Neun Punkte zum Tarifabschluss der EVG mit der DB

Statement der Vernetzung für kämpferische Eisenbahner:innen, 17. September 2023, ursprünglich veröffentlicht auf https://bahnvernetzung.de/, Infomail 1232, 20. September 2023

Dieser Text ist das Produkt einer gemeinsamen Diskussion von Bahnbeschäftigten aus EVG und GDL.

1. Forderungen – nicht erfüllt

Mindestens 650 Euro in die Tabelle (für Nachwuchskräfte die Hälfte), ein Jahr Laufzeit waren gefordert. Heraus kam eine steuerfreie Einmalzahlung von 2850 Euro, genannt Inflationsprämie, im Oktober 2023 sowie eine Erhöhung von 410 Euro (Nachwuchskräfte erhalten jeweils die Hälfte) in zwei Schritten. Laufzeit: 25 Monate – satzungswidrig!

Natürlich wurde das Ganze damit begründet, dass man ja nie das bekommt, was gefordert wird. Mit dieser Einstellung kann hohen und berechtigten Erwartungen, die der Inflation entsprechen, natürlich nicht gerecht werden. Warum führen wir Tarifauseinandersetzungen nicht eskalativ? Ein „Sozialpartner“, der Verhandlungen einfach so verlässt, hat neben Streik keine andere Antwort verdient, außer, dass wir dann eine noch höhere Forderung stellen, wir den Preis nach oben treiben.

Bei allem Negativen, etwas Positives: Immerhin kriegen jetzt in einem Staatsunternehmen (!) alle den Mindestlohn ohne irgendwelche Zuschläge und Schönrechnereinen durch den Konzern. Für die niedrigsten Lohngruppen sprang mitunter ordentlich was raus (teilweise weit über 20 %). Aber selbst das blieb unter den Forderungen und hört sich, angesichts der bisherigen Einkommen besser an als es ist. Bei Lidl wird ja auch nicht mit Prozenten gezahlt, somit kann mehr trotzdem noch zu wenig sein. Die Erhöhungen für die unteren Lohngruppen haben etliche Kolleg:innen dazu bewogen, mit JA zu stimmen. Wir respektieren das, aber wir halten angesichts des insgesamt schlechten Abschlusses daran fest, dass das NEIN die richtige Antwort gewesen wäre.

2. Gespaltene Tabelle, gespaltene Belegschaft

Für manche hält der neue Tarifvertrag zudem eine dritte tabellenwirksame Erhöhung zum März 2025 bereit, für manche eben nicht. Der Blick in die Tabelle lässt zum Teil an Willkür erinnern. In der Lohngruppe 355 (die höchste für Fahrdienstleiter:innen) gibt’s auch bei neun Jahren Betriebszugehörigkeit keine dritte Erhöhung. So halten wir natürlich kein Personal im direkten Bahnbetrieb, und das ist unabdingbar, wenn wir das mit der Verkehrswende und guten Arbeitsbedingungen ernst meinen … für Martin Seiler hingegen darf diese nur möglichst wenig kosten!

Die Funktionsgruppen 2 und 6 bekamen statt einer dritten Erhöhung nur das Versprechen, dass für sie 2025 nachgezogen werden soll. Die Funktionsgruppe 4 (Lokführer:innen) wurde mit der Begründung ausgeklammert, dass auf sie angeglichen worden sei. Ein Blick in die Tabelle offenbart, dass das so nicht hinkommt. Es kommt der Verdacht auf, als wären die Lokführer:innen von der EVG aufgegeben worden, die meisten von ihnen fallen bei der DB unter einen Tarifvertrag der GDL.

Das Ganze war ein natürlich ein rechtlich unveränderbarer Schlichterspruch – schön und gut. Doch warum stimmte der Bundesvorstand dem mehrheitlich zu? Dass es auch anders gegangen wären zeigten die Vertreter:innen der Jugend und die anderen, die hier gegen gehalten haben! Der BuVo hätte das üble Spiel der Bahn AG nicht mitmachen müssen!

So bleibt, dass 52 % den Schlichterspruch annahmen – immerhin eine formal demokratische Mehrheit. Die Wahlbeteiligung war zudem bedenklich niedrig.

48 % lehnten den Schlichterspruch ab – verglichen mit den Urabstimmungen anderer Gewerkschaften in den letzten Jahren eine fette Backpfeife für Tarifkommission und Bundesvorstand. Und zwar eine umso größere als das der BuVo das Informationsmonopol über die „Tarifinformationen“ zur Schlichtung verfügte und die bürgerlichen Medien in diesem Sinne trommelten. Selbst unter diesen Bedingungen stimmte fast die Hälfte gegen den Abschluss.

3. Scheitern, Urabstimmung, Schlichtung, Urabstimmung?!

Überhaupt, dieses Schlichtungsverfahren. Warum wurde sich auf ein Verfahren eingelassen, dass die DB vorschlägt, nachdem sie alles daran gesetzt hatte, die Verhandlungen zu sabotieren und zum Scheitern zu bringen? Allerspätestens hier war das Verständnis an der Basis für die Taktik von BuVo und Tarifkommission weg.

Begründet wurde die Teilnahme an der Schlichtung anstelle einer direkten Urabstimmung über einen Erzwingungsstreik unter anderem mit dem Argument, den öffentlichen Diskurs auf unsere Seite zu ziehen. In Wirklichkeit ist genau das Gegenteil eingetreten. Das stetige Nachgegeben gegenüber dem Vorstand hat ihm und den Medien geholfen, das Ergebnis in ihrem Sinn zu deuten. Zweitens wäre es in einem Erzwingungsstreik auch möglich gewesen, eine eigene Gegenöffentlichkeit zu schaffen und die öffentliche Meinung zu beeinflussen – und zwar, indem an Bahnhöfen und mit Unterstützung der anderen DGB-Gewerkschaften oder auch der Klimabewegung die Relevanz hoher Löhne für einen funktionierenden Bahnbetrieb in den Mittelpunkt gestellt wird und klar gemacht wird, dass höhere Löhne nicht durch höhere Fahrpreise erkauft werden sollen, sondern in dem vom Bund mehr Geld in die Bahn kommt und Seilers und Lutzens Gehalt zusammengestrichen wird!

Keine Gewerkschaft darf ihre Kämpfe danach ausrichten, was die Medien von ihnen hält. Eine EVG, die ihren Kampf richtig führt, die wird eben von FAZ bis Bild gehasst!

4. Transparenz vs. Schönreden

Mit dem Urabstimmungs-Schlichtungs-Hin-und-Her landen wir beim Thema Transparenz im Allgemeinen. Kein Vergleich zu 2020, wo in einer Nacht- und Nebelaktion mit dem Konzern ein Kündigungsschutz mit einer Nullrunde erkauft wurde, um später das Erreichte der GDL nachgetragen zu bekommen. Und trotzdem: Die TR23 ging schon durchwachsen los (die Tarifwerkstätten waren längst nicht allen zugänglich; die Online-Befragung enthielt keine Abstimmungsoption zur Laufzeit; und wer sitzt eigentlich für mich in der Tarifkommission?).

Dann gab es zwei Warnstreiks, bei keinem wurde verständlich erklärt, warum eigentlich nur einen halben Tag gestreikt wird, obwohl die Stimmung für einen ganztägigen war. Und dann: Der 50-Stunden-Streik, den es niemals gab. Das Frankfurter Arbeitsgericht kassierte ihn mit einem Vergleich. Diese Niederlage wurde nicht ehrlich eingestanden. An sich wäre das kein Problem gewesen. Es hätte klar gemacht werden müssen, dass Konzern und Staat einen kapitalen Angriff auf das Streikrecht verübt haben und die EVG vor der Wahl stand, sich auf den Vergleich einzulassen oder eine Niederlage vor dem Arbeitsgericht zu riskieren. Eine kämpferische und demokratische Gewerkschaftsführung hätte die Mitgliedschaft aber darauf vorbereiten und im Voraus ein Mandat für das weitere Vorgehen einholen müssen. Trotzdem hätte hier zügig das Scheitern der Verhandlungen erklärt und eine Urabstimmung eskaliert werden können. Stattdessen wurde der abgesagte Streik zu einem Sieg in der Mindestlohnfrage umgedeutet und zäh weiter verhandelt, und verhandelt, und verhandelt, und es machte sic breit:

5. Das Gefühl, gar nicht richtig gekämpft zu haben

Die Taktik der DB war eindeutig auf Sabotage, gerichtliche Angriffe und Verzögerungen zu setzen. Die EVG-Spitze hat sich dieser Taktik gefügt und weitgehend als Bittstellerin agiert. Lediglich zwei halbe Warnstreiks fanden statt. Die Stimmung vor dem 50-Stunden-Streik war gut und ließ hoffen. Spätestens nach dem Frankfurter Urteil hätte der Fokus auf der Vorbereitung eines unbefristeten Erzwingungsstreiks liegen müssen. Doch der Verhandlungsführer Loroch wurde nicht müde zu sagen: „Lösungen gäbe es nur am Verhandlungstisch.“ Und hier bestimmten Seiler und der Konzern das Tempo.

Zurück bleibt das verbreitete Gefühl, das wir mehr hätten erreichen können – und mit wir ist die einfache Mitgliedschaft in den Betrieben gemeint. Das 48 % mit NEIN gestimmt haben ist nicht einfach nur die Ablehnung des Schlichterspruchs. Es muss auch eine Bereitschaft zu kämpfen darin gesehen werden, die auch trotz eines zähen Vierteljahrs noch da war – oder gerade deswegen.

Schwierig wäre der Kampf sicher geworden, in manchen Betrieben ist der Organisationsgrad nicht hoch, hätte durch einen gut geführten Streik aber auch deutlich gehoben werden können. Aber, schwierig wäre es auch deshalb geworden, weil der BuVo selbst ja gar keinen Bock auf einen Erzwingungsstreik hatte. Er empfahl die Annahme des Schlichtungsergebnisses mit den Worten:

6. „Friss oder stirb!“

Auf eine immer ärmer gewordene Transparenz folgte eine demagogische Note. Wenn abgelehnt wird, dann müsse von vorne angefangen werden, alles auf Null, alles verloren. Mit dieser Perspektive, die suggeriert, dass das alles ist, was drin war, kann natürlich auch nicht mehr erstreikt werden. Dabei hätte eine gewisse Streikschwäche (auch der Streikkasse) dadurch ausgeglichen werden können, die Komplexität des Bahnbetriebs auszunutzen, beispielsweise durch einen Clusterstreik: Heute Ost und Süd und West, Morgen Mitte, Nord und Süd-Ost. Der Fahrplan verträgt so was nicht. Aber das nur als ein Beispiel. Die größte Schlagkraft wird gespürt, wenn überall zu jeder Zeit gestreikt wird, es täglich Streikversammlungen gibt, die selbst entscheiden, wie es weitergeht. Darauf aufbauend braucht es eine zentrale, von Delegierten der Streikversammlungen gewählte Streikleitung, die den gesamten Kampf koordiniert und sicherstellt, dass der Streik überall unterstützt wird. Damit hätte gewonnen werden können.

Weit davon entfernt, so zu kämpfen, wäre bei einem 75% – NEIN durchaus die Gefahr da gewesen, dass die DB ein Exempel an uns statuiert hätte, indem sie den Streik mit allen Mitteln bekämpft hätte. Seiler ist das zuzutrauen. Und der EVG-Vorstand-Mehrheit leider auch, dass sie hier willig eingeknickt wäre. Sie will „Sozialpartner“ sein, eine Niederlage wäre vielleicht nicht nur als unvermeidbar in Kauf genommen worden, sondern als Argument dafür genutzt worden zu sagen: „Besser, ihr hört beim nächsten Mal auf uns, wenn wir eine Empfehlung abgeben!“

7. Ein Riss geht durch die Gewerkschaft – gut so!

Dafür, dass BuVo und geschäftsführender Vorstand alle Kommunikationskanäle (die aber halt nicht so gut sind) in der Hand hat, konnte für ein NEIN (zu dem auch wir aufriefen) gut mobilisiert werden. In der Presse wurde bereits von einer zerrissenen Gewerkschaft gesprochen, Claus Weselsky bezeichnete die EVG mal wieder als „Trümmertruppe“.

