Tarifrunde Nahverkehr 2024 – steht das Land still?

Valentin Lambert, Neue Internationale 281, April 2024

Über 87.000 Beschäftigte in kommunalen Nahverkehrsbetrieben befinden sich seit dem 05.12.2023 in Tarifverhandlungen. Davon betroffen sind über 130 kommunale Unternehmen in den Städten und Landkreisen. Jeder Tarifbereich hat im „Austausch mit den Beschäftigten“ eigenständige Forderungen entwickelt. Dies ist maßgeblich den Unterschieden der jeweiligen Tarifverträge geschuldet.

TV-N: ein Flickenteppich

Der größte Teil der kommunalen ÖPNV-Unternehmen ist den Tarifverträgen Nahverkehr angeschlossen, die in den Bundesländern (außer Hamburg) durch den jeweiligen kommunalen Arbeitgeberverband (VKA) jeweils auch vor Ort mit ver.di verhandelt werden. Die Tarifverträge regeln Arbeitsbedingungen (Mantel) und Entlohnung. In sieben TV-N ist die Entgeltentwicklung unmittelbar an die im TVöD gekoppelt. In den übrigen Bundesländern gibt es eigenständige TV-N-Entgelttarifverträge mit teilweise verschiedenen Laufzeiten.

In der letzten Tarifverhandlung 2020 stellten die Abschlüsse allesamt eine Niederlage dar. Und dabei wollte ver.di zum ersten Mal eine gemeinsame bundesweite Tarifrunde zur Vereinheitlichung des Flickenteppichs mit 16 Landestarifverträgen in Bezug auf Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen angehen.

Die Herausforderungen für die diesjährige Tarifrunde sind vielfältig: lange Wartezeiten, überfüllte Busse, Fahrtausfälle oder fehlende Busverbindungen auf dem Land. Dem zu Grunde liegen unter anderem massiver Arbeitskräftemangel und fehlende Investitionen. Mit Blick auf die Klimakrise und die dafür unerlässliche Verkehrswende besteht dringender Handlungsbedarf.

Zu den Kernforderungen der Tarifrunde gehören Entlastungselemente wie die Verkürzung der Wochenarbeitszeit, Erhöhung des Urlaubsanspruchs und zusätzliche Entlastungstage für Schicht- und Nachtarbeit. So fordert die Gewerkschaft in NRW:

Entlastungstage für alle Beschäftigten im ÖPNV

  • Identischer Ort für Arbeitsbeginn und -ende
  • Zulage ab dem ersten Tag bei vorübergehender Übertragung höherwertiger Tätigkeiten
  • Schicht- und Wechselschichtzulage für den Fahrdienst
  • 100 Prozent Jahressonderzahlung
  • Überstunden ab der ersten Minute und in der individuellen Stufe ohne Abzug
  • Zulage für Vorhandwerker, Gruppenführer, Teamleiter nach individueller Stufe

Klimabewegung und Beschäftigte im ÖPNV

Die Gewerkschaft ver.di setzt bei der Erreichung ihrer Ziele neben den Beschäftigten auf die Klimabewegung und ÖPNV-Fahrgäste. Unter dem Motto #wirfahrenzusammen besteht das Bündnis bereits seit 2020. In den Tarifverhandlungen öffentlicher Dienst 2023 trat dieses erstmals medienwirksam für die Interessen der Beschäftigten im ÖPNV in Erscheinung. Das Potenzial ist groß, Unternehmensvertreter:innen wetterten zum Beispiel vom „Verbot politischer Streiks“. Die Möglichkeit einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung scheint eröffnet.

Bereits vor dem eigentlichen Start der 1. Verhandlungsrunde hatte ver.di mit der Kampagne #wirfahrenzusammen eine Petition an die Arbeit„geber“:innen im Nahverkehr und die politischen Verantwortlichen gestartet. Die Forderungen waren maximal aufgeweicht, von „besseren Arbeitsbedingungen, guter Bezahlung und massiven Investitionen“ ist die Rede. Durch Fahrgastgespräche und Stadtversammlungen konnten 202.000 Unterzeichner:innen mobilisiert werden. Die Petitionsübergabe erfolgte am 05.12.2023. Die Nachricht dabei: Die Fahrgäste stehen hinter den Forderungen der Beschäftigten.

Auch am 01.03.2024 streikten die Beschäftigten und FFF gemeinsam, Busse und Bahnen standen größtenteils still.

FFF kämpft in den letzten Jahren mit einem Schwund an Aktiven. Seine Demonstrationen haben an Mobilisierungspotenzial eingebüßt. Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen vom Reformismus in den eigenen Reihen zu falschen Taktiken. Dass FFF seit 2023 in Arbeitskämpfen für echte politische Veränderung mitmischen will, begrüßen wir.

Die Grenzen einer hoffnungsvollen Beziehung

Es ist nämlich ein Fortschritt, sein Gesicht weg von Appellen an Staat, Regierung und „aufgeklärte“ Unternehmer:innen hin zur einzigen Klasse zu wenden, die aufgrund ihrer Stellung in Produktions- und Verwertungsprozess das Kapital nicht nur an seiner empfindlichsten Stelle treffen kann, sondern auch als allein über Wissen und Fähigkeit zur ökologischen Konversion verfügt.

Zu konstatieren gilt allerdings, dass die Bewegung hinter ihren Möglichkeiten zurück- und eine echte politische Perspektive ausbleibt. Die politische Sprengkraft kommt nämlich spätestens in dem Moment abhanden, in dem die Gewerkschaftsbürokratie und einige wenige aus FFF über Aktionsformen, Taktiken und Vorgehensweisen entscheiden: ver.di sagt, Bündnis #wirfahrenzusammen macht (bisher). Eine notwendige Kritik an der Gewerkschaftsführung wird in den einzelnen Ortsgruppen zwar toleriert, aber nicht weiter vorangetrieben. Führende Personen des Bündnisses, die „Organizer:innen“ sind bei Gewerkschaftssubunternehmen angestellt. Die Auseinandersetzung im TV-N zeigt zweierlei: zum einen gibt sich die Gewerkschaftsführung kämpferisch und progressiv – das ergibt sich aus ihrem ureigensten Zweck zur Selbsterhaltung. Zum anderen bleibt sie weit hinter ihren Möglichkeiten zurück, scheut eine echte Auseinandersetzung mit den Unternehmen und wird letztlich ihrer Vermittlerrolle im Kapitalismus gerecht. Wir wissen allerdings, dass eine nachhaltige Transformation des Verkehrssektors nicht mit dessen Interessen vereinbar ist.

Politisches Potenzial

Neben den TV-N befinden sich derzeit auch Beschäftigte der Flughäfen und der DB AG in Tarifverhandlungen. Die unterschiedlichen Tarifrunden sollten und müssen eine gemeinsame Kampffront bilden, in der zu gemeinsamen Arbeitskampfmaßnahmen und Demonstrationen aufgerufen wird. Das wäre ein wahrhaftiger Stillstand der Bundesrepublik, welcher in Verbindung mit Massendemonstrationen Diskussionen um ein politisches Streikrecht wieder aufflammen lassen könnte. Dies ist umso notwendiger, als bereits jetzt Stimmen laut werden, die die Einschränkung des Streikrechts in relevanten Bereichen (z. B. Bahn) fordern, darunter auch aus der Regierungspartei FDP. Für die Verknüpfung der Tarifrunden braucht es gewerkschaftsübergreifende Streikkomitees, die auch eine politische Gegenwehr in Gestalt von Massenstreiks bis hin zum Generalstreik vorbereiten helfen können, wenn die Drohungen in die Tat umgesetzt werden. FFF ist darüber hinaus gut beraten, Solidaritätskomitees nicht nur zur Unterstützung der TV-N-Beschäftigten im Arbeitskampf, sondern auch zu den Lokführer:innen und zum Flughafenpersonal im Streik. Schließlich dient das nicht nur deren Erfolg, sondern schafft auch erst die Möglichkeit, ein breiteres Fundament für eine echte Verkehrswende innerhalb der Arbeiter:innenschaft zu legen, also für ein ureigenes Anliegen der Klimaaktivist:innen selbst!

Gemeinsam kämpfen!

Wie aus den vorgenannten Abschnitten hervorgeht, bildet die regionale Zersplitterung des TV-N eine große Schwäche im Kampf für „Klimagerechtigkeit“, welcher nicht vor Bundesländergrenzen haltmachen sollte. So wurde am 01.03.2024 im Rahmen eines Aktionstages zwar größtenteils zusammen gestreikt, für die weiteren Verhandlungsrunden ist dies aber nicht so sicher. Bei der Hamburger Hochbahn, in Brandenburg und im Saarland sind bereits Tarifeinigungen erzielt, während die Tarifkommission in NRW die Einleitung der Urabstimmung beschlossen hat.

Wir fordern:

  • Einen vereinheitlichten TV-N: Solange einzelne Tarifauseinandersetzungen noch laufen, darf kein Abschluss anderswo erfolgen. Vorbereitung der Urabstimmungen für unbefristete Streiks.
  • Klassenkämpferische Gewerkschaftsbasis:  Aufbau von Aktionskommitees aus Beschäftigten, welche Streiks planen, ausdiskutieren und über die nächsten Schritte in der Tarifauseinandersetzung entscheiden. Die Beschlüsse sind für die Tarifkommissionsmitglieder bindend.
  • Transparente Tarifverhandlungen: Rechenschaftspflichtige Mitglieder der Tarifkommission und bindende Beschlüsse bei Entscheidungen.
  • Solidaritätskomitees der Klimabewegung und Fahrgäste zur Streikunterstützung. Gewerkschaftsübergreifende Streikkomitees im ÖPNV, bei der Bundesbahn und an Flughäfen. Für eine einheitliche Logistikgewerkschaft, die alle Beschäftigten im Personen-, Güter- und Datentransport umfasst!
  • Politische Massenstreiks der gesamten Gewerkschaftsbewegung gegen die geplanten Angriffe aufs Streikrecht vorbereiten.
  • Einen kostenlosen ÖPNV für alle, finanziert durch die Gewinne der Konzerne in klimaschädlichen Industrien!



Gegen Ausverkauf des Hamburger Hafens

Bruno Tesch, Infomail 1245, 21. Februar 2024

Die Gewerkschaft Vereinigte Dienstleistungen (ver.di) hat für den 21.2.2024 zu einer Demonstration vor dem Hauptsitz des Hamburger Hafen- und Logistikbetreibers HHLA in der Speicherstadt gegen den Verkauf von großen Anteilen an die weltgrößte Containerreederei MSC (Mediterranean Shipping Company), einen schweizerisch-italienischen Konzern, aufgerufen. MSC will die bisher an der Börse gehandelten HHLA-Aktien aufkaufen und erhält zusätzlich 19,9 % vom Hamburger Senat, was ihre Anteile auf 49,9 % hochhieven würde.

Was steht auf dem Spiel?

Die weitere Privatisierung birgt in erster Linie hohe Risiken für die Beschäftigten. Denn MSC ist bekannt für seine rigorosen Praktiken bei der „Umstrukturierung“ von Personal und Arbeitsverdichtung, die das Unternehmen bei einer solch grenzwertigen Beteiligung, einer fast überbordenden Minorität, geltend machen könnte.

Darüber hinaus wendet sich ver.di auch gegen die Gefährdung von Interessen für die „Stadtgesellschaft“, denn nicht nur die HHLA, auch der Gesamthafen mit anhängenden Betrieben wäre betroffen. Der Hamburger Hafen, lange Zeit Vorzeigeobjekt und Identifikationsmuster für die Weltgeltung der Hansestadt, hat es mit Auslastungsschwankungen zu tun. Fehlende Instandhaltung des technisches Arsenals bedingt, dass immer wieder Teile des Fahrzeug- und Containergeschirrs an den Kränen stillstehen. Die Geschäftsführung drängt auf stärkere Zentralisierung und Automatisierung der Betriebsabläufe und damit Kostendämpfung, um im Containergeschäft wieder attraktiver zu werden. Die Reedereien wiederum können durch Absprachen ihre Marktmacht spüren lassen.

