Mahle: Beschäftigte kämpfen gegen geplanten Kahlschlag

Robert Teller, Infomail 1167, 23. Oktober 2021

Etwa 1500 Mahle-KollegInnen demonstrierten am 19. Oktober am Werk Stuttgart-Feuerbach und vor der Konzernzentrale in Cannstatt gegen die Angriffe des Managements: Stellenabbau, Produktionsverlagerung, Werksschließungen. Dass KollegInnen von anderen Standorten mit 15 Bussen nach Stuttgart kamen, deutet darauf hin, dass fehlende Kampfbereitschaft unter den Belegschaften nicht das Problem ist. Die Geschäftsführung des Konzerns plant, 7600 Stellen und davon 2000 in Deutschland zu streichen. Kampfbereitschaft ist also auch dringend notwendig.

Neben den Beschäftigten bei Mahle beteiligten sich Delegationen unter anderem von Daimler Untertürkheim, Porsche, Coperion und Koenig & Bauer. Die meisten Mahle-KollegInnen kamen vom Werk Mühlacker, wo von der Belegschaft trotz Vollauslastung und Überstunden der Abbau jeder zweiten Stelle gefordert wird. Es handelt sich, wie die Gruppe um die Betriebszeitung Mahle-Solidarität richtig schreibt, um einen Generalangriff auf die Belegschaft, vor dem kein einziger Standort sicher ist. Das gilt umso mehr, so lange der Widerstand schwach ist und nicht standortübergreifend organisiert wird.

Die Kundgebung in Feuerbach war in ihrer Ausrichtung bemerkenswert. Insgesamt war die Stimmung kämpferisch. Anders als auf durchschnittlichen Streik- oder Aktionstagen der IG Metall war in den Reden durchaus eine Breite unterschiedlicher Standpunkte zu hören.

Aussagen und Stoßrichtung der Kundgebungen

Bernd Riexinger, ehemaliger Vorsitzender der Linkspartei und langjähriger Gewerkschafter, war vor Ort und wies in seiner Rede darauf hin, dass die kämpfenden Belegschaften über das eigene Werk und die eigene Firma hinweg Solidarität organisieren müssen. Er sagte, ohne Management kann die Arbeit weitergehen, aber nicht ohne die Belegschaft. Deshalb müsse sich die Organisation des Arbeitskampfes auch auf die Belegschaft stützen. Das ist richtig und sollte in einer kämpfenden Gewerkschaft zu den Essentials gehören.

Mehmet Sahin, Vertreter von Mahle-Solidarität, ging in seiner Rede weiter und sagte, dass im Kampf gegen Stellenabbau die Einführung einer allgemeinen 30-Stunden-Woche mit vollem Personal- und Lohnausgleich nötig ist und im Zweifelsfall Betriebe, die entlassen wollen, vergesellschaftet werden müssen und das auch ein Ziel der Gewerkschaft werden müsse. Damit hob er den Abwehrkampf gegen Entlassungen auf eine höhere Stufe. Zum einen mit der Arbeitszeitlosung, für die auch branchenübergreifend gekämpft werden kann, zum anderen dadurch, dass der gewerkschaftliche Kampf nicht vor dem Recht auf Privateigentum Halt machen soll, wenn es dieses Privateigentum ist, das unsere Jobs bedroht.

Liljana Culjak (BR-Vorsitzende von Feuerbach) hatte zwar keine Vorschläge, wie und mit welchen Losungen der Kampf weitergeführt werden könnte. Im Vordergrund standen Kritik an „unfairen“ Methoden der Geschäftsführung, die zwecks Profitmaximierung Produktion verlagern will: „Wir haben eine neue Geschäftsführerin, wir haben aber kein Miteinander und keine Transparenz“. Aber dass sie die Kundgebung mit organisierte, ist ein positiver Schritt und bereits ein Bruch im IG-Metall-Apparat. Der Vorstand der IG Metall Stuttgart erschien noch nicht mal auf der Kundgebung in Feuerbach und entschuldigte sich aufgrund einer angeblichen Vorstandstagung, die wohl nie stattgefunden hat.

Kontrast

Die zweite Kundgebung vor der Konzernzentrale diente Nektaria Christidou (BR Mühlacker und stellvertretender Gesamtbetriebsratsvorsitzender) und dem Gesamtbetriebsrat dazu, die Stimmung wieder einzufangen und den Aktionstag ins rechte Licht zu rücken.

Die Geschäftsführung war auf die Bühne geladen und hatte zwar außer wachsweichen Bekenntnissen zum Wir-Gefühl nichts zu verkünden, konnte sich aber dafür das Betteln der BR-Vorsitzenden anhören. Aus Feuerbach war nur ein Teil der KollegInnen mitgekommen und wer noch dabei war, dem war dort nicht nach Kämpfen zumute.

Die Angriffe

Für Feuerbach fordert die Geschäftsführung konkret, zusätzlich zu den seit 2018 unterm Strich abgebauten 500 MitarbeiterInnen weitere 98 loszuwerden, oder – falls es hierüber keine Einigung gibt – 39 Millionen Euro an Einsparungen zu Lasten der Belegschaft (über welchen Zeitraum?).

Der Gesamtbetriebsrat hat im Frühjahr den Stellenstreichungen in Feuerbach zugestimmt und das als Erfolg gefeiert, obwohl für die Belegschaft bestenfalls einige Monate Zeit gewonnen wurde. Der Stellenabbau sollte freiwillig durch Aufhebungsverträge und Abfindungen vonstattengehen. Die Freiwilligkeit ändert nichts am grundsätzlichen Charakter der Maßnahme: Verdrängung von Arbeitskraft aus dem Produktionsprozess, d. h. Vergrößerung der industriellen Reservearmee oder Verlagerung zu anderen Standorten, also Verschärfung der Konkurrenz zwischen den ArbeiterInnen bei unterschiedlichen Lohnniveaus. Nun wurde die vereinbarte Zielvorgabe von 385 Stellen nicht erreicht und es zeigt sich, dass das Ausmaß des Stellenabbaus einfach zu groß ist, um reibungslos über die Bühne zu gehen. Die Zustimmung zum Sozialplan hat nicht wie versprochen der verbleibenden Belegschaft Sicherheit verschafft. Sie hat aber eine Zeit lang der falschen Vorstellung Auftrieb gegeben, dass der Jobverlust eine rein individuelle Angelegenheit ist. Das hat es dem BR erleichtert, selbst keinerlei Widerstand zu organisieren und Ansätze davon, die ohne seine Initiative entstanden, im Sand verlaufen zu lassen. Der Geschäftsführung wurde so signalisiert, dass Gegenwehr nicht zu befürchten ist, und sie wurde ermutigt weiterzugehen.

Für Mühlacker stellte die Geschäftsführung seit dem vergangenen Jahr mal die Zahl von 211, dann 94 und dann wieder 350 KollegInnen in den Raum, die sie aufgrund mangelnder Nachfrage nach den dort produzierten Produkten abbauen wolle. Nun wird mit einer Halbierung der aktuell 1400 Köpfe starken Belegschaft gedroht und das Management plant bereits jetzt, keine weiteren Investitionen in den Produktionsstandort zu leisten. In Wirklichkeit ist das Werk gut ausgelastet, die KollegInnen leisten Überstunden. Der Betriebsrat stimmt letzterem zu, anstatt diese Ungeheuerlichkeit von Mehrarbeit bei geplantem Stellenabbau als Druckmittel gegenüber der Geschäftsführung einzusetzen. Deren Pläne kann man nur so verstehen, dass der Standort mittelfristig auf der Abschussliste steht, um die Produktion zu geringeren Kosten woanders anzusiedeln. Das Werk Öhringen ist bereits geschlossen und Gaildorf ist in Abwicklung, in beiden Fällen ohne großen Widerstand von Betriebsrat und IG Metall.

Der Aktionstag am 19. Oktober kam überhaupt erst auf Druck von unten zustande. Nur so ist auch zu erklären, dass mit Riexinger ein linker ehemaliger Gewerkschaftsführer und mit Mehmet Sahin ein kämpferischer Betriebsrat zu Wort kamen, wobei letzterer seit Jahren in Opposition zur BR-Mehrheit steht.

Die Stellenstreichungen sind ein umfassender Angriff auf die Belegschaften, der weit über einzelne Werke und auch über den Mahle-Konzern hinausgeht. Bei VW wird intern der Abbau von 30.000 Stellen diskutiert.

Das deutsche Exportkapital versucht, in stagnierenden Absatzmärkten den eigenen Profit zu steigern, um im internationalen Konkurrenzkampf nicht weiter zurückzufallen. Die Produktion (ob Verbrenner oder Elektro) soll in „Best Cost Countries“ wiederaufgebaut werden, solange die Produkte nachgefragt werden, und die Stellenstreichungen werden dann als Kollateralschaden der „technologischen Transformation“ verbucht. Der Konkurrenzdruck trifft die gesamte Branche und daher ist vor dieser Rationalisierungsrunde auch kein Werk, keine Firma sicher. Sozialpläne ändern nichts an der Tragweite des Angriffs, aber jeder Sozialplan ist ein Exempel an der betroffenen Belegschaft.

Die Betriebsgruppe Mahle-Solidarität hat seit Bekanntwerden der Sparpläne Anfang 2019 die Belegschaft in Flugblättern informiert und für eine Kampfstrategie argumentiert.

In ihrem Flugblatt Mahle-Solidarität Nr. 13 zum 19. Oktober schreibt sie:

  • Der „sozial verträgliche Abbau“ ist keine Lösung, Es hilft nichts, wenn Betriebsräte da mitmachen. Das Mitmachen ermuntert nur zu neuen Angriffen. Bei Schließungen gibts eh nichts abzufedern.
  • Auch wenn die Firma mehr Profit macht, rettet das keine Arbeitsplätze. Auch das hat sich bewiesen. Sie investieren in Firmenkäufe, nicht in die bestehenden Werke.
  • Widerstand auf allen Ebenen ist nötig. Betriebsräte müssen da vorangehen! Nicht um Milde betteln, sondern klare Kante zeigen!
  • Aber vor allem muss die IG Metall ihrer Aufgabe als Gewerkschaft nachkommen und alle Belegschaften, die kämpfen wollen, vereinen! Seit 2 Jahren wird eine Bude nach der anderen dichtgemacht, jede stirbt für sich alleine und die IG Metall tut so, als wären das Einzelfälle. Statt beispielsweise in der Tarifrunde gemeinsam zu streiken, muss jetzt jeder für sich kämpfen.

Der Metallertreff Stuttgart verteilt die Flugblätter der Mahle-Solidarität seit Monaten und damit wurde eine standortübergreifende Basisstruktur aufgebaut, die der sozialpartnerschaftlichen Politik der BR- und IGM-Bürokratie mit Informationen und Losungen für den Kampf begegnet. Die Kundgebung vom 19. Oktober zeigt, dass eine klassenkämpferische Bewegung in Betrieb und Gewerkschaft erfolgreich sein kann, wenn sie die richtigen Prinzipien anwendet: Kritik und Opposition zur Bürokratie, wenn nötig – und gemeinsamer Kampf, wann immer möglich.




Mahle: Durchmarsch der Geschäftsführung – wie können wir ihn stoppen?

MAHLE- SOLIDARITÄT Nr. 12, zuerst veröffentlicht auf vernetzung.org, Infomail 1157, 28. Juli 2021

Stratmann wurde vom Platz gestellt. Das große Stühlerücken in der Geschäftsführung (GF) geht weiter. Jetzt ist Frick an der Spitze, der zwei Ziele verfolgt: Finanzen und Profitmaximierung. Also die Ausbeutung der Arbeitenden verschärfen, alles verlagern, abstoßen und stilllegen, was zu wenig Profit verspricht. Für die alte Leier mancher Betriebsräte, dass Mahle doch ein Stiftungsunternehmen ist und dem Wohl auch der Belegschaft verpflichtet, hat er nur ein müdes Lächeln übrig. Oder er verhöhnt sie noch und erzählt ihnen, dass genau deshalb die Beschäftigten Opfer zu bringen haben, damit das Stiftungsunternehmen am Markt besteht.

Wird er bleiben? Wird er, wie angekündigt, ersetzt? Das hängt vor allem am Aufsichtsratschef Junker, der genauso erbarmungslos für Profit steht – aber in einer Zeit Chef war, als der Glanz des Aufbaus dominierte und das Zerstörungswerk in Alzenau, Colmar und vielen dazugekauften Betrieben überstrahlte.

Dieser Personalwechsel zeigt, dass wir Beschäftigte nicht auf einen Wechsel in der Firmenspitze zu hoffen brauchen. Es ist auch sinnlos, wenn Betriebsräte eine „bessere“ Unternehmenspolitik fordern. Die Forderung des GBR-Chefs nach „mehr Digitalisierung“ ist nicht die Lösung: sie bringt kurzfristig Beschäftigung, aber langfristig mehr Abbau. Ein Blick über den Tellerrand zeigt: Alle Auto- und Zulieferkonzerne entlassen und verlagern. Völlig egal, welche Produkte sie wie herstellen. Ist das ein Grund alles über sich ergehen zu lassen und die GF machen zu lassen?

Nein! Es ist ein Grund zu überlegen, was wir als Beschäftigte und die Betriebsräte besser machen können! Es stehen schon wieder neue Angriffe an. Wer gehofft hatte, das Kahlschlagprogramm vom September 2020 wäre zwar hart, aber damit das Ende des Tunnels erreicht, hat sich getäuscht! Zustimmen und resignieren hilft da nichts!

Neue Angriffe stehen an – warum?

Seit September sind die Modalitäten für die Schließung von Gaildorf und Freiberg verhandelt worden. Der Sozialplan für den Konzern steht. Scheibchenweise werden Bereiche und Abteilungen über die Details der Zerstörung informiert. Jetzt kommen schon neue, zusätzliche Grausamkeiten auf den Tisch und weitere werden folgen. Natürlich wollen auch die Chefs diktieren, wer geht. Sie konfrontieren Beschäftigte mit den Organigrammen, auf denen diese Personen und ihre Funktionen nicht mehr auftauchen, und machen Druck in Richtung Aufhebungsvertrag.

Für diese schändlichen Angriffe gibt es keine akuten wirtschaftlichen Gründe in dem Sinne, dass es dem Betrieb schlecht ginge. Im Grunde ist fast überall genug Arbeit da. In manchen Bereichen, vor allem in Mühlacker, werden Überstunden und Sonderschichten bis zum Anschlag gefahren und zig Leute befristet eingestellt. Und jetzt buhlt Mahle, einem Zeitungsbericht zufolge, um einen milliardenschweren Mehrheitsanteil an seinem südkoreanischen Konkurrenten Hanon Systems. Anscheinend steht ihnen das Geld bis zum Hals!