Aber sehen wir es mal von dieser Seite: Es ist gelungen, eine Debatte in einer bisher relativ sicher und bürokratisch kontrollierten Gewerkschaft zu führen. Betriebsgruppen(-vorstände) hauten Aufrufe zum NEIN raus. Ohne eine große Unzufriedenheit und einen Druck, der anfängt, sich seine Kanäle zu suchen, wäre das nicht möglich gewesen. Und natürlich ist da der Druck einer anderen Gewerkschaft. Im Vergleich zur IG Metall etwa hat die EVG kein Monopol im Bahnsektor, die GDL spielt mindestens im Hinterkopf bei allen Erwägungen der EVG-Spitze eine Rolle. Was hier Dynamik brachte, ist mittelfristig jedoch nur schädlich. Wir sind davon überzeugt, dass die Spaltung zuerst der DB und zudem den Führungen von GDL und EVG nutzt, sie können auf die anderen zeigen und mit unterschiedlichen Begründungen sagen: „Wir sind nicht so wie die.“

Die Spaltung schadet uns nicht nur in den getrennt geführten Tarifauseinandersetzungen. Sie schadet uns noch viel mehr, wenn es darum geht, eine drohende „Bahnreform 2.0“, die Zerschlagung und weitere Privatisierung zu verhindern. Die GDL-Führung steht hier auf Seiten der Regierung und der privaten Bahnunternehmen, die EVG-Spitze ist zwar dagegen, einen Kampfplan zur Mobilisierung und zum Vollstreik gegen diesen Generalangriff hat sie aber auch nicht.

Der Riss der jetzt durch den EVG-Apparat bis runter zur Basis geht, ist nicht deckungsgleich mit dem JA / NEIN – Verhältnis. Es gibt auch die, die mit JA gestimmt haben und die Art und Weise, wie diese Tarifrunde lief, trotzdem bescheiden bis beschissen fanden. Es ist ein Riss in dem die Frage klafft: Wie und wofür wollen wir eigentlich kämpfen. Zentral damit verbunden ist die Frage:

8. Sozialpartnerin oder Kampforganisation?

Was soll die EVG sein? Kristian Loroch betont, es brauche Zeit die brüchig gewordene Sozialpartnerschaft mit der DB (von der im Übrigen auch die GDL spricht) wieder zu kitten. Aber wofür? Für Seiler und Lutz bedeutet Sozialpartnerschaft einen nützlichen Trottel (die Vorstände der Gewerkschaften) zu haben, der den Beschäftigten Kröten verkauft. Die Zeit der Sozialpartnerschaft ist vorbei, und der Konzern weiß das. Die Inflation, die kaputte Infrastruktur, die roten Zahlen, das eigene Vorstandsgehalt, die viel zu geringe Kohle von Volker Wissing – das alles lässt kaum Spielraum.

Er wird nur durch gut geführte Kämpfe vergrößert. Anstatt irgendein Vertrauen mit Martin Seiler wieder herzustellen, für das der sich innerlich kaputt lacht. Vielmehr sollten wir uns auf uns selbst konzentrieren; bilanzieren, diskutieren und aufstellen für das, was da alles kommt: die Tarifrunde unserer Kolleg:innen bei der GDL, eine Umstrukturierung bis möglicher Zerschlagung des Konzerns, die Tarifrunde 2025…Scheiß auf Sozialpartnerschaft, werde Kampforganisation, EVG!

9. Austreten, wechseln, oder was?

Die Stimmung in der EVG reicht von ganz zufrieden mit dem Ergebnis bis hin zu Resignation und Austritt.

Unterdessen leckt der Vorstand auf seine Weise Wunden. Die Hans-Böckler-Stiftung soll eine Studie machen und rausfinden, was (aus Sicht des Hauptamtes?) falsch lief. Bestimmt wird man zu dem Schluss kommen, dass die Verhandlung mit 50 Unternehmen gleichzeitig einfach zu viel war und dass die Kommunikation nicht rund lief, viele Kolleg:innen nicht nachvollziehen konnten, was gerade Phase war.

Und darüber hinaus?

Wir denken statt einer Studie braucht es jetzt die Debatte in der Mitgliedschaft der EVG über eine Neuausrichtung der EVG: Direkt gewählte Gremien, die jederzeitig wähl- und abwählbar sowie rechenschaftspflichtig sein müssen und wo Gewerkschaftsfunktionäre nicht mehr verdienen dürfen als einen durchschnittlichen Facharbeiter:innenlohn, von der Basis direkt geführte und kontrollierte Kämpfe, einen breiten und demokratischen Prozess für die Forderungen für 2025 und einen vorgezogenen Gewerkschaftstag, um Strukturen und Satzung zu ändern – es reicht jedoch nicht, nur den Vorstand auszutauschen! Die Wahl der Delegierten zum Gewerkschaftstag muss nach offener Diskussion in den Betriebsgruppen und unter den Kolleg:innen erfolgen. Wir müssen die Gewerkschaft von Grund auf ändern. Statt formal demokratischer, in Wirklichkeit aber von der Bürokratie dominierter Strukturen, brauchen wir eine Gewerkschaft, in der die Mitglieder das Sagen haben.

Wir brauchen einen Kampfplan gegen eine Bahnreform 2.0 genauso wie ein „Weiter-So!“ mit dem DB Konzern – wir sind für eine einzige staatliche Bahn!

Rechenschaftspflicht, Wähl- und Abwählbarkeit durch die Mitglieder muss alle Gremien einer kämpferischen Gewerkschaft auszeichnen. Tarifkommissionen und Streikleitung müssen gewählt und abwählbar sein.

Am Wichtigsten ist uns jedoch ganz unmittelbar einen gemeinsamen Kampf aller Eisenbahner:innen zu haben. Wenn ab November die Tarifrunde der GDL bei der Bahn startet, dann ist das richtige Signal in Richtung der Kolleg:innen der GDL, dass sich die EVG hier solidarisch zeigt. Und wenn es so war, dass GDL-Kolleg:innen bei der EVG hätten mitstreiken dürfen – dann gilt dass doch umgekehrt genauso, oder, EVG-Apparat?

Die Spaltung zwischen unseren Gewerkschaften, das gegeneinander Schießen – wir sind es Leid! Wer ist den eigentlich der Gegner? Die andere Gewerkschaft oder der Konzern? Wir sind davon überzeugt, dass ein gemeinsamer Kampf mit gemeinsamen, direkt von der Basis entwickelten Forderungen uns mehr, viel mehr bringt als dieses ganze „Wer ist die geilere Gewerkschaft?“ Strukturell sind beide ähnlich undemokratisch und eng mit dem Konzern. Beide müssen neu ausgerichtet werden. Ohne Druck aus der Basis wird es weder eine Zusammenarbeit beider Gewerkschaften geben, noch eine Vereinigung aller Eisenbahner:innen (und Verkehrsbeschäftigten) in einer Gewerkschaft, in der wir selbst die Hebel in der Hand haben.

Einfach nur austreten oder abseits stehen und kritisieren wird nichts ändern, es ist ein Abwarten darauf, dass die Gewerkschaften irgendwann besser werden und ein Vermeiden von anstrengender Arbeit…

Wenn ihr diese Ansätze gut findet und unsere Bilanz teilt, dann tretet mit uns in Kontakt, teilt sie, bringt sie in Eure Betriebe ein und kommt zum Bahnvernetzungstag am 21. / 22. Oktober in Berlin. Kontakt unter: info@bahnvernetzung.de




EVG-Urabstimmung: Ablehnung des Schlichtungsergebnisses!

Bahnvernetzung. Vernetzung klassenkämpferischer Eisenbahner:innen, Infomail 1229, 4. August 2023

Nach einem Monat hinter verschlossenen Türen liegt uns nun das Ergebnis des Schlichtung vor, das BuVo und Zentrale Tarifkommission uns nun zur Annahme empfehlen.

Warum wir dafür eintreten mit NEIN zu stimmen:

Viel zu lange Laufzeit!

25 Monate statt der geforderten 12—denken wir alleine daran, was in den

letzten 25 Monaten auf der Welt passierte, zeigt sich, wie fatal diese Laufzeit sein kann

Zu wenig Geld

  • erste Lohnerhöhung erst im Dezember 2023 und nur 200€

  • zweite Lohnerhöhung im August 2024 (210€)

  • dritte Lohnerhöhung schafft Spaltung nicht ab, sondern vergrößert sie teilweise

  • inflationsbereinigt ist der Abschluss noch immer ein Reallohnverlust

  • Gas: 2019-2023: +600% Lebensmittel: 2022-2023: +11%

  • gefordert waren 650 Euro— warum wird immer davon ausgegangen, das nicht zu kriegen?

Kröten, die nicht sein müssen

  • besondere Altersteilzeit von 59 auf 61

  • UBK-Wäsche ins Private ausgelagert

Viel Wind hat die EVG-Verhandlungsführung uns selbst aus den Segeln genommen, insbesondere seitdem das Frankfurter Arbeitsgericht den Warnstreik kassiert hat (was als Sieg im Thema Mindestlohn umgedeutet wurde). Viele sind unzufrieden. Damit, wie es lief, damit, was jetzt rauskam. Eine Ablehnung von – undemokratischen – 75 % kann uns den Wind zurückgeben. Zudem steht die Tarifrunde der GDL vor der Tür, viele ihrer Forderungen – z.B. eine 35 Stunden Woche – würden auch uns etwas bringen, aber die DB wird durch das Tarifeinheitsgesetz dafür sorgen, dass EVG Mitglieder nicht unter den EVG-Tarif fallen, GDL Mitglieder nicht unter den der GDL.

Anstatt uns Gegeneinander aufzustacheln und spalten zu lassen treten wir für die Zusammenarbeit zwischen EVG- und GDL-Kolleg:innen ein, wie wir das im Betrieb sowieso jeden Tag tun. Es braucht den unmittelbaren gemeinsamen Streik von beiden Gewerkschaften, dass kann nur von uns Bahner:innen selbst kommen, weder Burkert, noch Weselsky wollen das.

Auch wenn es diesmal transparenter läuft als 2020 ist das trotzdem nicht genug. Tarifkommission und zu bildende Streikkomitees müssen direkt wähl- und abwählbar sowie rechenschaftspflichtig sein, auf Betriebsversammlungen muss abgestimmt werden, wie gekämpft wird. Annahme / Ablehnung des Ergebnisses nach einfacher Mehrheit! Volle Transparenz: Wir wollen Einsicht in aller Verträge und Verhandlungsstände mit allen Unternehmen und Gewerkschaften.

Nächstes Treffen: 23.08.23 18:00 Uhr im Café Styles (Str. der Pariser Kommune 11)

Anmeldung unter: info@Bahnvernetzung.de




Nein zur Schlichtungsempfehlung

Martin Suchanek, Infomail 1229, 28. Juli 2023

„Einigung im Tarifstreit bei der Bahn absehbar“, verkündet die Tagesschau am 26. Juli. Nach mehreren Verhandlungswochen hinter verschlossenen Türen haben die Vorsitzenden der Schlichtungskommission, Prof. Heide Pfarr (SPD, von der EVG benannt) und Dr. Thomas de Maizière (CDU, von der Bahn AG ernannt), eine Empfehlung veröffentlicht. Diese sieht lt. EVG folgende fünf Punkte vor:

„1. Entgelt-Erhöhung in fast allen Bereichen um 410 Euro. Umgesetzt wird in zwei Stufen mit jeweiligem Festbetrag: Stufe eins 200 Euro im Dezember 2023 und Stufe zwei im August 2024 um 210 Euro.

2. Einmalzahlung, damit unsere Kolleginnen und Kollegen schnell Geld kriegen. Auszahlung von 2.850 Euro als steuerfreie Inflationsausgleichsprämie im Oktober 2023.

3. Strukturelle Entgelterhöhung kommt für fast 70.000 Kolleginnen und Kollegen. Verschiedene Funktions-/Berufsgruppen bekommen durchschnittlich nochmal 100 Euro monatlich dazu.

4. Keine Spaltung, alle Berufsgruppen sind im Tarifabschluss einbezogen. Wir konnten Spaltung durch Ausgrenzung verhindern.

5. Verkürzung der Laufzeit von 27 auf 25 Monate. Das bedeutet, dass die neue Tarifrunde bereits in 20 Monaten startet.“

Dass es bei der Schlichtung selbst zu keiner Einigung kam, lag wohl nicht an der Gewerkschaft EVG. Auf ihrer Homepage redet und rechnet sie das Ergebnis schön, ihre Schlichtungskommission empfiehlt dem Bundesvorstand die Annahme. Das letzte Wort, so heißt es weiter, hätten die Mitglieder, die bis Ende August über das Ergebnis in einer Urabstimmung entscheiden könnten.

