Gegen die Eskalation der Konflikte Äthiopiens mit seinen Nachbarn!

Jona Everdeen, REVOLUTION, Infomail 1245, 13. Februar 2024

Wenig zeigt den Zynismus der aktuellen Epoche des Imperialismus mehr, als dass Äthiopiens Ministerpräsident Abiy Ahmed 2019 den Friedensnobelpreis erhielt, als Auszeichnung dafür, dass er den jahrzehntelangen Konflikt zwischen Äthiopien und Eritrea scheinbar beilegte, wobei er bereits ein Jahr später einen extrem brutalen Krieg gegen die aufständische nordäthiopische Provinz Tigray führte. Besonders heraus stach dabei eine von der äthiopischen Zentralregierung verhängte Lebensmittelblockade, mit der Tigray ausgehungert werden sollte und an deren Folgen die meisten der hunderttausenden Opfer starben. Nachdem der im Westen komplett vergessener Krieg 2022 zu Ende gegangen war und ein zweiter in der Nachbarprovinz Amhara knapp verhindert werden konnte, scheint es so, als sei eine Beruhigung damit noch längst nicht in Sicht, denn nun droht Abiy Ahmed eben jenem Land, mit dem seine Vermittlungen ihm einst den Friedensnobelpreis einbrachten – Eritrea. Doch warum kommt Äthiopien nicht zur Ruhe und droht nun, der alte Konflikt mit seinem nördlichen Nachbarn wieder auszubrechen? So viel schon mal: Imperialistische Machtkonflikte spielen hier eine zentrale Rolle.

Vom Blauen Nil zum Roten Meer

Um die aktuelle Situation zu verstehen, muss man zunächst die allgemeine Lage des Landes sowie seine Position im Weltsystem betrachten. Äthiopien ist mit ungefähr 120 Millionen Einwohner:innen das zweitbevölkerungsreichste Land Afrikas, hinter Nigeria und dicht gefolgt von Ägypten, und verzeichnete in den Jahren vor der Coronapandemie ein erstaunliches Wirtschaftswachstum. Das änderte zwar nichts an der Armut der Bevölkerung, jedoch an der Stellung der nationalen Bourgeoisie, welche sich nun in der Lage sah, eine aktivere Rolle auf dem afrikanischen Kontinent zu spielen. Abiy Ahmed schien dafür der geeignete Ministerpräsident zu sein: So kommt er zwar aus der zahlenmäßig größten Volksgruppe, der Oromo, stand jedoch von Beginn an für eine gesamtäthiopische Politik und war bereit, diese notfalls auch mit exzessiver Gewalt durchzusetzen. Um jedoch nach dem Krieg in Tigray und dem Konflikt in Amhara weitere Ausbrüche ethnischer Feindschaften zu verhindern und das ganze Land wieder zu vereinen, muss Ahmed nun auf eine Politik der Versöhnung setzen, und das kann er nur, indem er nationalen „Fortschritt“ verspricht.

Das läuft aber nur auf Kosten anderer Länder Afrikas. Zwei zentrale Projekte sollen den wirtschaftlichen Aufstieg zementieren und Äthiopien zur zentralen Macht Ostafrikas machen: der Bau einer riesigen Talsperre im Blauen Nil zur Gewinnung von Strom und Bewässerung sowie ein Zugang zum Meer für den Export der deutlich gestiegenen Warenmenge.

Der „Grand Ethopian Renaissance Dam“ wird bereits seit 2011 gebaut, seit 2020 langsam mit Wasser befüllt und sorgt für massive Konflikte in der Region. So fürchten Ägypten und der Sudan, dass der Damm, vor allem in den Jahren der Befüllung des Stausees, die Menge an Nilwasser flussaufwärts stark reduzieren wird und damit ihre Wasserversorgung massiv gefährdet. Ägypten drohte gar mit einer militärischen Intervention gegen den Staudamm. Zwar wurde die Lage zuletzt durch den Krieg in Tigray sowie den sudanesischen Bürgerkrieg überschattet, jedoch könnte sich der ägyptische Diktator Al-Sisi (Abd al-Fattah as-Sisi) genötigt sehen, auch zur Stabilisierung seiner eigenen Position seinen Drohungen Taten folgen zu lassen.