Den Widerstand in den Sand gesetzt

Hauptgrund für das freche Vorgehen der GF ist, dass IG Metall und Gesamtbetriebsrat (GBR) alle hoffnungsvollen Ansätze für Widerstand vergeigt haben. Wo Leute aktiv wurden, z.B. in Feuerbach und Gaildorf, durften sie das tun. Aber der Widerstand wurde  nicht vereint und gebündelt. Mahle ist kein  Kleinbetrieb, den man mit einem Fackelzug und markigen Worten zur Umkehr zwingt. Um einen Weltkonzern zu schlagen, muss aller Widerstand zusammengefasst und zögernde Belegschaften mit dem Vorbild der kämpfenden Betriebe ermutigt werden.

Dort wo Überzeit und Sonderschichten gefordert werden, wo also auch wirtschaftlich Druck gemacht werden kann, müssen diese von den Betriebsräten verweigert werden. Das können nicht die einzelnen Kolleginnen und Kollegen, die einzelnen Vertrauensleute oder Betriebsratsmitglieder tun. Nur ein geschlossenes Vorgehen hat Aussicht auf Erfolg und die IG Metall und der GBR sind dazu da, dieses zu organisieren. Und sie müssen sich daran messen lassen, was sie für die Belegschaft geleistet haben!

Ein Beispiel: In Feuerbach haben 100 Beschäftigte aus den Werkstätten gegen die Absetzung einer Versammlung protestiert, wo es um ihre Zukunft ging. Sie sind zur Personalabteilung marschiert und haben dort so lange gewartet, bis eine Versammlung stattgefunden hat. Das hat Mut gemacht! Auf der Kundgebung in der Tarifrunde war dieser Bereich super vertreten!

Auf der Homepage der IG Metall Stuttgart findet sich dazu kein Wort. Der GBR hielt es nie für nötig dieses Beispiel überall zu propagieren. Betriebsrat und Vertrauensleute in Cannstatt haben diese Aktion nicht genutzt, um die entsprechenden Abteilungen in Werk 1 und 2 zu mobilisieren. Sie haben nichts getan, dass der Funke überspringt. Vielleicht wurden sie auch vom GBR daran gehindert. Dieser Verdacht ist berechtigt, denn nach der Tarifrunde hat der GBR sofort die Vereinbarung mit allen Forderungen der GF akzeptiert. Ausgehandelt wurde das vermutlich schon vorher. Der Betriebsrat in Feuerbach, der vorher nicht bereit war der Kapitulationslinie des GBRs zu folgen, wurde genötigt diesem Abkommen zuzustimmen. Es sieht vor, dass etliche Betriebe noch länger in Kurzarbeit gehen und die Entlassungen nur bis 30.05.2022 bzw. 31.08.2022 aufgeschoben werden. Für diesen „Erfolg“ hat der GBR den Widerstand ins Leere laufen lassen und eine Verbreiterung der Aktionen, eine Fortsetzung über die Tarifrunde hinaus, verhindert.

Wie hat sich die IG Metall-Führung verhalten?

Eine Tarifrunde vereinigt automatisch die Mitglieder aus den verschiedensten Betrieben. Diese Tarifrunde hat Belegschaften besonders beflügelt, für die Verteidigung ihrer Arbeitsplätze auf die Straße zu ge-hen. Viele Belegschaften haben begonnen, gemeinsam das Thema Verteidigung der Arbeitsplätze anzugehen. Bosch Bietigheim hat die Initiative zu einer gemeinsamen Aktion ergriffen, an denen sich über 400 Personen beteiligt haben. In Feuerbach war es Mahle-Behr, die gemeinsam mit Coperion, KBA, Bosch, Daimler und weiteren Betrieben eine groß-artige Aktion am 02.03.2021 organisiert hat. Es waren auch Betriebe beteiligt wie Porsche, wo Abbau kein Thema ist, die für Tariferhöhungen auf die Straße gingen. So wurden Kräfte gebündelt.

Nach dem Tarifabschluss hat die IG Metall in Baden-Württemberg jede weitere gemeinsame Aktion abgeblasen. Es liegt auf der Hand, wie es hätte weitergehen müssen: alle kämpfenden Belegschaften zusammen zu bringen, gemeinsame Planung weiterer Aktionen, gegenseitige Unterstützung und Einbeziehung weiterer Belegschaften, z. B. durch eine Konferenz.

Stattdessen werden die kämpferischen Belegschaften mit Hilfe der IGM-Spitzen abgewickelt: Sozialpläne, Transfergesellschaften. Statt dass Belegschaften wie zum Beispiel Bosch Bietigheim zum Erfolg geführt werden, macht die Bezirksleitung sie zum Exempel, dass Kämpfen nichts bringt. Sie schüttet Wasser auf die Mühlen aller derer, die behaupten, dass Kämpfen nichts bringt. Seien es kleine Feiglinge in der Abteilung oder große Verhinderer in den GBRs. Die IG Metall-Führung untergräbt mit diesem Vorgehen ihre eigene Solidaritäts-Kampagne „Solidarität gewinnt“ und damit die Kampfbereitschaft und die Glaubwürdigkeit der Gewerkschaft. Sie produziert so die massenhaften Gewerkschaftsaustritte.

Widerstand gegen das Kapital – Veränderung der Gewerkschaft!

Wir als aktive MetallerInnen, die in verschiedenen Mahle-Werken arbeiten, sind natürlich auch von den vergebenen Chancen zum Widerstand enttäuscht. IG Metall und GBR sind für diese schwere Niederlage verantwortlich. Deshalb ist eine wirkliche Wende in der IG Metall notwendig.

Wie kann sie kommen? Es ist nötig die Dominanz von „FunktionärInnen“ zu bekämpfen, die in den Betrieben den gewerkschaftlichen Kampf sabotieren. Es hat sich gezeigt, dass dort, wo unter den Beschäftigten, den Vertrauensleuten und Betriebsräten eigene Initiativen ergriffen werden, wie in Feuerbach, die Dinge in Bewegung kommen! Das dürfen aber keine Einzelfälle bleiben, sonst werden die Hoffnungen wieder verkümmern.

Wir haben beschlossen, diese Ausgabe der MAHLE-Soli dafür zu nutzen, um zu informieren, was eigentlich an welchem Standort los ist.

  • Wir rufen weiter dazu auf, jeden neuen Angriff zu bekämpfen und den Widerstand zu verbreitern. Die Perspektive der GF ist Zerstörung von Arbeitsplätzen, verschärfte Ausbeutung, Verlagerung und Entrechtung. Wir wollen eine Zukunft!
  • Wir unterstützen die Forderung in der IG Metall und an die IG Metall, die bedrohten Belegschaften zu vereinen. Eine Konferenz aller kämpfenden Belegschaften, Planung weiterer Aktionen, gegenseitige Unterstützung, Einbeziehung weiterer Belegschaften!
  • Als Mahle-Soli unterstützen wir Kolleginnen und Kollegen von anderen Betrieben bereits. Wir bauen Verbindungen auf und sind am METALLERTREFF und der VERNETZUNG FÜR KÄMPFERISCHE GEWERKSCHAFTEN beteiligt.

Die komplette Betriebszeitung findet ihr hier:

Mahle Soli Nr 12

https://www.vernetzung.org/wp-content/uploads/2021/07/Mahle-Soli-Nr-12.pdf




Modernisierte Betriebsräte

Mattis Molde, Infomail 1153, 21. Juni 2021

Eher beiläufig hat der Bundestag das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geändert und dazu das „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“ verabschiedet. Dies war im Koalitionsvertrag vorgesehen, und da es nicht so aussieht, als würde diese Koalition die kommende Bundestagswahl überstehen, wurde es schnell noch von Arbeitsminister Heil auf den Weg gebracht, wohl auch als Versuch der SPD, sich als Partei der Arbeit„nehmer“Innen zu profilieren.

Die Änderungen und das neue Gesetz berühren die Themen Schutz von Betriebsratsgründungen, Wahlrechtsalter, Mitbestimmung bei mobiler Arbeit und Kommunikationsmittel. Verabschiedet wurde das Ganze im Paket mit einer Ausweitung der Fristen bei der Saisonarbeit. Die damit erleichterte Ausbeutung ausländischer ArbeitsmigrantInnen bringt für das Kapital deutlich mehr, als es die Kosmetik beim Betriebsverfassungsgesetz kostet.

Saisonarbeit

Statt 70 können dieselben SaisonarbeiterInnen dieses Jahr 102 Arbeitstage sozialversicherungsfrei beschäftigt werden, was vor allem in der Landwirtschaft genutzt wird. Begründet wird dies wie schon 2020, als sogar 115 Tage erlaubt worden waren, mit Infektionsschutz, da die Fluktuation der MigrantInnen geringer sei. Durch die Pandemie sind skandalöse Zustände auf vielen Höfen bekanntgeworden: Masseninfektionen, unbehandelte Kranke und viele Todesfälle, die übliche Beherbergung in Massenunterkünften, vorenthaltener Arbeitslohn, Arbeitszeitbetrug der Betriebe, Abrechnung überhöhter Beherbergungskosten, Bewachung in geschlossenen Lagern.

Die Krönung war und ist die „Arbeitsquarantäne“, bei der alle – auch Kranke – weiterarbeiten, aber keinen Kontakt nach außen haben und auch nicht nach Hause fahren dürfen. Alle diese Probleme wurden von der Regierung nicht angegangen, stattdessen wurde die Ausnutzung dieser Arbeitskräfte vereinfacht. Sozialversicherungsfrei heißt, dass die Betriebe diese Kosten sparen und den Beschäftigten keine Krankenversicherung aus diesem Arbeitsvertrag zusteht – in der Zeit der Pandemie!

Die AusbeuterInnen jubeln auf agrarheute: „Der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd (BWV) reagierte erleichtert auf den Kabinettsbeschluss. Dies sei eine wichtige Entscheidung im Sinne der Pandemiebekämpfung und der Sicherung der regionalen Lebensmittelproduktion, stellte der BWV fest.“

Waagschale

Und was ist bei diesem großkoalitionären Deal für die Beschäftigten in Betrieben und Verwaltungen herausgekommen? Was hat Hubertus Heil produziert, damit der DGB dies als Fortschritt preisen kann?

Die Senkung des Wahlrechtsalters zu Betriebsratswahlen von 18 auf 16 ist natürlich längst überfällig. Wer als Jugendlicher ausgebeutet wird, soll auch wählen dürfen. Aus gutem Grund wird dies in den Kommentaren zur Gesetzesänderung aber kaum erwähnt: Es gibt praktisch keine Jugendlichen dieses Alters in Betrieben mit Betriebsrat (BR). Das tatsächliche Problem ist vielmehr, dass dort, wo viele junge Menschen arbeiten, oft auch in Teilzeit, eine hohe Fluktuation herrscht – was nicht nur die BR-Gründung, sondern auch die Wahl von jungen Menschen in dieses Gremium erschwert. Hier wäre dringend eine Verkürzung der Wahlperioden nötig – von 4 auf 3 Jahre wie früher oder, noch weitaus sinnvoller, auf 1 oder 2 Jahre. Das lehnen nicht nur die Unternehmen ab, sondern das wollen natürlich auch die eingesessenen BR-BürokratInnen in keinster Weise, müssten sie sich doch in kürzeren Intervallen zumindest einer formalen Wahl und einer gewissen Rechenschaft gegenüber der Belegschaft stellen.

Mobile Arbeit, die jetzt gesetzlich auch das Homeoffice umfasst, wird durch die Gesetzesänderung als solche mitbestimmungspflichtig – in der Ausgestaltung. Was eingeführt wird, bleibt alleinige Unternehmensentscheidung. Und selbst die Verbesserungen relativieren sich, denn schließlich waren die einzelnen Themen, die dabei eine Rolle spielen wie Lage und Erfassung der Arbeitszeit, Ausgestaltung des Arbeitsplatzes, Arbeitssicherheit usw. schon bislang mitbestimmungspflichtig.

Dieser Punkt ist ebenso wie die Möglichkeit, zukünftig BR-Sitzungen auch online abzuhalten, und andere „Modernisierungen“ nicht der Brecher.

Recht und Macht

Der Kern der Gesetzesänderung sollte darin bestehen, die Gründung von Betriebsräten zu erleichtern bzw. die Verhinderung derselben zu erschweren. Das war als Dankesgeschenk an die Gewerkschaften für ihre Unterstützung der Großen Koalition gedacht.

Tatsächlich ist die Zahl der BR im Land zurückgegangen: Nur etwa 10 % der Unternehmen haben einen solchen, in diesen arbeiten etwa 40 % der Beschäftigten. Im Westen liegt die Zahl höher als im Osten, insgesamt ist sie seit Jahrzehnten rückläufig. Nur in den letzten zwei Jahren konnte sie sich leicht stabilisieren. Sicher ist, dass dies mit aggressivem Vorgehen seitens der Unternehmensführungen zu tun hat, mit der Entfernung von Beschäftigten, die eine BR-Gründung anstreben, durch Kündigung oder Abfindung.

Betriebsratsmitglieder, auch Ersatzmitglieder und KandidatInnen, sowie diejenigen, die als Wahlvorstände eine Wahl initiiert haben, können allerdings auch bisher nicht einfach gekündigt werden: Sie genießen einen Schutz durch ihre Funktion und ein Betriebsrat als Institution kann Kündigungen als solche zwar auch nicht verhindern, aber erschweren. Und hier gibt es die einzige kleine Änderung: Auch die InitatorInnen von BR-Wahlen erhalten zukünftig einen gewissen Schutz. Für den Kampf gegen Union-Busting reicht das nicht.

Union-Busting

Mit den Angriffen auf Betriebsräte wird oft gleichzeitig gewerkschaftliche Arbeit be- und verhindert, denn jede/r Beschäftigte darf zwar Mitglied einer Gewerkschaft sein, wenn aber GewerkschafterInnen im Betrieb ohne BR aktiv werden, verfügen sie über keinerlei effektiven Schutz. Unter AktivistInnen ist deshalb der US-amerikanische Begriff des „Union-Busting“, der gezielte Angriff auf Betriebsräte und Betriebsratsgründungen, auch für Deutschland übernommen worden, auch wenn die rechtlichen Bedingungen komplett anders liegen.

Die Methoden der „BusterInnen“ reichen von Einschüchterung der Belegschaft, „Rauskaufen“ von AktivistInnen bis hin zu Unterschieben von Diebstahl, Arbeitszeitbetrug oder physischen Übergriffen. Dabei kommt den Firmen zugute, dass selbst kleine Verfehlungen, die im zivilen Leben, wenn überhaupt, dann geringfügig bestraft werden, in der Arbeitsrechtsprechung ein „zerrüttetes Vertrauen“ darstellen, das einen Verlust des Arbeitsplatzes rechtfertigt.

