Familienrecht: Umkämpfte Schmalspurreformen

Jürgen Roth, Neue Internationale 271, Februar 2023

Schon im Koalitionspapier wurden umfassende Reformen auf dem Gebiet der Frauen-, Familien- und Queerpolitik angekündigt. Der Abschnitt des Koalitionsvertrags ist auch der mit den vergleichsweise progressivsten Absichten der Ampel. Umgesetzt wurde allerdings bisher nur die Streichung des Werbeverbotes für Abtreibungen (§ 129a) im Juni 2022.

Nun steht eine weitere Gesetzesänderung ins Haus. Beim Sorgerecht soll nach einer Trennung generell das paritätische Wechselmodell (auch Doppelresidenzmodell genannt) zum Zuge kommen. Das soll bedeuten, dass die Kinder nach einer Trennung gleich viel Zeit bei beiden Eltern verbringen. Das heißt auch: Künftig sollen Väter mit gleichem Wohnsitz das Sorgerecht ohne Einwilligung der Mutter erhalten können.

Das hört sich gut und gerecht an, ist es aber nicht. Denn das Modell abstrahiert in vielen Punkten von der Realität.

Sorge- und Erwerbsarbeit

So kann dieses dazu führen, dass Väter Rechte erhalten, ohne eine partnerschaftliche Arbeitsteilung gelebt zu haben. 90 % aller Kinder haben schon heute geteiltes Sorgerecht. Doch bei deren Betreuung klafft eine Lücke von 50 % zwischen Vätern und Müttern. Die feministischen Sozialwissenschaftlerinnen Alicia Schlender und Lisa Yashodara Haller erklären das so: „Väter beteiligen sich also weniger an der Sorgearbeit, weil es für sie gesellschaftlich schwieriger ist, Erwerbsarbeit zugunsten der Sorgearbeit zurückzuweisen.“ (NEUES DEUTSCHLAND [ND], 15.11.2022, S. 3) So weit richtig.

Dass der Zwang zur Lohnarbeit die proletarischen Männer davon abhält, sich genügend um ihre Kinder zu kümmern, ist unstrittig. Doch wirkt der nicht auch für Frauen dieser Klasse, insbesondere nach Scheidung oder Trennung?

Historisch-materialistisch betrachtet liegt die Ursache für den Care Gap im Gender Pay Gap, der selbst wiederum Resultat einer geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung ist. Doch statt diese Problematik direkt angehen, begnügen sich Haller und Schlender mit der Forderung nach staatlichen Ausgleichsleistungen.

So befürworten sie steuerliche Anreize, um weniger arbeiten zu müssen, und eine Erhöhung der verpflichtenden Elternzeit für Väter. Ihnen ist bewusst, dass die bisherige Regelung, je mehr ich verdiene, desto mehr Elterngeld bekomme ich, zu Ungerechtigkeiten führt und schlagen die Summe beider Gehälter als dessen Berechnungsgrundlage vor. Analog zum Mutterschutz soll ein Erwerbsverbot für Väter im unmittelbaren Anschluss an die Geburt gelten über die optionalen 2 Wochen hinaus, die Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) anstrebt. Ferner soll das Ehegattensplitting abgeschafft werden und halbe Vollzeiterwerbstätigkeit pro Elternteil bei vollem Lohnausgleich gelten. Wer das bezahlen soll, erwähnen sie nicht.

Koalitionsmodell

Das im Koalitionsvertrag bevorzugte Modell sieht diese Abfederungen im Interesse der Frauen erst gar nicht vor. Nachdem die Kinder abwechselnd bei beiden Elternteilen wohnen würden, würde für viele Mütter damit der Barunterhalt wegfallen. Dieses Wechselmodell können sich allenfalls, wie Schlender und Haller anmerken, „ökonomisch stabile Familien“ leisten. Woher soll schließlich das Geld für 2 Wohnungen plus doppelte Kinderzimmer nebst Ausstattung kommen?

Schon jetzt erhält mehr als ein Drittel der Alleinerziehenden – weit überwiegend Mütter – keinen oder nur unvollständigen Unterhalt vom anderen Elternteil. Zwar springt die Unterhaltsvorschusskasse des Jugendamts ein, wo die Mutter aber unabhängig vom Einkommen des Vaters nur den Mindestsatz erhält, von dem auch noch das Kindergeld abgezogen wird.

Doch alle strittigen Fragen rund um Kindesunterhalt bilden kein Thema für die regierende Koalition. Diese beschränkt sich ausschließlich auf eine Kindergrundsicherung. In Zeiten der Aufhübschung von Hartz IV zum Bürgergeld ist Armutskosmetik eben chic.

Kindeswohl und väterliche Gewalt

Doch das Wechselmodell sieht nicht nur von der sozialen Frage und der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung ab. Auch die häusliche Gewalt gegen Frauen bleibt unterbelichtet und wird tendenziell ignoriert, wie der Artikel „Streit ums Sorgerecht: Das umkämpfte Wechselmodell“ zeigt.

So wird in Deutschland jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Opfer körperlicher oder sexualisierter Gewalt. Familie und Partner:innenschaft sind dabei die wichtigsten Tatorte. Allein für 2021 weist die Statistik des BKA 143.604 Fälle häuslicher Gewalt auf. Die Täter sind zu 80 % Männer. Und selbst das BKA fügt hinzu, dass die Dunkelziffer weit höher liegt.

Doch vor Gerichten und bei Behörden spielt häusliche Gewalt nur eine untergeordnete Rolle. So verweist die Studie „Familienrecht in Deutschland“ des Hamburger Soziologen Wolfgang Hammer vom April 2022 darauf, dass bei Priorisierung des Wechselmodells  selbst belegtes gewaltförmiges Verhalten der Väter ausgeklammert werde. Ähnliches Verhalten wird auch von Jugendämtern berichtet.

Diese Entscheidungen gehen auch mit der biologistischen Vorstellung einher, dass Kinder vor allem „beide Elternteile“ bräuchten, egal was sie zum Kindeswohl (und dem des anderen Elternteils) beigetragen haben. Der reaktionären Argumentationslinie zufolge würden auch Frauen, die gewalttätigen Männern im Interesse der Kinder das Sorgerecht streitig machen, die Kinder vom anderen Elternteil „entfremden“ – und so deren „natürliche“ Entwicklung beeinträchtigen.

Dafür macht sich seit Jahren auch die reaktionäre „Männerbewegung“ stark, deren Argumente u. a. auch die FDP in der Koalition aufgreift. Von der Gesetzesvorlage der Ampel ist daher auch in dieser Hinsicht wenig zu erwarten.

Elternschaft, Kapitalismus und Feminismus

Uns geht es hier keineswegs darum, den Wunsch nach Kindern, nach Elternschaft (und damit auch nach Sorgerechten für Väter) als solchen abzutun. Wir stimmen Schlender und Haller in folgender Aussage unbedingt zu: „Es geht nicht länger um eine Abgrenzung von Elternschaft, sondern darum, die Zustände zu kritisieren, unter denen Elternschaft zur Zumutung wird.“

Das Problem mit den Reformvorhaben der Regierungskoalition besteht nicht nur darin, dass sie diese Zustände nicht kritisiert, sondern selbst an deren Reproduktion mitwirkt. Reaktionäre Geschlechterrollen und Familienbilder werden nicht als Resultat gesellschaftlicher Verhältnisse, von Ausbeutung und Unterdrückung, sondern als natürliche Zustände betrachtet, die es allenfalls etwas zu dehnen gelte. Und selbst soziale und wirtschaftliche Maßnahmen zum Schutz der Frauen oder zur Unterstützung ärmerer Schichten der Arbeiter:innenklasse bleiben außen vor.

Zu Recht kritisieren die beiden Feministinnen daher: „Gleichberechtigung ist im Kapitalismus nicht zu haben. Sorgearbeit ist ein zentrales Element menschlicher Existenz, aus dem auch Freiheit entsteht.“ Und sie folgern dann:

„Wenn wir in einer freiheitlichen Gesellschaft leben wollen, dann sollten wir Mutterschaft verallgemeinern und nicht abschaffen … Vaterschaft ist historisch allein patriarchale Herrschaft … Aus dieser philosophischen Perspektive braucht Vaterschaft heutzutage kein Mensch, aber Mutterschaft für alle ist ein hohes Gut.“

In dieser Gesellschaft aber gerade nicht, sondern oft ebenso eine Strafe wie Kindheit und Jugend! Haller und Schlender ist ihr subjektiv antikapitalistischer Wunsch zugutezuhalten. Mit der Verteidigung der Mutterschaft als „hohem Gut“ führen sie freilich ungewollt jene Naturalisierung wieder ein, die sie mit der Kritik an der Rolle von Vaterschaft angreifen.

Aufhebung der Geschlechterrollen

Beziehen wir uns unter den Begriffen Vater- und Mutterschaft allein auf das biologisch Notwendige für die Fortpflanzung, so sind sie schlecht abzuschaffen, wenn sich die Menschheit weiter reproduzieren soll.

Betrachten wir freilich die Geschlechterrollen Vater- und Mutterschaft, so sind sie nur idealisierte Vorstellungen einer angeblich natürlichen Ordnung der Geschlechter. Als Sozialist:innen wollen wir die geschlechtliche Arbeitsteilung bis auf das biologisch Unumgängliche (Gebären, Stillen, Zeugen) aufheben. Solange die Sorgearbeit mit Mutterschaft identifiziert wird, werden vom Patriarchat übernommene und überkommene soziale Geschlechterstereotype gerade nicht unterminiert, geschweige aufgehoben, sondern eher fortgeschrieben.

Darüber hinaus fassen die beiden Feministinnen die Klassenfrage ungenügend. Druckmittel und Steuerungsmechanismen versagen beim Kindesunterhalt selbst bei Trennungen von vielen Paaren, die mehr als den Durchschnitt verdienen. Schon gar kritisch wird es erst, wenn getrennte Paare wieder eine neue Familie gründen wollen. Arbeiter:innen können sich den Luxus des Wechselmodells erst recht nicht leisten. Wie für teure Schäden muss eine Art Solidarversicherung her, aber eine staatliche, keine private des Finanzmarkts.

Darum treten Kommunist:innen energisch für Sozialisierung des gesamten Reproduktionssektors ein, nicht nur für die Verwandlung der Hausarbeit in eine öffentliche Industrie, sondern auch der sonstigen Carearbeit in eine gesellschaftliche Dienstleistung mit Rechten und Pflichten für alle. Das bedeutet anzufangen, mit allen Hindernissen bei der Adoption von Kindern und sonstigen Menschen aufzuräumen, mit staatlichem Kindesunterhalt als neuem Sozialversicherungszweig, bezahlt aus progressiven Beiträgen bzw. Steuern von allen und mit Sozialversicherungspflicht (natürlich auch Kranken-, Renten und Arbeitslosenversicherung) für alle unter Kontrolle der Arbeiter:innenorganisationen. Mit solchen Forderungen würde der Weg zu einer kommunistischen Gesellschaft geebnet, in der menschliche Nähe, gegenseitige Verantwortung und Zuneigung nicht allein das Werk von Blutsverwandten ausmachen.




Frauen und Krise – Great crisis rises up

Leonie Schmidt, Revolution Deutschland, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 8, März 2020

Die Welt ist in Aufruhr. In vielen Ländern wie zum Beispiel
in Chile, im Libanon oder im Irak existieren Volksbewegungen, die sich
Angriffen auf die Arbeiter_Innenklasse oder korrupten Regierungen widersetzen.
Das Wachstum der Weltwirtschaft verlangsamt sich und die
Angst vor einer erneuten weltweiten Rezession steigt an. Des Weiteren steigen
die Spannungen zwischen großen imperialistischen Mächten wie, besonders
zwischen den USA und China, und drücken sich durch Schutzzölle auf Stahlteile
und Einzelteile für Smartphones etc. aus.

 Politisch-ökonomische Weltlage

2019 befand sich die Weltwirtschaft kurz vor einer Phase der
Rezession. Rückgang bzw. Stagnation des Profits im Vergleich zu vorherigen
Jahren waren allgegenwärtig. Nur wenige Branchen schafften es, eine
Profitsteigerung zu erzielen. 11 Jahre seit Ende des letzten globalen
Wirtschaftsabschwungs 2008 deutet eine Kombination von Faktoren wie
stagnierende oder sinkende Profite, schwache oder rückläufige
Investitionstätigkeit in Kapitalausrüstung, zunehmende Firmenverschuldung,
Protektionismus und Handelskriege darauf hin, dass ein erneuter
Konjunktureinbruch nicht mehr fern ist.

Besonders hart traf es das verarbeitende Gewerbe
(Baugewerbe, Industrie und Handwerk) deren Geschäftsmanagerindex (PMI) weltweit
unter 50 fiel. Dieser gilt als Schwellenwert zwischen Expansion und
Kontraktion. In Deutschland lag dieser bei 40, in den USA und China knapp über
50. Der Dienstleistungssektor hingegen schaffte es, weiterhin seinen Profit zu
steigern. So verhalf dieser Griechenland, das BIP immerhin um 2 % zu
steigern. Laut Analyst_Innen von JP Morgan verlangsamte sich das gesamte
Wachstum der Weltwirtschaft in 2019 aber stark, alle 10 Wirtschaftssektoren waren
davon betroffen. Des Weiteren sank die Mehrwertrate, da die Lohnkosten nicht
durch Gewinne kompensiert werden konnten.

Das Wachstum der Industrieländer als Gruppe dürfte bis 2020
auf 1,4 % sinken, was auch auf die anhaltende Schwäche des verarbeitenden
Gewerbes zurückzuführen ist. Das Wachstum in Schwellen- und Entwicklungsländern
dürfte sich in diesem Jahr auf 4,1 % beschleunigen. Es wird aber nur von
einer verbesserten Leistung einer kleinen Gruppe großer Volkswirtschaften
ausgegangen, von denen einige aus einer Phase erheblicher Schwäche hervorgehen.

Etwa ein Drittel der Schwellen- und Entwicklungsländer (wir
bezeichnen diese als Halbkolonien) wird in diesem Jahr voraussichtlich
zurückfallen, da sich Exporte und Investitionen schwächer entwickeln. Es wird
erwartet, dass sich das US-Wachstum in diesem Jahr auf 1,8 % verlangsamt,
was die negativen Auswirkungen früherer Zollerhöhungen und der erhöhten
Unsicherheit widerspiegelt. Das Wachstum des Euroraums dürfte im Jahr 2020
aufgrund der schwachen industriellen Produktivität auf 1 % nach unten
fallen. Die Erwerbslosenzahlen 2019 in der EU liegen bei 16 Millionen
(6,3 %) und haben damit erst gerade das Vorkrisenniveau 2007 (7,1 %)
unterschritten Die BRD weist zwar das höchste Erwerbstätigkeitsniveau seit der
Wiedervereinigung auf), doch diese Jobs werden immer unsicherer und prekärer.

Allerdings beruhen diese Zahlen auf ungewissen Faktoren und
können sich auch noch verschlechtern, besonders relevant sind hier
Wirtschaftskriege und Spannungen oder ein stärkerer Einbruch des Profits in den
bedeutenden Volkswirtschaften, der auf andere überschwappt.

Vorhersagen

Die Vorhersagen der großen Wirtschaftsanalyst_Innen für 2020
fallen aber allesamt recht positiv aus. Zumindest soll sich die Weltwirtschaft
stabilisieren und etwas erholen, Risiken bleiben aber weiterhin vorhanden. Es
wird vom IMF mit einem Weltwirtschaftswachstum von 3,5 % gerechnet, also
einem leichten Anstieg im Gegensatz zu 2019, welcher mit 3,2 %
vorhergesagt wurde. Die Weltbank hingegen geht nur von einem Wachstum bis 2,5
 % aus.

Die mild optimistischen Vorhersagen der Analyseinstitute für
2020 berufen sich auf der negativen Entwicklungskurve der Weltwirtschaft
entgegenwirkende Faktoren. So konnte ein rezessiver Einbruch der größten
Volkswirtschaften bei Produktion und Investitionen 2019 vermieden werden – zum
Preis niedrigen BIP- und Produktivitätswachstums. Die globalen
Finanzierungskosten befinden sich auf historischem Tiefstand teils aufgrund der
Zentralbankpolitik des „billigen Geldes“ (Nullzins, Quantitative Easing), aber
auch aufgrund geringer Kreditnachfrage durch Staat und Kapital als Folge
ausbleibenden Investments. Aktien- und Wertpapiermärkte erreichen dagegen ein
ungeahntes Hoch. Die Arbeitslosenzahlen bleiben im Gegensatz zur Großen Depression
der 1930er Jahre niedrig.

Der zugrunde liegende tendenzielle Fall der Profitrate muss
über kurz oder lang die entgegenwirkenden Ursachen übertrumpfen. Der Ausbruch
einer neuen Krise wird umso sicherer erfolgen, weil die Geldpolitik darin
versagt hat, die Wachstumsraten von vor 2007 wiederherzustellen. Die letzte
Dekade sah die längste Zeit ohne Rezession, aber auch die mit dem schwächsten
Wirtschaftsaufschwung nach einer solchen. Keynesianisches Gegensteuern durch
gesteigerte Staatsinvestitionen (und –schulden) hatte bereits in den
Konjunkturkrisen zuvor versagt und wird diesmal auf die Barriere der
schwindelerregend gestiegenen Budgetverschuldung stoßen.

Handelskrieg USA-China

Die größten Sorgen bereitet den Analyst_Innen der
Handelskrieg zwischen den USA und China. Dieser war 2019 stark eskaliert und
führte zu Abstürzen auf beiden Seiten. China haben die Sanktionen und
Strafzölle auf Importwaren in die USA bereits 35 Milliarden US-Dollar gekostet.
Für die USA erhöhten sich die Produktionskosten massiv und es wurden zwar neue
Jobs in der Stahlindustrie erschaffen, wie von Trump versprochen, allerdings zu
viel schlechteren Bedingungen und für viel weniger Lohn.

Trumps Ziel war also nie, die US-amerikanische
Stahlproduktion zu stärken, sondern von Anfang an, der Konkurrenz eine Warnung
zu verpassen. Denn Chinas Wirtschaft ist in den letzten Jahren massiv gewachsen
und stellt die größte Gefahr dar. Gerade im Bereich von IT und Hochtechnologien
ist es Vorreiter und mit vielen anderen Wirtschaften vernetzt. So lag Chinas
Wirtschaftswachstum 2018 bei 6, 57 %, das der USA nur bei 2,93 %. Berichten
zufolge hatte China zugestimmt, landwirtschaftliche Waren der USA im Wert von
50 Mrd. USD zu kaufen, während die USA anboten, die bestehenden Zölle für
chinesische Waren um bis zu 50 % zu senken. Der Konflikt ist somit also
keinesfalls beigelegt, allerhöchstens kurzzeitig entschärft. Eine erneute
Verschärfung kann aber zu massiven Einstürzen im Welthandel führen.

Kampf um die Neuaufteilung der Welt

Der Handelskrieg zwischen den USA und China trägt allerdings
auch noch ein geopolitisches, militärisches Markenzeichen, denn als neu
wachsender Imperialist muss China natürlich die Vormachtstellung des
US-Imperialismus global angreifen. Die chinesische Armee hat sich in einen
Rüstungswettlauf mit den USA gestürzt. Die Eskalation im Konflikt zwischen den
USA und dem Iran, einer zunehmend selbstsicheren Regionalmacht, verkörpert eine
weitere drohende Gefahr.

