staates auflöst,
die Kontrolle über die Wirtschaft von der korrupten KapitalistInnenklasse
übernimmt und die Macht in die Hände der Werktätigen legt.

Was nun?

Der zukünftige Fortschritt der Bewegung hängt von zwei
Dingen ab. Erstens müssen die ArbeiterInnen auf jede Razzia des TMC mit einem
umfassenden und unbefristeten Generalstreik antworten. Zweitens müssen die
SoldatInnen des Heeres, die Marineränge und das Luftwaffenpersonal gewonnen
werden, um sich tatsächlich den Massen auf den Straßen anzuschließen und ihre
Waffen mitzubringen. Sie müssen SoldatInnenkomitees in den Kasernen bilden und
OffizierInnen entfernen, die AgentInnen des alten Regimes geblieben sind.
SoldatInnen und MatrosInnen sollten in der Tat ihre Kommandeurinnen selbst
wählen.

Es ist offensichtlich, dass der TMC beabsichtigt, von
seinem ägyptischen Gegenstück zu lernen, um die Revolution unter seine
Kontrolle zu bringen und zu zerschmettern. Die Antwort der revolutionären
Bewegung muss darin bestehen, weiter unablässig daran zu arbeiten, die
einfachen SoldatInnen, untere Polizeiränge usw. für die Seite der Revolution zu
gewinnen. Wirkliche Sicherheit für das Volk wird nur gewährleistet sein, wenn
sich die  Basis der Streitkräfte
den ArbeiterInnen, StudentInnen und Jugendlichen bei der Wahl der
revolutionären DelegiertInnenräte anschließt und eine Volksmiliz bildet.

Jede provisorische Regierung muss sich auf diese Räte
stützen und ihnen gegenüber verantwortlich sein. Nur auf solche Kräfte kann man
sich verlassen, wenn es darum geht, Wahlen zu organisieren und die
demokratische Rechenschaftspflicht einer souveränen verfassunggebenden
Versammlung zu gewährleisten.

Aber sobald sie geschaffen sind und Macht in ihren
Händen halten, sollten solche Räte weitergehen und eine auf ihnen basierende
Republik gründen – eine, die die dringenden Bedürfnisse der Armen in Stadt und
Land auf Kosten der reichen und korrupten Elite, der großen UnternehmerInnen
usw. erfüllen kann. Kurz gesagt, die demokratische Revolution muss durch das
Handeln der ArbeiterInnenklasse, der Frauen, der Jugendlichen und all der
Ausgebeuteten und Unterdrückten in Stadt und Land in eine soziale Revolution
umgewandelt werden.

Die internationale Antwort

Al-Baschir hatte die Unterstützung des ägyptischen
Diktators, Präsident Abdel Fatah El-Sisi (Abd al Fattah as-Sisi) und von
Mohammed bin Salman, dem mörderischen saudischen Kronprinz. Er wurde außerdem
stillschweigend von Donald Trump und auch von Benjamin Netanjahu unterstützt.
Auch Wladimir Putin kann in die Gemeinschaft der imperialistischen DiebInnen
aufgenommen werden, die den sudanesischen Diktator unterstützten, sowie der

„Khartum-Prozess“ der Europäischen Union, um
Flüchtlinge von der Mittelmeerüberquerung abzuhalten. Jetzt haben all diese
Kräfte ihre Unterstützung auf den TMC übertragen und werden jedem Versuch
Hilfestellung leisten, die Ordnung wiederherzustellen.

Aus all diesen Gründen sollten SozialistInnen und
GewerkschafterInnen sowie die Frauen- und Jugendbewegungen auf der ganzen Welt
ihre Stimme zum Beistand für die Revolution im Sudan laut erheben und ihre
Regierungen auffordern, die Unterstützung jeglichen Militärregimes gegen das
Volk einzustellen. Da sich Algerien noch immer in revolutionären Turbulenzen
befindet und in Marokko Massendemonstrationen ausbrechen, wird es nötig und
möglich sein, die Revolution in eine gegen alle diktatorischen Regime in der
arabischen Welt und auch in Afrika südlich der Sahara auszuweiten.