Der bürgerliche Staat schützt das Recht des Kapitals auf Ausbeutung nicht nur im individuellen Arbeitsverhältnis, sondern untermauert die Machtverhältnisse auch im kollektiven Arbeitsrecht. Es gibt in Deutschland keine staatlichen Institutionen, die kontrollieren, ob die zugunsten der Beschäftigten geltenden Gesetze und Vorschriften in den Betrieben eingehalten werden. Das wird aber explizit den BR überlassen und zu ihrer Kernaufgabe erklärt (BetrVG §80 Abs 1). Aber es gibt keine Pflicht für die Unternehmen, BR einzuführen. Das wird dem jeweiligen betrieblichen Kräfteverhältnis überlassen und die Strafen für die Behinderungen von Betriebsratswahlen bzw. der Arbeit von BR sind lächerlich. In einem Brief an Heil hatten deshalb im Vorfeld GewerkschafterInnen und  JuristInnen im Aufruf „Betriebsräte effektiv stärken!“ folgende Forderungen aufgestellt:

„1. Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Wirtschaftskriminalität/Sonderabteilungen für Arbeitsbeziehungen! Für effektive Aufklärung und Strafverfolgung krimineller Unternehmer und ihrer auf Union Busting spezialisierten Dienstleister (Rechtsanwälte, Detekteien). Hier geht es um einen Komplex, der neben Betriebsratsbehinderung regelmäßig andere Straftaten umfasst wie Diskriminierung, Prozessbetrug, Anstiftung und Verabredung zu Straftaten, juristische Nachstellung (Stalking), Nötigung, Bestechung, Ausspähung (Verletzung der informationellen Selbstbestimmung).

Oft werden Betriebsräte auch deshalb unterdrückt, weil Unternehmen die Aufdeckung anderer Delikte befürchten wie Sozialabgabenbetrug, Steuerhinterziehung, Verstoß gegen Mindestlohn, Arbeitsschutz + Arbeitszeiten etc.

2. Erklären Sie Betriebsratsbehinderung zum Offizialdelikt! Dadurch steigt das Strafmaß und somit das Verfolgungsinteresse der Staatsanwaltschaften. Offizialdelikte müssen im Gegensatz zu Antragsdelikten vom Staat verfolgt werden, sobald Kenntnis besteht. Bislang kann Betriebsratsbehinderung nur durch den betroffenen Betriebsrat oder eine vertretene Gewerkschaft angezeigt werden.

Auf Betriebsratsbehinderung steht derzeit dieselbe Strafe wie auf Beleidigung. Doch Union Busting ist kein Kavaliersdelikt. Union Busting ist gegen das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit am Arbeitsplatz gerichtet und damit verfassungsfeindlich.

3. Führen Sie ein verpflichtendes Melderegister für Betriebsratswahlen ein! Die genaue Zahl der Betriebsräte und Betriebsratsgründungen in Deutschland ist ebenso unbekannt wie ihre Entwicklung oder ihr Scheitern. Bislang gibt es nur grobe Schätzungen aufgrund von Stichproben. So sollen laut IAB nur noch ca. 9 % aller wahlberechtigten Betriebe mit fünf oder mehr Angestellten einen Betriebsrat haben. Doch der Befund ist umstritten und vermutlich zu optimistisch. Es fehlen genaue, empirische Daten … “

Diese Forderungen sind richtig und unterstützenswert und der ganze Zusammenhang zeigt deutlich, dass diese Bundesrepublik ein Staat zum Schutz der Klassenherrschaft des Kapitals ist, in der die Rechte der ArbeiterInnenklasse immer nur bedingt sind. Deshalb reichen auch die demokratischen und rechtsstaatlichen Forderungen dieser Unterschriftensammlung nicht aus.

Die Grenzen der Betriebsverfassung

Laut Betriebsverfassungsgesetz sollen Betriebsräte das Wohl der Beschäftigten und des Betriebes im Auge haben – je zugespitzter der Klassenkampf, desto unmöglicher wird die Aufgabe, eine Form gesetzlich verordneter Klassenzusammenarbeit zu erfüllen, und desto untauglicher werden auch die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte der BR.

Zweitens handeln BR als Stellvertreter, nicht als Organisatoren der Belegschaft. Die Mitwirkungsmöglichkeiten, die selbst dieses Gesetz hergibt, werden von ihnen regelmäßig nicht genutzt und die Belegschaften vor vollendete Tatsachen gestellt. In der Praxis platzieren sie sich eher als VermittlerInnen zwischen Management und Beschäftigte.

Beschäftigte und Belegschaften müssen deshalb weiterhin auch gewerkschaftliche Strukturen in den Betrieben (Betriebsgruppen, Vertrauensleute) aufbauen und direkte und demokratische Organisationsformen finden, wenn sie in den Kampf gehen wollen oder müssen. Aktions- und Streikkomitees auf betrieblicher oder überbetrieblicher Ebene sind dort nötig, wo die gesetzliche Vertretung verwehrt wird, aber auch dort, wo sie existiert und dieser gesetzliche Rahmen nicht ausreicht.

Klassenzusammenarbeit in der Praxis

Die DGB-Gewerkschaften haben die Forderungen des zitierten offenen Briefes nicht unterstützt. Der Apparat verkauft die gesetzlichen Reformen lieber als großartigen Verhandlungserfolg. Natürlich kommentieren die BürokratInnen die Gesetzesänderung in dem Sinne, dass sie einen Fortschritt darstelle, aber mehr folgen müsse. Den Preis, die verschärfte Ausbeutung der SaisonarbeiterInnen, ignorieren sie bei dieser Bewertung natürlich. Es geht ihnen darum, die sozialpartnerschaftlichen, rein gewerkschaftlichen und reformistischen Illusionen aufrechtzuerhalten: Die Große Koalition – die Zusammenarbeit mit der Regierung, mit CDU und SPD – habe etwas gebracht, wir bräuchten wieder eine solche Konstellation. Weiter so, Deutschland!

Diese Klassenzusammenarbeit auf politischer Ebene entspricht der Zusammenarbeit im Betrieb auf der praktischen Grundlage des BetrVG. In den Großbetrieben übernehmen die BR meist eine Ordnungsfunktion im Sinne des Kapitals. Alle Konflikte sollen möglichst ohne Störung der Mehrwertproduktion gelöst werden. Diese Orientierung der BR, die von den Gewerkschaften getragen wird, muss sich natürlich immer wieder als im Interesse der Betroffenen darstellen.

Das Tagesgeschäft der meisten BR besteht unter den aktuellen Bedingungen letztlich darin, aus jedem Angriff des Kapitals immer noch „das Beste“ zu machen und beispielsweise Entlassungen „sozial“ zu gestalten durch Altersteilzeit oder Transfergesellschaften. Oder darin, die Leiharbeit nicht zu verhindern, aber einen betrieblichen oder branchenweiten Zuschlag zu vereinbaren, der das Ganze noch immer lukrativ für das Kapital und die Leiharbeitenden willfährig macht, da sie ihren Job in dieser Firma nicht verlieren wollen, und die Stammbelegschaft durch diese willfährigen Leiharbeitenden unter Druck setzt.

Diese Ordnungsfunktion

Diese Zusammenarbeit, die letztlich immer im Interesse des Kapitals erfolgt, geht so weit, dass unliebsame GewerkschafterInnen und Betriebsratsmitglieder in trauter Eintracht von Kapital und Betriebsratsspitze entlassen werden. So wurde der IG Metall-Betriebsrat Karsten vom Bruch bei Bosch in Stuttgart unter einem Vorwand entlassen, genau zu dem Zeitpunkt, als er als Softwareentwickler die Beteiligung von Bosch an der Entwicklung der Abgasbetrugssoftware innerbetrieblich zur Sprache brachte.

Der Betriebsrat Adnan Köklü aus Salzgitter wurde entlassen, als er mehr Transparenz forderte. Die Stellungnahme des BR-Vorsitzenden Cakir spricht für sich: „Herr Köklü hat in den vergangenen Monaten nichts unversucht gelassen, durch wahrheitswidrige Unterstellungen und eine gezielte Verleumdungskampagne einzelne Betriebsratsmitglieder und den Betriebsrat in Gänze zu diffamieren.“

Und weiter im Artikel auf regionalheute.de: „Belege für seine Behauptungen habe er hingegen keine. Ein Ausschlussverfahren aus dem Betriebsrat wurde beim Arbeitsgericht Braunschweig beantragt, da eine Zusammenarbeit mit ihm ‚unzumutbar’ sei. Eine Entscheidung wird bei der Verhandlung am Mittwoch gefällt werden. Mehrere Abmahnungen haben inzwischen zu einer außerordentlichen, verhaltensbedingten Kündigung Köklüs geführt, da sein Verhalten ‚betriebsschädigend’ sei. ‚Von Mobbing durch den Betriebsrat kann nicht ansatzweise die Rede sein’, heißt es in der Stellungnahme Cakirs. Auf diese Weise würden Täter als Opfer dargestellt werden.“

Die Logik des BR-Vorsitzenden Cakir: Wir mobben nicht, wir unterstützen die Entlassung. Die einzige glaubwürdige Tat – eine unabhängige Untersuchungskommission einzurichten – kommt diesem Bürokraten genauso wenig in den Sinn wie der Mehrheit der Bosch-Betriebsratsmitglieder in Stuttgart. Beide Kollegen haben übrigens erfolgreich gegen ihre Kündigungen geklagt.

Das Beispiel zeigt: Union-Busting geht auch von Betriebsratsbossen aus, deren letztlich gewerkschaftsschädigendes Verhalten von der Gewerkschaft nicht in Frage gestellt wird. Leider scheuen viele Initiativen, die gegen Union-Busting und Behinderung von BR-Arbeit aktiv sind, die Fälle anzusprechen, wo dies mit Unterstützung von BR-FürstInnen geschieht und mit Unterstützung oder Duldung durch GewerkschaftsfunktionärInnen.

Der Kampf für mehr Rechte der Beschäftigten, für Gewerkschaften und Betriebsräte gegen Kapital und Staat muss daher einhergehen mit einem konsequenten Eintreten gegen diejenigen, die diese Rechte missbrauchen, als Privilegien der Bürokratie nutzen und damit unterminieren.




IG Metall: Angleichung Ost – Niederlage 3.0

Mattis Molde, Neue Internationale 256, Juni 2021

Im Westen war die Tarifrunde zu Ostern erledigt worden. Das Ergebnis ist äußerst kompliziert und schwer verständlich. Gute Voraussetzungen, um es schönzureden. In ihrer neuesten Darstellung des Ergebnisses behauptet die IG Metall zwar nicht mehr wie ursprünglich, „es gäbe 2,3 % mehr Geld“, aber die ganze Struktur des Abschlusses ist so, dass die Beschäftigten sich nicht ausrechnen können, was sie wann eigentlich kriegen, ob die verschiedenen Sonderzahlungen fließen oder sie stattdessen damit ihre eigene Kurzarbeit finanzieren, Auszahlungen verschoben werden oder aus wirtschaftlichen Gründen ganz entfallen. Böse Überraschungen sind programmiert, wenn IG MetallerInnen klar wird, dass dieses Ergebnis einen kompletter Ausverkauf darstellt.

Im Tarifgebiet Berlin-Brandenburg-Sachsen war die Tarifrunde weitergegangen. Dort herrscht seit Jahren ein starker Druck von der Basis, die Arbeitszeit von 38 Stunden endlich an die tariflichen 35 Stunden im Westen anzugleichen.

In vielen Betrieben gab es bis zu 4 eintägige Warnstreiks. Mehr als 126.000 KollegInnen streikten, das ist fast die Hälfte der ostdeutschen MetallerInnen. Dann wurde der Kampf abgeblasen. Ergebnis ist eine „Gesprächsverpflichtung“ der KapitalistInnen. Statt Tarifergebnis ein sozialpartnerschaftliches Kaffeekränzchen ohne Folgen. Aber wie in der ganzen Tarifrunde war seitens des Vorstandes ein Sieg nie gewollt.

Die Mindestvoraussetzung dafür wäre gewesen, die Arbeitszeitangleichung zum Kampfziel für alle Tarifgebiete zu machen, und zwar von Beginn der Runde an. Stattdessen war die Arbeitszeit Ost im Westen nirgendwo ein Thema – erst nach dem Abschluss West sollten Vertrauensleute Soli-Schreiben verfassen. Mindestvoraussetzung wäre auch gewesen, keinen Abschluss im Westen zu machen, solange das Ost-Thema nicht geregelt ist.

2018 versteckte sich die Bürokratie hinter der Formel, dass in Nordrhein-Westfalen nur abgeschlossen werden könne, was dieses Tarifgebiet auch beträfe. Tatsache ist aber, dass es keinen Pilotabschluss bei der IG Metall gibt, ohne dass Gesamtmetall und die IG Metallspitze vor Ort sind.

Kein Blumentopf

Wie weit die Erwartungen der Beschäftigten und die Welt der BürokratInnen inzwischen auseinanderliegen, konnte man auf der zentralen Kundgebung in Berlin  am 26.4. erleben. Auf der Oberbaumbrücke – einem früheren Grenzübergang zwischen Ost- und Westberlin fielen viele warme Worte über Gleichheit und Gerechtigkeit. Der Regierende Bürgermeister war dabei sowie eine ganze Schar von wichtigen Leuten. Weiter vorne standen die KollegInnen von Mahle-Wustermark, die mit einem Autokorso zur Kundgebung gekommen waren. Sie hörten den warmen Worten nicht zu.

Mit warmen Worten war schon 2003 und 2018 kein Blumentopf zu gewinnen. 2003 war das klar. Die Forderung nach Angleichung stieß auf heftigste Ablehnung. Alle bürgerlichen Medien beschuldigten die IG Metall, das zarte Pflänzchen „Aufschwung Ost“ zu zertrampeln, nachdem Kapital und Regierung im Jahrzehnt zuvor die industrielle Struktur der ehemaligen DDR nach allen Regeln der Kunst, des Schachers und des Plünderns zerlegt hatten. Der Streik wurde erbittert geführt. StreikbrecherInnen wurden mit Hubschraubern eingeflogen, Streikposten aus dem Westen zur Unterstützung vor die Werke im Osten gebracht.

Als es zu ersten Produktionsausfällen in der Autoindustrie im Westen kam, stand die IG Metall vor einer Entscheidung: Eine „kalte Aussperrung“  – eine Aussperrung durch die Unternehmen aufgrund von streikbedingtem Materialmangel – stand an, bei der aber die Beschäftigten im Westen Kurzarbeitergeld erhalten hätten. Das hätte die IGM zur Mobilisierung und Ausweitung des Kampfes in der ganzen Republik nutzen können.