Der Deal wurde bereits im Vorjahr vom Hamburger Senat eingefädelt. Der sieht darin eine strategische Partner:innenschaft, um in einem Umbau des Hafenbetriebs mit mehr Rentabiltät und Effizienz gegen den weltweit steigenden Konkurrenzdruck die Fahrrinne zu verbreitern.  Der gesamte Containerbereich soll umorganisiert werden, um Einsparungen von bis zu 150 Millionen Euro zu erreichen.

Konkret würde das v. a. bedeuten, dass mindestens 400 Arbeitsplätze, laut ver.di-Rechnung sogar 718 Vollzeitstellen, künftig entfallen. Teams in den Terminals werden aufgelöst.

Seit diese Pläne bekanntgeworden sind, haben etliche Kolleg:innen  darauf reagiert und bereits „abgemustert“, weil sie angesichts der  Ungewissheit, ob sie nicht von Umschichtungen mit Lohneinbußen und gesteigerter  Arbeitsintensität oder gar Jobverlust betroffen sein werden, keine Zukunft mehr für sich und ihre Familien sehen.  So menschlich verständlich diese Abwanderungen auch sein mögen, sind sie doch das völlig falsche Signal.

Gegenwehr

Als die Mine vom geplanten Verkauf hochging, löste dies am 6.11.2023 eine spontane eintägige Arbeitsniederlegung der HHLA-Belegschaft aus. Diese wurde daraufhin kurzerhand von der bürgerlichen Justiz für illegal erklärt und zog Abmahnungen gegen Streikbeteiligte nach sich. Die Unterstützung der Gewerkschaften beschränkte sich auf nachfolgende Protestveranstaltungen. Die Mehrheit der derzeit noch rund 3.600 lohnabhängig Beschäftigten bei der HHLA lehnt den schmutzigen Deal nach wie vor vehement ab. Durch ihren Druck und den hohen Aufmerksamkeitswert für die Hafenthematik sieht sich die Gewerkschaft ver.di nun bemüßigt, unter dem Motto „Wir lassen uns nicht verraMSChen“ eine Demonstration anzusetzen.

Mit großer Teilnahme ist zu rechnen, denn auch die Betriebsräte von Burchardkai und Altenwerder haben nicht nur zur Beteiligung am Protest aufgerufen, sondern schon im Vorwege durch einen täglich erscheinenden Rundbrief unter dem Titel „Kaikante“ die Mitarbeiter:innen auf das Ereignis eingestimmt.

Natürlich ist zu erwarten, dass die Bürokrat:innen aus Gewerkschaft und Betriebsrat der Schlagseite einer nationalistischen bzw. provinziellen Sichtweise zuneigen werden und es bei punktuellen Protesten belassen.  Allerdings sind sie in diesem Zusammenhang aus den „Ewig grüßt das Murmeltier“-Tarifrundenmühlen ausgeschert und haben sich in ein politisches Fahrwasser begeben.

Diese Klippe hoffen sie, durch Appelle an die Regierenden (zumeist ja ihre sozialdemokratischen Parteifreund:innen) und das Hervorkehren ihrer Qualitäten als Verhandlungsprofis zu umschiffen. Wie bereit der Senat zum Einlenken ist, hat er ja bereits im November bewiesen, als seine Vertreterin Gespräche mit den Streikenden abgelehnt hat. Seither ist er keinen Deut von seiner Deallinie mit dem Privatinvestor abgewichen.

In den Mittelpunkt der Forderungen muss nicht nur die Bewahrung von öffentlichem Eigentum, sondern vor allem die Frage, wer kontrolliert es, gerückt werden. Dazu braucht es gewählte und jederzeit abrufbare Organe aus der Arbeiter:innenbewegung und eine Ausweitung von Kampfmaßnahmen, die sich nicht vom bürgerlichen Apparat und seinen Gerichten abschrecken lässt.

Diese Ausweitung muss sowohl räumlich wie auch thematisch angegangen werden. Die Streiks der Hafenarbeiter:innen im Sommer 2022 – auch an anderen Standorten – sind noch nicht vergessen. Hier liegt Potenzial, auf das die Aktivist:innen unter den HHLA-Beschäftigten zur Unterstützung und Verbreiterung der Kampffront zurückgreifen könnten. Ebenso notwendig ist das Andocken an verwandte Bereiche wie das Transport- und Verkehrswesen, das im Augenblick im angrenzenden Niedersachsen sich in Streikbewegung befindet.

Ferner bedarf es eines rationalen Seeverkehrskonzepts, das anstelle der selbst im nationalen Rahmen zunehmenden unsinnigen Konkurrenz mit weitreichenden Folgen für Beschäftigte und Natur (Elbvertiefung) die Güterströme international und rational regelt. Dies kann nur unter Arbeiter:innenkontrolle aller europäischen und Überseehäfen und Hinzuziehen von Expert:innen, die das Vertrauen der Beschäftigten genießen, erfolgen. Dieser Plan richtet sich sowohl gegen privates Kapital in Gestalt der Logistikkonzerne und Reedereien wie staatliches, z. B. des Ausverkäufers Senat.




Erfolgreicher Warnstreik bei der Lufthansa: Streik für die volle Erfüllung der Forderungen!

Mattis Molde, Infomail 1244, 9. Februar 2024

Am Mittwoch, 7.2.24, konnten mehr als 100.000 Passagier:innen an den Flughäfen Frankfurt/Main, München, Hamburg, Berlin und Düsseldorf nicht wie geplant fliegen. Der Warnstreik des Bodenpersonals der Deutschen Lufthansa, zu dem die Gewerkschaft ver.di aufgerufen hatte, zwang die Fluggesellschaft zur Absage von rund 90 Prozent der geplanten Flugverbindungen.

Wie immer denken die Bosse bei Streiks völlig selbstlos. Auch Lufthansa-Personalvorstand Michael Niggemann sorgen nicht die wirtschaftlichen Folgen für den Konzern und seine Bonuszahlung, sondern ganz uneigennützig sprach er gegenüber der FAZ von einem „bitteren Tag für unsere Fluggäste“ . Diese wären ja einfach zu vermeiden, würden er und seine Kolleg:innen die Forderungen der Beschäftigten erfüllen.

Berechtigte Forderungen

Diese sind völlig berechtigt: 12,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 500 Euro monatlich bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Ebenfalls wird eine konzerneinheitliche Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3.000 Euro gefordert. Auch die Schichtarbeit soll aufgewertet werden.

Das zuletzt vorgelegte Angebot der Lufthansa sieht acht Nullmonate ohne Vergütungsentwicklung zu Beginn, niedrige Erhöhungsschritte und eine 36-monatige Laufzeit vor. Dieses würde im ersten Jahr beispielsweise eine durchschnittliche Erhöhung von weniger als 2 Prozent bedeuten. Zudem sollen Beschäftigte außerhalb der Lufthansa Technik eine geringere Inflationsausgleichsprämie erhalten.

Die Forderungen für die rund 25.000 vor allem bei der Deutschen Lufthansa, Lufthansa Technik, Lufthansa Cargo, Lufthansa Technik Logistik Services, Lufthansa Engineering and Operational Services Mitarbeiter:innen sind deshalb so berechtigt, weil über die Reallohnverluste hinaus, die alle Beschäftigten durch die Inflation erlitten hatten, die der Lufthansa besonders während der Coronakrise litten. Die Milliarden Staatsknete zur Rettung des Konzerns sicherten alles Mögliche, auch die Spitzengehälter der Vorstandsmitglieder ab, die Arbeitenden aber mussten bluten. Generell liegen viele Löhne an den Flughäfen nahe des Mindestlohnes, weil sie durch Ausgliederungen und Verkäufe von Firmen über Jahrzehnte gedrückt worden waren.

So gibt selbst ver.di-Verhandlungsführer Marvin Reschinsky in einer Presseerklärung vom 5.2.  zu, dass „schon heute die Beschäftigten bei der Lufthansa rund 10 Prozent weniger in der Tasche als noch vor drei Jahren haben. Trotz Rekordgewinnen soll sich diese Situation mit dem Angebot der Arbeitgeber weiter verschlimmern. Darauf und auch auf den Spaltungsversuch geben die Beschäftigten jetzt eine klare Antwort“. So richtig eine kämpferische Antwort bis hin zum Durchsetzungsstreik ist – bei ver.di muss dringend auch diese Bilanz hinterfragt werden. Nicht hinter verschlossenen Vorstandstüren, sondern von den Mitgliedern, denen diese Vorstandsleute Rechenschaft ablegen sollen!

Druck von unten ist besonders auch deshalb nötig, weil ver.di schon wieder die Bereitschaft zum Einknicken signalisiert: „Dieser Streik wäre unnötig, wenn Lufthansa den Bodenbeschäftigten die gleichen Erhöhungen zugestehen würde wie anderen Beschäftigtengruppen im Konzern,“ meint Reschinsky. Welche Tarifabschlüsse er auch immer damit anspricht, die der Pilot:innen, des Kabinenpersonals oder der Verwaltung – so viele Beschäftigte haben in letzter Zeit ganz schlechte Erfahrung mit ver.di gemacht: Ob Öffentlicher Dienst in Stadt, Land oder Bund, Post oder Häfen – die Abschlüsse waren Kilometer von der ursprünglichen Forderung entfernt.

Besondere Wachsamkeit ist auch bei der „Inflationsausgleichsprämie“ angebracht. Diese diente in allen bisherigen Abschlüssen dazu, die tabellenwirksame Erhöhung zu drücken und insgesamt Reallohnverlust zu vereinbaren. Diese steuer- und abgabenfreie „Prämie“ geht nämlich nicht in die Lohntabellen, Urlaubs- und Weihnachtsgeld und Schichtzulagen und auch nicht in die Rente ein. Sie fehlt auch bei Arbeitslosen-, Kranken- oder Elterngeld. Mogelpackung also.

Solidarität!

Alle Beschäftigten, besonders Gewerkschafter:innen, sollten mit diesem Streik solidarisch sein, denn den Kolleg:innen steht zu, was da gefordert wird. Die Aufforderung von Jost Lammers, dem Chef des Flughafens München und Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft BDL und des Airports Council International (ACI) Europe, dem europäischen Dachverband der internationalen Verkehrsflughäfen, „mit Augenmaß die weiteren Tarifrunden zu gestalten“, ist unverschämt angesichts des „Augenmaßes“ der Bosse bei Gewinnen und Vorstandsvergütungen. Seine Aussage „Das Streikrecht ist ein sehr hohes und wichtiges Gut. Es sollte aber das letzte Mittel sein“ ist im Zusammenhang mit Forderungen aus CDU und AfD, das Streikrecht zu beschneiden, als Drohung zu werten.

Der Rekordgewinn der Lufthansa wirft aber noch andere Fragen auf: Diese Gelder sind dringend nötig zum Ausbau von klimafreundlichen Verkehrsarten. Sie dürfen keinesfalls zur Erweiterung des Flugnetzes und der Erhöhung der Flüge genutzt werden und schon gar nicht darf dies mit geringen Gebühren subventioniert werden, wie der Lufthansa-Vorstand bei dieser Gelegenheit fordert.

Das sind die Gelder, die zum Beispiel die Kommunen und die Bahn brauchen, wo gerade ebenfalls Streiks stattfinden. Gerade ver.di sollte sich an die Spitze stellen im Kampf für ein zusammenhängendes Verkehrskonzept, das das Klima schützt, Mobilität für alle erlaubt und mit Lohndrückerei und Arbeitsüberlastung Schluss macht. 




Solidarität mit den Streiks im ÖPNV!