Revolution im Sudan

Liga für die Fünfte Internationale, 11. April 2019, Infomail 1051, 13. April 2019

Als al-Baschir die
Macht übernahm, beendete er vier Jahre relativer demokratischer Freiheiten nach
einer Revolution 1985, unterdrückte politische Parteien und unabhängige
Gewerkschaften und führte eine repressive „islamische“ Verfassung ein. In
seinen dreißig Jahren an der Macht ertränkte er ein ganzes Land in Krieg und
Elend. In dieser Zeitspanne töteten Geheimdienste, Polizei und GefängniswärterInnen
Tausende, und viele weitere wurden von seinem Regime gedemütigt, gefoltert und
terrorisiert.

Es war der
Verteidigungsminister Ahmed Awad Ibn Auf, der das Ende der Herrschaft von
al-Baschir im nationalen Fernsehen ankündigte. Er kündigte aber auch an, dass
ein Militärrat für die nächsten zwei Jahre die politische Macht im Land übernehmen
wolle. Erst dann wird es Neuwahlen geben. In der Zwischenzeit wird die
erzreaktionäre Verfassung ausgesetzt, aber der Militärrat wird den
Ausnahmezustand für drei Monate verhängen, mit einer Ausgangssperre jeden Abend
ab 22 Uhr.

Nach
monatelangen revolutionären Erhebungen und der Belagerung des Militär- und Präsidialhauptquartiers
in Khartum feierten Hunderttausende die Verhaftung des brutalen Diktators Umar
(Omar) Hasan Ahmad al-Baschir. Die Festnahme eines Mannes, der den Sudan mit
eiserner Faust regiert hat, seit er 1989 bei einem Staatsstreich die Macht übernommen
hat, ist sicherlich ein Grund für Erleichterung und Freude für Millionen von
Menschen.

Diese Ankündigung
war jedoch eindeutig nicht das Ergebnis einer „demokratischen“ Bekehrung
seitens des Oberkommandos, das al-Baschir jahrzehntelang diente. Indem sie den
Diktator verhaften, wollen sie sich als Freunde des Volkes tarnen, um die
Kontrolle zurückzuerlangen und dann die Revolution zu ersticken, die Millionen
von ArbeiterInnen, Bauern und Bäuerinnen, der städtischen Armen und der
Mittelschicht mobilisiert hat.

Revolutionäre
Situation

Seit vier
Monaten befindet sich der Sudan inmitten einer tiefgreifenden revolutionären
Situation. Riesige Menschenmassen haben jeden Freitag an massiven
Demonstrationen teilgenommen, die zuerst den Rücktritt von Omar al-Baschir und
dann den Sturz des gesamten Regimes der National Congress Party (NCP)
forderten.

Unmittelbarer
Auslöser war die Ankündigung von Preiserhöhungen bei Brot und Benzin. Deren
Hintergrund bildet die grassierende Arbeitslosigkeit, die steigende Inflation
sowie die lähmende Nahrungsmittel- und Kraftstoffknappheit. Rund 80 Prozent der
Bevölkerung muss mit weniger als einem US-Dollar pro Tag auskommen und fast 2,5
Millionen Kinder leiden an schwerer Unterernährung.

Die Abspaltung
des Südsudans im Jahr 2011 entzog dem Land drei Viertel seiner Öleinnahmen und
löste eine anhaltende Wirtschaftskrise aus. Dennoch gab das Regime weiterhin
schätzungsweise 70–80 Prozent der verbleibenden Einnahmen für Kräfte der
inneren Sicherheit und das Militär aus. Es ist völlig korrupt, und die Massen
wissen das.

Obwohl die
Nahrungsmittel- und Treibstoffknappheit die Bewegung antrieb, erhoben die
DemonstrantInnen schon bald politische Losungen – „Freiheit, Frieden und
Gerechtigkeit“ und „Revolution ist die Wahl des Volkes“!