Sabotage aus den eigenen Reihen

Stattdessen setzten sich die GesamtbetriebsratsfürstInnen der Autokonzerne durch. Im Interesse der Absatzzahlen „ihrer“ Großbetriebe machten sie Druck auf ein Ende des Arbeitskampfes. Erich Klemm von Daimler sprach von „tarifpolitischen Geisterfahrern“ und meinte die kämpfenden KollegInnen. Klaus Franz von Opel rief öffentlich zum Streikabbruch auf. Der Streik wurde abgebrochen, satzungswidrig ohne Urabstimmung.

2018 kam die Forderung nach der Arbeitszeitverkürzung nur durch massiven Druck aus Berlin-Brandenburg-Sachsen überhaupt auf die Tagesordnung. Die KollegInnen aus den Betrieben nutzten alle Konferenzen und Veranstaltungen der Gewerkschaft für ihr Anliegen. Wider Willen mußte der Vorsitzende Hofmann die Forderung übernehmen. Die Rache der Apparate: In den Präsentationen und Reden des Vorstandes und der Bezirksleitungen im Westen tauchte das Thema höchstens ganz am Rande auf, meistens gar nicht.

Das Thema wurde vertagt, bis der Westen abgeschlossen hatte. Anstelle einer tariflichen Regelung wurde im Osten eine Gesprächsvereinbarung für Großbetriebe getroffen. Die Zusagen wurden im Nachgang auf Druck von Gesamtmetall zerrissen.

Was ist jetzt vereinbart worden?

Bis Ende Juni 2021 soll ein Rahmen ausgehandelt werden, der „betriebliche Schritte zur Angleichung“ ermöglicht.

Statt des Flächentarifs können jetzt Haustarife oder betriebliche Regelungen kommen – hätten sie aber auch schon immer können. Die Umsetzung auf betrieblicher Ebene ist weit schwieriger und die Erpressbarkeit von Betriebsratsgremien ist entsprechend größer.

Für einige Metallbetriebe (VW, ZF, SAS) gibt es eine Stufenregelung zur Angleichung. Bei VW z. B. wird die Angleichung ab 2022 in 3 Schritten eingeführt, so dass ab 2027 – also 38 Jahre nach der sogenannten „Wende“ – in den sächsischen Werken nur noch 35 Stunden in der Woche gearbeitet wird. Wie zu hören ist, bezahlen allerdings die KollegInnen einen Teil der Kosten aus der eigenen Tasche.

Die Beendigung des Flächentarifkampfes ist also ein Signal an die Kapitalseite: „Macht eure Verzögerungstaktik weiter wie bisher, wir sind bereit, dies wegen des Erhalts der Wettbewerbsfähigkeit der kleineren Betriebe und des Standortes Deutschland zu akzeptieren“. Die vom IGM-Vorsitzenden Jörg Hofmann als Durchbruch gefeierte „Verhandlungsverpflichtung“ ist eine dreiste Lüge angesichts der dritten Niederlage der IGM im Osten, der dritten selbstverschuldeten bzw. selbst gewollten.

Eine klassenkämpferische Basisbewegung ist nötig

Es könnte eine endgültige Niederlage sein. Nicht weil die Belegschaften Arbeitszeitverkürzung nicht weiter fordern würden. Aber erstens bröckelt die Front durch die Einzelabschlüsse in den starken Betrieben. Das tarifpolitische Unwesen, mit allen möglichen Verrechnungen im Osten wie im Westen Arbeitszeitverkürzung selbst zu bezahlen und flexibilisieren, entzieht die Arbeitszeit immer mehr einer gemeinsamen tariflichen Grundlage. Dazu kommt, dass auch im Westen in vielen Betrieben keine 35 Stunden mehr gelten, sondern betrieblich längere Arbeitszeiten. Die „35 in Ost und West“ ist unter den IG Metall-Chefs Huber und Hofmann zur Fata Morgana geworden.

Diese Niederlagenserie einmal in dieser Tarifrunde und zum Zweiten in drei Schritten in der Frage der Arbeitszeit Ost macht noch mal zwingend deutlich, dass es eine grundlegend andere Orientierung in der Gewerkschaft braucht, um ihren Niedergang aufzuhalten und umzudrehen. Die Niederlagen setzen sich fort in allen Betrieben, die gerade geschlossen werden, und wo die Bürokratie in keinem Fall eine Wende herbeiführen konnte und nirgendwo ernsthafte Versuche dahingehend unternimmt. Niederlagen, die die Kraft der Gewerkschaft nachhaltig beschädigen: allein in Baden-Württemberg 60.000 Austritte! Eine Führungsspitze, die den Sieg nicht will und den Kampf sabotiert, ist untragbar.




Tarifabschluss Metallindustrie: Kapitulation total!

Mattis Molde, Infomail 1144, 5. April 2021

Es hatte sich abgezeichnet, dass vor Ostern ein Abschluss hermusste. Am 31. März wurde er für Nordrhein-Westfalen fertig verhandelt, später folgten Baden-Württemberg und die anderen Tarifgebiete. Auch für die Stahlindustrie war im Nordwesten schon ein Abschluss erfolgt, der die Linie vorgezeichnet hatte.

Auch dieses Jahr gibt es keine Erhöhung der Löhne und Gehälter oder –  um das Tarifvokabular zu benutzen – der Monatsentgelte. Diese wurden zuletzt im April 2018 um 4,3 % erhöht. Die nächste mögliche Erhöhung kann ab Oktober 2022 kommen: also mindestens viereinhalb Jahre Stillstand.

Es gibt trotzdem mehr Geld: für 2021 eine Einmalzahlung von 500 Euro netto. Sie wird Coronaprämie genannt, damit die gesetzliche Regelung dazu genutzt werden kann: Es müssen keine Steuern gezahlt werden und sie ist auch für die Unternehmen sehr günstig, denn es kommen keine Beiträge zur Sozialversicherung dazu und die Prämie liegt bei knapp unter 10 Euro pro Woche.

Außerdem wurde ein „Transformationsgeld“ erfunden. Es ist eine jährliche Sonderzahlung, die vierte neben dem „Weihnachtsgeld“, dem Urlaubsgeld und dem „tariflichen Zusatzgeld“ (T-ZUG). Ob sie tatsächlich gezahlt wird, ist aber nicht sicher. Errechnet werden 2,3 % des Monatsentgeltes. Dieses wird ab 1. Juni 2021 angespart und nach 8 Monaten – im Februar 2022 – wird die Summe von zusammengezogen 18,4 % eines Monatsentgeltes ausbezahlt. In den folgenden Jahren ergibt sich dann nach jeweils 12 Monaten 27,6 % desselben.

Kurzarbeit, selbst bezahlt

Warum diese Umstände mit einer neuen Entgeltform? Das Transformationsgeld muss nicht gezahlt werden. Wahlweise kann auch die Arbeitszeit abgesenkt werden. Das kann jede/r Beschäftigte individuell tun, es können aber auch betriebliche Regelungen zwischen Betriebsrat und Management vereinbart werden.

Weil mit 2,3 % nicht mal eine Arbeitsstunde pro Woche finanziert werden kann, eröffnet der Tarifvertrag auch noch die Möglichkeit, das Urlaubs- und „Weihnachts“geld dafür einzusetzen. Das nennt sich dann „Teillohnausgleich“ und lügt damit: Es ist kein „Lohnausgleich“ in dem Sinne, dass ein Teil der Arbeitszeitverkürzung vom Unternehmen „ausgeglichen“ würde, sondern die Beschäftigten verlieren exakt den Betrag, den sie erarbeitet hätten. Es ist nur eine Verschiebung von Entgelt, das für andere Zwecke gedacht war und den Beschäftigten ohnedies zusteht. Der T-ZUG, der vor 3 Jahren eingeführt wurde, vorgeblich um den Beschäftigten individuelle Arbeitszeitabsenkung nach ihren Bedürfnissen zu gestatten, hat übrigens schon seit seiner Einführung stark die Rolle übernommen, als Arbeitzeitpuffer nach den Bedürfnissen der Unternehmen zu fungieren. In vielen Betrieben wurde er vor allem in der ersten Coronawelle für den Lockdown eingesetzt, in manchen schon vorher.

Die Flexibilisierung im Sinne des Kapitals geht also weiter mit neuen Puffern nach unten. Zu der schon länger vereinbarten „tariflichen“ Kurzarbeit und der „Entlastungen“ der Unternehmen von Urlaubs- und Weihnachtsgeld bei Kurzarbeit bringen diese Instrumente andererseits erneut mehr Möglichkeiten beim Hochfahren des Arbeitsvolumens, um Mehrarbeitszuschläge zu sparen.

Eine weitere Möglichkeit, die Entgelte zu kürzen, ist die Koppelung des T-ZUGs (27,5 % eines Monatsentgeltes) an eine Nettoumsatzrendite von 2,3 %. Liegt diese darunter, kann diese Zahlung verschoben werden oder entfallen. Auch können Betriebsräte künftig 50 % des Weihnachtsgeldes opfern, wenn es Betrieben „schlechtgeht“.

Schöngerede und Sozialpartnerschaft

Gesamtmetall nennt das die „Modernisierung der Tarifverträge“, die IG Metall-Spitze auch. So kann man das natürlich auch formulieren, dass die MetallkapitalistInnen sich in jeder Beziehung durchgesetzt haben, dass ihnen Einbrüche in die Tarifverträge gelungen sind, die kaum noch schöngeredet werden können. Während die IG Metall Nordrhein-Westfalen ihren Abschluss noch so verkaufte: „Im Juli erhöhen sich die Entgelte um 2,3 Prozent. Das Geld wird jedoch angespart … “, verzichtet die Bezirksleitung Baden-Württembergs auf diesen Fake und schreibt: „Beim Thema Entgelt hätte sich die IG Metall auch eher eine Erhöhung der monatlichen Entgelte vorstellen können … “.

Wenn die Monatsentgelte um 2,3 % erhöht worden wären, hätte dies übrigens auch alle Entgeltbestandteile betroffen, gerade die anderen Sonderzahlungen, die daran gekoppelt sind. Das tut es nicht. Bezogen auf das Jahresentgelt wären die 2,3 % nicht ganz 2,1 %.

Bezogen auf 21 Monate Laufzeit sind das gerade mal 1,2 % Erhöhung, falls diese überhaupt gezahlt wird. Die Forderung hatte 4 % gelautet. Insgesamt werden das Gesamtergebnis und viele Details dieser Vereinbarung, die bisher auch nicht vollständig vorliegen, für Angriffe und Einbrüche auf die Entgelte sorgen und für heftige Enttäuschungen bei  MetallerInnen, die in dieser Runde für mehr gekämpft haben.

Viele Belegschaften hatten auch für die Verteidigung ihrer bedrohten Arbeitsplätze mobilisiert. Auch die IG Metall-Spitze hatte das zum Thema gemacht. Aber für sie ging es nie darum, die Kampfkraft zum Widerstand gegen Abbaupläne zu nutzen. Ja, im Rahmen der Runde wurden bereits Werksschließungen per Unterschrift akzeptiert wie bei Mann+Hummel Ludwigsburg und Mahle Gaildorf.

Für die IG Metall-Bürokratie ging es darum, mit diesem Tarifvertrag ihre Unterwerfung unter die Umstrukturierung nach Wunsch der Bosse „sozialverträglich“ zu gestalten. Dafür können die gesamte Tariferhöhung und zusätzlich andere bestehende Entgeltteile geopfert werden. Die Niederlage ist eine dreifache: keine echte Tariferhöhung, Verzichtsmöglichkeiten auf bestehende Entgeltbestandteile und die Chance zum betriebsübergreifenden Widerstand verschenkt.

Bei Betriebsräten kann dieses Ergebnis zur Freude führen: Es gibt viele Möglichkeiten, Entgelt zu opfern – für den „Erhalt von Arbeitsplätzen“, besser gesagt für eine Streckung der Abbaupläne, denen diese Betriebsräte keinen echten Widerstand entgegensetzen wollen. Wo die Bosse einen Betrieb ganz dichtmachen wollen, kann auch nichts gestreckt werden. Wo sie 10–30 % der Belegschaft loswerden wollen, können mit den alten und neuen Instrumenten Kündigungen vermieden werden. Die Betriebsräte können sich feiern und die Verlagerung von Arbeitsplätzen und die Rationalisierung durch Digitalisierung in trauter Sozial„partner“schaft mitmachen. Die IG Metall gibt dazu ihren Segen und zieht den GewerkschafterInnen im Betrieb, z. B. den aktiven Vertrauensleuten, die sich auf erkämpfte Tarifverträge gegen die Ausverkaufsbemühungen der Betriebsratsspitzen berufen, weiter den Boden unter den Füßen weg.

Die Niederlage wird komplett durch die verlängerte Laufzeit von 21 Monaten. Dazu kommt, dass erneut keine Lösung für die 38-Stunden-Woche im Osten vorliegt. Schon 2018 wurde anstelle einer tariflichen Regelung eine Gesprächsvereinbarung getroffen, deren Zusagen die Bosse im Nachgang zerrissen. Damit wurde eine Bewegung, die zumindest im Osten etliche Belegschaften erfasst hatte, sauber gegen die Wand gefahren. Diese Bewegung war gegen den Willen der Frankfurter Zentrale entstanden, die konsequenterweise keinerlei Solidarität im Westen organisierte, genauso wie sie das Vorgehen der Metallbosse hinnahm. Auch diesmal versteckt sich die Bürokratie hinter der Formel, dass in Nordrhein-Westfalen nur abgeschlossen werden könne, was es auch beträfe. Tatsache ist aber, dass es keinen Pilotabschluss bei der IG Metall gibt, ohne dass Gesamtmetall und die IG Metallspitze vor Ort sind. Auch der Verrat an den Kolleginnen und Kollegen im Osten erfolgte in trauter Eintracht mit dem Kapital.

Die Coronakrise hat aus Sicht der Bürokratie und des Kapitals auch ihr Gutes: Die Einstellung, jede/r müsse eben ihren/seinen Beitrag zur Krisenbewältigung leisten, ist auch unter den Belegschaften weit verbreitet.

Die Regierung, die Medien und die Betriebsräte predigen das täglich, Corona wird wie eine Naturkatastrophe behandelt, die jedes Gürtel-enger-Schnallen scheinbar schon an sich rechtfertigt, um „unsere Wirtschaft“ und „unser Land“ zu retten. Das ist unwahr, das Großkapital hat überall auf der Welt in dieser Krise seine Profite und seine Vermögen zulasten der Arbeitenden steigern können. Auch von diesem Abschluss profitiert das Kapital, die Arbeitenden zahlen drauf. Etliche werden das merken, aber um die Opfermentalität in der ArbeiterInnenklasse zu bekämpfen, reichen Tarifkämpfe nicht aus. Nötig ist stattdessen ein breite „Antikrisenbewegung“, die sich gegen die Blockade der Gewerkschaftsführungen, der SPD und der Linken durchsetzen muss.

