Daimler: Gegen alle Entlassungen und Schließungen! Stoppt die Angriffe!

Gegenwehr! Betriebs- und Gewerkschaftsinfo der Gruppe ArbeiterInnenmacht, Infomail 1129, 8. Dezember 2020

Das Konzernmanagement stellt alles in Frage: Ganze Standorte sind in Gefahr, Zehntausende Arbeitsplätze sollen gestrichen werden, „Zukunftsverträge“ haben eine Verfallzeit von 2 Jahren und werden schlicht gebrochen, Erpressung wird Methode.

Die Bosse behaupten, es gehe um „Transformation“ zur E-Mobilität. Aber wie immer dreht es sich vorrangig um Profite. Die Verlegung von Konstruktion und Produktion von Motoren und Teilen für Verbrenner nach China hat nichts mit „E-Mobilität“ zu tun, zumal der Aufbau von Elektromotoren und Teilen dafür ebenfalls vorrangig im Ausland stattfinden soll.

Die Bosse behaupten, sie würden so handeln, um die Zukunft des Unternehmens zu sichern. Das haben sie auch gesagt, als sie am Verbrenner festhielten, obwohl klar war, dass die Klimakatastrophe die Zukunft der Menschheit gefährdet. Sie haben lieber bei der Abgasmessung betrogen.

Sie haben auch von der Zukunft des Unternehmens gesprochen, als sie wieder und wieder Opfer von den Belegschaften verlangt haben. Das Ergebnis ist, dass unsere Arbeitsplätze so bedroht sind wie noch nie. Wieso sollten wir heute ihren neuen Versprechungen glauben?

Vom Protest zum Widerstand

Zwei Dinge gilt es aus dieser Erfahrung zu lernen: Wir müssen unsere Interessen selber verteidigen und uns selbst um unsere Zukunft kümmern!

Es macht keinen Sinn, dass die Betriebsräte erneut über die Zumutungen der Bosse verhandeln und ihren Angriffen zuzustimmen, um im Gegenzug die schlimmsten sozialen Härten zu vermeiden oder wieder neue Versprechungen zu erhalten, die nicht eingehalten werden.

Die Daimler-Belegschaften haben in den letzten Wochen gezeigt, dass sie zu breiten Protesten fähig sind. Das ist ein gutes Zeichen! Das kann auch das Beispiel für andere ArbeiterInnen in der Auto- und Zulieferbranche sein! Das kann auch die IG Metall beleben, die das ganze Jahr wie scheintot gewirkt hat.

Es reicht aber nicht, mehr Postkarten auszufüllen oder Protestversammlungen zu organisieren. Wir müssen den Bossen klarmachen, dass wir die Macht haben, ihre Profitmaschine zu stoppen, ihre Umstrukturierungen, Kürzungen, Entlassungen und Schließungen zu blockieren oder ihre Entscheidungsmacht einzuschränken.

Dieser Widerstand muss konzernweit organisiert werden, alle Belegschaften müssen mitmachen. Am besten sollten auch die Werke in anderen Ländern einbezogen werden, wie im französischen Hambach, das jetzt abgestoßen werden soll, um letztlich dichtgemacht zu werden. Wenn alle Belegschaften gemeinsam handeln, können uns die Bosse nicht weiter gegeneinander ausspielen.

Natürlich müssen sich die Belegschaften koordinieren. Das können wir nicht nur den Betriebsräten Gesamtbetriebsräten und Gewerkschaftsführungen überlassen, die sehr tief in die „Partnerschaft“ mit den Bossen verstrickt sind. Das müssen also insbesondere auch die Gewerkschaftsmitglieder und Vertrauensleute tun. Dafür müssen sie auch Initiative und Ideen entwickeln. Vertrauensleute und Betriebsräte, die auf SozialpartnerInnenschaft und „Kompromisse“ mit den Bossen setzen, müssen letztlich durch klassenkämpferische KollegInnen ersetzt werden, die den Belegschaften verantwortlich sind.

Wir brauchen also:

  • Vollversammlungen in allen Betrieben und Werken, einschließlich der LeiharbeiterInnen
  • Aktionskomitees in allen Werken und Werksteilen, die von diesen gewählt, abwählbar und ihnen rechenschaftspflichtig sind
  • bundesweite und internationale Koordination
  • ein demokratisch beschlossenes Kampfprogramm gegen alle Angriffe: einschließlich Demonstrationen, Blockaden, Streiks und Besetzungen.

Die derzeitigen Angriffe finden nicht nur bei Daimler statt: Die ganze Autobranche, ja alle Sparten der Wirtschaft sind davon betroffen. Überall führen die „Lösungen“ der KonzernchefInnen zu neuen sozialen und ökologischen Katastrophen. So ist jetzt schon klar, dass das E-Auto keine Arbeitsplätze wirklich sichert und außerdem neue ökologische Probleme schafft.

Zukunft selbst in die Hand nehmen

IG Metall und Betriebsräte müssen also aufhören, immer die „Strategie“ der Konzerne mitzumachen: Sie haben am Verbrenner festgehalten, bis wir uns alle die Finger verbrannt haben. Sie haben zu Abgasbetrug geschwiegen und keine Umrüstung verlangt – alles zum Schaden der KäuferInnen. Sie waren für große Volumen statt Effizienz und Ressourcenersparnis. Und jetzt wieder die gleiche Gläubigkeit beim E-Auto!

Unsere Gewerkschaft müsste vielmehr endlich die Debatte starten, wie die Zukunft der Mobilität aussieht, wie Verkehrssysteme vernetzt, wie die verschiedenen Bedürfnisse auf dem Land und in den Metropolen ökologisch erfüllt werden können.

Die Entscheidung darüber können wir nicht dem Kapital überlassen. Solange die Profitmaximierung der Zweck der Produktion ist, werden Beschäftigte und Umwelt auf der Strecke bleiben. Daher muss die Kontrolle über die Produktion, über Forschung und Entwicklung den UnternehmerInnen entrissen werden, denn unsere Interessen als ArbeiterInnen und VerbraucherInnen sind grundsätzlich andere als jene der KapitalistInnen, ja diesen entgegengesetzt.

Um eine solche ArbeiterInnenkontrolle durchzusetzen, brauchen wir dauerhafte Macht in den Betrieben: das Recht, gegen gesundheitsgefährdende Produktion einzuschreiten, gegen Stilllegungen, Verlagerungen und Entlassungen (auch von LeiharbeiterInnen) vorzugehen. Betriebe oder Werksteile, die stillgelegt werden sollen, müssen entschädigungslos enteignet und unter ArbeiterInnenkontrolle verstaatlicht werden.

Letztlich ist eine ökologische Erneuerung des Verkehrswesens nur möglich, wenn die großen Konzerne unter Kontrolle der Beschäftigten verstaatlich werden, Forschung, Entwicklung wie überhaupt das gesamte Energie- und Transportwesen unter Kontrolle der ArbeiterInnen gestellt werden.

Dahin ist es sicher noch ein weiter Weg – aber der Kampf gegen Entlassungen, Kürzungen, Sparprogramme erfordert letztlich eine gesellschaftliche Antwort für die gesamte Autoindustrie, ja für die gesamte Wirtschaft.

Diese wird letztlich auch unserem Abwehrkampf zugutekommen, weil die Probleme, die sich für die Zukunft bei Daimler stellen, auch in den meisten anderen Betrieben und für die Gesellschaft existieren.

Wir rufen alle, die sich gegen die Angriffe der KapitalistInnen wehren wollen, auf, die Solidarität gegen diese mit der Arbeit an einer Zukunftsperspektive zu verbinden. Wir schlagen vor, ein Solidaritäts- und Aktionskomitee zu bilden, um den Abwehrkampf bei Daimler zu unterstützen.

Kontakt: gegenwehr@arbeitermacht.de




Massenentlassungen bei Mahle: Jetzt gilt’s! Mobilisierung gegen den Kahlschlag!

Karl Kloß/ Mattis Molde, Neue Internationale 250, Oktober 2020

Am 16. September verkündeten die Mahle-Bosse ihren Plan: den Abbau von insgesamt 7.600 Stellen weltweit – zusätzlich zu den hunderten Arbeitsplätzen, die sie schon bisher durch Entlassung von LeiharbeiterInnen und Befristeten sowie Werksschließungen vernichtet hatten. Auf Deutschland entfallen dabei 2.000 Stellen, auf Europa insgesamt 3.700, auf Nordamerika 2.800 sowie auf Südamerika und den Raum Asien/Pazifik insgesamt 1.100.

Das sind ziemlich genau 10 % der Belegschaften weltweit. Dass die Bosse solche Ziele im Visier haben, war keine Überraschung. Vor dem Hintergrund des seit nun 1,5 Jahren laufenden Sparprogramms bei Mahle, in dessen Zuge schon im vergangenen Jahr in Europa etwa 1.700 Stellen abgebaut worden sind, und der Ankündigung, mehrere Werke zu schließen, war es insgesamt nicht mehr eine Frage des „Ob“, sondern des „Wann“ für weitere Ankündigungen von Stellenstreichungen. Die Pandemie hat die Krise der Autoindustrie und der Zulieferindustrie nochmal vertieft, aber Bosse nutzen sie auch, um ihre Angriffe zu verschärfen.

In der Woche darauf wurden nun die Abbaupläne im Einzelnen bekannt: Gaildorf (282 Beschäftigte) soll bis 2023 geschlossen werden, Freiberg/Sachsen (86) schon bis 2022. Eislingen soll 39 von 274 Arbeitsplätzen verlieren, Rottweil 153 von 822, Zell im Wiesental 70 von 448, Wustermark 30 von 138, Lorch 36 von 191, Neustadt/Donau 95 von 503; Mühlacker 211 von 1.394, Schorndorf 95 von 443. An den Zentralen in Stuttgart sollen mindestens 800 von rund 4.500 gehen.  Ergibt insgesamt also zwischen 15 und gut 22 % pro Werk.

Die Betriebsräte

Dieser Abbau soll sofort beginnen und nächstes Jahr abgeschlossen sein. Das bedeutet in einigen Fällen, dass die Bosse bestehende Vereinbarungen mit den Betriebsräten brechen wollen.