Stefan Katzer, Infomail 1244, 2. Februar 2024

Am heutigen Freitag, den 2. Februar 2024, ruft die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di die Beschäftigten im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu einem eintägigen Streik auf. In allen Bundesländern bis auf Bayern streiken Zehntausende Beschäftigte und auch einige Klimaaktivist:innen von Fridays for Future (FFF) gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen und einen Ausbau des ÖPNV.

Nachdem die bisherigen Verhandlungen mit den kommunalen Arbeit„geber“:innen nicht die erhofften Fortschritte brachten, soll der Druck auf die Gegenseite nun durch einen eintägigen Streik erhöht werden, so die stellvertretende Vorsitzende von ver.di, Christine Behle. Auch wenn der Ausstand in manchen Ländern wie in Berlin nur einige Stunden dauert, so zeigt die Aktion, was möglich ist, wenn die Beschäftigten zusammenstehen und gemeinsam für ihre Forderungen kämpfen.

Kampf für Entlastung und mehr Personal

Die Kernforderungen, für deren Erfüllung die Beschäftigten nun kämpfen, zielen vor allem auf die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen. Das ist mehr als berechtigt, denn die Belastungen für die Beschäftigten im ÖPNV sind groß. Ebenso hoch sind die Krankenstände, die nach Angaben von ver.di zum Teil 20 % betragen. Fahrer:innen müssen daher häufig für kranke Kolleg:innen einspringen, wodurch Ruhezeiten unterbrochen werden und die gesundheitliche Belastung zusätzlich steigt. Die schlechten Arbeitsbedingungen und die relativ niedrigen Gehälter führen zudem dazu, dass viele Beschäftigte der Branche den Rücken kehren, wodurch sich der Druck auf die übrigen ständig weiter erhöht.

Zwar hat sich die Regierung das Ziel gesetzt, den ÖPNV bis 2030 massiv auszubauen und dadurch den Klimaschutz im Verkehrssektor voranzutreiben. Doch die notwendigen Voraussetzungen hierfür sind nicht gegeben. Nicht nur der Ausbau der Strecken kommt kaum voran, auch beim Personal herrscht großer Mangel. Zudem müsste die Regierung jährlich ca. 16 Milliarden Euro mehr für den Ausbau des ÖPNV ausgeben, um die selbstgesteckten Ziele zu erreichen. Aufgrund dieser desaströsen Lage im öffentlichen Nahverkehr fallen Verbindungen ständig aus. Zusätzlich werden die Fahrpläne an vielen Stellen selbst ausgedünnt und das Angebot verringert.

Dieses Problem sieht auch ver.di. Aus diesem Grund fordert die Gewerkschaft vor allem eine Entlastung für die rund 90.000 Beschäftigten. Durch bessere Arbeitsbedingungen soll bereits tätiges Personal gehalten und neues angelockt werden. Nur so könne man die Verkehrswende meistern. Neben einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit fordert die Gewerkschaft auch die Erhöhung des Urlaubsanspruchs sowie zusätzliche Entlastungstage für Schicht- und Nachtarbeit. Außerdem soll es eine Begrenzung geteilter Dienste und unbezahlter Zeiten im Fahrdienst geben. Dadurch sollen die Beschäftigten entlastet und die Arbeit in diesem Bereich wieder attraktiver werden.

#WirFahrenZusammen! Aber wohin geht die Reise?

Unterstützt werden die Beschäftigten dabei von 60 lokalen Gruppen von FFF. Sie rufen zur Solidarität mit den Beschäftigten auf und verbinden deren Forderungen mit der nach einer klimagerechten Verkehrswende. In diesem Zusammenhang kommt dem bereits 2020 gegründeten Bündnis #WirFahrenZusammen eine wichtige Bedeutung zu. Dieses zielt darauf ab, das Interesse der Klimaschutzbewegung an einem Ausbau des ÖPNV mit dem der Beschäftigten an besseren Arbeitsbedingungen zu verbinden und die geteilten Forderungen durch gemeinsame Aktionen durchzusetzen.

In der Vergangenheit kam es bereits zu gemeinsamen Protesten von FFF und ver.di. Nun beteiligen sich die Aktivist:innen von FFF umgekehrt an den Streiks der Beschäftigten im öffentlichen Nahverkehr und zeigen sich mit diesen solidarisch. FFF verbindet damit die Hoffnung, die Beschäftigten für ihre eigenen Forderungen zu gewinnen und so dem Klimaschutz und der Klimaschutzbewegung in Deutschland neues Leben einzuhauchen.

Das Bündnis mit den Beschäftigten im ÖPNV ist dabei schon ein Schritt in die richtige Richtung. Es ist gut und notwendig, dass die Klimabewegung die Verbindung zur organisierten Arbeiter:innenklasse sucht und aktiv auf diese zugeht. Das Bündnis kann allerdings nur ein Anfang sein. Denn nicht nur die Beschäftigten im ÖPNV müssen für radikalen Klimaschutz gewonnen werden, sondern auch die aus der Automobilindustrie, dem Energie-, Agrarsektor usw. – und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Denn die Lohnabhängigen können durch Streiks nicht nur Druck auf die Regierung ausüben – sie können (und müssen!) aufgrund ihrer Lage im Produktionsprozess den notwendigen Umbau der Wirtschaft in ihre eigenen Hände nehmen. Es geht dabei letztlich nicht nur um die Erneuerung der technischen Basis, sondern um die Veränderung der Produktionsverhältnisse selbst. Das wird jedoch nur möglich sein, wenn die privaten Konzerne im gesamten Verkehrs- und Transportsektor – ob Spediteur:innen, Bahn, Luft- oder Schifffahrt sowie die Autoindustrie – entschädigungslos verstaatlicht werden und unter Arbeiter:innenkontrolle gemäß den Bedürfnissen der Gesellschaft und ökologischer Nachhaltigkeit produzieren. Dies ist selbst untrennbar mit der Enteignung und dem planmäßigen Umbau der gesamten Energiewirtschaft verbunden.

Um dies zu erreichen, muss sich die Klimabewegung programmatisch aber selbst grundlegend neu ausrichten. Sie muss dabei vor allem den von ihr popularisierten Slogan „System Change not Climate Change!“ endlich ernst nehmen und eine politische Perspektive entwickeln, die über den zerstörerischen Kapitalismus hinausweist.

Und wie kommen wir ans Ziel?

Die Strategie von FFF und ver.di, durch gemeinsame Proteste, Petitionen und die nun anstehenden Streiks den Druck auf „die Politik“ zu erhöhen und diese zum Handeln zu zwingen, läuft absehbar ins Leere. Wie schnell sich klimapolitisch der Wind drehen kann und mit ihm die bürgerlichen Fähnchen, haben die letzten Jahre eindrucksvoll gezeigt. Von den vollmundigen Versprechen der bürgerlichen Politiker:innen, das Problem des Klimawandels ernst zu nehmen und Maßnahmen zum Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen zu ergreifen, ist nicht viel übrig geblieben. Es war auch nicht anders zu erwarten.

Angesichts der sich zuspitzenden Konkurrenz im Kampf um die Neuaufteilung der Welt, bei der auch der deutsche Imperialismus ganz vorne mitmischen möchte, treibt die Ampelregierung vor allem ein Projekt voran – die Aufrüstung der Bundeswehr. Hier werden die Milliarden verfeuert, die im sozialen Bereich, beim Ausbau der Infrastruktur und damit auch im Bereich des Klimaschutzes fehlen. Unter dem Banner der Klimapolitik verfolgt die Bundesregierung dabei vor allem das Ziel, die deutsche Industrie durch eine subventionierte Erneuerung ihres Kapitalstocks global konkurrenzfähig zu machen. Als Vertreterin der Interessen des nationalen Gesamtkapitals möchte sie dafür sorgen, dass dieses in der Konkurrenz mit China und den USA nicht zurückfällt. Das 1,5-Grad-Ziel spielt bei diesen Überlegungen kaum noch eine Rolle.

Aber auch die Interessen der Gewerkschaftsbürokratie sowie die politisch-ideologische Ausrichtung von FFF stehen einem radikalen Kampf für Klimaschutz und Interessen der Lohnabhängigen letztlich im Weg und sind Hindernisse, die überwunden werden müssen. So hat die Gewerkschaftsbürokratie in den vergangenen Tarifkämpfen immer wieder gezeigt, dass ihr die Sozialpartnerschaft und mit ihr das Wohl des deutschen Imperialismus letztlich näherstehen als die Interessen der Beschäftigten. So wurden trotz hoher Kampfbereitschaft in den letzten großen Tarifrunden Abschlüsse erzielt, die für Millionen Beschäftigte Reallohnverluste bedeuteten. Über die „Konzertierte Aktion“ haben sich die Gewerkschaften bereitwillig in die Politik der Bundesregierung einbinden lassen und dafür zentrale Forderungen der Beschäftigten geopfert.

Um dies in Zukunft zu verhindern, müssen die organisierten Beschäftigten selbst die Kontrolle über ihren Kampf ausüben, indem sie Streikkomitees bilden und Vertreter:innen aus ihren eigenen Reihen wählen, die ihnen gegenüber rechenschaftspflichtig sind. Statt Geheimverhandlungen zwischen den sog. Arbeit„geber“:innen und den Gewerkschaftsfunktionär:innen braucht es Diskussionen über Forderungen und Angebote, an denen alle Gewerkschaftsmitglieder sich beteiligen können. Sie müssen bei allen Entscheidungen das erste und letzte Wort haben, denn sie sind es, die davon betroffen sind.

  • Arbeitszeitverkürzung für alle auf 35 Stunden/Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich! Einstellung von Tausenden Beschäftigten und Auszubildenden! Massive Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr und kostenloser ÖPNV für alle, finanziert aus den Gewinnen privater Konzerne!

  • Vom Warnstreik zum Vollstreik! Keine Geheimverhandlungen, keine langen Verhandlungsrituale! Streik ist die einzige Sprache, die die sog. Arbeitgeber:innen verstehen! Schnellstmögliche Einleitung der Urabstimmung, um die Forderungen durch einen unbefristeten Streik zu erzwingen!

  • Für einen Streik in den Händen der Beschäftigten! Organisiert Euch selbst im Betrieb, wählt ein Streik- und Aktionskomitee, fordert öffentliche Verhandlungen sowie eine direkte Wähl- und Abwählbarkeit der Tarifkommission!



Signa und das System René Benko

Wilhelm Schulz, Neue Internationale 280, Februar 2024

Das System Benko und mit ihm die Signa-Gruppe stehen vor dem vorläufigen Aus. Die Signa Holding und viele ihrer rund 200 Tochtergesellschaften haben Insolvenz angemeldet. Aber nicht nur der Konzern, sondern letztendlich die gesamte Immobilienwirtschaft ist durch steigende Zinsen und Baukosten ins Stocken geraten. Zugleich drohen die Absicherungen durch überbewertete Immobilien, infrage gestellt zu werden. Doch die Insolvenz kann weit über die Immobilienwirtschaft und den Handel Auswirkungen haben. Denn sie steht sinnbildlich für eine Spekulationsblase des Kapitals, für kurzfristig höhere Renditeerwartungen. Auch wenn die Pleite von Signa nicht vergleichbar ist mit der von Lehman Brothers 2008, so zeigt sie doch die Krisenhaftigkeit der Weltwirtschaft und deren Einfluss in den DACH-Staaten (Deutschland, Österreich, Schweiz) auf.

Eine kleine Geschichte René Benkos

2021 wurde Benko zum drittreichsten Österreicher mit einem geschätzten Kapitalvolumen von 5,6 Milliaren US-Dollar gekürt. Auch wenn heute weite Teile seiner Unternehmen sich in Insolvenz befinden, so ist nicht davon auszugehen, dass er am Hungertuch nagen wird. Er ist Sinnbild der wirtschaftlichen Entwicklung nach der Weltwirtschaftskrise von 2007/08, Ausdruck der Finanzialisierung des Immobiliensektors weit über Signa hinaus. Um die Entwicklung nachzuvollziehen, soll kurz ein Blick auf den beruflichen Werdegang geworfen werden. Die Geschichte zeigt, dass es sich beim Kapital nicht um abstrakte Kategorien, sondern wirkliche Entitäten handelt.