Beide hängen miteinander zusammen, denn der Iran und China
führen eine gute Handelsbeziehung. So gingen 27,4 % der Exporte des Irans
nach China, 27,8 % der Einfuhren kommen daher. Öl, Gas und auch die
Relevanz des Irans in Chinas „Seidenstraßenprojekt“ spielen dabei eine
entscheidende Rolle.

Der Rückgang des Welthandels und der Investitionstätigkeit
hat besonders die sog. aufstrebenden Ökonomien getroffen. Deren Wachstum war in
den letzten 6 Jahren fast überall niedriger als in den 6 Jahren vor Ausbruch
der letzten Rezession. In Brasilien, Russland, Argentinien, Südafrika und der
Ukraine gab es gar keines.

Von 2010–2018 nahm das Verhältnis von Auslandsverschuldung
zum BIP der Entwicklungsländer um mehr als die Hälfte auf 168 % zu – ein
schnellerer jährlicher Anstieg als während der Schuldenkrise Lateinamerikas.
Laut Schuldenreport der Weltbank 2020 befinden sich 124 von 154 erfassten
Ländern im kritischen Bereich kurz vor der Staatspleite, 2 mehr als im Vorjahr.
60 % dieser Länder stehen vor einer schlimmeren Situation als 2014.

Entscheidend für die Weltordnung wird also die Konkurrenz
zwischen der aufstrebenden imperialistischen Großmacht China und den USA um die
Weltherrschaft werden. Ihr Ringen wird den regionalen Auseinandersetzungen
immer mehr ihren Stempel aufdrücken. Die Gefahr des Ausbruchs eines III.
Weltkriegs wächst.

Wen trifft es besonders hart?

Es ist „natürliche“ kapitalistische Logik, dass in Zeiten
der Rezession die sinkenden Profite durch Entlassungen, Kürzungen von
Arbeitszeit und Lohn und andere Angriffe auf die Arbeiter_Innenklasse wie
beispielsweise Rentenreformen aufgefangen werden sollen. So zum Beispiel
aktuell in Frankreich, wo Macron mit seinen neoliberalen Reformen das
Renteneintrittsalter auf 64 anheben möchte oder in Chile, wo die Regierung eine
Erhöhung der Preise für öffentliche Verkehrsmittel durchsetzen wollte, aber
daraufhin mit Massenprotesten konfrontiert wurde.

Die Krise wird auf dem Rücken der Arbeiter_Innenklasse
ausgetragen. Jedoch trifft es hier besonders Frauen. Mit der Krise 2007/08
wurden Teilzeitjobs und Leiharbeit stark ausgebaut, damit die Kapitalist_Innen
ihren Profit dennoch weiter vermehren können und zur Not ohne viel Aufwand die
Arbeiter_Innen entlassen können, wenn die nächste Rezession einsetzt.

In den imperialistischen Ländern sind sie häufig von
Arbeitslosigkeit und unsicheren, prekären Beschäftigungsverhältnissen geplagt.
So arbeiten in Deutschland 2019 30,5 % Frauen in solchen „atypischen“
Verhältnissen, aber nur 12,2 % der Männer. Das wird als freiwillige
Entscheidung für mehr Familien- oder Freizeit beispielsweise vom Bundesamt für
politische Bildung gewertet, ist aber reine Ideologie, denn die unentgeltliche
Reproduktionsarbeit fällt überwiegend den Frauen zu. So wird auch
ausschließlich von Frauen erwartet, Job und Familie zu verbinden, und sie sind
gezwungen, Teilzeit oder unsichere Jobs zu akzeptieren, wenn sie Kinder
großziehen.

Auch Frauen in Halbkolonien (wie bspw. Indien oder Pakistan)
sind oft im prekären Bereich beschäftigt. Hier variieren die Zahlen je nach
Land zwischen 45 %-76 %. Die Beschäftigung findet hier auch oft im
informellen Bereich statt, wo angemessene Bezahlung, Schwangerschaftsurlaub,
eine sichere Arbeitsumgebung oder gar gewerkschaftliche Organisierung zurzeit
undenkbar sind. Viele dieser Frauen arbeiten in Textilfabriken (in welchen für
H&M, Primark und Co produziert wird), in sogenannten
Sonderwirtschaftszonen, in denen sie für einen Hungerlohn ausgebeutet,
teilweise eingesperrt und zur Arbeit gezwungen werden. Auf Sicherheit wird kaum
geachtet. Oftmals kommt es zu Gebäudeeinstürzen oder Fabrikbränden neben dem
Umgang mit gefährlichen Chemikalien ohne wirkliche Schutzkleidung.

Weltweit sind Frauen besonders von Armut betroffen. Demnach
leben 5 Millionen mehr Frauen als Männer in extremer Armut. Des Weiteren sind
mehr Frauen von Altersarmut betroffen. In Deutschland sind es 20 % der
Frauen, aber nur 15 % der Männer. Das erklärt sich durch geringeren Lohn
während der Arbeitszeit und Unterbrechungen zum Großziehen der Kinder.

Noch immer ist es Frauen laut UNO in 104 Ländern nicht
erlaubt, bestimmte Berufe auszuüben. In 18 Ländern können Männer ihren
Ehefrauen grundsätzlich verbieten zu arbeiten. So müssen Frauen in
Saudi-Arabien beispielsweise für die Ausübung bezahlter Arbeit generell die
Erlaubnis eines männlichen Vormunds einholen. So spiegelt sich auch die
finanzielle Abhängigkeit der Frauen wider, da sie sowohl in imperialistischen
als auch in halbkolonialen Ländern nach wie vor weniger Lohn erhalten als
Männer. In Deutschland sind es beispielsweise 21 %, 17,3 % in
Großbritannien, in Pakistan hingegen 34 %.

Der Kampf um finanzielle Gleichstellung ist also weltweit
keineswegs abgeschlossen. Aber selbstverständlich gibt es auch andere Bereiche,
in denen Frauen strukturell benachteiligt werden. So kam es mit der Krise
2007/08 auch zu einem Anstieg nationalistischer Gefühle, da die Mittelschichten
der imperialistischen Länder sich vor einem sozialen Absturz und dem Verlust
ihrer Privilegien fürchteten. Um reaktionäre Angriffe und die Stärkung der
nationalen Wirtschaft zu fördern, wurden fremdenfeindliche und chauvinistische
Ideologien geschürt.

Diese sorgten auch für ein Rollback bei Frauen- und
LGTBIA-Rechten. So beispielsweise der Versuch der weiteren Illegalisierung von
Abtreibungen, aber auch das Aufbegehren der Rechten gegen das
„Gendermainstreaming“ (die Integration der Gendergleichstellungsperspektive in
politische Prozesse, wie von der Weltfrauenkonferenz in Nairobi 1985
festgelegt).

Dadurch kam es auch zu vermehrten gewalttätigen und
sexualisierten Angriffen auf Frauen sowie auch auf die körperliche und sexuelle
Selbstbestimmung. So erleben auch mehr Frauen Gewalt in Beziehungen als Männer
und werden auch häufiger von ihrem (Ex-)Partner ermordet. Voruntersuchungen zu
einer Studie der WHO zeigen, dass 35 % der weltweiten Morde an
Frauen von Intimpartnern begangen werden, aber nur 5 % aller Morde an
Männern von ihren Partnerinnen. Gemeinsamer Kampf gegen Ausbeutung und für
Frauenbefreiung

Gemeinsamer Kampf gegen Ausbeutung und für Frauenbefreiung

Die Auswirkung der Krise, die Ausbeutung der Arbeiter_Innenklasse
und die Unterdrückung der Frau stehen also in einem engen Verhältnis zueinander
und bedingen sich teils gegenseitig. Um genug Widerstand aufbauen zu können,
ist es daher wichtig, auch die männlichen Proletarier für den Kampf zur
vollständigen Frauenbefreiung zu gewinnen. Gegen die kommende Krise muss sich
die Gesamtklasse in Stellung bringen, ein revolutionäres Antikrisenprogramm
annehmen. Um unsere Stärke und Fähigkeit zu steigern, müssen wir in alle
ökonomischen und sozialen Kämpfe intervenieren, um ihre Vorhut für unsere
Reihen zu gewinnen. Dieses Aktionsprogramm muss auch Antworten auf das Rollback
gegen die Rechte der arbeitenden Frauen geben.

Gleichzeitig muss es aber eigene Strukturen (sog. Caucuses)
innerhalb der Arbeiter_Innenbewegung (z. B. in Gewerkschaften) für Frauen
geben, da sie einer doppelten Unterdrückung und spezifischen Formen
sexistischer Diskriminierung unterliegen Das Gleiche trifft auf ebenso auf
andere Unterdrückte (Jugendliche, MigrantInnen usw.) zu. Denn so revolutionär
eine Bewegung oder eine Partei auch sein mag, niemand ist frei von im
Kapitalismus erlernten Unterdrückungsmechanismen und auch in den eigenen
Strukturen müssen diese diskutiert und bekämpft werden.

 Dennoch kann
aber nur ein gemeinsamer internationaler Kampf der gesamten
Arbeiter_Innenklasse für eine Befreiung aller Unterdrückten sorgen, der sich
gegen den Kapitalismus stellt und für eine sozialistische Revolution eintritt,
da die Abschaffung der unbezahlten Reproduktionsarbeit, welche unüberwindbar
mit dem Kapitalismus vereint ist, ihre vollständige Sozialisierung und
Aufteilung auf alle Geschlechter im Interesse der gesamten ArbeiterInnenschaft
liegt, auch wenn unterm Kapitalismus ihr weiblicher Teil jene weit überwiegend
verrichtet.

Wir als Marxist_Innen treten daher für eine internationale
multi-ethnische, proletarische Frauenbewegung ein mit dem Recht auf gesonderte
Treffen in Arbeiter_Innenorganisationen wie Gewerkschaften. Deshalb müssen
diese auch massiv unter den prekär Beschäftigten rekrutieren und dürfen sich
nicht auf die Verteidigung der relativ privilegierten, ausgebildeten und
sicherer beschäftigten (arbeiter_innenaristokratischen) Schichten beschränken.

Daher fordern wir:

  • Gleiche Rechte für Frauen bei Wahlen, auf dem Arbeitsmarkt, im Bildungswesen, an allen öffentlichen und gesellschaftlichen Aktivitäten teilzunehmen!
  • Für ein Programm gemeinnütziger öffentlicher Arbeiten mit Vollzeitstellen und auskömmlichen Tariflöhnen für Frauen, bezahlt aus Unternehmerprofiten und Vermögensbesitz!
  • Gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Mindestlohn für alle Frauen, um ein Mindesteinkommen zu sichern, das die Reproduktionskosten deckt und ein Leben ohne Abhängigkeit vom (männlichen) Partner erlaubt!
  • Arbeitsschutz in allen Produktionsstätten! Für das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung, wo es bisher verboten ist!
  • My Body, my Choice: Für das vollständige Recht auf Abtreibung ohne Fristen und Mindestalter, sexuelle Selbstbestimmung und das Prinzip des sexuellen Konsenses! Zugang zu kostenlosen Verhütungsmitteln!
  • Kostenloser Zugang zu Gesundheitsversorgung, Pflegeeinrichtungen, Krankenversorgung und gesicherte Renten für alle Frauen! Wir fordern kostenlose und bedarfsorientierte Kinderbetreuung, öffentliche Kantinen und Wäschereien – um eine gesellschaftliche Gleichverteilung der Reproduktionsarbeiten auf alle Geschlechter sicherzustellen!
  • Um Frauen aufgrund ihrer Doppelbelastung durch Erwerbstätigkeit und Reproduktionsarbeit eine politische Teilnahme zu erleichtern, treten wir zudem für eine Vergesellschaftung sämtlicher Haushalts-, Sorge- und Reproduktionsarbeiten ein!
  • Recht auf Scheidung auf Wunsch! Ausbau und Sicherstellung von Schutzräumen für Frauen (wie z. B. Frauenhäuser)!
  • Kostenlose, kollektive Selbstverteidigungsstrukturen, um es Frauen zu ermöglichen, sich selbst vor Übergriffen zu schützen, unterstützt von Frauen- und Arbeiter_Innenbewegung!



Frauenstreik in der Schweiz: Ein historischer Tag

Susanne Kühn, Neue Internationale 239, Juli/August 2019

Am 14. Juni
beteiligten sich rund eine halbe Million Menschen am Frauen*streik. In allen
größeren Städten, aber auch in politisch und gewerkschaftlich schlecht
organisierten Teilen des Landes traten Frauen, vor allem solche, die im
Care-Sektor arbeiten oder in Ausbildung stehen, in den Ausstand. An zahlreichen
Orten begannen die Streiks und Aktionen am Morgen und verbreiteten sich im
Laufe des Tages. Lt. Schweizer Gewerkschaftsbund nahmen bereits am Vormittag
des 14. Juni rund 100.000 am Streik teil.

Um 15:24 Uhr –
einem der zentralen Momente der Aktion – verließen im ganzen Land
Hunderttausende Frauen ihren Arbeitsplatz oder legten ihre „private“
Sorgearbeit nieder. In allen größeren und zahlreichen kleineren Städten
formierten sich Demonstrationen – die größte in Zürich, wo über 160.000
Menschen, in ihrer großen Mehrzahl Frauen, auf die Straße gingen – eine der
größten Kundgebungen in der Geschichte der Stadt! In Städten wie Basel waren
40.000 Menschen, also mehr als 20 % der Bevölkerung auf der Straße.

Der
Frauen*streik stellt schon allein aufgrund seiner Größe ein historisches
Ereignis dar. Die Schweizer Bevölkerung zählt rund 8,5 Millionen Menschen.
Somit beteiligten sich 17 % der EinwohnerInnen an der Aktion (was in
Deutschland rund 14 Millionen entsprechen würde)!

Wofür und von
wem?

Der
Frauen*streik reihte sich bewusst in die Internationalen Frauenstreiks ein, an
denen sich auch 2019 Millionen beteiligten. Dass er in der Schweiz nicht am 8.
März, sondern am 14. Juni stattfand, erklärt sich aus der Geschichte des
Kampfes um Gleichberechtigung. 1991 fand ein erster, ebenfalls rund eine halbe
Million zählender Frauenstreik statt, der vom Schweizer Gewerkschaftsbund
organisiert und geführt wurde, um die konsequente Umsetzung des 1981
beschlossenen Gleichbehandlungsgesetzes zu fordern.

Viele der damals
aufgestellten Ziele nach Gleichbehandlung, gleichen Einkommen, Löhnen und
Arbeitsbedingungen, gegen sexistische Belästigung und sexuelle Gewalt sind bis
heute nicht erfüllt und finden sich auch in den Manifesten, Aufrufen und
Forderungskatalogen zum Frauen*streik 2019 wieder. Besonders betroffen davon
sind mehrfach unterdrückte und entrechtete migrantische Frauen, die noch dazu
ähnlich wie sexuell Unterdrückte eine bevorzugte Zielscheibe des Schweizer
Rechtspopulismus, der „Schweizer Volkspartei“ (SVP) bilden. Der Kampftag stand
daher nicht nur im Zeichen des Schulterschlusses mit der neuen globalen
Frauenbewegung, sondern auch mit den migrantischen Frauen, deren unbeschränktes
Bleiberecht, volle rechtliche und soziale Gleichstellung gefordert wurden.

Die Ursache für
den historischen Erfolg des Frauen*streiks ist vor allem darin zu finden, dass
er von lohnabhängigen, proletarischen Frauen getragen und organisiert wurde.
Die „Frauenfrage“ trat, wenn auch nicht voll bewusst, als Klassenfrage zutage
und als eine, die untrennbar mit dem Kampf gegen Imperialismus und Kapitalismus
verbunden ist.

Wie 1991 und anders als bei den letzten Frauenstreiks in Deutschland spielten die Gewerkschaften – vor allem im öffentlichen Dienst und im Gesundheitssektor (z. B. die „Gewerkschaft im Service public“) – eine Schlüsselrolle für die Mobilisierung. Auch im industriellen und privatwirtschaftlichen Sektor vertretene Verbände wie Unia organisierten aktiv z. B. den Streik der Reinigungsfrauen bei A&M Duraes Reinigung + Hauswartung GmbH in Luzern.

Selbstorganisation

Anders als 1991
wurde der Streik jedoch weniger von oben dirigiert. Vielmehr bildeten sich in
zahlreichen Betrieben und Dienststellen seit Monaten Basisstrukturen, die den
Kampf führten und organisierten. Diese wurden von Frauen getragen, bezogen aber
auch Männer oder, wie z. B. in Kitas, Eltern als UnterstützerInnen ein.

Die wichtige
Rolle betrieblicher und gewerkschaftlicher Strukturen bedeutete jedoch keine
Verengung auf rein ökonomische Themen. Die Forderungen nach gesellschaftlicher
Einrichtung und Finanzierung von Kinderbetreuung, sozialen Leistungen …, die
ansonsten auf Frauen abgewälzt werden, bildeten einen über rein betriebliche
Fragen hinausgehenden weiteren Schwerpunkt.

Einen dritten
stellte das Verlangen nach Schutz vor und Kampf gegen Sexismus, Gewalt gegen
Frauen und LGBTIA+-Menschen und für sexuelle Selbstbestimmung dar. Schließlich
machen antirassistische und internationalistische Losungen einen vierten
Hauptpunkt der Ziele des Frauen*streiks aus. Einen Überblick über Forderungen,
Manifeste und Argumente der Bewegung liefert die Seite des Frauen*streiks
unter: https://www.14juni.ch/argumente/

Lohnabhängige
Frauen stellten zweifellos die Hauptkraft des Streiks, auf dessen
Demonstrationen antikapitalistische, antipatriarchale und antirassistische
Parolen stark vertreten waren.

Der historische
Frauen*streik verweist wie die internationalen Mobilisierungen zum 8. März in
den letzten Jahren auf die Entstehung einer neuen proletarischen Frauenbewegung
– mag diese heute auch noch von kleinbürgerlich-feministischen Ideologien,
Formen der Identitätspolitik oder auch von reformistischen Apparaten der
Gewerkschaftsbürokratie dominiert sein.

Für
Hunderttausende, die sich am Kampftag beteiligten, und erst recht für die
vielen AktivistInnen war schon vor dem Streik klar, dass dieser nicht das Ende,
sondern nur ein erster Höhepunkt der Bewegung sein soll. In diesen Tagen und
den kommenden Wochen und Monaten sind Auswertungstreffen und Versammlungen
geplant, die die Perspektiven, Aufgaben und nächsten Schritte der Bewegung
diskutieren und festlegen sollen.

Das kann den Grundstein nicht nur zu einer starken Frauenbewegung der Schweiz legen, sondern auch einen mächtigen, weit über das Land hinausgehenden Impuls liefern. Gerade hinsichtlich der betrieblichen und gewerkschaftlichen Verankerung der Bewegung können wir in Deutschland viel von den AktivistInnen und GenossInnen lernen.

