Nein zur Berliner GroKo! Gemeinsamen Widerstand organisieren!

Wilhelm Schulz, Neue Internationale 272, April 2023

Nach einer Panne mit Wahlwiederholung inmitten der Zeitenwende ist das politische Berlin erschüttert. Das erste Mal in über 20 Jahren ist die CDU die stärkste Kraft. Alle Parteien der rot-grün-roten Koalition haben an Stimmen verloren. Und nun? Nach Sondierungen zwischen CDU-Grünen, CDU-SPD und SPD-Grünen-Linken hat die SPD die Bombe platzen lassen. Ihr Berliner Parteivorstand ist gegen eine Fortsetzung der bisherigen Regierungskoalition. Die Partei befindet sich zurzeit in Unterredungen für eine Berliner Große Koalition. Auch wenn es sich mit den Grünen und der CDU in allen Varianten um Koalitionen mit offen bürgerlichen Parteien handelt und wir sowohl eine GroKo als auch RGR ablehnen, so handelt es sich nicht um gleiche Qualitäten von Angriffen auf soziale Errungenschaften in der Bundeshauptstadt.

Eine CDU-geführte Regierung bedeutet den finalen Todesstoß für den Enteignungsvolksentscheid in seiner aktuellen Form, führt zu einer „Mobilitätswende“, die auf Autos setzt, einer Ausweitung des Polizeiapparates, mehr rassistischen Polizeikontrollen, einer offeneren Zusammenarbeit mit dem Kapital und vielem mehr.

Konturen eines drohenden Regierungsprogramms

Mit dem Sondierungspapier beider Parteien wird erkennbar, was uns erwarten könnte. Franziska Giffey hatte alle Brücken für die Wiederaufnahme der RGR-Koalition damit eingerissen. Sie sagte gegenüber der Presse, die Grüne wollen nur ihre eigenen Themen durchsetzen und DIE LINKE sei zu zerstritten. Auch wenn es in Teilen nur Schlagworte sind, wollen wir hier eine erste Skizze der drohenden GroKo aufzeichnen.

Wohnen: Dass auf dem Mietenmarkt seit Jahren soziale Verdrängung stattfindet, ist bekannt. In den letzten fünf Jahren ist der Neuvermietungspreis um 48,2 % gestiegen – im letzten Quartal 2022 allein auf durchschnittlich 15,95 Euro pro Quadratmeter nettokalt. Unter den Großstädten ist nur noch München teurer. Die Mär der niedrigen Ausgangspreise ist also schon lange erzählt. Nur die Löhne sind weiterhin geringer als in vielen anderen Großstädten (etwa 10.000 Euro weniger verfügbares durchschnittliches Einkommen pro Jahr im Vergleich zu München). Trotzdem lautet der Lösungsansatz der drohenden GroKo Entlastung durch (v. a.) privaten Neubau. Das Ziel sind 20.000 Wohnungen pro Jahr (Leerstand etwa 0,9 %). Der Perspektive der Enteignung und Verstaatlichung großer privater Immobilienkonzerne wird ein erneuter Riegel vorgeschoben. Sollte (!) die sogenannte Expert:innenkommission zum Volksentscheid von „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ ein positives Votum abgeben, soll ein Vergesellschaftungsrahmengesetz diskutiert werden. Ein solcher Rahmen war bereits seit Tag eins die legale Basis des Volksentscheids und nennt sich Grundgesetz.

Verkehr: Nicht erst seit den Aktionen der Letzten Generation bildet Verkehr in Berlin ein Streitthema. Die Grünen haben mit ihren sogenannten Popup-Radwegen eine Reihe von Straßen in der Stadt entschleunigt. Bei weitem decken diese nicht den Bedarf ab, stellen jedoch – neben der A100 – das bedeutendste Symbol der „Verkehrswende“. Jedoch fällt das Wort „Fahrradverkehr“ mit keinem Wort im Papier. Aber die Stadtautobahn soll vom Treptower Park bis zur Storkower Straße weitergebaut werden. Für 13 Berliner Clubs und zehntausende Berliner Mieter:innen bedeutet das das Ende.

Klima: Dieser Punkt schließt hier nahtlos an. Angesichts des Volksentscheids für ein klimaneutrales Berlin 2030 (26. März) sind hier mehr als warme Worte gefragt. So soll ein 5-Milliarden-Euro-Sondervermögen für den Klimaschutz aufgesetzt werden. Die Hälfte davon soll durch die Streichung der Coronarücklagen (2,6 Mrd. Euro) beglichen werden. Damit abgedeckt werden sollen Gebäudesanierungen, Mobilität und Energiegewinnung. Es ist unklar, inwiefern der Kauf von 51 % der Unternehmensanteile der GASAG davon beglichen werden soll. Die GASAG AG ist der größte lokale Energieversorger, ein Tochterunternehmen von Vattenfall und soll auf Initiative des Mutterkonzerns rekommunalisiert werden – zu überhöhten Preisen.

Innenpolitik und Migration: Einig ist man sich außerdem, dass ein Einbürgerungszentrum eingerichtet werden soll, dass das Antidiskriminierungsgesetz und der Mindestlohn nicht angetastet werden, dass die Polizei sogenannte Bodycams bekommt und dass Videoüberwachung in Modellprojekten getestet werden soll.

Die innere Sicherheit müsse man „ganzheitlich vom Senat aus angehen“, meint Marcel Kuhlmey von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin und zuvor 25 Jahre bei der Polizei tätig. Er rechnet damit, dass der neue Senat Tasern und Bodycams gegenüber aufgeschlossen ist.

Law and Order ist also angesagt bei Aufstockung und weiteren Befugnissen der Repressionskräfte und zügiger Abwicklung von Asylanträgen, Einbürgerung und Abschiebung. Migrant:innen und Linke stehen vor schweren Zeiten. Diese Reaktion auf die Silvesterkrawalle war zu erwarten, schlug doch schon bei der Wiederholungswahl das Pendel zugunsten der CDU aus.

Weiteres: Bis 2026 soll es eine Verwaltungsreform geben. Die Polizei und Rettungsdienste sollen personell und materiell aufgestockt werden. Dabei sollen „Sicherheit und Sauberkeit“ zusammen gedacht werden – was wirklich nicht gesund klingt. Doch trotzdem hat die SPD Kleinigkeiten als Gewinne darzustellen. Das 29-Euro-Ticket (Tarifbereich AB) bleibt erhalten. Die CDU wollte noch den Berliner Mindestlohn und das Antidiskriminierungsgesetz abschaffen. Und auch in diesem Koalitionsvertrag steht erneut (!), dass die Tochterunternehmen der Berliner Krankenhäuser wieder eingegliedert werden sollen.

Koalitionsverhandlungen und Widerstand

Bis Anfang April soll ein Koalitionsvertrag vorgelegt werden. In 13 Fachgruppen wird verhandelt. Und diese haben es in sich, denn Lobbyist:innen sind hier fast überall dabei. Nachdem bekannt wurde, dass Tanja Böhm, die Leiterin von Microsoft Berlin, aus der Fachgruppe zur Digitalisierung ausgestiegen ist, wurde die Büchse der Pandora geöffnet. So ist beispielsweise in der Gruppe zu Gesundheit und Pflege Delia Strunz, ihres Zeichens Cheflobbyistin vom Pharmariesen Johnson & Johnson (Coronaimpfstoff). Daneben sitzt der Vorstand der Barmer Krankenkasse im Gremium. In der Verkehrs-AG sitzt der Bevollmächtigte für die Bundesländer Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern der DB-AG, Alexander Kaczmarek, ein Anhänger der S-Bahnzerschlagung.

Doch hiergegen regt sich Widerstand. Am Samstag, dem 18. März, fand eine Demonstration unter dem Titel „Rückschrittskoalition stoppen“ statt. Laut Veranstalter:innen nahmen etwa 2000 Menschen teil. Das Bündnis hatte sich in Reaktion auf die Sondierungsergebnisse gegründet und umfasst neben Einzelpersonen stadtpolitische, klimapolitische, antirassistische und migrantische Organisationen sowie die Jugendorganisationen von LINKEN und Grünen. Auch die Berliner Jusos haben sich gegen eine Beteiligung an Schwarz-Rot ausgesprochen und organisieren eine NoGroKo-Kampagne.

Die Aktionen richten sich vor allem an die 19.000 Berliner SPD-Mitglieder. Diese sollen Anfang April per Briefwahl über die Senatsbeteiligung abstimmen können – etwa 25 % davon sind Teil der Jusos, also unter 35 Jahren. Eine Auszählung der Stimmen wird am 23. April stattfinden. Bis 20. März hatten bereits drei der zwölf Kreisverbände sich gegen eine Beteiligung an der Koalition ausgesprochen (Neukölln, Tempelhof-Schöneberg und Steglitz-Zehlendorf (!)). Im Parteivorstand sprachen sich 25 Personen für und 12 gegen Koalitionsverhandlungen mit der Union aus. Sollte die Parteimehrheit für Beteiligung stimmen, so könnte Kai Wegner am 27. April Berlins Regierender Bürgermeister werden. Die CDU will über die Frage der Koalition auf einem Landesparteitag entscheiden.

GroKo bekämpfen, aber wie?

Es ist ein Fortschritt, dass sich Widerstand formiert. Aber auch 2017 gab es den in der SPD gegen die Regierungsbeteiligung (auf Bundesebene). Auch beim Volksentscheid von DWE waren es die Jusos Pankow, die für eine Enteignung ab 20 Wohnungen eintraten! Doch weiterhin sind sie die Parteijugend der Sozialdemokratie. Der Kampf muss auch außerhalb der Urabstimmung geführt werden. Andererseits hat der Protest einen faden Beigeschmack, denn bereits Rot-Grün-Rot hat die Polizei ausgebaut, die Bahn zerschlagen, runde Tische mit der Immobilienlobby initiiert, Obdachlosencamps geräumt, abgeschoben, Demonstrationen zusammenknüppeln lassen und so vieles mehr. Rot-Grün-Rot hat sich als unfähig erwiesen, die sozialen Probleme der Berliner:innen zu lösen. Und schlussendlich schafft der Widerstand in der LINKEN eine gemeinsame Gegnerin, die „Giffey-SPD“, wie sie Katina Schubert nennt (LINKE-Landesvorsitzende). Jene Kräfte, die also den Kampf der Regierungsbeteiligung untergeordnet haben, sind nun verwundert, dass die SPD sich dadurch nicht nach links bewegt hat. Ein solcher falscher Frieden ist ein weiterer Fallstrick im Niedergang der LINKEN und eine Nebelkerze, die den Aufbau einer Fraktion der Linken in der LINKEN zu verhindern droht.




Boris Pistorius wird Minister – Zeitenwende im Verteidigungsministerium

Martin Suchanek, Infomail 1211, 17. Januar 2023

Nach dem Rücktritt der unglücklichen, weil etwas aus der Zeit gefallenen Ministerin Lambrecht, vollzieht Kanzler Scholz nun auch auf personalpolitischer Ebene die Zeitenwende zu Militarisierung und Aufrüstung des deutschen Imperialismus.

Trotz massiver Budgetsteigerungen, 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr,  Rekordaufträgen für die Rüstungsindustrie ging bisher alles zu langsam, zu bürokratisch, zu wenig enthusiastisch. Lambrecht stand an der Spitze eines gigantischen Aufrüstungs- und Militarisierungsprojekts wider Willen. Sie vertrat dabei nicht nur sich, sondern auch jenen Flügel der SPD, dem die westliche Kriegspolitik im Kampf um die Ukraine nicht ganz geheuer war und ist. Als Getriebene, nicht Treibende vollzog sie die Wende. Eine Person, die zwar alles mitträgt, aber letztlich zum Jagen getragen werden muss, passt nicht mehr zum Zeitgeist.

Nun sind andere Männer und Frauen gefragt. Noch vor dem offiziellen Rücktritt von Lambrecht formulierte der Bundeswehrverband, welche Eigenschaften und Fähigkeiten von der Spitze des Ministeriums in Kriegszeiten erwartet werden (und welche implizit Lambrecht abgesprochen wurden): Sachkompetenz, Reformwilligkeit, parteiübergreifende Anerkennung, Motivation, die Bundeswehr rasch voranzubringen, Kommunikationsfähigkeit.

Gedient müsse die Person nicht haben, Militärexpert:in müsse sie auch nicht sein, umso bereitwilliger müsse sie sich aber die Zielsetzungen der Truppe und NATO zu eigen machen. Sie müsse diese entschlossen und glaubwürdig vertreten, neue Geldquellen erschließen, die Modernisierung und Anschaffung neuer Waffensysteme voranbringen, soldatisch-freudig eine Führungsrolle im Kampf für „unsere“ Interessen annehmen.

Entspricht Pistorius diesen Wünschen? Wahrscheinlich. Als niedersächsischer Innenminister seit 2013 und als rechter Sozialdemokrat hat er sich als „Sicherheitspolitiker“ schließlich einen Namen gemacht. Wie nur wenige in der SPD steht er für Law and Order. In den letzten 10 Jahren setzte er sich unter anderem für folgende Forderungen ein oder machte sich für diese stark:

  • Überwachung islamischer Vereine, natürlich, um fein säuberlich zwischen schlechten Islamist:innen und guten Gläubigen unterscheiden zu können.

  • Verbot islamischer Vereine.

  • Abschiebung sog. Gefährder:innen und „krimineller Flüchtlinge“.

  • Stärkere Finanzierung von Polizei und Ausweitung von überwachungsstaatlichen Rechten wie z. B. Vorratsdatenspeicherung und Kontrolle des Internets.

  • Deutliche personelle Stärkung der Bundespolizei und ihrer Kompetenzen.

  • Errichtung einer EU-Polizei nach dem Vorbild des FBI.

  • Aufbau einer europäischen Grenzpolizei zum Schutz des Schengenraums.

  • Verbot von Antifagruppierungen und stärkere Verfolgung des „gewaltbereiten Linksextremismus’“.

