Schulen und Kitas: gewappnet für das beginnende Schuljahr?

Christian Gebhardt, Neue Internationale 267, September 2022

Die Sommerferien sind in den meisten Bundesländern zu Ende. Die Schüler:innen und Lehrkräfte sind zurück in ihren Schulen, die Kinder und Erzieher:innen in ihren Kitaeinrichtungen. In einer perfekten Welt würden nun alle gestärkt und erholt in ein neues Jahr voller Wissenszuwachs und Entwicklungssprünge starten. Stattdessen stapeln sich die Probleme: die Angst vor einer neuen Coronawelle im Herbst und Winter, der hohe Personalmangel an Lehrkräften bzw. Erzieher:innen wie auch fehlende Psycholog:innen und Sozialarbeiter:innen, um die psychischen Belastungen der Coronapandemie – mit der noch viele Kinder und Jugendliche zu kämpfen haben – sowie die Lernrückstände aufholen zu können.

Fehlende Investitionen

Es ist nichts Neues, dass unser Bildungssystem mit seinen unterschiedlichen Bereichen nicht gut ausfinanziert ist. Die Fortbildungen lassen zu wünschen übrig und die Gebäude benötigen nicht nur mit Hinblick auf bessere Lüftungsanlagen eine Sanierung. Anstatt auf Investitionen dürfen wir uns mit auf kommende Kürzungen gefasst machen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann gibt in Baden-Württemberg rhetorisch denn Weg vor, in dem er größere Klassenteiler vorschlägt oder von Kolleg:innen in Teilzeit eine Stunde Mehrarbeit verlangt. Das grüne Außenministerium lässt schon Taten folgen und kürzt die Mittel des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) für rund 6.000 Stipendien. Darüber hinaus wurde in Verhandlungen rund um den Berliner Haushalt lange darüber gesprochen, an drei Posten im Bildungshaushalt zu sparen: 1) an der Schulbauoffensive sollten 136 Millionen Euro eingespart werden, 2) an der Lehrkräftefortbildung 16,5 Millionen Euro und 3)  sollten 5 – 10 Millionen Euro für sogenannte „multiprofessionelle Teams“ (z B. Zusammenarbeit zwischen Erzieher:innen und Lehrkräften mit Schulsozialarbeiter:innen und -psycholog:innen) gekürzt werden. Diese Kürzungen wurden trotz überraschenden Steuermehreinnahmen von 300 Millionen Euro diskutiert und vorgeschlagen. Argumentiert werden sie wie auch fehlende und notwendige Mehrinvestitionen mit allgemeinen Haushaltseinsparungen, die aufgrund des erneut ausgesprochenen Ziels der schwarzen Null durch die Ampelkoalition durchgeführt werden müssten.

Verhinderte Kürzungen in Berlin!?

In der Hauptstadt haben die angekündigten Kürzungen gepaart mit den Steuermehreinnahmen zu einem Aufschrei einiger Initiativen und Organisationen im Bildungsbereich geführt. Die Berliner Initiative „Schule muss anders“, die auch durch die GEW Berlin unterstützt wird, thematisierte die Kürzungen und organisierte eine Mahnwache dazu. Gleichzeitig sprachen sich auch die Bildungspolitiker:innen der drei Regierungsparteien in Berlin (darunter Philipp Dehne von der Linkspartei, der auch in „Schule muss anders“ aktiv ist) gegen die Kürzungen aus und wandten sich an ihre Fraktionsspitzen, um diese zum Einlenken zu bewegen. Schlussendlich könnten sich die Akteur:innen in Berlin über die Rücknahme der Mehrzahl der angekündigten Kürzungen freuen.

Einerseits muss aber die Frage gestellt werden, ob sie wirklich erfolgreich verhindert oder nur nach hinten geschoben wurden. Die schon angesprochene Rhetorik in anderen Bundesländern sowie Bereichen des Bildungssystems und der notwendigen Haushaltseinsparungen werden weitere Einsparungen sehr wahrscheinlich machen. Deshalb muss die Frage der Aktionsform in Berlin näher unter die Lupe genommen werden. Waren eine Mahnwache sowie ein Brief der Bildungspolitiker:innen an die Fraktionsspitzen genug, um die Kürzungen zu verhindern?

Vergegenwärtigen wir uns die allgemeine politische Situation, befindet sich die rot-grün-rote Landesregierung wie alle anderen und die Bundesregierung in einer Situation, in der sie inmitten hoher Kriegsausgaben, einer historischen Inflation und Energiepreissprüngen das kapitalistische System verwalten müssen. In einer Zeit, in der offen von möglichen sozialen Unruhen im Herbst gesprochen wird, die Koalitionsverhandlungen in Berlin alles andere als rund über die Bühne gingen und mit dem Volksentscheid „DeutscheWohnen & Co. enteignen“ schon eine wichtige, soziale Frage in der Hauptstadt von der Koalition mit Füßen getreten wird, kann sich diese mit einem weiteren Wortbruch im Bildungssystem nicht noch weiter gegen ihre Basis und Wähler:innen stellen.

Möglich war dieses Zugeständnis im Bildungsbereich aber nur, weil die Steuermehreinnahmen von 300 Millionen Euro als Verhandlungsbasis zur Verfügung standen. Wäre dieses Geld nicht vorhanden gewesen, hätten „wir alle“ in Berlin den Gürtel auch im Bildungsbereich noch enger schnallen müssen. Solche Zeiten drohen uns durch die massiven Militärausgaben in Zeiten des Ukrainekrieges, der u. a. für die imperialistischen Interessen des deutschen Kapitals geführt wird.

Um uns für kommende Angriffe im Bildungssystem zu wappnen, müssen wir unsere Kämpfe als solche gegen alle kommenden Kürzungen verstehen. Hierfür benötigen wir eine bundesweite Bewegung der Arbeiter:innenklasse gegen die Inflationsauswirkungen und bevorstehende Sparmaßnahmen, ob im Bildungs-, Gesundheits- oder anderen Bereichen des „Sozialstaates“. Die Organisation einer bundesweiten Aktionskonferenz, um vereinzelte Proteste und Initiativen zusammenzuführen, stellt die Aufgabe der Stunde für große Organisationen wie die DGB-Gewerkschaften und Arbeiter:innenparteien dar. Notwendig hierfür ist ein Bruch mit der Sozialpartner:innenschaft sowie den unterschiedlichen Koalitionen mit offen bürgerlichen Parteien.