Verbindungen

Vielerorts wurde der Streik mit anderen Themen – Kampf gegen Rassismus, Rechtspopulismus, internationale Solidarität – verbunden und auch die Systemfrage aufgeworfen. Dies verweist auf das Potential nicht nur des Frauen*streiks, sondern auch auf die Rolle, die eine neue Frauenbewegung für die Erneuerung der ArbeiterInnenbewegung spielen kann. Zahlreiche Aktivistinnen gehören außerdem Strömungen der radikalen Linken oder dem linken Flügel der Gewerkschaften an, viele engagieren sich in antirassistischen Kämpfen oder in Bewegungen wie Fridays for Future.

Für diese stellt sich auch die Frage, wie und auf welcher programmatischen Grundlage eine politische Kraft, eine neue revolutionäre ArbeiterInnenpartei in der Schweiz und international aufgebaut werden kann. Die neue Frauenbefreiung kann so auch zu einem mächtigen Impuls für die Revolutionierung der ArbeiterInnenbewegung werden, für die Verbindung des Kampfs gegen jede Form der Unterdrückung mit dem für eine sozialistische Revolution.




Welchen Antisexismus brauchen wir?

Jaqueline Katherina Singh, REVOLUTION, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung, März 2019

Wir leben in unruhigen Zeiten. Rechte Populist_Innen und Reaktionär_Innen gewinnen an Popularität. Mit ihnen wird rassistische Hetze wieder salonfähig sowie neoliberale Kürzungspolitik Alltag. Emanzipation wird ersetzt durch tradierte Rollenbilder und das konservative Bild der bürgerlichen Familie. Begleitet wird dies mit einer Zunahme an internationalen Spannungen: Handelskriege, zunehmende kriegerische Auseinandersetzungen und fortschreitende Militarisierung.

Doch so düster
das Ganze aussieht, so erleben wir, wie auf der ganzen Welt Frauen für ihre
Rechte demonstrieren und streiken. So gingen am 8. März 2018 in über 177
Ländern Menschen für die Rechte der Frauen auf die Straße. Allein in Spanien
streikten 6 Millionen Frauen gegen sexuelle Gewalt, für gleiche Löhne und das
Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper. In der Türkei
demonstrierten mehrere Tausende trotz der großen Repression seitens des
Erdogan-Regimes. Darüber hinaus gab es in den letzten Jahren immer wieder große
Proteste: Ob nun im Rahmen des Women’s March in den USA, des „schwarzen“
Protests gegen das Verbot von Abtreibungen in Polen, von Ni Una Menos in
Lateinamerika – überall auf der Welt demonstrierten Millionen Frauen für ihre
Rechte.

Als
Revolutionär_Innen müssen wir uns die Frage stellen: Welche Perspektive haben
die Proteste? Wie können wir uns gegen die Angriffe der Rechten wehren? Kurzum
stellt sich die Frage: Welchen Antisexismus brauchen wir?

Ursprung der Frauenunterdrückung

Um diese Frage
gut zu beantworten, müssen wir verstehen, woher eigentlich Frauenunterdrückung
kommt. Schließlich wollen wir nicht nur gegen Auswüchse des Problems kämpfen,
sondern es gleichzeitig an seiner Wurzel packen, um es für ein alle Mal zu
beseitigen!

Als
Marxist_Innen gehen wir davon aus, dass die Unterdrückung der Frau nicht in der
Biologie oder „Natur des Menschen“ wurzelt. Weder wohnt es Frauen von „Natur aus“ inne, unterdrückt zu werden, noch
Männern, Gewalt gegenüber Frauen auszuüben.

Vielmehr müssen
die Wurzeln der Jahrtausende alten Unterdrückung der Frauen selbst in der
Geschichte, in sozialen Entwicklungen gesucht werden. In seinem Werk „Der
Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“ setzt sich Friedrich
Engels nicht nur systematisch mit der Frage auseinander, er skizziert auch eine
materialistische Erklärung der Unterdrückung der Frauen, des Patriarchats und
seines Wandels in der Geschichte.

Engels weist
darauf hin, dass Frauen nicht immer unterdrückt oder das „schwache“ Geschlecht
waren, sondern – wie auch die moderne Forschung belegt – erst ab einem
bestimmen Zeitpunkt der Entwicklung der Menschheit die Unterdrückung der Frauen
beginnt und nach einer langen Periode systematische Formen annimmt.

Kurz
zusammengefasst: Frauenunterdrückung gab es nicht schon immer und ist auch
nichts Natürliches. Erst als
Menschen sesshaft wurden und anfangen, mehr zu produzieren, als sie ein
Mehrprodukt erzeugten und sich Privateigentum herauszubilden beginn, fing das
Problem an. Dies passierte zur Zeit der Jungsteinzeit. Während es vorher
Stammesgemeinschaften gab, bei denen es auch keine unterdrückerische
geschlechtsspezifische Arbeitsteilung gab, veränderten sich in dieser Zeit die
Strukturen des Zusammenlebens. Denn mit dem entstehenden
Privatbesitz an Grund und Boden setzten sich auch patriarchale
Vererbungsstruktur, systematische Ausbeutung und Unterdrückung durch
(Sklaverei, Unterdrückung der Frau).

Damit die Vaterschaft gesichert und das väterliche
Erbe auf die eigenen, leiblichen Kinder übergehen konnte, musste die Frau
monogam leben. Im Laufe der Zeit, also über die Sklavenhaltergesellschaften der
Antike hin zum Feudalismus verfestigten sich diese Strukturen und wurden gemäß
der jeweils vorherrschenden Produktionsweise modifiziert. So wurde
beispielsweise im feudalen Europa die Unterdrückung der Frau durch das
Christentum ideologisch unterfüttert.

Der Kapitalismus
hat das schon bestehende Unterdrückungsverhältnis den Erfordernissen der
Ausbeutung der Lohnarbeit angepasst. Die herrschende Klasse profitiert von der
Frauenunterdrückung und ihr System ist eng mit ihr verwoben. Beispielsweise ist
die Familie erhalten geblieben, auch wenn sich ihre Funktion für die arbeitende
Klasse gewandelt hat. Im bäuerlichen Haushalt der Feudalzeit war sie auch Ort
der Produktion – der notwendigen Lebensmittel für die Familien der Bauern und
Bäuerinnen wie des Überschusses, des Mehrprodukts für den Grundherrn, dessen
Familie und Hofstaat. Dies wurde aber aufgrund der Industrialisierung
überflüssig, da die LohnarbeiterInnen über keine eigenen Produktionsmittel
verfügen, sondern ihre Arbeitskraft als Ware verkaufen mussten und bis heute
müssen. Dennoch blieb die Familie bestehen, denn im Kapitalismus dient sie
dazu, die Arbeitskraft zu reproduzieren, die im Haushalt vor allem von den Frauen
ohne Entlohnung erledigt werden muss. Zugleich werden über die Familie und die
ihr zugrunde liegende Arbeitsteilung nach Generationen und Geschlechtern auch
gleich die sozialen Rollen vermittelt.

Unterschiedliche
Interessen

Insgesamt ist
wichtig herauszustreichen, dass zwar alle Frauen von Unterdrückung betroffen
sind, aber wie und wie stark das der Fall ist, hängt von ihrer Klassenzugehörigkeit
ab. So sind die Frauen der Bourgeoisie auch Angehörige der ausbeutenden Klasse
– und haben somit ein materielles Interesse an der Aufrechterhaltung des
kapitalistischen Systems und ihrer damit verbundenen Privilegien. Die Frauen
aus dem Kleinbürger_Innentum und den Mittelschichten nehmen – wie diese Klassen
selbst – eine widersprüchliche Stellung ein. Einerseits sind sie viel härterer
Unterdrückung ausgesetzt als die Frauen der herrschenden Klasse. Sie müssen –
wie die proletarischen Frauen – Beruf und Kindererziehung unter einen Hut
bringen oder werden in den halbkolonialen Ländern von ihren Männern an den Haushalt
gefesselt. Während viele dieser Frauen noch vor einigen Jahrzehnten (v. a.
in den westlichen Ländern) sozial aufsteigen konnten, Karriere machten und
einer Gleichberechtigung nahezukommen schienen, so sind sie heute oft auch
massiv von Angriffen durch Sozialabbau (Kürzungen bei Kitas, Privatisierung,
…) bedroht, die ihre Unterdrückung verschärfen.

Doch ähnlich wie
kleinbürgerliche Ideologien oder auch der Reformismus erkennen sie den engen
Zusammenhang von Kapitalismus und Privateigentum mit der Frauenunterdrückung
nicht. Sie erblicken vielmehr in deren ideologischen Ausdrucksformen
(Stereotypen, Geschlechterrollen, sexuellen Vorurteilen, Heterosexismus, …)
die Ursache der Unterdrückung. Ihre Strategie erschöpft sich in verschiedenen
Formen des radikalen oder reformistischen Feminismus, was ihre relativ
privilegierte Stellung als Kleineigentümer_Innen oder Akademiker_Innen
(Bildungsbürger_Innen) gegenüber der Masse der werktätigen Frauen
widerspiegelt.

Die Arbeiter_Innenklasse als Ganze
hingegen hat ein objektives materielles Interesse daran, das
Kapitalverhältnis und damit die innerhalb der Lohnarbeit reproduzierte
geschlechtsspezifische Arbeitsteilung wirklich zu überwinden und abzuschaffen – die
proletarischen Frauen darüber hinaus auch ein brennendes, unmittelbares,
subjektives. Konsequenter Antisexismus ist daher notwendigerweise Teil
des revolutionären Klassenkampfes des Proletariats, weil er die Ausbeutung
abschafft und die Produktion um der Reproduktion des unmittelbaren Lebens der
Produzent_Innen willen umgestaltet, statt sie auf die Mehrarbeit für den
Reichtum der Ausbeuterklasse auszurichten. Eine Frauenbewegung, die an die Wurzeln
der Unterdrückung geht, kann nur eine proletarische, eine sozialistische
Frauenbewegung sein, weil nur sie für den revolutionären Sturz des
Kapitalismus, die Machtergreifung der ArbeiterInnenklasse als notwendigen
Schritt zu einer klassenlosen Gesellschaft eintritt.

Kurze Kritik der
Feminismen

Um nicht nur
gegen die Auswirkungen der Frauenunterdrückung zu kämpfen, sondern diese zu
beenden, bedarf es einer Analyse ihrer Ursachen. Diese ist besonders wichtig,
da wir aus ihr Schlüsse ziehen können, mit welchen Mitteln wir gegen Sexismus
kämpfen müssen. Deswegen haben wir als Marxist_Innen auch Kritik an Theorie und
Programm der verschiedenen feministischen Strömungen. Auch wenn der Begriff
„Feminismus“ heute im Alltagsgebrauch oft mit „Gleichberechtigung der Frauen“
gleichgesetzt wird (und in diesem Sinn alle Menschen, die für diese kämpfen als
„feministisch“ betrachtet werden könnten), so unterscheiden sich die
verschiedenen feministischen Theorie untereinander wie auch von einem
marxistischen Verständnis der Frauenunterdrückung erheblich.

Zweifellos haben
verschiedene feministische Theorien und Bewegungen zum Kampf um
Gleichberechtigung viel beigetragen und wir unterstützen diese. Aber wir halten
Teile ihrer Schlussfolgerungen
wie die Methode ihrer Analysen für politisch falsch und glauben, dass
die Kampfmittel nicht ausreichend sind, um an das gemeinsame Ziel zu kommen. Um
dies zu skizzieren, setzen wir uns kurz mit einigen feministischen Strömungen
auseinander, denn ähnlich wie z. B. beim „Antifaschismus“ gibt es viele
unterschiedliche Strömungen, die oftmals unter einem Begriff zusammengeworfen
werden.

Am deutlichsten
wird das beim bürgerlichen Feminismus. Dieser beschränkt sich heute in seinen
Forderungen meist darauf, Frauen das gleiche Recht einzuräumen wie Männern.
Dabei fokussiert er sich aber überwiegend auf die Bedürfnisse von Frauen aus
der herrschenden oder kleinbürgerlichen Klasse. Dies zeigen beispielsweise
Institutionen wie Womens20, die im Rahmen des G20-Gipfels in Hamburg tagte.
Dort sprachen Frauen wie Ivanka Trump, Angela Merkel und Vertreterinnen von
Firmen und diskutierten, wie die „Förderung von weiblichem Unternehmertum sowie Zugang zu Kapital-
und Finanzdienstleistungen für Frauen“ praktisch aussehen kann. Dass dies nur
zur Verbesserung der Lage von Frauen beträgt, die aus gehobeneren Schichten
kommen, sollte klar sein.

Der radikale Feminismus,
der in der zweiten Welle der Frauenbewegung in den 1960er und 1970er Jahren
entstand, beanspruchte hingegen ähnlich wie heute der Queer-Feminismus, die
gesellschaftlichen Verhältnisse selbst in Frage zu stellen. Für beide liegt die
Wurzel der Frauenunterdrückung allerdings nicht in der geschlechtsspezifischen
Arbeitsteilung und der Klassengesellschaft. Der Radikalfeminismus erblickt sie
in einer allenfalls neben/quer zu dieser verlaufenden, überhistorischen
Unterdrückung der Frauen durch die Männer aller Klassen. Der Queer-Feminismus
und die dekonstruktivistischen Theorien erblicken die Ursache der Unterdrückung
im Diskurs, in einer „heteronormativen Matrix“. Demzufolge bilden nicht die
materiellen Verhältnisse (geschlechtsspezifische Arbeitsteilung) die Ursache
der Frauenunterdrückung, sondern es sind vielmehr sexistische Ideologien,
Vorstellungen, Sprechweisen, Diskurse, die zu Machtverhältnissen und
Unterdrückung führen. Daher unterscheidet sich auch das Programm der Befreiung
grundlegend. Während Marxist_Innen erkennen, dass Sexismus und
Heteronormativität – wie jede reaktionäre Ideologie – nur dann endgültig
verschwinden können, wenn ihre materielle Grundlage beseitigt ist, so erblickt
der Queerfeminismus im Kampf um diskursive Deutungen den Kern der Auseinandersetzung.
Dieser unterschiedlichen strategischen Ausrichtung entsprechen verschiedene
Klassenstandpunkte. Der Queerfeminismus (und vor ihm der Radikalfeminismus)
bringt jenen des Kleinbürger_Innentums
und der Mittelschichten zum Ausdruck, der Marxismus
jenen der proletarischen Frauen wie der gesamten Arbeiter_Innenklasse.

Ein heute eher marginales
Dasein fristet der „sozialistische Feminismus“. Dieser versuchte in den 1970er
Jahren, Feminismus und Marxismus zu verbinden und stellte zweifellos die linkeste
Strömung innerhalb des Feminismus dar. Doch auch dieser war nicht in der Lage,
die Schwächen v. a. des radikalen Feminismus zu überwinden, sondern
kombinierte sie auf theoretischer Ebene nur mehr oder weniger zusammenhangslos
mit marxistischen Vorstellungen (siehe beispielhaft den Artikel zur Debatte um
„Lohn für Hausarbeit“ in dieser Ausgabe).

Aber was für einen Antisexismus brauchen wir dann?

Wir kämpfen für
eine internationale, multiethnische, proletarische Frauenbewegung, die sich
weltweit vernetzt und ihre Kämpfe mit einer antikapitalistischen Perspektive
verbindet. Dabei sagen wir klar, dass es einen gemeinsamen Kampf von
arbeitenden Frauen und Männern braucht. Das leitet sich daraus ab, dass die
Angehörigen der Arbeiter_Innenklasse ein gemeinsames historisches Interesse
haben, den Kapitalismus zu stürzen – im Gegensatz zu Frauen aus der
Bourgeoisie, aber auch aus dem Kleinbürger_Innentums und den Mittelschichten.
Daneben kann nur ein gemeinsamer Kampf, also beispielsweise Streiks,
Demonstrationen genügend Druck auf- und bestehende Spaltungsmechanismen langsam
abbauen. Dafür
einzutreten, bedeutet aber auch einen konsequenten Kampf gegen Sexismus,
Chauvinismus und Machismus in der Arbeiter_Innenklasse selbst zu führen.

Dies geht in einem gemeinsamen Kampf besser. Wir wissen
aber auch, dass „die Männer“ in den Gewerkschaften, im Betrieb und nicht
zuletzt in der „Partner_Innenschaft“ nicht ohne Druck auf ihre Privilegien
verzichten werden. Ein Mittel sind dazu verpflichtende antisexistische
Reflexionsrunden, Awarenessteams auf Veranstaltungen und die Schaffung von
Strukturen, bei denen man übergriffiges Verhalten melden kann. Für Frauen
bedarf es des Rechts auf Schutzräume, in denen man sich gesondert treffen kann,
gezielter politischer Förderung und einer Entlastung von technischen Aufgaben.

Darüber hinaus
ist Aufgabe einer internationalen, multiethnischen, proletarischen Bewegung,
die unterschiedlichen Probleme, die Frauen auf der Welt
haben, zu thematisieren und eine Perspektive für alle aufzuwerfen: ob nun von
der Muslima, die das Recht hat, ihren Glauben so zu praktizieren, wie sie es
möchte, über schwarze Frauen, die nicht länger der massiven Polizeigewalt und
rassistischen Angriffen in den USA ausgesetzt sein wollen bis hin zur
pakistanischen Arbeiterin, die nicht länger für einen Hungerlohn arbeiten will.
Egal ob für geflüchtete Frauen, lesbische, bi-, trans- oder
asexuelle oder Frauen aus Halbkolonien oder Industrienationen: Aufgabe ist es,
für die unterschiedlichen Situationen die Gemeinsamkeiten in der sexistischen
Unterdrückung herauszustellen, aber auch die Unterschiede aufzuzeigen, und wie
sie mit der Unterdrückung, die man als Frau erfährt, sowie mit anderen Faktoren
zusammenhängen. Betrachtet
man dies genauer, kommt heraus, dass überall auf der Welt Frauen mit ähnlichen
Problemen konfrontiert sind.

1. Volle rechtliche Gleichstellung und Einbeziehung in den
Produktionsprozess!

Auch wenn
gefeiert worden ist, dass nun überall auf der Welt Frauen wählen dürfen (dass
dies z. B. in Saudi-Arabien nur für Kommunalwahlen gilt, wird außer Acht
gelassen), haben Frauen vielerorts nicht die gleichen Rechte. Das bedeutet
praktisch beispielsweise erschwerte Scheidungsmöglichkeit oder keine politische
Teilhabe. In der gleichen
Situation befinden sich auch alle Frauen, die sich auf der Flucht befinden und
deswegen an ihrem Aufenthaltsort nicht die Staatsbürger_Innenrechte in Anspruch
nehmen können. Insgesamt sorgt das dafür, dass Frauen als Menschen zweiter
Klasse behandelt und durch ihre Isolation entmündigt werden. Ein Verbot,
arbeiten zu gehen oder dies nur von zu Hause aus tun zu können, bedeutet
vollkommene ökonomische Abhängigkeit von dem Partner oder der Familie. Dort wo
dies nicht gegeben ist, müssen wir die Gewerkschaften dazu auffordern, eben
jene in unsere Reihen aufzunehmen. Dies ist ein wichtiger Schritt, der deutlich
macht, dass auch sie Teil der Arbeiter_Innenklasse sind, ähnlich wie
Arbeitslose.