Dass die Konzernführung die Aufsichtsratssitzung nutzen würde, um zur Attacke zu blasen, schwante auch den Betriebsräten. Vermutlich wussten diejenigen ihrer Mitglieder, die auch im Aufsichtsrat sitzen, sogar schon länger Bescheid. Vor dem Tagungsort in Stuttgart-Feuerbach protestierten am 16.9. dann zweihundert Beschäftigte. Der Betriebsrat in Feuerbach hatte dazu „aufgerufen“ mit der Aufforderung „Setzt mit uns ein Zeichen!“ und der Frage: „Kommt nun ein Personalabbau von 30 % – Bin ich auch betroffen?“

Statt Mobilisierung gegen die Gegnerin, die Konzernleitung, nur Betroffenheitslyrik, statt Protest nur Symbolik. Der Betriebsrat der benachbarten Konzernzentrale in Cannstatt verzichtete gleich ganz darauf, den Termin bekanntzumachen, andere Werke schickten Delegationen. Viele gutbezahlte Beschäftigte in den Zentralen des Konzerns stehen jeglichen Aktionen wie auch der Gewerkschaft generell distanziert gegenüber. Wenn aber auch 800 ihrer Arbeitsplätze bedroht sind und sie auch schon in den letzten 18 Monaten Mobbing und Druck von Seiten der Vorgesetzten und der Personalleitung erfahren haben, die sie zum „freiwilligen“ Gehen weichklopfen wollen, dann sind sie offen für Aktionen. Aber nicht für „Aktionen“, von denen sie nicht wissen, für die halbherzig geworben und deren Wirkungslosigkeit schon vorher deutlich gemacht wird.

Ein sehr fatales Bild gibt in diesem Zusammenhang die IG Metall ab: Bei der Aufsichtsratssitzung, bei der der Stellenabbau den Aufsichtsratsmitgliedern der Gewerkschaft verkündet wurde, gab es nicht wirklich eine Gegenreaktion, stattdessen wurde diese Entscheidung kommentarlos hingenommen. Der Gesamtbetriebsrat wiederum ist momentan mit sich selbst beschäftigt und nicht wirklich handlungsfähig, da ihm die Führung abhandengekommen ist.

Die IG Metall

Das passt insgesamt zur Haltung der IG Metall während der letzten sechs Monate: Statt aktiv den Widerstand gegen die Angriffe zu organisieren oder wenigstens zu Corona-konformen Aktionen zu mobilisieren, übt man sich in Passivität und harrt der Dinge, die da kommen. Ansonsten sieht die Strategie der Führung etwa so aus: Erst den Schock „sacken lassen“, dann Unmut oder Empörung äußern, mehr Mitbestimmung bei der Gestaltung der unternehmerischen Zukunft einfordern, an das soziale Gewissen der KapitalistInnen appellieren (im Fall von Mahle an die „soziale Verantwortung“ eines Stiftungsunternehmens) und im besten Fall zu halbherzigen Aktionstagen aufrufen und so hoffen, dass man etwas bewegen kann.

Dazu passt auch das Statement von Uwe Meinhardt, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender bei Mahle: „Die IG Metall akzeptiert keine betriebsbedingten Kündigungen und keine Standortschließungen. Unsere Tarifverträge haben genügend Instrumente, um ohne Entlassungen durch die Krise zu kommen. Das gilt für Mahle genauso wie für alle anderen Unternehmen der deutschen Automobilindustrie.“ Aus diesem kurzen Absatz der Pressemitteilung der IG Metall zum Stellenabbau bei Mahle wird vor allem eines deutlich: Man ist nicht dazu bereit, Aktionen auf der Straße durchzuführen und die Belegschaft dafür zu mobilisieren, sondern hofft auf eine „gütliche“ Einigung. Zudem setzt man auf sozialverträgliche Maßnahmen wie etwa Abfindungsprogramme auf „freiwilliger“ Basis, eine massive Ausweitung der Altersteilzeit, frühzeitige Verrentungen und letztlich Kurzarbeit im großen Stile. Dies sind die Werkzeuge, die Uwe Meinhardt, aber auch der Vorstand der IG Metall in Frankfurt meinen, wenn er davon spricht.

Widerstand aus der Belegschaft

Es gibt auch andere Stimmen in der Belegschaft. Unter dem Namen MAHLE-SOLIDARITÄT haben sich schon seit längerem KollegInnen aus 5 Werken zusammengetan und sind mit Flyern an die Öffentlichkeit gegangen. Sie haben schon vor der Aufsichtsratssitzung geschrieben:

„Dann (2019; Anm. der Red.) wurden Scheinlösungen gefunden: Arbeitsplatzsicherungen für einige Monate oder Kurzarbeit, die dann verlängert wird. Das hat die GF (Abk. für Geschäftsführung; d. Red.) ermutigt. Vor allem seitdem Öhringen im Stich gelassen wurde und Werke in mehreren europäischen Standorten geschlossen werden, wissen sie, dass die Betriebsräte nicht solidarisch sind. Jetzt, wo klar wird, dass die GF den großen Hammer auspackt, retten einige Führungsleute aus der Arbeitnehmervertretung nur noch sich. Aber neue Namen an der GBR-Spitze (GBR: Gesamtbetriebsrat; d. Red.) werden nur was ändern, wenn es eine Wende für eine offene und kämpferische Politik gibt!

Auch Herr Kocken von der IG Metall setzt sich ab. Er hatte gute Aktionstage organisiert. Aber solche Tage sind nur zum Dampf Ablassen, wenn danach nichts folgt. Es gab nie einen Plan, wie der Widerstand aufgebaut wird, was nach den Aktionstagen kommt, wie die Belegschaften gemeinsam die Pläne der GF blockieren können. Der Grund ist, dass Betriebsräte und IG Metall im Grunde die Ziele und die Entscheidungsgewalt der GF akzeptieren. (…)

Wir können anders, wenn Betriebsräte und IG Metall ihre Halbherzigkeit aufgeben, wir an der Basis uns selbst in Bewegung setzen und Druck machen, die Belegschaften ihre Kraft verbinden, bei Mahle und in der ganzen Autoindustrie. Wir können ihnen zeigen, dass sie uns brauchen, durch Ablehnung aller Überstunden, Sonderschichten, Verlagerungsmaßnahmen. Durch Streiks, die jetzt in der kommenden Tarifrunde völlig legal wären. Durch die Besetzung der Betriebe, die sie dichtmachen wollen. Durch Verteilung der Arbeit auf alle, bei vollem Lohn natürlich.“  (Mahle-Solidarität Nr. 8)

Nach der Aufsichtsratssitzung titelt die nächste Ausgabe von MAHLE-SOLIDARITÄT: „Aufsichtsrat läßt Katze aus dem Sack – Massenentlassungen bestätigt! 7.600 Arbeitsplätze bedroht!”

Und fordert:

„Nötig ist ein gemeinsamer Widerstand aller Belegschaften! Protestaktionen sind gut – aber nur, wenn sie helfen, echten Widerstand zu entwickeln, der die GF daran hindert, ihre Pläne umzusetzen!

Nötig sind Konzepte der IG Metall für Zukunftsprodukte! Für effektive, ressourcenschonende, kombinierbare Verkehrskonzepte. Über das E-Auto hinaus! Denn das verlagert das Abgasproblem nur, verstetigt Feinstaub- und Platzprobleme und schafft mehr und neue Umweltprobleme.

Aber wie sich schon in Öhringen zeigte, wo neue Produkte entwickelt, aber dann von der GF nicht umgesetzt worden waren:

Wir brauchen die Kraft, sie auch durchzusetzen!

Für eine Wende der IG Metall!

Die IGM muss in dieser ganzen Auto-Krise – nicht nur bei Mahle – zu anderen Mitteln greifen als zahnlosen Appellen:

  • Eine Perspektive für alle: Kampf um jeden Arbeitsplatz!
  • Streik! Besetzung von bedrohten Betrieben!
  • Enteignung von Betrieben, die von Schließung bedroht sind! (Steht in der Satzung der IG Metall !)
  • Kontrolle aller Unternehmensentscheidungen durch die Belegschaften, vor allem Investitionen, Entwicklung und Produktion! Das gilt erst recht für enteignete Betriebe!
  • 30-Stundenwoche für alle und überall bei vollem Entgelt- und Personalausgleich!“

Aktionsprogramm

Was die KollegInnen von Mahle-Solidarität sagen, zeigt den Weg nicht nur für die Mahle-Betriebe, sondern auch für die ganze Metall-Industrie. Gerade in Baden-Württemberg, aber nicht nur dort, stehen hunderte von Betrieben aus der Sicht des Kapitals zur Disposition.

Der Bezirksleiter der IG Metall, Zitzelsberger, benennt die Angriffe durchaus und organisiert eine Kampagne unter dem Titel „Solidarität gewinnt“. Aber das Ziel seiner Aktionen sind erneut „gute Vereinbarungen“. Diese werden aber nicht nur gerade jetzt häufig gebrochen, sie „sichern“ auch oft die Arbeitsplätze auf Kosten anderer im gleichen Konzern und sie reduzieren jede Belegschaft auf „ihre Interessen“. Dies hat seine Ursache in der Politik der IG Metall, die Partnerschaft mit dem Kapital auch unter dem Generalangriff desselben fortzusetzen. Hier ist die Forderung der MAHLE-SOLIDARITÄT vollkommen richtig, dass der Kampf nur dann erfolgreich sein wird, wenn die ganze Branche und alle bedrohten Belegschaften gemeinsam kämpfen.

Gemeinsam heißt nicht zeitgleich, sondern für die gleichen Ziele, für das gleiche Programm!

  • Also 4-Tage-Woche nicht als „betriebliche Lösung“, sondern für alle, um die Arbeit auf alle zu verteilen.
  • 4-Tage-Woche (oder 30 Stundenwoche) bei vollem Lohnausgleich, damit alle mitmachen können!
  • Entschädigungslose Enteignung aller Unternehmen, die Beschäftigte entlassen wollen und Verstaatlichung unter demokratischer ArbeiterInnenkontrolle!
  • In so einem Kampf hätten auch Streiks und Betriebsbesetzungen ein anderes Ziel, als nur die Abfindungen zu erhöhen.

MAHLE-SOLIDARITÄT arbeitet mit dem Metallertreff Stuttgart und der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften VKG zusammen. Das zeigt den Weg, wie in der IG Metall für eine andere Politik gekämpft werden kann. Das ist die Basis, auf der aktive kritische KollegInnen und die Linke, AktivistInnen gegen die Klimakatastrophe und die Krisenpolitik zu einer Bewegung werden können. Denn letztlich sind zwei Dinge nötig: den Kampf im Betrieb unter die eigene Kontrolle zu bekommen, und zweitens ist eine Bewegung aufzubauen, die die Angriffe des Kapitals insgesamt bekämpft.