Junge Menschen
und Frauen bildeten das Herzstück der Bewegung, wobei die Kampagne „Nein zur Unterdrückung
von Frauen“ eine führende Rolle spielte. Die zentrale Stellung der Frauen bei
den Protesten wird durch die Figur von Alaa Salah symbolisiert, einer Frau, die
während eines Sitzstreiks im militärischen Hauptquartier ein Gedicht
rezitierte, in dem sie die Bewegung vom Dach eines Autos aus lobte und ihre
Zeilen mit dem Schrei „Thowra!“ –„Revolution“ auf Arabisch – unterlegte.

Die
DemonstrantInnen fordern einen vollständigen Bruch mit dem kulturell und
bildungspolitisch unterdrückenden islamistischen Regime, das besonders hart zu
Frauen ist, und sind sehr skeptisch gegenüber jedem einfachen Ersatz von
al-Baschir durch einen Militärrat.

Der Aufstand
begann in Städten nördlich der Hauptstadt Khartum, an Orten wie Atbara, einem
Eisenbahnproduktionszentrum und Wiege der sudanesischen Gewerkschaftsbewegung.
Die Straßenproteste am Freitag wurden durch Besetzungen von Universitäten und
Schulen, Streiks von ArbeiterInnen des öffentlichen und privaten Sektors,
einschließlich derjenigen in Port Sudan (Bur Sudan) am Roten Meer, verstärkt.
Die starke Organisationstradition der sudanesischen ArbeiterInnenbewegung wurde
am 5. und 13. März in landesweiten Streiks demonstriert.

Die liberale
Opposition und die Rolle der Kommunistischen Partei

Die Kundgebungen
wurden von der „Allianz für Freiheit und Wandel“ organisiert, zu der Berufsverbände,
Gewerkschaften und Oppositionsparteien gehören. Sitzungen des
Koordinierungsgremiums fanden am Sitz der sudanesischen Kommunistischen Partei
SCP statt, die darauf abzielt, „ein möglichst breites Bündnis von politischen
Parteien, bewaffneten Gruppen, demokratischen Massenorganisationen,
Gewerkschaften der Freischaffenden, ArbeiterInnen- und Bauern-/Bäuerinnenbewegungen
sowie StudentInnen- und Frauenverbänden aufzubauen“.

Die 1946 gegründete
SCP war eine mächtige Kraft im Land und in der Armee bis zu ihrer Teilnahme am
gescheiterten Staatsstreich von 1971, der mit dem Sieg von General Dschafar
Muhammad an-Numairi und der Hinrichtung der wichtigsten FührerInnen der SCP
endete. Seit vielen Jahren operierte sie im Untergrund und die von ihr
beeinflussten Gewerkschaften wurden aufgelöst. In jüngster Zeit ist die Partei wieder
aufgetaucht, obwohl eine Teil ihrer Führung, darunter 16 Mitglieder ihres
Zentralkomitees, immer noch im Gefängnis sitzt.

Es ist zu
erwarten, dass die SCP, die eine kontinuierlich stalinistische Vergangenheit
hat, die Strategie der Volksfront übernehmen wird, d. h. auf eine
Regierung drängen wird, die VertreterInnen der besitzenden und der
ausgebeuteten Klassen vereint. Dies wäre, wie es immer war, ein Rezept für eine
Katastrophe, und die ArbeiterInnenklasse und die Armen würden der Früchte ihres
revolutionären Kampfes beraubt.

Die
entscheidende Frage ist, wie bei jedem zutiefst revolutionären Umsturz, ob die
ArbeiterInnenklasse dabei eine unabhängige Rolle spielt. Nur wenn die ArbeiterInnen
die Führungsrolle übernehmen, die ihnen ihr Platz in der Produktion ermöglicht,
können die Ziele der Demokratie gesichert werden, ganz zu schweigen von den
sozialen Bedürfnissen der ArbeiterInnen, Bauern/Bäuerinnen und Armen.