Natürlich. Der Ausbau und die Modernisierung der Bundeswehr, die Popularisierung und Rechtfertigung des zunehmen Militarismus und einer imperialistischen Außenpolitik stellen andere „Herausforderungen“ dar als der Posten des hannoverischen Innenministeriums. Doch was reaktionären, staatspolitischen Enthusiasmus und ein aktives Verfolgen dieser Ziele betrifft, bringt Pistorius genau jene „Reformwilligkeit“, jene „Kompetenz“, jene „Motivation“ und Hingabe an die Truppe mit, die der Bundeswehrverband einfordert.

Die vereinigten Militarist:innen und Imperialist:innen Deutschlands können zufrieden sein. Boris Pistorius entspricht ihrem Anforderungsprofil und einer Zeitenwende zu mehr Konkurrenz und Krieg.




Parteiordnungsverfahren gegen Schröder scheitert: Genosse der Bosse bleibt SPD-Mitglied

Martin Suchanek, Infomail 1195, 9. August 2022

Längst ist der einstige SPD-Vorsitzende und Bundeskanzler, Gerhard Schröder, seiner Partei zur politischen Last geworden. Doch so schnell wird die Sozialdemokratie jenen Mann nicht los, der ihr einst den Sieg über Helmut Kohl und eine rot-grüne Regierung einbrachte – und dessen Kabinett uns die Unterstützung der Kriege gegen Jugoslawien und Afghanistan, Hartz- und Agenda-Gesetze bescherte.

Doch wegen der rot-grünen Regierungspolitik im Interesse des deutschen imperialistischen Kapitals stand Schröders SPD-Mitgliedschaft ohnedies nie zur Disposition. Unterordnung unter die Interessen der herrschenden Klasse gehört schließlich seit dem August 1914 zum Wesen sozialdemokratischer Politik.

Schiedskommission

17 SPD-Gliederungen hatten in den letzten Monaten vielmehr die Einleitung eines Parteiordnungsverfahrens gegen Schröder – also faktisch dessen Ausschluss – gefordert wegen seiner prorussischen Politik, seiner Freundschaft zu Putin und seiner geschäftlichen Verstrickung mit russischen Energiemonopolen. Vor der Schiedskommission des SPD-Unterbezirks Region Hannover wurden diese Anträge am 7. August allesamt zurückgewiesen. Weitere Instanzen und möglicherweise der Weg vor bürgerliche Gerichte könnten folgen.

Wie schwer oder leicht der SPD die Trennung vom peinlich gewordenen Ex-Kanzler fallen mag, der sein Parteibuch partout nicht freiwillig abgeben will, interessiert uns ebenso wie die Parteiordnung der Sozialdemokratie nur am Rande. Wie einst beim Rechtspopulisten Thilo Sarrazin mag sich ein Ausschlussverfahren über Jahre hinziehen und der bürgerlichen politischen Konkurrenz ständig leichte Munition gegen die Sozialdemokratie liefern. Insofern würde die SPD-Spitze den Fall wohl am liebsten ad acta legen und hofft wohl darauf, dass das Thema „einschläft“, was freilich wenig mehr als ein frommer Wunsch sein dürfte, solange der Krieg um die Ukraine weiter wütet.

So tröstet sich der Co-Vorsitzende Lars Klingbeil mit der Behauptung, dass „Gerhard Schröder mit seinen Positionen in der SPD isoliert“ wäre. Mag sein.

Nicht bloß eine Personalie

Unter den Tisch soll dabei wohl gekehrt werden, dass es mit der Distanzierung von Schröder keineswegs bloß um eine unliebsame Personalie und einen störrischen Ex-Vorsitzenden und -Kanzler geht, der sich mit „seiner“ Partei entzweit hat. Schröder und seine Kabinette standen – wie übrigens auch jene von Kohl und die ersten Merkels – für die außenpolitische Doktrin einer strategischen Partnerschaft mit Russland.

Diese Ausrichtung stellte keineswegs weder bloß Schröders Privatmeinung dar noch beruhte sie, wie es heute die Weißwäscher:innen des aktuellen Kurses der Bundesregierung darstellen, auf einer „naiven“ Einschätzung Putins oder Russlands – und erst recht nicht auf „Männerfreundschaften“.

Die durchaus immer schon fragwürdige Kumpanei eines Kohl mit Jelzin, eines Schröder mit Putin symbolisierte in Wirklichkeit nur eine andere strategische Ausrichtung des deutschen (wie auch des französischen) Imperialismus in den 1990er Jahren und zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf einen eigenständigeren, zur Weltmacht fähigen, von Deutschland und Frankreich geführten imperialen EU-Block. In diesem Rahmen zielte die Partnerschaft mit Russland immer auf dieses Land als Juniorpartner ab, als militärische und geopolitische Größe, die allerdings ökonomisch immer nur eine zweite oder dritte Geige spielen konnte.

Diese strategische Option des deutschen und französischen Imperialismus stellte damals für die USA eine globale Herausforderung dar – und, wäre sie aufgegangen, keine geringere als das heutige China. Die Ukrainepolitik der USA bildete dabei seit 2004 einen der Hebel, um diese mögliche Allianz zwischen Berlin, Paris und Moskau zum Scheitern zu bringen. Spätestens 2014 waren die USA darin so weit erfolgreich, dass die „Partnerschaft“ mit Russland aufgekündigt werden musste. Mit dem Krieg 2022 ist an eine Rückkehr zu diesem Kurs, jedenfalls für die absehbare Zukunft, nicht mehr zu denken.

Derweil müssen die imperialistischen Ambitionen Deutschlands und der EU daher im Rahmen einer US-geführten westlichen Kooperation und NATO-Kriegsallianz verfolgt bzw. bewältigt werden. Für Schröder und anderer Vertreter:innen seines außenpolitischen Kurses findet sich im bürgerlichen politischen Establishment auf absehbare Zeit kein Platz. Daher ging er einiger seiner Privilegien als Ex-Kanzler Verlust, daher will heute in der SPD niemand oder jedenfalls niemand, der/die einen Posten an der Spitze ergattern will, Schröders Namen auch nur in den Mund nehmen.

Doppelmoral

Zweifellos. Schröders zynisch-makabere Unterstützung der russischen Aggression, seine Tätigkeit für das Monopolkapital, die Kumpanei mit dem von ihm zum „lumpenreinen Demokraten“ verklärten Bonaparten Putin empören zu Recht Tausende, wenn nicht Zehntausende sozialdemokratische Parteimitglieder. Sicherlich wollen viele von ihnen aus ehrlichen, gerechtfertigten Motiven endlich den Genossen der Bosse loswerden – nicht nur wegen seiner Russland-, sondern gerade auch wegen der Regierungspolitik unter und seit seiner Amtszeit.

Afghanistan-, Jugoslawienkrieg, EU-Austeritätspolitik und Spardiktate, Hartz-Gesetze, Agenda 2010 und massive Ausweitung des Billiglohnsektors – dafür stand und steht Schröder. Doch nur er? Wohl nicht. Vom Kanzler Scholz abwärts exekutieren die Spitzen der SPD seit Jahren und Jahrzehnten diese Politik des Altkanzlers. Gewandelt hat sich im Wesentlichen „nur“ die außenpolitische, imperiale Ausrichtung.

Doch die zynische Beschönigung der russischen Invasion in der Ukraine darf nicht vergessen machen, dass der NATO-Krieg gegen Afghanistan nicht minder barbarisch war. Wer Schröder wegen seiner menschenverachtenden Pro-Putin-Politik anklagt und vor das SPD-Schiedsgericht bringt, muss sich zumindest die Frage gefallen lassen, warum niemand wegen des nicht minder reaktionären Afghanistankrieges, der Zustimmung zum 100-Milliarden-Sondervermögen, zur NATO-Aufrüstung und –Expansion ein Parteiordnungsverfahren fürchten muss(te).

Die Antwort fällt wenig schmeichelhaft aus – auch wenn es manche SPD-Mitglieder nicht hören wollen: Wer die „richtige“, d. h. westliche imperialistische Politik unterstützt, ist in der SPD gut aufgehoben.




La Fontaine: La Fin

Frederik Haber, Infomail 1182, 21. März 2022

Das Ende seiner parlamentarischen Laufbahn, zuletzt als Fraktionsvorsitzender der LINKEN im Saarländischen Landtag, und seiner Mitgliedschaft in ebendieser Partei dürften auch das Ende seiner politischen Laufbahn bedeuten.

Schon im März 1999, als Lafontaine sein Amt als Finanzminister der Schröder/Fischer-Regierung und alle Ämter in der SPD niederlegte, war ihm das Ende seiner politischen Laufbahn vorausgesagt worden. Die Wende der Sozialdemokratie zur „neuen Mitte“, zu einem Neoliberalismus mit menschlichem Antlitz, wollte der überzeugte „echte“ Sozialdemokrat und auf staatliche Regulierung des Kapitalismus zum vermeintlichen Wohl aller Klassen in Deutschland bedachte Reformist nicht mitmachen.

Die Nachrufe auf Lafontaine von Seiten der rechts gewendeten Sozialdemokratie und des liberalen und konservativen Mainstreams erwiesen sich damals als verfrüht.

Comeback

Er schaffte damals das Comeback. Entscheidend dafür war der Kampf gegen die Agenda 2010 und die Hartzgesetze sowie gegen den Jugoslawien- und Afghanistankrieg unter Rot-Grün. Die Massenproteste hatte er zwar nicht initiiert. Allerdings verstand er es, diese für sich und den Versuch eine Wiederbelebung der Sozialdemokratie zu nutzen – und bis zu einem gewissen Grad war er damit auch erfolgreich. Nachdem die Agendapläne bekannt geworden waren, demonstrierten Hunderttausend in Berlin. Teile der Gewerkschaften riefen zum Widerstand auf. Am weitesten ging die IG Metall in Schweinfurt, die im Juni 2003 praktisch einen ganzen Tag alle Metaller:innen auf die Straße brachte. Der dortige Bevollmächtigte Klaus Ernst lud Lafontaine als Hauptredner ein. Auch wenn die Bewegung nicht zuletzt aufgrund der Unterstützung der Regierung durch die DGB-Vorstände geschlagen wurde, entstand die WASG, die später mit der PDS zur LINKEN wurde. Lafontaine wurde Parteivorsitzender und war damit der einzige Mensch in der Geschichte der BRD, dem dies in zwei verschiedenen Parteien gelang.

Er war Oberbürgermeister von Saarbrücken, Ministerpräsident des Saarlandes – der erste sozialdemokratische – und Kanzlerkandidat der SPD gewesen. Die Wahl 1990 ging verloren und er hatte einigen Anteil daran. Völlig richtig hatte er zwar vorhergesehen, dass die schnelle Einverleibung der DDR in die BRD unter den bestehenden kapitalistischen Bedingungen zu einer Vernichtung der DDR-Industrie führen würde mit all ihren verheerenden Folgen. Diese Zweifel trafen in der Phase des nationalen, konterrevolutionär-demokratischen Taumels, in den die Aufbruchstimmung von 1989 versackt war, auf taube Ohren. Vor allem aber vertrat Lafontaine selbst keine fortschrittliche politische Alternative zu diesem Prozess der politischen Unterwerfung und des ökonomischen Überrollens. Kohls Versprechen der „blühenden Landschaften“ stellte er die letztlich nur unmittelbaren Interessen der westdeutschen Arbeiter:innen gegenüber, genauer deren etablierte Einbindung in das System der Sozialpartner:innenschaft.

Reformistischer Kern

Auch wenn Lafontaines Politik immer wieder als linkssozialdemokratisch betrachtet und verklärt wurde, so zeigt sein politischer Werdegang, dass diese letztlich immer von dem Bemühen geprägt war, die Gesamtinteressen des Kapitals mit jenen der deutschen Arbeiter:innenklasse zu vermitteln.

So hatte er schon vor der Wiedervereinigung die Stahlkrise im Saarland mit ihren Massenentlassungen in den 1980er Jahren „sozialverträglich“ gestaltet. Das war Ende 1990 noch keine Option. In einer Phase von Revolution und Konterrevolution taugen die Rezepte des Reformismus nichts, der sozial„staatlich“ vermittelte Klassenkompromiss der BRD ließ sich nicht auf die ehemalige DDR ausdehnen. Das Kapital nutzte den Sieg im Kalten Krieg und die kapitalistische Wiedervereinigung vielmehr zur Schaffung eines Billiglohnsektors im Osten.

Dass Lafontaine auch Minderheitsmeinungen offen auszusprechen und damit anzuecken vermochte, war das, was ihn immer vor vielen anderen Politiker:innen ausgezeichnet und ihm meist Sympathien entgegengebracht hat. Er war gegen den NATO-Doppelbeschluss gewesen, der massive nukleare Aufrüstung mit Abrüstungsangeboten an die UdSSR verbunden hatte, und hatte sich damit gegen den SPD-Kanzler Schmidt gestellt. Er war der sozialdemokratische Held in der Friedensbewegung und beteiligte sich drei Tage an Blockaden des Raketendepots in Schwäbisch Gmünd-Mutlangen.

Er schlug in der industriellen Krise Ende der 1980er Jahre vor, die Arbeitszeit auch ohne Lohnausgleich zu verkürzen, was auf Empörung in Gewerkschaftskreisen traf. Auch wenn es eigentlich die Realität aller Arbeitszeitverkürzungen beschrieb, wo auch damals schon entgegen der offiziellen Präsentation natürlich die Zeitverkürzung mit Rationalisierung und Inflation verrechnet worden war, so verdeutlichte dieser Lafontaine’sche „Sozialismus in einer Klasse“ auch, dass er keineswegs ein entschiedener Vertreter der Lohnabhängigen war, sondern vor allem einer eines vermeintlich realistischen sozialen Ausgleichs.