2. Gleiche Arbeit, gleicher Lohn!

Während
Reaktionär_Innen versuchen, den Lohnunterschied damit zu erklären, dass Frauen
einfach in weniger gut bezahlten Berufen arbeiten, weil sie angeblich
körperlich „nicht so hart arbeiten können“ wie Männer, ist für uns klar: Der
Unterschied in der Lohnhöhe folgt aus der geschlechtsspezifischen
Arbeitsteilung, die der Kapitalismus reproduziert. Der Lohn der Frau erscheint
bis heute in den meisten Ländern als „Zuverdienst“ zum Mann. Der
Lohnunterschied manifestiert a) die Rolle der Frau in der Familie, denn wenn
sie weniger verdient, ist sie es, die „natürlich“ zu Hause bleibt, um auf
Kinder oder pflegebedürftige Personen aufzupassen; b) die Abhängigkeit vom
Partner. Dadurch werden Frauen auch „leichter“ aus der Arbeit gedrängt oder
noch stärker in prekäre, schlecht bezahlte Arbeit oder Teilzeitjobs. Deswegen
müssen wir gemeinsam dafür kämpfen, dass es keine Spaltung innerhalb der
Arbeiter_Innenklasse durch Geschlecht oder Nationalität gibt. Denn diese
fördert die Konkurrenz und Abstiegsängste untereinander und schwächt somit auch
die gemeinsame Kampfkraft. Daher treten wir für gleiche Löhne, Arbeitszeiten
und Arbeitsbedingungen ein, um die Auswirkungen der Konkurrenz wenigstens
zurückzudrängen!

3. Selbstbestimmung über den eigenen Körper!

Ob durch
religiöse Vorschriften, rassistische Hetze oder Abtreibungsgegner_Innen:
Überall auf der Welt sind Frauen damit konfrontiert, dass man versucht, über
ihre Körper zu bestimmen. Deswegen treten wir dafür ein, dass Frauen
selbstständig entscheiden können, was sie tragen oder ob sie schwanger
werden/bleiben wollen.

4. Recht auf körperliche Unversehrtheit!

Ob nun sexuelle
Grenzüberschreitungen, Vergewaltigungen oder reine Gewalt aufgrund des
Geschlechtes wie bei Femiziden: Gewalt gegen Frauen ist allgegenwärtig!

Dabei ist
herauszustellen, dass dies ein internationales Problem ist und nicht auf
bestimmte Regionen bzw. Religionen beschränkt ist, wie manche Reaktionär_Innen
behaupten. Für uns ist klar: Es gibt keine Religion, die mehr oder weniger
böse ist als andere Religionen. Es ist vielmehr
eine Frage der gesellschaftlichen Basis und politischen Bedingungen, wo und wie
stark religiöse Vorstellungen zur Ideologie rückschrittlicher Bewegungen werden
und Einfluss gewinnen.

Doch essentiell
ist es, die Forderung nach Selbstverteidigungskomitees im Schulterschluss mit
anderen Unterdrückten aufzuwerfen ähnlich wie die Gulabi-Gang, nur demokratisch
organisiert, also mit direkter Wähl- und Abwählbarkeit und in Verbindung mit
der Arbeiter_Innenbewegung. Der Vorteil solcher Strukturen besteht darin, dass
man Frauen nicht als passive Opfer darstellt, sondern ihnen auch die
Möglichkeit gibt, sich aktiv gegen Unterdrückung zu wehren. Daneben ist die
Forderung nach Selbstverteidigungskomittees für Marxist_Innen wichtig, denn es
bedeutet, keine Hoffnung in Polizei oder Militär zu setzen und ein Gegengewicht
gegen ihr Gewaltmonopol bzw. gegenüber dem des
bürgerlichen Staates allgemein zu schaffen.

5. Vergesellschaftung der Hausarbeit

Dies ist eine
essentielle Forderung, um die Doppelbelastung von Frauen zu beenden und letzten
Endes auch einer der Schritte, die die geschlechtliche Arbeitsteilung -und mit
ihr die Stereotype beenden. Grundgedanke ist es, die Arbeit, die wir tagtäglich
verrichten, um uns zu reproduzieren (essen, Wäsche waschen, Kindererziehung),
nicht länger im stillen Kämmerlein alleine zu absolvieren, sondern sie
kollektiv zu organisieren und auf alle Hände zu verteilen. Dies kann dann
beispielsweise in Form von Kantinen oder Waschküchen ablaufen, an denen sich
beispielsweise alle aus dem Bezirk beteiligen. Dadurch muss man dann nicht jeden
Tag kochen oder jede Woche Wäsche waschen und es wird klar, dass eben diese
Aufgaben nicht nur reine „Frauensachen“ sind.

Im Kapitalismus
findet so was nicht statt (oder nur in Ausnahmesituationen wie Kriegen), da
kein Interesse herrscht, die Kosten für die Reproduktion staatlich zu
organisieren.

Wie kommen wir zu so einer Bewegung?

Wie bereits
geschrieben, erleben wir in der aktuellen Situation international viele Kämpfe.
Ein Weg, bestehende Kämpfe zusammenzuführen, bedeutet, Solidarität zu zeigen.
Dabei hat diese viele Ebenen: So ist es beispielsweise positiv, dass das
Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung in Berlin immer Redner_Innen aus anderen
Ländern wie Polen oder Irland die Möglichkeit gibt, zu reden und darüber hinaus
die Proteste sichtbar zu machen durch beispielsweise eigene Demoblöcke. Das ist
ein guter Schritt in die richtige Richtung. Doch dabei dürfen wir es nicht
belassen. Solidaritätsbekundungen sind gut, Solidaritätsaktionen sind besser!
Diese sorgen nämlich dafür, dass das Bewusstsein, dass wir zusammen kämpfen
müssen, um erfolgreich zu sein, steigt.

Damit diese
nicht nur den Kreis an Menschen erreichen, der sich eh schon für die Thematik
interessiert, ist es wichtig, Antisexismus auch an den Orten, an denen wir uns
tagtäglich bewegen müssen, zu thematisieren: also den Schulen, Universitäten
und Betrieben. Dies kann durch Veranstaltungen oder Vollversammlungen
passieren. Geschieht das Ganze im Zuge einer Aktion, so ist es wichtig, im Zuge
deren Aktions- und Streikkomitees zu gründen, damit jene, die aktiv bleiben
wollen, sich koordinieren und ihren Protest demokratisch organisieren können.
Daneben macht es Sinn aufzuzeigen, wo gemeinsame Berührungspunkte bestehen, und
Kämpfe miteinander zu verbinden. Denn der Kampf gegen repressive Abtreibungsgesetze
in Argentinien hat die gleichen Ursachen wie die in Polen, El Savador, Irland
oder Deutschland. Damit mehr Berührungspunkte aufkommen, macht es auch Sinn,
solche Diskussionen mit Problemen, die vor Ort existieren, zu diskutieren wie
beispielsweise sexistische Übergriffe oder Bemerkungen oder mangelnde Debatte
über Abtreibungsaufkärung. Doch damit eine Bewegung erfolgreich wird, ist es
wichtig, bereits existierende Organisationen zu beteiligen. In Deutschland
wären das Gewerkschaften, die SPD oder Linkspartei, also Organisationen, die
eine Anbindung zur Arbeiter_Innenklasse haben. Dabei bedeutet Beteiligung nicht
nur, dass man unter einem Demoaufruf steht, sondern offen die eigene
Mitgliedschaft zu Aktionen mobilisiert und diese motiviert, Aktions- und
Streikkomitees aufzubauen. Alles andere ist halbherzig. Damit das passiert,
müssen wir Druck ausüben und Organisationen offen dazu auffordern. Um den
Protest international zu verbinden, braucht es darüber hinaus
Aktionskonferenzen, ähnlich der Weltsozialforen, wo Organisationen
zusammenkommen und gemeinsam über die Programmatik, Forderungen und gemeinsame
Aktionen diskutieren. Denn nur wenn wir eine Bewegung sind, die ihre Basis auf
der Straße hat und nicht nach einem Tag verschwunden ist, können wir unsere
Forderungen durchsetzen. Schließlich und nicht zuletzt braucht es eine
revolutionär-kommunistische Frauenbewegung als Sammlung der Arbeiter_Innenavantgarde,
als Struktur der und in Verbindung mit einer neuen revolutionären Weltpartei
der Arbeiter_Innenklasse – der (aufzubauenden) Fünften Internationale!




Frauenstreik 2019 – aber richtig!

Anne Moll, ArbeiterInnenmacht, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 7, März 2019

Am 10. November
2018 fand in Göttingen das erste Vernetzungstreffen zur Planung eines
internationalen Frauenstreiks am 8. März 2019 statt.

Auf diesem
Treffen wurde ein gemeinsamer Aufruf für den 8. März 2019 verabschiedet und
eine Planung, wie dessen Umsetzung in Deutschland möglich ist. Mittlerweile
existieren zudem lokale Strukturen in
zahlreichen Städten.

„Wenn Frau
will, steht alles still…“?

Auch wenn es
für viele Frauen in der BRD heute kaum vorstellbar ist, ohne Tarifrunde, also
für eigene Frauenthemen die Arbeit niederzulegen: Solche Streiks gab es in der
Vergangenheit und sie sind international gar keine Seltenheit! Wie wir schon in
einer früheren Ausgabe der Neuen Internationale im Artikel „Frauenstreik – ja
bitte!“ ausgeführt haben, legten Millionen Frauen seit 1975 in Europa die
Arbeit nieder und gingen auf die Straße, um gerechte Bezahlung, bessere
Kinderbetreuung, Stopp der Gewalt gegen Frauen oder die Selbstbestimmung über
ihre Körper zu fordern – in Deutschland zuletzt 1994 mit knapp einer Million
TeilnehmerInnen.

Das Problem ist
dabei immer wieder die Frage der Protestform. Die Frauenorganisationen, die aus
dem bürgerlichen Spektrum kommen, lehnen den Begriff Streik und damit natürlich
auch dessen praktische Ausführung ab. So überstimmten sie die radikalen
Frauengruppen z. B. 1975 in Island und eine wirklich große Kampfaktion
wurde unter dem so gar nicht kämpferischen Slogan „Frauen-Ruhetag“ angekündigt.
Unter gewerkschaftlich organisierten Frauen konnte dann immerhin der Slogan
„Frauenprotesttag“ 1994 in Deutschland durchgesetzt werden. Betriebliche
Streikaktionen wurden aber abgelehnt mit der Begründung, politische Streiks
seien in der BRD illegal. Womit wir bei dem eigentlichen Problem wären: Es ist
dringend notwendig, dass sich politisch einiges ändert, sich die Situation von
Millionen Frauen hierzulande bzw. weltweit Milliarden verbessert. Es muss sich
noch viel ändern, damit das Wort Gleichstellung überhaupt ausgesprochen werden
darf. Wesentlich ist aber die Frage: „Wie erreichen wir das?“

Wer wird
politisch etwas mehr als schöne Worte und einen Butterkeks für Frauenrechte
tun, wenn wir nicht über legale Protestformen hinausgehen? Wenn wir durch
konsequente und sehr energische Maßnahmen nicht zeigen: Die Ansage „Wenn wir
wollen, steht alles still!“ beinhaltet auch Streikmaßnahmen? Und es ist uns
ernst mit der vollständigen Gleichberechtigung, die natürlich auch bedeutet,
dass Frauen in dieser Gesellschaft besonderen Schutz benötigen.

Genau darum
brauchen wir einen politischen Streik für die durch ihn erreichbaren
Forderungen aus dem Göttinger Aufruf. Ein politischer Streik richtet sich im
Gegensatz zu wirtschaftlichen Forderungen einzelner Branchen an und gegen den
Staat mit der Aufforderung, Maßnahmen zu ergeifen, die im Interesse aller
Arbeiterinnen liegen: zur Vergesellschaftung des Reproduktionssektors, der
Haus-, Pflege- und Sorgearbeit, gegen Pflegenotstand; zur faktischen
Gleichstellung mit den Männern vor dem Gesetz, bei Löhnen und Arbeitsbedingungen;
zur Abschaffung der Abtreibungsgesetze; gegen Altersarmut; für gleiche
StaatsbürgerInnenrechte aller, die hier leben; für offene Grenzen…Ein
politischer Streik bündelt also die Interessen der gesamten
ArbeiterInnenklasse. Sie sollte sich auch als Ganze daran beteiligen
einschließlich ihrer Männer – vom politischen Massenstreik bis hin zum
Generalstreik zur Durchsetzung der Forderungen!

An zwei
wesentlichen Punkten mangelt es zum Verständnis, warum es tatsächlich notwendig
ist, einen Frauenstreik, der sowohl dem Kampfbegriff als auch der notwendigen
Aktion gerecht wird, durchzusetzen:

Erstens am
fehlenden Klassenstandpunkt: Viele haben kein Verständnis, für welche
Interessen wir denn kämpfen. Da kommt immer schnell das Argument: Wir Frauen
haben alle die gleichen Bedingungen und kämpfen gemeinsam für die gleichen
Forderungen. Jede Kritik daran wird mit dem Argument „Wir lassen uns nicht
spalten!“ abgewürgt.

Und trotzdem
ist es eine Tatsache, dass sich bürgerliche
Frauen viel von den Forderungen für mehr Gleichstellung kaufen können, sie weit
eher in der Lage sind, sich aus gewalttätigen Beziehungen zu befreien, oder
eine Abtreibung unabhängig von der Gesetzgebung sicher durchführen lassen können (z. B. im Ausland). Je besser
ihre ökonomische Lage, desto mehr Möglichkeiten haben sie, sich ein angenehmes
Leben zu organisieren oder den Beruf
auszuüben, den sie möchten.

Außerdem kommt
dazu, dass sie sich selten mit der ArbeiterInnenklasse solidarisieren, denn
ihre bürgerlichen Regierungen werden tatsächlich mit allen Mittel versuchen,
unseren Kampf zu stoppen – je konservativer, desto härter! Und dazu gibt es
Repression und das könnte durchaus heißen, dass sie ihren Status verlieren oder
zumindest angegriffen werden. Nur die Arbeiterinnen, um derentwillen die
Forderungen unterstützt werden müssen und für die sie wirklich relevant sind,
haben eh nichts zu verlieren, aber viel zu gewinnen: die gezwungen sind, auch
den schlechtesten Job zu machen, sich zu prostituieren oder sexuelle
Belästigungen durch ihre Vorgesetzten auszuhalten, wenn sie nicht gefeuert
werden wollen.

Zweitens geht
es leider auch vielen Gewerkschaften darum, die Kontrolle über die Bewegung zu
behalten. So wichtig es ist, gewerkschaftlich organisiert zu sein, um diese
Anliegen durchzusetzen, so wichtig ist zu erkennen: In welchem Kontext agieren
diese Gewerkschaften? Warum unterstützen sie nicht bedingungslos die
Forderungen und Proteste der Ärmsten und Unterdrücktesten? Und besonders in der
BRD steht unseren Interessen die Kontrolle und Zähmung der DGB-Gewerkschaften
durch ihre leitenden FunktionärInnen, zumeist Mitglieder der bürgerlichen
ArbeiterInnenpartei SPD, entgegen. Sie unterstützen schon sehr lange alle
kapitalistischen Interessen mit dem leider wirksamen Argument der Standortsicherung.
Damit wird jeder weitere Einschnitt für die Lohnabhängigen gerechtfertigt,
neoliberale Politik mitgetragen. Als alternativlos werden auch immer wieder
Krisenkosten auf die ArbeiterInnenklasse abgewälzt.

Umso wichtiger ist es deshalb, dass das Thema (politischer) Streik auf die Tagesordnung kommt und diskutiert wird. Wir unterstützen die Bewegung für einen Frauenstreik international und bringen unsere klassenkämpferische Politik in die Vorbereitungen ein.

Und die nächsten Schritte?

Wie könnten die ersten Schritte aussehen, damit die Mobilisierung und die viele Arbeit von 2019 nicht schon im nächsten Jahr verpufft? In Deutschland
ist es deshalb schon nicht so einfach, Menschen in den Betrieben während der
normalen Lohnrunden zu mobilisieren, weil die Gewerkschaftsbonzen sehr stark
Aktionen kontrollieren, ja ausbremsen, wenn sie nicht in den gewerkschaftlichen
Schulterschluss mit Sozialdemokratie und UnternehmerInnen passen. Die
DGB-Gewerkschaften möchten ihr Image als verlässliche Partnerinnen der
Kapitalinteressen nicht gefährden. Deshalb werden sie erst recht nicht oder nur
sehr vereinzelt in Ortsgruppen oder Betrieben bereit sein, zum 8. März
überhaupt zu mobilisieren.

Die ersten
Schritte müssen also von den Beschäftigten ausgehen. Der erste Schritt bestünde
darin, dass sich die Streikbereiten organisieren, ihre Führungen auffordern,
zum Streik aufzurufen. Nur wenn wir kollektiv Druck auf die
Gewerkschaftsführung ausüben, schaffen wir es, sie in Bewegung zu bringen. Ein
realistischer Weg dahin, möglichst viele Kolleginnen, aber auch Kollegen für
diese Idee zu gewinnen, besteht in der Aufforderung an die Betriebsräte, vor
dem 8. März eine Betriebsversammlung in ihrem Betrieb durchzuführen. Und genau
diese Versammlung sollte das Thema Frauenstreik diskutieren. Was wollen wir? Wofür
müssen wir streiken? Welche Rechte haben wir? Usw., usf.

Als Beispiel
sei hier der Frauenstreik 2018 in Spanien genannt. Die offizielle
Gewerkschaftsführung wollte nicht zum politischen Frauenstreik aufrufen, aber
die gewerkschaftlich organisierten Frauen taten es und organisierten
selbstständig die betrieblichen Streiks. In Deutschland kocht seit Monaten das
Thema Pflegenotstand. In vielen Städten gibt es Bündnisse für mehr Personal im
Krankenhaus. Dies Thema ist ebenso wie höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen,
wie gute Kinderbetreuung und Selbstbestimmung über unsere Körper ein gutes zur
Mobilisierung. Die Gewalt gegen Frauen hat in den letzten Jahren zugenommen.
Und sie fängt nicht erst bei Schlägen an, sondern damit sind auch verbale
Verletzungen und Abwertungen gemeint, sexistische Anmache, Bevormundung und
Isolation. Die Schutzräume für von Gewalt betroffene Frauen werden nur sehr
unzureichend vom Staat finanziert. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit ist
ein wichtiges Thema im Kampf um Gleichberechtigung. Ein weiteres ist die
unbezahlte Hausarbeit, die überwiegend von Frauen geleistet wird und selten
überhaupt Erwähnung findet. Das alles sollten wir bei Streikaktionen,
Versammlungen und Demonstrationen am 8. März diskutieren und dafür unseren
Widerstand organisieren.

Zusätzlich zu
dem Vorschlag, v. a. die weiblichen Gewerkschaftsmitglieder und
unorganisierten Beschäftigten in den Branchen mit hohem Frauenanteil (Pflege,
Einzelhandel, Gastronomie, Gesundheitswesen, Bildung und Erziehung…) zuvorderst zum Streik aufzurufen, treten wir dafür
ein, am 8. März einen Bildungsstreik zu organisieren und alle SchülerInnen und
StudentInnen zu mobilisieren, damit sie einen ökonomisch wirksamen
Erzwingungsstreik mit ihren stärksten Mitteln unterstützen können. Generell ist
es uns wichtig zu betonen: Wir kämpfen für die gesamte ArbeiterInnenklasse und
unsere Themen sind auch die der Männer unserer Klasse. Wir sollten gemeinsam
gegen die Unterdrückung des Kapitalismus antreten!