Untiefen der SozialpartnerInnenschaft – die Tarifpolitik der IG Metall

Mathis Molde, Infomail 1118, 21. September 2020

Wie stellt sich die IG Metall in der nächsten Tarifrunde auf? Die einzige Meinung, die bisher an die Öffentlichkeit gedrungen ist, ist die von Jörg Hofmann. Er schlägt die 4-Tage-Woche vor mit einem „gewissen“ Lohnausgleich.

Die Idee, dass die Arbeitszeit verkürzt wird, um mehr Arbeitsplätze zu halten, hat ihren Reiz. Die Frage der Arbeitsplätze bestimmt derzeit zu Recht alles in der IG Metall. Zehntausende davon sind schon verschwunden, Hunderttausende sind bedroht: durch die Konjunkturkrise und zunehmende Handelskriege, den Ausstieg aus der Verbrennungsmotorentechnologie, die Digitalisierung und all dies begleitet von massiven Verlagerungen der Produktion, vor allem in der Auto- und Zulieferindustrie, aber auch im Maschinenbau.

Auf diese massive Attacke der Metallunternehmen ist die Arbeitszeitverkürzung die richtige Antwort: Wenn die KapitalistInnen Arbeit einsparen und wegrationalisieren, dann muss die vorhandene auf alle verteilt werden – natürlich in der ganzen Branche, am besten im ganzen Land. Nur: das, was Jörg Hofmann vorschlägt, ist etwas anderes.

Er will die 4-Tage-Woche nicht für alle, sondern als Wahlmöglichkeit für Betriebe. Es werden also keine neuen Arbeitsplätze geschaffen, weil in Betrieben, die nicht abbauen, Unternehmen und Betriebsräte keinen Anlass haben, die Arbeitszeit zu verkürzen. Vor allem nicht, wenn damit auch die Löhne gekürzt werden – bis auf einen „gewissen“ Rest.

Es werden auch keine Arbeitsplätze dauerhaft gesichert, die von Rationalisierung und Verlagerung bedroht sind. In solchen Fällen würde nur der Personalabbau gestreckt. Der einzige Fall, in dem Hofmanns 4-Tage-Woche Sinn machen könnte, wäre bei einem vorübergehenden Arbeitsrückgang – also als eine andere Form der Kurzarbeit. Kurzarbeit gibt es aber schon auf gesetzlicher Grundlage und verschiedenen tariflichen Formen (TVBesch, T-ZUG,..). Immer bezahlen die Beschäftigten mit Lohnverlust oder durch ihre Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und immer gibt es einen „gewissen Ausgleich“.

Hofmanns Idee ist also nichts Neues. Und sie ist völlig ungeeignet, um der Vernichtung von geschätzten 400.000 Arbeitsplätzen in der Metall- und Elektroindustrie zu begegnen. Vor allem weil ihm nichts anderes einfällt, als den Unternehmen „Angebote“ zu machen, wenn diese voll angreifen.

Streik statt Angebote und Betteln!

Die Tarifrunde bietet die Chance, alle Belegschaften zu vereinen in einem gemeinsamen Widerstand bis hin zum Streik:

  • Gegen alle Entlassungen und Abbaupläne! Keine Verlagerungen!
  • Keine Ausweitung prekärer Beschäftigung! Schluss mit der Spaltung! Feste Arbeitsplätze für alle!
  • Enteignung aller Betriebe, die abbauen oder geschlossen werden sollen, gemäß § 2 unserer Satzung und Überführung in Gemeineigentum! Konversion der Produktion im Interesse der Bevölkerung und ökologischer Nachhaltigkeit unter Kontrolle durch Betriebsräte und Vertrauensleute und Einbeziehung von WissenschafterInnen und UmweltexpertInnen, die das Vertrauen der ArbeiterInnen genießen! Finanzierung dieser Maßnahmen durch massive Besteuerung von großen Vermögen und Profiten!
  • Schaffung neuer Arbeitsplätze Hand in Hand mit Investitionen in Gesundheit, Umwelt , ÖPNV, Bahn und Zukunftstechnologien!
  • Umverteilung der Arbeit auf alle statt Entlassungen! 4-Tage-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich!



Airbus: Belegschaftsabwurf ohne Fallschirm?

Bruno Tesch, Infomail 1111, 16. Juli 2020

Die Entlassungs-Pandemie beginnt sich auszubreiten. Nach der Lufthansa ist ein weiteres großes Unternehmen ins Trudeln geraten. Die Geschäftsführung von Airbus SE, einem Konzern, der neben Luft- und Raumfahrt auch von Rüstungsgeschäften lebt, hat die Streichung von 15.000 der insgesamt rund 133.000 Stellen verkündet. Airbus unterhält 70 Standorte in Europa sowie weitere Vertretungen auf anderen Kontinenten. In Deutschland würde dies den Abbau von mehr als 5.000 Arbeitsplätzen bedeuten. Betroffen sind natürlich nicht nur die Belegschaften der einzelnen Standorte, sondern auch etliche Tochtergesellschaften und Zulieferbetriebe.

Erste Proteste

Man hatte die Öffnung der Schublade, in der die Entlassungspläne schon länger lagen, mit der Lähmung durch das Covid-19-Virus und in einer traditionellen Ferienzeit clever getimt. Dennoch hat sich Widerstand geregt. Der Unmut unter den Belegschaften in den hauptsächlich norddeutschen Standorten Hamburg, Bremen, Nordenham und Varel hat dazu geführt, dass Betriebstat und IG Metall Küste am 8. Juli 2020 einen koordinierten Aktionstag durchführten. Der Schwerpunkt lag in Bremen, das mit der Androhung des Wegfalls von mindestens 600, wahrscheinlich aber bis zu 1.000 Jobs, am heftigsten betroffen sein wird. Demnach würde dort jeder fünfte Job in den nächsten zwei Jahren wegrationalisiert.

Vor der Airbus-Verwaltung in Bremen protestierten 1.000 Beschäftigte lautstark gegen die Konzernpläne. Für den Stadtstaat Bremen, ohnehin eines der Armenhäuser der Republik,

käme die möglicherweise gänzliche Schließung des Werks einem weiteren infrastrukturellen und sozialen Luftröhrenstau gleich. Anderswo, wie in Hamburg-Finkenwerder, fiel der Protest um einiges gemächlicher aus. Hier hatten sich vor dem Werksgelände gerade einmal 100 Leute mit Abstand aufgestellt. Dennoch ist dieses gemeinsame Vorgehen als Zeichen zu werten, dass die Bereitschaft besteht, die Angriffe der Unternehmensleitung nicht widerstandslos hinzunehmen, und von daher zu begrüßen.

Was will die IG Metall?

Die Absicht der Gewerkschafts- und Betriebsratsführung ist es jedoch nicht, dieses Auftreten als erste Sprosse einer Stufenleiter von weiteren Kampfmaßnahmen einzupflocken, sondern sie trachtet danach, dem Ärger der Airbus-ArbeiterInnen ein Ventil zu geben und ihnen dies bereits als ultimatives Betätigungsfeld anzuweisen. Denn die reformistische Bürokratie will im August in Unterredungen mit der Geschäftsleitung einsteigen und hat hierfür schon jetzt eine defensive Strategie eingeschlagen. Sie will dem Konzern KurzarbeiterInnengeld oder Förderprogramme des Bundes als Alternative zu Massenentlassungen anbieten.

Wer den KollegInnen KurzarbeiterInnengeld als Lösung verkauft, gibt von vornherein existenzielle Positionen preis, versucht, Beruhigungspillen zu verteilen, und spaltet am Ende die Belegschaften für einen möglichen gemeinsamen Kampf. Er überlässt den Bossen und dem Staat das Heft des Handelns. Die Beschäftigten in Kurzarbeit müssten mit deutlich weniger Einkommen über die Runden kommen, der Konzern würde hingegen schon mal ihr Entgelt einsparen. Eine Garantie für den Erhalt von Arbeitsplätzen stellt dies aller Erfahrung nach sowieso nicht dar – im Gegenteil, für viele Arbeitskräfte, die über längere Zeit in Kurzarbeit und daher ohnedies nicht mehr im Betrieb sind, könnte sich eine solche Lösung leicht als Übergang zur Arbeitslosigkeit entpuppten. Die Verfügung über die Fördermittel des Staates läge natürlich auch nicht in Händen der ArbeiterInnenschaft, sondern in der Vollzugsgewalt der KapitalistInnen.

Die regionale IGM-Spitze hält den Personalabbau für „überzogen“. Darin steckt derselbe Denkansatz wie die Kritik an der „Unverhältnismäßigkeit“ eines Polizeieinsatzes. Die Entscheidungshoheit der Bosse in Sachen Personalpolitik wird als praktisch notwendig hin- und vorweggenommen. In Verhandlung steht offenbar nur die Minderung der Zahl der „Freisetzungen“. Um Beschäftigung zu sichern, „müssten alle staatlichen und tarifrechtlichen Mittel geprüft werden.“ Darin erschöpft sich die Weisheit der „kämpferischen“ BürokratInnen.

Welche Perspektive?

Dabei verkündete der IGM-Funktionär Daniel Friedrich auf der Kundgebung in Finkenwerder: „Wir brauchen keine Abrissbirne, sondern eine Brücke für die Zukunft.“ Wer davon spricht, muss aber auch Farbe bekennen. Was und für welche Zwecke soll bei Airbus produziert werden? In der Rüstungsgütererzeugung rangiert der Konzern in Europa als Nummer zwei hinter BAE-Systems. Im Zweigwerk Varel werden bspw. Lufteinlaufschalen und -röhren für den Eurofighter sowie Großbauteile für den A440M-Militärtransporter gefertigt.

Wenn die militärische Relevanz von Airbus für zukunftweisend gehalten wird, muss auch die Stützung der imperialistischen EU- und NATO-Strategie als unverzichtbar erscheinen. Nicht umsonst ist der französische Staat zu 15 % am Konzern beteiligt.

Was bereits im Rettungspaket für die Lufthansa fehlte, nämlich Auflagen bezüglich Umweltschonung, gilt auch für Airbus, dessen Großraumflugzeuge nicht zuletzt wegen ihrer ökologischen und verkehrsraumtechnischen Fragwürdigkeit schon lange umstritten sind.

Selbstverständlich muss aber der Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze an der Seite der Beschäftigten von Airbus geführt werden. Es darf aber nicht bei einmaligen Protestaktionen oder bloß symbolischen Ergänzungen von Verhandlungen hinter verschlossenen Türen stehen bleiben. Daher darf die Ausweitung, Führung, Organisierung der Auseinandersetzung schon gar nicht Betriebsräten und DGB-FunktionärInnen überlassen werden, die nur auf Verhandlungsrunden mit den KonzernvertreterInnen unter Ausschluss der Öffentlichkeit setzen. Diese müssen vielmehr der Kontrolle der von den Entlassungen Betroffenen unterstellt werden.