Genauso stellte er sich gegen Kanzler Schröder sowohl im Falle des NATO-Angriffs auf Jugoslawien als auch in der Wirtschaftspolitik. Dieser Konflikt endete in seinem schmählichen Rücktritt als Finanzminister. Nachdem er daran beteiligt gewesen war, die übelsten Angriffe der Kohlregierung auf die Arbeiter:innen zu revidieren, plante er eine linkskeynesianistische Politik: die Wirtschaftsförderung mit sozialen und ökologischen Auflagen zu verbinden. Dieses Modell war schon 1999 nicht zu verwirklichen. Schröder setzte vielmehr darauf, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft auf Kosten der Arbeitenden zu verbessern und mit einer darauf ausgerichteten und von Deutschland dominierten EU den US-Imperialismus herauszufordern (Agenda 2010). Lafontaines Modell, das heute in ähnlicher Weise als „Green New Deal“ durch die Reden und Papiere geistert, scheiterte an den sich verändernden Akkumulationsbedingungen des Kapitals.

Diese Utopie, die glaubt, durch staatlichen Druck den Kapitalismus in ein soziales und ökologisches Bett zu zwingen, verkennt, dass er in seinem grundlegenden Charakter auf der Konkurrenz der Kapitalien um die höchste Profitrate beruht. Und zwar global. Sie verkennt auch den Charakter des bürgerlichen Staates.

Beide Irrtümer binden Lafontaine wie so viele andere Reformist:innen an das Wunschbild/Ziel des „Sozialstaates“. Ein starker Staat ist dafür nötig, der auch auf mächtige Teile der herrschenden Klasse Druck ausüben – und Regelungen in seinem Wirkungsbereich durchsetzen kann, dem gegebenen Staat.

Nationalismus und Sozialchauvinismus

Hier liegt der Weg zum Nationalismus und Sozialchauvinismus. Nicht nur die internationale Konkurrenz bedroht diesen zufolge die sozialen und ökologischen Errungenschaften, sondern auch Flüchtlinge und Migrant:innen. Lafontaine spielte eine entscheidende Rolle bei der Formulierung des sog. Asylkompromisses 1992 zwischen CDU/CSU und SPD, dem Anfang vom Ende des heute praktisch inexistenten Asylrechts. Er stellte sich zusammen mit seiner Frau, Sahra Wagenknecht, in den letzten zehn Jahren wiederholt gegen „Fremdarbeiter:innen“ und warf seiner Partei vor, die (vermeintliche) Existenzbedrohung deutscher Facharbeiter:innen durch ungebremste Immigration zu ignorieren.

In seiner Austrittsbegründung aus der LINKEN hat er diese Formulierung wiederholt. Er hat sie mit einer Kritik an der Unterwerfung unter die NATO durch den rechten Parteiflügel verbunden, die aber als Beschwörung des Völkerrechts daherkommt. Völkerrecht ist der Anspruch, dass sich auch die imperialistischen Mächte an Regeln halten. In einer Welt, die auf imperialistischer Ausbeutung beruht, ist dieser Illusion.

Die Kommentator:innen der meisten bürgerlichen Medien bilanzieren, Lafontaine sei gescheitert. Ob offen oder unausgesprochen, in der Logik dieser Damen und Herren steht dahinter das Kriterium, wie sehr er Deutschland und damit seiner herrschenden Klasse genutzt hat. Sozialdemokrat:innen und andere Reformist:innen sind für diese aber immer nur für Jobs nützlich, zu denen die offenen Protagonist:innen der Bourgeoisie unfähig sind. So war nur Brandt in der Lage, die Unruhe und Bewegung der 68er in der Jugend und der Arbeiter:innenklasse zu integrieren und einen „Wandel durch Handel“ mit der DDR zu beginnen. Nur Schröder konnte die massiven Angriffe auf die Lohnabhängigen durchführen.

Lafontaine hat wenig solcher historischen Verdienste für die herrschende Klasse, wenn man davon absieht, dass er die reformistischen Illusionen, denen er selbst anhing, auch tausenden anderen Menschen aufoktroyiert hat. Sein Scheitern stellt das des Reformismus dar, des Versuchs, in einem untergehenden System soziale, humane und ökologische Verhältnisse zu etablieren, sei es, um „was Gutes zu tun“, oder sei es, um dieses System zu bewahren. Dass aus den Bewegungen und Organisationen, die er mit aufbaute, zuletzt aus der LINKEN, nichts wurde, vor allem dass nicht mehr daraus wurde, dass z. B. in der WASG oder der LINKEN sich keine Strömung bildete, die mit dem Reformismus brach, ist nicht nur seine Schuld. Es ist die derer, die sich als revolutionär verstehen und keinen Plan haben, was Reformismus eigentlich ist und wie er bekämpft werden könnte.




Ampelkoalitionsverhandlungen: Drei Mal freie Fahrt fürs Kapital

Leo Drais, Neue Internationale 260, November 2021

Die Ampelregierung von SPD, Grünen und FDP kommt wohl. Entgegen der Regierungsbildung von 2017 scheint es dieses Jahr eine schnelle und reibungslose Einigung zu geben.

Die Grünen mit dem geplatzten Kanzlerintraum und die FDP preschten vor und verkündeten Selfie postend, dass sie gemeinsam auf die Kanzlersuche gehen. Sie entschieden sich für Scholz, Jamaika war angesichts der inneren Krise der Union schnell vom Tisch. Dabei war dieses Manöver kein zufälliges: Nach der Wahl war klar, dass Grüne und FDP die Königsmacherinnen spielen, die zwar in manchem wie der Klimafrage einiges trennt, aber beide bedienen wichtige Teile der Mittelschichten und sind im Gegensatz zur SPD rein bürgerliche Parteien ohne enge Verbindung zu den Gewerkschaften.

Die SPD wiederum steht im Gegensatz zur Union wie auferstanden und einig wie lange nicht da. Zettelte Kevin Kühnert als Juso-Vorsitzender 2017 noch einen Minibasisaufstand gegen die Große Koalition an, ist er als Vizeparteichef mittlerweile fein ins sozialdemokratische Dasein integriert und bringt wie zum Lohn für den Gehorsam auch gleich 49 seiner Juso-FreundInnen mit ins Parlament. Vergessen ist, dass man mal BMW enteignen wollte. Derweil räumt Norbert Walter-Borjans vom linken Flügel das Feld. Den Platz neben Saskia Esken werden wohl – wenn sie denn an der Parteispitze bleibt – Lars Klingbeil vom Seeheimer Kreis oder Hubertus Heil einnehmen. Es kann ja nicht sein, dass ein Kanzler Olaf Scholz einer rein „linken“ Parteiführung gegenübersteht.

Sondierungsergebnisse

In die Sondierung gingen die drei zur Zeit innerlich stabilsten Bundestagsparteien und präsentierten rund vier Wochen nach der Wahl ein zwölfseitiges Ergebnis. Neben dem üblichen Gelaber von Innovation, Zusammenhalt und Zukunftsfähigkeit bürgerlicher Berufspolitik boten die Gespräche doch einen gewissen Aufschluss darüber, was wohl kommt, was nicht, wo es präsentierbare Einigkeit oder unerwähnte Kontroversen gibt.

Ein paar kleine Reförmchen enthält natürlich auch das Sondierungspapier. So wird wohl die Cannabis-Legalisierung in der einen oder anderen Form beschlossen werden. Auch die Absenkung des Wahlalters auf 16 soll kommen, vielleicht auch eine verbesserte staatliche Anerkennung der Rechte nicht-binärer Menschen. Alles unzureichend, aber immerhin.

Von der SPD wird vor allem die Mindestlohnanhebung auf 12 Euro zum Jahrhundertereignis hochstilisiert. Dabei reichen diese schon heute nicht. Die Steuern reduzieren sie weiter und schließlich wird sie großteils, ohne zu kauen, von der Inflation gefressen werden. Darüber hinaus ist unklar, ob der Mindestlohn für alle sofort erhöht oder das, wie in der Vergangenheit, für ganze Branchen stufenweise über mehrere Jahre umgesetzt werden soll.

An die Stelle von Hartz IV soll ein Bürgergeld treten, das Betroffenen gewiss nicht aus der Armut helfen wird. Ein bundesweiter Mietendeckel kommt nicht, stattdessen soll mehr und schneller gebaut werden, was zwar die Wohnungskrise nicht löst und hohe Mieten auch nicht senkt, dem Kapital aber nach wie vor satt Profite bringt.

Zumutungen

Die Coronapandemie scheint für die SondiererInnen um Scholz, Baerbock und Lindner auf dem Papier zumindest schon nicht mehr zu existieren. Booster-Impfung und Herdenimmunität werden’s für den Standort BRD und Europa wohl schon richten. Dafür werden die Überlastung des Gesundheitssystems und der Tod Tausender letztlich billigend in Kauf genommen.

Ausgebaut und aufgerüstet sollen dafür Polizei und Überwachung werden. Gegen alles, was als politisch extrem betrachtet wird, soll ein „Demokratieförderungsgesetz“ kommen, was auch immer das mit sich bringen wird.

Was das grüne Steckenpferd des Pseudoklimaschutzes angeht, wurde das Autobahntempolimit entsorgt, das passioniert-religiöse Rasen bleibt den Deutschen dank der FDP bewahrt. Der Kohleausstieg wird vielleicht doch schon 2030 kommen, vielleicht aber auch nicht. Ansonsten ist die sogenannte Klimapolitik der Ampel eigentlich ein Investitionsprogramm: Unternehmen sollen bei der „sozialökologischen Transformation“ gefördert werden, ansonsten heißt es: mehr Ökostrom, mehr Ökolandbau, mehr E-Mobility – auf der Straße natürlich. Das 1,5 °C-Ziel steht auch auf dem Papier, wenigstens dort, denn Realität wird es mit der Ampel sicher nicht.

Auch abgesehen davon will man viel investieren: Digitalisierung und Bildung sollen dem deutschen Kapital konkurrenzfähige Infrastruktur und Fachkräfte schaffen.

Wie, als würde das alles nichts kosten, bekennen sich die SondiererInnen zur Schuldenbremse. Steuererhöhungen soll’s keine geben, schon gar nicht auf große Vermögen und hohe Einkommen – vor der Wahl noch gegen die FDP kämpferisch angekündigt, hat die SPD es nun, wenn auch etwas kontrovers, vergessen.

Hier zeichnet sich schon jetzt ab: Die Finanzierung der Erneuerung des deutschen Kapitals wird bezuschusst, öffentlichen Einrichtungen und Dienstleistungen fehlt es an Mitteln. Abhilfe schaffen soll dabei wohl ein erneuter Privatisierungsschub – sei es durch Verkauf oder durch „Partnerschaften“ von öffentlichen Einrichtungen und privaten AnlegerInnen.

Konkurrenz als Rahmen

Außenpolitisch scheint die Ampel den bisherigen Kurs fortsetzen zu wollen: klares Bekenntnis zur EU, NATO und transatlantischen PartnerInnenschaft. Abseits aller Beschwörungsformeln zeichnet sich aber ab, dass die rassistische Abschottung der EU fortgesetzt wird und die Bundeswehr massiv aufgerüstet werden soll, inklusive der Anschaffung neuer Waffensysteme (Drohnen für Angriffe) für den Cyberwar und weitere Auslandseinsätze. Offengehalten wird die Suche nach alternativen Verbündeten mit dem Willen zum Multilateralismus.

Zugleich drückt sich in den, öffentlich wenig umstrittenen Bestimmungen der Außenpolitik auch schon das Dilemma der nächsten Regierung wie überhaupt des deutschen Imperialismus aus. Einerseits drängt die starke Exportwirtschaft dazu, vehement beim Kampf um die Neuaufteilung der Welt mitzuspielen, andererseits ist man politisch und militärisch alleine zu schwach dafür. Das nächste Außenministerium wird weiter zwischen Kooperieren und Konfrontieren lavieren, im Gravitationsfeld zwischen den beiden Hauptpolen China und USA versuchen müssen, irgendwie den marodierenden EU-Hinterhof beisammen zu halten, um zumindest halbwegs eigenständig auftreten zu können.

Für die Einschätzung der künftigen Scholz-Regierung ist es zentral, diese Erfordernisse der globalen Konkurrenz im Blick zu behalten. Sie bilden letztlich auch den Rahmen für die Innenpolitik und den Verteilungsspielraum insbesondere gegenüber der ArbeiterInnenklasse. Ohne eine politische oder militärische Strategie, die sie auch nur ansatzweise allein und eigenständig international durchsetzen könnten, auch wenn hier sicher mehr Aggression unter dem Mantel der Verantwortungsübernahme zu erwarten ist, müssen Regierung und Kapital vor allem auf das stärkste Moment des BRD-Imperialismus setzen: die Industriekonzerne und dabei nicht zuletzt auf die AutoherstellerInnen.

Schon am Tag nach der Wahl hat VW 10 Punkte für die Koalitionsbildung gefordert, die klar darauf abzielten, dass der Staat bitteschön die E-Mobilität auf der Straße ordentlich bezuschussen soll, Stichworte: Ladesäulen und Kaufprämien. Auch sonst zieht sich der Tenor des subventionierten Klimaschutzes, der keiner ist, sowie der Digitalisierung durch die Forderungen diverser Unternehmensverbände. Unter grünem Label soll mit massiver Investition das Kapital erneuert werden, um ihm auf dem Weltmarkt neue Wettbewerbsvorteile zu ermöglichen. Gleichzeitig bedingt die globale Konkurrenz aber eben auch, das Kapital steuerlich nicht groß zu belasten sowie die Staatsverschuldung einzudämmen – womit wir wieder bei der Schuldenbremse sind.

Bleibt also die Frage: Wer zahlt das Ganze? Einerseits soll es natürlich die Konkurrenz tun, andererseits die überausgebeutete halbkoloniale Welt im EU-Hinterhof oder dort, wo das Lithium für die E-Autos herkommt. Letztlich stellen sich Regierung und Konzerne gerade dafür auf, dass auch die hiesige ArbeiterInnenklasse dafür aufkommt.

Angriff auf die Lohnabhängigen

Auch wenn unmittelbar keine politisch geführten Großangriffe anstehen wie die Agenda 2010, von der die deutschen Konzerne gerade jetzt massiv profitieren, so werden der von der Ampel angestrebte Umbau der Industrie und die Krisenkosten auf die ArbeiterInnenklasse ohne ausbleibende Gegenwehr weiter abgewälzt werden.