Politischer
Frauenstreik illegal? Scheißegal!




Frauenvolksbegehren: Perspektive & Kritik

Aventina Holzer, REVOLUTION Österreich, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 7, März 2019

Das Frauenvolksbegehren wurde in Österreich zur Abstimmung vorgebracht und sammelte letztes Jahr 481.959 Stimmen. Es beinhaltet viele positive Forderungen: von der schrittweisen Einführung einer 30-Stundenwoche über den Ausbau von Kinderbetreuung und Abtreibung mit vollständiger Kostenübernahme durch die Krankenkasse bis zur Anerkennung von frauenspezifischen Fluchtgründen. Wir befürworten daher die Unterstützung dieses Volksbegehrens. Gleichzeitig haben wir auch Kritik an dem Verfahren, denn aktuell sieht es so aus, dass die Initiative im Nichts zu verpuffen droht. Die Frage ist deshalb für Kommunist*innen, wie man sich in diesem Spannungsverhältnis zwischen (großteils) fortschrittlichen Forderungen und gleichzeitig sehr gemäßigter Politik verhalten soll. Kann ein Volksbegehren überhaupt etwas bezwecken? Wir möchten an dieser Stelle eine seiner kontroversen Forderungen und die nötigen Perspektiven zur Frauenbefreiung diskutieren.

Quoten als Lösung?

Gerade Kommunist*innen stehen für die Gleichberechtigung
von Frauen ein, aber unsere konkreten Forderungen unterscheiden sich dennoch
vom Frauenvolksbegehren. Hier wird gefordert, dass die Hälfte aller Wahllisten
und Vertretungsgremien der politischen Interessensvertretungen und der
Sozialpartnerschaftsinstitutionen von Frauen besetzt wird. Zusätzlich sollen
innerhalb der Kontroll- und Leitungsgremien von Kapitalgesellschaften und
Genossenschaften dieselben Kriterien erfüllt werden. Die Begründung ist, dass Frauen
einen großen Teil der Bevölkerung ausmachen, dieser aber wenig in den
Institutionen widergespiegelt wird. In einer repräsentativen Demokratie wäre
das aber dringend notwendig. Deswegen müssten also Quoten sich dieser Aufgabe
der gleichberechtigten Vertretung annehmen.

Es ist in den allermeisten Fällen egal, ob die Person, die
uns ausbeutet, ein Mann oder eine Frau ist. Die Frauenbewegung sollte sich
nicht an der Verwaltung des Kapitalismus beteiligen. Deshalb fordern wir die
Verstaatlichung der Betriebe unter Kontrolle der Arbeiter*innen. Wir wollen
nicht „politisch korrekt“ unterdrückt werden, sondern die Unterdrückung ganz
abschaffen.

Aber natürlich ist das
nicht die alleinige Antwort auf die Forderung nach Quoten. Speziell in den
Massenorganisationen der Arbeiter*innenklasse, also Gewerkschaften oder
politischen Organisationen, ist Quotierung wichtig. Denn auch die
fortschrittlichste Bewegung ist nicht frei von Sexismus und anderen
Unterdrückungsmechanismen. Um das tatsächliche Potenzial der Gruppen auszuschöpfen,
müssen Frauen (und auch andere unterdrückte Gruppen) gemessen an ihrem
Mitgliederanteil in Gremien vertreten sein. Eine
Quote, kann dabei ein Mittel sein, um die Repräsentation von Frauen zu erhöhen.
Daneben müssen wir aber auch, um die Beteiligung von gesellschaftlich
Unterdrückten zu fördern, diese gezielter schulen und fördern, von technischen
Aufgaben befreien, ihnen das Recht auf einen selbstbestimmten Schutzraum
(Caucus) geben. Zudem müssen auch Menschen, die nicht unterdrückt werden wie
Männer, in die Verantwortung gebracht werden, über ihre Sozialisierung zu
reflektieren.

Insofern sehen wir den
Anspruch des Frauenvolksbegehrens in dieser Frage als berechtigt an, halten
aber die Lösung nicht für ideal. Die Frage von Quotierung muss mit einem klaren
Klassenstandpunkt verbunden werden. Sonst dient diese im Endeffekt nicht mehr
den arbeitenden Frauen, sondern einem (weiblichen besetzten) Teil des Kapitals.
Es wird nämlich der tatsächliche Ursprung (oder zumindest
Reproduktionsmechanismus) für Ungleichheit verschleiert: das kapitalistische
Wirtschaftssystem. Deshalb muss man für tatsächliche Gleichberechtigung auch
erstmal eine neue ökonomische Basis schaffen und das jetzige Wirtschaftssystem
hinter sich lassen.

Aber es muss auch klar sein, dass – egal wie sehr wir kämpfen – uns unsere Rechte jederzeit wieder weggenommen werden können. Der Kapitalismus als Ursache der Frauenunterdrückung muss überwunden werden. Und das geht nur als kämpfende Bewegung der Arbeiter*innenklasse. Viele der Punkte im Frauenvolksbegehren müssen essentielle Forderungen einer solchen Bewegung sein, die auf ihre eigene Stärke vertraut statt auf den bürgerlichen Staat. Aber leider bricht der kleinbürgerliche Charakter des Frauenvolksbegehrens doch immer wieder mit den Interessen der Arbeiter*innenklasse.

Deshalb müssen wir die Menschen überzeugen, einen Schritt weiterzugehen. Denn echte Frauenbefreiung wird es erst geben, wenn die Dystopie des „freien Marktes“ endlich auf dem Müllhaufen der Geschichte landet.

Was bezwecken Volksbegehren?

Ein erfolgreiches Volksbegehren hat als solches genommen
nicht viel mehr Konsequenzen, als dass im Nationalrat darüber diskutiert werden
muss. Dies ist auch passiert, mit äußerst geringer Beteiligung und keinem
Interesse daran, irgendwelche der Forderungen umzusetzen – nicht verwunderlich,
schließlich ist die Regierung blau-schwarz.
Der wesentlichere Output kann eben deswegen nur sein, eine gesellschaftliche
Diskussion über die Themen zu eröffnen und dadurch eine Bewegung auf der
Straße, in den Gewerkschaften und Betrieben anzustoßen, die den
gesellschaftlichen Druck erzeugen kann, damit die Forderungen auch wirklich
erzwungen werden können. Denn was der Kampf für Gleichberechtigung im letzten
Jahrhundert gezeigt hat ist, dass diese nicht einfach vom Himmel fällt, sondern
hart erkämpft werden muss.

Deshalb müssen wir auch klar machen, dass dieses
Frauenvolksbegehren zu keinen positiven Verbesserungen führt, wenn es sich
nicht seiner selbstgesetzten Einschränkungen entledigt. Aktuell ist es rein auf
ein formales Mittel der „direkten“ Demokratie im österreichischen Staat
ausgelegt. Dabei ist sehr einfach zu durchschauen, dass eine strategische
Ausrichtung alleine darauf vollkommen verheerend sein kann. Die vielen
Unterstützer*innen, die sich in den letzten Monaten engagiert haben, müssen
erkennen, dass ihr Engagement nicht einfach nur für eine gute Medienaktion
draufgehen sollte. Vielmehr muss das
Frauenvolksbegehren mit realer Mobilisierung auf der Straße verbunden werden
sowie eine Auseinandersetzung in den Organisationen der Arbeiter*innenbewegung
bewirken. Die Mehrheit im Nationalrat wir nicht im Traum daran denken, die
Inhalte des Volksbegehrens durchzusetzen. Wir müssen sie dazu zwingen. Das geht
letztlich nur durch eine Bewegung auf der Straße, die ihre Wurzeln in
Streikkomittees in Schulen, Universitäten und Betrieben hat!




Frauen in LGBTQ+-Zusammenhängen

Flora, REVOLUTION Österreich, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 7,
März 2019

Innerhalb einer Gesellschaft, die von Unterdrückung und Ausbeutung
profitiert, erfahren Frauen viel Sexismus, von Alltagsdiskriminierung bis hin
zu gewalttätigen schweren frauenfeindlichen Übergriffen. Aber auch innerhalb verschiedener Gemeinschaften, die
sich der Diversität verschrieben haben wie z. B. der LGBTQ+-Community,
hören Sexismus und die Unterrepräsentation von Frauen nicht einfach auf. Auf
diese Problematik wird in diesem Artikel eingegangen.

Warum werden
Mitglieder der LGBTQ+-Community unterdrückt?

Im Kapitalismus wird das Idealbild der bürgerlichen
Kleinfamilie propagiert. Diese ist in Büchern, Filmen oder Werbung stets
präsent und auf gesetzlicher Ebene bevorteilt. Dies liegt daran, dass diese
Form der Familie mehrere Funktionen erfüllt. Während sie für die herrschende
Klasse die Weitergabe von Besitz durch Vererbung klärt, dient sie für die
Arbeiter*Innenklasse als Ort zur Reproduktion. Das ist für die Kapitalist*Innen
sehr günstig – denn sie müssen die Kosten für die Arbeit der Essenszubereitung,
beim Wäsche Waschen, der Kindererziehung oder auch der emotionalen Arbeit nicht
bezahlen. Die Rolle der Frau ist dabei sehr klar, sie kümmert sich um den
Nachwuchs und verrichtet unbezahlte Hausarbeit. Immer noch ist der Großteil der
in Teilzeit Beschäftigten Frauen und sie können somit nicht in finanzieller
Unabhängigkeit leben. Gerade durch diese Doppelbelastung ist es ihnen erschwert,
sich zu organisieren und Räume für sich einzunehmen. Angehörige der LGBTQ+-Community
werden deswegen abgelehnt, da sie dieses Konzept der bürgerlichen Kleinfamilie objektiv
infrage stellen. Sie produzieren entweder keinen Nachwuchs und tragen so nicht
zur Systemerhaltung bei oder stellen durch ihr Zusammenleben die klassische geschlechtliche
Arbeitsteilung in Frage.

Doch wie
äußert sich diese Unterrepräsentierung?

In der Gesellschaft allgemein wird die weibliche Sexualität so
dargestellt, dass sie zur Befriedigung der männlichen Lust dient. Das führt
beispielsweise dazu, dass lesbische Orientierung nicht ernst genommen, nur als „Phase“ abgetan wird, während man
Bisexualität als „Plus“ für Männer darstellt. Darüber hinaus wird nicht wenigen jungen Mitgliedern der LGBTQ+-Community
abgesprochen, dass sie in jungen Jahren bereits über ihre Geschlechtsidentität
und zu wem sie sich hingezogen fühlen, Bescheid wissen können. Frauen hören
zudem nicht selten Aussagen wie, sie hätten ja nur noch nie richtig guten Sex
mit einem Mann gehabt, oder werden auf andere Arten sexualisiert. So ist es kein Wunder, dass es wenige Darstellungen
von homo- oder bisexuellen Frauen gibt. Beispielsweise zeigt die 2017
veröffentlichte Studie „Media, Diversity & Social Change Initiative“ der
USC Annenberg School for Communication and Journalism (Los Angeles), dass von
den 100 populärsten Filmen Hollywoods 2016, in denen 4.544 Charaktere
ausgewertet wurden, nur 51 (1,1 %) LGBTQ+- Charaktere waren. Von diesen
waren 36 schwule Männer, 9 Lesben und 6 bisexuell. Keine Transgenderperson kam
in diesen Filmen vor. Auch zu erwähnen ist, dass 79,1 % weißer Hautfarbe
waren und nur 20,9 % unterrepräsentierten Gruppen angehörten. Dies könnte
mitunter daher kommen, dass in dem Zeitraum von 9 Jahren, in denen die Studie geführt wurde, nur 4,1 % der
Produktionen von Regisseurinnen geleitet wurden. Das ist ein Grund warum immer
nur der männliche Blickwinkel auf die verschiedensten Themen gezeigt wird.
Daneben haben Produktion und Filmförderung kein Interesse daran, eine
authentische Repräsentation von diskriminierten Gruppen zu zeigen, weil sie
keinen profitablen Absatzmarkt darin sehen. Dies sind nur einige Zahlen aus der westlichen Filmindustrie. Ähnliche
Zahlen gibt es auch in der Kunst- und Musikszene. Besonders treffen diese mangelnden Darstellungen Transfrauen und Women of Colour. Ihnen wird der
Zugang zum Gesundheitssystem erschwert, teilweise sogar verwehrt. Auch in
vielen anderen Lebensbereichen werden sie diskriminiert und die Lebenserwartung
von zum Beispiel Transwomen of Colour in den USA wird auf 35 Jahre geschätzt.

Warum ist
das so?

Das hat mehrere Gründe. Zum einen sind in unserer
Gesellschaft weiße, heterosexuelle Cismänner (also Menschen, die männlich
geboren wurden und sich auch so fühlen) privilegiert. Zwar erfahren Männer aus
der Arbeiter*Innenklasse Unterdrückung, da sie ihre Arbeitskraft verkaufen
müssen. Gleichzeitig haben sie es in vielen Punkten einfacher, da sie nicht von
anderen Diskriminierungen betroffen sind. So ist es kein Wunder, dass homo-
oder bisexuelle Männer in der LGBTQ+-Community ebenfalls präsenter sind, da
Unterdrückungsmechanismen nicht einfach verschwinden, nur weil man sich in
einer politischen Organisation oder einer Community befindet.

Wie mehr Gehör zu verschaffen?

Deshalb ist es wichtig zu verstehen, dass man in Organisationen
Strukturen und Mechanismen schaffen muss, die mit existierender Unterdrückung
umgehen. So ist das Caucusrecht eine Möglichkeit für gesellschaftlich
Unterdrückte, sich gesondert von der Organisation zu treffen, um Probleme und
politische Ideen in einem geschützteren Rahmen diskutieren zu können. In diesen
können auch LGBTQ*-spezifische Themen besprochen und ausgearbeitet werden.
Daneben bedarf es aber auch anderer Mittel wie quotierter Redner*Innenlisten
oder gezielter Förderung von Frauen durch Entlastung von technischen Aufgaben. Aber auch die Auseinandersetzung mit männlicher
Sozialisierung, tradierten Rollenbildern und einer kritischen Reflexion der
heteronormativen Zweierbeziehung gehört dazu. Aber nachdem sich die
Unterdrückung von Frauen auf den Kapitalismus und die historisch gewachsene
Rolle der Frau in der Familie zurückführen lässt, kann auch die
Unterrepräsentation von queeren Frauen nicht aus dem Kontext genommen und erst
recht nicht gelöst werden, ohne etwas an den Herrschaftsverhältnissen zu
ändern. Für die Befreiung der Frau ist die Zerschlagung der Vorherrschaft des
Mannes über Frauen, diese wird von patriarchalen Strukturen gestützt,
unabdingbar. Dies kann nur durch eine Revolution durch das Proletariat erreicht
werden, in der die Frauen in vorderster Reihe kämpfen. Denn letztlich kann nur
durch die Zerschlagung des kapitalistischen Systems und die Errichtung einer
klassenlosen Gesellschaft die komplette Befreiung aller unterdrückten Menschen
erreicht werden.

  • Für rechtliche und sonstige Gleichstellung sowie Freiheit der Ausübung aller Formen der Sexualität! Verbot der Diskriminierung aufgrund von Geschlecht oder sexueller Orientierung!
  • Zurückdrängung aller Formen von Rollenklischees, Diskriminierung und Ausgrenzung in der Jugend und innerhalb der Arbeiter_innenklasse! Für Caucusrechte von Unterdrückten und angemessene Aufklärung über LGBTQ+-Orientierung an Schulen, Unis und Betrieben!

LGBTQ+: Steht für Lesbian, Gay, Bisexuell, Trans und Queer. Das Plus symbolisiert alle Menschen, die sich mit keinem der genannten Begriffe identifizieren können, aber ein/e Teiler*In der Community sind, zum Beispiel Non-Binary oder Asexual.




Kampf gegen Unterdrückung: Frauenstreik – ja bitte!

Katharina Wagner, Neue Internationale 234, Dezember 2018/Januar 2019

Am 10. November fand in Göttingen das erste Vernetzungstreffen zur Planung eines internationalen Frauenstreiks am 8. März 2019 statt. Rund 300 Teilnehmerinnen aus dem gesamten Bundesgebiet versammelten sich. Neben Organisationen wie der IL und der FAU waren auch zahlreiche lokale feministische Gruppen, das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung und das kurdische Frauenbüro vertreten. Als Rednerinnen waren Gäste aus Spanien, Großbritannien und Thailand eingeladen, die hauptsächlich über Erfahrungen und Lehren bisheriger Frauenstreiks sprachen. Ziel war zum einen die Erstellung eines gemeinsamen Aufrufes, zum anderen die weitere Planung der erforderlichen Organisationsstrukturen, um auch in Deutschland einen Frauenstreik durchführen zu können.

Historische Vorbilder

Vorbilder für einen Frauenstreik gibt es einige. So legten am 24. Oktober 1975 anlässlich des Internationalen Jahres der Frau etwa 90 % der weiblichen Bevölkerung Islands ihre Arbeit nieder, um für Gleichberechtigung, gerechtere Bezahlung und bessere Betreuungsangebote für Kinder zu kämpfen. Organisiert wurde der Protesttag von einem Komitee verschiedener Frauenorganisationen unter dem Namen „Frauen-Ruhetag“. Auch Hausfrauen waren dazu aufgerufen, ihre häuslichen Arbeiten niederzulegen und sich ebenfalls zu beteiligen. An der Demonstration in Reykjavík beteiligten sich neben rund 25.000 Frauen auch einige Männer. Die Protestaktion wurde absichtlich nicht als Streik bezeichnet, da es im Vorfeld heftige Diskussionen darüber gab. Die radikalfeministische Rote-Socken-Bewegung, auch Teil des Komitees, forderte bereits seit einigen Jahren einen Streik. Sie wurde allerdings von den anderen Organisationen überstimmt, die aus Angst vor den Folgen eines „politischen Streiks“ die Protestaktion lieber als „Ruhetag“ bezeichnen wollten.

Auch die Schweiz ist ein gutes Beispiel. Eine Million Schweizerinnen beteiligte sich am14. Juni 1991 an einem Frauenstreik, der unter dem Motto „Wenn Frau will, steht alles still“ durchgeführt wurde und sich hauptsächlich gegen ungerechte Löhnerichtete. Diesmal war es der schweizerische Gewerkschaftsbund, der zum Streik aufrief. Unterstützung kam von diversen Frauenorganisationen.