Aus der Belegschaft müssten sich dazu von der Basis gewählte und dieser Rechenschaft schuldige Kampfkomitees bilden, die Maßnahmen treffen bis hin zu Besetzungsstreiks. Bei Verhandlungen mit dem Konzern muss gefordert werden, dass Öffentlichkeit hergestellt wird, diese also direkt öffentlich übertragen werden. Aus den Kampfkomitees könnten ArbeiterInnenkontrollorgane entstehen, die Einblicke in alle Geschäftsunterlagen nehmen, um die wirkliche Situation des Unternehmens einschätzen und die Pläne der Bosse aufdecken zu können. Diese Kontrollorgane müssten schließlich auch die Frage nach der Zukunft der Produktion und nach den EntscheidungsträgerInnen stellen und beantworten.

Zwei wichtige Voraussetzungen für einen erfolgreichen Abwehrkampf gegen die Versuche, die Krise auf die ArbeiterInnen abzuwälzen, wären eine Ausweitung des Kampfes über den Standortrahmen hinaus. Airbus steht hier in herausgehobener Stellung und bietet als international aufgestellter Konzern Ansatzpunkte zum Brückenschlag über Landesgrenzen hinaus, beispielsweise nach Frankreich, Rumänien, Spanien und in die Niederlande. Zweitens müsste auch ein Einbezug anderer MetallerInnenbereiche erfolgen. So ist Daimler 30 %-iger Anteilseigner von Airbus. Wenn diese Momente positiv zusammenkommen, könnte ein beispielgebendes Signal für einen Aufschwung von Klassenkämpfen in Europa gesetzt werden.




Offener Brief an den Vorstand der IG Metall zur aktuellen Situation in der Automobilindustrie

Arbeitskreise Internationalismus der IG Metall Berlin, Infomail 1109, 5. Juli 2020

Wir dokumentieren einen offenen Brief des Arbeitskreis Internationalismus der IG Metall Berlin an den Vorstand der Organisation, der von verschiedenen, oppositionellen Gruppierungen in den Gewerkschaften ebenfalls unterstützt wird (siehe unten). Wir rufen unsere LeserInnen auf, diesen zu verbreiten. Möglichst viele Mitglieder der IG Metall sollten ihn unterzeichen. Der gemeinsame, branchenübergreifende und internationale Kampf gegen die Abwälzung der Krisenkosten auf die ArbeiterInnenklasse ist heute dringender den je. Der offene Brief soll und kann dazu beitragen, jenen eine Stimme zu geben und jene zu organisieren, die diese Auseinandersetzung führen wollen

Offener Brief an den Vorstand der IG Metall zur aktuellen Situtation in der Automobilindustrie

zu Händen Jörg Hoffmann, Berlin 2.7.2020

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Ihr habt öffentlich eine allgemeine Abwrackprämie zur Ankurbelung der Auto-Industrie gefordert. Wir sind dagegen und zwar aus mehreren Gründen:

  • Eine planlose Förderung des Individualverkehrs ist Gift für das Klima und eine wirtschaftliche Sackgasse
  • Wer zukunftsfähige Arbeitsplätze sichern und aufbauen will, muss dies in Einklang mit den gesamtgesellschaftlichen Bedürfnissen tun.
  • Wer zukunftssichere Arbeitsplätze will, darf sich nicht an althergebrachten Verkehrskonzepten, Produktionsverfahren, Technologien und Produkten festklammern.
  • Eine Förderung der Autokonzerne ist völlig unangebracht, nachdem diese sich in den letzten Jahren durch Abgasbetrug und Kartellbildung hervorgetan haben.

Die Auto-Industrie ist gerade die treibende Kraft bei den Angriffen von Gesamtmetall und den regionalen Arbeitergeberverbänden auf die sozialen und tariflichen Errungenschaften.  Ihre Forderungen:

  • Die abschlagsfreie Rente mit 63 (derzeit 63 und 8 Mon) soll fallen,
  • auch die Haltelinie beim Rentenniveau von 48 Prozent und die Mütterrenten I und II.
  • Die Grundrente halten sie für „völlig verfehlt“ und „unverhältnismäßig teuer“.
  • Die Parität bei der Krankenversicherung soll ebenso beseitigt werden.
  • Die Einschränkungen bei den Arbeitnehmerüberlassungen sollen rückgängig gemacht werden,
  •  ebenso wie die Mindestlohn-Dokumentationspflicht,
  • auch bei der Arbeitszeit wollen sie „Experimentierräume“, gesetzliche Haltelinien sollen fallen.
  • Das Betriebsverfassungsgesetz und das Arbeitsrecht sollen beschnitten werden.
  • Der Kündigungsschutz muss „überarbeitet werden, um die dringend notwendige Rechtssicherheit bei Verfahren der Massenentlassung wiederherzustellen“.
  • Sie wollen„möglichst große Spielräume bei der Umsetzung von Infektionsschutzmaßnahmen“, um die „unternehmerische Freiheit nicht … durch Vorgaben im Arbeitsschutz einzuschränken“. „Das Virus ist letztendlich Teil des allgemeinen Lebensrisikos“, deshalb soll auch nichts im gesetzlichen Arbeitsschutz institutionalisiert werden.
  • Auch beim Klimaschutz soll die Politik erst mal auf die Bremse treten.

In den Betrieben erleben wir tägliche neue Schließungs- oder Entlassungsmeldungen. Unsere Forderung als IG Metall, die Transformation ökologisch und sozial zu gestalten, treten sie täglich mit Füssen. In einer solchen Situation ist es das völlig falsche Signal für die Konzerne, noch Geschenke aus Steuermitteln zu fordern!

Der Angriff von Gesamtmetall muss vielmehr ein Signal sein, alle Belegschaften zu vereinen in einem gemeinsamen Widerstand:

  • Gegen alle Entlassungen und Abbaupläne! Keine Verlagerungen!
  • Gegen alle Angriffe auf Rentengesetze und Krankenversicherung!
  • Keine Ausweitung prekärer Beschäftigung! Schluss mit der Spaltung, Feste Arbeitsplätze für alle!
  • Enteignung aller Betriebe, die abbauen oder geschlossen werden sollen, gemäß §2 unserer Satzung und Überführung in Gemeineigentum. Einsatz von Steuermitteln dann für diese Betriebe und gegebenenfalls die Konversion der Produktion unter Kontrolle durch Betriebsräte und Vertrauensleute. Einbeziehung von UmweltexpertInnen.
  • Schaffung neuer Arbeitsplätze Hand in Hand mit Investitionen in Gesundheit, Umwelt , ÖPNV Bahn und Zukunftstechnologien.
  • Umverteilung der Arbeit auf Alle statt Entlassungen! Ohne Lohnverlust.

Wir brauchen als IG Metall eigene Konzepte zum ökologischen Umbau! Wir sind nicht die Steigbügelhalter für die Konzerne und ihre überholten Konzepte!

Arbeitskreisinternationalismus der IG Metall Berlin

Weitere ErstunterzeichnerInnen (Organisationen):

Metallertreff Stuttgart;

Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften;

Münchner Gewerkschaftslinke/Gewerkschaftsstammtisch München;

Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG);

Weitere ErstunterzeichnerInnen (Einzelpersonen):

Matthias Fritz, IGM, ehem. BR und VK-Leiter Mahle Stuttgart; Christa Hourani, IGM, Delegierte, ehem. BR und VK-Leiterin Daimler Zentrale; Klaus-Peter Löwen, IGM, Delegierter, ehem. stellvertr. GBR-Vorsitzender Alcatel-Lucent Deutschland AG; Niels Clasen, IGM, Ersatzdelegierter, ehem. BR Roto Frank; Jakob Schäfer, IGM, Delegierter, ehem. BR-Vorsitzender; Reiner Hofmann, IGM, Delegierter, ehem. BR Porsche Stuttgart; Jürgen Grad, Delegierter IG Metall Esslingen; Petra Schulz, Vertrauensfrau IG Metall Stuttgart und Mitglied im VCD; Walter Reinhardt, ehe. BR Mahle-Behr Stgt-Feuerbach; Mehmet Sahin, VM Mahle-Behr Feuerbach; Christiaan Boissevain, IGM, ehem. BR Luftfahrtindustrie München. aktiv in der VKG; Sami Cebi, IGM, BR Mahle; Martin Derleth, IGM, Mahle; Günter Triebe, IGM OV Berlin, Delegierter, ehem. BR-Vorsitz6ender OTIS;   Felix Weitenhagen, IGM, BR Siemens Schaltwerk Berlin; Klaus Murawski, IGM-Delegierter Berlin, ehem. VLA Ausschussleiter, VKL und BR bei OTIS; Jan Roschmann-Greiner ehem. Betriebsrat und Vertrauensmann bei HDW-Kiel(heute TKMS),Kiel; Hans-Jürgen Nestmann Rechtsberatung/ AK Senioren IGM Unterelbe; Michael Weidner, i.A. für die deutsche Koordinierungsgruppe der Internatioalen Automobilarbeiterkoordination;  Dietmar Koselitz seit 1969 aktives  Mitglied der IGM Kiel; Hans-Georg Tillmann Sprecher AG 30plus in der SPD; Hans-Jürgen Polke,Delegierter der Geschäftsstelle Kiel-Neumünster IG Metall; Wolfgang Domeier, IGM-Delegierter, ehem. BR-Vorsitzender und VK-Leiter; Peter Vlatten, IGM, ehem. VL  Bereichsleiter und VK-Leitung  Daimler Stuttgart UT;  Hildegard Harms, Spitzbergenweg 39, 22145 Hamburg, ver.di; Reiner Heyse, ehem. BR-Vorsitzender Raytheon Anschütz, Kiel und Vorsitzender Seniorenarbeitskreis Kiel; Hartmut Herold, IGM Berlin, Senioren-Arbeitskreis;  Bärbel Zimmermann, IGM Hamburg;  Karl-Heinz Petersen, IGM Berlin Delegierter;   Krista Deppe ehem. BR-Vors., div. Funktionen in der IG Metall Berlin;   Hildegard Egge IGM Delegierte, stellvertr. Vorsitzende Senioren AK Berlin;

Kommentare und Kritik bitte an: http://www.arbeitskreis-internationalismus.de/kontakt/

Weitere UnterzeicherInnen bitte an: metallertreff@yahoo.de




Abwrackprämie: Sozis beißen sich

Mattis Molde, Neue Internationale 248, Juli/August 2020

Wenn SozialdemokratInnen sich gegenseitig vorwerfen, die AfD zu fördern, politische GeisterfahrerInnen zu sein und die Interessen der Beschäftigten zu verraten, lässt das aufhorchen. Die SPD, diese Verkörperung von Zahnlosigkeit, hat schon lange niemand mehr richtig wehgetan. Woher als plötzlich diese Bissigkeit?