Benko stieg Mitte der 1990er Jahre in die Selbstständigkeit ein. Damals plante er Projekte zum Ausbau von Dachböden in hochpreisigen Penthouses gemeinsam mit dem Bauunternehmer Johann Zittera. 2001 gründete er die Firma Immofina Holding, wofür er eine Anschubfinanzierung von 25 Millionen Euro vom ehemaligen Tankstellenbesitzer Karl Kovarik erhielt und ihn beteiligte. Benko selbst kam aus relativ einfachen Verhältnissen. Die Mutter war Erzieherin, der Vater Beamter der Gemeinde. Er wuchs in einer 60 m² Wohnung in Innsbruck auf. Sein Unternehmenskonzept basiert damals wie heute auf zwei grundlegenden Herangehensweisen. Er zielte auf Immobilien mit „Entwicklungspotential“ ab und versuchte, für diese Projekte Fremdkapital einzuwerben oder in vorherigen entwickelte Sicherheiten einzusetzen, um bessere Kreditbedingungen zu erhalten.

Zwischen 2004 und 2010 hatte er dann sein erstes Großprojekt mit der Neuerrichtung des Kaufhaus Tyrol. Bereits im Zuge dessen wurden in verschiedenen Metropolregionen Österreichs und Deutschlands Immobilien erworben und das Unternehmen in Signa Holding (2006) umbenannt.

Bekannt in Deutschland sind sicherlich sein Erwerb der Karstadt Group 2012 – 2013. Hier versprach Benko die Rettung des seit 2009 insolventen Handelskonzerns. Bereits damals machte er deutlich, dass er auch Galeria Kaufhof kaufen wolle. Mit dem Erwerb Karstadts ergänzte Signa neben den Immobilien seine Handelssparte. Gemeinsam mit der Benny Steinmetz Group kaufte er Teile des Karstadt-Eigentums. Das Verhältnis wurde bald wieder aufgelöst, wobei Steinmetz in der Zeit für seinen Korruptions- und Erpressungsskandal bekannt wurde aufgrund des Erwerbs von Erzschürfrechten im Südosten Guineas. 2014 wurden auch Benko und sein Steuerberater zu 12 Monaten auf Bewährung verurteilt („bedingte Haftstrafe“). Denn Letztere hatte 2009 dem ehemaligen kroatischen Premier Sanader 150.000 Euro angeboten, damit dieser ein Gerichtsverfahren in Italien in Benkos Sinne beeinflusst.

Auch die Schweizer Warenhauskette Globus (2020) und das österreichische Möbelhaus Leiner & kika (heute: kikaLeiner) erwarb Signa. 2018 kaufte die Holding dann die Mehrheitsanteile an Galeria Kaufhof und führte 2019 Galeria Karstadt Kaufhof zum zweitgrößten europäischen Warenhauskonzern zusammen. Benko wurde damit zum größten europäischen Warenhausmogul. Auch im Onlinehandel war er aktiv. Mit der Signa Prime und Development wird der Immobiliensektor abgedeckt und aufgeteilt in teure und zu entwickelnde Immobilien. Die Warenhaussparte mietete zumeist bei anderen Signa-Tochterunternehmen die jeweiligen Immobilien.

2019 stieg die Konzerngruppe auch in die Medienbranche ein, als sie die Anteile der Funke Mediengruppe an den österreichischen Zeitungen Krone und Kurier kaufte. Zu Spitzenzeiten beschäftigte Signa etwa 46.000 Angestellte in Österreich, Italien, der Schweiz und Deutschland.

Doch Benko und seine Signa haben sich hier schlussendlich verspekuliert. Die Handelssparte konnte nicht genug Profit abwerfen, um sich zu halten, während die Inflation die Bauvorhaben ins Stocken brachte. Die massive Überbewertung Signas erforderte eine stetige Ausweitung des Portfolios. In diesem Sinne ist die Signa Holding eine eigene „kleine“ Spekulationsblase für Kapitalist:innen primär in der DACH-Region.

Finanzialisierung des Immobiliensektors

Mit Finanzialisierung wird die Entwicklung seitens des Finanzkapitals zur Fokussierung auf Immobilien als Anlage und Absicherung weiterer Kaufoptionen mittels Bewertung der auf Kredit gekauften Immobilien verstanden. Diese müssen dafür eine gesteigerte Rendite abwerfen.

Gerade angesichts der Niedrigzinspolitik der Zentralbanken wurden solche Entwicklungen befeuert. Der Prozess war widersprüchlicher Weise auch Konsequenz gesunkener Immobilienpreise nach Platzen der Blase des aufgeblähten US-Immobilienmarktes und ihrer weitreichenden Abwertung zu dieser Zeit. Die zusätzlichen Kapitalströme, die seither in den deutschen Wohnungsmarkt fließen, sind u. a. das Ergebnis mangelnder Renditesteigerungsmöglichkeiten durch Investitionen im produzierenden Sektor infolge der Überakkumulation des Kapitals. Angesichts stagnierender Profitraten in Industrie und Gewerbe wird auf sichere Verzinsung und Rentengewinne gesetzt, auf „Betongold“, also Immobilien als „sichere“ Investitionsmöglichkeit. Während die Big Four (Vonovia SE, Deutsche Wohnen SE, TAG Immobilien AG oder LEG Immobilien SE) jahrelang in Deutschland den Wohnbereich dominierten, war Signa im Schatten deren aktiv und konzentrierte sich auf Gewerbegebäude.

Wer investiert in Signa?

Weiterhin ist unklar, welche Anteile Benko an der Benko Familienstiftung und ihrer Signa Holding hält. In der Reportage „Der wundersame Erfolg des René Benko“ von Inside Austria wird deutlich behauptet, dass außerhalb der Person René Benko vermutlich niemand weiß, wie viele Unternehmen und welche Besitzanteile zur Signa-Gruppe gehören. Signa als Holdinggesellschaft versuchte, nicht nur günstige Kredite für ihre Vorhaben bei Banken zu erhalten, sondern stellte für Teile der Bourgeoisie eine hoffnungsvolle Renditeerwartung dar. Nicht alle Investor:innen sind an die Öffentlichkeit gelangt, einige erst im Zuge der Panama Papers. Denn die Holdinggesellschaft besteht aus knapp 200 Subfirmen, strukturiert nach Treuhänder:innen, Investor:innen, teilweise aber auch nach Immobilien, Wirtschaftssektoren oder Staaten. Zugleich hat die Signa Holding zwar die Börse gekauft (das Unternehmen besitzt die Immobilie), ist jedoch nie eine Aktiengesellschaft geworden. Dementsprechend hat der Konzern wenig Verpflichtung zur Transparenz. Diese Undurchsichtigkeit ermöglicht es sowohl Investor:innen, teilweise weniger erkennbar zu sein, als auch die Überbewertung des Unternehmens.

Trotzdem gibt es einige bekannte Investor:innen wie den STRABAG-Chef Klemens Haselsteiner, die Peugeot-Familienholding, Ernst Tanner von Lindt & Sprüngli, der Fressnapf-Gründer Torsten Toeller oder der Logistikmilliardär Kühne. Ex-Porschevorstandschef Wendelin Wiedeking zog sich beispielsweise aus Signa zurück und sprach sich öffentlich gegen Investitionen aus wegen intransparenter Unternehmensführung. Ähnlich wie im Wohnungssektor hat Signa also als Gewerbeflächeninvestorin bereitgestanden und Anlagegewinne weit über den durchschnittlichen Kapitalrenditen versprochen. Von der Firmenpleite sind also bedeutend mehr betroffen, als wir aktuell wissen.

Das heißt nicht, dass René Benko unbedingt gegenüber seinen Investor:innen als Blender aufgetreten ist. Hier gab es auch verschiedene Buyouts und Verkäufe in den letzten Jahren, wie Wiedeking und in Teilen Tanner. Medienberichten zufolge gibt es aktuell 94 Gläubiger:innen, die der Signa-Gruppe Geld geliehen haben in einem Volumen von 14 Milliarden Euro – darunter 74 Banken, 8 Versicherungsunternehmen und 12 Fondgesellschaften.

In seiner Handelssparte kann man das schon eher annehmen, denn für abertausende Beschäftigte hat die in kürzester Zeit zum größten europäischen Handelskonzern augestiegene Signa drohende Arbeitslosigkeit und Lohnverzicht bedeutet. Die Beschäftigten im Einzelhandel und das Argument der angeblich aussterbenden Innenstädte dienten ihm auch als Türöffner:innen, um Einfluss auf die Lokalpolitik zu nehmen.

Einflussnahme auf die Politik

Der Signa-Aufsichtsratsvorsitzende Benko ist auch für sein umfassendes Netzwerk bekannt. Er tritt als politisch überparteilich auf, pflegt Kontakte zu verschiedensten Parteien, Ministerien und Staatssekretär:innen. 2017, als Sebastian Kurz österreichischer Kanzler wurde, unterstützte er alle drei Parteien, die Kanzlerkandidat:innen stellten, also FPÖ, ÖVP und SPÖ. Kurz und seine Amigos spielten ihm damals beim Kauf von des kikaLeiner-Flagshipstores in der Wiener Mariahilfer Straße in die Hände, scheinbar, weil sie Interesse am Aufbau des österreichischen Kapitalisten hatten. Kurz nahm ihn auch zu verschiedenen Staatsbesuchen mit.

Auch auf kommunaler und städtischer Ebene war Benko immer wieder aktiv. In verschiedenen Verhandlungen soll er für den Erhalt von Kaufhäusern gegen etwaige Bauvorschriften die Rechte zum Umbau oder Abriss erhalten haben, teilweise auch trotz Denkmalschutzes. Das Argument Rettung der Innenstädte und Arbeitsplätze ist hier gerade für kommunale Politik äußerst wirkmächtig und das auch ganz ohne offene Korruption. In Berlin beispielsweise, wo eine Reihe von Galeria-Karstadt-Kaufhof-Filialen existiert, kam es zu regelrechten Kuhhandeln. Sowohl nahm Signa hunderte von Millionen an staatlichen Subventionen an, wie sie im Gegenzug auch den Erhalt eines Teils der Arbeitsplätze für Baugenehmigungen „garantierte“. Zugleich haftet Signa nicht für Teilinsolvenzen, wodurch die meisten Versprechen fromme Hoffnungen blieben.

Enteignet Benko!

René Benko kommt durch sein Unternehmenskonzept weitgehend unbeschadet aus der Pleite heraus, während sein Geschäft auf dem Auspressen von Immobilien, dem Hochtreiben von Immobilienpreisen in europäischen Innenstädten, aber auch Massenentlassungen von Beschäftigten der Handelsunternehmen basierte. Zahlen müssen also hier die einfachen Mieter:innen, kleinen Ladenbesitzer:innen und Arbeiter:innen.

Diese Kosten müssen jedoch vom Kapital getragen werden, weshalb es eine Reihe von Maßnahmen braucht wie die Öffnung der Geschäftsbücher und das Einfrieren der Kapitalanlagen in und um Signa. Die Immobilien müssen verstaatlicht, ihre Verwendung muss durch die Beschäftigten, die Gewerkschaften und die Mieter:innenbewegung kontrolliert und geplant werden. Dabei darf nicht vor dem Privatvermögen Benkos und seiner Nutznießer:innen haltgemacht werden. Zugleich braucht es einen Plan für die Zukunft des in der Krise befindlichen Einzelhandels und eine eventuelle Überführung der Stellen in andere gesellschaftlich notwendige Arbeiten. Denn die Rettung des städtischen Lebens kann nicht die künstliche Aufrechterhaltung der Konsumpaläste bedeuten.