Frauenstreik 1994

In Deutschland selbst fand am 8. März 1994 ein großer Frauenstreik mit knapp einer Million Teilnehmerinnen statt. Sie kämpften gegen schlechte Arbeitsbedingungen und ungleiche Löhne, gegen den Abbau von Sozialleistungen ebenso wie für das Recht auf sexuelle und körperliche Selbstbestimmung. Im Aufruf von 1994 heißt es: „Jetzt streiken wir! Frauen werden die Hausarbeit niederlegen, betriebliche Aktionen bis zum Streik durchführen, nicht einkaufen, nicht mehr höflich lächeln, nicht nett sein, keinen Kaffee kochen und die Kinder den Männern mit auf die Arbeit geben.“ Aber auch hier gab es im Vorfeld heftige Kontroversen um die Frage der Protestform. Innerhalb der autonomen Frauenbewegung war Streik als altes Kampfmittel der ArbeiterInnenklasse umstritten. Auch die Gewerkschaften konnten nur zur Unterstützung eines „Frauenprotesttages“ und nicht zum Aufruf für betriebliche Streiks gewonnen werden, auch wenn sie größtenteils die Forderungen unterstützten. Zu groß war die (vorgeschobene) Angst vor den Folgen eines politischen Streiks, der in Deutschland de facto als illegal eingestuft wird.

In den beiden letzten Jahren nahm die Frauenbewegung in zahlreichen Ländern massenhaften Umfang an. Hunderttausende oder gar Millionen beteiligten sich anden Aktionen wie von „Ni una menos“ (Nicht eine Frau weniger) in Argentinien, gegen sexuelle Gewalt in Indien, gegen Trump in den USA oder unter dem Motto „Ele nao“ (Er nicht) gegen den Rechtsextremen Bolsonaro in Brasilien.

Das stärkste Vorbild für einen Frauenstreik stellt aber die Protestaktion in Spanien anlässlich des 8. März 2018 dar. 6 Millionen Frauen – und Männer – traten in 300 spanischen Städten für 2 Stunden in den Streik, einige sogar den ganzen Tag lang. Neben Betrieben wurden auch Universitäten und Schulen bestreikt. Dass 40 % aller Lohnabhängigen Spaniens die Arbeit niederlegten, ist vor allem auf die Gewinnung der Gewerkschaftsbasis zurückzuführen. Zwar traten auch in diesem Fall die GewerkschaftsfunktionärInnen aus Angst vor einem politischen Streik nicht offen für eine Aufforderung dazu ein, allerdings stellte sich die Basis ihrer Führung entgegen und organisierte selbstständigdie betrieblichen Streiks.

Lehren und
Perspektiven

Welche Lehren können wir aus den vergangenen Frauenstreiks ziehen und was bedeutet dies für die weitere Arbeit? Zum einen ist es aus unserer Sicht notwendig, die Gewerkschaften in die Mobilisierung mit einzubeziehen, um darüber ihre Basis in den verschiedenen Betrieben zu erreichen. Vor allem der spanische Frauenstreik zeigt das enorme Mobilisierungspotential, welches von ihr ausgeht. Aber nicht nur die Betriebe, auch Universitäten und andere Bereiche, in denen Frauen vertreten sind, sollten in die Mobilisierung mit einbezogen werden. Um auch Frauen eine Beteiligung am Frauenstreik zu ermöglichen, die z. B. aufgrund der Pflege von Familienangehörigen nicht aktiv dazu in der Lage sind, können auch solidarische Streikformen integriert werden, welche ein Bewusstsein schaffen für die spezifischen Situationen, in denen sich viele Frauen befinden. Beim spanischen Frauenstreik waren dies weiße Schürzen oder lilafarbene Fahnen, welche in Fenster von Häusern gehängt wurden, in denen sich Frauen der Kinderbetreuung oder der Pflege widmeten und nicht selbst am Streik teilnehmenkonnten.

Nichtsdestotrotz muss es sich bei dem Frauenstreik um einen politischen Streik handeln, der neben zahlreichen Forderungen wie etwa der nach sexueller und körperlicher Selbstbestimmung oder nach gleichen Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen für Frauen auch antikapitalistische und antiimperialistische Positionen aufgreift. Da aus unserer Sicht die Frauenunterdrückung eng mit dem Bestehen von Klassengesellschaften verbunden ist, muss der Kampf zur Frauenbefreiung mit dem Klassenkampf und somit dem Sturz des Kapitalismus verbunden werden. Daher treten wir auch dafür ein, unter den männlichen Arbeitern ein Bewusstsein für die Forderungen der Frauen zu schaffen und sie ebenfalls für den Streik zu mobilisieren. Denn nur ein gemeinsamer Kampf unter Führung der Frauen kann einen starken Druck auf die herrschende Klasse ausüben und Streikbruch seitens der Männer verhindern.

Gemeinsamer Aufruf und zahlreiche Forderungen

Am Ende des zweitägigen Vernetzungstreffens in Göttingen waren sich die Teilnehmerinnen darüber einig, dass die Gewerkschaften aktiv dazu aufgefordert werden sollten, zum Frauenstreik aufzurufen und die Forderungen zu unterstützen. Auch wurde ein gemeinsamer Aufruf unter dem Titel „Wenn wir die Arbeit niederlegen, steht die Welt still“ verabschiedet, welcher zahlreiche Forderungen enthält, die wir unterstützen.

  • Gleiche Rechte, unabhängig von Geschlecht oder Herkunft
  • Recht auf sexuelle und körperliche Selbstbestimmung
  • Kampf gegen jede Art von Gewalt gegen Frauen oder Queers
  • Gleiches Recht auf bezahlbaren Wohnraum, Bildung und Gesundheitsvorsorge
  • Gleicher Lohn und bessere Arbeitsbedingungen
  • Ende der Rüstungsexporte, Stopp von Abschiebungen und Lagerunterbringung
  • Beendigung des Pflegenotstands und Schaffung ausreichender kostenloser Kinderbetreuung

Darüberhinaus haben sich Anfang Dezember Ortsgruppen in 18 Städten gebildet, darunter in Hamburg, Berlin, Leipzig und Augsburg Streikversammlungen gegründet.

 Aktuelle Infos: https://frauenstreik.org




Frauenvolksbegehren in Österreich: ein Weg zur Emanzipation?

Aventina Holzer, Infomail 1023, 8. Oktober 2018

Die Eintragungswoche des Frauenvolksbegehrens vom 1. – 8. Oktober setzt zum ersten Mal seit #metoo die Themen Frauenunterdrückung und Gleichstellung der Geschlechter auf die Tagesordnung. Es beinhaltet viele positive Forderungen. Von der schrittweisen Einführung einer 30-Stundenwoche über den Ausbau von Kinderbetreuung bis zur Anerkennung von frauenspezifischen Fluchtgründen. Wir befürworten daher die Unterstützung dieses Volksbegehrens.

Gleichzeitig sind die Forderungen und die Möglichkeiten seiner Umsetzung so beschränkt oder gar fehlgerichtet, dass die Initiative droht, im Nichts zu verpuffen. Die Frage steht deshalb vor KommunistInnen, wie man sich in diesem Spannungsverhältnis von (großteils) fortschrittlichen Forderungen und gleichzeitig sehr gemäßigter Politik verhalten soll. Kann ein Volksbegehren überhaupt etwas bezwecken? Wir möchten an dieser Stelle die Forderungen und die nötigen Perspektiven zur Frauenbefreiung diskutieren.

Macht teilen

Gerade KommunistInnen stehen für die Gleichberechtigung von Frauen ein. Aber die konkreten Forderungen unterscheiden sich dennoch davon. Das Frauenvolksbegehren fordert, dass die Hälfte aller Wahllisten und Vertretungsgremien sowie der politischen Interessenvertretungen und der Sozialpartnerschaft von Frauen besetzt wird. Zusätzlich sollen in Kapitalgesellschaften und Genossenschaften innerhalb der Kontroll- und Leitungsgremien dieselben Kriterien erfüllt werden. Die Begründung ist, dass Frauen einen großen Teil der Bevölkerung ausmachen, der aber wenig in den Institutionen widergespiegelt wird. In einer repräsentativen Demokratie wäre das aber dringend notwendig, deswegen müssten also Quoten sich dieser Aufgabe der gleichberechtigten Vertretung annehmen.

Es gibt bereits eine Quotenregelung in Österreich, diese sei aber zu gering. Ein 30-prozentiger Frauenanteil wird dabei angestrebt und zwar auch nur bei Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten. Das muss laut dem Frauenvolksbegehren geändert werden. Argumentiert wird das vor allem mit Statistiken, die ökonomische Verbesserungen durch die stärkere Einbeziehung von Frauen feststellen.

Statistisch mag das so sein. Aber die Kontroll- und Leitungsgremien in Unternehmen sind für Arbeiterinnen in den seltensten Fällen erreichbar. In dieser Beziehung dient die Quotierung daher mehr der Ablenkung von tatsächlichen Lösungen. Auch ist es in den allermeisten Fällen egal, ob die Person die uns ausbeutet, ein Mann oder eine Frau ist, und die Frauenbewegung sollte sich nicht an der Verwaltung des Kapitalismus beteiligen. Deshalb fordern wir stattdessen die Verstaatlichung der Betriebe unter der Kontrolle der ArbeiterInnen. Wir wollen nicht „politisch korrekt“ unterdrückt werden, sondern die Unterdrückung abschaffen.

Aber das allein reicht natürlich nicht als Antwort auf die Forderung von Quoten. Speziell in den Massenorganisationen der ArbeiterInnenklasse ist Quotierung wichtig. Denn auch die fortschrittlichste Bewegung ist nicht frei von Sexismus und anderen Unterdrückungsmechanismen. Um das tatsächliche Potenzial der Gruppen auszuschöpfen, müssen Frauen (und auch andere unterdrückte Gruppen) gemessen an ihrem Mitgliederanteil in der Führung vertreten sein.

Insofern sehen wir den Anspruch des Frauenvolksbegehrens in dieser Frage als berechtigt an, halten aber die Lösung nicht für ideal. Wenn die Frage von Quotierung nicht mit einem klaren Klassenstandpunkt beantwortet wird, wird sie zu einer kleinbürgerlichen Antwort. Diese dient im Endeffekt nicht mehr den arbeitenden Frauen, sondern einem (weiblichen besetzten) Teil des Kapitals. Es wird nämlich der tatsächliche Ursprung (oder zumindest Reproduktionsmechanismus) für Ungleichheit verschleiert: das kapitalistische Wirtschaftssystem. Deshalb muss man für tatsächliche Gleichberechtigung auch erstmal eine neue ökonomische Basis schaffen und das jetzige Wirtschaftssystem hinter sich lassen.

Einkommensunterschiede beseitigen

Das Frauenvolksbegehren geht auch ein weiteres wichtiges Thema an. Eines, das auch immer wieder heiß diskutiert wird, nämlich die schlechtere Bezahlung von Frauen. Das Frauenvolksbegehren fordert volle Lohntransparenz durch eine detaillierte Aufgliederung aller betrieblichen Einkommensberichte in sämtliche Gehaltsbestandteile. So könnte die Ungerechtigkeit auch stärker wahrgenommen und etwas dagegen unternommen werden. Es sollen durch die Unternehmen Maßnahmepläne erstellt werden, um diese Lohndiskrepanzen anzugleichen. Zusätzlich wird die Erstellung von sozialen und wirtschaftlichen Plänen gefordert, um die schlechtere Bezahlung von bestimmten Branchen – nämlich weiblich dominierten – zu beseitigen.

Tatsächlich wird es aber notwendig sein, einen Schritt weiter zu gehen. Die Forderung sollte sich auf die Öffnung aller Geschäftsbücher und ihre Kontrolle durch die Belegschaft konzentrieren. Natürlich ist es gut zu wissen, wer von den männlichen Kollegen für gleichwertige Arbeit mehr verdient, aber viel interessanter zu wissen ist, wie viel die Firma Profit macht, wie wenig davon tatsächlich bei der Belegschaft ankommt, und welche Rolle die Ausbeutung von Frauen dabei spielt. So geht es nicht nur mehr um die Ungerechtigkeit im Vergleich zum Kollegen, der mehr verdient, sondern um einen Einblick in die kapitalistische Verwertung selbst, in der die Schlechterstellung der Frau eine maßgebliche Rolle spielt.

Die anderen Vorschläge zur Verbesserung der unfairen Bezahlung sind sicherlich richtig, aber zu unkonkret. Vor allem in frauendominierten Bereichen höhere Löhne zu fordern, sollte mehr im Mittelpunkt stehen.

Arbeit verteilen

Ein verwandter Punkt sind die Fragen von Arbeitszeitverkürzung, Hausarbeit und der sogenannten Teilzeitfalle (Frauen bleiben in Teilzeitberufen stecken und machen deshalb nie Karriere). Das Frauenvolksbegehren versucht, diese durch einfache Forderungen auf einmal zu lösen. Eine schrittweise Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche bei variablem Lohn- und Personalausgleich und die staatliche Förderung von kleinen und mittelständischen Unternehmen, um eventuelle Wettbewerbsnachteile auszugleichen, stehen auf ihrer Agenda. Mit der Arbeitszeitverkürzung soll die Aufteilung der Arbeit im häuslichen Bereich verbessert werden. Zusätzlich werden mehr Arbeitsplätze geschaffen und es wird leichter, aus der Teilzeitfalle herauszukommen.

Die Frage ist aber leider nicht so einfach beantwortet. Nicht alle Personen leben in einem Familienverhältnis, in dem man sich die häusliche Arbeit einfach aufteilen könnte. Starke patriarchale Strukturen binden Frauen auch weiterhin an Herd und Kind. Um eine tatsächliche Entlastung von Frauen (sowie allgemein den Personen, welche die Reproduktionsarbeit leisten) in diesem Bereich zu ermöglichen, muss die Forderung nach Vergesellschaftung der Hausarbeit aufgestellt werden. Das bedeutet, die Reproduktionsarbeit wie Kochen, Kinderbetreuung, Pflege, Wäsche etc. von der unbezahlten, vor allem weiblichen, Privatarbeit zu einer Aufgabe der Gesellschaft zu machen. An anderer Stelle schreibt das Frauenvolksbegehren über Ausweitung der Kinderbetreuung, was eine konkrete Maßnahme dafür wäre. Weiters sollten aber immer mehr Arbeiten aus dem häuslichen Bereich ausgelagert werden in öffentliche Kantinen, Wäschereien, usw. Nur so ist Frauenbefreiung möglich und nur so kann auch die Teilzeitfalle überwunden werden – gemeinsam mit der Forderung nach einer 30-Stundenwoche und zwar bei vollem Lohn- und Personalausgleich!

Armut bekämpfen

Armut ist zum Großteil weiblich. Deshalb thematisiert das Frauenvolksbegehren sie auch. Es fordert: „Einen staatlich garantierten Anspruch auf Unterhaltsvorschuss, solange Familienbeihilfe bezogen wird. Die Anpassung der Unterhaltsbemessung an angemessene Regelbedarfssätze.

Entkoppelung der Zahlung von der Leistungsfähigkeit des/*der Unterhaltspflichtigen, gleichzeitige Beibehaltung der Verpflichtung zur Rückzahlung nach Leistungsfähigkeit;

bundesweiten Ausbau der staatlich finanzierten, rechtlich abgesicherten Frauen- und Mädchenberatungsstellen.“

Die Forderungen richten sich fast ausschließlich an Alleinerziehende. Das ist auch wichtig, da AlleinerzieherInnen massiv von Armut betroffen sind, aber nur allzu oft vergessen werden. Obwohl die Forderungen zum Unterhaltsvorschuss nicht falsch sind, so gehen sie doch etwas am Ziel vorbei. Finanzielle Unterstützung sollte nicht an früheren PartnerInnen festgemacht werden müssen. Es gibt sehr viele Gründe, warum Menschen ihre Kinder alleine großziehen, nicht zuletzt, weil keinerlei Kontakt (auch nicht, wenn es um Geld geht), mit den früheren PartnerInnen gewünscht ist. Darüber hinaus sollte allgemein gelten, dass die Kosten für Kinder solidarisch von der gesamten Gesellschaft getragen, daher in Form von Sozialleistungen vom Staat übernommen werden. Außerdem wird leider eine Gruppe von Menschen sehr stark ausgeklammert, die aber mindestens genauso von Armut betroffen ist: Migrantische Frauen und Mädchen sind stark marginalisiert und brauchen mindestens genauso viel Unterstützung um ihre Situation zu verbessern.

Wahlfreiheit ermöglichen

Das Frauenvolksbegehren fordert an dieser Stelle drei wesentliche Dinge: den Rechtsanspruch auf kostenlose, qualitativ hochwertige Betreuung für jedes Kind bis zum 14. Lebensjahr unabhängig vom Wohnort und Erwerbsstatus der Eltern; die Vereinbarkeit der Betreuungseinrichtung mit einer Vollzeitberufstätigkeit der Eltern, also ganztägige und ganzjährige Öffnungszeiten sowie leichte Erreichbarkeit; vereinheitlichte bundesweite Qualitätsstandards für eine bedarfsorientierte Betreuung und eine individuelle (Früh-)Förderung.

Diese Forderungen sind mehr als angebracht. Österreich gibt im internationalen Vergleich relativ wenig für Kindergartenplätze aus. Mit 0,6 Prozent des BIP liegt es z. B. hinter Frankreich (0,7 %), dem OECD-Schnitt (0,8 %) Deutschland (0,9 %), Finnland (1,2 %) oder Schweden (2,0 %). Dazu will die schwarz-blaue Regierung auch noch die Zuschüsse für Kinderbetreuungsplätze im aktuellen Budget kürzen. Statt den bisherigen 140 Millionen sollen nur mehr 90 Millionen den Bundesländern zugeschossen werden.

Die Forderung nach einem Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen ist zu unterstützen. Nur allzu oft ist es für Frauen unmöglich, einer ganztägigen Beschäftigung nachzugehen (fast jede zweite Frau arbeitet nur Teilzeit). Das schränkt sie massiv in ihrer finanziellen und persönlichen Unabhängigkeit ein und zementiert sie noch mehr in ihrer traditionellen Rolle als Mutter und Hausfrau – auch wenn sie nebenher noch arbeiten geht. In Bezug auf Kinderbetreuungseinrichtungen gibt es auch einen weiteren eklatanten Fakt, der auch klar macht, dass es dabei nicht einfach nur um eine finanzielle Frage geht, sondern explizit um eine politische. So sind die Kinderbetreuungsplätze in östlichen Bundesländern deutlich besser ausgebaut als in westlichen. Dabei handelt es sich aber in erster Linie nicht um eine geografische Frage, sondern darum, in welchen Bundesländern die ÖVP bzw. die katholische Kirche einen größeren Stellenwert einnimmt. 2011 lag die Betreuungsquote für Wien für 6 – 10-Jährige bei 30 %, in Vorarlberg bei 9,5 % und in Tirol gar nur bei 5 %. Hier wird klar, dass traditionelle Frauenbilder einen wesentlichen Einfluss auf die Betreuungssituation von Kindern und Jugendlichen haben.

Vielfalt leben

Dieser Forderungspunkt richtet sich gegen sexistische und diskriminierende Darstellungen speziell von Frauen in Medien und stellt Forderungen auf, um diese zu unterbinden. Zeitgleich sollen PädagogInnen darauf geschult werden, junge Menschen nicht in bestimmte Geschlechterrollen reinzudrängen, und sich auch Unterrichtsmaterialien an diesem Grundsatz orientieren.

Der Grund dafür ist, dass Geschlechterrollen einschränken und einen schädlichen Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung ausüben. Mädchen zu erklären, sie können dieses und jenes nicht, kann langwierige und extreme Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl haben. Ebenfalls ist es schädlich, Jungen zu sagen, dass sie nicht weinen dürfen und ihnen damit nahezulegen, ihren Gefühlen keinen Raum zu geben.