Während der Staudamm für Ägypten und den Sudan eine Bedrohung darstellt, sieht Äthiopien ihn als große Chance, seine wachsende Wirtschaft dauerhaft mit genügend Energie durch Wasserkraft zu versorgen und gleichzeitig durch den Bau weiterer anknüpfender Infrastruktur seine Bewässerung deutlich zu verbessern und somit seine eh schon bedeutende landwirtschaftliche Produktion massiv zu steigern.

Ein weiteres, vermutlich noch zentraleres, nationales Ziel Äthiopiens ist der Bau eines eigenen Hafens. So ist es seit der Unabhängigkeit Eritreas 1993 vollständig vom Meer abgeschnitten und muss seine Exporte gegen eine hohe Gebühr über den Hafen von Dschibuti verschiffen. Jedoch reichen die dortigen Kapazitäten nicht aus für die immer weiter steigende Menge an Waren. Während scheinbar noch nach einer diplomatischen Lösung gesucht wird, verschärft sich jedoch inzwischen die Rhetorik gegenüber Eritrea, mit dem Äthiopien sich seit dessen Unabhängigkeit lange Zeit um territoriale Fragen bekriegte. So ließ Ministerpräsident Ahmed verlauten, dass er nicht wisse „was in Zukunft passiert“, sollte „Äthiopiens Wunsch nach einem Meereszugang nicht friedlich erfüllt“ werden. Eine unverhohlene Drohung! Dazu kommt auch noch, dass die Zeit im Moment günstig scheint für ein militärisches Abenteuer.

Dies zeigt der Wiederausbruch alter Konflikte im Kongo und in Darfur, wo sich weder die ehemalige „Weltpolizei“ USA noch sonst eine imperialistische Ordnungsmacht allzu sehr für Frieden und Völkerrecht zu interessieren scheinen. Schließlich hat man alle Hände voll zu tun mit dem Genozid in Gaza und dem Stellvertreterkrieg gegen Russland in der Ukraine.

Äthiopien und Chinas Plan zur Neuaufteilung der Welt

Während Äthiopien momentan noch wie so viele Halbkolonien versucht, zwischen den internationalen Machtblöcken zu manövrieren, scheint es immer klarer zu werden, auf welche Seite es langfristig gezogen wird: auf die Chinas. So ist China nicht nur der größte Handelspartner Äthiopiens, sondern hat auch den Bau des umstrittenen Staudamms finanziert und vermutlich auch Äthiopien den Beitritt zu den BRICS-Plus ermöglicht. Dass China so etwas nicht aus Nettigkeit tut, wissen wir. Es ist vielmehr als Teil seiner Strategie zu sehen, den Kampf um die Neuaufteilung der Welt zu gewinnen.

So könnte Äthiopiens Kampf um einen Zugang zum Meer auch für die Seeroute von Chinas „Neuer Seidenstraße“ relevant werden. Zwar führt diese nach derzeitigen Plänen in Ostafrika über Nairobi und Dschibuti, jedoch ist gerade Letzteres von allen Mächten umkämpft und ein alternativer Hafen, in den Händen eines treuen Verbündeten, könnte für China durchaus verlockend sein. Gerade auch wenn man bedenkt, dass es sich ja in der Vergangenheit schon als Experte für Hafenbau inszeniert hat, wovon man in Sri Lanka ein Lied singen kann.

Auch die Regionalmachtsambitionen der äthiopischen Bourgeoisie könnten sich für China als nützlich erweisen. So könnte das Land am Horn von Afrika in der von China angestrebten Weltordnung als Stabilitätsgarant oder gar imperialistischer Gendarm in Ostafrika dienen.

Während all diese Szenarien momentan noch sehr spekulativ sind, ist dies eines sicher nicht: Wie auch das enorme Wirtschaftswachstum des letzten Jahrzehntes der einfachen Bevölkerung, den Arbeiter:innen, Bauern/Bäuerinnen und Jugendlichen nichts gebracht hat, werden es auch Machtbestrebungen der nationalen Bourgeoisie nicht. Im Gegenteil, die Leittragenden werden sie sein, so wie es in Tigray bereits geschehen ist.

Was braucht es wirklich?