Hört sich demokratisch an, ist es aber nicht, wie wir noch sehen werden. Doch zuerst kurz zur Einschätzung des Abschlusses.

Stärken?

Natürlich gebe es lt. EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch auch negative Aspekte der Empfehlung, diese würden aber durch die positiven Seiten eines guten Kompromisses weit überwogen.

„Für uns als EVG sehe ich in der Schlichtungsschlussempfehlung klare Stärken. Hervorzuheben ist, dass in der Laufzeit eine dauerhafte wirksame Entgelterhöhung erreicht wird. Das bedeutet für die allergrößte Zahl unserer Mitgliedschaft ein dauerhaftes Lohnplus im zweistelligen Bereich. Das ist eine Erhöhung, die es in dieser Größenordnung in Deutschland seit Jahrzehnten nicht gab – das haben unsere Kolleginnen und Kollegen mehr als verdient.“ (https://www.evg-online.org/meldungen/details/news/10862/)

Über die grassierende Rekordinflation, die Einkommenserhöhungen innerhalb von zwei Jahren wieder auffrisst, verliert Loroch kein Wort. Auch die ursprüngliche Forderungen – tabellenwirksame (!) 12 %, mindestens aber 650 Euro bei einem Jahr Laufzeit – werden nicht mehr erwähnt. Warum auch? Für die Schlichtungskommission waren schließlich längst nicht mehr die ursprünglichen Forderungen Verhandlungsziel, sondern die bei Privatunternehmen wie Transdev erzielten Abschlüsse (siehe dazu: https://arbeiterinnenmacht.de/2023/07/06/tarifkampf-der-evg-schlichtung-ablehnen/).

Nur so ist zu erklären, warum die EVG eine Laufzeit von 25 Monaten, die damit gerade zwei Monate unter der Forderung der Bahn AG bleibt, als „Erfolg“ verkauft.

Wie viele andere Gewerkschaftsapparate übt sich auch die EVG darin, das Ergebnis erst gar nicht mit den Forderungen direkt zu vergleichen, für die Zehntausende Kolleg:innen in den Warnstreik traten. Wozu auch? Damit würde es ja nur leichter durchschaubar und transparenter. Statt dessen rechnet die EVG die Entgelterhöhungen unzulässig hoch. So verkündet ihre Homepage folgende Zuwächse für ausgewählte Berufsgruppen:

„- Fahrdienstleiter*innen (307) bekommen bis zu 900 Euro mehr // das entspricht ca. 30 Prozent Lohnplus

– Zugbegleiter*innen (508) bekommen bis zu 840 Euro mehr // das entspricht ca. 22 Prozent Lohnplus

– Werkstattmitarbeiter*innen & Instandhalter*innen (107) bekommen bis zu 860 Euro mehr // das entspricht ca. 24 Prozent Lohnplus“.

Unterschlagen wird dabei nicht nur die Laufzeit von 25 Monaten. Würden wir die Zuwächse von 410 Euro auf ein Jahr beziehen, so kämen wir auf 196,80 Euro tabellenwirksame Lohnerhöhung pro Jahr – also nur weniger als ein Drittel der ursprünglich geforderten 650 Euro. Hinzu kommt, dass bei der Berechnung des Lohnplus die Einmalzahlung von 2.850 Euro munter mit den tabellenwirksamen Lohnerhöhungen in einen Topf geworfen wird. Schließlich beziehen sich die drei Beispiele auf Berufsgruppen, die eine über die 410 Euro hinausgehende zusätzliche Einkommenserhöhung erhalten sollen. Das betrifft rund 70.000 Bahnbeschäftigte in Jobs, die nicht nur für die EVG und ihre Verhandlungsmacht strategisch wichtig sind (insbes. Fahrdienstleiter:innen), sondern wo auch Personalmangel herrscht. Für Zehntausende andere Beschäftigte gibt es diesen Zusatzbonus nicht – eine klare Spaltungslinie, die die EVG-Schlichtungskommission stillschweigend akzeptiert.

Nein zur Schlichtungsempfehlung!

Ein solches Ergebnis stellt keinen „guten Kompromiss“, sondern einen frechen und schlechten Ausverkauf dar. Daher rufen nicht nur wir, sondern viele kritische Bahner:innen wie z. B. die „Vernetzung klassenkämpferischer Eisenbahner:innen“ dazu auf, bei der Urabstimmung gegen die Schlichtung und für einen Streik für die ursprünglichen Forderungen zu stimmen.

Dass dabei, wie die EVG-Spitze verkündet, die Mitglieder das letzte Wort hätten, ist auch eine Lüge. Erstens wurden sie nie gefragt, ob sie überhaupt in die Schlichtung gehen wollten. Das entschied der bürokratische Apparat ganz alleine. Er beschloss ohne Befragung, geschweige denn Diskussion der Basis, nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen eine „Zwischenrunde“ einzuschieben, in der die Kolleg:innen über Wochen nur eines tun konnten – warten. Diese erzwungene Passivität nützt tragischerweise auch noch der Gewerkschaftsbürokratie. Nach Monaten von langgezogenen, fruchtlosen Verhandlungen, zwei Halbtagswarnstreiks, einem gerichtlich faktisch untersagten Warnstreik (was in einem Vergleich zu einem Sieg umgedeutet wurde) und wochenlangen Schlichtungsgesprächen hinter verschlossenen Türen sind viele unmotiviert, frustriert und teilweise auch nur froh, dass das alles endlich vorbei ist.

Hinzu kommt, dass in der schönen bürokratisch organisierten Veranstaltung namens Gewerkschaftsdemokratie für die Ablehnung der Schlichtung und die Durchführung von Streiks 75 % der Stimmen notwendig sind. Eine einfache Mehrheit reicht nicht – eine Minderheit aber sehr wohl zur Annahme der Schlichtung!

Zudem verfügt der Gewerkschaftsapparat über das Informationsmonopol. Nur er kann alle Mitglieder erreichen, er bestimmt die öffentlichen Verlautbarungen und den Inhalt der „Tarifinformationen“, die mit mehr oder weniger gleicher Einschätzung auch von den bürgerlichen Medien verbreitet werden.

Dass der Apparat und die Führung der EVG die Annahme der Schlichtung empfehlen, sollte aber niemand wundern. Als getreue Sozialpartner:innen wollten sie nie einen Vollstreik für die Forderungen, der Monate dauern und sich womöglich mit der Tarifrunde der GDL überschneiden könnte. Dabei wäre das für alle kämpferischen Beschäftigten – in der EVG und in der GDL – eine Chance, die unsägliche Spaltung, die zuerst den Apparaten, vor allem aber der Bahn AG und den Bahnzerschlager:innen in der Regierung und bei den Unionsparteien nutzt, zu beenden. Ein drohender Ausverkauf und eine zweijährige Laufzeit werden auch diesen anstehenden, entscheidenden Kampf massiv erschweren.

Daher:

  • Nein zur Schlichtung! Erzwingungsstreik für 12 %, mindestens aber 650 Euro bei einem Jahr Laufzeit!

  • Vollversammlungen in den Betrieben, Werkstätten, Abteilungen und Betriebsgruppen zur Diskussion über die Schlichtung und Abstimmung über die Empfehlung!

  • Erstellung von Informationsmaterial für die Beschäftigten, das erklärt, warum die Ergebnisse der Schlichtung abzulehnen sind!

  • Aufbau einer klassenkämpferischen Opposition in EVG und GDL! Aufbau der Vernetzung klassenkämpferischer Eisenbahner:innen!



Warum wir die Schlichtung und ihr Ergebnis ablehnen und für einen gemeinsamen Kampf von GDL und EVG sind.

Bahnvernetzung. Vernetzung klassenkämpferischer Eisenbahner:innen, Infomail 1228, 13. Juli 2023

Die Deutsche Bahn AG hat nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen mit der EVG eine Schlichtung vorgeschlagen – der BuVo folgte mehrheitlich der Empfehlung des Vorstandes darauf einzugehen. Das Ergebnis der Schlichtung soll danach urabgestimmt werden.

Wir lehnen das ab und sagen:

  • Nein zur Schlichtung! Das Verfahren ist bereits formal undemokratisch. Am Ende reichen 25 % aller abstimmenden EVG-Mitglieder um das Ergebnis anzunehmen, während es 75% ablehnen müssen, um in einen Erzwingungsstreik zu treten. Kolleg:innen, die unter den EVG-Tarifvertrag fallen, werden ausgeschlossen, wenn sie in der GDL oder in keiner Gewerkschaft sind.

  • Wir fordern den Abbruch des Verfahrens und eine Urabstimmung JETZT und schnellstmöglich über den Erzwingungsstreik – und zwar bei allen Unternehmen, für die verhandelt wurde und wird. Der Transdev-Abschluss kann nicht das Ziel sein – Keine Kompromisse und keine Verschlechterung: 12 %, mindestens 650 Euro, 1 Jahr Laufzeit! Das Schlichtungsverfahren bedeutet weitere Geheimgespräche und Intransparenz hinter verschlossenen Türen. Wir geben in so einem Verfahren nicht nur die Kontrolle an gewerkschaftliche Verhandlungsführer:innen ab, die wir auch schon nicht wählen können, sondern auch an Schlichter:innen aus der Politik, die die immer auch das „Wohl des Konzerns“ im Auge behalten werden.

  • Anstatt uns Gegeneinader aufzustacheln und spalten zu lassen treten wir für die Zusammenarbeit zwischen EVG- und GDL-Kolleg:innen ein. Es braucht den unmittelbaren gemeinsamen Streik von beiden Gewerkschaften, dass kann nur von uns Bahner:innen selbst kommen, weder Burkert, noch Weselsky wollen das.

  • Statt einem undemokratischen Schlichtungsverfahren, das immer auch die Leiden des Managements berücksichtigen muss, brauchen wir einen Streik, der unter unserer direkten Kontrolle liegt. Auch wenn es diesmal viel transparenter läuft als 2020 ist das trotzdem nicht genug. Tarifkommission und zu bildende Streikkomitees müssen direkt wähl- und abwählbar sowie rechenschaftspflichtig sein, auf Betriebsversammlungen muss abgestimmt werden, wie gekämpft wird. Annahme / Ablehnung des Ergebnisses nach einfacher Mehrheit! Volle Transparenz: Wir wollen Einsicht in aller Verträge und Verhandlungsstände mit allen Unternehmen und Gewerkschaften.

  • Binden wir Reisende und Pendler:innen besser ein! Es braucht eine Kampagne unter Fahrgästen und die Forderungen, dass nicht sie mit Fahrpreiserhöhungen die Zeche zahlen. Wir müssen klar machen, dass höhere Löhne für das Bahnpersonal eine höhere Qualität für den Bahnbetrieb bedeutet. Der DGB steht hier in der Verantwortung eine Solidaritätskampagne zu fahren, die allen klar macht, warum der Streik der Bahner:innen unterstützt werden muss! Keine Abmahnung für Kolleg:innen, die wegen bestreikten Züge nicht zur Arbeit kommen! Genauso müssen EVG und GDL Arbeitskämpfe anderer Gewerkschaften unterstützen!



Tarifkampf der EVG: Schlichtung ablehnen!

Leo Drais, Neue Internationale 275, Juli/August 2023

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hat sich in der überaus zähen Tarifrunde mit der DB AG auf eine Schlichtung eingelassen, nachdem sie sich bereits in der Vorbereitung der Urabstimmung über einen Erzwingungsstreik befand. Diese wird auch kommen – das Schlichtungsergebnis soll urabgestimmt werden. Es ist zu erwarten, dass die EVG dann die Annahme empfiehlt, gerade mal 25 % der abstimmenden Mitglieder reichen dafür. Demgegenüber müssten 75 % das Ergebnis ablehnen, sprich für einen Erzwingungsstreik stimmen, damit dieser stattfindet.

Schachzug der Bürokratie

Das Ganze ist ein geschickter Zug der EVG-Führung, die in den letzten drei Monaten viel dafür getan hat, nicht zu streiken, die immer wieder betont hat, Lösungen gebe es nur am Verhandlungstisch, die eine Niederlage vor dem Arbeitsgericht Frankfurt zu einem Sieg umdeutete, die mit Transdev einen Abschluss gemacht hat, zu niedrig, zu lang in der Laufzeit, den sie wie mit dem Zaunpfahl winkend auch bei der DB gern genommen hätte – nur: Nicht mal diesen Abschluss wollte die DB akzeptieren.

