Boris Pistorius wird Minister – Zeitenwende im Verteidigungsministerium

Martin Suchanek, Infomail 1211, 17. Januar 2023

Nach dem Rücktritt der unglücklichen, weil etwas aus der Zeit gefallenen Ministerin Lambrecht, vollzieht Kanzler Scholz nun auch auf personalpolitischer Ebene die Zeitenwende zu Militarisierung und Aufrüstung des deutschen Imperialismus.

Trotz massiver Budgetsteigerungen, 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr,  Rekordaufträgen für die Rüstungsindustrie ging bisher alles zu langsam, zu bürokratisch, zu wenig enthusiastisch. Lambrecht stand an der Spitze eines gigantischen Aufrüstungs- und Militarisierungsprojekts wider Willen. Sie vertrat dabei nicht nur sich, sondern auch jenen Flügel der SPD, dem die westliche Kriegspolitik im Kampf um die Ukraine nicht ganz geheuer war und ist. Als Getriebene, nicht Treibende vollzog sie die Wende. Eine Person, die zwar alles mitträgt, aber letztlich zum Jagen getragen werden muss, passt nicht mehr zum Zeitgeist.

Nun sind andere Männer und Frauen gefragt. Noch vor dem offiziellen Rücktritt von Lambrecht formulierte der Bundeswehrverband, welche Eigenschaften und Fähigkeiten von der Spitze des Ministeriums in Kriegszeiten erwartet werden (und welche implizit Lambrecht abgesprochen wurden): Sachkompetenz, Reformwilligkeit, parteiübergreifende Anerkennung, Motivation, die Bundeswehr rasch voranzubringen, Kommunikationsfähigkeit.

Gedient müsse die Person nicht haben, Militärexpert:in müsse sie auch nicht sein, umso bereitwilliger müsse sie sich aber die Zielsetzungen der Truppe und NATO zu eigen machen. Sie müsse diese entschlossen und glaubwürdig vertreten, neue Geldquellen erschließen, die Modernisierung und Anschaffung neuer Waffensysteme voranbringen, soldatisch-freudig eine Führungsrolle im Kampf für „unsere“ Interessen annehmen.

Entspricht Pistorius diesen Wünschen? Wahrscheinlich. Als niedersächsischer Innenminister seit 2013 und als rechter Sozialdemokrat hat er sich als „Sicherheitspolitiker“ schließlich einen Namen gemacht. Wie nur wenige in der SPD steht er für Law and Order. In den letzten 10 Jahren setzte er sich unter anderem für folgende Forderungen ein oder machte sich für diese stark:

  • Überwachung islamischer Vereine, natürlich, um fein säuberlich zwischen schlechten Islamist:innen und guten Gläubigen unterscheiden zu können.

  • Verbot islamischer Vereine.

  • Abschiebung sog. Gefährder:innen und „krimineller Flüchtlinge“.

  • Stärkere Finanzierung von Polizei und Ausweitung von überwachungsstaatlichen Rechten wie z. B. Vorratsdatenspeicherung und Kontrolle des Internets.

  • Deutliche personelle Stärkung der Bundespolizei und ihrer Kompetenzen.

  • Errichtung einer EU-Polizei nach dem Vorbild des FBI.

  • Aufbau einer europäischen Grenzpolizei zum Schutz des Schengenraums.

  • Verbot von Antifagruppierungen und stärkere Verfolgung des „gewaltbereiten Linksextremismus’“.

Natürlich. Der Ausbau und die Modernisierung der Bundeswehr, die Popularisierung und Rechtfertigung des zunehmen Militarismus und einer imperialistischen Außenpolitik stellen andere „Herausforderungen“ dar als der Posten des hannoverischen Innenministeriums. Doch was reaktionären, staatspolitischen Enthusiasmus und ein aktives Verfolgen dieser Ziele betrifft, bringt Pistorius genau jene „Reformwilligkeit“, jene „Kompetenz“, jene „Motivation“ und Hingabe an die Truppe mit, die der Bundeswehrverband einfordert.

Die vereinigten Militarist:innen und Imperialist:innen Deutschlands können zufrieden sein. Boris Pistorius entspricht ihrem Anforderungsprofil und einer Zeitenwende zu mehr Konkurrenz und Krieg.