Die einfachen Arbeiter:innen und Bäuer:innen in der Region brauchen keinen Hafen, über dem die äthiopische Flagge weht, und auch keinen Prestigetriumph über Ägypten. Strom und Wasser jedoch brauchen sie sehr wohl und dazu auch noch Nahrung, Kleidung und Schuhe! Das Wirtschaftswachstum lässt wohl Brotkrumen für die einfache Bevölkerung abfallen, sodass die vormals unsäglich hohe Unterernährung zwar rückläufig ist, aber weiterhin bei über 20 % liegt. Frauen und Kinder sind hierbei besonders betroffen. Für die äthiopische Bourgeoisie und den autoritären Ministerpräsidenten bleibt das ein bestenfalls drittrangiges Problem, ganz gleich, was er auch verspricht. Bewaffnete Konflikte, seien sie gegen rivalisierende Volksgruppen oder Nachbarstaaten, werden da erst recht nicht helfen.

Was es stattdessen braucht, ist eine Bewegung der Arbeiter:innen, kleinen Bauern und Bäuerinnen sowie Jugendlichen, die die Produktionsmittel und Anbauflächen unter ihre Kontrolle bringt und in Räten planwirtschaftlich verwaltet. Dafür ist es nötig, dass alle Völker Äthiopiens sich zusammenschließen und gemeinsam kämpfen, wobei das Recht auf nationale Selbstbestimmung für jede dieser Ethnien gewährt werden muss.

Doch nicht nur innerhalb Äthiopiens braucht es den solidarischen und demokratischen Zusammenschluss der Arbeiter:innen und Bauern/Bäuerinnen über ethnische Grenzen hinweg. Diese Bewegung muss gemeinsam kämpfen mit ähnlichen in ganz Ostafrika und einstehen für eine Sozialistische Föderation der afrikanischen Völker! Nur so kann die Macht der Imperialist:innen, ob sie nun aus den USA, Europa oder China kommen, gebrochen werden, die Kontrolle der Rohstoffe denen zufallen, die sie fördern und eine für alle gerechte Verteilung von Lebensmitteln sowie des Wassers der Flüsse und der Nutzung der Häfen gewährleistet werden.




Äthiopien: Krieg, Massaker und Hungersnot für Millionen

Dave Stockton, Infomail 1169, 13. November 2021

Einem Bericht an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zufolge sind 400.000 Menschen in der äthiopischen Bundesprovinz Tigray von einer regelrechten Hungersnot bedroht und weitere sieben Millionen Personen in Nordäthiopien benötigen dringend Nahrungsmittel, Unterkünfte und medizinische Hilfe. Schätzungsweise 2,2 Millionen Menschen sind aus ihren Häusern geflohen. Die Zahl der Todesopfer ist zwischen den Kriegsparteien heftig umstritten, dürfte aber inzwischen mehrere Tausend betragen. Darunter wird auch von Massakern an unbewaffneten Jugendlichen und Frauen berichtet. Ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht, denn die Gräueltaten drohen die Rachegefühle nur noch weiter anheizen.

Trotz des Ausmaßes an Leid werden internationale Hilfsorganisationen wie UNICEF und ÄrztInnen ohne Grenzen durch den jahrelangen Krieg daran gehindert, Hilfsgüter nach Tigray zu schicken; die Regierung hat sogar FahrerInnen dieser Organisationen festgenommen. Dieser „BürgerInnenkrieg“ wird zwischen der Zentralregierung unter der Führung des Premierministers und Friedensnobelpreisträgers Abiy Ahmed Ali auf der einen Seite und der Tigray-Volksbefreiungsfront (TPLF) unter dem Kommando von Debretsion Gebremichael auf der anderen Seite geführt.

Eine große Zahl von Flüchtlingen ist über die Grenze in den Sudan geflohen, in dem sich bereits viele  Menschen befinden, die durch einen internen Krieg und Massaker vertrieben wurden. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat über Vergewaltigungen in großem Stil berichtet, die von beiden Seiten begangen wurden.