Opposition gegen die Bürokratie

Auch dieses Mal gab es Belegschaften, die sich trotz Corona und des Bestrebens der Bürokratie, die Tarifrunde so lau wie möglich zu kochen, mobilisiert, ihre Kolleginnen und Kollegen motiviert haben, sich an Aktionen zu beteiligen, und für die Ziele geworben haben, so wie sie sie verstanden: für echte Lohnerhöhungen und Widerstand zur Verteidigung der Arbeitsplätze. Aber die Bilanz dieser Verhandlungen zeigt, dass es nicht reicht, Druck von der Basis zu auszuüben. Dieser Druck kann dazu führen, dass lokal manche Aktionen heftiger werden, die Gesamtkonzeption für die Mobilisierung ändert sich aber nicht. Schon gar nicht ändert die Bürokratie ihre politische Konzeption, die darin besteht, dem deutschen Exportkapital im verschärften internationalen Konkurrenzkampf treu zur Seite zu stehen und alles mitzumachen, was die Bosse für nötig halten. Die BürokratInnen hoffen weiterhin, dass dabei Profite abfallen, reich genug, um den Arbeitenden auch zukünftig Weihnachts- und vielleicht das Transformationsgeld auszubezahlen. Und die Aufsichtsratstantiemen fließen sowieso, die eigenen Privilegien sind gesichert.

Die Bürokratie in der IG Metall muss natürlich weiterhin dem Druck von unten nachgeben, ihm Raum gewähren, sonst verliert sie die Kontrolle. Aber dadurch, dass sie gerade die kämpferischen Teile der Basis in Niederlagen führt und demoralisiert, verstärkt sie noch ihre Kontrolle – umgekehrt genauso dadurch, dass sie die Teile, die nicht warnstreiken, sondern Sonderschichten machen, wie diesmal bei Daimler oder BMW, „belohnt“. Schon zwei Überstunden bringen mehr Kohle als die „Coronaprämie“ pro Monat.

Das Spiel ist nicht neu: Letztes Jahr durften die KollegInnen in Sonthofen streiken gegen die Stilllegungspläne des Voith-Konzerns. Die IG Metall organisierte keine Solidarität in diesem Konzern und ihre VertreterInnen hatten im Aufsichtsrat schon der Schließung zugestimmt. Fast zeitgleich zum Tarifabschluss wurde in Sonthofen die Getriebefertigung jetzt endgültig geschlossen.

Druck von unten alleine reicht nicht – nötig ist der Aufbau einer organisierten Opposition!

Sie darf sich nicht auf den Kampf gegen einzelne Entscheidungen beschränken. Zum Beispiel ist die Forderung nach Ablehnung des Tarifergebnisses in den Tarifkommissionen nicht ausreichend. Es müssen andere Konzepte entwickelt werden und die Unterordnung unter die KapitalistInnen gehört politisch bekämpft. Eine Opposition muss die undemokratischen Strukturen bekämpfen, die es der Bürokratie erlauben, sich selbst zu reproduzieren. Was hilft es zu hoffen, dass Tarifkommissionen Ergebnisse ablehnen, wenn Basismitglieder dafür nicht kandidieren dürfen?

Eine Opposition aufzubauen, wird nicht leicht fallen, der Apparat ist mächtig. Aber auch wenn seine Konzeption in vielen Fällen funktioniert, wie oben beschrieben, so scheitert sie doch mit Zunahme der Systemkrise immer mehr. Oder um es kurz zu sagen: Gegen den Abbau von 400.000 Arbeitsplätzen allein in der Autoindustrie werden 2,3 % Transformationsgeld nicht helfen.

Und: Es gibt kleine Ansätze für eine solche Opposition. Aber sie muss zu einer klassenkämpferischen Basisbewegung werden: Klassenkampf statt Sozialpartnerschaft mit dem Kapital, Kontrolle der Gewerkschaft durch die Basis anstelle der Bürokratie!




Mahle: Hunderte im Warnstreik

Mattis Molde und KollegInnen der Betriebsgruppe Mahle-Soli, Infomail 1142, 12. März 2021

Bei Mahle brennt die Bude! Vor einem halben Jahr ließ das Management die Katze aus dem Sack und verkündete die Zerstörung von 7.600 Arbeitsplätzen, davon 2.000 in Deutschland. 800 wären das in Stuttgart, wo vor allem die Zentralen des Konzerns und der großen Geschäftsbereiche liegen. Es war klar, dass das Thema Arbeitsplätze auch die Tarifrunde bei Mahle beherrschen würde.

Am Dienstag, den 2.3., versammelten sich Hunderte in Feuerbach. Von diesem Sitz von Mahle Behr kamen auch die meisten Streikenden, dazu Beschäftigte aus Bad Cannstatt, dem Konzernsitz, den Werken 2 und Werk 3 (Fellbach) und von Mahle Aftermarket in Schorndorf, Delegationen von Mahle Behr Mühlacker/Vaihingen, vom Maschinenbauer Coperion, von Bosch AS aus Bietigheim und Gäste von Mercedes Untertürkheim. Die Polizei spricht von 650 Teilnehmenden, die IG Metall Stuttgart von über 650.

Nach den zahlreichen RednerInnen gab es einen Rundgang in Form einer  Menschenkette um das Werksgelände, dann war Feierabend: „Nach der Kundgebung kehrten die Beschäftigten nicht mehr an ihre Arbeitsplätze zurück“, schreibt die IG Metall Stuttgart. Da bleiben Fragen offen: Wie geht es weiter mit der Tarifrunde? Wie geht es weiter bei Mahle? Wird dieser gute Start genutzt oder wieder verspielt wie schon in so vielen Tarifrunden und in vielen Kämpfen um Arbeitsplätze?

Arbeitsplätze

Wie kann die Zerstörung von über 800 Arbeitsplätzen verhindert werden? Dass Mahle-Boss Stratmann es ernst meint, kann niemand mehr in Frage stellen.  Die meisten RednerInnen erwähnten, dass über die Vorschläge der Betriebsräte noch nicht einmal geredet werde, sondern die Pläne des Managements als „alternativlos“ bezeichnet würden. Aber die „Alternativen“ der Betriebsräte sind nicht wirklich  überzeugend: Gesamtbetriebsratschef Kalmbach meinte, dass das Management „10 Jahre geschlafen“ habe und mahnte eine viel stärkere Digitalisierung an – was letztlich heißt, das Management dafür zu kritisieren, dass der Kahlschlag nicht schon vor 10 Jahren begonnen hat.

Viele Mahle-Betriebsräte beschwören die „Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben“, die die Firmengründer vor Jahrzehnten mal propagiert haben, die aber schon damals mit der kapitalistischen Realität nichts zu tun hatte. Mit solchen Träumen und mit Appellen lassen sich ManagerInnen nicht rühren genauso wenig wie mit der Aufforderung der stellvertretenden Gesamtbetriebsratschefin Christidou, dass Stratmann gehen solle. Das klingt zwar kämpferischer als das Gebettel eines Kalmbach, aber genauso hilflos: Wie soll er abgesetzt werden und wer soll Stratmann ersetzen?

Die IG Metall sagt dazu nur vage: „Beschäftigung sichern“. Wie aber, bitte schön? Neue Beschäftigungs-„Sicherungen“, bei denen dem Abbau zugestimmt wird, um die restlichen Arbeitsplätze für kurz Zeit zu „sichern“? Das Ganze mit Lohnverzicht oder Ausdehnung der Arbeitszeit garniert? Noch einmal die Rezepte aufwärmen, die seit Jahren nichts sichern, sondern nur den ManagerInnen einen Freibrief für neue Angriffe ausstellen?

Spontane Aktion

Gut hundert Beschäftigte bei Mahle Behr hatten in der Vorwoche weniger Hilflosigkeit gezeigt: Die Personalabteilung hatte eine Versammlung verboten, die Betriebsrat und Belegschaft in der Entwicklung angesetzt hatten. Begründung: Corona. Diktatur im Namen der Gesundheit: Arbeiten ist erlaubt, Information über die Zukunft der Arbeitsplätze verboten. Die Betriebsratsvorsitzende Culjak berichtete auf dem Warnstreik, dass sich dies die ArbeiterInnen nicht gefallen ließen. Sie gingen zur Personalabteilung und warteten pandemiegerecht entlang allen Fluren dorthin, bis die PersonalerInnen sich aus dem Homeoffice aufgemacht hatten. Diese verweigerten weiter die Antworten, aber der Betriebsrat organisierte eine Versammlung in einer großen Halle. Die Wut hat in der Belegschaft zugenommen, der Mut auch.

Alternativen

Die auf der Hand liegende Forderung für Betriebe wie Mahle, eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, wurde übrigens von keiner/m der RednerInnen aufgestellt, auch nicht den RednerInnen der IG Metall, Röll und Henschel, und noch nicht einmal in der verkrüppelten Form, in der sie die IG Metall offiziell als Tarifforderung aufgestellt hat: mit Teillohnausgleich und beschränkt auf einzelne Betriebe. Haben die GewerkschaftsbürokratInnen Angst davor, dass die Leute dann fragen, warum sie weniger verdienen sollen, wenn sich die ChefInnen bei Mahle vor 2 Jahren 70 % mehr genehmigt haben? Und warum nicht alle in der Metallindustrie kürzer arbeiten sollen, um in der ganzen Branche die Arbeit auf alle zu verteilen?

Ebenfalls gab es keine Perspektive in der Frage, was eigentlich produziert werden soll. Die Strategie von Mahle wie der ganzen Autoindustrie besteht darin, keinerlei Entwicklung am Verbrenner aufrechtzuerhalten und alles auf die E-Mobilität zu werfen. Kalmbach kritisierte zu Recht die ManagerInnen, die in dem finalen Konkurrenzkampf um die letzten Profite aus dem Verbrenner massiv die Produktion verlagern. Nur: Profite sind der Zweck dieses kapitalistischen Systems, Menschen zählen nur als Arbeitskräfte. Die Beschwörung des Mahle-Konzerns als „Stiftungsunternehmen“ ist ein hilfloses und utopisches Ritual.

Der einzige realistische Weg, die Arbeitsplätze und die Kompetenz der Belegschaft zu sichern, liegt darin, diese vom Zwang des Profits für wenige zu befreien: Enteignung der Auto- und Zulieferindustrie, Umstellung der Entwicklung und Produktion auf effiziente und umweltfreundliche Verkehrssysteme. Die in dieser Branche Beschäftigten – auch die Betriebsräte – wissen sehr wohl, was alles in dieser Richtung möglich wäre und auch, was die E-Mobilität für Probleme bringt. Die Aufgabe der IG Metall wäre es, endlich eine Debatte in der gesamten Gesellschaft darüber zu eröffnen und zugleich dafür zu kämpfen, dass eine solche wirkliche Konversion unter Kontrolle der Beschäftigten durchgesetzt wird.

Kampf

Die Tarifrunde ist die gute Gelegenheit, erstens die Kämpfe in der ganzen Branche zu verbinden und zweitens den Kampf um Arbeitsplätze mit dem um Löhne und gegen die Angriffe von Gesamtmetall zu verbinden. Der Warnstreik in Feuerbach hat gezeigt, dass das geht, und das ist ein Fortschritt gegenüber solchen Veranstaltungen wie der Warnstreik 3 Tage später bei Mahle Behr in Mühlacker: Jede Schicht sollte da je eine Stunde früher nachhause gehen, genauso wie die Beschäftigten in Gleitzeit und Homeoffice: Keine Veranstaltung, kein Inhalt, kein Wofür und Warum, kein Gefühl von Gemeinsamkeit … Kein Versuch, das Feuer, das bei den KollegInnen in Feuerbach brennt, auch nach Mühlacker zu tragen …

Die Feuerbacher Beschäftigten, die sich angesichts der Angriffe selbst und mit ihren Vertrauensleuten mobilisiert haben, die 100 Leute, die das Personalbüro besetzt haben, oder die Kantinenbeschäftigten aus Cannstatt, denen allesamt Qutsourcing droht, sind ein Vorbild für alle. Sie sind auch ein Hinweis darauf, was in dieser Tarifrunde möglich wäre, wenn die IG Metall, die Betriebsräte und Vertrauensleute diese Tarifrunde nicht als das übliche Ritual durchziehen, sondern den Unmut und den Protest in wirksamen Widerstand verwandeln.

Die Tarifrunde bietet aber nicht nur die Möglichkeit, den Kampf um die Arbeitsplätze mit dem um Löhne und Arbeitszeit zu verbinden, sie bietet auch die Chance, den Kampf wirksamer zu gestalten: nicht nur Warnstreiks, sondern Streik. Das Wort Streik nahm auch in Feuerbach keine/r in den Mund. Aber daran wird sich die IG Metall-Spitze messen lassen müssen: Ist diese willens und in der Lage, die drängenden Probleme zu verbinden und überall die Kämpfe zu entfalten, Aktionen wie in Feuerbach zu nutzen, um die Zögernden mitzuziehen, oder öffnet sie nur einzelne Ventile und setzt ansonsten den Deckel drauf, hält Pflichtveranstaltungen nach bekanntem Ritual ab? Und wird sie innerhalb ihrer Organisation Vorbereitungen treffen, einen Streik durchzuführen? Und dies als Signal in die nächsten Tarifverhandlungen einzubringen? Die Entschlossenheit der Metallarbeit„geber“Innen läßt keine Zweifel, sie wollen alles: Arbeitsplätze vernichten, keine Lohnerhöhungen und tarifliche Errungenschaften wie die Alterssicherung angreifen. Sie wollen den Klassenkampf, den die GewerkschaftsführerInnen scheuen!

Der Warnstreik in Feuerbach zeigte: Es geht besser und mehr, sobald sich die Belegschaften selbst einmischen und Vertrauensleute und Betriebsräte mitziehen. Für eine erfolgreiche Tarifrunde ist es aber nötig, sich nicht nur  auf einzelne Betriebe zu beschränken, sondern daraus eine Bewegung zu bilden, die die ganze Branche erfasst. Die IG Metall-Bürokratie wird dies nicht von selbst tun und schon gar nicht will sie, dass wirksame Forderungen gegen die KapitalistInnen aufgestellt werden, die der Bewegung eine Perspektive verleihen! Alle Kolleginnen und Kollegen, die mit der Halbherzigkeit ihrer Betriebsräte und der Gewerkschaft unzufrieden sind, alle kritischen GewerkschafterInnen und alle Linken sind gefordert, in dieser Tarifrunde zusammenzuarbeiten, sich zu vernetzen und einen Schritt in Richtung einer klassenkämpferischen Basisbewegung zu gehen: damit die Kraft, die wir als Werktätige ausüben können, gegen die ProfiteurInnen eingesetzt wird!