Es geht um die Kaufprämie für Pkws. Die Auto-Bosse hatten diese auch für „schadstoffarme“ Verbrenner gefordert und in ihrem Schlepptau hatte die IG Metall sich mit breiter Brust dahinter gestellt. Die Bundesregierung mit der daran beteiligten SPD verfügte wenigstens über so viel politisches Gespür, dass die Einführung einer solchen Prämie ein PR-Desaster bedeutet hätte.

Gespür?

Die ganzen Versprechen für eine CO2-Reduktion, die nirgendwo so unverwirklicht sind wie im Verkehrssektor, wären noch schneller noch unglaubwürdiger geworden. Diese Prämie zur fortgesetzten Luftverschmutzung hätte alle anderen Branchen auf den Plan gerufen, die ähnliches gefordert hätten – Kohle, Luftverkehr, Energie, Landwirtschaft vorneweg.

Nicht dass die Autokanzlerin und ihr Gefolge dem Auto abgeschworen hätten. Es gibt keinen Anlass zur Freude für UmweltschützerInnen. Die Mehrwertsteuersenkung von 3 % bringt den KäuferInnen von Oberklassenschlitten etwa so viel wie die Abwrackprämie von 2009, die 2500 Euro betrug. Die Kaufanreize für E-Autos wurden erhöht. Die Autoindustrie bekommt ohnedies jede Menge an Subventionen und sackt auch den Löwenanteil an Forschungsförderung ein.

All das stärkt nicht nur die Konkurrenzfähigkeit des deutschen Kapitals auf dem Weltmarkt, es bietet auch die Basis für die Integration bedeutender Teile der ArbeiterInnenklasse und die „Sozialpartnerschaft“, also die Unterordnung der Gesamtinteressen der ArbeiterInnenklasse unter jene des Kapitals. Die Löhne der Stammbelegschaften der Autoindustrie betragen mit allen Zulagen und Prämien im Durchschnitt satt das Doppelte anderer Lohnabhängiger. Es wäre für die Millionen Menschen, insbesondere für diejenigen, die in Krankenhäusern, Kindertagesstätten, im Handel oder öffentlichen Verkehr mit zusätzlichen Belastungen und Risiken gearbeitet haben, völlig unverständlich gewesen, warum NeuwagenkäuferInnen, zu denen die wenigsten dieser Menschen im Moment gehören, mehr Geld für einen Autokauf bekommen sollen, als sie als Corona-Prämie für 3 Monate Zusatzbelastung vage in Aussicht gestellt bekommen haben.

Wenn diese Gelder, die letztlich Geschenke für die großen Exportkapitale sind, im Namen der Sicherung von Arbeitsplätzen fließen würden, zu einer Zeit, wo auch zehntausende Arbeitsplätze in anderen Branchen gestrichen werden oder heftig gefährdet sind, was hätten da die VerkäuferInnen von Kaufhof-Karstadt gesagt?

Geisterfahrt?

Selbst dieses politische Gespür, das die SPD-Vorsitzenden Esken und Walter-Borjans wenigstens vorweisen können, geht Hofmann und dem ganzen IG-Metall-Vorstand ab.

„Man darf die für Deutschland so wichtige Branche mit direkt und indirekt über zwei Millionen Beschäftigten nicht in einer industriepolitischen Geisterfahrt gegen die Wand fahren“, erklärt Hofmann.

Das verkündet der Chef der stärksten Industriegewerkschaft der Welt, der zulässt, dass in dieser so wichtigen Branche bereits zehntausende Arbeitsplätze gestrichen, verlagert wurden oder noch werden und zehntausende LeiharbeiterInnen und befristet Beschäftigte schon arbeitslos geworden sind. Das alles ohne jegliche soziale Abfederung, derer sich die Gewerkschaftsspitze und die BetriebsratsfürstInnen so gerne rühmen, wenn sie damit die Abbaupläne „begleiten“. Gerade die Entlassung der prekär Beschäftigten ist Hofmann nicht mal ein Zucken im Mundwinkel wert gewesen.

Es gab auch keinen Widerstand in den betroffenen Betrieben, der über Aktionstage oder Proteste hinausgegangen wäre. Solche Aktionen verstehen Hofmann und die ganze Metall-Bürokratie als „Verhandlungsbegleitung“, was nichts anders bedeutet, als dass die Konfrontation mit dem Kapital und seinen Plänen erst gar nicht gesucht wird. Allenfalls sollen die KonzernchefInnen und Unternehmerverbände daran erinnert werden, dass sie die IG Metall und die Betriebsräte weiter als „PartnerInnen“ brauchen.
Am besten zeigt dies auch für Branchenfremde der Streik beim Getriebebauer Voith in Sonthofen. Während die Gewerkschaftsmitglieder im Betrieb geschlossen in diesen Kampf gingen, organisierte die IG Metall nicht eine Solidaritätsaktion in den anderen Konzernniederlassungen. Die GewerkschaftsvertreterInnen im Aufsichtsrat stimmten der Schließung zu und der Streik wurde mit etwas besseren Abfindungen beendet.

Industriepolitik

„Industriepolitik“ fordert Hofmann ein. Ein sehr sozialdemokratischer Begriff, mit dem man die Unterordnung unter die Wünsche des Kapitals im Namen der Beschäftigten, des „Standortes“, der Region oder „Deutschlands“ gerne begründet. Diese Industriepolitik machen SozialdemokratInnen bis zur Selbstaufgabe: von der Umwidmung von Naturschutzgebieten, der Übernahme von Erschließungskosten auf lokaler Ebene bis zur Agenda 2010 und der damit erzielten Einrichtung eines riesigen Niedriglohnsektors und der generellen Senkung der Reallöhne.

Solange Porsche im Naturschutzgebiet ein Parkhaus bauen darf und Daimler in den Rheinauen ein Autowerk, solange die niedrigen Löhne vor allem den Dienstleistungsbereich betreffen, solange die Jugend nie etwas anderes gesehen hat und sehen soll und die „Ossis“ und die MigrantInnen froh sein sollen, dass sie überhaupt was kriegen, solange haben SozialdemokratInnen keine großen Konflikte über „Industriepolitik“.

Aber die „Industriepolitik“ wird immer mehr zur Klientel-Politik, zur Vertretung eines bestimmten Teils des Kapitals, und zwar je mehr die Krise zu nimmt, je weniger es zu verteilen gibt und je erbärmlicher die Hoffnung wird, dass durch das Anschieben eines Teils der Wirtschaft das Ganze wieder wundersam in Bewegung gerät. Im Kern geht es beim Konflikt zwischen der IG-Metall-Führung und der SPD-Spitze und ihren Kabinettsmitgliedern genau darum. Die „Industriepolitik“ der Gewerkschaftsbürokratie und der Betriebsräte geht vom Standpunkt des Einzelkapitals, allenfalls noch der Branche aus. Die SPD versucht sich als Anwältin des gesellschaftlichen Gesamtkapitals und längerfristiger Interessen, was auch Konflikte mit den unmittelbaren Profitinteressen des Einzelkapitals inkludieren kann.

Während die SPD daher für die gesamte Klasse einzelne Reformversprechungen ausgibt (Rente, Mindestlohn, Einschränkung von Subunternehmen, …) und diese in ein ökologisches und soziales Modernisierungsprojekt des Gesamtkapitals einzubetten verspricht, beschränken sich die Gewerkschaftsapparate und Konzernbetriebsräte immer offener auf das unmittelbare Interesse ihrer „Kernklientel“ und der Branchen, in denen sie beschäftigt sind. Politisch laufen beide nicht nur auf die Quadratur des Kreises hinaus. Sie verschärfen auch die Entsolidarisierung zwischen verschiedenen Teilen der ArbeiterInnenklasse, den Beschäftigtengruppen unterschiedlicher Branchen, ja letztlich auch konkurrierender Unternehmen oder gar Standorte. Mit der Unterstützung der Auto-Bosse durch die IG Metall bei der Frage Kaufprämie für Verbrennungsmotoren hat es die Gewerkschaft nicht nur geschafft, die SPD rechts zu überholen. Der Konflikt offenbart auch die innere, reaktionäre Logik der Sozialpartnerschaft und Standortpolitik – einer Politik, der kämpferische GewerkschafterInnen den Kampf ansagen müssen. Ohne Wenn und Aber.




Voith Sonthofen: Abfindung erhöht – Arbeitsplätze weg – Streik beendet

Mattis Molde, Infomail 1105, 27. Mai 2020

Am 26. Mai stimmten 87 % der stimmberechtigten IG Metall-Mitglieder für die Annahme des Verhandlungsergebnisses. Damit war der Streik nach rund 4 Wochen beendet.

Die IG Metall Allgäu berichtet: „Johann Horn, Bezirksleiter der IG Metall Bayern und Verhandlungsführer, sagt: ‚Die Beschäftigten haben sich diesen Sozialtarifvertrag hart erkämpft und erstreikt. Sie erhalten nun angemessene Abfindungen für den Verlust ihrer Arbeitsplätze. Ihre Solidarität zahlt sich jetzt für sie aus.“

Die Betriebsratsvorsitzende Birgit Dolde kommentiert: „Uns schmerzt ungemein, dass wir unser Werk und unsere Arbeitsplätze nicht retten konnten. Wir haben aber einen guten Sozialtarifvertrag errungen, der gewährleistet, dass niemand in existenzielle Nöte gerät.“

Carlos Gil, 2. Bevollmächtigter der IG Metall Allgäu und Streikleiter, sagt: „Ich bin tief beeindruckt und ziehe meinen Hut, wie die Mannschaft bei Voith über all die Monate und bis zuletzt zusammengehalten hat. Ich bedanke mich bei allen, die sich an unserem Arbeitskampf beteiligt und ihn unterstützt haben.“

Nach Unterlagen der IG Metall besteht das finanzielle Gesamtvolumen dieses Sozialtarifvertrages zu 75 % aus den Beträgen, die der konzernweite Sozialplan für Sonthofen vorgesehen hätte, weitere 25 % wurden oben draufgesattelt (1). Tatsächlich ist die Abfindungsregelung mit der Formel

Lebensalter x Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatsentgelt x 1,3 geteilt durch 100

guter Durchschnitt für die westdeutsche Metallindustrie; verheiratete Beschäftigte erhalten 10 % mehr, mit Kindern 20 % mehr. Zu diesem Grundbetrag kommen noch Sockel von 8.000 (bis 35 Jahre) bis 15.000 Euro (über 46 Jahre).