Der Abschluss bei Transdev, dem größten privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) nach dem staatlichen der DB AG (Betreiber u. a. der Bayerischen Regiobahn, NordWestBahn, S-Bahn Hannover) beinhaltet eine Laufzeit von 21 Monaten und eine zweistufige Bruttofestgelderhöhung von 290 Euro ab November und 130 Euro ab August 2024; Nachwuchskräfte kriegen die Hälfte. Zusätzlich kommt eine Inflationsausgleichsprämie über 1.400 Euro. Daneben erfolgten Verbesserungen im Bereich der Zuschläge und noch Weiteres. Von den ursprünglichen Forderungen: Laufzeit 12 Monate, 650 Euro in die Tabelle ist dennoch nicht viel geblieben. Andere private EVU folgten dem Abschluss.

Die Bahn provozierte mit einem Angebot von 27 Monaten Laufzeit und einer Erhöhung von gerade mal 200 Euro in zwei Schritten (Dez 23, Aug 24, jeweils 100 Euro). Das „Angebot“ wurde von der Zentralen Tarifkommission (ZTK) abgelehnt und ebenso vom Bundesvorstand der EVG. Somit waren die Verhandlungen gescheitert.

Die Entscheidung ist wahrscheinlich Ausdruck von zwei Aspekten: Erstens kann natürlich eine Gewerkschaftsführung, auch wenn sie sich noch so sehr um die Sozialpartner:innenschaft mit den Bossen bemüht, nicht jeden Scheiß unterschreiben, zumal die EVG im Coronajahr 2020 komplett die Füße stillgehalten und unter dem Deckmantel der Beschäftigungssicherung eine Nullrunde unterschrieben hat – ohne irgendeine Vordiskussion mit der Basis.

Dieses Mal bemühte sich der Apparat von Anfang an, dem ganzen Verfahren einen demokratischeren Anstrich zu geben, natürlich weit ab von einer direkten Kontrolle durch die Mitglieder. Man organisierte Tarifwerkstätten und eine Mitgliederbefragung, beides mit deutlichen Schwächen. Bei Ersteren durfte zwischen drei Hauptforderungen nur eine gewählt werden, bei Zweiterer konnten alle mehrfach abstimmen, jedoch ohne, dass in dem Ergebnis irgendeine Verbindlichkeit lag; die Laufzeit fehlte gleich ganz.

Zudem hat sich in den vergangenen Jahren die Zusammensetzung des EVG-Apparates verändert. Mehr junge Gewerkschaftssekretär:innen und Ehrenamtliche sind abgefuckt davon, wie der Laden läuft. Zudem ist natürlich einerseits allen Gewerkschaftsoffiziellen klar, dass mit einem zu schlechten Abschluss Austrittswellen drohen, zum anderen, und das ist nicht zu unterschätzen, gibt es bei der Bahn anders als für die IG Metall bspw. eine relevante Konkurrenzgewerkschaft mit der GDL. Diese hat ihrerseits mittlerweile ihre Forderungen für die Tarifrunde ab Herbst aufgestellt, darunter eine 35-Stundenwoche für Schichtarbeiter:innen sowie 555 Euro mehr in die Tabelle. Schließt die EVG zu schlecht ab, gibt es für alle Mitglieder immer auch die Möglichkeit, zu ihr zu gehen, und das weiß natürlich der Apparat beider Vereinigungen.

Davon abgesehen ist es natürlich so, dass die Tarifkommissionen bei den unterschiedlichen Unternehmen anders zusammengesetzt sind.

Dann kam die DB mit dem Angebot einer Schlichtung um die Ecke und der EVG-Apparat witterte die Chance: ein guter Sozialpartner sein und gleichzeitig die Mitgliedschaft einbinden. Das Ergebnis der Schlichtung wird urabgestimmt, die Verantwortung über die Annahme der Mitgliedschaft in einem Verfahren überantwortet, das selbst formal undemokratisch ist. Am Ende klopfen sich EVG-Vizevorsitzende Cosima Ingenschay und Co. auf die Schulter und sagen: „Die Mitgliedschaft hat entschieden“, selbst wenn mehr als 50 % das Ding ablehnen sollten. Es scheint demokratisch, aber der ganze Weg dahin und die Abstimmung selbst waren und sind es nicht. Allein schon deshalb muss die Schlichtung abgelehnt werden. Immerhin einige, wenigstens die Vertreter:innen der Jugend, haben dies getan.

Annahme verweigern

Darüber hinaus ist erstens zu erwarten, dass bei der Schlichtung nicht das rauskommt, was ursprünglich gefordert wurde. Zwar gehört es zu den üblichen Ritualen in deutschen Tarifverhandlungen, weit unter den eigenen Forderungen abzuschließen, doch nur, weil es „schon immer so gemacht“ wird, wird es dadurch nicht richtiger. Warum wird nicht eskalierend vorgegangen? Eine DB, die ungestraft einfach mal 2 Monate gar nicht verhandelt hat, hätte es nicht anders verdient, als mit einem Erzwingungsstreik bestraft zu werden, wo mit jeden Tag die Forderung erhöht wird.

Zweitens muss die Schlichtung (und damit ihr Ergebnis) deshalb abgelehnt werden, weil sie nicht nur ein Zugeständnis an die Bahn darstellt, sondern auch, weil die EVG damit von dem Wohlgefallen der Schichter:innen abhängig wird. Diese kann sie zwar selbst mitbestimmen, zum Redaktionsschluss sind diese auch noch nicht bekannt, erfahrungsgemäß sind es jedoch Politiker:innen, die vorgeblich zwar über dem Konflikt stehen, jedoch immer auch das „Wohl des Konzerns“ im Blick behalten (wie die EVG-Spitze selbst auch; schließlich verteidigt sie die DB nicht aus fortschrittlichen Gründen gegen deren drohende Zerschlagung, sondern für den Erhalt des Status quo).

Wir sollten von der Schlichtung nicht mehr erwarten als den Transdev-Abschluss. Wir sollten sie deshalb ablehnen und, weil sie ein undemokratisches Verfahren ist, das am Ende mit der Urabstimmung einen demokratischen Touch erhalten soll. Unsere Mittel für einen Abschluss, der unseren Forderungen entspricht, sind noch nicht ins Spiel gebracht worden: Ablehnung des Schlichtungsergebnis, Durchführung des Erzwingungsstreiks.

Und wenn das Ganze sich schon bis in den Herbst hinzieht, dann liegt der gemeinsame Kampf mit den Kolleg:innen der GDL auch auf der Hand. Immerhin stehen wir täglich zusammen gegen diesen Konzern um Sicherheit und Pünktlichkeit auf der Schiene ein, das heißt, wir können auch zusammen gegen seinen Tarif kämpfen. Wir sollten gegenseitig die Forderungen durch die der höchsten von der anderen Seite ersetzen. Von den Führungen der EVG und der GDL gibt es in unterschiedlichem Maß daran kein Interesse, die Zusammenarbeit wird aus der Basis kommen müssen.

Genauso gilt das für ein Eintreten für wirklich demokratische Tarifrunden: Tägliche Betriebsversammlungen, direkt gewählte und rechenschaftspflichtige Vertreter:innen in der Tarifkommission. Abstimmungen über Annahme und Streik nach einfacher Mehrheit. Kann sein, dass ein solches Verfahren noch Jahre auf sich warten lassen wird. Trotzdem: Der Grundstein für eine Diskussion dazu muss jetzt in der Tarifrunde gelegt werden.

Und noch etwas müssen wir selbst in die Hand nehmen: GDL- und EVG-Chef:innen sind denkbar schlecht darin, der Medienhetze etwas entgegenzusetzen, wenn es zu Streiks kommt. Es wird einfach darauf verwiesen, dass diese rechtens seien – das heißt im Umkehrschluss dann eben auch, ein gerichtliches Streikverbot kampflos zu akzeptieren.

Streik und Reisende

Wie können die Reisenden also mitgenommen werden? Es gibt gleich mehrere Möglichkeiten. Erstens: Einbeziehung durch Erweiterung der Forderungen. Keine Fahrpreiserhöhung, kostenloser Nahverkehr und massive Angebotserweiterung, bezahlt durch die Profite von VW und Co. Zweitens: Aufklärung. Nicht die streikenden Kolleg:innen sind schuld an der Misere, sondern der Konzern und der Staat. Der Streik findet auch dafür statt, dass die Arbeitsbedingungen bei der Bahn besser werden. Verkehrswende braucht Eisenbahner:innen. Von diesen gehen in manchen Bereichen 70 – 80 Prozent in den nächsten zehn Jahren in Rente. Daher braucht es nicht nur einen massiven Ausbau des öffentlichen Verkehrs, sondern auch ein deutlich verbessertes Investitionsprogramm für Neueinstellungen!

Drittens: Gezielter Erzwingungsstreik. Es wäre durchaus möglich, gezielt und schwerpunktmäßig den Güterverkehr der Auto- und Schwerindustrie zu bestreiken und Personenverkehr zeitweilig auszunehmen, verbunden mit einem Streik im Bereich Vertrieb und Fahrkartenkontrolle. Das würde aber einen höheren Organisationsgrad brauchen und vor allem wäre dafür die Voraussetzung, dass wir als Beschäftigte den Streik selbst kontrollieren. Die Ironie wäre dann übrigens, dass der Reiseverkehr auf einmal pünktlicher wäre – in einem vollen, heruntergefahrenen Netz fällt es auf, wenn die Züge fehlen, die die bedeutendsten Industrien des Landes bedienen, also jene, die seit Jahrzehnten für einen chronische Benachteiligung der Schiene verantwortlich sind.




Deutsche Bahn: Zwischen Tarifkämpfen und Umstrukturierung

Leo Drais, Neue Internationale 274, Juni 2023

An sich kann so ein Eisenbahnsystem eine feine Sache sein, das Rückgrat einer umfassenden Verkehrswende, überall auf dem Kontinent in einem stabilen Netz mit hoher Taktung und für alle da.

Züge werden sicher auf einem Gleis geführt. Eine ganze Reihe an funktionierenden Sicherungssystemen wie Stellwerken oder Zugbeeinflussungen sorgt dafür, dass keine Kollisionen passieren und Weichen und Bahnübergänge sicher befahren werden können. Geschehen einmal menschliche Fehler, greift die Technik ein. Ein gut ausgebildetes Eisenbahnpersonal weiß mit Störungen souverän umzugehen, hat dafür ein widerspruchsfreies und anwendungsorientiertes Regelwerk zur Hand und ist für Reisende überall mit Rat und Tat da.

So faszinierend wie ausgereift.

Und dann noch der bestechende Vorteil in der Klimabilanz. Das System wird flächendeckend mit Strom aus erneuerbaren Energien durch eine Oberleitung versorgt und muss seine Energie daher nicht mitführen. Beim Bremsen wird eine große Menge Strom zurückgespeist, wobei der Energieverbrauch pro Tonne sowieso schon viel geringer als bei Straßenfahrzeugen ist. Durch die geringe Reibung zwischen Stahlrad und Schiene kann ein durchschnittlicher erwachsener Mensch eine 80 Tonnen schwere Lok im ebenen Gleis von Hand verschieben.

Die schöne Welt der Eisenbahn.

Nur, so ist sie nicht.

Sinnbildliche Entgleisung

In der deutschen Bahnwelt ist das alles höchstens teilweise vorhanden, wenn überhaupt. Verspätungen und Ausfälle kennen alle. Weniger bekannt ist, was die Ursachen dafür sind. „Gründe dafür sind Verzögerungen im Betriebsablauf“, eine euphemistische Tautologie, eine schöngerechnete Statistik, ausgefallene Züge gelten nicht als verspätet. Der Streik der EVG Ende März bedeutete für DB Fernverkehr den pünktlichsten Tag seiner Geschichte – wo kein einziger Zug fährt, kann doch im DB-Neusprech auch keiner verspätet gewesen sein?

Die Verzögerung ist doch nicht anderes als eine synonyme Verspätung, aber warum gibt es sie? Da sind die Gleise, die nicht mehr vorhanden sind oder nur noch eingeschränkt befahren werden können. Da sind die Züge, die kaputt sind, ohne Ersatz. Da ist das Personal, das es nicht gibt. Aber auch das sind ja Symptome, keine Ursachen einer privatwirtschaftlich ausgerichteten Bahn im Staatsbesitz. So bleibt man gerade auf einem durchschnittlich soeben noch erträglichen Level, dort festgehalten von Kolleg:innen, die trotz literweise Eisenbahnherzblut die Schnauze voll haben und sich sagen „So geht es nicht weiter!“, und am nächsten Tag geht es doch weiter, irgendwie, vielleicht sogar mal zufällig ganz nach Plan. Der Zusammenbruch des Bahnbetriebs droht nicht an einem Tag X in der nahen Zukunft, er findet täglich statt, mal nur punktuell, dann regional und beim nächsten Herbststurm mal wieder flächendeckend.

