Britannien: Demokratische lokale Versammlungen sind notwendig, um die Kampagnen gegen die Lebenshaltungskosten zu vereinen

R. Banks / Alex Rutherford, Workers Power Britannien, Neue Internationale 268, Oktober 2022

Die wachsende Krise der Lebenshaltungskosten und die zunehmende Beunruhigung der Öffentlichkeit darüber, was sie bedeuten wird, machen eine Einheitsfront aller von der Inflation Betroffenen dringend erforderlich.

Man muss Gewerkschaftsmitglieder und diejenigen, die einer kämpfenden Gewerkschaft beitreten wollen, Arbeitslose und Unterbeschäftigte, Rentner:innen, Student:innen und Sozialhilfeempfänger:innen zusammenbringen. Die Inflation schmälert unser aller Einkommen. Wir alle müssen uns gemeinsam dagegen wehren.

Doch während es an der Basis einen starken Drang nach dieser Einheit gibt, wie man an der großen Zahl von Solidaritätsbekundungen bei Streikpostenbesuchen und den von „Enough Is Enough“ organisierten Kundgebungen mit Tausenden von Teilnehmer:innen sehen kann, gibt es in einigen Gewerkschaftsspitzen weniger Anzeichen für Einigkeit. In der Tat scheint es so, als ob die schlechte alte Gewohnheit, getrennte Kampagnen verschiedener Parteien und Gewerkschaften unter eigenem Namen einzurichten, immer noch in Kraft ist.

„Enough Is Enough“ und „Don’t Pay“ sind die neuen Kampagnen, die für Schlagzeilen gesorgt haben. Darüber hinaus plant Unite die Gründung von „Unite For A Workers‘ Economy“, und es wurden kleinere Kampagnen wie „Cost Of Living Action“ gestartet. Die älteren „Fronten“, die „People’s Assembly“ und „People Before Profit“, konkurrieren ebenfalls auf einem überfüllten Markt. In diesem Fall halten wir Zusammenschlüsse und Rationalisierung für angebracht, aber die Initiative wird wahrscheinlich von unten kommen müssen.

„Enough Is Enough“

Die Gewerkschaft CWU hat die Initiative „Enough Is Enough“ mit Unterstützung von Persönlichkeiten der Labour-Linken und der Zeitschrift Tribune ins Leben gerufen, die ihr den politischen Ballast liefert. Die „Renters Union“, „Acorn“ und „Right To Food“ haben sich der Initiative angeschlossen. Mick Lynch von der RMT, die Abgeordnete Zarah Sultana und Andy Burnham, der Bürgermeister von Greater Manchester, haben auf den Plattformen der Kampagne gesprochen. Ihre Stärke liegt darin, dass sie den gewerkschaftlichen Kampf mit kommunalen Aktionen verbinden will. Diese Initiative ist sicherlich zu begrüßen.

In weniger als einem Monat hat die Kampagne mehr als 500.000 Unterschriften gesammelt und landauf, landab große Kundgebungen abgehalten, deren militante Reden von Tausenden von Teilnehmer:innen begeistert aufgenommen wurden.

Die Folgemaßnahmen sind jedoch bisher nur langsam in Gang gekommen. Und obwohl Enough Is Enough erklärt, dass sie lokale Organisationen wolle, blieben E-Mails, in denen sie um Hilfe bei der Gründung solcher Organisationen gebeten wurde, unbeantwortet.

Die Gruppen müssen auf der Grundlage von Großstadtbezirken, Städten und Gemeinden organisiert werden, die tief in den Betrieben und Stadtvierteln verwurzelt sind. In der Tat gründen Aktivist:innen bereits lokale Streiksolidaritätsgruppen. Wir sollten sie ermutigen, sich Enough Is Enough anzuschließen oder deren lokale Zweigstellen zu werden.

Die fünf Forderungen der Kampagne lauten: eine echte Lohnerhöhung; Senkung der Energiekosten; Beendigung der Lebensmittelarmut; menschenwürdige Wohnungen für alle; Besteuerung der Reichen. Was diese Forderungen in der Praxis bedeuten und wie wir für sie kämpfen werden, muss auf lokaler Ebene diskutiert werden. Sollten sie ergänzt werden – zum Beispiel durch die Verstaatlichung der Energieunternehmen? Welche Maßnahmen könnten wir ergreifen – Demos, Flashmob-Besetzungen, inoffizielle Arbeitsniederlegungen?

Aktivistennetzwerke, Gewerkschaftsräte, Mietervereinigungen, linke Labour-Parteien und Kampagnengruppen könnten zusammen mit Gewerkschaftsortsvereinen die Basiseinheiten von EIE bilden, die sich dann in die Siedlungen und Betriebe ausbreiten können. Sobald sie etabliert sind, könnte eine nationale Konferenz dieser Gruppen eine Strategie zur Verteidigung der gesamten Arbeiter:innenklasse gegen diese Krise ausarbeiten.