Dies alles wird allerdings bei 110.000 Euro gedeckelt, bevor weitere 500 pro 5 Jahre Beschäftigungszeit dazu kommen. Alternativ kann eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft gewählt werden, bei der 15–18 Monate Arbeitslosigkeit mit 80 % des letzten Nettoentgelts überbrückt werden können, oder eine Vorruhestandsregelung, bei der die Firma das Arbeitslosengeld aufstockt.

Das „Büro Allgäu“, in dem 170 Beschäftigte eine Arbeit angeboten bekommen sollen, ist für 3 Jahre garantiert. Sollte es vorher geschlossen werden, gelten die Abfindungskonditionen erneut. Nach Meinungen aus der Belegschaft hatte dieses „Büro“ immer den durchsichtigen Zweck, sie zu spalten. Es kann aber auch dazu dienen, das Fachwissen zu transferieren.

Die IG Metall-Mitglieder wurden über dieses Ergebnis am Montag, den 25.5., informiert. Sie konnten auf einer webbasierten Mitgliederversammlung darüber diskutieren. Tags drauf fiel die Entscheidung.

Doppeltes Spiel der IG Metall

Mit dem relativ guten finanziellen Zusatz wird eine verheerende Niederlage kaschiert: einen guten Streik verloren zu haben, der ein leuchtendes Beispiel für hunderte anderer Betriebe hätte sein können. Das ist nicht ungewöhnlich für diese Gewerkschaft.

Tarifabschlüsse werden immer so gestrickt, dass die tatsächliche Entgelterhöhung pro Jahr nicht berechnet werden kann. Es werden Pferdefüße eingebaut oder Vereinbarungen, deren Zweck letztlich ein anderer ist als behauptet. So wird zum Beispiel die freiwillige individuelle Arbeitszeitverkürzung für persönliche Zwecke über das „Tarifliche Zusatzgeld“ als verpflichtende Form der Zusatzkurzarbeit verwendet.

Die Pakete, die bei Personalabbau und Werksschließungen vereinbart werden, werden so gebastelt, dass das Management sein Hauptziel erreicht und die Beschäftigten so unterschiedliche Trostpflaster für sich persönlich finden, dass ein Teil der Belegschaft sich damit arrangieren kann. Die Bewegung, wenn es eine gegeben hat, wird zerfasert. Sehr gerne schmückt sich die Verhandlungsführung dann damit, dass man auch etwas für die Jugend getan habe. Auch bei Voith dürfen alle Azubis ihre Ausbildung beenden. Aber gerade für die Jugend ist die Schließung des Werkes verheerend: Im Allgäu wird definitiv demnächst keine Stelle für ZerspanungsmechanikerInnen oder MechatronikerInnen frei. Nach Voith will auch BMTS im Nachbarort schließen und Bosch baut ab.

Für die Belegschaft und die Betriebsratsvorsitzende ging es vor allem um eine Verhinderung dieser Schließung. Deren Trauer, „dass wir unser Werk und unsere Arbeitsplätze nicht retten konnten“, zeigt, dass es für die Beschäftigten eine Niederlage darstellt.

Die Hauptamtlichen vor Ort unterstützten aktiv den Streik, notfalls rund um die Uhr. Sie setzten sich in der Gewerkschaft dafür ein, dass der Streik zustande kam und organisierten Solidarität, wo es ging. Eigentlich kommen solche Kampfaktionen nur dort zustande, wo auch noch Hauptamtliche mit Herzblut und Können dabei sind.

Aber die Generallinie der IG Metall ist es, solche Streiks wie in Sonthofen in die Sackgasse zu führen. Für den Bezirksleiter Horn ging es nur und ausschließlich um einen Sozialtarifvertrag. Das belegt sein Kommentar zum Abschluss. Die Verhinderung der Schließung war nie sein Ziel.

Das gilt auch für den gesamten Vorstand in Frankfurt. In der IG Metall muss jeder Streik vom Vorstand genehmigt werden. Dieser befasst sich also intensiv damit – um dann nichts zu tun, was einen Erfolg im Sinne der Belegschaft ermöglichen würde. Es liegt auf der Hand, dass das Management eines Weltkonzerns sich nicht vom Streik in einem Betrieb in die Suppe spucken lässt. Nötig ist also ein Plan, wie der Druck verstärkt werden kann und zwar nicht nur in einer Region wie dem Allgäu, aus dem sich der Konzern eh zurückziehen will, sondern dort, wo es weh tut. Der Vorstand hat nichts getan, um die anderen Voith-Belegschaften in den Kampf zu ziehen. Weder in den Werken, die auch von Schließung bedroht sind, wie Zschopau und Mülheim, noch in den andern und erst recht nicht in der Zentrale in Heidenheim.

Zwei Wochen nach der Verkündung der Schließung im November 2019 mobilisierten 500 Beschäftigte 2.000 Leute nach Heidenheim. Sie demonstrierten alleine durch die Stadt. Weder der dortige Betriebsrat noch die Vertrauensleute noch die dortige IG Metall ließen sich blicken. Die Blaskapelle aus Sonthofen war solidarisch, aber die IG Metall Heidenheim boykottierte die Aktion. Auf ihrer Homepage berichtete sie anschließend darüber, ohne eigene Stellungsnahme. Keinen Bericht war ihr der  Streikbeschluss in Sonthofen wert und dann endlich fuhr der erste Bevollmächtige mal in Sonthofen vorbei.

Solidarität ist möglich. Linke AktivistInnen, die Flyer in Heidenheim, München und Rutesheim verteilten, berichteten von positiven Reaktionen. Einzelne Beschäftigte aus anderen Werken zeigten sich auf Facebook. In Rutesheim unterstützte der Gewerkschaftssekretär eine Soli-Erklärung und alle machten mit.

Aber nur ein einziger Bericht stand auf der Homepage des Vorstandes, kein IG Metall-Flugblatt für alle Voith-Belegschaften, kein Aufruf zur Solidarität und zur Vermeidung von Streikbrucharbeiten. Kein Plan, wie alle Belegschaften reingezogen werden, wie andere bedrohte Betriebe sich ein Beispiel nehmen könnten.

Die hohe Geschlossenheit der SonthofenerInnen, die 98 % für Streik in der Urabstimmung waren echte Spitze. Mehr geht nicht. Für den IG Metall-Vorstand ist das kein Beispiel für die hunderten von Betrieben in denen Entlassungen drohen, sondern eine Störung des Betriebsablaufs.

Die Politik des IG Metall-Apparats

Vielleicht herrscht bei dem/r einen oder andern Bequemlichkeit, Feigheit oder Angst, den gutbezahlten Betriebsratsposten oder gar Aufsichtsratssitz zu verlieren. Bei dem IG Metall Chef aus Heidenheim, der im Aufsichtsrat wohl der Schließung von Sonthofen schon zugestimmt hatte, ist es auch persönliche Korruption.

Aber damit kann das systematische Vorgehen des IG Metall-Apparates, das von oben her sich durch die Organisation zieht und sich immer wiederholt, nicht erklärt werden. Dahinter steht eine durchgehende Politik, die die Aufgabe der Gewerkschaft darin sieht, die Interessen ihrer Mitglieder so zu „wahren“, dass die „Zukunftsfähigkeit“, also die Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen, erhalten, ja regelrecht gefördert wird. Das bedeutet unwillkürlich auch, den Unternehmen ihre Profite zu sichern, deren ganzes Profitsystem zu verteidigen, und zwar auch und gerade dann, wenn das gegen die Interessen der Arbeitenden läuft, durch deren Ausbeutung die Profite entstehen, oder gegen die Interessen der gesamten Gesellschaft. Dann werden Milliarden Steuergelder an GroßkapitalistInnen verschenkt, dann wird Abgasbetrug mit abgedeckt, dann werden Regionen mit plattgemacht. Für die Belegschaften, die dabei über die Klinge springen, bleiben dann bestenfalls ein „fairer“ Ausgleich, ein „guter“ Sozialplan oder andere Beruhigungspillen.

Das Doppelspiel ist zwangsläufig nötig, um diejenigen, die in den Kampf drängen, ja durch die unverschämten Angriffe der Bosse dazu gezwungen werden, dann auch mal in kontrollierte Auseinandersetzungen zu führen, um Teile der Mitgliedschaft bei der Stange zu halten und andere Teile dafür ans Messer zu liefern und dies dann auch besser verbrämen zu können. Die engagierten BetriebsrätInnen oder GewerkschaftssekretärInnen sind also letztlich – ob sie wollen oder nicht – die Feigenblätter für die Gesamtpolitik des Apparates.

Die Lehren aus der Niederlage

Aktionen und Streiks wie in Sonthofen können jetzt viele entstehen. Eine fette Wirtschaftskrise droht und Corona beschleunigt sie noch. Massive Angriffe seitens der Bosse drohen und die Zahl derer, die sich noch sicher fühlen können und der Gewerkschaftsführung vertrauen, wird fallen. Aber Aktionen alleine reichen nicht, wir müssen eine Kraft bilden, die sowohl alle Kämpfe unterstützt, Solidarität organisiert, wo sie es kann, und zugleich aufklärt, wo und wie der Verrat lauert.

Wir brauchen eine organisierte Opposition in der IG Metall, sonst haben wir gegen den gut organisierten Apparat keine Chance. Aus den einzelnen Kämpfen kann eine Basisbewegung entstehen, die dem Klassenkampf des Kapitals einen eigenen von unten entgegensetzt in einer Zeit, wo die sozialpartnerschaftliche Kungelei der Gewerkschaftsbürokratie immer weniger Krümel für die Masse der Kolleginnen und Kollegen abwirft.

Endnote

(1) Ein Sozialplan wird zwischen Betriebs-/Gesamtbetriebsrat und der Firmenleitung ausgehandelt. Das Betriebsverfassungsgesetz verpflichtet unter bestimmten Voraussetzungen dazu. Kampfmaßnahmen sind dabei gesetzlich untersagt als „Störung des Betriebsfriedens“. Ein Sozialtarifvertrag wird von der Gewerkschaft verhandelt. Kampfmaßnahmen sind zulässig. Es gibt keine Verpflichtung, einen solchen abzuschließen.