Dass es so nicht weitergehen darf, dieser Meinung sind auch FDP, CDU und Grüne. Sie meinen, die Fehler der ersten Bahnreform von 1994 erkannt zu haben und fordern schon länger eine Bahnreform 2.0. Was die SPD im Koalitionsvertrag noch durch Verklausulierung abtun wollte, wurde im April von der Union mit einem Reformpapier wieder in die Debatte getragen. Leider darf man nicht darauf hoffen, dass die Bestrebungen im Bundestag wie alle anderen Absichtserklärungen zu einer besseren Bahn im Tagesgeschäft von Parlament und Autoministerium untergehen. Es scheint, als würde die Bahn ab 1. Januar wirklich von allen Problemen befreit – InfraGo!

Die Ideen der Union einerseits und von FDP und Grünen in der Ampel andererseits sind nicht deckungsgleich, aber teilen eine gemeinsame Motivation: die weitere Trennung von Netz und Betrieb, eine Losung, die bereits bahntechnische Ahnungslosigkeit, dafür politischen Neoliberalismus offenbart.

Das Rad-Schiene-System ist eines, wo kurz gesagt im Zug Triebfahrzeugführer:innen sitzen und diesen fahren und vom Stellwerk aus Fahrdienstleiter:innen diesen lenken. Beide gestalten Bahnbetrieb, netz- und fahrzeugseitig. Kein anderes Transportsystem verfügt über eine innigere Verbindung zwischen Fahrweg und Fahrzeug. Allein schon deshalb ist beide voneinander zu trennen nichts anderes als eine sinnbildliche Entgleisung.

Aber aus neoliberaler Sicht macht diese seit Jahrzehnten Sinn. Denn während es (Großbritannien hat es vorgemacht) kaum möglich ist, die sehr aufwendige und komplexe Fahrweginfrastruktur gewinnbringend zu privatisieren, ohne dass sie binnen kürzester Zeit wirklich unbefahrbar wird, ist das mit Fahrzeugen eher möglich. Immerhin operieren sich gegenseitig im Weg stehend in Deutschland mittlerweile 400 sogenannte Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) auf den Gleisen der bundeseigenen DB Netz AG, wobei hinter vielen dieser EVU auch nur große Monopole oder Töchter anderer europäischer Staatsbahnen stehen.

KaputtGo

Die Ampel sieht vor, ab dem 1. Januar 2024 die Infrastruktursparten DB Netz und DB Service und Station zusammenzuführen – Name: InfraGo, „Infrastruktur gemeinwohlorientiert“, ein Ansatz der im Gegensatz zum Begriff der Gemeinnützigkeit zu nichts verpflichtet.

Das ist sicher sinnhaft, immerhin ist die Trennung zwischen Bahnsteigkante (DB Service und Station) und Gleis (DB Netz) eine Lücke, die Reisende beim Einstieg in den Zug (der dann DB Regio oder Abellio oder Transdev  oder … gehört) zwar mühelos überschreiten, aber innerbetrieblich mitunter unüberwindbar scheint. Diese Infrastruktursparte, zu der DB Energie wiederum nicht gehören soll, obwohl ein Zug so wenig ohne Strom oder Diesel fahren kann wie ohne Gleis, soll zu 100 Prozent im „integrierten DB-Konzern“ verbleiben.

Aber was steht sonst noch im Koalitionsvertrag? Man wolle die DB in öffentlicher Hand weiterführen, man wolle die Struktur und Transparenz verbessern, die Infrastruktursparte dürfe ihre Gewinne behalten, und man beabsichtige, mehr in letztere zu investieren. Außerdem würden die EVU markt- und gewinnorientiert weitergeführt.

Diese Klauseln lassen viel Spielraum. Klar ist jedoch, dass man zwischen einem „Weiter so“, einem „Irgendwie muss es besser werden“ und einem „Da lässt sich doch Geld mit verdienen“ liegt. Am grundlegenden Gedanken – der Staat pumpt Steuergeld in die Infrastruktur, die EVU fahren auf dieser, unterbieten sich und verdienen Geld, das auf Kosten der Reisenden und Beschäftigten in privater Hand (oder der anderer DB-Unternehmen oder Staatsbahnen) landet – wird nichts geändert. Letzteres ist in den vergangenen Jahren im Nahverkehr wiederholt in die Hose gegangen, Stichwort Abellio Baden-Württemberg.

Darüber hinaus lassen die Ideen der Ampel die Tür zu einer Teilprivatisierung anderer DB-Teile außerhalb der Infrastruktur offen, schließen dafür die, durch die von staatlicher Seite her Investitionen ins rollende Material (bspw in eine große europäische Nachtzugflotte) stattfinden sollten.

Die Pläne der Union laufen demgegenüber auf eine offenere Zerschlagung hinaus. Sie will eine Autobahn-GmbH 2.0, sprich die Schieneninfrastruktur in eine GmbH des Bundes überführen. Scheuer weiß eben, wie es geht. Begründet wird dies damit, dass bei einer AG wie der DB der Durchgriff der Eigentümerin ins Geschäft des Konzerns fehle, eine GmbH ermögliche diesen. Der DB-Konzern solle weiterhin ein international tätiger Logistikkonzern bleiben – immerhin ist DB Schenker die Profitperle von dem Laden, der außerdem „im Hinblick auf China“ stark bleiben müsse.

Weder der eine noch der andere Plan wird uns ein Eisenbahnsystem bringen, das dem beschriebenen Verkehrswendetraum aus der Einleitung näher kommt. Weder InfraGo im DB-Konzern, noch eine bundeseigene Schienen-GmbH ändern etwas an den neoliberalen strukturellen Problemen, nichts daran, dass beim gegenwärtigen Planungsrecht und Investitionsstau der Ausbau der Oberleitung noch 175 Jahre dauert, bis das gesamte Netz elektrisch fährt. Es ändert nichts daran, dass das, was 30 Jahre lang zerstört, runtergefahren und entlassen wurde, unter kapitalistischen Bedingungen nicht in ein, zwei Jahren repariert, ausgebaut, eingestellt, ausgebildet ist. Es verkleinert nicht den Managementwasserkopf auf das gesamte Bahnsystem hin betrachtet, wo jedes Unternehmen natürlich seinen eigenen hat. Es ändert nichts an der politischen Bevorzugung der Straße gegenüber der Schiene. Deutschland – Autoland, passend waren die Ex-Chefs der DB Mehdorn und Grube Zöglinge der Autoindustrie, und keiner von beiden hatte vergessen, wer ihn groß gemacht hat.

Und es bleibt vermutlich dabei, dass die Schweiz 5 – 6 mal mehr pro Kopf in die Schiene steckt als die BRD.

Und die Gewerkschaften?

Die unterschiedliche bahnpolitische Ausrichtung von Union und Ampel findet ihren Spiegel in den Gewerkschaften EVG und GDL und passt „zufälligerweise“ zum Parteibuch ihrer Vorsitzenden.

Die „Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer“ (GDL) mit ihrem großen Vorsitzenden Claus Weselsky (CDU) steht für eine Zerlegung des DB-Konzerns, die „Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft“ (EVG) mit dem ehemaligen SPD Bundestagsabgeordneten Martin Burkert an der Spitze der Bürokratie will die DB behalten.

Hinter beidem steht ein politisches Kalkül der jeweiligen und konkurrierenden Apparate. Die DGB-Gewerkschaft EVG ist historisch eng mit dem DB-Konzern verflochten. Der frühere Vorsitzende der Vorgängerin Transnet, Norbert Hansen, ist damals dann auch mir nichts, dir nichts vom Vorstand der Gewerkschaft in den des Konzerns gewechselt. Viele ihrer Mitglieder arbeiten in Büroetagen der DB AG und es ist vor allem dieser Konzern, wo die EVG insgesamt eine Mitgliedermehrheit gegenüber der GDL hat. Zudem gibt es wohl hunderte EVG-Betriebsräte, die ihr Pöstchen eben in einem der vielen DB-Wahlbetriebe besetzen, wo die GDL bisher nicht gut ihren Fuß reinbekommen hat. Logisch, dass da im Apparat die Alarmglocken schrillten, als die FDP und Grünen während der Koalitionsverhandlungen mit ihren Zerschlagungsplänen um die Ecke kamen. Es wurde eine Demo in Berlin organisiert, und die mit dem EVG-Apparat verbundene SPD setzte die oben beschriebenen Klauseln durch. Hauptsache, erstmal regieren! Jetzt machen ihre Koalitionär:innen Ernst und es hängt tatsächlich an der SPD, ob und in welcher Form InfraGo kommt.

Die GDL (Mitglied im historisch konservativen Beamtenbund) rechnet dafür darauf, dass eine Zerschlagung der DB ihren Einfluss im Eisenbahnsektor unterm Strich vergrößern würde. Sie ist in der DB vor allem in Opposition zur EVG und hierin durch härter geführte Tarifkämpfe und ein verbal lauteres Donnerwetter groß geworden. Die von der Transnet Verratenen fanden eine Alternativgewerkschaft, die seither vieles durchsetzten konnte, was die EVG dann nachgetragen bekam. Trotzdem – und hier kommt das von Burkert und SPD mit gebaute und verabschiedete Tarifeinheitsgesetz ins Spiel – hat in vielen der DB-Unternehmen die EVG die Mehrheit oder ihr wurde sie zweifelhaft zugesprochen (S-Bahn Berlin). Heißt: Der Tarifvertrag der EVG gilt, nicht der der GDL. Und es ist was dran, wenn Claus Weselsky der DB eine größere Nähe zur EVG vorwirft. Trotzdem und ganz gleich, ob darin mehr Kritik oder Neid liegt (auch die GDL-Spitze will zuerst Sozialpartnerin sein, auch ihre Führung verbringt mehr Zeit mit Vorständen und Aufsichtsräten als mit den Beschäftigten an der Basis), Weselsky musste die Kränkung erfahren, dass die EVG beim Streik aufgrund einer besseren Organisiertheit in den Stellwerken das schaffte, was der GDL bisher nicht gelang – weitgehender Stillstand auf den Schienen.

Während sich die GDL in den letzten Jahren bei Tarifverhandlungen oft als die kämpferischere Gewerkschaft präsentierte, steht sie bei der Frage der Zerschlagung der DB deutlich rechts von der EVG. Während letztere ein Bündnis mit Bahnvorstand und der SPD in dieser Frage sucht, sekundiert die GDL den Neoliberalen von CDU, FDP und Grünen und der Seite der konkurrierenden Kapitalfraktionen.

Vom GDL-Vorstand gibt es daher erst gar keine Vorbehalte gegen die weitere Bahnprivatisierung. Doch auch die EVG-Spitze spricht nicht wirklich an, was notwendig wäre, um die Eisenbahn stabil einzugleisen, so dass es heißen muss: Nein zur Zerschlagung der DB, aber auch kein weiter so als DB! Keine Kungelei mit dem DB-Vorstand in dieser Frage! Einem technisch untrennbaren System muss nicht nur eine ebensolche organisatorische Struktur entsprechen. Es kommt auch darauf an, wer diese in wessen Interesse kontrolliert und umbaut – in der eines staatlichen, gewinnorientierten Konzerns oder in dem der Beschäftigten und lohnabhängigen Nutzer:innen? Das heißt, eine verstaatlichte europäische Bahn ohne Gewinnausrichtung und unter Kontrolle der Lohnabhängigen und Nutzer:innen muss das Ziel sein!

Dies wäre ein Schritt zu einem integrierten, europäischen Verkehrssystem. Ein solches wird jedoch auf privatkapitalistischer Basis nie zu haben sein, es erfordert nicht nur technische Kompetenz, massiven Ausbau des öffentlichen Verkehrs und dementsprechende Neueinstellungen, sondern auch eine demokratische planwirtschaftliche Reorganisation der gesamten Produktion und Infrastruktur im Verkehrssektor.