Der Verband der freien
Berufe hat als Sprecher der Bewegung eine herausragende Rolle gespielt. So hat
er beispielsweise wiederholt gefordert, dass das Oberkommando der Armee
eingreift, um al-Baschir zu beseitigen, ein Wunsch, der jetzt erfüllt wurde.
Bisher sind seine Bestrebungen hinsichtlich der Notwendigkeit einer radikalen
Zerstörung des alten Regimes bewundernswert klar. Seine Erklärung vom 11. April
lautet:

„Wir behaupten,
dass das sudanesische Volk nicht weniger als eine zivile Übergangsbehörde
akzeptieren wird, die sich aus einer patriotischen Gruppe von Fachleuten
zusammensetzt, die nicht an dem tyrannischen Regime beteiligt war. Die Führung
der Streitkräfte unseres Volkes sollte die Macht an das Volk selbst übergeben,
gemäß dem, was in der Erklärung von Freiheit und Wandel zum Ausdruck kam.“

Aber auch eine „Regierung
patriotischer ExpertInnen“, unabhängig von den demokratischen Bestrebungen
ihrer Mitglieder, wird sich zweifellos gezwungen sehen, die Interessen des Großkapitals
und des ausländischen Imperialismus zu wahren, solange die
Repressionsmaschinerie, die über den Massen der Bevölkerung steht und ihnen
nicht verantwortlich ist, existiert und die reale Macht monopolisiert.

Sudanesische
RevolutionärInnen werden zweifellos an das Schicksal des arabischen Frühlings
2011 in Ägypten, Syrien, Jemen und Libyen denken, wo trotz des Mutes der jungen
RevolutionärInnen ihre Bewegungen durch eine brutale Rückkehr des alten Regimes
zerstört wurden. Solange das Oberkommando der Armee, die islamistischen
Parteien und die staatliche Bürokratie intakt bleiben, auch wenn ihre
derzeitigen FührerInnen zurück- oder beiseitetreten, bleibt die Gefahr einer
Konterrevolution bestehen. Die einzige Antwort ist eine Revolution, die den
ganzen Weg geht, die repressive Macht des Staates auflöst, die Kontrolle über
die Wirtschaft von der korrupten KapitalistInnenklasse übernimmt und die Macht
in die Hände der Werktätigen legt.

Vorhersehbar
reagierte das Regime auf die sich entwickelnde Bewegung mit Repression,
einschließlich des Einsatzes scharfer Munition seitens der Spezialeinheiten der
Sicherheitskräfte und der Milizen der islamistischen Bewegung, bei dem zwischen
30 und 60 DemonstrantInnen getötet wurden. Der Stabschef der Armee, Kamal
Abdelmarouf, warnte im Januar: „Wir werden nicht zulassen, dass der
sudanesische Staat zusammenbricht oder ins Chaos stürzt.“

Sondergerichte
haben bereits Hunderte zu harten Strafen verurteilt, darunter neun Frauen zu je
zwanzig Peitschenhieben. Oppositionszeitungen werden seit Januar an der Veröffentlichung
gehindert. Das sudanesische Journalistennetzwerk berichtet, dass rund 90 ihrer
JournalistInnen verhaftet wurden. Am 22. Februar wurde der einjährige
Ausnahmezustand verhängt.

Wilson Berridge,
Autor des Buches „Civil Uprisings in Modern Sudan“ (2015), hat geschrieben:

„Das Regime von
Al-Baschir hat eindeutig aus den Fehlern seiner Vorgänger gelernt. Es hat viel
stärkere National Intelligence Security Services (NISS, Inlandsgeheimdienste)
sowie eine Vielzahl anderer paralleler Sicherheitsorganisationen und
bewaffneter Milizen geschaffen, mit denen es Khartum anstelle der regulären
Armee überwacht. Diese Einrichtung, kombiniert mit der gegenseitigen Befürchtung
verschiedener Kommandanten, im Falle eines Sturzes des Regimes für
Kriegsverbrechen zur Rechenschaft gezogen zu werden, bedeutet, dass eine militärische
Intervention nicht so leicht wie 1964 oder 1985 erfolgen wird. Das ist ein
Grund, warum der gegenwärtige Aufstand bereits länger gedauert hat als seine
Vorgänger.“