Solidarität mit der Belegschaft von Voith Sonthofen

Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften, Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften, Metallertreff Stuttgart, Münchner Gewerkschaftslinke, Infomail 1101, 23. April 2020

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Die Nachricht von Eurer Urabstimmung für einen Streik geht durch das Land. Es ist ein deutliches Signal an alle Metallerinnen und Metaller, ja an alle arbeitenden Menschen, dass die Angriffe der Konzerne auf die Arbeitsplätze weitergehen! Worte wie „Gemeinsam durch die Krise“ sind Schall und Rauch, für das Kapital kommen immer ihre Profite zuerst!

Eure Entscheidung für einen Arbeitskampf ist mutig, angesichts der jetzigen Zeiten! Aber er ist auch notwendig und das einzig Richtige! Wie Euch geht es zahllosen anderen Betrieben und ihr könnt ein Signal sein auch für andere Belegschaften, die von Entlassungen und Kündigungen bedroht sind.

Es sollte auch ein Signal an die ganze IG Metall sein, den breiten Angriffen auf Arbeitsplätze und Einkommen (Ausfall der Tarifrunde und massive Kurzarbeit) wirksam entgegen zu treten.

Ein Streik für einen Sozialtarifvertrag kann ja leider die Schließung kaum verhindern. Was wir und Beschäftigte in vielen anderen Branchen brauchen, ist ein echter „Rettungsschirm“:

  • Betriebe, die dichtgemacht werden sollen, sollen von der Regierung übernommen werden – ohne Entschädigung!
  • So wären die Milliarden Steuergelder im Interesse der Menschen angelegt, statt sie erneut nur den Konzernen in den Rachen zu werfen.
  • Die Belegschaften sollen Produkte entwickeln und produzieren, die für eine echte Verkehrswende, für soziale und medizinische Zwecke usw. nützlich sind. Die Klimakatastrophe und Corona haben gezeigt, dass es viel Bedarf gibt, der nicht erfüllt wird.
  • Die Belegschaften sollen die Betriebe selbst und demokratisch kontrollieren – weder Manager noch Beamte sollen dies tun!
  • Sie sollen selbst entscheiden, wie sie ihre Gesundheit schützen – nicht wie jetzt, wo Kurzarbeit oder Weiterproduzieren nach Profit- und nicht nach Gesundheitsinteressen entschieden werden!

Hier ist die IG Metall als große Gemeinschaft gefordert, das kann nicht in Einzelbetrieben erreicht werden!

Wir sind bereit, Eure Aktionen und Initiativen weiterzuverbreiten und zu unterstützen. Haltet uns bitte auf dem Laufenden!

Wir rufen alle Metallerinnen und Metaller auf, die Kolleginnen und Kollegen von Voith in Sonthofen zu unterstützen!

Wir wünschen Euch viel Erfolg in Eurem für die ganze IG Metall wichtigen Kampf.

Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften

Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften

Metallertreff Stuttgart

Münchner Gewerkschaftslinke

Einzelpersonen:

Alexandra Arnsburg, Mitglied im ver.di Landesfrauenrat Berlin-Brandenburg

René Arnsburg, Mitglied im ver.di Landesbezirksfachbereichsvorstand 8 (Medien, Kunst, Industrie) Berlin-Brandenburg

Christiaan Boissevain (IGM, ehem. BR, VKler in der Luftfahrtindustrie München)

Sebastian Förster, Beisitzer verdi-Bezirks-Vorstand FB 3

Matthias Fritz, IGM, ehem. BR und VK-Leiter Mahle Stuttgart,

Reiner Hofmann, IGM, ehem. BR Porsche Stuttgart

Dorit Hollasky, Sprecherin der ver.di Betriebsgruppe Klinikum

Christa Hourani, IGM, ehem. BR und VK-Leiterin Daimler Zentrale

Manfred Jansen, IGM, ehem. BR-Vorsitzender

Julian Koll, ver.di Vertrauensperson, Mitglied bezirkliche Streikleitung

Jakob Schäfer IGM, ehem. BR-Vorsitzender

Helga Schmid (verdi, BR, eine der 3 Sprecher*innen der Betriebsgruppe des Süddeutschen Verlags, München)

Verantwortlich und Kontakt: M.Fritz, m.fritz1@t-online.de




Mahle: Pandemie trifft Sparprogramm

Karl Kloß, Infomail 1101, 21. April 2020

Von der Ausbreitung des Corona-Virus ist auch der Zulieferer Mahle betroffen. Als global agierender Konzern auf fünf Kontinenten war es wenig verwunderlich, dass man von dieser Pandemie genauso erfasst wurde wie viele andere Konzerne aus der Autoindustrie. So gibt es alleine in der Stadt Wuhan, die am Anfang besonders stark betroffen war, zwei Werke. Darüber hinaus befinden sich drei weitere in der Provinz Hubei. Hier wurden von der Geschäftsführung (GF) nach dem erstmaligen Ausbruch recht schnell Reisewarnungen erlassen und an die Beschäftigten appelliert, nicht mehr in diese Region zu reisen und auf Videokonferenzen umzusteigen.

Schleppende Kommunikation

Nachdem sich jedoch das Virus immer weiter ausbreitete, war klar, dass es weitere Beschränkungen geben wird. Allerdings verlief hierbei die Kommunikation seitens der Geschäftsführung sehr schleppend. Man informierte die Beschäftigten zwar in regelmäßigen Abständen, allerdings erfolgte dies ausschließlich über eine Kommunikationsplattform im Intranet, auf die nicht jedeR Zugriff hat. Wer sich dort nicht angemeldet hat oder, wie es bei den allermeisten Beschäftigten in den Produktionswerken der Fall ist, erst gar keine Mailadresse für die Registrierung für diese Plattform besitzt, musste sich auf die Informationsbereitschaft des/r jeweiligen Vorgesetzten verlassen. Mehr als Aushänge mit den allgemeinen Verhaltens- und Hygieneregeln folgte zunächst nicht.

Erst als die ersten bestätigten Infektionsfälle mit dem Corona-Virus in der Konzernzentrale in Stuttgart und anderen Standorten in der Nähe der Landeshauptstadt auftraten, wurde dies geändert. Innerhalb eines Tages waren hier große Bereiche wie ausgestorben, da fast alle Beschäftigten ins Home Office bzw. mobil arbeiten gingen. Nach weiteren ca. 1,5 Wochen entschied der eigens eingerichtete Krisenstab, dass der Betrieb vom 23. März bis zunächst 5. April unterbrochen wird, ehe am 31. März Kurzarbeit mit dem Betriebsrat in Stuttgart vereinbart und beim Arbeitsamt angemeldet wurde. An den restlichen Standorten in Europa gilt weiterhin die Betriebsunterbrechung bis mindestens 19. April. Auch in Nord- und Südamerika, in Südafrika und Indien gilt seit dem 31. März eine Betriebsunterbrechung. In China hingegen wurden der Hauptsitz der Mahle Holding und das Forschungszentrum in Shanghai bereits ab dem 10. Februar wieder schrittweise geöffnet. Inzwischen hat rund die Hälfte aller chinesischen Werke wieder den Betrieb aufgenommen,  Ausnahmen bilden nur noch die in der Provinz Hubei. In Japan und auch in Südkorea wird ebenfalls wieder produziert, wenn auch unter eingeschränkten Bedingungen ähnlich wie in China.

Gleiches Recht für alle?

Doch nicht in allen Werken einigte man sich so schnell wie in der Konzernzentrale in Stuttgart. Dazu zwei Beispiele: Zwar gibt es etwa in den Werken in Lorch und Neustadt an der Donau ebenfalls Kurzarbeit, allerdings mit unterschiedlichen Zeiträumen und zu unterschiedlichen Bedingungen. Die Beschäftigten in Lorch erhalten zwar weiter die tariflichen Zahlungen (Aufzahlung auf das Kurzarbeitergeld bis 80,5 % vom Nettolohn), die Kurzarbeit wurde jedoch bis zum 31. März 2021 (!), also für ein ganzes Jahr, beim Arbeitsamt angemeldet.

Begründet wurde der extrem lange Zeitraum damit, dass man seit Jahresbeginn Beschäftigungsprobleme habe und durch die Pandemie nicht absehbar sei, welche Folgen daraus resultieren. Das Arbeitsamt argumentierte außerdem, dass es einfacher wäre, einmal für einen längeren Zeitraum als zweimal für kürzere Zeiträume Kurzarbeit zu beantragen. Das sind allerdings nur Scheinargumente. In Wirklichkeit geht es um etwas anderes. Die Geschäftsführung will einen so langen Zeitraum nutzen, um härtere Maßnahmen in aller Ruhe, also wenn die Beschäftigen nicht im Betrieb und vereinzelt sind, vorbereiten zu können.

In Neustadt an der Donau wiederum wurde Kurzarbeit vom 6. April bis 30. Juni angemeldet und hierbei der bayerische Tarifvertrag unterlaufen. Dort erhalten die Beschäftigten nur das gesetzliche Kurzarbeitergeld zwischen 60 und 67 % des Nettolohns ohne Aufzahlung, obwohl dies laut Tarifvertrag durchaus möglich wäre, da auch der IG Metallbezirk Bayern sowie der Arbeit„geber“Innenverband VBM diese Regelung in den Tarifvertrag aufgenommen haben. Angeblich hatte die dortige Personalleitung das so begründet: Hätte man statt Kurzarbeit 21 Tage Urlaub bzw. Überstunden für die Belegschaft für den Monat April zahlen müssen, wäre der Standort pleite gewesen. Das ist allerdings eine merkwürdige Behauptung, da Mahle als Konzern insgesamt über Kapital verfügt und nicht jeder einzelne Standort für sich. Jeder Standort muss für jede Ausgabe dies bei der Zentrale beantragen und dann wiederum alle Erträge abführen.

Doch längst nicht für alle gilt auch tatsächlich, dass sie zu 100 % in Kurzarbeit geschickt werden: Je nach dem, wie die/der jeweilige Vorgesetzte in Absprache mit dem Betriebsrat entscheidet, wird ein Teil der Belegschaft herangezogen, damit die Produktion weiter läuft und Umsatz gemacht wird. Zudem ist es möglich, dass Beschäftigte, die an wichtigen und zeitkritischen Kundenprojekten arbeiten, von eben dieser Kurzarbeit ebenfalls ausgenommen werden können (z. B. IngenieurInnen, technische ZeichnerInnen, Beschäftigte aus dem Controlling …). Diese werden dann als „Notbesetzung“ eingesetzt und arbeiten zumeist im Home Office.

Was kommt, wenn die Pandemie abflaut?