Vor dem Hintergrund einer volatilen globalen Wirtschaftslage, einer gebremsten Konjunktur, einer weltweit weiter grassierenden Pandemie und Krise werden sich die Konjunkturprogramme der USA und der EU wahrscheinlich als unzureichend erweisen, längerfristig die Weltwirtschaft zu beleben. Wahrscheinlich ist vielmehr, dass sie nach einer gewissen konjunkturellen Sonderwirkung rasch verpuffen, weil die grundlegenden Krisenmomente – fallende Profitraten, Überakkumulation von Kapital und damit verschärfte globale Konkurrenz – durch diese nicht gelöst, sondern nur aufgeschoben werden.

Vor diesem Hintergrund ist es durchaus denkbar, dass die Ampelkoalition im Laufe der Legislaturperiode auf ein größeres, grundlegendes Angriffsprogramm umschaltet. Die sog. Rentenreform zeigt, wohin die Reise dabei gehen könnte. Die Deutsche Rentenversicherung soll auf dem Kapitalmarkt die Rente bei 48 % des Einkommens sichern. Eine solche weitere Privatisierung und Finanzialisierung bedeutet natürlich auch, dass die Altersversorgung selbst an die krisenhaften Zyklen des Finanzkapitals gekoppelt wird.

Ebenso wenig wird der Inflation entgegengesetzt, die Mieten bleiben exorbitant, viele durch Corona zerstörte Jobs wohl verloren, Niedriglohnsektor und Prekarisierung wachsen, verdächtig oft spricht das Sondierungspapier von Flexibilisierung am Arbeitsplatz. Proletarische Frauen und rassistisch Unterdrückte werden davon üblicherweise Hauptbetroffene sein, von allem Diversitätsbekenntnis und Gerechtigkeitsgerede der Ampel haben sie so gut wie nichts.

Sämtliche Versprechungen von mehr soziale Gerechtigkeit werden an der kapitalistischen Realität verbogen oder brechen an ihr, die Abkehr der SPD von einer Vermögenssteuer ist Teil davon.

Großangriff auf Jobs

Der angestrebte Umbau der Industrie bedeutet aus Kapitalsichtweise, Arbeitskräfte einsparen zu können. Genau darauf zielt die Digitalisierung zu einem Gutteil ab. Hier läuft der Großangriff bereits. In der Autoindustrie ist der Stellenabbau längst eine Realität und wird weitergehen: Mit über 170 000 Stellenstreichungen wird für die nächsten Jahre gerechnet.

Die Rolle der SPD als führende Regierungs- und bürgerliche ArbeiterInnenpartei ist hierbei nicht zu unterschätzen. Sie macht Politik für das Kapital, hat aber noch immer soziale Wurzeln in den schweren Bataillonen der deutschen IndustriearbeiterInnenschaft – um deren Arbeitswelt und -platz es in den nächsten Jahren gehen wird. Einerseits muss die SPD dem Kapital irgendetwas abringen und der ArbeiterInnenklasse anbieten, das Sterbebett der Sozialdemokratie ist immerhin noch warm. Gerade im gemeinsamen Regieren mit der FDP liegt hier Sprengstoff, selbst wenn die Vermögenssteuer vom Tisch ist. Andererseits bietet die SPD in ihrer engen Verbindung mit der DGB-Bürokratie und der dadurch ausgeübten Kontrolle über zentrale Sektoren der Klasse dem deutschen Kapital auch einen Vorteil in der Durchsetzung der geplanten „Transformation“.

Und der DGB?

Dazu passt, dass der DGB im Grunde kaum was zu den Verhandlungen der letzten Wochen gesagt hat. Er setzt damit auf seine Weise den Kurs des Burgfriedens mit dem Kapital fort. Die IG Metall und ihre Betriebsräte begleiten den Jobkahlschlag, der durch Investitionen der Ampelregierung mitfinanziert wird – Gelder, die letztlich über Steuern ebenfalls zu großen Teilen von der ArbeiterInnenklasse kommen. Anstatt den Abwehrkampf anzugehen, wird mitgestaltet und die Beschäftigten werden ruhig gehalten, Lohnkämpfe, die die Inflation ausgleichen, gibt es nicht – über die unmittelbar tariflichen Fragen hinausgehende politische Streiks, die z. B. die Wohnungsfrage oder den Klimaschutz zum Thema machen, schon mal gar nicht. Es liegt hier schon der Verweis darauf verborgen, wie wichtig der Aufbau einer klassenkämpferischen Opposition zu den Gewerkschaftsapparaten gerade wird.

Natürlich werden die Koalitionsverhandlungen nicht ohne Kontroversen ablaufen. Die Frage der Investitionsfinanzierung und die Begleichung der Coronaschulden ist noch nicht abschließend geklärt. Die Möglichkeiten zur Investition sind begrenzt. Worauf wird sich also konzentriert? Auf das E-Auto oder doch auf die Bahn? Gibt’s 5G nur für die Stadt oder auch auf dem Land? Wie hoch wird das Bürgergeld? Und: Wer besetzt welches Ministerium?

Wie auch immer diese Fragen von Scholz und Co beantwortet werden: Für die ArbeiterInnenklasse und Unterdrückten gibt’s in der kommenden Periode nicht viel mehr als ein paar Krümel. Sie sind gut beraten, sich auf Abwehrkämpfe vorzubereiten.

In vielerlei Hinsicht könnten die kommenden Jahre entscheidende für eine längere Periode werden. In der Klimakrise wird in vier Jahren schon sehr absehbar sein, wie es um die 1,5 °C steht. Der Kampf um die Neuaufteilung der Welt drängt früher oder später zu Entscheidungsschlachten. Der Umbau und die Erneuerung der Industrie finden jetzt statt – nicht für den Klimaschutz, wohl aber für die Stellung des deutschen Kapitals in der Welt entscheidend. Entlassungen, Kürzungen, Armut werden zunehmen.

Warum wir eine Aktionskonferenz brauchen

Der Rechtsruck hat tiefe Spuren hinterlassen, die Zerbröckelung des bürgerlichen Lagers zeigt sich nicht zuletzt in der ersten 3-Parteien-Regierung seit Adenauer. Je nachdem, wie sie sich den Massen verkauft, kann sie das Hinsterben der „bürgerlichen Mitte“ und den Rechtsruck verzögern oder verstärken. Angesichts neuer Geflüchtetenbewegungen, Pandemie und vielfachen sozialen Abstiegs liegen rechtspopulistische bis faschistische Kräfte von AfD bis Dritter Weg schon auf der Lauer.

Die Stärkung bürgerlicher und rechter Kräfte ist aber nur eine mögliche Entwicklung. Eine fortschrittliche Alternative dazu wird jedoch nur zu einer realen Möglichkeit werden, wenn die Reorganisation der ArbeiterInnenklasse angegangen, sie zur zentralen, eigenständigen Kampfkraft gegen Krise, Kapital und Klimakatastrophe wird. Der Sieg des Berliner Volksentscheides Deutsche Wohnen & Co. enteignen, die riesigen Demonstrationen von Fridays for Future, die zahlreichen Waldbesetzungen und eine Reihe anderer großer Mobilisierungen in den letzten Jahren zeigen nicht nur, dass neue Bewegungen entstanden bzw. im Entstehen begriffen sind, sie verweisen auch auf ein Potential des Widerstandes.

Diese Mobilisierungen gilt es, zu stärken und zugleich das politische Bewusstsein der AktivistInnen zu erhöhen. Wie können wir Enteignungen wirklich durchsetzen? Wie können wir Massentlassungen und Privatisierungen stoppen? Wie können wir verhindern, dass Inflation und Preissteigerungen mühsam erkämpfte Lohnerhöhungen gleich wieder wegfressen? Wie können wir der imperialistischen Außenpolitik und der rassistischen Abschottung Deutschlands und der EU entgegentreten? Wie können wir den Kampf für reale, sofortige Verbesserungen mit dem um eine andere Gesellschaft verbinden?

Es braucht daher dringend die Debatte um Ziele und Mittel unseres Kampfes und darum, wie wir diese Auseinandersetzungen wirklich verbinden können. Das aber fällt nicht vom Himmel. Es braucht einen konkreten Startpunkt dafür, diese Diskussion und einen gemeinsamen Kampfplan zur Gegenwehr zu organisieren – eine Aktionskonferenz. Sie sollte nicht aus einem linken Für-sich-Selbst bestehen, sondern im Gegenteil größtmöglich die Organisationen der ArbeiterInnenklasse einbeziehen, allen voran die Gewerkschaften oder jedenfalls deren oppositionelle Kräfte, Linkspartei und SPD-Linke oder mindestens alle, die nicht stramm hinter Scholz oder der Koalitionspolitik der Realos in der Linkspartei stehen.

Eine solche Aktionskonferenz sollte sich darauf konzentrieren, konkrete Forderungen und Kampfmittel festzulegen, um den wichtigsten Angriffen gemeinsam auf der Straße und im Stadtteil, in den Betrieben und Büros, an Schulen und Unis entgegenzutreten. Wir schlagen vor, sie Anfang 2022 Spektren übergreifend zu organisieren und dort einen bundesweiten Mobilisierungsplan zu beschließen und überall Bündnisse aufzubauen, die diesen Kampf koordinieren.




Olaf Scholz als Zugpferd?

Jürgen Roth, Infomail 1113, 14. August 2020

Stolz präsentierten sie Scholz. Am Montag, dem 10. August, verkündeten der Bundesfinanzminister und die SPD-Vorsitzenden Esken und Walter-Borjans auf einer gemeinsamen Pressekonferenz, dass man sich auf einen Spitzenkandidaten für die nächste Bundestagswahl geeinigt habe. Dass der Parteitag die Entscheidung absegnen wird, gilt als sicher.

Die beiden Vorsitzenden und der Vizekanzler präsentierten sich nicht nur in trauter Eintracht. Sie waren sogar etwas stolz darauf, dass sie vor allen anderen Parteien einen Spitzenkandidaten vorzuweisen haben und dass von diesem „Coup“ vorab nichts an die Presse gedrungen sei. Einigkeit beginnt in der SPD mit Schnauze Halten.

Absichtsbekundungen

Auch wenn die Umfragen im Keller sind, so gibt sich die SPD ambitioniert. Bis zur nächsten Bundestagswahl wolle sie natürlich verlässlich die Arbeit der Großen Koalition fortsetzen, dann aber solle ein „echter“ Politikwechsel mit einer linken „Reformkoalition“ folgen. Der kategorische Ausschluss einer Koalition mit der Linkspartei auf Bundesebene wurde nebenbei offiziell begraben – womit sich die politischen Zuggeständnisse von Scholz und Co. an die Vorsitzenden auch schon erledigt haben. Alle anderen „Brüche“ mit neo-liberalen doktrinären Marotten wie der „Schwarzen Null“ wurden nicht aus besserer Überzeugung, sondern aus pragmatischer Akzeptanz des Notwendigen angesichts einer historischen Krise des Kapitalismus und einer globalen Pandemie vollzogen.

Scholz gab als Ziel aus, die Umfragewerte der Partei zu steigern (aktuell zwischen 14 und 15 %) und die nächste Regierung anzuführen. Da er sich im gleichen Atemzug von DIE LINKE distanzierte wegen deren Ablehnung der NATO, stellt sich die Frage, wie das funktionieren soll, sofern die Linkspartei – was sicher nicht auszuschließen ist – nicht noch weitere Abstriche und Verrenkungen bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr macht.

Da natürlich auch zweifelhaft ist, ob die SPD überhaupt vor den Grünen landen wird, hat die Vorsitzende Esken in einem ARD-Interview schon erklärt, die Sozialdemokratie sei bereit, auch unter einer grünen KanzlerInnenschaft „Verantwortung“ zu übernehmen. Walter-Borjans mutmaßte, Scholz genieße hohes Ansehen in der Bevölkerung wegen seiner Fähigkeit, Krisen zu meistern. Deshalb wurde er auch einstimmig (!) von Vorstand und Präsidium nominiert.

Reaktion der Parteilinken

Doch nur Teile des linken SPD-Flügels zeigten sich angesichts dieser Personalentscheidung ratlos oder gar ablehnend. So Hilde Mattheis (Vorsitzende des Vereins Forum DL 21): „Warum versuchen wir, mit der immer gleichen Methode ein anderes Ergebnis zu erwarten?“ Andrea Ypsilanti zog den Schluss, dass die SPD als „transformatorische Kraft im Zusammenspiel mit Bewegungen“ ausfalle. Einigkeit sieht anders aus! Aber diese Kritik teilt auch nur eine Minderheit der Parteilinken. Die meisten tun so, als wäre die Entscheidung für Scholz keine politische Weichenstellung, als hätte sich der Architekt von Agenda 2010 nach links bewegt, nur weil er auch Kanzler werden wolle.

Viele Parteilinke verteidigen jedenfalls die Nominierung. Annika Klose, Berliner Juso-Vorsitzende, hofft auf Rot-Rot-Grün unter dem SPD-Spitzenkandidaten. Pragmatismus und Regierungserfahrung seien ein Vorteil und der Wahlkampf werde als Team geführt. Die Konjunkturprogramme in der Corona-Krise seien mit den Parteivorsitzenden und dem Juso-Bundeschef Kühnert abgesprochen, Schuldenaufnahme, Mehrwertsteuersenkung, Grundrente und die im Sozialstaatspapier versprochene Abkehr von Hartz IV hätten linke Akzente in der Großen Koalition markiert. Sie setzte ihre Hoffnung auf mehr Umverteilung, Schließen von Steuerschlupflöchern, Wiederbelebung der Vermögenssteuer und Änderungen bei der Erbschaftssteuer und auf diesbezügliche Unterstützung durch die EU. Hoffnung machte ihr auch, dass Olaf Scholz eine Regierungsbeteiligung ohne die Union haben möchte. Wiederum: mit wem? Fastnamensvetter Schulz hatte Ähnliches nach der verlorenen letzten Bundestagswahl verkündet – das Ergebnis ist bekannt.