Bislang hat die
Repression die Bewegung weder beendet noch eingeschüchtert, ja sie hat sie
sogar eskaliert. Tausende von DemonstrantInnen, die sich dem Tränengas der
Polizei widersetzten, versammelten sich am 6. April vor dem Hauptquartier der
Armee in der Hauptstadt und forderten die SoldatInnen und das Oberkommando auf,
ihre Forderungen nach dem Rücktritt von al-Baschir zu unterstützen. Der riesige
Komplex beherbergt auch die offizielle Residenz von Baschir und das
Verteidigungsministerium. Sie gewannen bald die offene Sympathie von Sektionen
niederer Offiziersränge, Unteroffiziers-  und Mannschaftsdienstgraden, die die DemonstrantInnen gegen
Angriffe der islamistischen Milizen und NISS-SchlägerInnen des Regimes
verteidigten. Am selben Tag gab eine undurchsichtige Gruppierung namens „Das Ehrenwerte
der Streitkräfte“ eine Erklärung ab, in der sie drohte, dass die Mannschaftsgrade
und  niederen OffizierInnen zur
Bewegung übergehen würden, wenn das oberste Kommando der Armee ihre Forderungen
nicht offen unterstützte.

Was nun?

Der zukünftige
Fortschritt der Bewegung hängt von zwei Dingen ab. Erstens müssen die
ArbeiterInnen auf jede Razzia, jeden Versuch, ein neues Militärregime zu
errichten, mit einem umfassenden und unbefristeten Generalstreik antworten;
zweitens müssen die Soldaten des Heeres, die Marineränge und das
Luftwaffenpersonal gewonnen werden, um sich tatsächlich den Massen auf den Straßen
anzuschließen und ihre Waffen mitzubringen. Die Massen sollten sich an die Täuschung
des Oberkommandos der ägyptischen Streitkräfte erinnern, das Mubarak absetzte
und behauptete, sich an die Seite des Volkes zu stellen, nur um innerhalb eines
Jahres eine bösartige konterrevolutionäre Diktatur aufzubauen.

Es ist
offensichtlich, dass die sudanesische Armee beabsichtigt, von ihrem ägyptischen
Gegenstück zu lernen, um die Revolution unter ihre Kontrolle zu bringen. Im
Moment ist unklar, wer am „Militärrat“ teilnehmen und wie dessen Politik gegenüber
der Opposition aussehen wird. Eine Taktik könnte die Beteiligung prominenter bürgerlicher
oder gar gewerkschaftlicher oder reformistischer FührerInnen unter fester militärischer
Kontrolle sein. Eine solche Regierung wäre eine fatale Falle für die
Massenbewegung, ein Mittel, um sie von der Straße zu bekommen und ihr die Früchte
ihres Kampfes zu entziehen, indem sie die weitere Herrschaft des Militärs und
der Wirtschaftselite des Landes sichert.

Die Antwort der
revolutionären Bewegung muss darin bestehen, eine solche dreiste Täuschung
abzulehnen, weiter daran zu arbeiten, Soldaten usw. für die Seite der
Revolution zu gewinnen und anstelle eines Militärrates eine provisorische
Regierung zu fordern, die auf ihren eigenen Massenkräften basiert und ihnen
verantwortlich ist. Diese Massen müssen in ArbeiterInnen-, SoldatInnen- und
Bauern-/Bäuerinnenräten organisiert sein. Nur solche Kräfte können die
demokratische Rechenschaftspflicht einer souveränen verfassunggebenden
Versammlung organisieren und sicherstellen.

Wirkliche
Sicherheit für das Volk wird nur gewährleistet sein, wenn sich die  Basis der Streitkräfte den
ArbeiterInnen, StudentInnen und Jugendlichen bei der Wahl der revolutionären
DelegiertInnenräte anschließt. Ihre erste Priorität sollte darin bestehen,
sicherzustellen, dass das Oberkommando der Armee weder auf Repressionen noch
auf die Einsetzung eines Duplikats des alten Regimes zurückgreift. Aber diese Räte
selbst sollten weiterhin eine Republik aus eigener Kraft gründen, die die
dringenden Bedürfnisse der Armen in Stadt und Land auf Kosten der reichen und
korrupten Elite, der GroßunternehmerInnen usw. erfüllen kann. Kurz gesagt, die
demokratische Revolution muss durch das Handeln der ArbeiteInnenklasse, der
Frauen, der Jugendlichen und all der Ausgebeuteten und Unterdrückten in Stadt
und Land in eine soziale Revolution umgewandelt werden.