Diese und weitere Geschlechterrollen finden sich auch in Medien, vor allem in der Werbung wieder. Das Selbstbild von Frauen wird eigentlich immer von der Gesellschaft diktiert. Sich selbst schön zu finden, ist somit nur mit der richtigen Figur, einem neuen Kleid und teurem Make-up erlaubt. Und wer nicht schön ist, der hat zumindest als Frau eigentlich gar nichts, weil man als Frau eben primär dafür bewertet wird. Leistung und harte Arbeit sind ja schließlich was für Männer.

Das Frauenvolksbegehren setzt hier an einem wichtigen Punkt an, der vor allem für junge Frauen einen nicht zu unterschätzenden Effekt hat. Die Beeinflussung durch die Medien und Erziehung hat sicher den größten Anteil an ungesunden Schönheitsbildern. Aber wir lehnen es ab, die Forderung nach einem Verbot an die Organe des bürgerlichen Staates zu stellen. Wenn dieser entscheiden darf, was diskriminierend ist und was nicht, landen wir bestimmt nicht an dem Punkt, wo wir hinwollen. Ausschüsse aus der ArbeiterInnen- und der Frauenbewegung sollten bestimmen, welche Darstellung sie als schädlich empfinden, und dadurch eine demokratische Kontrolle ausüben.

Selbst bestimmen

Sexuelle Selbstbestimmung für Frauen ist in Österreich immer noch ein schwieriges Thema. Das Frauenvolksbegehren fordert deshalb diesbezüglich einen verbesserten Aufklärungsunterricht, Beratungsstellen (inklusive Gratisverhütungsmitteln), Schwangerschaftsabbrüche in allen öffentlichen Krankenanstalten sowie die Übernahme von Kosten für Abtreibung, Schwangerschaftstests und verschriebene Verhütungsmittel durch die Krankenversicherung. Im Wesentlichen sind das alles gute und korrekte Forderungen. Der Aufklärungsunterricht ist, auch wenn er sich in den letzten Jahrzehnten sicher weiterentwickelt hat, immer noch unzureichend. Zumeist beschränkt er sich auf biologisch-anatomische Betrachtung von Schwangerschaft und (heterosexuellem) Geschlechtsverkehr. Fragen von Verhütung, Abtreibung, anderer sexueller Orientierung oder geschlechtlicher Identität werden wenig bis gar nicht behandelt.

Auch der Zugang zu Verhütungsmitteln ist – gerade für Jugendliche – oftmals nicht sehr einfach. Auf der einen Seite sind diese, vor allem hormonelle wie die Pille, oftmals gesundheitlich nicht unbedenklich, auf der anderen Seite stehen aber auch aus finanzieller Hinsicht oftmals Barrieren im Weg. Der Mangel an einfach zugänglichen und kostenlosen Verhütungsmitteln zeigt sich unter anderem auch darin, dass es jährlich zu geschätzt 30.000 Abtreibungen kommt.

Die Vereinfachung des Zuganges zu diesen ist eine zentrale Forderung, auch wenn sie im Frauenvolksbegehren deutlich wenig Beachtung findet. Es wird zum Beispiel nicht einmal die Streichung des Paragraphen 96 aus dem Strafgesetzbuch gefordert, der Schwangerschaftsabbruch illegalisiert (auch wenn er mit der Fristenlösung in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft straffrei ist). Auch eine Ausweitung der Frist von 3 Monaten findet sich nicht im Forderungskatalog wieder.

Schutz gewähren

Kein Unterdrückungsmechanismus im Kapitalismus existiert losgelöst von anderen. Speziell zwischen Rassismus und Sexismus gibt es wesentliche Überschneidungen und Wechselbeziehungen. Deshalb ist speziell dieser Forderungskomplex sehr begrüßenswert, wenn auch nur in Ansätzen ausgeprägt und recht wenig radikal. Das Frauenvolksbegehren fordert in diesem Bereich nämlich: die Anerkennung von frauen- bzw. geschlechtsspezifischen Fluchtgründen, das Recht auf Familienzusammenführung, einen Aufenthaltsstatus unabhängig von der/m EhepartnerIn, spezielle Maßnahmen zum Schutz von geflüchteten Frauen und anderes.

Frauen sind auf der Flucht weitaus mehr Gefahren ausgesetzt als Männer. Oftmals erfahren sie sogar sexualisierte Gewalt. Umso wichtiger ist es hier, die Interessen von geflüchteten Frauen nochmals speziell hervorzuheben. Allgemein wird es aber in diesem Punkt nicht geschafft, wirklich radikal mit der reaktionären Flüchtlingspolitik der etablierten Parteien (also auch der SPÖ) zu brechen.

Was aber in diesem Teil auch noch mal speziell hervorsticht und sich durch das Frauenvolksbegehren durchzieht, ist die Stellung, die es zum bürgerlichen Staat einnimmt. Es liegt in der Natur eines Volksbegehrens, dass es nur Forderungen an den bürgerlichen Staat richten und nicht als Instrument dienen kann, die Unterdrückten selbst zu organisieren. Das ist auch gleichzeitig die größte Schwäche nicht nur dieses Volksbegehrens, sondern von Volksbegehren im Allgemeinen.

Natürlich ist es nicht prinzipiell falsch, Forderungen an den bürgerlichen Staat zu stellen. Doch es gibt Bereiche wie zum Beispiel die Forderung nach Förderung und Zusammenarbeit mit der Polizei, wo dieser Appell in eine reaktionäre Stoßrichtung umschlägt. Der bürgerliche Staat und insbesondere seine Repressionsorgane können keine verlässlichen Verbündeten im Kampf gegen Sexismus, Rassismus oder Unterdrückung im Allgemeinen sein, sie dienen der Aufrechterhaltung der unterdrückerischen Verhältnisse. Vielmehr muss das Ziel darin liegen, Frauen gemeinsam mit der Frauen- und ArbeiterInnenbewegung gegen sexistische Gewalt zu organisieren. Ein Appell an die Polizei schafft hier entweder nur Illusionen oder stärkt allgemein die Möglichkeiten des bürgerlichen Staates.

Gewalt verhindern

Spätestens mit #metoo ist auch in Österreich die Diskussion über Gewalt gegen und Belästigung von Frauen verstärkt in der Gesellschaft diskutiert worden, auch wenn die Diskussion in Österreich um einiges weniger erfolgreiche Ergebnisse zeigte als in anderen Ländern. Peter Pilz sitzt wieder im Nationalrat, der ÖSV ist laut „Expertenkommission“ nicht sexistischer als „Unternehmen analoger Größenordnung“ und der Innenminister arbeitet bewusst daran, sexualisierte Gewalt so darzustellen, als ob sie nur von fremden (besonders nichtösterreichischen) Männern begangen würde.

Dabei ist klar, dass die überwältigende Mehrheit der Frauen sexuelle Belästigung erfährt, jede 5. Frau über 15 Jahren von (häuslicher) Gewalt betroffen ist und die Mehrheit der Täter aus ihrem unmittelbaren persönlichen Umfeld kommt. Oftmals sind es Ehemänner oder (Ex-)Partner. Deshalb ist die Forderung nach einem Ausbau von Gewaltschutzzentren mehr als notwendig. Auch die Sensibilisierung an Schulen ist wichtig. Der Appell zum Ausbau der Kooperation mit der Polizei ist jedoch, wie schon weiter oben argumentiert, mehr als verzichtbar. Vielmehr sollte die Selbstorganisierung von Frauen gemeinsam mit der organisierten Frauen- und ArbeiterInnenbewegung im Vordergrund stehen, um sich bei Gewaltschutz nicht auf die – ohnehin sexistischen und rassistischen – Organe des bürgerlichen Staates zu verlassen.

Was bezwecken Volksbegehren?

Ein erfolgreiches Volksbegehren hat als solches genommen nicht viel mehr Konsequenzen, als dass im Nationalrat darüber diskutiert werden muss. Das bedeutet auch, dass bei dieser Regierung, die sich großteils ablehnend gegenüber dem Volksbegehren (und Frauenrechten generell) positioniert hat, vermutlich nicht sehr viel von den Forderungen umgesetzt werden wird. Der wesentlichere Output kann eben deswegen nur sein, eine gesellschaftliche Diskussion über die Themen anzustoßen und dadurch eine Bewegung auf der Straße, in den Gewerkschaften und Betrieben zu entfachen, die auch den gesellschaftlichen Druck erzeugen kann, damit die Forderungen auch wirklich erzwungen werden können. Denn was der Kampf für Gleichberechtigung im letzten Jahrhundert gezeigt hat, ist, dass diese nicht einfach vom Himmel fällt, sondern hart erkämpft werden muss.

Deshalb müssen wir auch klarmachen, dass dieses Frauenvolksbegehren zu keinen positiven Verbesserungen führt, wenn es nicht seine selbstgesteckten Einschränkungen beseitigt. Aktuell ist die Perspektive rein auf ein formales Mittel der „direkten“ Demokratie im österreichischen Staat ausgelegt. Dabei ist sehr einfach zu durchschauen, dass eine strategische Ausrichtung alleine darauf vollkommen verheerend sein kann. Die vielen UnterstützerInnen, die sich in den letzten Monaten engagiert haben, müssen erkennen, dass ihr Engagement nicht einfach nur für eine gute Medienaktion draufgehen sollte. Vielmehr muss das Frauenvolksbegehren auch eine reale Mobilisierung auf der Straße und eine Auseinandersetzung in den Organisationen der ArbeiterInnenbewegung bewirken. Ein erster Schritt kann zum Beispiel sein, am Tag der Debatte des Frauenvolksbegehrens eine große Demonstration für die Durchsetzung der Forderungen abzuhalten. Die Mehrheit im Nationalrat wird nicht im Traum daran denken, die Inhalte des Volksbegehrens durchzusetzen. Wir müssen sie dazu zwingen und das geht letztlich nur durch eine Bewegung auf der Straße, unterstützt durch die Organisationen der ArbeiterInnenbewegung, allen voran die Gewerkschaften.

Aber es muss auch klar sein, dass – egal wie sehr wir kämpfen – uns unsere Rechte jederzeit wieder weggenommen werden können. Dafür müssen wir nur auf die nächste große Krise warten. Der Kapitalismus als Ursache der Frauenunterdrückung muss überwunden werden. Und das geht nur als kämpfende Bewegung der ArbeiterInnenklasse. Viele der Punkte im Frauenvolksbegehren müssen essentielle Forderungen einer solchen Bewegung sein, die in auf eigene Stärke vertraut anstatt auf den bürgerlichen Staat. Aber leider bricht der kleinbürgerliche Charakter des Frauenvolksbegehrens doch immer wieder mit den Interessen der ArbeiterInnenklasse. Deshalb müssen wir die Menschen überzeugen, einen Schritt weiterzugehen. Denn echte Frauenbefreiung wird es erst geben, wenn diese Dystopie, diese Antiutopie in Form des „freien Marktes“ endlich auf dem Müllhaufen der Geschichte landet.

 




Wirtschaftliche Krise – ideologische Wende – Angriffe auf Frauenrechte weltweit

Veronika Schulz, ArbeiterInnenmacht/REVOLUTION (Deutschland), ArbeiterInnenstandpunkt/REVOLUTION (Österreich) März 2017

Seit Ausbruch der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 befinden wir uns in einer anhaltend instabilen Periode. Wir spüren also nicht einfach die langfristigen Auswirkungen der Krise. Vielmehr dauert diese Krise an: Die gegenwärtige Politik vor allem der westlichen Industrienationen ist auch weiterhin von verzweifelten Maßnahmen geprägt. Der Kapitalismus zeigt dabei offener denn je seine imperialistische Fratze. Immer mehr Menschen gehören zu den VerliererInnen eines Wirtschaftssystems, das durch Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg nur einige Wenige zu seinen Profiteuren macht. Die Krisenlasten hingegen aber werden auf die große Masse der Bevölkerung, die ArbeiterInnen, KleinbäuerInnen, SozialrentnerInnen und auf Armenunterstützung Angewiesene, abgewälzt.

Frauen sind von diesen Entwicklungen besonders und auf vielfältige Weise betroffen. Sie sind einer Doppel-, Dreifach-, teilweise gar Vierfachbelastung ausgesetzt, da sie Lohnarbeit, Kinderbetreuung, Altenpflege und Hausarbeit gleichzeitig bewältigen müssen. Weltweit verschärft sich dies nicht nur durch fehlende Rechte für Frauen, sexuelle Gewalt, Rassismus und anhaltende kriegerische Konflikte. Auch erstarkende reaktionäre Parteien sowie religiös-fundamentalistische Gruppen – deren Zunahme und Erstarken selbst ein Resultat der Krise und des Versagens der großen, reformistischen ArbeiterInnenorganisationen ist – sorgen international für ein Rollback der Errungenschaften von Frauen.

Arbeitssituation von Frauen

Der Anteil der erwerbstätigen Frauen hat sich trotz der Krise in Deutschland und auch in Europa erhöht (in 10 Jahren von 61 % auf 71 %)(1). Diese Nachricht bedeutet jedoch nicht, dass Frauen automatisch auch ein höheres Maß an finanzieller Unabhängigkeit erlangen, geschweige denn auf dem Arbeitsmarkt gleichberechtigt sind. Der Großteil der entstandenen Jobs ist nämlich Ausdruck für den Bedarf an billigen Arbeitskräften, wodurch Unternehmen ihre „Wettbewerbsfähigkeit“ sichern wollen. So handelt es sich bei von Frauen ausgeübten Tätigkeiten vor allem um deregulierte Arbeit, die oft als „prekär“ bezeichnet wird, wobei dieser Begriff mehrere Dimensionen umfasst. Zum einen bezieht er sich auf die Art der Beschäftigung (Teilzeit, Befristung, Mini- und Mehrfachjobs). Zum anderen sind die Einkommen aus solchen Tätigkeiten niedrig, die Löhne liegen oftmals nur knapp über der Armutsgrenze. Frauen arbeiten ungleich öfter auf solch prekären Stellen als Männer, weswegen sie deutlich weniger von dem „Jobwunder“ profitieren. Außerdem stehen wenig ausgebildete und angelernte Arbeitskräfte in dauernder Konkurrenz zueinander, da die Unternehmen auf eine große Reservearmee zurückgreifen können. Durch die kriegs- und krisenbedingten Migrationsbewegungen wird diese Armee sogar noch aufgestockt und zulasten aller ArbeiterInnen gegeneinander ausgespielt. Der 2015 eingeführte Mindestlohn wird in einigen Branchen systematisch umgangen, so dass vielen ArbeiterInnen kaum Geld am Monatsende übrigbleibt. Auch die Beiträge zur Rentenversicherung sind im Niedriglohnsektor gering oder fehlen ganz. Nach heutiger Gesetzes- und Berechnungsgrundlage sind in Deutschland 18 % der Frauen ab 65 Jahren armutsgefährdet, im EU-Durchschnitt 16 %.(2) Andere Zahlen besagen, dass 2010 in der BRD 4,9 Millionen über 55-jährige Menschen von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen waren. 2015 waren es bereits 5,7 Millionen, das entspricht 20,8 % der BundesbürgerInnen (EU-Durchschnitt: 20,7 %). 2006 waren es noch 18,2 % in Deutschland.(3) Die Zahlen für Frauen dürften höher als im Bevölkerungsaltersdurchschnitt liegen. Altersarmut ist für die Mehrzahl der Frauen quasi vorprogrammiert, da sie nicht „privat vorsorgen“ können, von Betriebsrenten ganz zu schweigen. Hartz IV-EmpfängerInnen müssen wie zum Hohn ihre angesparte private Altersvorsorge auflösen und verbrauchen, bevor sie in den Genuss dieser Transferleistung kommen können. Aus relativer Armut während des Erwerbslebens wird absolute im Alter.

Ein dritter Aspekt prekärer Arbeit ist das Fehlen gewerkschaftlicher Organisierung. Obwohl die ArbeiterInnenklasse international als Ganzes wächst, kann der Grad ihrer gewerkschaftlichen Vertretung insbesondere bei Frauen nicht annähernd mit diesem Wachstum mithalten. Aus diesem Grund ist es vor allem für Frauen erschwert, die nötige Kampfkraft zu entwickeln und für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne zu streiken. Ein positives Beispiel für gelingende Organisierung findet sich jedoch in den Streiks im Gesundheits- und Erziehungsbereich 2015. Hier ist es den ArbeiterInnen gelungen, den Arbeitskampf gegen den Willen der Gewerkschaftsbürokratie weiterzuführen, indem sie deren Einigungsempfehlung ablehnten.(4)

Eine herbe Niederlage mussten hingegen die französischen ArbeiterInnen verdauen. Die französische Regierung hat im Herbst 2016 trotz langanhaltender Proteste und Streiks das sogenannte El-Khomri-Gesetz zur Arbeitsmarktreform verabschiedet. Offiziell soll diese französische Variante der Agenda 2010 die hohe Arbeitslosigkeit bekämpfen und die angeblich zu starren Arbeitsgesetze modernisieren. In Wirklichkeit stehen durch diese Reform die 35-Stunden-Woche sowie der Kündigungsschutz zur Disposition. Kündigungsgründe wie z. B. eine „notwendige Reorganisation des Betriebs“ sind nun ebenso legal wie bis zu 60 Wochenstunden Arbeit. Während sich die Unternehmerverbände die Hände reiben, kritisieren ArbeiterInnen und Gewerkschaften neben den Inhalten des Gesetzes auch die Vorgehensweise bei dessen Verabschiedung: Durch den fortwährenden Notstand konnte die Regierung die Reform ohne Abstimmung der Nationalversammlung durchpeitschen.(5) Auch von diesem Gesetz werden Frauen besonders hart getroffen, da sie diejenigen sind, die einer Mehrfachbelastung aus Lohn- und Care-Arbeit ausgesetzt sind. Die bereits geschilderte Beschäftigungssituation von Frauen ist somit nicht ausschließlich dem Angebot aus Teilzeitstellen und prekären Minijobs geschuldet.

Kindererziehung, Pflege- und Hausarbeit

Für viele Frauen ist es schlichtweg nicht möglich, in Vollzeit zu arbeiten: Frauen tragen auch weiterhin die Hauptlast bei der Versorgung von Familienangehörigen, sei es bei der Kindererziehung oder Pflege. Selbst wenn viele Paare einen anderen Lebensentwurf vorziehen würden, so ist es eine rationale Entscheidung, welche/r der PartnerInnen im Beruf kürzertritt und sich um Kinder und Pflegebedürftige kümmert.