Tarifvertrag Länder: Ausverkauf neu aufgelegt

Mattis Molde, Infomail 1238, 12. Dezember 2023

Das Ergebnis der Tarifverhandlungen ist nicht wirklich eine Überraschung. Nachdem in ver.di und der GEW die gleiche Forderung wie beim TVÖD, dem Tarifvertrag für die Beschäftigten beim Bund und bei Kommunen, aufgestellt worden war, war klar, dass die Gewerkschaftsführung dieses Ergebnis auch für die Beschäftigten bei den Ländern anstrebt.

„Mit diesem Ergebnis knüpfen die Beschäftigten der Länder an die Tarifentwicklung bei Bund und Kommunen an.“, sagt der Vorsitzender der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Werneke. Mehr sollten sie wohl auch nicht bekommen:

  • Inflationsausgleich von insgesamt 3000 Euro in Teilzahlungen. 1800 Euro davon sollen bereits in diesem Dezember fließen, weitere 120 Euro dann jeweils in den Monaten von Januar bis Oktober 2024.

  • Für Auszubildende, Dualstudierende und Praktikant:innen gäbe es dementsprechend 1000 Euro im Dezember 2023 und sie erhalten von Januar bis Oktober 2024 jeweils 50 Euro pro Monat.

  • Zum 1. November 2024 sollen die Entgelte in einem ersten Schritt um einen Betrag von 200 Euro angehoben werden.

  • In einem zweiten Schritt soll im Februar 2025 der dann erhöhte Betrag noch einmal um 5,5 Prozent steigen. Die gesamte Erhöhung soll allerdings in jedem Fall 340 Euro betragen (was nur für ganz wenige in der Entgeltstufe 1 zutrifft ).

  • Die Laufzeit soll sich auf 25 Monate (bis 30.10.2025). erstrecken, also einen Monat länger als beim TVÖD.

Im März hatte Werneke den damaligen Abschluss so gelobt: „Das ist eine nachhaltige Steigerung der Einkommen, die beachtlich ist“.

Das ist damals wie heute eine Lüge. Der Abschluss bedeutet einen heftigen Reallohnverlust. Die prozentuale Steigerung auf 12 Monate bezogen, liegt zwischen 4,2 und 8,1 Prozent, für die Mehrheit der Beschäftigten bei 5-6 Prozent. Das liegt unter der Inflation der letzten 2 Jahre und vermutlich auch der kommenden Zeit. Zur Erinnerung: Für die vergangenen 24 Monate hatte es gerade mal 2,8 Prozent gegeben und eine steuerfreie Prämie von 1300 Euro.

Einmalzahlungen

Die Einmalzahlungen von insgesamt 3000 Euro sehen auf den ersten Blick gut aus. Das ist jedoch eine mehrfache Täuschung:

  • Dieser Betrag geht wieder nicht in die Tabelle ein. Das Gesamteinkommen über die Laufzeit des Tarifvertrages fällt also nach dessen Ende automatisch. Die erreichten Preiserhöhungen werden mit Sicherheit nicht wieder entfallen.

  • Er geht auch nicht in Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld ein und in alle Zulagen, die sich prozentual auf das Grundgehalt beziehen.

  • Auch in den vergangenen Jahren waren in den Tarifverträgen Einmalzahlungen von insgesamt 1300 Euro vereinbart worden, die jetzigen sind also teilweise nur eine Fortsetzung dieser Zahlungen. Eine „Entwicklung“(Werneke) stellen nur weniger als 1700 Euro dar, die, bezogen auf 25 Monate, knapp 70 Euro „Inflationsausgleich“ monatlich darstellen.

  • Aus diesen Einmalzahlungen werden keine Rentenbeiträge abgeführt. Die Beschäftigten zahlen also auch mit zukünftigem Rentenminus;

  • Weil diese Prämie kein „regelmäßiges Einkommen“ darstellt, wird sie auch nicht bei „Transferleistungen“ berücksichtigt, z.B. Elterngeld, Arbeitslosengeld oder Krankengeld. Wer z.B. am 1.11. 2024 in Elternzeit geht, erhält 150 Euro weniger Elterngeld im Monat als wenn sie/er eine Gehaltserhöhung von 3000 Euro netto während des ersten Jahres der Tarifvertrags- Laufzeit bekommen hätte. Der Staat holt sich als einiges davon zurück, so bei Eltern, Leuten, die länger krank sind oder arbeitslos werden.

Diese Inflationsausgleichprämie war als gesetzliche Möglichkeit bei der „Konzertierten Aktion“ (also einvernehmlich zwischen Regierung, Gewerkschaften und den KapitalvertreterInnen) im Herbst 2022 ausgehandelt worden, und sie fließt seitdem in alle Tarifverträge ein, ohne von Gewerkschaftsseite je in den Forderungen aufgetaucht zu sein. Genauso sind die Folgen dieser Prämie in keiner Gewerkschaft wirklich dargestellt und diskutiert worden. Einzige Ausnahme ist die NGG, bei der einige Tarifverträge auf die volle Ausschöpfung der 3000 Euro verzichten und stattdessen höhere Tabellenerhöhungen angestrebt wurden.

Weitere Ergebnisse

Weitere Aspekte sind Zulagen für Psychiatrien, den Justiz- und Maßregelvollzug, die Sozial- und Erziehungsdienste sowie den Straßenbetriebsdienst. Pflegekräfte im Gesundheitsbereich sind etwas „besser“ gestellt worden, indem sie dynamisierte Zulagen erhalten. Aber auch diese sind weit weg von einem Inflationsausgleich oder Anreiz im Beruf zu bleiben oder um neue Kräfte zu gewinnen. Darüber hinaus wird in Berlin die Hauptstadtzulage des TV-ÖD übernommen, die Stadtstaaten Bremen und Hamburg haben warme Worte erhalten: eine Gesprächszusage für Mitte 2025.

Es wurde kein TV-Stud, der angestrebte Tarifvertrag für studentische Beschäftigte, auf Bundesebene durchgesetzt. Dieser TV ist auf den Sankt Nimmerleinstag abgeschoben worden. Hier werden ein paar popelige Lohnerhöhung ab dem Sommersemester 2024 auf 13,25 Euro/Stunde und ab dem Sommersemester 2025 auf 13,98 Euro in Aussicht gestellt. Auch einige kleine Änderungen bei Befristungen gibt es. Zum Vergleich, die GEW hatte ursprünglich 22 Euro gefordert. Was der „erste wichtige Schritt hin zu einem zukünftigen Tarifvertrag für studentisch Beschäftigte“, von dem Werneke spricht, sein soll, hat er wohl aus gutem Grund nicht ausgeführt.

Auf die Beamt:innen soll dieser Vertrag wertgleich übertragen werden. Die vielen Beschäftigten, die nicht direkt dem TV-L unterliegen, aber für die selbiger angewendet wird, („Anwender:innen“) werden bisher überhaupt nicht erwähnt, ihnen drohen weitere Abstriche je nach Arbeit“geber:in“.

Warum diese Niederlage?

Das Ergebnis kann nicht ohne den Ablauf der Tarifrunde bewertet werden. Am Anfang wurden bei GEW und ver.di alle Diskussionen über die Forderungen unterdrückt und gegebenenfalls abgewürgt. Stattdessen wurde eine „Befragung“ organisiert, bei der keine eigenen Vorschläge gemacht werden konnten.

Eine solche Art von gesteuerter „Diskussion“ erlaubte es der Führung, eine Forderung aufzustellen, die sie offensichtlich von vornherein beabsichtigt hatte. Warum aber haben die Spitzenbürokrat:innen nicht im Vorfeld offen für diese geworben? Die Argumente, mit denen sie diese Forderung rechtfertigten, hätten sie auch schon 2 Monate zuvor in einer demokratischen Debatte innerhalb der Gewerkschaften vorbringen können, nämlich dass der Öffentliche Dienst doch eine Gemeinschaft sei, egal ob Bund, Länder oder Kommunen, dass die wirtschaftliche Lage ähnlich sei, die Inflation vielleicht sogar etwas zurückgegangen sei.

Ganz offensichtlich sollte nicht nur genau diese Forderung durchgedrückt, sondern auch eine innergewerkschaftliche Debatte vermieden werden. Diese hätte auch die soziale Lage, die Politik der Regierung, die diese mitverursacht hat, die TVöD-Runde, in der die Gegenseite mal wieder das berüchtigte Schlichtungsabkommen zog (an dem die Bürokratie aber festhält, obwohl es der Gewerkschaft immer nur Nachteile verschafft), und den Abschluss einbezogen.

Es wären also die Kritik gekommen, die jetzt nach dem erneut vollzogenen Reallohnverlust kommt, und den Spielraum für Manöver eingeschränkt. Es hätte im Übrigen auch Raum für ein Kritik an der Ampel von links, von den Gewerkschaften her, geschaffen, stattdessen wird diese Kritik völlig den Rechten überlassen, die Gesellschaft und Ampel in eine wüste rassistische Debatte hineintreiben.

Was bedeutete dieses Vorgehen?

Das antidemokratische Vorgehen der Führung schon während der laufenden Tarifrunde hat eine klare Botschaft: Wir entscheiden, wie die Forderung aussieht, wir entscheiden, ob und wie gekämpft wird, und wir entscheiden, was abgeschlossen wird.

Es bekräftigt die Aussage des TVöD-Tarifkampfes: Ihr könnt die Forderung von unten hochdrücken, ihr könnt Euch und Eure Kolleg:innen besser mobilisieren als die letzten 15 Jahre, wir drücken trotzdem das durch, was wir für richtig halten, was wir mit der Regierung in der Konzertierten Aktion vor einem Jahr abgesprochen haben, und wir werden es schaffen, uns durch unverbindliche „Befragungen“ oder „Voten“ eine Legitimation zu holen. Die Zustimmung der Bundestarifkommission zu diesem Ergebnis, die erneute Durchführung eines „Votums“ statt Vollversammlungen in den Ämtern, Behörden und Betrieben, ja, die Weigerung der GEW selbst eine solche „Befragung“ durchzuführen, bestätigt diesen Durchgriff von oben!

Es bekräftigt die Gesamtaussage aller großen Tarifauseinandersetzungen des letzten Jahres, dass, egal wie hoch der Organisationsgrad und die Kampfbereitschaft sind, sie schützen nicht davor, in Tarifverhandlungen von der Führung ausverkauft zu werden. Im Verlauf des letzten Jahres haben Chemie, Metall, TVöD, Post und EVG sehr ähnliche Abschlüsse erzielt. Jetzt wurde bei dem angeblich so schlecht organisiertem Öffentlichen Dienst der Länder an  wenigen, zersplitterten Streiktagen das gleiche Ergebnis erzielt, wie bei Bund und Kommunen mit 29 Streiktagen! Viele Gewerkschaften, aber eine Politik!

Was bedeutet dies für kämpferische Gewerkschafter:innen?

Die Tatsache, dass offensichtlich die ver.di-Spitze ein abgekartetes Spiel spielt, darf keinesfalls bedeuten, auf Tarifkampf zu verzichten. Das würde gerade den rechten Bürokrat:innen in der Gewerkschaft entgegenkommen. Die verzichten gern auf kämpferische Leute und stützen sich auf Trägheit und Gehorsam. Letztlich macht das auch der „linke“ Flügel des Apparates, der zwar auf mehr Dynamik und organisierte Mobilisierung setzt, aber nicht minder energisch auf die Kontrolle der Tarifbewegung und des Ergebnisses pocht. Zum Des Weiteren würde die Gegenseite eine Schwäche der Gewerkschaft sofort ausnutzen, einen noch schlechteren Abschluss durchzudrücken.