Die
internationale Antwort

Mohamed Hassan,
ein sudanesischer Abgeordneter der bürgerlichen Popular Congress Party (PCP),
hat seine Enttäuschung über das Schweigen der westlichen FührerInnen über die
Bewegung zum Ausdruck gebracht. „Wir haben mehr Unterstützung erwartet, aber
wir erkennen, dass die internationale Politik von ihren eigenen Interessen
geleitet wird“, sagte er. In der Tat!

Al-Baschir hatte
die Unterstützung des ägyptischen Diktators, Präsident Abdel Fatah El-Sisi (Abd
al Fattah as-Sisi, Freund und Verbündeter von Donald Trump), der im Januar erklärte:
„Ägypten unterstützt uneingeschränkt die Sicherheit und Stabilität des Sudan,
die ein wesentlicher Bestandteil der nationalen Sicherheit Ägyptens ist.“ Und
nicht nur für die „Sicherheit“ Ägyptens unerlässlich, sei hinzugefügt. Mohammed
bin Salman, der mörderische saudische Kronprinz, hat, wie berichtet wird,
stolze 2,2 Milliarden US-Dollar für 10.000 Köpfe zählende sudanesische
Truppen  gezahlt, um sich seinem
schrecklichen Krieg im Jemen anzuschließen, der trotz der Stimmen des
Kongresses, die die Beendigung seiner Unterstützung fordern, stillschweigend von
Donald Trump und auch von Benjamin Netanjahu unterstützt wird.

Es darf auch
nicht vergessen werden, dass die Pläne der Europäischen Union, Flüchtlinge von
der Mittelmeerüberquerung abzuhalten, als „Khartum-Prozess“ bezeichnet werden
und die EU über ein regionales Operationszentrum in der sudanesischen
Hauptstadt verfügt, um ihr Unternehmen zu koordinieren. Vielleicht erklären
diese Fakten das bemerkenswerte Schweigen der westlichen Regierungen und Medien
über den Volksaufstand im Sudan. Wir können auch Wladimir Putin in die
Gemeinschaft der imperialistischen DiebInnen aufnehmen, die die sudanesische
Repression unterstützen. Es gibt glaubwürdige Berichte, dass das russische „Verteidigungsunternehmen“
Wagner, eine Einrichtung in der Nähe zum Kreml, den sudanesischen Behörden
hilft, die Straßen zu kontrollieren.

Aus all diesen
Gründen sollten SozialistInnen und GewerkschafterInnen sowie die Frauen- und
Jugendbewegungen auf der ganzen Welt ihre Stimme zum Beistand für die
arbeitende Bevölkerung und die Jugend des Sudans laut erheben und ihre
Regierungen auffordern, die Unterstützung eines Militärregimes gegen das Volk
einzustellen. Da sich Algerien noch immer in revolutionären Turbulenzen
befindet, wird es eine wichtige Aufgabe sein, den Aufstand gegen alle
diktatorischen Regime in der arabischen Welt und auch in Afrika südlich der
Sahara zu einem gemeinsamen zu machen.

  • Solidarität mit der sudanesischen Revolution!
  • Nein zu einer militärischen Übernahme in Form des „Militärrates“! Nein zum Ausnahmezustand und zur Ausgangssperre!
  • Für eine demokratische, rein zivile Übergangsregierung, die nicht unter der Vormundschaft der Generäle steht!
  • Bildet ArbeiterInnen-, SoldatInnen- und Bauern-/Bäuerinnenräte!
  • Für eine souveräne konstituierende Versammlung unter dem Schutz und der Kontrolle der – Massenorganisationen!
  • Für eine ArbeiterInnen- und Bauern-/Bäuerinnenregierung im Sudan, die auf ArbeiterInnenräten fußt!