Der Krieg begann am 4. November 2020, als die Äthiopischen Nationalen Verteidigungsstreitkräfte (ENDF), einer der größten Militärverbände des afrikanischen Kontinents, einen Großangriff auf Tigray starteten, angeblich als Vergeltung für einen Angriff der TPLF auf ihre nördliche Kommandobasis in der tigrayischen Hauptstadt Mekelle. Ahmed erklärte, wie sich herausstellte zu früh, den Sieg über die TPLF, nachdem seine Streitkräfte die Stadt am 28. November 2020 besetzt hatten.

Eliten und Krieg

Mit 112 Millionen EinwohnerInnen ist Äthiopien, gemessen an der Bevölkerungszahl, der zweitgrößte Staat in Afrika. Die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts (BIP) wird von der Landwirtschaft erwirtschaftet, und zwar in zwei Sektoren: Subsistenzlandwirtschaft auf kleinen Parzellen von bis zu 2,5 Hektar und Anbau von Kaffee und Zuckerrohr für den Exportmarkt.

Die moderne Industrie, hauptsächlich Textilien für den heimischen Markt, trägt nur 10 Prozent zum BIP bei. Vor der Covid-Pandemie und dem Krieg gehörte die Wirtschaft zu den am schnellsten expandierenden in der Region und wuchs nach Angaben der Weltbank in den zehn Jahren bis 2019 um durchschnittlich 10 Prozent pro Jahr. Das Land wurde als „Wirtschaftswunder“ gefeiert, obwohl es gemessen am Pro-Kopf-BIP das drittärmste der Welt war und mehr als 50 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze lebten. Doch die nationalen und regionalen Eliten des Landes haben dieses „Wunder“ (für einige) zu einem erschütternden Absturz gebracht. Im August erklärte der UN-Generalsekretär António Guterres, die Kämpfe hätten „über eine Milliarde Dollar aus den Kassen des Landes abgezogen“.

Der Krieg ist das Ergebnis langjähriger Rivalitäten zwischen den ethnisch geprägten militärischen und politischen Eliten, die das Land nach dem Sturz des Derg-Militärregimes unter der Führung von Mengistu Haile Mariam im Jahr 1991 regierten (Derg: Koordinationskomitee der Streitkräfte, Polizei und Territorialarmee). Das Derg-Regime, das sich auf junge MilitäroffizierInnen stützte und von einer radikalen StudentInnenbewegung unterstützt wurde, hatte praktisch die gesamte Wirtschaft verstaatlicht und auch die feudalen GroßgrundbesitzerInnen enteignet, die die Bauern und Bäuerinnen ausgebeutet hatten.

Dies veranlasste viele StalinistInnen dazu, es als „sozialistische Revolution“ zu bezeichnen, und selbst einige TrotzkistInnen (wie Ted Grant) begrüßten es als „deformierten ArbeiterInnenstaat“, wie sie es in Birma (Burma; heute: Myanmar) und Syrien getan hatten. In der Tat entwickelten viele der ethnischen Gruppen Äthiopiens ab den 1960er Jahren Guerillabewegungen, die sich als marxistisch-leninistisch definierten, wobei sie sich im Allgemeinen eher von Enver Hoxha aus Albanien als von Peking inspirieren ließen.

Nach dem Sturz des Derg dominierten die TigrayerInnen fast 18 Jahre lang die regierende Koalitionsregierung Äthiopiens, die Äthiopische Revolutionär-Demokratische Volksfront (EPRDF), obwohl sie nur 6 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Dies begann sich 2018 rapide zu ändern, als Abiy Ahmed, ein Angehöriger der größten ethnischen Gruppe, der Oromo, deren Anteil an der Bevölkerung bei etwa 35,5 Prozent liegt, Verfassungsreformen einleitete, die den föderalen Charakter des Staates schwächten und der Zentralregierung erheblich mehr Befugnisse verliehen. Gleichzeitig trieb er die neoliberalen Reformen voran, auf die der Internationale Währungsfonds und die Vereinigten Staaten von Amerika drängten. Für seine Rolle bei der Unterzeichnung eines dauerhaften Friedensabkommens mit dem Nachbarland Eritrea wurde er mit dem Friedensnobelpreis 2019 ausgezeichnet. Damit befindet er sich in einer Reihe mit „VerfechterInnen“ von Frieden und Menschenrechten wie Henry Kissinger, Menachem Begin, Barack Obama und Aung San Suu Kyi.