Alle, die unzufrieden sind und ein anderes Ergebnis wollen, müssen sich zum Sprachrohr der teilweise großartigen Mobilisierung machen, die in den Stadtstaaten, aber auch in den Unikliniken der Länder und anderen Hotspots, z. B. Sozialwesen, deutlich stärker war als in früheren Runden. Woche für Woche beteiligten sich zehntausende Landesbeschäftigte – Erzieher:innen, Sozialarbeiter:innen, Lehrer:innen, Beschäftigte an den Hochschulen, an Kultur- und Bildungseinrichtungen der Länder, aus der Verwaltung, von Landesklinken, studentische Beschäftigte und viele mehr – an den Warnstreiks.

In vielen Städten und Regionen widerlegten sie so eindrucksvoll die Behauptung, dass die Landesbeschäftigten mobilisierungsschwach und faktisch kampfunfähig wären. Am Stadtstaatenstreik beteiligten sich in Berlin, Hamburg und Bremen am 22. November um die 20.000 Kolleg:innen. Am Bildungsstreiktag, dem 28. November, gingen lt. Gewerkschaften in Leipzig 7.000, in Berlin 6.000 Streikende auf die Straße, bundesweit wohl Zehntausende. Dabei hatten sich schon dem Branchenstreik der Sozial- und Erziehungsdienste, der studentischen und universitären Beschäftigten und anderer am 24. November lt. ver.di 42.000 Gewerkschaftsmitglieder angeschlossen. Aber letztlich waren sie im Kalkül der Führung nur Statist:innen für einen Abschluss, den sie immer schon anvisierte.

Vom Unmut über den Abschluss zum Kampf gegen die Bürokratie

Die Taktik der Bürokrat:innen nach einem solchen Abschluss ist es stets, die Diskussion in ein Klein-Klein zu zerreden, den heftigsten Kritiker:nnen einzelne kleine Fehler zuzugestehen und darauf zu vertrauen, dass die Masse der Unzufriedenen murrt, aber passiv bleibt.

Es gilt also einerseits klar zu machen, dass die Gewerkschaftsspitzen dieses und kein anderes Ergebnis wollten. Für sie sind die Interessen des Staates bzw. des Kapitals unantastbar, bestimmte Grenzen dürfen nicht überschritten werden: Die Firmen müssen weiterhin genügend Profit abwerfen und im Konkurrenzkampf bestehen, die Entscheidungen des Staates, z. B. zur Aufrüstung, für Waffenlieferungen oder Unternehmenssubventionen werden nicht in Frage gestellt. Dem ordnen sie die elementaren Lebensinteressen der Arbeitenden unter. Die Gewerkschaftsbürokratie hat eine andere Interessenslage als die Mitglieder.

Das zeigt sich in Tarifkämpfen und in diesem besonders deutlich. Aber was können wir tun? Eine große Kampfbereitschaft von Seiten der Basis ist zwar nötig, aber nicht ausreichend, wenn es darum geht, faule Kompromisse und Ausverkauf auf dem Rücken der Beschäftigten zu verhindern. Wir müssen gerade jetzt klare Forderung formulieren, die den Bürokrat:innen ihre Tricks und Manöver unterbinden. Unmittelbar heißt das:

Nein zum Abschluss!

  • Stimmt mit Nein bei der ver.di-Mitgliederbefragung! Fordert verbindliche Abstimmungen über das Ergebnis ein!

  • In allen Betrieben, Abteilungen, Schulen und Kitas müssen Mitgliederversammlungen und Treffen der Betriebsgruppen einberufen werden, die das Ergebnis nicht nur diskutieren und bewerten, sondern auch Beschlüsse fassen, die es klar ablehnen.

Alle, die mit Nein stimmen, sollten miteinander in Kontakt treten und diskutieren, wie wir weiter vorgehen. Auch wenn wir das Ergebnis kaum noch kippen können, so müssen wir uns für die weiteren Auseinandersetzungen koordinieren und nicht bis zur nächsten Tarifrunde warten.

Klassenkämpferische Alternative ist nötig!

Aber es braucht auch eine Perspektive und Lehren über die unmittelbare Ablehnung des Abschlusses hinaus. In den kommenden Jahren und Monaten stehen nicht nur Tarifrunden an. Die Haushaltkrise wird auch in Form von Kürzungen die Beschäftigten treffen. Wir können daher keine zwei Jahre warten, bis die nächsten Tarifverhandlungen ins Haus stehen, sondern müssen auch dazu mobilisieren. Wir müssen darum kämpfen, dass die Mobilisierung unter Kontrolle der Basis stattfindet. Sie soll entscheiden, ob und wann Arbeitsstreiks, Warnstreiks oder ein Flächenstreik stattfinden. Schluss mit der Zersplitterung bei Aktionen. Gemeinsamer Kampf der Beschäftigten bei Ländern, Bund und Kommunen u. a. durch Zusammenlegung der Tarifrunden TV-L und TVÖD! Kündigung der Schlichtungsabkommen!

Bei Tarifrunden darf es keinen Abschluss ohne Zustimmung der Basis geben. Alle Gewerkschaften sollen ihre Kämpfe und Streiks koordinieren, z. B. einen Schulterschluss mit der GDL und dem Handel herstellen und Solidaritätsaktionen in anderen Branchen bei ver.di, GEW, IG BAU wie in allen anderen DGB-Gewerkschaften organisieren.

Die Entscheidungen müssen transparent und demokratisch sein! Daher sollten nicht nur Mitglieder- und Belegschaftsversammlungen einberufen, sondern auch Streikkomitees gewählt werden. Die bundesweite Streikleitung und die Verhandlungsführung müssen diesen gegenüber rechenschaftspflichtig und durch sie wähl- und abwählbar sein, um einer wirklichen Kontrolle unterzogen zu werden. Statt Geheimverhandlungen brauchen wir öffentliche, transparente Tarifrunden.

Forderungen müssen von den Mitgliedern diskutiert und entschieden, nicht von oben diktiert werden! Die Tarifkommissionen müssen gewählt werden. Stimmrecht nur für Delegierte, die dem jeweiligen Tarifvertrag unterliegen, also kein Stimmrecht für die Angestellten der Gewerkschaften! Rechenschaftspflicht und jederzeitige Abwählbarkeit aller Kommissionsmitglieder! Schluss mit der Schweigepflicht!

Dazu ist nötig, dass wir uns auf allen Ebenen vernetzen und eine oppositionelle, klassenkämpferische Basisbewegung aufbauen, so dass wir von kritischen Betriebsgruppen zu einer bundesweiten ver.di-Opposition, z. B. im Rahmen der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG), kommen. Nur so können wir die Tricks und Manöver der Bürokratie erkennen und bekämpfen und einen wirklichen Kurswechsel in den Gewerkschaften herbeiführen.




Stadtverwaltung Stuttgart: Der Streik ist legal!

Interview mit einer Beschäftigten der Stadtverwaltung, Infomail 1238, 11. Dezember 2023

Die Beschäftigten der Stuttgarter Stadtverwaltung kämpfen seit Wochen für Einkommensverbesserungen. Am 4. Dezember streikten sie für Einkommensverbesserungen im Rahmen der Altersteilzeit und eine Ballungsraumzulage. Das folgende Interview führten wir mit einer Streikenden.

Arbeiter:innenmacht (AM): Hallo, warum habt Ihr am 4. Dezember gestreikt? Der Tarifvertrag TVöD läuft doch noch?

Antwort: Das stimmt. Aber bei der letzten Tarifrunde zum TVöD wurde nicht über das Thema Altersteilzeit entschieden, da ein Abschluss dazu damit verbunden gewesen wäre, eine spätere Tabellenerhöhung zu bekommen. Dies wurde von der Tarifkommission damals abgelehnt.

Dadurch ist man rechtlich beim Thema Altersteilzeit außerhalb der Friedenspflicht und darf dafür streiken. Neben den Beschäftigten in Stuttgart machen auch die in Köln davon Gebrauch. Die Stadt Stuttgart ist gegen den ersten Streikaufruf rechtlich vorgegangen und hat vor Gericht verloren, was schon mal ein wichtiger Erfolg für uns Beschäftigte war.

AM: Es geht also um eine Regelung zur Altersteilzeit?

Antwort: Ja, und um eine Stuttgartzulage: Bei uns in der Betriebsgruppe (BG) ist das Thema Ballungsraumzulage schon länger präsent und es war klar, dass wir es nach der Tarifrunde angehen wollten. Die Stadt München hat ja schon jahrelang eine tarifierte Zulage. In der BG war uns deshalb immer klar, die Zulage wollen wir nur tarifiert. Die Höhe haben wir in der BG diskutiert und haben uns an der Zulage, welche sich die Bürgermeister:innen im März selbst gegeben haben, orientiert: 472,52 Euro im Monat für alle Beschäftigten mehr.

Nachdem wir ja für die Zulage nicht streiken dürfen, haben wir das Streikrecht für die Altersteilzeit genutzt, um das Thema Zulage zu platzieren. Seit Juli haben wir für eine Stuttgartzulage über 7.300 Unterschriften von 11.000 Beschäftigten gesammelt.

AM: Und dann habt ihr losgelegt?

Antwort: Im November war dann der erste Streiktag. Hier wurde der Tag der ersten Lesungen für die Haushaltsberatungen gewählt, da dort der Gemeinderat über das Thema diskutieren und beschließen sollte. Doch der Tagesordnungspunkt wurde verschoben auf den 4. Dezember, also haben wir gestern diesbezüglich nochmal gestreikt. Kurzerhand haben Sie das Thema auf den nächsten Tag, also heute, 5. Dezember, verschoben, was uns alle sehr aufgeregt hat, und wir fanden es auch sehr feige, weil man offensichtlich den Streikenden aus den Weg gehen wollte. Der Streik hat direkt vorm Rathaus und Sitzungssaal stattgefunden.

Doch ver.di hat dann direkt beschlossen, dass wir spontan am Dienstag auch streiken. Das haben wir heute auch getan und der Gemeinderat hat beschlossen, dass es eine Zulage in Höhe von 150 Euro ab 01.07.24 geben solle, aber nicht tarifiert, sondern im Rahmen der Haushaltsbeschlüsse. Das ist eine Klatsche ins Gesicht, da der OB schon vor einigen Monaten angekündigt hat, dass er sich höchstens eine untarifierte Zulage in Höhe von 150 Euro vorstellen kann. Das heißt, unser Streik hat hier an seinem Vorschlag nichts geändert. Ein Gewinn ist nur, dass im nächsten Jahr nochmal über die Tarifierung entschieden werden soll. Anscheinend kann über die Tarifierung nur alle 6 Monate entschieden werden, daher momentan nicht. Was jetzt bzgl. Altersteilzeit beschlossen wurde, weiß ich gar nicht. Ich glaube, über das Thema wurde heute gar nicht gesprochen.

AM: Wie geht es weiter?

Antwort: Die meisten Beschäftigten sind wütend auf den OB. Aufgrund des Ergebnisses treffen wir uns nächsten Montag, den 11.12., wieder in der Betriebsgruppe und diskutieren, wie es weitergeht und ob wir nochmal streiken und wann. Vielleicht im nächsten Jahr erst.

Frage: Kannst du noch was zum Ablauf des Streik sagen?

Antwort: Am Streiktag vom 4.12. gab es eine große Streikversammlung mit offenem Mikro. Das war super, das gab es so während der Tarifrunde TVöD nicht in dieser Form. Die Stimmung war auch sehr gut. Die Beschäftigten im Erziehungs-/Pflegebereich sind einfach komplett am Ende und verzweifelt wegen Überlastung. Die Beschäftigten der Gärtnerei sind komplett unterbezahlt und versuchen, sich mit Nebenjobs über Wasser zu halten. Sie fanden die 470 Euro Zulage im Monat zu wenig – verständlich!

Sonst kamen kaum politische Statements, obwohl bei dieser Versammlung auch politische Gruppen anwesend waren mit ein paar Plakaten oder Flyern.

AM: Was denkst du, wie der Konflikt erfolgreich gewonnen werden kann?