Nachtrag: Am 9. März 2021 ging die Meldung durch die Medien, dass Herr Stratmann tatsächlich Ende März seinen Posten räumen wird. Es waren nicht die Betriebsräte oder die Belegschaften, die das durchgesetzt haben, sondern Aufsichtsratschef Junker. Es gibt von ihm genauso wenig zu erhoffen oder zu erbetteln wie von einem/r NachfolgerIn. Ein/e solche/r wurde noch nicht bekanntgegeben.




Tarifrunde 2021: Arbeitskampf und Widerstand sind angesagt!

Flugblatt der Vernetzung kämpferischer Gewerkschaften und des Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften Metallertreff, Infomail 1140, 3. März 2021

Wir Metallerinnen und Metaller sehen uns einem doppelten Angriff ausgesetzt: Hunderttausende Arbeitsplätze sind von Streichung und Verlagerung bedroht. Ganze Werke sollen geschlossen werden. Mit betrieblichen Vereinbarungen wurden betriebliche und tarifliche Errungenschaften kassiert und Krisenkosten auf die KollegInnen abgewälzt. Dazu fordert Südwestmetall (SWM) auch noch Eingriffe in die bestehenden Tarifverträge zu unseren Lasten. Das ganze nach drei Jahren ohne Lohnerhöhung. Die IG Metall steht vor der Aufgabe, gegen all diese Angriffe zugleich zu kämpfen. Das ist aber auch eine Chance, weil in der Tarifrunde alle gemeinsam für die gleichen Ziele kämpfen können, egal wie die wirtschaftliche Lage des einzelnen Betriebes ist und wir die Mittel von Warnstreik und Streik nützen können.

Die Angriffe der Metallkapitalisten gemeinsam zurückweisen

Letztes Jahr (2020) schon gab es eine Nullrunde. Noch vor Corona beschloss der IGM-Vorstand, ohne eine konkrete Entgeltforderung und ohne Arbeitskämpfe (mit einem Moratorium) die Tarifrunde durchzuführen. Die Durchführung wie auch der Abschluss war ein Schlag ins Gesicht der KollegInnen und eine Steilvorlage für die Metallkapitalisten, ihre Angriffe auf tarifliche und betriebliche Errungenschaften zu verschärfen. Und so kam es denn auch. Das Kapital nahm das Geschenk sehr gern an. Aber hielt es deswegen irgendwie still? Nein! Stattdessen tischen sie immer neue Forderungen, Streichkonzepte und Angriffe auf. Aktuell für die neue Tarifrunde:

  • Kürzung von Zuschlägen (z.B. Spätschichtzuschläge)
  • Angriff auf die Alterssicherung (Kündigungsschutz und Verdienstsicherung)
  • Verschlechterung von Pausenregelungen
  • Eine weitere Nullrunde dieses Jahr!
  • Eine Anhebung der Entgelte erst wieder, wenn das „Vorkrisenniveau“ erreicht ist, aber nicht vor 2022 – gerne auch nur per Einmalzahlung und nicht tabellenwirksam!
  • Das Metallkapital will darüber hinaus „automatische Differenzierungen“ zur Kostenentlastung für Betriebe in der Krise vereinbaren. Das Geschwurbel bedeutet nichts anderes, als dass ohne weitere Verhandlungen („automatisch“) in bestimmten Unternehmen Entgeltkürzungen in Kraft treten können, wenn die Unternehmen wirtschaftliche Probleme beklagen.

Und das nach einem Geschäftsjahr 2020, in dem z. B. Daimler seinen Profit trotz Pandemie massiv steigern konnte (von 4,3 Mrd. € 2019 auf 6,6, Mrd. € in 2020). Auch wird an die Aktionäre eine deutlich höhere Dividende ausgeschüttet (2019: 90 Cent, 2020: 1,15 €) – auf Kosten der KollegInnen! Sie haben über Kurzarbeit sowie Arbeitszeitabsenkungen ohne Verdienstausgleich einiges verloren. Insgesamt sind die Einkommen aller abhängig Beschäftigten in 2020 um 0,6% gesunken (lt. Statistischem Bundesamt)!

Weisen wir gemeinsam diese Angriffe zurück!

Wir haben es verdient! Mindestens 4 Prozent tabellenwirksam!

Unsere tariflichen und betrieblichen Standards für Kurzarbeit und für Krisenlagen, vor allem aber unser voller Einsatz sorgten dafür, dass Porsche, Daimler, VW, Bosch usw. gut, mit überraschend hohen Profiten aus dem Krisenjahr 2020 hervorgingen. Bei Daimler z. B. ging es in 2020 vom Shutdown über Kurzarbeit in den vollen Wiederanlauf, dann zur Mehrarbeit und Einstellung von Leiharbeitern. Eine ähnliche Entwicklung bei MAHLE. Dort wechselten in Mühlacker beispielsweise die KollegInnen direkt von der Kurzarbeit in die Mehrarbeit. In einigen Produktionsbereichen wurden sogar zusätzliche MitarbeiterInnen eingestellt, selbstredend nur prekär befristet! Alles ermöglicht durch Tarifvertrag bzw. Betriebsrat.

Viele Angestellte arbeiten seit fast einem Jahr im „Home-office“. Sie müssen dafür ihren Alltag vollkommen umbauen. Home-office lohnt sich – für das Kapital! Längst ist bewiesen: Es ist sehr produktiv – für die Firmen. Für betroffene Familien dagegen wächst der Stress! In der Produktion dagegen müssen viele KollegInnen weiter acht Stunden pro Tag, Schulter an Schulter, arbeiten, nur jetzt – unter erschwerten Bedingungen – mit Maske.

Alle Beschäftigten aber haben dazu beigetragen, wenn jetzt die Metallindustrie trotz Pandemie weiterläuft wie geschmiert. Es ist deshalb mehr als gerechtfertigt, dass die Beschäftigten ihre Forderung von 4 % mehr Lohn durchsetzen wollen! Nehmen wir es nicht hin, dass das Kapital ungerührt die Profite einstreicht, sie sogar aus Steuer- und Sozialversicherungsmitteln aufstockt (z.B. bei Kurzarbeit), und dass uns dann der neue Südwest-Metall-Chef und Daimler-Personalvorstand Porth uns in der Presse zurechtweist, vor 2022 gäbe es keine Lohnerhöhungen – frühestens.

Der Tarifrundenauftakt demonstrierte Kampfbereitschaft!

Gut war es, dass am 11. Februar vor Daimler Untertürkheim, in Feuerbach vor Coperion und in zahlreichen anderen Orten die KollegInnen ihren Kampfeswillen demonstrierten. Wenn unter altbekanntem Wehklagen Porth und andere Kapitalisten die nächsten Opfer von den Beschäftigten fordern, beeindruckt das niemanden mehr. Bei den Aktionen kam in vielen Reden klar heraus: Es geht vielen Unternehmen gut, sie machen (zum Teil erstaunlich hohe!) Profite, während wir, die arbeitenden KollegInnen, zunehmend in Not geraten. „Corona“ – das dient nur als willkommener Vorwand, um uns weiter, immer mehr unter Druck zu setzen. Fallen wir nicht auf die altbekannten Bluffs herein, sondern nehmen wir den Kampf auf!

Lassen wir den Auftaktaktionen einen entschlossenen und solidarischen Kampf folgen für unsere Forderungen:

  • für eine tabellenwirksame Erhöhung der Entgelte und der Ausbildungsvergütungen um 4 % ab Januar 2021 und eine Laufzeit von 12 Monaten
  • für die volle Aufnahme der Dualen StudentInnen in die tariflichen Regelungen
  • für die Angleichung der Arbeitszeiten in den östlichen Bundesländern an die westlichen

Arbeitszeitverkürzung Ja – aber vom Kapital bezahlt!

Wir befürworten auch Arbeitszeitverkürzungen auf die Viertagewoche. Aber wir finden es nicht okay, wenn die KollegInnen das durch Abzug von der Lohnerhöhung („Volumen 4%“) bezahlen sollen, auch wenn die Führung der IG Metall betont, das sei wenigstens ein Teil-Ausgleich. Wir befürworten Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Menschen brauchen gute Arbeitsplätze, um im Kapitalismus sich und ihre Familien durchzubringen, sie brauchen auch das Einkommen. Deswegen sagen wir vom Metallertreff und der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften VKG:

  • Wir brauchen die 30-Stundenwoche für alle und überall – bei vollem Entgelt- und Personalausgleich!

Lassen wir die Kapitalvertreter/innen jammern, „wir“ hier in Deutschland hätten die höchsten Lohnkosten. Bei jedem Zugeständnis klagen sie, die Wirtschaftswelt – ihr Profit – sei vom Untergang bedroht. Wir halten dagegen: Wir liefern höchste Qualität, Leistung und Produktivität! Dafür brauchen wir gute Bedingungen und eine Zukunftsperspektive, auch für die Kinder und Jugendlichen!

Nehmen wir den Kampf auf! Urabstimmung und Streik – der richtige Weg!

Lassen wir uns nicht beeindrucken von der Propaganda der Herren Porth (Südwestmetall und Daimler) oder Wolf (Gesamtmetall-Boss). Lassen wir uns auch nicht von den spalterischen Reden von Rechten und Nazis verwirren, die uns Metallerinnen und Metallern die Schuld für die Krise in die Schuhe schieben. Bereiten wir uns entschlossen und solidarisch auf den Arbeitskampf, auf Urabstimmung und Streik vor. Wir finden es ermutigend, dass die Mettinger Daimler-Kollegen am 11. Februar kämpferisch ankündigten, wieder auf die Straße („fängt mit B an und hört mit 10 auf!“) zu gehen, aber auch dorthin, wo die Chefs residieren. Wir finden es gut, wenn sich niemand von der „Corona-Krise“ bremsen lässt. Vor dem Daimlertor hieß die Losung: „Abstand – Maske – Arbeitskampf!

Verbinden wir den Tarifkampf mit dem Kampf für unsere Arbeitsplätze

Die Gewerkschaften brauchen ein Konzept zur Verteidigung der Arbeitsplätze, das auch Forderungen wie Enteignung der Bosse, Überführung in Gemeineigentum (IGM-Satzung), Konversion der Produktion, demokratische Kontrolle und Verwaltung durch Belegschaften mit beinhaltet. Wenn ein Betrieb geschlossen werden soll, geht es um Streiks, um die Besetzung von Betriebstoren oder Werkhallen, um den Abtransport von Maschinen und Produktionsanlagen zu verhindern, um Mobilisierung von Solidarität anderer Betrieben und Branchen. Über Solidaritätskomitees kann dies gut organisiert werden.

Kontakt:

metallertreff@yahoo.de

mahle-soli@protonmail.com

info@vernetzung.org




Exporte, Profite, Corona: Hotspot Schlüsselindustrien

Mattis Molde, Neue Internationale 253, Februar 2021

Drei Monate Lockdown mit wachsendem Druck auf das Privatleben und bestimmte Branchen wie Gastronomie und FreelancerInnen aller Art haben das Virus nicht ausreichend zurückgedrängt. Zaghaft haben Ramelow und Lauterbach die Industrie ins Spiel gebracht. Die Arbeit„geber“verbände schossen sofort dagegen, die Front aus Union/FDP/AfD sowieso und vermutlich brachten auch die GenossInnen in SPD und Linken die beiden schnell zum Schweigen. Der Mann für Trostpflaster aller Art, Hubertus Heil, bastelt an einem Recht für Beschäftigte, über Home-Office reden zu dürfen, und die Koalition einigte sich darauf, die Anzahl der privaten Gäste zu halbieren. „Weiter so“ für die Industrie war angesagt.

Die Kampagne #ZeroCovid hat jetzt alles durcheinandergebracht. Jetzt wird wirklich über die Arbeitsplätze diskutiert. Jede Menge Fakten und falsche Behauptungen kommen ans Licht, angebliche und tatsächliche Interessenlagen ins Spiel.

Profit vor Gesundheit

Natürlich sind die KapitalistInnen gegen ein Herunterfahren der Wirtschaft in der Corona-Krise, so wie sie gegen alles sind, was ihre Profite schmälert und sei es auch nur vorübergehend. „Der neue Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, sagte, es gebe keine Evidenz dafür, dass in Industrieunternehmen Hotspots entstünden“, schreibt das Abendblatt Berlin im November 2020. Natürlich sagt Herr Russwurm nicht, ob und wie denn überhaupt dies geprüft wird. Sammelt der BDI die Krankenzahlen der Firmen?

Natürlich nicht. Er braucht keine Belege, es reicht zu drohen: „Falls die Produktion in der Industrie etwa für vier Wochen ganz heruntergefahren würde, dauere es weitere vier Wochen, um sie wieder hochzufahren. Dies würde nicht ohne Folgen für das Wirtschaftswachstum bleiben.“ Die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, schlägt in dieselbe Kerbe: „Es gebe keinen Grund, warum in der deutschen Automobilindustrie Werke geschlossen werden sollten. Die Betriebe hätten sehr hohe Arbeitsschutzstandards und detaillierte Hygienekonzepte. Eine laufende Produktion in der Industrie sichere die Einkommen vieler Menschen und sei Voraussetzung für die Finanzierung aller Aufgaben des Staates. Einschließlich der Abtragung der Staatsschulden, die sich durch Corona noch einmal erheblich erhöht hätten.“

Die Autoindustrie arbeitet also für Wirtschaftswachstum, Finanzierung des Staates samt dessen Schulden und die Einkommen der Menschen. Neben all diesem Wohl für die Gemeinschaft fallen auch Gewinne an. Zehn Milliarden konnte VW für das Krisen- und Coronajahr 2020 schon mal ansagen, die anderen Konzerne haben ihre Zahlen noch nicht veröffentlicht.

Dann gibt es noch den Arbeitsschutz in den Betrieben. Wie die von Müller angesprochenen Hygienekonzepte aussehen, beschreibt ein Beschäftigter von BMW-Leipzig: „Treppengeländer und Türklinken wurden in den letzten drei Jahren nicht ein Mal gereinigt. Es gibt keine Desinfektionstücher an den Arbeitsplätzen. Ein Kollege wurde vom Gesundheitsamt auf Schicht angerufen und nach Hause in Quarantäne beordert. Die anderen wurden von den Vorgesetzten gezwungen weiterzuarbeiten.“ Ähnliche Berichte gibt es von Daimler Sindelfingen und aus anderen Betrieben. Was also Gesundheitsämter versuchen durchzusetzen, nämlich Kontaktpersonen von Infizierten zu isolieren, wird in den Betrieben unterlaufen. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass dies Einzelfälle sein sollten.