Was aber auf jeden Fall kommen wird, ist die Zeit, in der sowohl die Produktion wie auch der Verwaltungsbetrieb wieder anlaufen werden. Hierbei entscheidet die Geschäftsführung alleine, wie genau der Produktionsanlauf und die Wiederaufnahme des Verwaltungsbetriebs aussehen sollen. Das kann ein Problem werden.

Bei Mahle läuft seit dem Mai vergangenen Jahres ein Sparprogramm, bei dem global mehrere tausend Arbeitsplätze abgebaut werden sollen und etlichen Werken die Schließung droht. So sollen bis zum Ende diesen Jahres die Werke in Öhringen, Foetz (Luxemburg) und der Werksverbund La Loggia/Saluzzo (Italien) geschlossen werden. Telford (Großbritannien) wurde schon dichtgemacht. Auch außerhalb Europas werden Arbeitsplätze abgebaut, so etwa in Charleston (USA) oder auch in einigen brasilianischen Werken. Nicht zu vergessen die Ankündigung der Geschäftsführung, dass alle Werke des Geschäftsbereichs „Verbrennungsmotoren“ als „kritische Standorte“ gelten.

Der Vorsitzende der Geschäftsführung, Dr. Stratmann, behauptet zwar, sie handele aus Verantwortung für die Belegschaft und Gesellschaft, wenn alle Mitarbeitenden Abstand halten, Kontakte reduzieren und, wo immer möglich, ganz vermeiden. Allerdings sieht man bei den Werken, die fast in Komplettauslastung produzieren, dass es im entscheidenden Moment vor allem um eines geht: die Profite. Das merkt man vor allem dann, wenn er sagt, dass pro Woche Stillstand bei den AutoherstellerInnen eine Million weniger PKWs produziert und dies dann Umsatzverluste in Milliardenhöhe für Mahle bedeuten würde. Bei der Aufforderung, Abstand zu halten, und der Verpflichtung zum Tragen von Masken und Benutzen von Desinfektionsmitteln geht es letztlich nicht um die Gesundheit der Beschäftigten, sondern darum, diese möglichst rasch wieder voll arbeiten zu lassen, also ausbeuten zu können.

Nach dem der Produktionsstillstand in Europa anfangs nur auf zwei Wochen begrenzt war, wurde dieser inzwischen bis zum 19. April verlängert und die Geschäftsführung wird nun jedes einzelne Werk sehr genau unter die berühmte Lupe nehmen, sobald der Betrieb wieder aufgenommen werden soll. Sie wird vermutlich versuchen, manche ohnedies auf der Abschussliste stehende Werke oder Abteilungen gar nicht mehr in Betrieb zu nehmen.

Dafür kann sie die Kurzarbeit ausnutzen, wenn eine lange Laufzeit mit dem jeweiligen Betriebsrat vereinbart worden ist. Wenn das der Fall ist, müssen die Betriebsräte unbedingt sofort die Betriebsversammlungen nachholen, die ausgefallen sind, um die ganze Belegschaft in den Betrieb zu holen. Nicht nur um zu informieren, schon gar nicht um zu jammern, sondern um ein gemeinsames Verteidigungskonzept zu beschließen!

Ein ähnliches Szenario droht in den Stuttgarter Zentralen, wo letztes Jahr der Abbau von 385 Arbeitsplätzen angekündigt worden war. Die so genannten „weichen“ Maßnahmen wie Abfindungen und Altersteilzeit haben bei weitem nicht zu den Zielen der Vorgesetzten geführt. Daher ist zu befürchten, dass das Management in jeder Abteilung entscheidet, wer wieder arbeiten darf und wer nicht. Die einen werden gleich überlastet, die anderen rausgemobbt.

Dagegen hat sich der Betriebsrat in Feuerbach bei Stuttgart gewendet und durchgesetzt, dass die Verteilung der Kurzarbeit in den Abteilungen gleichmäßig sein soll und der Betriebsrat die Listen genehmigen muss. Das ist ein richtiger Schritt, der seitens der Personalleitung auf heftigen Widerstand stieß. Leider haben nur wenige Betriebsratsgremien so gehandelt. Offensichtlich wurde das auch nicht vom Gesamtbetriebsrat oder der IG Metall in diese Richtung koordiniert.

Aber eine echte Kontrolle kann nur funktionieren, wenn die Betriebsratsmitglieder nicht am grünen Tisch Listen bearbeiten, sondern die Abteilungen und deren Vertrauensleute einbeziehen und ihnen die Entscheidungen vorlegen. Auf dieser Grundlage müssen die Beschäftigten und die gewerkschaftlichen Vertrauensleute für die Betriebsräte bindende Beschlüsse fällen, denn letztlich wissen nur sie, was wirklich in jeder Abteilung gespielt wird und was hinter den Argumenten der jeweiligen Vorgesetzten steckt.

Aktiv für unsere Zukunft

In der Corona-Krise zeigt sich wieder einmal, dass die Geschäftsführung leichtes Spiel hat, wenn Betriebsräte jeder für sich handeln, wenn sie einfach der Geschäftsführung nachgeben oder gar verzichten wie in Neustadt.

Es führt aber auch nicht weiter, wenn die Beschäftigten passiv bleiben und höchstens etwas schimpfen. Bald wird die Epidemie vorbei sein und die schönen Appelle an Gemeinsamkeit werden verhallen. Dann wird es seitens der Geschäftsführung heißen, dass Opfer und Einschnitte nötig sind – bei uns.

Es gibt Alternativen zum ständigen Abbau. So ist plötzlich sogar möglich, dass Mahle Atemschutzmasken produziert! Dabei wurde noch letztes Jahr Öhringen verweigert, andere Produkte herzustellen. Dann kam das Signal zum Dichtmachen. Die KollegInnen, die die Idee für Schutzmasken hatten, haben sicher noch andere Ideen! Über solche müssen die Beschäftigten entscheiden, die Betriebsräte und Vertrauensleute – dann gibt es eine Zukunft für Öhringen und die anderen bedrohten Arbeitsplätze! Schluss mit dem Abbaukurs der Geschäftsführung!

Die Vertrauensleute, Betriebsräte und die IG Metall müssen in den arbeitenden Werken Abteilungs- und Belegschaftsversammlungen organisieren. In den Betrieben, die stillstehen, können diese auch online durchgeführt werden. Dabei muss darüber diskutiert werden, wie die laufenden und kommenden Angriffe, wie der drohende massive Personalabbau im gesamten Konzern – also nicht nur in Deutschland, sondern weltweit – bekämpft werden können. Angesichts des Kürzungsprogramms des Konzerns werden Besetzungen betroffener Werke und Solidaritätsstreiks in allen anderen notwendig werden. Darauf müssen die Beschäftigen vorbereitet werden, dafür müssen klassenkämpferische GewerkschafterInnen Druck machen.

Der einzige Ausweg ist, sich jetzt schon auf Widerstand vorzubereiten – bei Mahle und anderswo!




Keine Rücknahme des Tarifabschluss Textile Dienste

Vernetzung kämpferischer GewerkschafterInnen, Infomail 1097, 1. April

Vor einem Monat erst wurde der Tarifvertrag für Textile
Dienste von der IG Metall abgeschlossen. Und jetzt wird die Tariferhöhung um 12
Monate verschoben. Die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG)
verurteilt diese Verschiebung auf das Schärfste.

Am 28. Februar wurde für die ca. 23.000 Beschäftigten in den
tarifgebunden Betrieben der Textilen Dienstleistungen ein Tarifabschluss
durchgesetzt. Ab 1. März 2020 sollte es 2,5 Prozent mehr für alle Beschäftigten
geben, mindestens jedoch 50 € im Westen und 60 € im Osten, ab 1. August 2021
nochmals 2 Prozent mehr mit den gleichen Mindestbeträgen. Dies wären in 2 Stufen
100 bzw. 120 € mindestens gewesen. Nicht viel für diese eh schlecht bezahlte
Arbeit für die Reinigung und Wiederaufbereitung (Reparieren, Erneuern) von
Textilien, was sie im Übrigen auch für Krankenhäuser, Gesundheitspraxen, Heime
usw. erledigen. In den unteren 3 Lohngruppen (insgesamt 7 LG) liegt der
Monatslohn unter 2000 Euro (westliche Bundesländer) für gewerbliche
ArbeitnehmerInnen, in den östlichen gibt es erst ab LG 5 mehr als 2000 €. Da
hätten die 50 € bzw. 60 € angesichts der steigenden Mieten und Preise,
insbesondere jetzt auch seit der Pandemie, eine kleine Erleichterung
verschafft.

Die Erklärungsfrist nach dem Tarifabschluss war leider noch
nicht abgelaufen. Dies hat die Kapitalseite gleich genutzt, um den Tarifvertrag
zu Fall zu bringen. Von der IGM wurde in der Nachverhandlung erreicht, dass das
Kurzarbeitergeld durch eine Zuzahlung der Arbeitgeber auf 80 Prozent
aufgestockt wird und ein Solidarfond für besonders Belastete eingerichtet wird.
Was vom Abschluss nicht angegriffen wird, so zumindest nach aktuellem Stand,
sind die Vereinbarungen zur Arbeitszeit. In 3 Stufen wird die Arbeitszeit von
39 Stunden bis 1.1.2023 auf 37 Stunden pro Woche abgesenkt.

Während alle von Zusammenhalt und Zusammenstehen reden,
greift das Kapital an. Sie wissen, dass es schwer sein würde, jetzt einen
Streik zu organisieren in einer Branche, die wenig kampferfahren ist.
Solidaritätsaktionen wären schwierig. Zudem sind ein Teil der Betriebe
vermutlich unterausgelastet (Hotels, Gaststätten), andere überausbelastet, was
den Unternehmen gute Möglichkeiten zur Spaltung und Organisierung von
Streikbruch erlauben würde.

Es ist enttäuschend, wie defensiv die IG Metall auf diesen
Angriff reagiert. Warum wird das nicht so skandalisiert, dass es in die Medien
kommt? Warum keine Bilder und Berichte über die Arbeitsbedingungen der
Kolleginnen und Kollegen? Die IG Metall bleibt damit bei ihrem Kurs der
Rücksichtnahme auf die Interessen der Konzerne. Dies hat sich schon vor der
Pandemie gezeigt mit ihrem Moratorium für die Metall- und Elektroindustrie und
wird hier fortgesetzt.

Alle arbeitenden Menschen sollten das als Warnschuss
verstehen, was uns blüht, wenn die Corona-Epidemie nachlässt und die allgemeine
Krise des Kapitalismus sich weiter verschärft.