Die materielle Basis dieser Entscheidung hängt unmittelbar damit zusammen, dass Frauen bei gleicher Tätigkeit immer noch bis zu 21 % weniger verdienen als Männer.(6) Durch steuer- und familienpolitische Maßnahmen wie Betreuungsgeld und Ehegattensplitting wird das vermeintlich „klassische“ Familienmodell mit dem Vater als Ernährer und der Mutter als Hausfrau sogar noch staatlich gefördert. Das auch als „Herdprämie“ bezeichnete Betreuungsgeld wurde Ende 2012 auf Drängen der CSU deutschlandweit eingeführt. Es subventioniert Familien, die nicht auf Kita-Angebote zurückgreifen, sondern ihre Kinder zu Hause erziehen, mit monatlich 100 bis 150 Euro. Auch nachdem das Bundesverfassungsgericht die Maßnahme 2015 auf Bundesebene gekippt hat, beharrt die CSU auf deren Weiterführung zumindest in Bayern. Doch nicht nur die Union propagiert die Kernfamilie mit Vater, Mutter, Kindern als Bilderbuchmodell. Auch die RechtspopulistInnen und NationalistInnen von AfD, Front National und FPÖ beteiligen sich fleißig an einer ideologischen Verschiebung zurück zu diesem vermeintlichen Ideal. Die AfD erhebt in ihrem Programm die „Drei-Kinder-Familie“ sowie die heterosexuelle Ehe zum Leitbild und klammert wie selbstverständlich kinderlose und homosexuelle Paare aus. Diese Argumentationsweise zeigt deutlich, dass Rassismus, Sexismus und Homophobie wesentliche Elemente rechter Ideologie sind und somit nicht nur Frauen, sondern auch LGBTIA-Menschen, Geflüchtete und MigrantInnen von den geschilderten Rollbacks betroffen sind.

Ein weiteres Problem liegt in der unzureichenden Betreuungssituation für Kleinkinder. Obwohl seit 2013 ein Rechtsanspruch auf Kita-Plätze für alle Kinder bis 3 Jahre besteht, fehlen weiterhin 230.000 Plätze.(7) Das bedeutet, dass für 10 % aller Kinder in diesem Alter keine ausreichende Betreuung gewährleistet ist! Großeltern und FreundInnen können nur bedingt dauerhaft einspringen, weshalb viele Eltern vor ein existenzielles Problem gestellt werden. Wie bereits beschrieben, ist es nach wie vor meist die Frau, die ohnehin weniger verdient und sich somit für eine Teilzeitstelle entscheidet, um sich dann „nebenbei“ um Kinderbetreuung und Hausarbeit zu kümmern. Alleinerziehende sind von den fehlenden Betreuungsmöglichkeiten besonders hart getroffen, da ihnen kaum eine andere Wahl bleibt, als einen Teilzeitjob oder gar verschiedene Minijobs anzunehmen. Lebensentwürfe, Arbeitszeitmodelle und Kindererziehung werden auf diese Weise zur Klassenfrage.

Kontroverse um Abtreibung

Es ist leider nicht verwunderlich, dass mit dem Erstarken reaktionärer Kräfte auch die Forderung nach dem Verbot von Abtreibung wieder in der öffentlichen Debatte auftaucht (siehe auch den Artikel zu ABTREIBUNG in dieser Zeitung). Am Beispiel des Rechts auf körperliche Selbstbestimmung wird besonders deutlich, dass sowohl Klerikale wie auch Konservative in ein und dasselbe Horn blasen: die Verrohung der Sitten, „Gender-Mainstreaming“ und die Enttabuisierung von Sexualität hätten zu einer negativen Entwicklung geführt und müssten entschieden bekämpft werden. Eine längst überholte Sexualmoral und ein altbackenes Eheverständnis werden aus der Mottenkiste geholt und stellenweise bereits in Gesetze gegossen. Das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper und eine bewusste Familienplanung werden auf diese Weise bedroht. Insbesondere in den stark katholisch geprägten EU-Staaten Spanien, Portugal, Irland und Polen herrschen durch sehr restriktive Bestimmungen ohnehin quasi Abtreibungsverbote vor.

In Spanien konnte sich die konservative Regierung 2015 trotz massiver Proteste gegen die Opposition durchsetzen und die Möglichkeiten zur legalen Abtreibung weiter eingrenzen.(8) So brauchen beispielsweise junge Frauen unter 18 die Erlaubnis ihrer Erziehungsberechtigten. In Polen hat zuletzt eine Bürgerinitiative mit Unterstützung der polnischen Regierung eine Verschärfung der geltenden Bestimmungen, die einem Verbot gleichkommen würde, gefordert, stieß jedoch ebenfalls auf massiven Widerstand auf der Straße und im Parlament.(9) Aus Angst vor Stimmverlusten bei den nächsten Wahlen lenkte die Mehrheit der Abgeordneten der Regierungspartei ein und lehnte das Vorhaben in letzter Minute doch noch ab.

US-Präsident Donald Trump löste gleich zu Beginn seiner Amtszeit ein zentrales Wahlversprechen ein, indem er staatliche Fördermittel für Nichtregierungsorganisationen streichen ließ, die Abtreibungen anbieten oder unterstützen. Seit Reagans Präsidentschaft ist dieser Erlass (Mexico City Policy) zur leidigen Tradition geworden, der jedoch von Präsidenten der demokratischen Partei regelmäßig kassiert wurde. Dies trifft beispielsweise die Organisation „Planned Parenthood“, die unter der Obama-Regierung jährlich staatliche Subventionen in Höhe einer halben Milliarde US-Dollar erhielt. Damit aber nicht genug, plant Trump unter Jubel der „Pro Life“-Bewegung die Berufung eines erklärten Abtreibungsgegners und reaktionären Hardliners als Richter an den Obersten Gerichtshof. Zwar besteht in den USA grundsätzlich die Möglichkeit zur Abtreibung, allerdings ist es für Frauen häufig schwer, ihre Rechte wahrzunehmen: in fünf US-Bundesstaaten gibt es nur eine Abtreibungsklinik. In den USA greifen nicht nur Politik und Kirchen, sondern auch die Wirtschaft die bestehenden Gesetze und das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper an. So weigert sich die Baumarktkette „Hobby Lobby“ unter Berufung auf religiöse Gründe, ihren Angestellten solche Krankenversicherungen anzubieten, die Kosten für Verhütungsmittel wie z. B. die „Pille danach“ übernehmen.(10) Dieses Vorgehen wurde durch ein Urteil des Obersten Gerichtshofs im Jahr 2014 explizit genehmigt.

Beim Thema Abtreibung zeigt sich exemplarisch sowohl die schleichende Erosion von ehemals hart erkämpften Frauenrechten, aber auch die Kraft, die ein Protest gegen solche Vorhaben entfalten kann. Wie für alle anderen sozialen Errungenschaften der ArbeiterInnenklasse gilt: kein Recht ist in Stein gemeißelt. In Krisenzeiten vollzieht sich ein Abbau von Rechten und Standards, um die es dann erneut zu kämpfen gilt.

Der Widerstand ist weiblich!

Dass Frauen zu politischen Auseinandersetzungen und Widerstand fähig sind, wird insbesondere für angeblich rückständige Regionen oftmals infrage gestellt. Sieht man jedoch genauer hin, verkehrt sich diese Annahme in ihr Gegenteil.

Es zeigt sich nämlich, dass ausgerechnet in den Weltregionen, in denen Frauen gezwungen sind, unter erniedrigenden Bedingungen zu leben und zu arbeiten, sie es sind, die an vorderster Front für ihre Rechte kämpfen und einstehen. Das Beispiel des kurdischen Kampfes um Rojava und die Selbstverteidigung gegen den Terror des Daesch (IS) zeigt, dass sich auch Frauen zu Gruppen von Widerstandskämpferinnen formieren und ihre Forderungen erfolgreich mit denen der Männer verbinden können. Auf diese Weise kann langfristig nicht nur die Trennung auf Grund des Geschlechts überwunden, sondern auch eine weitaus größere Kampfkraft gegen Ausbeutung und Kriege entwickelt werden (siehe Artikel zu ROJAVA in der Frauenzeitung Nr. 3, März 2015). Die Lebensumstände, unter denen dies geschieht, sind oftmals geprägt von religiös-fundamentalistischen Denkweisen und Praktiken. Frauen werden nicht als bewusst handelnde Subjekte wahrgenommen, politische Aktivität wird ihnen erst recht nicht zugestanden und sich ohne Mann in der Öffentlichkeit zu zeigen, macht sie zu Freiwild. Umso mehr muss der Einsatz derer gewürdigt werden, die sich von Gewaltandrohung durch Ehemänner oder Polizei nicht abschrecken lassen.

Ein weiteres Beispiel für die Kampfkraft von Frauen gegen Unterdrückung und Entmündigung bietet der Arabische Frühling, während dessen Verlauf Frauen in der ersten Reihe beteiligt waren. Es ist allerdings Ausdruck auch der Krise der linken Führung, dass diese revolutionären Umwälzungen nicht von Dauer waren und sich die Konterrevolution Bahn brechen konnte. In diesem Zuge haben sich die Lebensbedingungen von Frauen in den betroffenen Ländern massiv verschlechtert. Die Politik der nun eingesetzten islamistischen Regime ist für die dort lebenden Frauen mit Repression und Einschränkung der neu errungenen Freiheiten verbunden. So sind Frauen, die sich ohne männliche Begleitung in der Öffentlichkeit zeigen, der Gefahr von Vergewaltigungen ausgesetzt. Sexuelle Übergriffe auf Frauen und Mädchen sind dabei nicht nur im arabischen Raum, sondern auch im Nahen und Mittleren Osten an der Tagesordnung. Eine Aussicht auf Strafverfolgung der Täter besteht nicht. Unter diesem Gesichtspunkt müssen auch die Versuche westlicher Staaten bewertet werden, die in diesen Weltregionen zur Schulbildung von Mädchen und Frauen beitragen wollen. Die am besten ausgestatteten Schulen nutzen wenig, wenn der tägliche Weg dorthin durch patriarchale und religiöse Traditionen versperrt ist und einem Martyrium gleichkommt.

Gewalt gegen Frauen ist neben den bereits geschilderten Belastungen durch Lohn- und Care-Arbeit ein großes Problem, dem Frauen, aber auch Kinder ausgesetzt sind, die darunter physisch wie psychisch leiden. Ideologischer Extremismus, der im Zuge von Konterrevolution, Wirtschaftskrise und Kriegen an Boden gewinnt, ist Antreiber für die Verschärfung dieser Problematik im Gefolge dieser reaktionären Entwicklungen.

Neben den revolutionären Auseinandersetzungen der vergangenen Jahre sind Frauen auch vermehrt an Arbeitskämpfen und Streiks beteiligt. In den halbkolonialen Ländern sind durch die Globalisierung einerseits neue Möglichkeiten für Frauen, einer bezahlten Arbeit nachzugehen, entstanden. Viele dieser Tätigkeiten sind jedoch in den meisten Fällen um ein Vielfaches schlechter bezahlt als die der Männer, von den Arbeitsbedingungen im internationalen Vergleich ganz zu schweigen. Vor allem in der Textilindustrie arbeiten Frauen unter miserablen Bedingungen zu Hungerlöhnen und auf Provisionsbasis: ein willkürliches System der Entlohnung, gegen das jede Frau für sich alleine nur wenig ausrichten könnte. Dennoch erheben Frauen ihre Stimmen für besseren Arbeitsschutz, Entlohnung von Überstunden und höhere Löhne. Dies hat auch Auswirkungen auf ihre Organisierung, die bei wachsender Zahl weiblicher Arbeitskräfte notwendiger wird denn je. Ein Ansatz zur Organisierung liegt dort in der sogenannten „Home-based Workers‘ Union“, die aktuell in Pakistan aufgebaut wird (siehe auch Artikel zu PAKISTAN in dieser Zeitung). Auch kann, wie sich ansatzweise bereits in den revolutionären Kämpfen gezeigt hat, die Geschlechterkluft überbrückt werden, indem patriarchale und sexistische Verhaltensweisen aufgedeckt und infrage gestellt werden. Die hier aufgeführten Beispiele lassen sich auch auf weitere Gruppen übertragen, die ihrerseits von Unterdrückung betroffen sind, wie z. B. LGBTIA-Menschen, MigrantInnen und Geflüchtete. Ihre Forderungen müssen langfristig mit den Kämpfen von Frauen verbunden werden.

Weitere ermutigende Beispiele von Frauenkämpfen aus der jüngsten Zeit fanden in Großbritannien, Island und Argentinien statt. Im Oktober 2016 stimmten 93 % der Gewerkschaftsmitglieder in Durham County (Großbritannien) für Streikmaßnahmen der LehrassistentInnen gegen neue Verträge, die ihnen der Gemeinderat „bescheren“ wollte. Sie sahen kürzere Beschäftigungszeiten, mehr Wochenarbeitsstunden und bis zu 23 % schlechtere Bezahlung vor. Seit Juni 2016 waren ihre KollegInnen in Derby bereits an 5 Tagen in den Ausstand getreten. Die LehrassistentInnen sind überwiegend weiblich. Die von der Tory-Regierung erlassenen Kürzungen der öffentlichen Haushalte werden oft genug auch von Labor-Gemeinderäten umgesetzt und tragen zur weiteren Benachteiligung von Frauen, die sowieso schon weniger Lohn (18 %) als ihre männlichen Kollegen erhalten, bei.

In Island verließen Ende Oktober 2016 Frauen um 14:38 Uhr ihre Arbeitsplätze, um gegen die geschlechtsspezifische Lohn- und Gehaltslücke von 14 % zu protestieren. Sie hat sich seit 2005, als die ArbeiterInnen und weiblichen Angestellten ihre Arbeit am gleichen Tag um 14:08 Uhr niederlegten, kaum geschlossen.

Am 19. Oktober 2016 protestierten zahlreiche Frauen in Argentinien gegen den vorläufigen Höhepunkt einer Reihe von sog. Ehrenmorden, allein 19 in 18 Tagen vor dem Protest. Diesmal war eine 16-Jährige unter Drogen gesetzt, vergewaltigt und gefoltert worden. 2015 kam es aus ähnlichem Anlass zur Versammlung von 300.000 Menschen in Buenos Aires. In ganz Lateinamerika gingen Frauen 2016 am sog. Schwarzen Mittwoch auf die Straße, um gegen Morde an Frauen und Mädchen Flagge zu zeigen.(11)

Ausblick

Eine zentrale Forderung betrifft die Durchbrechung der Mehrfachbelastung. Frauen leisten immer noch den Großteil unbezahlter Reproduktionsarbeit in Form von Kindererziehung und Altenpflege. Aus klassenkämpferischer Sicht ist es jedoch ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag, sich um derartige Arbeiten zu kümmern. Solange unbezahlte Erziehungs- und Pflegearbeit im Unterschied zur Lohnarbeit keinen Wert und damit auch Mehrwert schafft, kann eine Gleichstellung der Frau nicht gelingen. Aus einer fortschrittlichen sozialistischen Perspektive kann also nur die Vergesellschaftung dieser unbezahlten Haus-, Erziehungs- und Pflegearbeit die Antwort sein. Dies bezieht explizit die Männer bzw. Väter sowie die Gesellschaft als Ganzes mit ein, da es sich bei Erziehung, Pflege und sonstiger Reproduktionsarbeit wie Kochen und Waschen um gemeinschaftliche Aufgaben handelt.

Wir treten ein für ein umfassendes Angebot vollständiger Vergesellschaftung der Haus- und Reproduktionsarbeit und ihre Verteilung auf alle Geschlechter. Die soziale Elternschaft und Angehörigenfürsorge ist unser Ziel. Der ArbeiterInnenstaat bzw. ArbeiterInnen- und Ba(e)uerInnenstaat soll nach und nach die Familie, die Fürsorge durch Verwandte und FreundInnen ersetzen, auf alle Schultern verteilen. Die kommunistische Gesellschaft wird sich dadurch auszeichnen, dass sie alle ihre Mitglieder, auch Alte, Kinder und Kranke materiell besser versorgt als die alte, aber auch emotional, psychisch, gesundheitlich und intellektuell die Menschheit weiterbringt, als Eltern, Angehörige und Familie dies konnten. In letzterem Sinn wird vieles von dem, was in der bürgerlichen Gesellschaft als Privatsache galt, zur öffentlichen Angelegenheit erster Güte. Für öffentliche und kostenlose Wäschereien, Kantinen und Reinigungsdienste und wohnortnahe Pflegeeinrichtungen! Für neue, alle Generationen übergreifende Formen des Zusammenlebens und ihre Berücksichtigung bei Wohnbauten in Stadt und Land!

Wir treten für eine multi-ethnische, proletarische Frauenbewegung ein, für das Recht auf gesonderte Treffen der Frauen, sexuell, rassistisch und national Unterdrückten sowie der Jugendlichen in ArbeiterInnenparteien, -organisationen und Gewerkschaften! Für kollektive Selbstverteidigungsorganisationen und die Pflicht auch der Erwachsenen, Männer und Heterosexuellen zur Teilnahme an ihnen!

International zeigt sich zudem, dass die von Frauen angeführten Kämpfe vielfältig sind und nicht nur Frauen, sondern allen Unterdrückten weltweit Mut geben sollen, dass Widerstand gegen die herrschenden Verhältnisse möglich und notwendig ist.

All die Arbeitskämpfe, Streiks und der organisierte Widerstand gegen Krieg und Ausbeutung bedürfen jedoch einer sozialistischen und revolutionären Perspektive, da Sozialismus ohne Frauenbefreiung ebenso undenkbar ist wie eine vollständige Frauenbefreiung ohne Sozialismus!

 

Endnoten

(1) DESTATIS – Statistisches Bundesamt (2014): Erwerbstätigkeit von Frauen in Deutschland deutlich über EU-Durchschnitt, online unter www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/ 2014/03/PD14_082_132.html

(2) DESTATIS – Statistisches Bundesamt (2015): Frauen EU-weit häufiger als Männer von Altersarmut betroffen, online unter www.destatis.de/Europa/DE/Thema/BevoelkerungSoziales/ SozialesLebensbedingungen/Altersarmut.html

(3) NEUES DEUTSCHLAND, 9. Februar 2017

(4) ZEIT ONLINE (2015): Öffentlicher Dienst: Erzieherinnen lehnen Kita-Schlichterspruch ab, online unter www.zeit.de/wirtschaft/2015-08/verdi-gew-kita-streik-tarifstreit

(5) Netzpolitik.org (2016): Frankreich: Wenn der Notstand zur Normalität wird, online unter www.netzpolitik.org/2016/frankreich-wenn-der-notstand-zur-normalitaet-wird/

(6) Süddeutsche Zeitung (2016): Gehalt: Männer verdienen ein Fünftel mehr als Frauen, online unter www.sueddeutsche.de/karriere/gehalt-maenner-verdienen-ein-fuenftel-mehr-als-frauen-1.2888270

(7) ZDF Heute (2016): Studie: Bundesweit fehlen 228.000 Kita-Plätze, online unter www.heute.de/trotz-rechtsanspruch-fehlen-bundesweit-228.000-kita-plaetze-46216356.html

(8) Der Standard (AT) (2015): Spanien beschließt neuerliche Verschärfung, online unter www.derstandard.at/2000017373063/Spanien-beschliesst-neuerliche-Verschaerfung

(9) ZEIT Online (2016): Polnisches Parlament lehnt Abtreibungsverbot ab, online unter www.zeit.de/politik/ausland/2016-10/polnisches-parlament-lehnt-abtreibungsverbot-ab

(10) The New York Times Magazine (2014): What the Hobby Lobby Ruling Means for America, online unter www.nytimes.com/2014/07/27/magazine/what-the-hobby-lobby-ruling-means-for-america.html?_r=0

(11) The Red Flag, Issue 8, November 2016