Freiwillig betreiben Unternehmen keinen Arbeitsschutz und entwerfen keine Hygienekonzepte. Das haben sie noch nie gemacht. Jede Verbesserung musste in der Geschichte von den Werktätigen selbst erkämpft oder vom Staat durchgesetzt werden – gegen die einzelnen KapitalistInnen, wenn auch oft im Interesse des gesamten Kapitals: Die Praxis der Unternehmen, verbrauchte ArbeiterInnen einfach zu ersetzen, ist zwar für den einzelnen Betrieb das Billigste, kommt aber für alle zu teuer.

Es gibt in Deutschland viele Gesetze und Regelungen für Arbeitsschutz, aber keine wirksame staatliche Kontrolle. Die dafür formal zuständigen Ämter sind personell viel zu gering besetzt. Man kann ein ganzes Leben lang arbeiten, ohne je eine der dafür angestellten Personen zu treffen. Dass dies auch bei Pandemien gilt, haben schon die Masseninfektionen auf den Schlachthöfen, Bauernhöfen und in Logistikzentren gezeigt. Dass der Profit vor Gesundheit geht, ist keine Frage der Moral oder der Branche, sondern folgt aus den Gesetzen des Kapitalismus. Nur ein aktives Vorgehen gegen die Logik des Profits hilft dagegen.

Betriebsräte und IG Metall

Neben den Ämtern gibt es aber auch Regelungen im Betriebsverfassungsgesetz, die den Beschäftigen ein Beschwerderecht und den Betriebsräten Informations- und Beratungsrechte sichern. Es gibt auch die Pflicht, Gefährdungsbeurteilungen durchzuführen, die Betriebsräten weitgehende Rechte einräumt und die Möglichkeit, die Beschäftigten selbst zu befragen. Dumm nur: Rund die Hälfte der Beschäftigten im Land arbeitet in Betrieben ohne Betriebsrat.

In der Autoindustrie allerdings gibt es sie in allen Großbetrieben bei den Endherstellern und den großen Zulieferern. Und in diesen Betriebsräten hat praktisch überall die IG Metall die Mehrheit. Ein Teil derer nutzt seine Rechte und kommt seiner Verantwortung nach – andere nicht.

Auch der Vorsitzende der IG Metall bestätigt in der Augsburger Allgemeinen, dass es Unterschiede gibt: „Wir können feststellen, dass dort, wo in den Betrieben die in Zusammenarbeit mit der Politik entwickelten Hygienemaßnahmen strikt umgesetzt werden, die Infektionszahlen geringer sind als im privaten Umfeld. Aber wir kennen auch die schwarzen Schafe … “. Aber er folgert daraus: „Daher spricht die Faktenlage nicht dafür, die Industrie stillzulegen, … ein Runterfahren der Industrie hätte heftigste volkswirtschaftliche Konsequenzen.“

Weiter meint er: „Dann würde unsere Wirtschaftskraft zusammenbrechen. Doch diese Kraft brauchen wir dringend, um uns weiter alle sozialstaatlichen Maßnahmen zur Abfederung der Folgen der Krise leisten zu können. So ein Runterfahren der Wirtschaft hat lang anhaltende Konsequenzen: Wenn die Produktionsbetriebe zwei, drei Wochen schließen würden, dauert es mindestens doppelt so lange, ehe die Firmen wieder in der Lage sind, richtig loszulegen. … Wir müssen – soweit es geht – die industrielle Produktion fortsetzen, weil so Wertschöpfung und Einkommen für viele Menschen entsteht. Die Finanzierung unseres Sozialstaats kommt nicht aus der Steckdose.“

Oh Wunder! Fast die gleichen Worte wie Russwurm und Müller. Beim Chef der IG Metall, Jörg Hofmann, geraten allerdings die „staatlichen Aufgaben“ zu „sozialstaatlichen Maßnahmen“. Meint er damit den Kinderbonus, das Kurzarbeitergeld, das vor allem den Unternehmen genützt hat, oder die Milliardenhilfen für die Lufthansa?

Hofmann bläst auch in der Pandemie-Frage in dasselbe Horn wie die KapitalvertreterInnen. Er behauptet zu wissen, dass es neben Betrieben mit niedrigen Infektionszahlen auch „schwarze Schafe“ gibt. Warum nennt er sie dann nicht? Sind es die KollegInnen dort nicht wert, geschützt zu werden? Wären da nicht Strafen fällig für die Verantwortlichen? Warum macht der Gewerkschaftsboss die Vernebelungstaktik der Unternehmen mit? Der Chef des unternehmerfinanzierten Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, meinte am 24.1. bei Anne Will übrigens: „Wir wissen eigentlich nichts. 80 % der Infektionen sind nicht zuortenbar.“ Er schiebt den schwarzen Peter der Politik zu, aber im Grunde bestätigt er den systematischen Boykott durch Unternehmen und die bei ihnen tätigen BetriebsärztInnen. Er zieht im Grunde auch Hofmanns Argumentation mit der „Faktenlage“ den Boden unter den Füßen weg.

Autoboom

Der Gewinn von VW verrät es: Inzwischen gibt es wieder einen Boom in der Autoindustrie, insbesondere bei den oberen Segmenten. Die fetten Luxuskarossen werden wieder gebaut und überwiegend exportiert, weil die chinesische Wirtschaft sich erholt hat. In den damit befassten Betrieben werden Sonderschichten gefahren und wieder massenhaft LeiharbeiterInnen eingesetzt. Das ist genau die Situation, in der von oben auf jede/n kleine/n Vorgesetzte/n Druck ausgeübt wird, den Laden am Laufen zu halten, weil es ja so schwer ist, alles wieder in Gang zu bringen, wenn es mal gestockt hat. Die LeiharbeiterInnen sind fast wehrlos, sie wollen den Job nicht wieder gleich verlieren. Sie wären auf den Einsatz der Betriebsräte besonders angewiesen.

In einer solchen Konstellation ist der Infektionsschutz zweit- oder drittrangig. Das sind dann die „schwarzen Schafe“, aber genau diese werden von Jörg Hofmann geschützt. Weil, die bringen ja Kohle.

Die Komplizenschaft der IG-Metall-Spitze und der BetriebsratsfürstInnen hintertreibt nicht nur alle Bemühungen, das Virus einzudämmen. Sie zerlegt auch die IG Metall selbst. Sie fällt all den Belegschaften in den Rücken, die von Abbau- und Stilllegungsplänen betroffen sind. Beispiel Daimler: Im Herbst erklärte die Konzernspitze, sich nicht an die Vereinbarungen für die Werke Untertürkheim und Berlin halten zu wollen und weitere 4.000 Arbeitsplätze in Untertürkheim zu streichen. Berlin steht ganz auf der Kippe. Eine konzernweite Aktionswoche wurde verkündet, es gab Demonstrationen und Protestversammlungen – aber im größten Werk Sindelfingen fiel nicht eine Minute aus. Der Betriebsratsvorsitzende Lümali überbrachte stattdessen Grüße in Untertürkheim.

Also genau dort, wo gezielter Druck möglich wäre, wird gekuscht. Aktionen durchführen dürfen die Leute, die kurzarbeiten und um ihren Arbeitsplatz fürchten müssen. Dass die Arbeitsplätze in den Boomfabriken mittelfristig keineswegs sicher sind, zeigt das Beispiel Mahle: 2.000 Arbeitsplätze werden in Deutschland vernichtet, in Mühlacker werden Befristete eingestellt, aber noch nicht mal die Kürzungspläne für diesen Standort revidiert.

Diese Beispiele zeigen auf, dass selbst im gleichen Konzern die Betriebsräte und die IG Metall kaum gemeinsamen Widerstand organisieren und dort, wo sie am längeren Hebel sitzen, darauf verzichten, genau diesen einzusetzen. Eine Bewegung in der ganzen Branche wäre nötig angesichts der 10.000 Arbeitsplätze, die bedroht sind. Die Unterwürfigkeit, mit der Jörg Hofmann die Boomwerke aus einer echten Corona-Kontrolle raushält, ist die gleiche, mit der er zuschaut, wie das Kapital auf Kosten der Beschäftigten die Industrie umstrukturiert.

Tarifrunde

Die IG Metall war mit dem Plan in die Tarifrunde gegangen, schnell und einvernehmlich zu einem vertretbaren Ergebnis zu kommen. Die Verträge wurden extra verspätet gekündigt, um die Friedenspflicht zu verlängern. Die KapitalistInnen haben mit einem Forderungskatalog ihrerseits geantwortet, den Verzicht auf Erreichtes verlangt und unverhohlen mit weiterer Arbeitsplatzverlagerung und -vernichtung droht.

Auch diese Konfliktlage ergäbe Chancen, die Kräfte in dieser Gewerkschaft wieder zu bündeln: den Kampf für die erste Tariferhöhung seit drei Jahren mit der Verteidigung der Arbeitsplätze zu verbinden; die kampffähigen Teile der Organisation die Zaudernden mitziehenzulassen; die Möglichkeit zu streiken auch zu nutzen, um Stärke zu zeigen. Allein, es sieht nicht so aus, als ob es Kräfte im Apparat der IG Metall gäbe, die bereit wären, das sinkende Schiff wieder auf Kurs zu bringen.

Es bleibt als Hoffnung die Basis: Werden Belegschaften auch ohne Segen der Frankfurter Zentrale in den Kampf gehen? Wird es noch mehr MetallerInnen geben, die bei den nächsten Betriebsratswahlen eigene Listen aufstellen, aber auch lernen, dass das noch nicht für eine Wende reicht? Werden Bewegungen wie gegen die Klimakatastrophe und die Pandemie eine Antikrisenbewegung in Gang bringen, die auch in der Metallindustrie Widerhall findet?

All das muss letztlich in einer klassenkämpferischen Basisbewegung zusammenkommen und sich strukturieren, damit eine grundlegend andere Politik in der IG Metall durchgesetzt werden kann.




MetallerInnen demonstrieren gegen Schließung des Daimler-Werks in Berlin

Martin Suchanek, Infomail 1129, 10. Dezember 2020

2.500 Arbeiterinnen und Arbeitern droht das Aus. So viele arbeiten – noch – am Berliner Daimler-Standort Marienfelde, viele seit ihrer Ausbildung. Nun steht er auf der Kippe und droht dem globalen Spar- und Rationalisierungskurs der KonzernchefInnen zum Opfer zu fallen. Auch wenn es keinen formellen finalen Schließungsbeschluss gibt, zeichnet sich das Ende der Produktion ab. In Verbrennungsmotoren, deren Komponenten bislang in Berlin gefertigt wurden, soll nicht weiter investiert werden. Von einer Umstellung der Produktion ist bislang nichts bekannt.

So stellt auch der Ruf nach Informationen eine der unmittelbaren Forderungen der Beschäftigten, der Betriebsräte, Vertrauensleute und der IG Metall dar.

Demonstration und Betriebsversammlung

Wie an vielen anderen Daimler-Standorten rief die Gewerkschaft, die noch im Juli dem letzten Sparprogramm zugestimmt hatte, um betriebsbedingte Kündigungen bis 2030 in Deutschland zu verhindern, zu Demonstrationen und Betriebsversammlungen auf.

Am heutigen 9. Dezember wenigstens stehen die Bänder in Berlin-Marienfelde endlich einmal still. Wie schon im November beteiligt sich ein großer Teil der Belegschaft, weit über 1.000 Menschen, an der Demonstration, die vom Werkstor durch den Stadtteil und zurück führt. Anschließend findet eine Online-Betriebsversammlung statt, von der Tausende wenigstens mehr Klarheit erhoffen.

Für die KollegInnen ist es nicht die erste und, wollen sie ihre Arbeitsplätze verteidigen, sicher auch nicht die letzte Aktion. Auf der Homepage der Berliner IG Metall gibt sich der Betriebsratsvorsitzende Michael Rahmel entschlossen: „Wir Daimler-Beschäftigte werden am Mittwoch nicht arbeiten. Wir nehmen uns diesen Tag, um dem Vorstand klar zu zeigen, dass wir uns von ihm nicht abwracken lassen.“

Die vergleichsweise radikale Rhetorik in der Pressemeldung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die IG Metall keine Kampfstrategie zur Verteidigung der Arbeitsplätze hat. Die Forderung nach einem Bekenntnis zur Zukunft des Standortes darf uns nicht weismachen, dass Gewerkschaftsapparat und Betriebsratsspitze durchaus bereit sind, über weitere „Opfer“ zu verhandeln, dem Konzern „entgegenzukommen“. So erklärt Jan Otto, der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Berlin, in derselben Meldung: „Wir erwarten auf der Betriebsversammlung eine klare Ansage des Vorstandes, dass er zumindest Teile des Stilllegungsbeschlusses zurücknimmt, wir mehr Zeit und die Zusage bekommen, dass hier nicht Teile dieses Werkes rasiert werden.“

Mit anderen Worten: Wenn sich der Konzern zum sozialpartnerschaftlichen Ausgleich bereit erklärt, sichern wir den Weihnachtsfrieden in der schönen Daimler-Welt. Schließlich wäre es nicht der erste „sozialverträgliche Umbau“, den Betriebsräte und IG Metall „mit“gestaltet hätten.

Damit, so erinnern die GewerkschaftsrednerInnen auf der Kundgebung die Bosse, wäre Daimler schließlich immer gut gefahren. Irene Schulz, Hauptrednerin auf der Zwischenkundgebung und Mitglied des IG-Metall-Vorstandes, verdeutlich dabei die Taktik der Bürokratie. Einerseits appelliert sie an die KollegInnen, lobt ihren Einsatz, ihre Arbeit und auch ihren Widerstandswillen. Der Konzern müsse wissen, dass er mit deren Kampfkraft zu rechnen hätte.

Andererseits erinnert sie den Konzern daran, dass die Gewerkschaft durchaus Verständnis für die schwere Lage „unseres“ Unternehmens hätte – ganz als würde Daimler irgendwie auch den Beschäftigten oder wenigstens der IG Metall gehören. Diese hätte sich jedenfalls für KurzarbeiterInnengeld und Milliardensubventionen eingesetzt, die Daimler wie der Autoindustrie zugutekamen. Da wäre es doch nur anständig, fair und gerecht, dass der Konzern auch den Standort erhalten würde.

Natürlich weiß auch Schulz, dass es um Fairness und Gerechtigkeit nicht geht, und macht bei dieser Gelegenheit den Standort auch noch schmackhaft. Hier könne die Transformation zur E-Mobilität praktisch und in eine „Brückentechnologie“ investiert werden: den ökologischen Verbrennungsmotor, unfreiwillig doppeldeutig auch als „Umweltverbrenner“ angepriesen. Doch all das Co-Management hilft nichts, schließlich hat Daimler schon ein Management und auch eine Konzernstrategie.

