Kampf gegen Krieg bedeutet Kampf gegen die Inflation

Dilara Lorin, REVOLUTION, Debattenbeitrag zur Konferenz „Für einen revolutionären Bruch“, Infomail 1209, 9. Januar 2023

Die Welt, in der wir leben, beugt sich der kapitalistischen Ordnung und wird immer wieder durch Krisen heimgesucht. Aktuell treffen mehrere die Arbeiter:innenklasse oder verursachen neue oder gehen ineinander über. Eine, die Weltwirtschaftskrise, wurde vor allem durch den Ukrainekrieg und die Inflation noch einmal verschärft. Wir stehen jedoch an einem Wendepunkt der Entwicklung des globalen Kapitalismus, also inmitten einer Phase des globalen Klassenkampfes, die entscheidenden Einfluss auf die weitere Entwicklung nehmen wird. Die Krise geht notwendigerweise mit Angriffen auf die Arbeiter:innenklasse, die Bauern-/Bäuerinnenschaft, die Jugend, die unteren und ärmeren Teile des Kleinbürger:innentums und der Mittelschichten einher.

Heute stehen Preissteigerungen im Zentrum der Angriffe auf die Einkommen und Lebensbedingungen der Massen. Mit der Entwicklung der Krise könnte dies jedoch in Deflation umschlagen, die mit Massenentlassungen, Betriebsschließungen, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung einhergeht, wie dies heute schon für bedeutende Teile der Halbkolonien gilt. Und auch wenn die Arbeiter:innenklasse in einer tiefen Krise steckt, das Fehlen einer revolutionären Führung dies noch einmal verschärft, schaffen es auf der anderen Seite die Herrschenden nicht, eine gemeinsame Antwort auf die aufkommenden Krisen zu geben, geschweige denn diese anzugehen. Das markiert eine Phase des Umbruches und es kommt auf die Arbeiter:innen an, wie schnell sie sich aufraffen und als Macht auftreten können.

Die imperialistischen Mächte befinden sich währenddessen in einem Kampf, welcher immer mehr zur Blockbildung zwischen China und den USA führt. Die russische Invasion in der Ukraine hat ein neues Kapitel in den internationalen Beziehungen aufgeschlagen, das erhebliche Auswirkungen auf die globale Wirtschaftsordnung mit sich bringt. Der Ukrainekrieg hat sicherlich Bewegung in die Blockbildung (also die außen- und militärpolitische Ausrichtung der Staaten) gebracht. Die hirntot geglaubte NATO ist plötzlich wieder erwacht, die USA und die EU fanden wieder zueinander und die Beziehungen zwischen der EU und Russland scheinen ein für alle Mal zerbrochen. Die Integration von Schweden und Finnland in die Nato verdeutlicht dies zusätzlich und verschärft die Konfrontation mit Russland, welches nun tausende weitere Kilometer eine direkte Grenze mit einem NATO-Staat teilt. Das beispiellose Sanktionsregime der G7 zeitigt wegen der Unterbrechung der Getreide-, Gas- und Ölversorgung Folgen weit über Europa hinaus. Die Blockade bedroht die  Ernährungssicherheit von etwa 50 Ländern in Afrika und Asien. Die Lebensmittelpreise sind 2020 um 28 % und 2021 um 23 % gestiegen; in diesem Jahr sind sie allein zwischen Februar und März um 17 % in die Höhe geschnellt. Hungersnöte und Hungerkrisen sind damit vorprogrammiert. Westliche Beschränkungen für russische Gas- und Ölexporte tragen ebenfalls zum Inflationsdruck bei und bringen heute schon, vor allem in Großbritannien, die Arbeiter:innen auf die Straße. Massive Preissteigerungen führen zu Hunger und Not und treiben die Inflation in Ländern an, die weit vom Schauplatz des Konflikts entfernt sind. Deutschland sowie Frankreich liegen immer mehr auf Linie der USA und haben ihre bis vor dem Krieg guten Wirtschaftsbeziehungen zu Russland komplett auf Eis gelegt, ohne dabei die möglichen Auswirkungen auf die Arbeiter:innen einzubeziehen. Auf der anderen Seite treibt der Krieg Russland in die Armee des viel stärkeren chinesischen Imperialismus, und da Russland und China den Kern der riesigen eurasischen Landmasse bilden, stellen sie eine langfristige Bedrohung für die Welthegemonie der USA dar. Es wird deutlich, dass der Widerspruch zwischen USA und China die Weltlage maßgeblich bestimmt.

Im Kampf gegen Krieg, Aufrüstung und Militarisierung aber auch gegen die ökonomische Krise gab es in Deutschland mehrere Versuche, unterschiedliche Bündnisse aufzubauen. Doch keines war erfolgreich, eine wirkliche Kraft auf die Beine zu stellen. Wenn wir hier gegen den Krieg kämpfen wollen, müssen wir da anfangen, wo die Arbeiter:innenklasse am meisten betroffen ist und den Kampf auf Gewerkschaften und Betrieb ausrichten. Die Tarifrunde im öffentlichen Dienst bildet dazu eine aktuelle Gelegenheit.

Der Krieg verschärft immer mehr die Inflation in den NATO-Staaten. Der bewusst geführte Wirtschaftskrieg mit Sanktionen und Blockaden gegenüber Russland dient nicht dazu, dem russischen Imperialismus und dem Angriffskrieg in der Ukraine ein Ende zu setzen, sondern die eigenen wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen. Wir müssen als Antikapitalist:innen und Revolutionär:innen anfangen, den Kampf gegen den Krieg mit dem gegen Inflation und Krise zu verbinden. Hier formierten sich schon verschiedene Bündnisse aus Teilen der Linkspartei, Gewerkschaften und weiteren linken kleinen Gruppen. Doch auch diese leiden an einer Tendenz zur Zersplitterung.

Dem müssen wir bewusst entgegenwirken, die Kämpfe müssen verbunden werden. Wir brauchen dafür aber nicht etliche unterschiedliche Bündnisse, sondern eins, in welchem wir gemeinsam kämpfen. Dafür braucht es aber eine Aktionskonferenz, in welcher einerseits die verschiedenen Bündnisse zusammenkommen, andererseits gemeinsam diskutieren, welche Forderungen und Analysen aufgeworfen bzw. erstellt werden müssen. Wir sollten diese Vorschläge dabei nicht als Vorbedingungen überhaupt für eine gemeinsame Aktion unterbreiten. Einige mögliche Forderungen wären dabei:

  • Gegen alle Sanktionen, Aufrüstung, NATO-Truppenverlagerungen, Waffenlieferungen! Gegen die Ausweitung der NATO, für den Austritt daraus!
  • Keinen Cent für die imperialistische Politik! Abwälzung der Kosten, Preissteigerungen usw. auf die Herrschenden! Enteignung des Energiesektors und anderer Preistreiber:innen unter Arbeiter:innenkontrolle! Notprogramm für Erwerbslose, Rentner:innen, Niedriglöhner:innen, Übernahme gestiegener Wohnungskosten durch Besteuerung des Kapitals! Verstaatlichung der Rüstungsindustrie und Konversion unter Arbeiter:innenkontrolle!
  • Bei direkter Intervention (z. B. Errichtung von Flugverbotszonen, Entwicklung neuer Brandherde im Baltikum): politischer Massenstreik gegen den Krieg!
  • Aufnahme aller Geflüchteten, Bleibe- und Staatsbürger:innenrechte für alle an dem Ort, wo sie leben wollen – finanziert durch den Staat! Integration der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt, Aufnahme in die Gewerkschaften!