Auch Fraktionsvize Miersch, seines Zeichen Sprecher der Parlamentarischen Linken, und Kevin Kühnert äußerten sich ähnlich. Letzterer gibt seinen Juso-Vorsitz im Herbst auf und kandidiert für den Bundestag. Dafür hat er gleich eine Eintrittskarte ins Scholz’sche (Schatten-)Kabinett gelöst und die Unterstützung der Parteijugend zugesagt. Im Unterschied zu den vergangenen Jahren marschierten Topleader und Jusos in eine gemeinsame Richtung! Gleichzeitig warnte er seine GenossInnen vom linken SPD-Flügel vor „destruktiver Kritik“.

In diesen Worten schwingt nicht unberechtigte Sorge mit. Schließlich sehen Teile der Parteibasis – und erst recht Millionen Lohnabhängige – Scholz als Architekten von Agenda 2010 und der Rente mit 67. Hilde Mattheis kritisierte, dass die SPD sich mit der Wahl der beiden neuen Parteivorsitzenden eigentlich von ihrer Politik der vergangenen Jahre verabschieden wollte. „Eigentlich“ wollte man schon vor 3 Jahren die Große Koalition aufkündigen und noch „eigentlicher“ erwiesen sich die „linken“ HoffnungsträgerInnen als SteigbügelhalterInnen für das Zurück zur Politik der vergangenen Jahre!

Bröckelt die Basis?

Einige linke BasisaktivistInnen verlassen die SPD, so der Vorsitzende des Vereins NoGroKo, Steve Hudson. Er und viele Tausende hätten Esken und Walter-Borjans gewählt, damit sie die SPD-Basis gegen die Politik und Person Scholz vertreten, die im Wahlgang eine heftige Schlappe erlitten habe, nur um gestärkter denn je dazustehen. Er monierte auch, dass der Kandidat weder von einem Parteitag noch von den Mitgliedern gewählt wurde. Scholz habe die derzeitigen Zustände mit erschaffen, mit verteidigt und argumentiere für sie bis heute.

Innerhalb der organisierten Parteilinken hat sich im Vergleich zur Gemengelage vor 3 Jahren die Situation weitgehend geklärt. Nur noch in DL 21 versammeln sich SozialdemokratInnen, die auf eine personelle und inhaltliche Linkswende der SPD hoffen. Doch sie üben keinen Einfluss auf die Programmatik aus. Sie werden das auch weiterhin nicht tun, wenn sie nicht den Kampf innerhalb der Gewerkschaften um eine andere Führung aufnehmen. Schließlich ist die Bindung an die und die Kontrolle der Gewerkschaften  das einzige übriggebliebene organische Bindeglied zur organisierten ArbeiterInnenklasse, andere (Genossenschaftswesen, Kultur, Sport, ArbeiterInneneinfluss auf die Ortsvereine, Vorfeldorganisationen wie Jusos, Falken, ArbeiterInnensamariterbund, AWO, Mietervereine …) existieren entweder nicht mehr oder sind geschwächt und sind vor allem zum Tummelplatz reiner KarrieristInnen geworden.

Grüne und DIE LINKE

Die SPD ist schwer angeschlagen nach einer langen Serie von Wahlniederlagen und Personalquerelen. Die Grünen legen sich nicht fest und schielen auch auf Union und FDP. DIE LINKE profitiert nicht davon.

Am Wochenende, 8./9. August, noch vor der Verkündung von Scholz‘ Kandidatur erklärte die SPD ihre Bereitschaft zur Regierungszusammenarbeit mit der Linkspartei im Bund – nach 30 Jahren Unvereinbarkeitspose gegenüber PDS/DIE LINKE! Wir haben oben ausgeführt, von welchen Widersprüchen die SPD derzeit geprägt ist. Hier wird ein weiterer hinzugefügt. Es ist zu bezweifeln, ob mehr dahintersteckt, als sich viele Optionen für eine ungewisse Zukunft offenzuhalten.

Doch auch DIE LINKE wird nicht um die Frage herumkommen, wie sie mit ihrer bisherigen Rolle gegenüber der SPD umgehen will. Parteichef Bernd Riexinger sieht als entscheidend an, ob es inhaltliche Übereinstimmungen gibt. Er findet an den Aussagen vom vergangenen Wochenende interessant, dass die SPD das Hartz-IV-System überwinden, Sanktionen abschaffen, einen deutlich höheren Mindestlohn und Reiche stärker besteuern wolle. Offen bleibe die Frage der Friedenspolitik wie eines sozial-ökologischen Umbaus. Mit der LINKEN seien Kampfeinsätze der Bundeswehr nicht zu machen. Und was ist mit der NATO, Genosse Riexinger? Dass die Linke im Mai 2020 Gregor Gysi einstimmig zum außenpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion gewählt hat, zeigt, dass die Parteispitze und der Apparat eine Koalition mit SPD und Grünen nicht abgeneigt sind und sie faktisch vorbereiten.

Natürlich beteuert DIE LINKE weiter, dass sie keinen Koalitionswahlkampf betreiben werde, sondern eigene Positionen durch starke Unterstützung aus sozialen Bewegungen, Gewerkschaften und Sozialverbänden verankern wolle. Doch das kann sie leicht verkünden, einen „Koalitionswahlkampf“ verlangt von ihr ohnedies niemand, zumal sie über andere Regierungsoptionen eh nicht verfügt.

Um den Willen zur Regierung auszudrücken, reicht es schon, wenn Riexinger erklärt, dass die CDU als Regierungspartei abgelöst gehöre. Momentan erschweren zweifellos eher die Grünen einen solchen „Politikwechsel“, sollte es denn die parlamentarischen Mehrheiten dafür geben. Diese haben sich schließlich der CDU schon seit längerem angenähert und erwägen, wie die Interviews des ehemaligen „Linken“ Trittin zeigen, eher eine Koalition mit der Union als eine Regierung mit SPD und Linkspartei.

Genau diese Umorientierung der Grünen mag aber andererseits dazu führen, dass sich auch die Linkspartei „härter“ in ihren Bedingungen gibt. Warum soll sie gleich alle politischen Positionen für ein Projekt fallenlassen, das auch mit ihrer Zustimmung ungewiss, wenn nicht unwahrscheinlich ist?

Dass die SPD ein mögliches rot-rot-grünes Projekt in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes stellen wird, hängt daher nur bedingt damit zusammen, dass sie wirklich daran glaubt. Sie hat vielmehr kein anderes, mit dem die Partei überhaupt „geeint“ antreten kann. Man kann so auch viel leichter so tun, also ob sie nicht nur für einen Bruch mit der Großen Koalition, sondern auch für eine nicht näher definierte „andere“ Politik stünde.

Wahlkampf-Konstellation wie 1998?

Ein Vorteil der frühzeitigen Kandidaten„wahl“ besteht darin, dass Scholz sich von jetzt an profilieren kann. Er hat mehr Zeit, ein Programm und ein Team aufzubauen, als die KonkurrentInnen. Der zweite „Vorteil“ besteht für die Partei darin, eine Richtungsdebatte, wie zuletzt 2017 geführt, vermieden zu haben – unter Komplizenschaft großer Teile des „linken“ Flügels wie seitens der Jusos und der Vorsitzenden!

Die Geschichte der ersten rot-grünen Bundesregierung 1998 liefert einige Parallelen zur heutigen Lage. Es waren immer Leute der Mitte, wenn nicht sogar vom rechten Flügel, die neuen Machtkonstellationen auf der linken Flanke des traditionellen Parteiensystems den Boden bereitet haben (Börner in Hessen Mitte der 1980er Jahre, Schröder 1998 im Bund), während linke Kräfte wie Ypsilanti 2008 dabei scheiterten. 1998 hatte Langzeitkanzler Kohl seinen Zenit überschritten, Langzeitkanzlerin Merkel will 2021 nicht mehr antreten. 1998 kandidierte mit Schröder ein erfahrener Landespolitiker als Gesicht für die Massen im Gespann mit dem linken Parteichef Lafontaine als programmatischer Kopf.

Anders als 1997/98 gibt es heute aber keine ernsthafte gesellschaftliche Bewegung, die eine (rot-)rot-grüne Option stärken und tragen könnte, wie es damals in Massenaktionen gegen die Angriffe der Kohl-Regierung und in der Erfurter Erklärung zum Ausdruck kam. Die Wahl des Duos Schröder-Lafontaine bildete den Auftakt zu einer sozialdemokratischen Tragödie samt Kriegseinsätzen und Agenda 2010. Mit dem Trio Esken, Scholz und Walter-Borjans wiederholt sie sich – als politische Farce.




SPD-Bundesparteitag: Alles kann, nix muss?

Tobi Hansen, Neue Internationale 243, Dezember 2019/Januar 2020

In der Stunde der Not ist auf „linke“ SozialdemokratInnen
Verlass. Auf dem Altar der „Einheit“ der Sozialdemokratie opferten Norbert
Walter-Borjans und Saskia Esken ihren bei der Urabstimmung um den Parteivorsitz
gerade errungenen Erfolg. Ein „Kurswechsel“ fand auf dem Parteitag nicht statt.
Er wurde vertagt, verschoben – die Große Koalition macht samt Olaf Scholz
weiter.

Dabei hatte der Sieg der beiden keynesianisch orientierten
KandidatInnen Walter-Borjans und Esken für einige Tage den SPD-Apparat, die
Bundestagsfraktion ebenso wie die bürgerliche Konkurrenz verunsichert.
Womöglich würden die beiden „unerfahrenen“ AußenseiterInnen nicht nur
Scholz/Geywitz übertrumpft haben, sondern auch noch die SPD-Politik ändern und
die Große Koalition beenden.

Nicht nur AfD, FDP und CDU, sondern auch etliche bürgerliche
Medien malten den „Linksschwenk“ der SPD an die Wand. Der Partei drohe der
Untergang, wenn sie keine „staatspolitische Verantwortung“ zeige, also den Kurs
beende, der sie an den Rand der politischen Existenz gebracht hatte. Genährt
wurden diese Befürchtungen durch die teilweise „radikalen“ Forderungen der
neuen Vorsitzenden und ihrer UnterstützerInnen.

Einige davon gingen zwar in die Beschlüsse des Parteitags
ein. Sie stellen jedoch angesichts der wichtigsten politischen Entscheidung des
Parteitages wenig mehr dar als eine Beruhigungspille für Jusos, Parteilinke und
GroKo-GegnerInnen. Entgegen den Hoffnungen und Forderungen des linken
Parteiflügels entschieden sich die neuen Vorsitzenden und der Parteitag dafür,
über die Fortführung der Bundesregierung erst gar nicht abzustimmen. Der
Parteitag verpflichtete die SPD-Regierungsmitglieder zu – nichts.

Einigkeit über alles

Dies entsprach der Parteitagsregie, auf die sich die neuen
Vorsitzenden und der alte Vorstand, Parlamentsfraktion und Apparat im Vorfeld
geeinigt hatten. Kampfabstimmungen sollten zu allen Fragen vermieden werden –
und das wurden sie auch.

Relativ rasch nach der Urabstimmung wurde klar, dass im
gemeinsamen Antrag des geschäftsführenden Vorstandes und der neu gewählten
Vorsitzenden kein Ende der Bundesregierung gefordert wurde. Stattdessen soll es
„Nachverhandlungen“ und Gespräche mit der Union geben, so die Kompromisslinie.
Vor allem die DGB-Bürokratie hatte ihre Vorstellungen für den Fortbestand der
Großen Koalition deutlich geäußert.

Der neue Vorstand wurde relativ einhellig gewählt: Norbert
Walter-Borjans erhielt 89,2 % und Saskia Esken 75,9 % der Stimmen.

Die gesamte „Einhelligkeit“ wurde bei der Wahl zu den
stellvertretenden Vorsitzenden deutlich. Da jedoch eine Kampfabstimmung
zwischen Juso-Chef Kühnert und Arbeitsminister Heil „drohte“, wurde die Zahl
der StellvertreterInnen einfach erhöht. Eine Kampfabstimmung hätte schließlich
den „Burgfrieden“ zwischen dem Regierungslager und den neuen Vorsitzenden
ziemlich gefährdet. Daher wurde noch am ersten Tag die Anzahl der zu Wählenden
auf 5 erhöht. Beide Kandidaten, Heil und Kühnert, kamen durch, wenn auch mit
den schlechtesten Ergebnissen. Kühnert landete mit 70,4 % knapp vor Heil mit 70
%.

Klara Geywitz, die mit Scholz zuvor gescheitert war, wurde
ausdrücklich auf Vorschlag der neuen Vorsitzenden als Vizechefin gewählt (76,8
%) genau wie die eher „links“ verortete Landesvorsitzende aus Schleswig-Holstein
Serpil Midyatli (79,8 %) und die Landeschefin aus dem Saarland Anke Rehlinger
(74,8 %).

Der erweiterte Parteivorstand, welcher von 36 auf 24
verkleinert wurde, inkludiert zum einen einige Kabinettsmitglieder (Giffey,
Schulze, Roth, Maas). Außerdem wurden „Fraktionslinke“ wie Miersch, der bei der
Wahl das beste Ergebnis erzielte, neben rechten SozialdemokratInnen wie
Pistorius gewählt. Berlins Bürgermeister Müller oder Ex-Parteivize Stegner
flogen immerhin deutlich aus dem Vorstand.

Kräfteverhältnis?