„Don’t Pay“

„Don’t Pay“ ist ein Versuch, die Anti-Poll-Tax-Kampagne nachzuahmen, als die Tory-Regierung durch massenhafte Nichtzahlung gezwungen wurde, die Steuer zurückzuziehen. Ähnliche Kampagnen, vor allem in Irland, haben gezeigt, dass sich diese Taktik auch auf Verbraucherrechnungen übertragen lässt.

Die Forderungen von „Don’t Pay“ sind jedoch minimal: Das Einfrieren der Energieobergrenze auf ihrem derzeitigen erpresserischen Niveau von 1.971 Pfund ist nicht besser als Keir Starmers unzureichende Politik. Die Obergrenze sollte auf das Vorkrisenniveau zurückgeführt werden. Das bildet auch eine sehr schmale Basis für eine Kampagne, wenn die Kosten für Lebensmittel, Transport und Mieten in die Höhe schnellen.

Darüber hinaus überlegen Truss und Kwarteng, wie sie die Wut entschärfen können, indem sie ein dreijähriges Paket zum Einfrieren der Energiepreise oder gezielte Leistungen für Rentner:innen oder Bezieher:innen von Sozialleistungen einführen. Dies könnte der Aufhebung der Obergrenze im Oktober den Stachel ziehen, aber die Preise für den Rest des Jahrzehnts oberhalb des Marktpreises halten an: kein „Almosen“, sondern ein Darlehen.

Wie bei EIE gibt es auch für „Don’t Pay“ kaum eine lokale Organisation – abgesehen von WhatsApp-Gruppen. In dieser Phase der Rebellion gegen die Kopfsteuer (Poll Tax) gab es bereits große lokale Gruppen, Demos in jeder Stadt und zwei nationale Konferenzen.

Etwa 150.000 Menschen haben sich verpflichtet, nicht zu zahlen, aber die Kampagne wird nur dann aktiv, wenn sie bis zum 1. Oktober 1.000.000 Unterschriften erhält. Die Zahlen passen nicht zusammen. Aber wenn die Führung nichts unternimmt, um diese 150.000 willigen Aktivist:innen zu mobilisieren, wäre das eine sträfliche Verschwendung von Potenzial.

Einheit

Im Moment haben beide Kampagnen eine zu begrenzte Perspektive, was ihre Forderungen und Lösungen angeht. Wir brauchen eine Erhöhung der Löhne und Sozialleistungen in Höhe des Verbraucherpreisindexes, zusätzlich zur Senkung der Energiekosten. Wir müssen dafür kämpfen, den Energiesektor zu verstaatlichen und ihn unter die Kontrolle der Arbeiter:innenklasse zu stellen. Wenn sich ein Unternehmen auf gewerkschaftsfeindliche Gesetze beruft oder Truss dem Parlament neue vorlegt, dann brauchen wir politische Massenstreiks.

Keiner der Mängel der erwähnten Kampagnen sollte Sozialist:innen davon abhalten, sie aufzubauen. Die Tatsache, dass die Gewerkschaftsführer:innen und Labour-Abgeordneten es vermeiden, „Don’t Pay“ zu unterstützen, ist ein reformistisches Vorurteil gegen alles, was auch nur im Entferntesten „illegal“ oder „unverantwortlich“ klingt. Aber eine Form des massenhaften zivilen Ungehorsams, wie die massenhafte Nichtzahlung, kann dazu beitragen, die Regierung zu zwingen, unseren Forderungen nachzugeben.

Unsere Aufgabe ist es, demokratische Koordinierungsausschüsse zu schaffen, die industrielle und politische Kampagnen in einer gemeinsamen Aktion vereinen können. Die lokalen Solidaritätsgruppen, die in allen Londoner Stadtbezirken entstanden sind, könnten sich als der nützlichste Weg erweisen, die verschiedenen Kampagnen und Taktiken miteinander zu verbinden.

Im Zusammenhang mit einem echten Massenaufschwung an Streiks und direkten Aktionen sollte es unser Ziel sein, sie zu Aktionsräten auszubauen, die Delegierte aus Gewerkschaftszweigen und der Gemeinde einbeziehen, die Solidarität für alle ausweiten und mutige Maßnahmen ergreifen, um die Profiteur:innen und Behörden zu entlarven und ihr gesamtes Profitsystem in Frage zu stellen.

„Enough Is Enough“ hat für den 1. Oktober zu einem landesweiten Aktionstag aufgerufen. Lasst uns diesen Tag zum Mittelpunkt machen, um die Bewegung zu vereinen und den Kampf zu beginnen!