Ansatz Tarifrunden

Spricht man diese Vorstellungen aus, treffen sie auf Zustimmung und offene Ohren unter Kolleg:innen, aber in der Folge darauf sofort auch auf Resignation und Fatalismus. Daran tragen beide – GDL wie EVG – ihren Anteil. Ihre Politik läuft darauf hinaus, der neoliberalen Realität eines zerstörten Bahnsystems nicht eine andere mögliche Realität entgegenzuhalten, sondern wesentlich den eigenen Platz in hunderten Bahnunternehmen zu finden und ihn der anderen Gewerkschaft nicht zu überlassen. Gesetzen wird sich sogar verbal gefügt, der Realität sowieso. „Es ist nun einmal so, wie es jetzt ist, die Bahnreform ist lange passiert, es gibt kein Zurück mehr.“ Visionen werden als Träumerei abgetan, nett zwar, aber eben – unrealistisch.

Es ist die Aufgabe aller linken Eisenbahner:innen klarzumachen, dass das Jetzt keine Unvermeidlichkeit darstellt, eine andere Bahn möglich ist, auch wenn sie nicht vom Himmel fällt und es viel Ausdauer dafür braucht. Ansätze dafür sind da. Wer das als Träumerei abtut, für den wird es schwerlich ein Erwachen aus dem gegenwärtigen Albtraum geben können.

Die künstliche Trennung zwischen Netz und Betrieb zu beenden, heißt die Spaltung zwischen den Eisenbahner:innen in zwei Gewerkschaften zu überwinden.

Was jetzt gerade zwar ein gewisses Feuer in die Tarifrunden bringt, ist auf lange Frist und in der täglichen Zusammenarbeit schädlich. Dass die gerade in Tarifverhandlungen stehende EVG-Spitze noch keinen schlechten Abschluss wie ver.di bei der Post oder im öffentlichen Dienst unterschrieben hat, liegt nicht nur daran, dass die Angebote der DB so beschissen waren und der Druck durch die Inflation hoch ist, sondern eben auch daran, dass im Hintergrund eine GDL lauert, die ab Herbst verhandeln und sich entsprechend auf alles konzentrieren wird, was die EVG nicht abschließt.

Darüber hinaus bringt die Spaltung zwischen EVG und GDL jedoch nur ihren Apparaten (beide existieren durch sie) und den Unternehmen was. Beide Apparate haben ein paternalistisches Verständnis ihren Mitgliedern gegenüber: Die EVG schrieb in ihrem letzten Aushang so was wie „Wir verhandeln weiter, es kann jedoch sein, dass wir Euch nochmal brauchen.“ Beide wollen die Kontrolle über die Kämpfe behalten und nicht der Basis überlassen. Beide haben kein Interesse, die der DB vorgeworfene intransparente Struktur bei sich selbst durch direkte Wählbarkeit und jederzeitige Abwählbarkeit aller Funktionär:innen zu ersetzen, führen Tarifgespräche hinter verschlossenen Türen, tätigen Abschlüsse, die unter Umständen für viel Unmut sorgen.

Die drohende Zerschlagung der Bahn – um nicht immer beim verharmlosenden Wort Umstrukturierung zu bleiben – stellt letztlich für die Beschäftigten und Nutzer:innen einen noch grundlegenderen Angriff als die Tariffragen dar. Doch genau für diese sieht das deutsche Recht keine Streikmöglichkeit vor. Das erschwert natürlich objektiv die Kampfbedingungen, zumal die EVG-Führung peinlich darauf achtet, nicht über das gesetzlich Vorgegebene hinauszugehen. Umso dringender ist es, dass klassenkämpferische Gewerkschafter:innen in EVG und GDL das Spiel ihrer eigenen Führungen nicht länger mitmachen und einen gemeinsamen Kampf gegen die sog. Bahnreformen fordern, ein klares NEIN zu jeder Zerschlagung und weiteren Privatisierung. Um diesem Angriff entgegenzutreten, braucht es gemeinsame Belegschaftsversammlungen und die Vorbereitung von Arbeitskampfmaßnahmen bis hin zu unbefristeten politischen Streiks. Eine solche Bewegung bedarf zugleich der Unterstützung der gesamten Arbeiter:innenklasse, aller Gewerkschaften.

Das alles sind Punkte, um eine Opposition gegen festgefahrene und undemokratische gewerkschaftliche Strukturen, aber auch gegen die der Eisenbahn selbst aufzubauen, um überhaupt erstmal wieder die Diskussion darüber zu führen, wie alles anders sein könnte und wie wir konkret – per Bahn – dahin kommen.




Gericht erzwingt Absage des Bahnstreiks – EVG-Führung knickt ein

Martin Suchanek, Infomail 1222, 14. Mai 2023

Der Vorstand der Deutsche Bahn AG kann auf deutsche Gerichte zählen. Nachdem das Unternehmen die Gewerkschaft EVG und die Beschäftigten weiter mit Scheinangeboten hinhalten wollte, hatte die EVG einen 50-stündigen Warnstreik, beginnend am 14. Mai, beschlossen. So sollte der Druck auf den Konzern und andere Unternehmen im Kampf um die Tarifforderungen – 12 %, mindestens aber 650 Euro monatlich mehr für alle bei einem Jahr Laufzeit – erhöht werden.

Daraus wird nun nichts. Die Bahn AG versuchte am 13. Mai, den Warnstreik per Einlassung vor dem Arbeitsgericht Frankfurt/Main zu verhindern. Mit Erfolg: Die Richterin hatte laut Medienberichten in der Verhandlung mehrfach erklärt, dass sie den Streik für rechtlich problematisch halte. Mit dieser Verbotsdrohung im Raum verband das Gericht den „Vorschlag“ eines verpflichtenden Vergleichs zwischen Bahn AG und EVG. Die Bahn AG müsse, so der Vergleich, auf die Forderung nach Umsetzung des gesetzlichen Mindestlohns für rund 2.000 Beschäftigte eingehen – dafür müsse der Streik vom Tisch und eine intensive Verhandlungsrunde über die „restlichen“ Forderungen starten.

Von diesen Forderungen der EVG ist keine zugesagt. Die Gewerkschaftsführung gab angesichts eines drohenden Streikverbots und der vom Gericht in den Raum gestellten zusätzlichen Drohung, dass im Falle eines Verbots auch Schadenersatzzahlungen für die anderen Warnstreiks in Millionenhöhe auf sie zukommen könnten, klein bei. Sie ließ sich schlichtweg erpressen.

Es gibt nichts zu beschönigen

Die Bahn AG errang einen klaren Sieg, was sie triumphierend auch selbst betont. Für sie hat sich der Gang vor Gericht gelohnt – zahlen sollen dafür die Beschäftigten.

Und die EVG-Spitze? Sie knickt ein. Ein Streik, der ohnedies abgeblasen wird, braucht schließlich nicht verboten zu werden. Sie verzichtet darauf, selbst vor Gericht für das Streikrecht zu kämpfen, sie lässt sich von dessen Drohszenarien einschüchtern – und sie verzichtet erst recht darauf, dessen unverhohlene Parteinahme für die Bahn AG, diesen klaren Akt von Klassenjustiz anzuprangern.

Da die EVG nicht wie eine vorgeführte Papiertigerin dastehen will, macht sie auch noch gute Miene zum bösen Spiel – und es damit noch schlimmer. In einer eigenen Presseerklärung entblödet sie sich nicht, die Niederlage als Erfolg auszugeben. So erklärt ihr Verhandlungsführer Loroch: „Schon die Androhung des Warnstreiks hatte Erfolg. Der Arbeitgeber hatte vor Gericht unmissverständlich erklärt, dass er unsere Forderungen zum Mindestlohn erfüllt. Auf Anraten des Gerichts haben der Arbeitgeber und wir einen Vergleich geschlossen.“

Der/Die Arbeit„geber“:in gibt einer Forderung nach und hält an der Ablehnung aller anderen fest. Dieser „Erfolg“ reicht – und die EVG setzt den Streik „vorerst“ aus.

Für die Beschäftigten bei der Bahn bedeutet das einen herben Rückschlag. Statt ihre eigenen Kräfte für die Tarifrunde und den Kampf gegen die drohende „Reform“ der Bahn zu stärken, knickt die Gewerkschaftsführung ein. Bei den kommenden Verhandlungen droht ein Ausverkauf durch den Apparat. Dazu müssen alle klassenkämpferischen Kolleg:innen jetzt klar und deutlich NEIN sagen. Vor Gerichten und in Mauschelrunden mit der Bahn AG wird nichts zu holen sein. Statt den schrittweisen Rückzug anzutreten und diesen schönzureden, muss von der EVG gefordert werden, die Verhandlungen für gescheitert zu erklären und die Urabstimmung zur Durchsetzung der Forderungen möglichst rasch einzuleiten.

Darüber hinaus rächt sich die über Jahre von der EVG-Führung besonders intensiv betriebene Politik der Klassenzusammenarbeit mit Unternehmen und Regierung. 2015 unterstützte die EVG gegen andere Gewerkschaften und die Interessen der Arbeiter:innenklasse das Gesetz zur Tarifeinheit, also eine weitere massive Einschränkung des Streikrechts. Jetzt wenden sich genau jene Gerichte gegen die EVG, die ihre Spitze dereinst gegen andere in Stellung bringen wollte. Vertrauen in die Bürokratie ist also fehl am Platz.

Folgerungen

Für die Beschäftigen gilt es, zwei zentrale Schlussfolgerungen zu ziehen, gerade wenn es darum geht, wie der Kampf gegen den Konzern und die Klassenjustiz erfolgreich geführt werden kann:

1. Die bürgerlichen Gerichte stehen auf Seiten des Kapitals. Die gesamte Gewerkschaftsbewegung muss die Erpressung durch das Arbeitsgericht Frankfurt/Main verurteilen und eine Kampagne gegen jede Einschränkung des Streikrechts starten. Am 13. Mai traf es die EVG, morgen kann es jede andere treffen.

2. Müssen sich die kämpferischen Gewerkschafter:innen in der EVG (und auch in der GDL) organisieren und dafür eintreten, dass die Tarifrunde unter Kontrolle der Basis, von gewählten, abwählbaren und rechenschaftspflichtigen Tarifkommissionen und Streikleitungen geführt wird. Die gute Nachricht zum Schluss: Dazu gibt es einen ersten Ansatz: die Bahnvernetzung von Kolleg:innen aus EVG und GDL. Unterstützt die Kolleg:innen oder, noch besser, wenn ihr Bahner:innen seid, schließt Euch ihr an!




EVG und ver.di: vom Verkehrsstreik zum Erzwingungsstreik zum Verkehrswendestreik

Leo Drais, Neue Internationale 272, April 2023

Der 27. März 2023 galt schon als Superverkehrsstreiktag, bevor er überhaupt anbrach. Die bloße Ankündigung des Warnstreiks genügte, damit die Deutsche Bahn bereits von vornherein sagte: „Wir stellen den Fernverkehr für einen Tag komplett ein.“ Auch wenn die EVG den Warnstreik nur für die Zeit von 4 bis 15 Uhr angesetzt hat, tut sich die Bahn mit dem Komplettausfall einen wirtschaftlichen Gefallen: Am Dienstag stehen die meisten ICE an der richtigen Stelle. Nebenbei lässt sich so die Pünktlichkeitsstatistik ein bisschen frisieren. Schließlich meint die DB ja, ausgefallene Züge seien nicht verspätet.

An manchen Ort geht an diesem Montag fast gar nichts. In München oder Leipzig fahren weder S-Bahnen noch Busse, in Hamburg laufen keine Schiffe in den Hafen, auf allen Flughäfen außer Berlin streikt das Bodenpersonal, Autobahntunnel sollen gesperrt werden.

Dieser gemeinsame Warnstreik von ver.di und EVG liefert eine richtige Antwort auf die Verhandlungs„angebote“ der Kommunalen Arbeit„geber“:innenverbände (VKA) und der Deutschen Bahn in den parallel laufenden Tarifrunden im öffentlichen Dienst, an Flughäfen und in 50 Eisenbahnunternehmen. Aber es wird mehr brauchen, viel mehr, nicht nur wenn ein Ausgleich der Inflation erfolgen, sondern auch ausreichend Personal speziell im öffentlichen Nah- und Fernverkehr eingestellt werden soll.

Ungewohnt groß, gewöhnlicher Ablauf

Der gemeinsame Warnstreik von EVG und ver.di gibt im Ansatz eine Vorstellung davon, wie weh wir den täglichen Abläufen der Wirtschaft tun können, welche Macht wir eigentlich haben. Sicher wird dadurch „der Druck erhöht“, wie die Vorsitzenden Burkert (EVG) und Werneke (ver.di) es verkündet haben.