Ausgeschlossen von dieser Regie des Parteitages versuchte
das Forum Demokratische Linke 21 (DL 21) um die Abgeordnete Hilde Mattheis, den
Antrag für den sofortigen GroKo-Ausstieg doch durchzubringen. Dies wurde sehr
deutlich abgelehnt. Kühnert, zuvor die „Führungsfigur“ des No-GroKo-Lagers,
verteidigte und veranschaulichte den Kompromiss vor dem Parteitag. „Er verspüre
keine Oppositionssehnsucht in der Partei“, ließ er verlauten – und sprach
sodann gegen die Parteilinken. Keine Oppositionssehnsucht verspüren zweifellos
Kabinett, Fraktion und die bisherige Führung in Bund und Ländern. Die neuen
Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken konnten sich durch die
Einbindung der vormaligen Konkurrenz und den Aufstieg von Kühnert zunächst eine
Machtbasis schaffen, zuvor hatten sie de facto keine. Unisono waren auch alle
SozialdemokratInnen aus fast allen Lagern überzeugt, dass sie nur gemeinsam die
programmatische Erneuerung schaffen, an Glaubwürdigkeit wiedergewinnen und
alles aus der GroKo rausholen können. Neu im Amt landeten sie somit bei einer
Neuauflage der gescheiterten Nahles-Politik, das Land zu regieren und im
„Erneuerungsprozess“ zugleich virtuelle Opposition zu spielen. Diese Politik
scheiterte auf ganzer Linie – eine Wiederholung wird die Sache nicht besser
machen.

Die neuen Vorsitzenden werden zunächst gemeinsam mit
Vizekanzler Scholz und Fraktionschef Mützenich im Koalitionsausschuss die
„Gespräche“ führen. Dies gilt schon mal als „Erfolg“ einer anspruchslos
gewordenen Sozialdemokratie. Esken betonte, dass „die Parteien die Verträge
machen“ werden. Walter-Borjans/Esken vertreten zwar eine klassische
keynesianische Umverteilungspolitik und wollen mit der neoliberalen Agenda der
Regierungszeit brechen – aber nicht jetzt und nicht in der Praxis. Nach den
Beschlüssen des Parteitages zeigt sich nun auch Finanzminister Scholz bereit,
für Investitionen die „schwarze Null“ hinter sich zu lassen. Selbst Kreise der
Union würden die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro bis 2021 zunächst
unterschreiben. Ein unverbindliches „Mehr“ für Klimaschutz und Digitales ließe
sich für die Große Koalition ohnedies gut verkaufen.

Dies soll allen Ernstes eine „strategische“ Ausrichtung
darstellen. Das Profil soll „geschärft“ werden, die „sensationellen Ergebnisse“
der SPD-MinisterInnen, allen voran die Grundrente von Hubertus Heil, sollen
gewürdigt werden. Walter-Borjans/Esken stünden zwar weiterhin für ein
frühzeitiges Ende der GroKo zur Verfügung – aber sie wollen und werden es
selbst nicht aktiv in Angriff nehmen. Die Führungen der DGB-Gewerkschaften,
ihre Apparate und FunktionärInnen scheinen derzeit die verlässlichsten
Agenturen für den Erhalt der Bundesregierung zu sein, auch wenn – ähnlich wie
in der SPD – unter der Oberfläche auch dort Konflikte schwelen.

Auch wenn der Parteitag die „Einheit“ erhalten sollte, so
versuchen beide Seiten, BefürworterInnen wie GegnerInnen der GroKo, die
Kräfteverhältnisse zu ihren Gunsten zu verändern. Eine wichtige Rolle wird
dabei die Fraktion einnehmen, die sich zuvor noch recht deutlich für
Scholz/Geywitz als neue Vorsitzende ausgesprochen hatte. Dort stellt die
„Parlamentarische Linke“, der auch Saskia Esken angehört, ca. ein Drittel der
Abgeordneten. Zusammen mit dem „Netzwerk“ und dem „Seeheimer Kreis“ sind das
ihre tragenden internen Zusammenschlüsse.

Die „Parlamentarische Linke“ war zwar nie sonderlich
„links“, jedoch im Unterschied zum „Seeheimer Kreis“ immer stark an den
Forderungen der Gewerkschaften, Verbände, NGOs orientiert. Was die neuen
Gespräche in der Bundesregierung im Koalitionsausschuss angeht, wird die
entscheidende Frage sein, ob die neuen Vorsitzenden eine Basis in der Fraktion
erobern können. Die neuen Vorsitzenden sind nur auf Zeit bestellt. Die
endgültige Haltung zur Bundesregierung ist noch nicht festgelegt, wie auch
Entscheidungen zu den nächsten Wahlen noch anstehen. Der Parteitag stellte nur
eine weitere Station der tiefen Krise der SPD dar.

Ergebnisse und Perspektiven

Auch wenn Norbert Walter-Borjans, Saskia Esken und Kevin
Kühnert de facto zunächst den Nahles- Kurs fortsetzen, so haben sie dafür aber
erst mal neue Mehrheiten. Recht langsam soll eine Verabschiedung von der
„Agenda-Politik“ hin zu einer der Umverteilung (Mindestlohn, Grundrente, Hartz
IV) eingeleitet werden – und all das bei laufender Regierungsbeteiligung
inklusive aller anfallenden Widersprüche zwischen Beschlüssen und Praxis.

In der kommenden Periode wird diese an sich schon
widersprüchliche und selbstmörderische Politik erst recht fatal. Erstens wird
die Union selbst den Preis für die GroKo und damit für Zugeständnisse der SPD –
z. B. in Fragen der Rüstungs- und Verteidigungspolitik – nach oben treiben.
Zweitens verengt die kommende Krise den Verteilungsspielraum selbst für eine
zahme keynesianische Politik.

Bemerkenswert ist nicht so sehr, dass sich auch in der SPD
mit der Wahl von Walter-Borjans/Esken der Wunsch der Mehrheit der
Parteimitglieder manifestierte, mit der offen neoliberalen Politik Schluss zu
machen. Bemerkenswert ist vielmehr, dass der vorsichtige, kompromisslerische Versuch,
den „Sozialstaat“ wiederzubeleben, vom deutschen Kapital, den
Unternehmerverbänden wie auch den bürgerlichen Medien heftig denunziert und
diskreditiert wird. Glaubt man manchen LeitartiklerInnen, so erscheinen die
vorsichtigen Reformbeschlüsse als Weg zu Sozialismus und Chaos. Die mediale
Schlammschlacht gegen Saskia Esken, ihre teuren Schuhe und ihre soziale
Unverträglichkeit im Landeselternbeirat von Baden-Württemberg wird
aufgebauscht. Eine ähnliche Neugier gibt es nicht, wenn es um Friedrich Merz
geht, wahrscheinlich wäre das Material zu umfangreich.

Die Nervosität der deutschen Bourgeoisie erklärt sich
natürlich vor allem aus der Krise der gesamten bürgerlichen Parteienlandschaft,
der EU und des drohenden Zurückfallens in der internationalen Konkurrenz.

Bezüglich der SPD zeigt sie sich gespalten. Einerseits
könnten die Sozialdemokratie, die liebgewonnene Marionette, und die mit ihr eng
verbundenen Gewerkschaften in der kommenden Krise noch einmal zur Befriedung
der ArbeiterInnenklasse gebraucht werden. Daher könnte das Auslaufmodell GroKo
noch nützlich werden, auch wenn abzusehen ist, dass sich die treue Dienerin SPD
nach Kriegen gegen Jugoslawien und Afghanistan, Agenda 2010, EU-Formierung,
Krisenpaketen, Austerität verbraucht hat.

Zum anderen fürchtet die herrschende Klasse, dass sich ein
Machtwechsel in der SPD zu einer späten Wiederbelebung eines linken Reformismus
à la Corbyn auswachsen könnte. Die Niederlage der Labour Party kommt daher auch
innenpolitisch durchaus zur rechten Zeit. Vor allem aber möchte die Bourgeoisie
verhindern, dass die unter Schröder vollzogene Wende der SPD zur „neuen Mitte“
revidiert wird.

Konflikte

Auch wenn die neuen Vorsitzenden die grundsätzlich
bürgerliche Ausrichtung der Sozialdemokratie keineswegs in Frage stellen
wollen, so ist es vom Standpunkt der herrschenden Klasse betrachtet schon ein
Skandal, dass sie zu einer keynesianisch orientierten Umverteilungspolitik
zurückkehren und die Agenda-Politik hinter sich lassen wollen.

Diesen Konflikt, diese Krise der SPD sollten auch die
sozialen Bewegungen und GewerkschafterInnen für ihre Ziele nutzen. Der
Gegensatz zwischen den über 100.000, die mit der Wahl von Walter-Borjans/Esken
auch gegen die Fortsetzung der GroKo stimmen wollten, und der Parteiführung
muss zugespitzt werden – auch mit dem Ziel, ihr Ende zu erzwingen.

2020 kann durch Kämpfe gegen Massenentlassungen,
Tarifrunden, Klimakatastrophe, Mietenwahnsinn und weitere soziale Bewegungen
ein Ende der GroKo herbeiführen. Das erfordert aber, diese Kämpfe und Konflikte
in die DGB-Gewerkschaften zu tragen, die Basis von Linkspartei und SPD zum
gemeinsamen Kampf aufzufordern gegen Klimawandel, für Mindestlohn, Vermögens-
und Reichensteuer.




Armut und Prekarisierung: Hartz IV muss weg!

Tobi Hansen, Neue Internationale, Dezember 2019/Januar 2020

Im November verkündete das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe das Urteil zu den Hartz-IV-Sanktionen. Ausgehend von einem Urteil des Sozialgerichts von Gotha musste überprüft werden, ob die umfangreichen Sanktionen des Hartz-Regimes noch mit dem Auftrag vereinbar wären, das „Existenzminimum“ zu sichern.

Selbst dem Gericht kamen diesbezügliche Zweifel. Es zog
damit immerhin eine banale Wahrheit in Erwägung, die Menschen, die auf Hartz IV
angewiesen sind, längst bekannt ist. Ein wie auch immer definiertes
„menschenwürdiges“ Leben gibt es für diese Bevölkerungsgruppe letztlich nicht.

Sanktionen

Die seit 2004 ausgesprochenen Sanktionen gehen in die
Hunderttausende, ja Millionen – pro Jahr! Für Arbeitslose war stets klar, dass
auch der „volle“ Satz ein „Existenzminimum“ mehr schlecht als recht sichert.
Das belegt allein schon der Ansturm auf die Geldautomaten an jedem Monatsende
in der Hoffnung, wieder Geld zu bekommen. Der Regelsatz für Alleinstehende
betrug 2004 335 Euro, 15 Jahre später liegt er bei 422 Euro. Zusätzlich werden
nur die Miete für eine „angemessene“ Wohnung und die Versicherungskosten
übernommen.

Was die Existenz noch sichern soll, welche Wohnung als
angemessen gilt, darüber entscheidet eine Bürokratie, deren Willkür alle
EmpfängerInnen ausgeliefert sind. Die sog. Sachverständigen rechneten rund um
den Warenkorb, versuchten dabei, die „soziale Teilhabe“ zu integrieren, und
hegten nach 2004 auch den Plan, bis zu zwei Drittel vom Regelsatz als
Sanktionen zu kürzen. Auch das würde nach ihren Berechnungen zum Überleben noch
reichen.

Diese Willkür wurde auch bei den Sanktionen umgesetzt.
Erscheint der/die stigmatisierte Hartzi nicht zum Termin, erfolgt eine Kürzung
von 10-30 %. Auch bei Verspätungen dürfen die SachbearbeiterInnen nach eigenem
Gutdünken entscheiden. Wer zu wenige Bewerbungen pro Monat schreibt oder
angebotene Billigjobs „verweigert“, gilt als „unwillig“ – und kann auch
sanktioniert werden.

Wenn die Entwürdigung und Bestrafung mit
Lebensmittelgutscheinen anstelle von Geld den/die Arbeitslose/n noch immer
nicht gefügig gemacht hat, wird auch die Leistung für die Wohnung gestrichen
bzw. eine Mieterhöhung nicht übernommen.

Mit diesem System wollte die damalige SPD-Grünen-Regierung
den Standort Deutschland für die 
Globalisierung fit machen. Der damalige SPD Fraktionschef Müntefering
brachte mit der Aussage „wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ nicht nur
seine Menschenverachtung zum Ausdruck, sondern auch, wie weitreichend die SPD
dem deutschen Kapital bei der Verarmung der ArbeiterInnenklasse behilflich sein
kann. Das Hartz- und Agenda-System markiert eine strategische Niederlage für
alle Lohnabhängigen, nicht nur die Erwerbslosen. Ohne dieses System wäre die
Ausdehnung „prekärer“ Arbeit, des Billiglohnsektors und erhöhter
Konkurrenzdruck auf die tariflich Beschäftigten unmöglich gewesen.

Dieses System wird grundsätzlich auch vom Verfassungsgericht
nicht in Frage gestellt. Nur seine schlimmsten, menschenverachtenden
„Auswüchse“ sollen abgeschafft oder gemildert werden.

Was wird umgesetzt?

So wird nach 15 Jahren festgestellt, dass die komplette
Streichung der Geldmittel und Zahlungen für die Unterkunft verfassungswidrig
gewesen sind und dem Menschenrecht und der Auslegung des Begriffs
Existenzminimum widersprechen. Nur Kürzungen bis zu 30 % sollen erlaubt sein.
Ausgenommen davon wären noch immer Menschen unter 25, da deren Situation gar
nicht verhandelt wurde.

Somit werden zunächst nur Kürzungen über 30 % ausgesetzt.
Die „Fachebene“ soll nun entscheiden, wie das Urteil praktisch umgesetzt werden
kann und ob die unter 25-jährigen Arbeitslosen auch darunter fallen könnten.
Die TechnokratInnen kapitalistischer Unterdrückung, z. B. im SPD-geführten
Arbeitsministerium, waren schon findig. Möglicherweise gebe es „Lücken“ im
Urteil des Verfassungsgerichts. Gemeinsam mit der Bild-Zeitung, welche nach dem
Urteil den Notstand ausrief, da jetzt die „FaulenzerInnen“ und
„SchmarotzerInnen“ wieder ganz einfach mit Hartz IV überleben könnten,
überlegen BeamtInnen des Arbeitsministeriums, inwieweit addierte Sanktionen
weitergeführt werden können. Die Idee ist so simpel wie zynisch. Wenn die
Kürzung um 60 % verboten ist, dann wäre vielleicht eine sechsmal ausgestellte
10%-ige legal.