Antwort: Ich finde es schwierig, dieses Thema zuzuspitzen und weiterführende Forderungen zu finden. Es braucht mehr Geld, völlig klar, und ich denke, man könnte in dem Rahmen auch einfach mal Vorschläge machen, woher das Geld kommen soll. Cuno Burne-Hägele, Geschäftsführer von ver.di (Bezirk Stuttgar), ist z. B. auf Stuttgart 21 eingegangen, was ich auch ein gutes Beispiel finde, um zu zeigen, dass Geld da ist.

Wir müssen das auch in der Betriebsgruppe nächsten Montag diskutieren. Die Forderung einer Ballungsraumzulage spielt ja auch bei der Tarifrunde der Länder eine Rolle. Das Teuere in der Stadt sind ja v. a. die Mieten, die dazu führen, dass eine Zulage notwendig wird. Die Forderung, dass der/die Arbeit„geber“:in für die teueren Mieten aufkommen soll, finde ich nicht schlecht, aber eine solche Zulage schließt Personen in anderen Städten aus oder die Leute, die in Stuttgart leben, aber woanders arbeiten. Es braucht ja eigentlich auch eine Zulage wegen Inflation, aber das sollte eigentlich die Tarifrunde ausgleichen,was sie ja nicht getan hat.

Jetzt stellt sich mir die Frage, ob man mit der Forderung einer Zulage einfach dem schlechten Tarifergebnis aus dem Weg geht und versucht, anders an Lohnerhöhungen zu kommen, weil ver.di es in der Tarifrunde verkackt hat, die Reallöhne zu sichern.

AM: Danke Dir, Du hast da wichtige Fragen angeschnitten, die ja auch anderswo gestellt werden. Es braucht wohl noch einige Debatten dazu in ver.di und darüber hinaus. Für Euren Kampf viel Erfolg!




Enteignet Signa!

Stefan Katzer, Infomail 1238, 9. Dezember 2023

Das Weihnachtsgeschäft wird noch einmal ordentlich Geld in die Kassen spülen, doch wie es mit den Kaufhäusern von Galeria Karstadt Kaufhof und den dort Beschäftigten danach weitergehen wird, ist derzeit ungewiss. Nachdem die derzeitige Eigentümerin, die Signa-Holding GmbH, einen Antrag auf ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung gestellt hat, müssen die Beschäftigten erneut um ihre Jobs bangen. Erst 2019 wurden dutzende Filialen geschlossen, haben hunderte Mitarbeiter:innen ihre Jobs verloren. Dabei hatten sie zuvor noch versucht, durch Lohnverzicht ihre Arbeitsplätze zu erhalten – es hat nichts genützt. Und nun also die Nachricht von der Signa-Pleite,  und die Beschäftigten von Galeria Karstadt Kaufhof müssen erneut um ihre Jobs bangen.

Das Geschäftsmodell Signa

Dass die Signa-Holding GmbH jetzt insolvent ist, ist keinesfalls die Schuld der Beschäftigten. Es hängt vielmehr mit der ökonomischen Großwetterlage zusammen, mit steigenden Zinsen und hohen Baukosten. Solange die Zinsen niedrig waren, hat sich das Bauen für die Immobilienhaie noch gelohnt. Darauf war und ist das Geschäft der Signa-Holding GmbH ausgerichtet. Sie ist im Kern kein Handelsunternehmen, sondern verdient ihr Geld vor allem durch ihr Geschäft mit Immobilien. Die Signa-Holding GmbH ist die Dachgesellschaft eines unübersichtlichen Konglomerats unterschiedlichster Unternehmen – darunter auch die Tochter Galeria Karstadt Kaufhof – und  laut Insolvenzantrag an 53 Gesellschaften direkt und an mehreren Hundert Gesellschaften indirekt beteiligt.

Dabei profitierte die Holding in den letzten Jahren vor allem von den stetig steigenden Mieten sowie dem Umstand, dass sich diese positiv auf  die Bewertung von Immobilien und damit auf die Gewinne in einer Unternehmensbilanz auswirken. Aus diesem Grund war es für die Signa-Holding attraktiv, etwa nach der Übernahme von Galeria Karstadt Kaufhof die Mieten für diese neue Tochter deutlich zu erhöhen, ja zu verdoppeln, denn damit stieg zugleich das berechnete Vermögen bzw. der Gewinn der Eigentümer:innen. Dadurch wiederum kamen sie leichter an Kredite, mit deren Hilfe sie ihr Geschäft ausweiteten und neue Immobilien bauen konnten, um noch mehr Mieten zu kassieren, die sie gerne weiter erhöhten, da dadurch ihre Gewinne weiter stiegen, was dazu führte, dass … – das Prinzip sollte nun klar sein.

Dieses Treiben ging recht lange gut aus. Einige Zeit konnte der Unternehmer René Benko, der die Signa-Holding aufgebaut und zwischen 2014 und 2018 auch die heutige Kette Galeria Karstadt Kaufhof übernommen hatte, sich davon ein luxuriöses Leben finanzieren, gerne auch auf Kosten des eigenen Unternehmens. Er ging jagen mit Politiker:innen, flog mit einem eigenen Privatjet durch die Welt und kaufte schöne Villen an schönen Seen. Er zog prestigeträchtige Aufträge an Land, wie etwa den Bau des Elbtowers in Hamburg, und ließ sich gerne mit Politiker:innen ablichten – und diese mit ihm. Geld für seine Geschäfte bekam er dabei auch von zahlreichen Landesbanken, darunter die Hessen-Thüringens, die LBBW in Baden-Württemberg und die Bayern-LB. Wie schon vor der letzten Finanzkrise hofften sie, vom großen Reibach der Immobilienkonzerne selbst profitieren zu können. Es ging mal wieder nach hinten los.

Nach der Pleite von Signa steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Landesbanken einen Teil der von ihnen vergebenen Kredite abschreiben müssen, ihr Geld bzw. das der Steuerzahler:innen somit nicht wiedersehen werden. Denn das Geschäft von Benko und der Signa-Holding lief nur gut, solange die Zinsen niedrig waren. Das hat sich durch Corona, den Ukrainekrieg und die steigende Inflation nun aber geändert. Die Zinsen stiegen rasant an, die Baukosten schossen in die Höhe und auf dem  Immobilienmarkt ging es plötzlich nicht mehr nur aufwärts, sondern sogar etwas bergab. Das alles führte dazu, dass die Signa-Holding einen Teil ihrer Kredite nicht mehr zurückzahlen konnte. Deshalb nun der Insolvenzantrag in Eigenverwaltung. Die Signa-Holding soll neu strukturiert werden, damit sie ihren Geldgeber:innen möglichst bald wieder Gewinne einbringt.

Enteignet Signa! Entschädigungslos und unter Kontrolle der Beschäftigten!

Die Gewerkschaften und die Beschäftigten von Galeria Karstadt Kaufhof, die zuletzt noch eine Eckpunktevereinbarung hin zu einem neuen Tarifvertrag inklusive Mini-Inflationsausgleichspauschale ausgehandelt hatten, müssen sich nun unverzüglich auf den Kampf um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze vorbereiten. Dazu ist es dringend erforderlich, dass die Gewerkschaften endlich damit aufhören, verzweifelte Appelle an die Eigentümer:innen und das Management zu richten, die Interessen der Beschäftigten bei diesem Großreinemachen auch zum eigenen Nutzen der Kapitaleigner:innen bitte zu berücksichtigen. Stattdessen müssen sie selbst einen Kampfplan schmieden, der als letzte Konsequenz auch die Forderung nach einer entschädigungslosen Enteignung beinhaltet. Es muss sichergestellt sein, dass niemand der Beschäftigten bei Galeria Karstadt Kaufhof oder einer sonstigen Tochter der Sigma seine Arbeit verliert, Einkommenseinbußen erleidet oder unter schlechteren Bedingungen weiter arbeiten muss. Wenn dies nur durch Verstaatlichung möglich ist, muss diese Forderung auf den Tisch und unter Kontrolle der Beschäftigten vollzogen werden. Sie müssen es sein, die darüber entscheiden, wie es für sie weitergeht, und nicht diejenigen, deren einziges Interesse darin besteht, aus Geld mehr Geld zu machen. Deren Vermögen sollte stattdessen für die Sanierung konfisziert werden.

Die Tarifrunden im Groß- und Einzelhandel sowie im öffentlichen Dienst müssen mit Protestaktionen bis hin zu Besetzungen und Streiks der Beschäftigten bei Signa verbunden werden. Auf Belegschaftsversammlungen bei Karstadt-Kaufhof und in allen anderen Betrieben der Holding müssen die nächsten Kampfschritte beschlossen werden, um so die Gewerkschaften zum Handeln zu zwingen.




TV-Länder: Wo bleibt Plan B?

Martin Suchanek, Infomail 1238, 29. November 2023

Woche für Woche beteiligen sich zehntausende Landesbeschäftigte im Rahmen der Tarifrunde öffentlicher Dienst an den Warnstreiks. Erzieher:innen, Sozialarbeiter:innen, Lehrer:innen, Beschäftigte an den Hochschulen, an Kultur- und Bildungseinrichtungen der Länder, aus der Verwaltung, von Landesklinken, studentische Beschäftigte und viele andere gingen in den letzen Wochen auf die Straße.

In vielen Städten und Regionen widerlegen sie eindrucksvoll die Behauptung, dass die Landesbeschäftigten mobilisierungsschwach und faktisch kampfunfähig wären. Am Stadtstaatenstreik beteiligten sich in Berlin, Hamburg und Bremen am 22. November um die 20.000 Kolleg:innen. Am Bildungsstreiktag, dem 28. November, gingen lt. Gewerkschaften in Leipzig 7.000, in Berlin 6.000 Streikende auf die Straße, bundesweit wohl Zehntausende. Dabei hatten sich schon dem Branchenstreik der Sozial- und Erziehungsdienste, der studentischen und universitären Beschäftigten und anderer am 24. November lt. ver.di 42.000 Gewerkschaftsmitglieder angeschlossen.

Natürlich bedeutet das nicht, dass ein Vollstreik im öffentlichen Dienst nicht auch vor reale Probleme der Mobilisierung gestellt würde, weil in vielen Ländern die gewerkschaftlichen Strukturen schwächer geworden sind. Aber es zeigt auch, dass Zehntausende Beschäftige mobilisierbar sind und es möglich ist, eine über Warnstreiks und Verhandlungen hinausgehende Mobilisierung vorzubereiten, aufzubauen und durchzuziehen. Zumal dann, wenn ver.di, die GEW und die IG BAU auch eine echte Verbindung mit anderen Beschäftigtengruppen und Gewerkschaften suchen würden.

So läge es auf der Hand, wenn ver.di die Warnstreiks und Demonstrationen der Tarifrunden im Handel mit jener der Landesbeschäftigen koordinieren und so schlagkräftiger machen würde. So läge es auf der Hand, den Schulterschluss mit der GDL zu suchen, die derzeit die Urabstimmung durchführt. So läge es auf der Hand, bei ver.di, GEW, IG BAU wie in allen anderen DGB-Gewerkschaften die Mitglieder zu Solidaritätsaktionen und -streiks mit den Beschäftigten aufzurufen. Und so läge es auch auf der Hand, die Mobilisierung in einem gemeinsamen, bundesweiten Warnstreik kulminieren zu lassen, um so allen Beschäftigten ein Gefühl gebündelter Stärke zu vermitteln und deutlich zu machen, dass ein bundesweiter Streik möglich ist.

Und die Gewerkschaftsführungen?

Doch das passt offenkundig nicht zur Streiktaktik der Verhandlungsführung und der Gewerkschaftsspitzen. Diese werden zwar nicht müde zu betonen, dass die Länder bis heute kein Verhandlungsangebot vorgelegt haben. Doch was folgt daraus? Bereiten sie eine Eskalation vor? Was tun sie, wenn die Verhandlungen nicht einmal zu einem „vorzeigbaren Kompromiss“ führen, also zu einem faktischen Ausverkauf, der wie das Ergebnis des TVöD allenfalls schöngeredet werden kann? Und was tun, wenn es angesichts des offenkundigen Fehlens eines Plans B – also von Urabstimmung und Streik – nicht einmal dazu reicht? Warum sollen die sog. Arbeitergeber:innen im öffentlichen Dienst überhaupt Zugeständnisse machen, wenn die Gewerkschaften mit der Urabstimmung nicht einmal drohen?