Abgesehen vom Ausmaß läuft der Montag jedoch in den üblichen eingelaufenen Bahnen der deutschen Sozialpartner:innenschaft und Tarifrundenrituale. Die Gewerkschaftsführungen kontrollieren, rufen auf, blasen ab. Man wird für die Zwecke der Bürokratie in Bewegung gesetzt, wobei – natürlich – Dampf abgelassen wird und am Ende vielleicht auch ein paar Prozente mehr rauskommen. Nicht mal Solidaritätsstreiks in den Verkehrsbetrieben, wo gerade nicht verhandelt wird, finden statt, obwohl das rechtlich durchaus möglich wäre. Somit wird in Berlin die BVG weiterfahren, während die S-Bahn steht.

Dass der Streik so massiv eingreifen, kann liegt in der Natur der Sache Verkehr, wobei die EVG mit einem Streik dieser Größe bei der DB durchaus auf neuen Gleisen fährt. 2018 hielt sie zwar einen Dreistundenstreik ab, der seinen Namen eigentlich nicht verdiente, darüber hinaus verfügt sie jedoch schlicht über keine Streikerfahrung. Gestreikt hat in der Regel die GDL. Zu ihr steht die EVG zumindest bei der DB in Konkurrenz, seit der Konzern das Tarifeinheitsgesetz anwendet: Wer die meisten Mitglieder in den jeweiligen DB-Betrieben hat, dessen Tarifvertrag wird angewandt. Die EVG profitiert dabei vor allem davon, dass sie deutlich mehr Fahrdienstleiter:innen als die GDL organisiert. Auch wenn der Organisationsgrad in dieser Berufsgruppe an manchen Orten erschreckend niedrig ist, reicht bereits ein bestreiktes Stellwerk, um den Fahrplan eines Knotens empfindlich zu stören. Das allein ist es, was dafür sorgt, dass die DB bereits vor dem Streik ankündigt, Züge flächendeckend ausfallen zu lassen.

Das anscheinend unvermeidliche Gegeneinander der Apparate von GDL und EVG wird durch das Tarifeinheitsgesetz dieses Jahr übrigens besonders absurd. Hat die EVG ihren Abschluss, ist die GDL mit Verhandeln dran. Während die EVG zum jetzigen Warnstreik sagt, dass alle, auch GDL-Mitglieder streiken dürfen, da sie zu den aufgerufenen Berufsgruppen gehören, sagt die GDL das Gegenteil: Die Friedenspflicht sei ausschlaggebend. Anstatt zusammen zu kämpfen, wird durch die Führungen beider Gewerkschaften seit Jahren die Spaltung in der Belegschaft vertieft – langfristig kann uns das nur schaden.

Erzwingungsstreik!

Die Kampfbereitschaft unter den Verkehrsarbeiter:innen ist groß. Trotzdem droht, wie bei der Post, dass die Gewerkschaftsführungen diese Bereitschaft aus feigem Eigeninteresse nicht nutzen und den Arbeitskampf eskalieren und einem trotzdem am Ende erzählen, wie gut dieser Abschluss sei. Das gilt es zu verhindern! Ein Vorspiel lieferte die EVG bereits bei der Bahn: Anstatt einen ganzen Tag zu streiken, wofür auf jeden Fall die Motivation da gewesen wäre, wird die Arbeit nur bis 15 Uhr niedergelegt. Man wolle auch „deeskalierend“ wirken und „nicht schon das ganze Pulver verschießen“. Wie kann man sich nur so den Wind aus den eigenen Segeln nehmen? Man kann, wenn man den Streik bürokratisch von oben herab kontrolliert!

Die Strategie der deutschen Regierung und Konzerne läuft darauf hinaus, vermittels der Inflation die Krisenkosten von Corona und Krieg auf die Arbeiter:innenklasse abzuwälzen. Genau das steht hinter dem angebotenen Blendwerk an Einmalzahlungen! Weil die Konkurrenz international schärfer wird, wird auch der Verteilungsspielraum kleiner, erst recht, wenn man Milliarden in die Aufrüstung stecken will. Schon allein deshalb bräuchte es auch von unserer Seite einen viel schärferen Kampf. Aber zumindest in der EVG haben Apparatstimmen schon gezwitschert, dass man es so weit nicht kommen lässt und man vor dem Sommer einen Abschluss anstrebt. Wenn das die Bosse wissen, müssen sie ja einfach nur abwarten.

In ver.di und EVG müssen wir auf Urabstimmungen über Erzwingungsstreiks hinarbeiten. Wir brauchen Debatten in den Betriebsgruppen, die genau das flächendeckend fordern müssen. Keine Tarifkommission darf ohne Zustimmung der Basis etwas abschließen. Im Gegenteil sollte diese direkt von der Basis gewählt werden und abwählbar sein, wenn die Delegierten scheiße abschließen. Um das überprüfen zu können, braucht es wiederum öffentliche Verhandlungen. Wir sollten auf Streikversammlungen selbst entscheiden, wie gekämpft wird und wann es reicht.

Aber von solchen basisdemokratischen Abläufen sind wir weit weg. Manchen Betriebsgruppen muss überhaupt erstmal Leben eingehaucht werden.

Streik und Verkehrswende

Nicht nur was den Ablauf des Arbeitskampfes angeht, läuft alles wie bekannt. Auch der Inhalt treibt nicht über das übliche mehr Geld hinaus. Weder EVG noch ver.di politisieren den Kampf wirklich für eine Verkehrswende. Obwohl es so naheliegt – höhere Löhne bedeuten attraktivere Berufe im Nahverkehr, wo in den nächsten Jahren teilweise über 70 Prozent in Rente gehen – ist das Thema politischer Streik natürlich Teufelszeug. Der sei halt verboten, was willkommene Ausrede ist. Schließlich ist es für einen Apparat bequemer, dass im Wesentlichen alles bleibt wie bisher. Heute heiße Worte, morgen im Aufsichtsrat.

Eine Verkehrswende wird weder durch Volker Wissing (VW) und die Ampel noch durch die Autokonzerne und Verkehrsbetriebe und auch nicht durch die Art und Weise, wie EVG und ver.di kämpfen, Realität werden, selbst dann nicht, wenn sich die Klimabewegung noch so sehr solidarisiert und den Apparaten ihre Unterstützung anbietet.

Ein Verkehrswende, die ihren Namen verdient, ist eine Kriegserklärung an eine Festung des deutschen Kapitalismus, die Autoindustrie. Sie muss dafür enteignet werden. Sie wird nur Realität werden, wenn wir sie gegen VW und den gleichnamigen Konzern erkämpfen, wenn wir nicht nur ein paar Stunden für mehr Lohn, sondern tagelang für einen kostenlosen Nahverkehr und seinen massiven Ausbau streiken, wenn wir die Busse in die Autobahnauffahrten stellen und den Beschäftigten in der Autoindustrie sagen: Solidarisiert euch, kämpft dafür, dass eure Autofabrik unter eurer Kontrolle und ohne Lohnverluste etwas Sinnvolles produziert!

Das ist zur Zeit sicher genauso weit weg wie basisdemokratische Streik- und Gewerkschaftsstrukturen. Aber die aktuellen Streiks bieten die Chance dafür, die Diskussion darüber voranzubringen. Zum Beispiel indem wir fordern, dass sich die DB im Tarifabschluss dazu verpflichtet, die Fahrpreise im Fernverkehr nicht zu erhöhen, oder indem wir uns dafür starkmachen, dass das 49-Euroticket durch eine Besteuerung des 22-Milliardengewinns von VW finanziert wird.




Unsere strategische Position ist nicht zu unterschätzen

Interview mit einem Bahnbeschäftigten, ursprünglich veröffentlicht auf klassegegenklasse.org, Infomail 1188, 12. Mai 2022

Frage: Lieber Genosse, danke, dass du uns ein Interview gibst. Magst du dich zu Beginn kurz vorstellen und erzählen, welchen Beruf du ausübst?

Antwort: Hi, freut mich auch. Ich bin A. und arbeite als Fahrdienstleiter bei der Deutschen Bahn. Wir machen so etwas Ähnliches wie Fluglotse:innen, nur eben mit Zügen. Wir überwachen und steuern den Bahnbetrieb in unseren Bahnhöfen und auf den Strecken, stellen Weichen und Signale und ohne unsere Zustimmung findet keine Zugfahrt statt.

Politisch bin ich Unterstützer der Gruppe Arbeiter:innenmacht. Außerdem bin ich aktiv beim Aufbau der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) und versuche, mich mit Kolleg:innen bei der Bahn zu vernetzen (bei Interesse können sich Eisenbahner:innen und andere Beschäftigte im ÖPNV an info@bahnvernetzung.de wenden). Soweit zu mir. Wichtig ist vielleicht noch, dass ich hier nur sehr begrenzt für meine Kolleg:innen von der VKG oder der Bahnvernetzung sprechen kann. Deswegen bitte ich die Leser:innen, das Interview vor allem als meine eigene Meinung zu verstehen.

Frage: In Belarus, Italien und Griechenland haben Beschäftigte im Transportsektor Waffenlieferungen sabotiert bzw. blockiert. Welche Rolle können Eisenbahner:innen im Kampf gegen den Militarismus strategisch einnehmen?

Ich denke, dass unsere strategische Position im Krieg nicht zu unterschätzen ist. Osteuropa ist durch die NATO seit Jahren hochgerüstet worden, was ohne den Schienenweg so kaum möglich gewesen wäre. Gerade wenn es um den groß angelegten Transport schwerer Waffen wie Panzer geht, bleibt auf dem Landweg fast nur die Schiene. Genauso hat Russland seine Panzer in Richtung der Ukraine geschickt, was die Kolleg:innen in Belarus ja zumindest etwas sabotieren konnten.

Sie und die Kolleg:innen in Pisa und bei der OSE haben gezeigt, dass Krieg keine Katastrophe ist, der wir uns einfach ergeben müssen. Der Krieg kann gestoppt, Kriegsgerät und Truppentransporte können aufgehalten werden – in Russland und in der NATO. Das setzt aber ein hohes Bewusstsein bei den Beschäftigten voraus und vor allem eine gute, militante Organisierung, sei es gewerkschaftlicher oder politischer Art.

Gleichzeitig bin ich natürlich dagegen, einfach jeden Zug in die Ukraine zu stoppen. Hilfsgüter und Geflüchtete – egal woher – müssen transportiert werden.

Frage: Warum sollten sich auch Eisenbahner:innen in Deutschland gegen den Krieg positionieren? Warum, denkst du, fällt es vielen Kolleg:innen so schwer, den internationalen Beispielen zu folgen?

Antwort: Egal ist der Krieg wahrscheinlich kaum wem und gegen den Krieg an sich sind sicher die meisten. Aber was heißt das schon, gegen den Krieg zu sein? Für viele bedeutet es, auf der Seite der Ukraine zu stehen. Die Deutsche Bahn und die Gewerkschaften EVG und GDL verbreiten das auch mehr oder weniger genauso. Das ist auf den ersten Blick auch irgendwo ziemlich gut zu verstehen, weil Russland eben den Überfall gestartet hat, Millionen in die Flucht treibt und die russische Armee Massaker wie in Butscha verübt hat.

Aber diese Idee, dass die Unterstützung der Ukraine und ein Sieg Selenskyjs Frieden bedeuten, die halte ich für brandgefährlich – zumal die Regierung in Kiew seit acht Jahren Krieg im Donbass führt, auch gegen die Zivilbevölkerung dort.  Und versteh‘ mich nicht falsch: Natürlich hat jede:r meine:r ukrainischen Kolleg:innen das Recht, sich zu verteidigen, und ich rufe hier nicht zur Kapitulation auf. Gleichzeitig ist es jedoch so, dass uns jede Waffenlieferung an Kiew dem Abgrund eines Dritten Weltkrieges näher bringt.

Das Ganze eskaliert deshalb so, weil die Politik des Westens hier alles andere als selbstlos ist. Im Gegenteil. Es geht der BRD, der EU, den USA und der NATO überhaupt um die Neuaufteilung der Ukraine. Gewinnt sie in deren Interesse gegen Russland, hätte sie sich auch die noch krassere Abhängigkeit von Berlin, Brüssel und Washington erkämpft. Davon kann vielleicht ein Selenskyj sehr gut leben, aber eine nationale Selbstbestimmung im Interesse der breiten Bevölkerung sieht für mich anders aus. So weit mal zur Position gegen den Krieg, die eigentlich bedeutet müsste, gegen die NATO oder eben Scholz sein zu müssen – so wie die Arbeiter:innen in Russland in Putin ihren Hauptfeind erkennen müssen.