Vor dem Ausbruch des Krieges, bei dem es sich im Wesentlichen um einen Konflikt zwischen der ehemals herrschenden TPLF und Ahmeds neuer Wohlstandspartei handelt, war es bereits seit Monaten zu Mobilisierungen gekommen. Die TPLF hatte gehofft, einen Tigrayaner zum Premierminister machen zu können, doch als Ahmed gewählt wurde, führte sie Regionalwahlen in Tigray durch. Ahmed weigerte sich daraufhin, diese anzuerkennen, und begann, Kräfte zu mobilisieren, um die „unrechtmäßige“ TPLF-Regierung abzusetzen. Diese Handlungen verstießen eindeutig gegen die Verfassung von 1995, in der Äthiopien zu einem föderalen Staat erklärt wurde, dessen Teile das Recht auf Selbstbestimmung haben, bis hin zur Abspaltung.

In Wirklichkeit wurde dieses demokratische Prinzip nie angewandt. Wäre es verwirklicht worden, hätte der Krieg vielleicht vermieden werden können. Die TPLF war jedoch nicht so sehr an der Unabhängigkeit interessiert, sondern vielmehr an der Wiederherstellung ihrer Vorherrschaft in Addis Abeba. Ebenso bestand Ahmeds Priorität darin, die Kontrolle über Tigray zu erlangen, unabhängig davon, was dessen Bevölkerung dachte oder wofür sie stimmte. Der Krieg ist also ein Produkt der völlig undemokratischen Politik zweier rivalisierender Militäreliten, die darauf aus sind, ihre eigenen Länder auszuplündern und zu diesem Zweck den ethnischen Chauvinismus unter den Völkern zu schüren.

In dem 11-monatigen Krieg kam es auf beiden Seiten zu entsetzlichen Massakern und Vergewaltigungen von Frauen. Zunächst zogen sich die tigrayanischen Streitkräfte aus den Städten zurück und führten einen Guerillakrieg, in dem sie sich rasch zu einer schlagkräftigen Kampftruppe reorganisierten. Im Frühjahr fügten sie den Regierungstruppen schwere Niederlagen zu, die schließlich aus Mekelle und anderen Städten vertrieben wurden. Nachdem die TPLF ein Bündnis mit den Oromo-Befreiungskräften und anderen VerfechterInnen der regionalen Autonomie gegen Ahmeds Zentralisierungsbestrebungen geschlossen hatte, erklärte sie, sie werde einen Vorstoß auf die Hauptstadt Addis Abeba anführen. Die Regierung rief bei großen Demonstrationen in der Metropole zu einer massenhaften Unterstützung der Armee auf, um die TPLF und ihre Verbündeten durch eine Gegenoffensive zurückzuschlagen.

Alternative

Keine der beiden Kriegsparteien kann als fortschrittlich angesehen werden, die gewaltsame Aufrechterhaltung der Einheit Äthiopiens kann nur zu reaktionären Folgen führen. Andererseits hätte eine ethnische Balkanisierung des Landes, wie die Ereignisse in Jugoslawien in den 1990er Jahren gezeigt haben, ebenfalls tiefgreifende reaktionäre Folgen.

Nur wenn die ArbeiterInnen, StudentInnen, BäuerInnen und einfachen SoldatInnen sich gegen ihre kriminellen Führungen auflehnen, sie absetzen und Räte aus gewählten und abwählbaren Delegierten bilden, kann die Einheit des Landes auf einer demokratischen und wirklich föderalen Grundlage erreicht werden. Aber diese Demokratie darf nicht unter militärischer Vormundschaft oder der Vorherrschaft der reichen UnternehmerInnenklasse stehen, die ihrerseits ständig die rivalisierenden Imperialismen (China und die USA) oder die regionalen Mächte (Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate) gegeneinander ausspielt. Ihre Verbündeten werden die ArbeiterInnen, Bauern und Bäuerinnen des Sudan, Eritreas und Somalias sein.

In der Zwischenzeit müssen SozialistInnen und GewerkschafterInnen auf internationaler Ebene ein sofortiges Ende der Kämpfe und der Grausamkeiten fordern und die Regierungen Europas und der USA dazu zwingen, massive und bedingungslose Nahrungsmittellieferungen und medizinische Hilfe zu leisten.