Bis zum 7. Dezember, der dritten Verhandlungsrunde, werden die Länder wahrscheinlich noch etwas vorlegen. Man muss aber kein/e Prophet:in sein, um vorherzusehen, dass das hinten und vorne nicht reichen wird. Schließlich werden die Verhandlungsführer:innen der Länder nicht müde, das Lied von den leeren Kassen zu singen. Angesichts der aktuellen Haushaltskrise werden sie auch noch darauf verweisen, dass sie ohnedies „sparen“ müssen, also weitere Kürzungen vornehmen, jeder Cent Lohnerhöhung zu weniger Personal führen würde.

Dann reicht es nicht, wenn die Gewerkschaften darauf verweisen, dass bei den Reichen genug Geld da wäre, die Milliardengewinne der Kapitalist:innen nur abgeschöpft werden müssten. Schließlich geht es bei der Tarifrunde nicht um „bessere Argumente“, ein imaginäres, über allen Klassen stehendes „Gemeinwohl“, sondern um gegensätzliche Klasseninteressen. Daher entscheidet nicht der Appell ans „Verständnis“ der Gegenseite, an deren „Vernunft“, sondern die Kampf- und Durchsetzungskraft.

U wie Urabstimmung, S wie Streik

Damit die Forderungen der Gewerkschaften im öffentlichen Dienst – 10,5 % Entgelterhöhung, mindestens aber 500 Euro, 200 Euro und Übernahme für die Azubis und das alles bei einer Laufzeit von einem Jahr – durchgesetzt werden können, braucht es einen Plan B der Gewerkschaften, genauer einen Plan U wie Urabstimmung und einen Plan S wie Streik. Die GDL, an der es sicher auch viel zu kritisieren gibt, macht zur Zeit vor, wie sich eine Gewerkschaft verhalten sollte, auf deren Forderungen die Gegenseite nicht eingeht. Sie sollte die ganzen Verhandlungsrituale bleiben lassen und den Streik vorbereiten. Und diese Mobilisierung sollte nach einer Urabstimmung auch durchgezogen und nicht wie bei der TVöD-Runde im Rahmen einer Schlichtung geopfert werden.

Daher sollten alle Gewerkschafter:innen bei ver.di, GEW und IG BAU von ihren Funktionär:innen die Durchführung von Mitglieder- und Belegschaftsversammlungen einfordern, wo offen über die weitere Mobilisierung, über die Kampfstrategie, Urabstimmung und Vollstreiks diskutiert und beschlossen wird.

Der Arbeitskampf muss demokratisiert werden. Zur Zeit wird er vollständig von den Gewerkschaftsapparaten und hier an erster Stelle vom ver.di-Apparat kontrolliert. Diese bestimmen die Kampftaktik, die Verhandlungsführung und letztlich auch, welcher Abschluss annehmbar sei.

Wenn wir uns darauf verlassen, wird bei der Tarifrunde allenfalls ein Ergebnis wie beim TVöD rauskommen. Und das ist einfach zu wenig, deckt es doch längst nicht die Preissteigerungen und Einkommensverluste der letzten Jahre und wahrscheinlich auch nicht die Kosten der kommenden. Hinzu droht im öffentlichen Dienst angesichts der Budgetkrise eine weitere Welle von Kürzungen, Personalabbau und Privatisierungen. Auch die müsste jetzt in der Tarifrunde thematisiert und zum Gegenstand der Auseinandersetzung gemacht werden. Doch vor dieser Politisierung scheuen die Gewerkschaftsführungen zurück, weil sie eine direkte Konfrontation mit der Regierung, dem Parlament, Verfassungsgericht und anderen „heiligen“ Kühen fürchten.

Daher sollten nicht nur Mitglieder- und Belegschaftsversammlungen einberufen, sondern auch Streikkomitees gewählt werden. Die bundesweite Streikleitung und die Verhandlungsführung müssen diesen gegenüber rechenschaftspflichtig, durch sie wähl- und abwählbar sein, um einer wirklichen Kontrolle unterzogen zu werden. Statt Geheimverhandlungen brauchen wir öffentliche, transparente Tarifrunden.

Zur Zeit stehen die Beschäftigten der Länder in einer wichtigen Auseinandersetzung. Im Grunde ziehen die Gewerkschaftsspitzen bei dieser Tarifrunde aber nur einmal mehr durch, was sie seit der Pandemie und dem Beginn des Ukrainekrieges immer wieder tun. Sie betreiben Tarifpolitik im Rahmen der Konzertierten Aktion, mittels  sozialpartnerschaftlicher Abkommen zwischen Kapital, Arbeit und Regierung. Die Mobilisierungen verkommen dabei zur Begleitmusik für faule Kompromisse, die vor allem die Konkurrenzfähigkeit des deutschen Kapitals und den Burgfrieden im Rahmen der globalen Konfrontation mit Russland, China und anderen wirtschaftlichen und geostrategischen Rival:innen sichern sollen. Eine solche Politik kann nur auf Kosten der Beschäftigten gehen.

Zur Durchsetzung einer klassenkämpferischen Tarifpolitik braucht es eine Demokratisierung der Gewerkschaften. Diese muss aber Hand in Hand gehen mit dem Aufbau einer klassenkämpferischen politischen Alternative zum bürokratischen,  reformistischen Apparat. Die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften stellt dafür einen Ansatz dar. Lasst sie uns gemeinsam aufbauen!




Solidarität mit dem Streik im Handel

Mattis Molde, Infomail 1237, 17. November 2023

Seit April 2023 laufen die Tarifverhandlungen im Handel. Seitdem werden sie von Seiten der Bosse verschleppt. Das hat allerdings zur Situation geführt, dass trotz unterschiedlicher Laufzeiten jetzt alle im Arbeitskampf stehen. In den letzten Wochen beteiligten sich in vielen Städten tausende Beschäftigte an Warnstreiks und gingen auf die Straße, so dass man auch als Kund:in etwas merken konnte.

Fünf Millionen Beschäftigte

5 Millionen Menschen sind im Handel beschäftigt, wobei die Tarifverträge für den Einzel- und Großhandel regional unterschiedlich ausfallen. Gegen diese große Masse der Beschäftigten stehen auf der anderen Seite etliche der reichsten Menschen in Deutschland, die mit ihren Handelsketten enorme Profite aus denen ziehen, die in ihrer überwältigenden Mehrzahl alle am unteren Ende der Lohnskala stehen.

Die Gewerkschaft ver.di, die diese Branche vertritt, organisiert nur einen Bruchteil der Beschäftigten. In den Unternehmen herrscht eine hohe Fluktuation. Die einzelnen Läden sind eher kleine Einheiten, Kaufhäuser verschwinden. Allerdings bieten die großen Verteilzentren gute Möglichkeiten zum Aufbau gewerkschaftlicher Macht.

Ver.di hat es aber auch seit zwanzig Jahren versäumt, mehr kampffähige Strukturen aufzubauen. Der Trend zu Gewerkschaften, die sich selbst als „Dienstleisterinnen“ verstehen, ist für Branchen mit niedrigem Lohnniveau und hoher Fluktuation besonders verheerend. Wenn dann noch Betriebsratsgremien – so sie überhaupt existieren – in Regionalbüros sitzen und einmal im Jahr pro Laden vorbeikommen, dann hat das sehr viel mit Bürokratie und wenig mit Bewegung zu tun. Gerade in solchen Betrieben sind Basisaktivist:innen, die über Rechte und Tarifverträge Bescheid wissen, nötig. Sie brauchen ein Netz – eine Betriebsgruppe oder Vertrauensleutestruktur – um Widerstand, Solidarität und Hilfe zu organisieren. Solche Strukturen sind fast überall zurückgegangen, aber gerade für den Handel ist das besonders schlimm. Dass es auch anders gehen kann, haben die Kolleg:innen z. B. im Gesundheitswesen in den letzten Jahren gezeigt.

Tarifrunden-Taktik

Die Unternehmen im Handel und deren Dachverband HDE (Handelsverband Deutschland – Einzelhandel) haben jetzt beschlossen, bereits terminierte Tarifverhandlungen abzusagen, und wollen stattdessen in einer Spitzenrunde verhandeln. Ihr Angebot ist lächerlich. Für 2023 bieten sie nach drei Nullmonaten eine tabellenwirksame Erhöhung von durchschnittlich 5,3 Prozent im Einzelhandel und nach vier Nullmonaten eine von 5,1 Prozent im Groß- und Außenhandel an. Das Angebot für 2024 fällt noch niedriger aus. Ver.di fordert 2,50 Euro mehr pro Stunde sofort.

Die Kapitalist:innen haben auch begonnen, in den großen Konzernen (Rewe, Aldi, Lidl, Kaufland und der Otto-Gruppe) freiwillige Entgelterhöhungen auszuzahlen, die aber natürlich nicht bindend sind und bleiben, solange sie in keinem Vertrag stehen. So versuchen sie, die sich entwickelnde Kampfkraft zu unterminieren.

Die Verhandlungschefin ver.dis, Leiterin des Fachbereichs Handel und Bundesvorstandsmitglied Silke Zimmer, empört sich darüber, aber in ihrer Entrüstung schwingt schon die Bereitschaft mit, darauf einzugehen. „Ver.di verweigere sich keinen Gesprächen, egal auf welcher Ebene“, heißt es in einer Pressemitteilung vom 6. November, aber, so Zimmer: „Voraussetzung ist, dass die Tarifverhandlungen fortgeführt und die gemeinsam vereinbarten Verhandlungstermine wahrgenommen werden“. Zugleich droht sie mit Streiks während des Weihnachtsgeschäfts.

Diese Drohung ist sicher angebracht. Wenn sie ernst gemeint ist, dann muss unbedingt daran gearbeitet werden, die Kampfkraft zu erhöhen. Derzeit sind eigentlich nur Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Berlin ernsthaft streikfähig.

Es muss ein klarer Plan her, wie die Verhandlungsverschleppung seitens des Kapitals mit einer systematischen Mobilisierung bisheriger weißer Flecken und dem Aufbau stabiler Strukturen beantwortet wird. Nur so können neue Mitglieder auch gehalten werden. Es gibt genug Kampfformen, die in der Vergangenheit erfolgreich eingesetzt worden sind und jetzt zur Anwendung kommen müssen:

  • Soli-Aktionen von Kolleg:innen aus anderen Branchen, die in oder vor den Läden oder Kaufhäusern die Streiks unterstützen.

  • Viele Läden in Fußgängerzonen zugleich bestreiken und mit Beschäftigten und Unterstützer:innen diese Passagen in Streikversammlungen verwandeln.

  • Gerade Samstage und Weihnachten eignen sich dafür gut.

Statt also um „eine Entgelterhöhung als Respekt und Wertschätzung für ihre geleistete Arbeit“ zu betteln, wie es ver.di tut, ist Kampf angesagt. Die Initiative dafür muss wohl von unten kommen. Aber viele Streiks in den letzten Jahren haben gezeigt, dass unter den Beschäftigten immer wieder gute Initiativen entwickelt wurden.

Deshalb sagen wir, dass es die Basis ist, die über Streiks und Streikformen entscheiden muss!

  • Aktions- und Streikkomitees wählen – in den Betrieben, aber auch in den Konzernen, damit gute Erfahrungen verbreitert werden können!

  • Öffentliche Verhandlungen! Abstimmung über die Verhandlungsergebnisse durch die Mitglieder.

  • Soli-Komitees in den Städten bilden!

  • Jeder Abschluss muss die Inflation der Vergangenheit und Zukunft voll ausgleichen!