Weder bei der Urteilsverkündung noch in der anschließenden
öffentlichen Debatte wurde die Frage gestellt, wie eigentlich mit den
vollstreckten illegalen Sanktionen jenseits der „erlaubten“ 30 % umgegangen
wird? Ein Recht auf Rückerstattung der Leistungen, auf Entschädigung für den
Verlust von Wohnungen, für Obdachlosigkeit … wurde offenbar erst gar nicht in
Erwägung gezogen. Dabei betrafen allein von 2009-2019 die nun als
verfassungswidrig festgestellten Sanktionen insgesamt zwischen 700.000 und eine
Million Menschen pro Jahr.

An dieser Fortschreibung des Unrechts lässt sich ermessen,
wie ernst „linke“ SPD-Versprechungen zu nehmen sind. Während Malu Dreyer als
Interimsvorsitzende mit dem Satz „Wir wollen Hartz IV hinter uns lassen“
hausieren ging, beriet das sozialdemokratisch geführte Arbeitsministerium über
die Fortführung des Sanktionsregimes.

Die Linkspartei fordert die Umsetzung des Urteils und fände
es schön, wenn auch alle Sanktionen abgeschafft würden – eine
Aktionsperspektive zur Abschaffung des Hartz- und Agenda-Systems präsentiert
aber auch sie nicht.

Eine breite Empörung über die staatliche Abzocke der
Arbeitslosen bleibt aus, obwohl es viele drastische Fälle gibt, wo Menschen
aufgrund von Kürzungen ruiniert wurden. So wurden erst vor kurzem die
Leistungen für eine physisch und psychisch erkrankte Hartz-IV-Bezieherin in
Bayern auf 4,24 Euro gekürzt, weil das Einkommen ihres Mitbewohners, eines
Gelegenheitsjobbers, gegen Hartz-IV verrechnet wurde. Da ihr Betreuer
fürchtete, dass sie zu Hause verhungern oder sich das Leben nehmen könnte, wurde
sie in die Psychiatrie eingewiesen.

So geht die Pauperisierung und Verelendung breiter Teile der
Klasse weiter, daran ändert auch der Mindestlohn wenig. Höhere Kosten für
Wohnung, Energie und Verkehr fressen für die Masse jede Erhöhung von Lohn und
Lohnersatzgeldern weg.

Was tun?

Schon 2004 stellte sich die DGB-Spitze gegen die
Anti-Hartz-Bewegung und die Montagsdemos. Die Gewerkschaften nahmen das Urteil
des Verfassungsgerichts zwar positiv auf, aber in den letzten 15 Jahren haben
sie praktisch keinen Finger für die Arbeitslosen krummgemacht.

Im Kampf gegen das gesamte Hartz-IV-System sollten wir uns
daher auch heute auf DGB, SPD, ja selbst auf die Linkspartei nicht verlassen.
Sie müssen vielmehr zu Gegenaktionen getrieben werden.

Gerade den Linken in den Gewerkschaften wie den
AktivistInnen in den sozialen Protesten (Mieten, Sozialinitiativen), aber auch
in neuen Bewegungen kommt dabei eine Schlüsselrolle zu.

Es geht um einen Neuanlauf gegen alle Hartz- und
Agenda-Gesetze. Dieser muss mit Themen wie Kampf gegen Altersarmut oder prekäre
Beschäftigung verbunden werden. Die Forderung nach Abschaffung von Hartz IV
müsste dabei mit dem Kampf um ein Mindesteinkommen von 1.100 Euro plus
Warmmiete für alle Erwerbslosen und RentnerInnen verknüpft werden, das jährlich
entsprechend der Steigerung der Lebenshaltungskosten erhöht wird.




SPD-Vorsitz: Klare Niederlage für Scholz/Geywitz – Große Koalition am Ende?

Tobi Hansen, Infomail 1079, 6. Dezember 2019

Die SPD-Basis
hat sich gegen die VertreterInnen des Parteiestablishments, Finanzminister und
Vizekanzler Scholz und die Bundestagsabgeordnete Geywitz entschieden. Im 2.Wahlgang
votierten letztlich 16.000 Mitglieder mehr für das Duo Walter-Borjans/Esken,
die 114.995 Stimmen gegenüber 98.246 Stimmen für Scholz/Geywitz erhielten. Mehr
Mitglieder als 54 % konnte die entscheidende Runde jedoch
nicht mobilisieren, sicherlich
dem scheintoten Zustand der
Partei geschuldet, auch wenn die Stimmen für
Walter-Borjans/Esken als ein womöglich letztes Lebenszeichen gedeutet werden
können.

Für die gesamte
Parteiführung der SPD stellt das Ergebnis eine schallende Ohrfeige, eine
weitere Niederlage dar. Schließlich hatten sich in der Stichwahl fast alle
„prominenten“ und „erfahrenen“ SozialdemokratInnen für Scholz/Geywitz
ausgesprochen. Fast niemand aus dem Kabinett hielt sich an die interne
„Verabredung“, keine Wahlempfehlungen auszusprechen. Vielmehr positionierten
sich fast alle für Scholz/Geywitz. Die Parlamentsfraktion war erst recht
deutlich gegen Walter-Borjans/Esken aufgestellt. Für
diese Kräfte ging es nicht nur um die Parteiführung, sondern zugleich auch um das Weiterleben der
Großen Koalition, in die sie die Partei nach der verheerenden Niederlage bei
den Bundestagswahlen 2017 manövrierte hatten.

Die dritte
CDU/CSU/SPD-Koalition unter Merkels Kanzlerschaft stand nie unter einem guten
Stern, jetzt könnten ihre letzten Wochen angebrochen sein.
Die Krise der Union wie auch
eine mögliche Neuausrichtung der SPD lassen Neuwahlen 2020 wahrscheinlicher
werden.

Auch die bürgerlichen Medien hatten in den letzten Wochen Vizekanzler Scholz äußerst wohlwollend begleitet, würdigten selbst seine Steuerfahndungsabteilung
für Reiche. Zahlreiche bürgerliche
ExpertInnen und JournalistInnen
stellten der Großen Koalition gar eine
„sozialdemokratische Handschrift“ aus – so als hatte die SPD von der
Öffentlichkeit unbemerkt Politik im Interesse der ArbeiterInnenklasse
umgesetzt.

Trotz aller
Schönfärberei verloren der „Scholzomat“ und damit auch die aktuelle
Regierungsmannschaft und Führung der SPD.

Die Wahl kommt
durchaus einer Zäsur in der Partei
gleich: Das
Führungspersonal, das die Bundesregierungen seit 1998 mitgestaltet hat, das
verantwortlich ist für Jugoslawienkrieg und Agendapolitik, wurde 20 Jahre
später endgültig abgewählt.
Die Frage bleibt nur: Kämpfen die neu
gewählten Vorsitzenden und ihre UnterstützerInnen für einen wirklichen Bruch
mit dieser Politik und damit mit der Großen
Koalition oder werden selbst ihre linkeren reformistischen Versprechen und der
von ihnen geforderte Bruch mit
dem Neo-Liberalismus auf dem Altar
der „Parteieinheit“ geopfert, wird der Regierung und der Parlamentsfraktion unter
linkeren Vorsitzenden praktisch eine Fortsetzung ihrer Politik gestattet?

Wofür stehen
Walter-Borjans und Esken?

Für die
Boulevardmedien und das aufgeschreckte BürgerInnentum Deutschlands stellt die Wahl eine Katastrophe dar. „Der SPD ging es doch schon schlecht, jetzt stürzt sie sich ins Chaos“, titelte die
„Süddeutsche Zeitung“ am 30. November, die FPD zitierend.
HinterbänklerInnen und Unerfahrene würden nicht nur die SPD in den Ruin,
sondern auch die Republik in die Neuwahlen treiben.
So wettern diejenigen, die sich stets gut auf die RegierungssozInnen
verlassen konnten und nun Zweifel daran haben, dass der neue Vorstand ähnlich
willfährig ist.

Auch der
ehemalige NRW-Finanzminister
Walter-Borjans (2010–2017) wie auch die baden-württembergische Bundestagsabgeordnete Saskia Esken nährten diese „Befürchtung“, schließlich wollten sie zumindest den
aktuellen Koalitionsvertrag neu verhandeln. Der Frage nach der Zukunft
der Großen Koalition wichen sie jedoch schon im Wahlkampf um den Vorsitz aus –
und tun es weiter. Es gibt kein explizites Ja oder Nein. Dies wollen sie von
Nachverhandlungen abhängig machen.

Wie fast alle
zur Wahl stehenden KandidatInnen wollten sie die programmatische und politische
Erneuerung der SPD betreiben, diese wieder zur linken „Volkspartei“ machen.
Walter-Borjans selbst strebt Wahlergebnisse von 30 % + x an. Beide spielten besonders die soziale und ökologische
Karte, versprachen einen Mindestlohn von 12 Euro, die Wiedereinführung der
Vermögenssteuer und höhere Steuern für Reiche sowie ein
Ende der „schwarzen Null“, also eigentlich klassisch sozialdemokratische
Politik.

Beide stehen
zweifellos weit weniger links als der britische Labour-Vorsitzende Corbyn. Sie sind klassische
UmverteilungsreformistInnen, wobei MdB Esken einen linkeren Akzent wählt
als der ehemalige Landesfinanzminister Walter-Borjans.

Vor dem
Parteitag

Vom 6–8.12 findet der Bundesparteitag der SPD
statt. Dieser soll eine Bilanz der Bundesregierung ziehen und entschieden, ob
die Partei die Koalition fortführen soll. Derzeit sieht es vor allem nach
unklaren Machtverhältnissen aus. Nicht nur die beiden Vorsitzenden sollen gemäß
der Urabstimmung gewählt werden. Große Teile des Bundesvorstands wie auch die
stellvertretenden Vorsitzenden werden neu bestimmt. Hier wird sich zeigen, wer die neue
Parteiführung dominiert, wer über reale Mehrheiten verfügt. So kündigte
Bundesarbeitsminister Heil seine Kandidatur zum stellvertretenden Vorsitzenden
an. Zur Zeit versucht er, in seinem Ministerium doch noch höhere
Hartz-IV-Sanktionen als vom Verfassungsgericht genehmigt durchzusetzen. Heil
und andere BefürworterInnen der Bundesregierung aus Kabinett und Fraktion
werden versuchen, den neuen Vorsitz
„einzurahmen“, ihn quasi
politisch kaltzustellen durch Mehrheiten im Vorstand. Den Parteiapparat wissen
sie ohnedies auf ihrer Seite.

Um Esken und Walter-Borjans zu stützen, erklärte sich auch der Juso-Vorsitzende Kühnert bereit, „Verantwortung“ zu übernehmen und als stellvertretender Vorsitzender zu kandidieren. Zugleich relativierte er – ganz auf Beschwichtigung des rechten Flügels und der Zentrums der Partei setzend – die Forderung nach einem Bruch der Koalition. Man müsse, so Kühnert, die Sache schließlich vom Ende her denken. So äußerte er gegenüber dem Bonner Generalanzeiger: „Wer eine Koalition verlässt, gibt einen Teil der Kontrolle aus der Hand, das ist doch eine ganz nüchterne Feststellung. Auch das sollten die SPD-Delegierten bei ihrer Entscheidung berücksichtigen.“

Hier kommt die
Furcht des linken Flügels der Partei vor dem eigenen Sieg, vor den Konsequenzen
der eigenen Forderung und Kritik an der Großen Koalition deutlich zum Ausdruck.
Noch schwerer als die Fortsetzung der
arbeiterInnenfeindlichen, imperialistischen Politik an der Regierung wiegt die
„Einheit der Partei“, denn die wollen auch die „Linken“
in der SPD nicht riskieren. So droht der Sieg der GroKo-KritikerInnen und
GegnerInnen der Parteiführung bei der Wahl zum Parteivorsitz durch eine Reihe
von Zugeständnissen, „Sondierungen“, Formalkompromissen zu versanden.

Selten waren die
innerparteilichen Machtverhältnisse so unklar vor einem Bundesparteitag, selten
war die Lage so offen wie jetzt. Die neuen
Vorsitzenden und ihre UnterstützerInnen wollen aber einer
Klärung dieser Fragen ausweichen, zunächst am besten eine direkte Entscheidung zu Fortsetzung oder Bruch der Koalition vermeiden. Vielmehr
soll es ein – möglichst vage
formuliertes – Mandat für
Neuverhandlungen mit den Schwerpunkten Investition, Klima, Soziales und
Digitales geben, das die Entscheidung über die GroKo vom Parteitag praktisch
auf Vorstand, RegierungsvertreterInnen und Parlamentsfraktion verlagert.

Gewerkschaftsbürokratie

Schon am 1.
Dezember machte die Spitze der DGB-Gewerkschaften ihre Position deutlich. Nach
der Entscheidung verkündete DGB-Chef Hoffmann via Bild-Zeitung, was er vom
neuen Vorstand verlange: „Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sollten die
Regierung in der zweiten Halbzeit nach Kräften unterstützen, um die offenen
Projekte aus dem Koalitionsvertrag erfolgreich umzusetzen.“

Ganz ähnlich äußert sich ver.di-Vorsitzender Wernecke: „Die Halbzeitbilanz der Regierung kann aus Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnensicht sowie gesamtgesellschaftlich in mehreren Punkten Positives vorweisen. Dazu gehören die Stabilisierung des Rentenniveaus, Investitionen in Kitas und aktuell die Nachunternehmerhaftung bei Paketdiensten sowie der Ausbildungsmindestlohn und die Schaffung der Voraussetzung für tarifliche Bezahlung in der Altenpflege.“ (https://www.jungewelt.de/artikel/366373.verdi-zur-halbzeitbilanz-der-gro%C3%9Fen-koalition.html)

Wer an der GroKo
so viel Positives zu finden weiß, der lebt offenkundig in einer anderen Welt.
Die DGB-Bürokratie stellt jedenfalls
klar, wofür sie in den
nächsten Wochen und Tagen eintritt – für den Erhalt der Koalition.
Dass dafür auch die SPD endgültig geschreddert werden kann, deuten zumindest
Umfragen an. Die Gewerkschaftsführung ignoriert das geflissentlich. Zusammen
mit dem Kabinett, der übergroßen Mehrheit der Fraktion, den meisten regierenden
SPD- MinisterpräsidentInnen und BürgermeisterInnen sind die DGB-Führung wie
auch jene der Einzelgewerkschaften eindeutig gegen den neu gewählten Vorstand
aufgestellt.