Was meine Kolleg:innen hier angeht, ist es jetzt auch nicht so, dass alle stramm hinter der westlichen Politik stehen. Natürlich dominiert die Angst und die Einbindung in die westliche Ideologie. Deshalb gibt es auch Kolleg:innen, die stolz posten, dass sie Waffen Richtung Osten transportiert haben, oder Leute, die mehr Aufrüstung fordern – ganz klar. Aber es gibt schon auch viel Skepsis gegenüber der Regierungspolitik, die sich jetzt auch mit der Sorge über die horrenden Preise vermischt. Viele sehen zum Beispiel auch die NATO-Osterweiterung kritisch.

Unterm Strich und definitiv sind wir zur Zeit aber leider weit davon entfernt, dass meine Kolleg:innen und ich Waffentransporte stehenlassen.

Die internationalen Beispiele zeigen da, denke ich, auch ein bisschen, was hier fehlt. In Belarus stehen die Menschen unter dem Eindruck von Massenaufständen in den letzten Jahren. Das Regime dort ist alles andere als stabil und ziemlich verhasst. Auf irgendeine Weise muss das für meine Kolleg:innen dort auch eine Rolle gespielt haben, sonst wären sie Putin und seinem Freund Lukaschenko nicht in den Rücken gefallen. Am Flughafen von Pisa wurde die Blockade von militärischen Gütern möglich, weil dort mit der Unione Sindacale di Base eine Gewerkschaft existiert, die sich in einer gewissen kommunistischen Tradition sieht. In Griechenland sah das ähnlich aus. Den Kolleg:innen dort ist die Rolle der NATO einfach klarer und sie sind militanter organisiert. Die deutschen Gewerkschaften EVG und GDL betreiben das Gegenteil: Sie sorgen für eine ideologische Einbindung in den NATO-Imperialismus und seinen angeblichen demokratischen Werten – über die viele aus Afghanistan, Palästina und dem Irak wahrscheinlich nur wütend lachen können.

Frage: Du hast gerade die deutschen Gewerkschaftsführungen erwähnt. Kannst du noch mal genauer auf ihre Rolle zur Zeit eingehen?

Antwort: Die Führung des DGB, aber auch die Spitze der GDL sind für den deutschen Kapitalismus systemrelevant, und zwar weil sie entscheidend sind, wenn es darum geht, die Arbeiter:innenklasse ruhig zu halten, beziehungsweise sie in die nationalen Interessen der Bosse oder der Ampel-Regierung einzubinden. Bei der GDL passiert das mehr durch passive Zustimmung zur Kriegspolitik der BRD: Erst hat sie wochenlang überhaupt nichts von sich hören lassen. Dann gab es ein Statement, das im Grunde auch vom DGB hätte stammen können.

Der DGB, worin die EVG eine Mitgliedsgewerkschaft ist, hat wiederum viele seiner sowieso bescheidenen Grundsätze über Bord geworfen. Eigentlich stimmt er der Regierung im Großen und Ganzen zu, solange noch ein kleines bisschen Geld für soziale Angelegenheiten übrig bleibt.

Der Erste Mai hat das auch nochmal unterstrichen. In Düsseldorf hatte der DGB gleich Kanzler Scholz eingeladen, um seine Kriegspropaganda zu verbreiten. In Berlin hat der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann satte zwanzig Minuten lang gelabert und wären aus der Versammlung nicht Pfiffe und Buhrufe gekommen, hätte er wahrscheinlich noch mehr über „europäische Sicherheit und Werte“ geschwatzt. So warf er ein paar mehr soziale Floskeln als gewollt ein.

Dabei ist wichtig zu verstehen, dass die Gewerkschaftsspitzen – die Gewerkschaftsbürokratie – nicht einfach nur eine falsche Politik machen, die nur korrigiert werden müsste. Das Ganze hat System. Hoffmann, Weselsky, Hommel und die ganzen anderen sind ziemlich privilegiert und stehen den Konzernspitzen, dem Staat und den Berufspolitiker:innen sehr nah – auch gehaltstechnisch.

Sie haben von ihrer gesellschaftlichen Position aus überhaupt kein Interesse daran, der deutschen Kriegspolitik in den Rücken zu fallen, weil sie – nennen wir‘s beim Namen – im Imperialismus der BRD einfach sehr gut leben können und selbst an dessen Werte usw. glauben. Von den EVG- und GDL-Spitzen ist nicht zu erwarten, dass wir dazu aufgerufen werden, Panzerzüge stehenzulassen. Im Gegenteil. Sie halten die Gewerkschaftsmitglieder passiv und die Panzerzüge für Teil einer gerechten Sache, den Kampf für Demokratie und zur Verteidigung der überfallenen Ukraine, obwohl es doch eigentlich der extrem gefährliche Kampf um die Neuaufteilung der Welt ist.

Frage: Was können Beschäftigte konkret im Kampf gegen Krieg und die Gewerkschaftsbürokratie tun?

Antwort: Allgemein gesprochen braucht es, denke ich, einen politischen Kampf für eine klassenkämpferische Opposition in den Gewerkschaften, die zum Beispiel die Tarifrundenrituale kritisiert und fordert, dass der Lohn  der Inflation entsprechend steigen muss oder dass wir Gewerkschaften wollen, die direkt und demokratisch von der Basis kontrolliert werden und wo ein/e Vorsitzende/r nur den Durchschnittslohn kriegt und über die eigene Politik rechenschaftspflichtig ist. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist, die Preissteigerung und Lohnverluste mit den Kriegsausgaben der Regierung, den Sanktionen und der direkten Aufrüstung zu verbinden.

Ein kleiner –  sehr kleiner – Startpunkt, aber immerhin ein Anfang für so etwas wie eine organisierte Opposition ist die eben erwähnte VKG, an die sich Kolleg:innen wenden können, die keinen Bock mehr auf die offizielle Gewerkschaftspolitik haben und in ihren Gewerkschaften etwas verändern wollen.

Das ist zugegeben etwas abstrakt.

Konkrete Ideen habe ich aber auch. Als Bahnvernetzung haben wir zum Beispiel vor einigen Wochen vor dem Berliner Hauptbahnhof eine Kundgebung gegen den Krieg veranstaltet, die zwar nicht groß, aber dafür sehr sichtbar war. Dabei solidarisierten wir uns auch mit den Kolleg:innen in Belarus oder forderten unsere Gewerkschaften auf, dass sie für das Recht einstehen, keine Militärgüter transportieren zu müssen – sprich keine Abmahnung und keine Kündigung weil z. B. ein/e Lokführer:in sich weigert, einen Panzerzug zu fahren. Wichtig ist in dem Zusammenhang auch das  Recht, überhaupt in die Ladung schauen zu dürfen, um zu überprüfen, was wir da eigentlich bewegen sollen.

So eine kleine Kundgebung können Kolleg:innen schon mit wenigen Kräften starten und vielleicht mehr werden.

Als Bahnvernetzung treffen wir uns außerdem einmal im Monat, um uns über betriebliche Fragen auszutauschen, wobei wir offen sind für Kolleg:innen aus dem gesamten Bundesgebiet. Es gibt ja Internet. Es ist egal, welches Eisenbahnunternehmen oder welche Gewerkschaft – wir wollen ja die Spaltung zwischen EVG und GDL überwinden.

Wenn du keinen Bock darauf hast, was Weselsky und Hommel treiben, und eine linke Perspektive in die Gewerkschaften tragen willst, musst du nicht alleine anfangen, sondern kannst uns anschreiben. 🙂

Frage: Danke für das Interview.

Antwort: Gerne!




Kundgebung: Eisenbahner:innen gegen den Krieg

Aufruf von Bahn-Gewerkschafter*innen zu einer Antikriegskundgebung in Berlin, Infomail 1182, 16. März 2022

Die russische Invasion der Ukraine und der Krieg haben uns überrascht und erschrocken. Er hat das schon seit Jahren drehende Rad der Konkurrenz und Eskalation zwischen den großen Mächten unfassbar beschleunigt. Wie sonst nichts bestimmt dieser Krieg nun unsere Welt. Jeder Meldung über Leid und Zerstörung in der Ukraine folgen neue Erklärungen, Drohungen, Sanktionen. Es wird weiter eskaliert – was bis zu einem Dritten Weltkrieg führen kann.

Denn der Krieg ist einer um die Neuaufteilung der Welt zwischen Russland einerseits und den USA und den europäischen Mächten, vertreten durch die Ukraine, andererseits.

Wir stehen daher auf der Seite unserer Kolleg:innen in der Ukraine, die ihr Zuhause, Familien und sogar ihr Leben verlieren und am meisten unter dem Krieg leiden.

Wir stehen aber auch auf der Seite unserer russischen Kolleg:innen, die die Zeche für den Krieg und Sanktionen aufgedrückt bekommen und deren Angehörige in Putins Feldzug fallen.

Und wir stehen auf der Seite aller unserer Kolleg:innen hierzulande, denn wir werden die Folgen des Krieges in unserer aller Taschen spüren – wir sollen die 100 Milliarden-Aufrüstung der Bundeswehr finanzieren und die explodierenden Preise für Lebensmittel, Gas, Strom und Sprit bezahlen!

Zu all dem sagen wir: NEIN, No, いいえ, Нет, 아니요, Hayır, Ні, Non, Όχι, 不, !

Vergessen wir nicht, dass Osteuropa seit Jahren auf dem Schienenweg bereits militarisiert und aufgerüstet wurde. Die Deutsche Bahn hat an diesen Rüstungstransporten und der Kriegsspirale ganz mies mitverdient! Wir Eisenbahner:innen haben es in der Hand, dem Krieg das Futter zu entziehen: „Halt“ für Panzerzüge, „Fahrt“ für Flüchtlingszüge und Hilfsgüter – in ganz Europa und Russland!

Als Eisenbahner:innen und Gewerkschafter:innen der EVG und GDL fordern wir:

  • Ein Ende der Militäroffensive der russischen Armee: sofortiger Abzug der Truppen und Ende der Bombardierungen!
  • Keine Unterdrückung und Einschränkungen der Presse- und der Meinungsfreiheit in Russland, der Ukraine und EU! Sofortige Freilassung aller Kriegsgegner:innen! Keine Zwangrekrutierung in Russland und der Ukraine! Keine Verfolgung von Menschen, die den Kriegsdienst verweigern oder desertieren! Unterstützung des Aufbaus unabhängiger Gewerkschaften in Russland und in der Ukraine!
  • Aufnahme aller Menschen, die fliehen, in die EU – nicht nur, wenn sie einen ukrainischen Pass haben!
  • Rückzug von NATO-Truppen und Nein zur NATO-Osterweiterung, Auflösung der NATO!
  • Brechen wir das zustimmende Schweigen bzw. die Zustimmung für Sanktionen gegen die Bevölkerung durch unsere Gewerkschaften! Keine Sanktionen, keine Waffenexporte, keine Aufrüstung, keine Preiserhöhung! Stattdessen sollen EVG und GDL zusammen eine starke internationale Antikriegsbewegung mit aufbauen und diese global ausweiten – das heißt notfalls auch: Arbeitsniederlegung und Streik gegen Waffenlieferungen, Truppentransporte Aufrüstung und Krieg!
  • Rücknahme der 100 Milliarden-Aufrüstung der Bundeswehr – stattdessen: Geld für unsere Daseinsversorgung wie z. B. eine echte Verkehrswende hin auf die Schiene!
  • Kontrolle aller Güterzüge Richtung Osteuropa – kein Transport von weiteren Waffen! Keine arbeitsrechtlichen Maßnahmen für Kollegen:innen, die sich weigern, Rüstungstransporte zu beladen, wagentechnisch zu behandeln, oder diese stehenlassen! EVG und GDL müssen ihre Mitglieder dazu ermutigen und aufrufen, die Kriegsmaschine zu stoppen.
  • Gegen den Krieg – für die internationale Solidarität unter Kolleg:innen! Kommt zur Kundgebung Eisenbahner:innen gegen den Krieg – eingeladen sind alle!

21.03.2022 / 16:00 Uhr, Berlin-Hauptbahnhof – Europaplatz

Initiative zur gewerkschaftsübergreifenden Vernetzung von Eisenbahner:innen: bahnvernetzung.de