Co-Management schadet

Im Kampf gegen alle Entlassungen und die konzernweite, globale Offensive der Bosse schadet das Co-Management. Das lehrt nicht nur die Erfahrung und jede einigermaßen nüchterne Einschätzung des Kapitalismus.

An diesem Tag wird es regelrecht spürbar. Kampfstimmung will bei den Beschäftigten nicht aufkommen. Sorgen und Existenzangst sind allgegenwärtig, fast noch mehr aber Pessimismus und Perspektivlosigkeit. Die Masse der Demonstrierenden folgt der IG Metall, fühlt sich von „ihrem“ Konzern verlassen und hofft doch darauf, weiter arbeiten zu dürfen.

Jahre des sozialpartnerschaftlichen Kurses, ständig neue Produktivitätsabkommen, Benchmarks (interne Leistungsvergleiche) und stetiges Zurückweichen haben Spuren hinterlassen in Gestalt einer relativ privilegierten Stellung der Kernschichten beim industriellen Exportkapital. Diese arbeiterInnenaristokratischen Schichen bildeten und bilden den Kern der SozialpartnerInnenschaft. Ihre Arbeit prägt einerseits extreme Arbeitsproduktivität, -intensität und damit eine sehr hohe Ausbeutungsrate. Andererseits erhalten sie vergleichsweise hohe Löhne, Sonderzahlungen und Boni. Letztere werden 2020 mit 1000 Euro wohl mager ausfallen im Vergleich mit den Vorjahren – doch die Hoffnung auf ein „gutes“, partnerschaftliches Ende stirbt viel zu langsam.

Die klassenkämpferischen Teile der Belegschaft sind vielmehr ausgedünnt – nicht nur wegen der Verhältnisse in dieser Produktionssphäre, sondern auch weil Betriebsratsbürokratie und IG-Metall-Apparat als politische Polizei, als Ordnungsfaktor für das Kapital wirken – und zwar seit Jahrzehnten. So hoffen die meisten Beschäftigten nicht viel anders als IG Metall und Betriebsrat auf ein Weihnachtswunder der SozialpartnerInnenschaft.

Letztlich flehen diese Apparate das Kapital an, irgendwie die soziale Regulation des Kapitalismus in Deutschland auch über die gegenwärtige Krise retten zu können. Dabei besteht das Neue gerade darin, dass die SozialpartnerInnenschaft und die damit verbundene Stillhaltepolitik auch große Teile der ArbeiterInnenaristokratie, darunter Belegschaften wie bei Daimler-Marienfelde, nicht integrieren, sondern in die Arbeitslosigkeit oder Leitarbeit führen werden.

Globale Offensive

Daimler wie die gesamte Autoindustrie steht vor einer grundlegenden Umstrukturierung, bei der es nicht bloß, ja nicht einmal in erster Linie um die Veränderung der Produktpalette und neue Antriebssysteme geht. Es dreht sich vor allem darum, den Konzern für einen globalen Vernichtungswettkampf mit konkurrierenden Unternehmen fit zu machen. Daher wird gekürzt, Personal abgebaut – und zwar nicht nur, wenn die Wirtschaft strauchelt, sondern selbst wenn Milliardengewinne eingefahren werden.

Die drohende Schließung in Marienfelde stellt selbst einen Teil einer globalen „Sparoffensive“ dar, die einmal mehr auf Kosten der Belegschaften gehen soll, die seit Jahren von einer Produktivitätssteigerung, von einer „Benchmark“ zur anderen getrieben werden.

Erfüllt wurden diese Programme alle – ausgezahlt haben sie sich vor allem für den Weltkonzern. Trotz Umsatzeinbrüchen im Corona-Jahr wartete Daimler lt. FAZ im 3. Quartal mit einer Gewinnerwartung von 3,7 Milliarden Euro vor Steuern auf – mehr als im Vergleichsquartal 2019. Ende 2020 soll sich dieser Trend fortsetzen.

Am milliardenschweren Kürzungsprogramm, dem rund 30.000 Beschäftigte, darunter die Berliner KollegInnen zum Opfer fallen sollen, hält der Konzern fest – „sozialverträglich“, wenn möglich, weniger sozialverträglich, wenn nötig. Offenherzig, wie es sich gegenüber der LeserInnenschaft der FAZ gehört, erklärt die Konzernspitze auch, warum das so ist: „Nicht Wachstum um des Wachstums willen sei das Gebot der Stunde, so betonte Daimler-Vorstandsvorsitzender Ola Källenius in dieser Woche in einer Journalistenrunde, sondern profitables Wachstum.“

Die Corona-Pandemie hat das Unternehmen gut überstanden, insbesondere wegen der raschen Erholung des chinesischen Marktes und der gestiegenen Nachfrage nach luxuriösen Autos. Vor der E-Mobilität soll der Verbrenner die Aktienkurse befeuern. Damit diese weiter steigen und das Wachstum profitabel bleibt, wird zugleich das nächste Kürzungsprogramm durch den Konzern getrieben und der Ruf nach staatlicher Unterstützung bei der Transformation zur E-Mobilität laut.

Welche Politik?

Das Daimler-Management reagiert damit auf die veränderten und verschärften Bedingungen der globalen Konkurrenz. Die sozialpartnerschaftliche Ausrichtung der IG Metall und die Politik des Co-Managements erweisen sich in dieser Lage nicht nur als arbeiterInnenfeindlich. Diese angeblich realistische Politik entpuppt sich als reinster Utopismus, als Beschwörung eines Klassenkompromisses, dessen ökonomische Grundlagen längst der Vergangenheit angehören.

Eine solche Politik demoralisiert, desorientiert und entpolitisiert die Lohnabhängigen. Sie führt zum Rückzug und zur Niederlage. Während die Apparate krampfhaft hoffen, die SozialpartnerInnenschaft und ihre Position als Mittler zwischen Lohnarbeit und Kapital zu halten, sollen die ArbeiterInnen auch noch die Folgen dieser Politik ausbaden.

In dieser Situation wird der Bruch mit der SozialpartnerInnenschaft, mit Co-Management und sozialdemokratischer Unterordnung zur Notwendigkeit, wenn Schließungen, Entlassungen, Flexibilisierung, Kürzung auf dem Rücken der Beschäftigten gestoppt und verhindert werden sollen. Ein solcher Schritt erfordert freilich auch den Bruch mit der Politik der Klassenzusammenarbeit und mit der ArbeiterInnenbürokratie in den Gewerkschaften und Großkonzernen, die diese verkörpert. Dafür ist der Aufbau einer klassenkämpferischen Basisbewegung nötig, um für eine Erneuerung der Gewerkschaften zu sorgen.

Dies mag vielen in weiter Ferne erscheinen – unrealistisch angesichts des Kräfteverhältnisses und vorherrschenden Bewusstseins der Klasse. Allein, der Schritt ist letztlich alternativlos. Wer eine klassenkämpferische Politik vertritt, kann sicherlich auch verlieren. Wer selbst den Kampf für diese ablehnt oder hinausschieben will, hat jedoch schon verloren.

Flugblatt der Gruppe ArbeiterInnenmacht zur Demonstration und zur Aktionswoche gegen drohende Schließungen und Entlassungen bei Daimler: Gegen alle Entlassungen und Schließungen! Stoppt die Angriffe!



Daimler: Gegen alle Entlassungen und Schließungen! Stoppt die Angriffe!

Gegenwehr! Betriebs- und Gewerkschaftsinfo der Gruppe ArbeiterInnenmacht, Infomail 1129, 8. Dezember 2020

Das Konzernmanagement stellt alles in Frage: Ganze Standorte sind in Gefahr, Zehntausende Arbeitsplätze sollen gestrichen werden, „Zukunftsverträge“ haben eine Verfallzeit von 2 Jahren und werden schlicht gebrochen, Erpressung wird Methode.

Die Bosse behaupten, es gehe um „Transformation“ zur E-Mobilität. Aber wie immer dreht es sich vorrangig um Profite. Die Verlegung von Konstruktion und Produktion von Motoren und Teilen für Verbrenner nach China hat nichts mit „E-Mobilität“ zu tun, zumal der Aufbau von Elektromotoren und Teilen dafür ebenfalls vorrangig im Ausland stattfinden soll.

Die Bosse behaupten, sie würden so handeln, um die Zukunft des Unternehmens zu sichern. Das haben sie auch gesagt, als sie am Verbrenner festhielten, obwohl klar war, dass die Klimakatastrophe die Zukunft der Menschheit gefährdet. Sie haben lieber bei der Abgasmessung betrogen.

Sie haben auch von der Zukunft des Unternehmens gesprochen, als sie wieder und wieder Opfer von den Belegschaften verlangt haben. Das Ergebnis ist, dass unsere Arbeitsplätze so bedroht sind wie noch nie. Wieso sollten wir heute ihren neuen Versprechungen glauben?

Vom Protest zum Widerstand

Zwei Dinge gilt es aus dieser Erfahrung zu lernen: Wir müssen unsere Interessen selber verteidigen und uns selbst um unsere Zukunft kümmern!

Es macht keinen Sinn, dass die Betriebsräte erneut über die Zumutungen der Bosse verhandeln und ihren Angriffen zuzustimmen, um im Gegenzug die schlimmsten sozialen Härten zu vermeiden oder wieder neue Versprechungen zu erhalten, die nicht eingehalten werden.

Die Daimler-Belegschaften haben in den letzten Wochen gezeigt, dass sie zu breiten Protesten fähig sind. Das ist ein gutes Zeichen! Das kann auch das Beispiel für andere ArbeiterInnen in der Auto- und Zulieferbranche sein! Das kann auch die IG Metall beleben, die das ganze Jahr wie scheintot gewirkt hat.

Es reicht aber nicht, mehr Postkarten auszufüllen oder Protestversammlungen zu organisieren. Wir müssen den Bossen klarmachen, dass wir die Macht haben, ihre Profitmaschine zu stoppen, ihre Umstrukturierungen, Kürzungen, Entlassungen und Schließungen zu blockieren oder ihre Entscheidungsmacht einzuschränken.

Dieser Widerstand muss konzernweit organisiert werden, alle Belegschaften müssen mitmachen. Am besten sollten auch die Werke in anderen Ländern einbezogen werden, wie im französischen Hambach, das jetzt abgestoßen werden soll, um letztlich dichtgemacht zu werden. Wenn alle Belegschaften gemeinsam handeln, können uns die Bosse nicht weiter gegeneinander ausspielen.

Natürlich müssen sich die Belegschaften koordinieren. Das können wir nicht nur den Betriebsräten Gesamtbetriebsräten und Gewerkschaftsführungen überlassen, die sehr tief in die „Partnerschaft“ mit den Bossen verstrickt sind. Das müssen also insbesondere auch die Gewerkschaftsmitglieder und Vertrauensleute tun. Dafür müssen sie auch Initiative und Ideen entwickeln. Vertrauensleute und Betriebsräte, die auf SozialpartnerInnenschaft und „Kompromisse“ mit den Bossen setzen, müssen letztlich durch klassenkämpferische KollegInnen ersetzt werden, die den Belegschaften verantwortlich sind.

Wir brauchen also:

  • Vollversammlungen in allen Betrieben und Werken, einschließlich der LeiharbeiterInnen
  • Aktionskomitees in allen Werken und Werksteilen, die von diesen gewählt, abwählbar und ihnen rechenschaftspflichtig sind
  • bundesweite und internationale Koordination
  • ein demokratisch beschlossenes Kampfprogramm gegen alle Angriffe: einschließlich Demonstrationen, Blockaden, Streiks und Besetzungen.

Die derzeitigen Angriffe finden nicht nur bei Daimler statt: Die ganze Autobranche, ja alle Sparten der Wirtschaft sind davon betroffen. Überall führen die „Lösungen“ der KonzernchefInnen zu neuen sozialen und ökologischen Katastrophen. So ist jetzt schon klar, dass das E-Auto keine Arbeitsplätze wirklich sichert und außerdem neue ökologische Probleme schafft.

Zukunft selbst in die Hand nehmen

IG Metall und Betriebsräte müssen also aufhören, immer die „Strategie“ der Konzerne mitzumachen: Sie haben am Verbrenner festgehalten, bis wir uns alle die Finger verbrannt haben. Sie haben zu Abgasbetrug geschwiegen und keine Umrüstung verlangt – alles zum Schaden der KäuferInnen. Sie waren für große Volumen statt Effizienz und Ressourcenersparnis. Und jetzt wieder die gleiche Gläubigkeit beim E-Auto!

Unsere Gewerkschaft müsste vielmehr endlich die Debatte starten, wie die Zukunft der Mobilität aussieht, wie Verkehrssysteme vernetzt, wie die verschiedenen Bedürfnisse auf dem Land und in den Metropolen ökologisch erfüllt werden können.

Die Entscheidung darüber können wir nicht dem Kapital überlassen. Solange die Profitmaximierung der Zweck der Produktion ist, werden Beschäftigte und Umwelt auf der Strecke bleiben. Daher muss die Kontrolle über die Produktion, über Forschung und Entwicklung den UnternehmerInnen entrissen werden, denn unsere Interessen als ArbeiterInnen und VerbraucherInnen sind grundsätzlich andere als jene der KapitalistInnen, ja diesen entgegengesetzt.

Um eine solche ArbeiterInnenkontrolle durchzusetzen, brauchen wir dauerhafte Macht in den Betrieben: das Recht, gegen gesundheitsgefährdende Produktion einzuschreiten, gegen Stilllegungen, Verlagerungen und Entlassungen (auch von LeiharbeiterInnen) vorzugehen. Betriebe oder Werksteile, die stillgelegt werden sollen, müssen entschädigungslos enteignet und unter ArbeiterInnenkontrolle verstaatlicht werden.

Letztlich ist eine ökologische Erneuerung des Verkehrswesens nur möglich, wenn die großen Konzerne unter Kontrolle der Beschäftigten verstaatlich werden, Forschung, Entwicklung wie überhaupt das gesamte Energie- und Transportwesen unter Kontrolle der ArbeiterInnen gestellt werden.

Dahin ist es sicher noch ein weiter Weg – aber der Kampf gegen Entlassungen, Kürzungen, Sparprogramme erfordert letztlich eine gesellschaftliche Antwort für die gesamte Autoindustrie, ja für die gesamte Wirtschaft.

Diese wird letztlich auch unserem Abwehrkampf zugutekommen, weil die Probleme, die sich für die Zukunft bei Daimler stellen, auch in den meisten anderen Betrieben und für die Gesellschaft existieren.

Wir rufen alle, die sich gegen die Angriffe der KapitalistInnen wehren wollen, auf, die Solidarität gegen diese mit der Arbeit an einer Zukunftsperspektive zu verbinden. Wir schlagen vor, ein Solidaritäts- und Aktionskomitee zu bilden, um den Abwehrkampf bei Daimler zu unterstützen.

Kontakt: gegenwehr@arbeitermacht.de