Dass die
Gewerkschaftsführungen und -apparate ihre Augen vor dem Selbstmordkommando
GroKo für die Sozialdemokratie verschließen, entspring freilich kaum mangelnder
Sorge um ihre Partei. Die Politik der Sozialpartnerschaft und der Klassenzusammenarbeit
ist über Jahrzehnte zur politischen Natur dieser Bürokratie geworden, so dass
ihnen eine Politik ohne „vertrauliche“ Zusammenarbeit mit dem Kapital und deren
direkten politischen Vertretungen als Unding, Unsinn, ja als Unmöglichkeit
erscheint. So wie selbst SPD-Linke wie Kühnert im Falle eines Koalitionsbruchs
einen „Kontrollverlust“ in Rechnung stellen, so erscheint der
Gewerkschaftsbürokratie – von den sozialdemokratischen ParlamentarierInnen ganz
zu schweigen – Einfluss nur über Kabinette, Institutionen und
sozialpartnerschaftliche Gremien möglich.

Allen, die sich
von dieser Denke nicht einseifen lassen wollen, soll außerdem die mögliche
Verantwortung für Niederlagen bei Neuwahlen und für das Zerbrechen der Partei
in die Schuhe geschoben werden.

Seit der
Wahlentscheidung werden alle nicht müde zu erwähnen,
dass die SPD ja „eine Partei“ sei und alle zusammen weitergehen wollten
und müssten. Diese Floskeln
sind zum einen ein gutes Anzeichen für den Kampf,
der hinter den Kulissen stattfindet. Schließlich kann sich der Regierungsflügel
nicht sicher sein, am
Parteitag überhaupt eine
Abstimmung zu gewinnen.
Schließlich war schon 2017 die
Entscheidung für die Aufnahme der Koalitionsverhandlungen knapper als beim Mitgliederentscheid.

Zum anderen gebrauchen
gerade der rechte Flügel, RegierungsvertreterInnen und Parlamentsfraktion das
Gerede von der Einheit demagogisch, ja stellen es auf den Kopf. Würden der
Parteitag oder die neuen Vorsitzenden einen Bruch der Koalition betreiben, so
würde sie das womöglich aus der Partei drängen. Einige HinterbänklerInnen,
womöglich gar die Mehrheit der Parlamentsfraktion könnte sich gar weigern, die
GroKo zu beenden. Mit anderen Worten, der rechte Flügel droht unter der Hand
mit Bruch von etwaigen „harten“ Parteitagbeschlüssen – und stellt es so dar,
als wären solche Mehrheitsbeschlüsse unzumutbare Gewalttaten gegen das
großkoalitionäre „Gewissen“. Es ist zu befürchten, dass sich
Walter-Borjans/Esken und ihre UnterstützerInnen auf solche Erpessungsmethoden
einlassen – damit würden sie aber nicht nur einen weiteren Zerfall der SPD,
sondern auch den Anfang vom Ende ihres eigenen Parteivorsitzes vorbereiten.

Reaktion der
Union

Nachdem AKK
„ihren“ Parteitag überstanden hat, will sie ihrerseits
den neuen Vorstand der SPD unter
Druck setzen. Wenn die GroKo
in Gefahr sei, gäbe es keine Grundrente – das zeigt zum einen,
wie egal Altersarmut real in Deutschland ist. Der Wirtschaftsrat der Union hat
selbst schon abgeschlossen mit der Koalition und legt nach –
die ganzen „Geschenke“ an die SPD wie die Grundrente bspw. hätten schließlich nichts gebracht. Die
Botschaft an den SPD-Parteitag ist klar: Entweder ihr nehmt die Krumen vom
Koalitionstisch oder ihr kriegt gar nichts!

Diese Drohung
sollte eigentlich alle verzagten und halb-entmündigten SPD-Delegierten und Aktiven
ermuntern, zumindest sich eben nicht erpressen zu
lassen. Auf deren
„Festigkeit“ sollte sich freilich keiner verlassen.

Perspektive für
einen Linksruck?

Die Wahl von
Esken und Walter-Borjans hat immerhin gezeigt, dass es noch ein gewisses politisches Potenzial gibt. Die 114.995
Stimmen waren solche für
einen Bruch mit GroKo und
der Agenda-Politik, eine Fortsetzung der No-GroKo-Stimmung in Teilen der
Partei. Jetzt stellt sich die Frage, ob sich diese anti-neoliberale reformistische Strömung
formiert und tatsächlich den
Kampf gegen den „Agenda 2010“-Flügel, die RegierungssozialistInnen, die
Parlamentsfraktion und den Parteiapparat
aufnimmt. Alle wichtigen Bestandteile ihrer „Erneuerung“ hätten das Potenzial, die DGB-Mitgliedschaft, also die organische
Verbindung der SPD zur Klasse zu mobilisieren und politisch zu erneuern, gerade
auch gegen die dortige
bürokratische Führung, den verlängerten Arm der Großen Koalition in die
ArbeiterInnenbewegung hinein.

Auch wenn großen Teilen der Linken in Deutschland wenig bis nichts
zu dieser Lage einfällt, so kann dies eine zentrale politische Auseinandersetzung werden.

Während die DGB-Spitze vor allem die Koalition und damit ihren vermeintlichen
Einfluss auf die Regierung
retten will, wäre es doch sehr interessant,
was denn eigentlich die sechs Millionen DGB-Mitglieder von den Forderungen und Vorschlägen der neuen SPD-Führung
halten. Das Ende der Schuldenbremse als strategisches Ziel für mehr
Investitionen in die öffentlichen Güter, die Wiedereinführung der
Vermögenssteuer, höhere Besteuerung der Reichen und einen höheren Mindestlohn
von 12 Euro wie auch das reale Ende von Hartz IV,
all diese „neu“ entdeckten Positionen könnten auch Mittel sein, die Basis der SPD und die
Gewerkschaftsmitglieder zu mobilisieren. Auf dieser Grundlage wäre auch eine
gemeinsame Aktion aller Kräfte der Linken und der ArbeiterInnenbewegung
möglich. Genau diesen Kurs müssten die UnterstützterInnen von
Esken/Walter-Borjans einschlagen.

Juso Chef
Kühnert hatte an anderer
Stelle sogar den stellvertretenden BMW-Betriebsrat
daran erinnert, dass sogar die Verstaatlichung der Schlüsselindustrien in der
Gewerkschaftssatzung stehe. Hier kam sogar etwas „Corbynismus“ zum Vorschein.

Das Forum
Demokratische Linke 21 (DL21) um die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis, eine Art Pro-Corbyn-Strömung in der
SPD, hat dazu
aufgerufen, die Partei möge sich
hinter dem Vorstand „sammeln“.
Doch was heißt das? Hinter
welchem Vorstand? Einem, der für einen Bruch mit Scholz und Heil steht, oder
einem, der in- und außerhalb der GroKo, Regierung und Opposition gleichzeitig
zu sein verspricht?

Nur ersteres
würde wirklich einen Schritt vorwärts darstellen. Es würde zugleich heftigsten
Widerstand und Hetze nicht nur der bürgerlichen Presse und der Unionsparteien
mit sich bringen –es könnte auch zu einem Bruch mit dem rechten Flügel der SPD
führen und würde einen politischen Kampf um die Gewerkschaften erfordern. Wie
selbst das Beispiel des weit linkeren Corbyn und seiner Massenunterstützung in Labour
zeigt, werden sich der rechte Parteiflügel, die strikt sozialpartnerschaftliche
Gewerkschaftsführung durch Kompromisse und Entgegenkommen nicht besänftigen
lassen. Sie wird solche allenfalls annehmen, wenn sie sich zu schwach fühlt,
die SPD unmittelbar wieder unter ihre Kontrolle zu kriegen.

Die Frage der
Großen Koalition spielt dabei eine Schlüsselrolle. Jede Form der Fortsetzung
oder auch „ergebnisoffenen Überprüfung“ wird letztlich den Rechten und
RegierungssozialistInnen in die Hände spielen. Daher sollten die linken, gegen
die Fortsetzung der Großen Koalition eingestellten Delegierten zum Parteitag
jedes Rumeiern um die Koalitionsfrage ablehnen und die GroKo offen zu Grabe
tragen. Damit hätten sie – nach Jahren der Unterordnung unter Kapital und Unionsparteien
– etwas Positives für die ArbeiterInnenklasse getan.




SPD-Vorsitzendenwahl: NRW gegen GroKo?

Tobi Hansen, Neue Internationale 242, November 2019

Zunächst die
Zahlen: 53 % Wahlbeteiligung, d. h. praktisch 213.693 gültige Stimmen
von 425.690 Mitgliedern. Die Übergangsführung um Dreyer, Schäfer-Gümbel und
Schwesig sowie Generalsekretär Klingbeil wollten auf jeden Fall die über 50 %
als basisdemokratische Erneuerung feiern. Dass die sechs zur Auswahl stehenden Duos
über 200.000 Mitgliedern praktisch egal waren, zeigt auch den zerrütteten
Zustand dieser Partei.

Das Duo „Erfahrung
und Vereinigung“, Schwan und Stegner, erhielt 9,6 % und fuhr somit das
schlechteste Ergebnis ein. Köpping und Pistorius, die LandesministerInnen aus
Sachsen und Niedersachsen, erzielten 14,61 %. Sie hatten eher mit „Law and
Order“ und „Sorgen der BürgerInnen“ zu punkten versucht und wurden mit 14,63 %
knapp von Scheer/Lauterbach geschlagen. Diese hatten deutlich Richtung
Rot-Rot-Grün argumentiert, ein „GroKo“-Ende gefordert wie auch mit Klima und
Gesundheit argumentiert. Eher überraschend war, dass Kampmann/Roth, das
dynamische „Wohlfühl“-SPD-Duo mit 16,28 % den 3. Platz machten, nur
geschlagen von den „FavoritInnen“ im Vorlauf. Das nordrhein-westfälische Duo Walter-Borjans/Esken
holte mit 21,04 % den 2. Platz, knapp hinter Scholz/Geywitz die mit 22,68 %
schlussendlich gewannen.

Vom 19.–29.
November wird per Urabstimmung zwischen diesen beiden Duos entschieden. Beim
Bundesparteitag vom 6.–8. Dezember soll das Siegerduo durch die Delegierten
bestätigt werden. Während in der britischen Labor Party die Abstimmung über den
Parteivorsitz zu hunderttausenden Eintritten führte, wollten 47 % der SPD-Mitgliedschaft
darüber nicht abstimmen und schon gar niemand neu eintreten. Da war z. B.
die „NoGroKo“-Kampagne der Jusos 2018 deutlich erfolgreicher. Mehrere zehntausende
Eintritte folgten. Jetzt unterstützt die Jugendorganisation Walter-Borjans/Esken.

Während Scholz/Geywitz
vor allem für ein geräuschloses Weiterregieren in der Bundesregierung stehen –
Scholz macht Vizekanzler und Geywitz Parteiführung –, steht das „NRW“-Duo für
eine Rückbesinnung auf die „linke“ Volkspartei, inkl. Steuergerechtigkeit, digital
für alle und etwas Sozialromantik. Vor allem will es auch eine andere
Regierungspolitik, weiß neben den Jusos auch den größten Landesverband hinter
sich wie wahrscheinlich auch die dortigen DGB-GewerkschafterInnen.

Dass die Konkurrenz
zur aktuellen Bundes-SPD aus NRW kommt, ist nicht überraschend. Hier lebt mehr
als ein Drittel der Mitglieder der Partei und der aktuelle Landesvorstand steht
der GroKo kritisch gegenüber.

Eine „finale“
Krise?

Die zerfaserte
SPD-Linke könnte in diesen Vorstandswahlen und den begleitenden Diskussionen
über die GroKo gewinnen. Es ist aber weder klar, ob sie die politischen
Entscheidungen herbeiführen kann, noch wohin sie eigentlich will – inwieweit
die Jusos, die man nicht insgesamt auf „Kühnert-Kurs“ sehen sollte, die DL 21
um Mattheis/Hirschel oder gar Landesverbände wie Bayern und NRW tatsächlich die
GroKo platzen zu lassen bereit wären.

Gerade deshalb
wäre eine breite Diskussion in den Gewerkschaften, Betrieben, Ortsverbänden,
Stadtteilen, Quartieren eine gute Möglichkeit, tatsächlich große Teile der
Mitgliedschaft zu mobilisieren für ein GroKo-Ende und für einen Bruch mit der
neoliberalen und sozialpartnerschaftlichen Spitze in Partei und letztlich auch
den Gewerkschaften zu kämpfen. Dazu ist die SPD-Linke derzeit jedoch nicht in
der Lage.

Die
krisengeschüttelte SPD erodiert in ihrer aktuellen Krise so sehr, dass sie
ihren letztmöglichen „Sinn“ für den deutschen Imperialismus verlieren könnte.
Dieser besteht ja gerade darin, ihre soziale Basis unter den Lohnabhängigen
„einbinden“ zu können und zugleich als tüchtige Vollstreckerin der
Gesamtinteressen des Kapitals zu fungieren. Bundesweite Umfragewerte von 13 %
lassen Zweifel an dieser Fähigkeit aufkommen. Wird der aktuelle Kurs
fortgesetzt, so könnte für die Partei tatsächlich die „finale“ Phase ihrer
Krise anbrechen.

Für
sozialistische, kommunistische, revolutionäre Linke beinhalten diese Krisen,
Umbrüche und Wendepunkte jedoch Chancen, wenn sie in die Konflikte der
reformistischen Organisationen eingreifen, von deren linken Flügel einen
innerparteilichen Kampf wie auch Mobilisierungen auf der Straße fordern – und
zugleich immer wieder die Notwendigkeit einer revolutionären Alternative, einer
neuen und kommunistischen ArbeiterInnenpartei betonen.